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Geld neu erfinden Die visionären - Wir - Menschen im Wandel

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Gesundheit & Wohlfühlen Gesundheit & Wohlfühlen<br />

Gute St<strong>im</strong>mung<br />

Dass Musik heilsam sein kann, wussten wir eigentlich<br />

schon <strong>im</strong>mer. Jetzt bestätigt auch die medizinische Wissenschaft,<br />

dass wohldosierte Klänge uns gut tun.<br />

Text: Andrea Fettweiss<br />

In einer weiten,<br />

bedächtigen Kurve bewegt sich die schwere Metallkugel des<br />

Foucault�schen Pendels <strong>im</strong> Halbdunkel. Ein paar klagende Trompetentöne<br />

verhallen langsam. Dann schweben plötzlich Gesangsphrasen<br />

hinterher, hohe und tiefe Töne zugleich. Zwischendurch<br />

vibrieren die knarrigen Laute eines Didgeridoos durch den<br />

Raum, schwingen auf und ab, bis schließlich flinke Flötentöne<br />

hinterhertanzen. Magische Töne in einem magischen Raum.<br />

Tatsächlich aber nur ein Soundcheck – in einem stillgelegten<br />

Gasometer in Augsburg. Doch die <strong>Wir</strong>kung ist berückend: Eine<br />

Ahnung von Unendlichkeit entsteht bei der Wahrnehmung der<br />

verschiedenen Klänge, obwohl sie doch in einem geschlossenen<br />

Raum zirkulieren. Und erzeugt hat sie nur ein einziger Künstler:<br />

Christian Bollmann, Komponist, freier Musiker, Multiinstrumentalist,<br />

Produzent und Musikpädagoge <strong>im</strong> Oberbergischen<br />

bei Köln – ein Klangvirtuose, der am liebsten in Räumen spielt,<br />

die eine ungewöhnliche Akustik haben und die dadurch selbst zu<br />

einem Instrument werden. So wie das alte Gasometer.<br />

Wo er auftritt, stehen jedoch seine eigene St<strong>im</strong>me und Naturinstrumente<br />

<strong>im</strong> Mittelpunkt. Mit ihnen lädt er seine Hörer ein, in<br />

die Welt der Klangräume und Sphären zu reisen, um ihr Inneres<br />

dabei <strong>neu</strong> zu erleben – und das nicht zuletzt deshalb, um so die<br />

Tiefe und heilende Kraft der Musik erlebbar zu machen. Denn<br />

Musik ist für Christian Bollmann mehr als eine Komposition aus<br />

<strong>Wir</strong> – <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong> 01 | 2011<br />

Melodien und<br />

Rhythmen: Sie ist ihm Nahrung für<br />

Geist und Seele; eine Ansicht, mit der er nicht allein steht. Schon<br />

der französische Dichter Victor Hugo sah den Einfluss der Musik<br />

auf den <strong>Menschen</strong>: »<strong>Die</strong> Musik drückt das aus, was nicht gesagt<br />

werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.«<br />

Was frühere Kulturen <strong>im</strong>mer schon wussten, rückt heute langsam<br />

wieder ins Alltagsbewusstsein: Musik ist weit mehr als nur<br />

Unterhaltung. Sie n<strong>im</strong>mt unmittelbaren Einfluss auf Leib und<br />

Seele: Sie kann uns fröhlich st<strong>im</strong>men, aber auch traurig und aggressiv<br />

machen, sie kann anregen oder entspannen und sogar<br />

heilen. Wer selbst musiziert, erlebt die Melodien und Rhythmen<br />

dabei noch intensiver, als wer sie nur konsumiert. So oder so<br />

findet Musik vielfältige Anwendung in therapeutischen zusammenhängen.<br />

Und das mit gutem Grund<br />

Erste Beats <strong>im</strong> Mutterleib <strong>Die</strong> Verbindung zur Musik entwickeln<br />

wir als eine Art Ur-Erfahrung bereits <strong>im</strong> Mutterleib. Es<br />

beginnt mit dem Herzschlag der Mutter, den der Embryo je<br />

nach ihrer St<strong>im</strong>mung sehr unterschiedlich und bis zu einer Lautstärke<br />

von 90 Dezibel erleben kann. In den letzten Monaten der<br />

Schwangerschaft hört das werdende Kind auch die Sprech- und<br />

Singst<strong>im</strong>me der Mutter. Nach der Geburt, wenn der Säugling<br />

den Sinn der Worte noch nicht verstehen kann, orientiert er sich<br />

an dem Klang des Gesagten. Auch alle anderen Geräusche vern<strong>im</strong>mt<br />

das Kind auf musikalischer Ebene.<br />

Mit einer Klangmassage kann bereits während der Schwangerschaft<br />

der Kontakt zwischen der werdenden Mutter und dem<br />

ungeborenen Kind gefördert werden, um das natürliche Bonding<br />

zu stärken. Aus der Pränatalpsychologie ist bekannt, dass die<br />

Beziehung zwischen Mutter und Kind in dieser Phase eine wichtige<br />

Grundlage für eine ganzheitliche Entwicklung eines <strong>Menschen</strong><br />

ist. Mithilfe von Klängen wird sich das Kind auch später<br />

noch an die wohltuende Situation und das Geborgensein erinnern,<br />

was wiederum das Wachstum positiv beeinflusst.<br />

Natürlich ist eine Klangmassage auch für<br />

s c h w a n g e r e<br />

Frauen eine faszinierende<br />

Erfahrung. Hier lernt<br />

sie durch die Klänge den eigenen Körper bewusster<br />

wahrnehmen, was den Instinkt wie die Gefühle vertieft und das<br />

Selbstvertrauen in den eigenen Körper erhöht. Das ermöglicht<br />

es der Schwangeren, die Sprache und die Signale des eigenen<br />

Körpers besser zu verstehen, denn der Körper hat, wie alle lebendigen<br />

Systeme, ein natürliches Bestreben nach Ordnung und<br />

Harmonie.<br />

So können auch Störungen wie Übelkeit und Erbrechen oder<br />

vorzeitige Wehen während der Schwangerschaft als Kommunikationsversuch<br />

des Körpers verstanden werden, der eine andere<br />

Wahrnehmung und Haltung zur momentanen Situation einfordert.<br />

<strong>Die</strong> Klänge werden dann dazu genutzt, wieder bei sich anzukommen,<br />

sich zu spüren, Ängste zu thematisieren und Altes<br />

abzuschließen, um sich so auf etwas Neues einlassen zu können.<br />

Besonders Klangschalen haben eine zentrierende, sammelnde<br />

und bündelnde Qualität. Sie helfen, in der eigenen Mitte anzukommen<br />

und das »Brüten« zu lernen. Allerdings sollten in<br />

den ersten drei bis vier Monaten der Schwangerschaft keine<br />

Klangschalen angewendet werden; und man sollte während der<br />

gesamten Schwangerschaft darauf achten, dass Klangschalen<br />

nicht auf das Kreuzbein gestellt werden, da sie Wehen auslösen<br />

könnten. Kurz vor der Geburt jedoch kann die wehenfördende<br />

Eigenschaft der Klänge hilfreich sein.<br />

Mozart lässt die Schmerzen schmelzen Nicht nur für Schwangere<br />

ist Musik ein Therapeutikum. Studien zeigen, dass best<strong>im</strong>mte<br />

Musikstücke bei vielen <strong>Menschen</strong> ähnliche körperliche<br />

Reaktionen hervorrufen. So fand der Psychologe Marcel Zentner<br />

von der Universität York in Tests mit mehr als 1000 Probanden<br />

heraus, dass die »Tritsch-Tratsch-Polka« von Johann Strauss<br />

die stärksten Macht- oder Freudegefühle hervor, während das<br />

Werk »Kol Nidrei« von Max Bruch den höchsten Wert der Bezauberung,<br />

Traurigkeit und Transzendenz erreichte. Bekannt<br />

ist, dass bei der Uraufführung von Igor Strawinskys<br />

»Sacre du Printemps« das Publikum<br />

durch die<br />

e ige n w i l l i -<br />

ge Stilistik <strong>im</strong> Rhythmus<br />

regelrecht aggressiv wurde.<br />

Zentner untersuchte auch die schmerzstillende<br />

<strong>Wir</strong>kung der Musik. Bei leichten Stücken von Mozart<br />

zum Beispiel konnten die Probanden es länger aushalten,<br />

ihre Hand in Eiswasser zu tauchen. <strong>Die</strong> Schmerztoleranz konnte<br />

um 20 bis 25 Prozent erhöht werden. Wie ist das möglich? Was<br />

geht in uns vor, wenn wir Musik hören?<br />

Sobald wir Musik als angenehm empfinden, setzt der Körper Beta-Endorphine<br />

frei. Sie senken den Grundumsatz, erhöhen die<br />

Schlafbereitschaft und regeln Empfindungen wie Schmerz und<br />

Hunger. Außerdem beeinflussen sie die Produktion der Sexualhormone<br />

und sind mitverantwortlich für die Entstehung von Euphorie.<br />

In der Schmerztherapie ist die Musik daher eine wertvolle<br />

Komponente geworden, denn je nach Reaktion des Patienten<br />

können die Schmerzmittel bis zu 70 Prozent abgesenkt werden.<br />

Noch intensiver wirkt Musik, wenn man sie selbst macht, so Professor<br />

Dr. Hans-Helmut Decker-Voigt, Direktor des Instituts für<br />

Musiktherapie der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.<br />

Besonders Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die unter seelisch<br />

bedingten Schwierigkeiten oder Störungen <strong>im</strong> Erlebens-,<br />

Verhaltens- oder <strong>im</strong> körperlichen Bereich leiden, profitieren von<br />

den wohltuenden und harmonisierenden <strong>Wir</strong>kungen des Musizierens.<br />

Dazu muss man weder musikalisch sein, noch ein Instrument<br />

beherrschen. Bei der aktiven Form der Musiktherapie<br />

darf sich jeder ein Instrument greifen, nach dem ihm zumute ist<br />

und damit spielen. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern<br />

einfach nur Klänge, die jene Gefühle ausdrücken, die man nicht<br />

aussprechen kann.<br />

Zurück ins Leben gefunden <strong>Die</strong> amerikanische Jazzsängerin<br />

Melody Gardot (26) entdeckte die heilende Kraft der Musik für<br />

sich, nachdem sie mit 16 Jahren einen schweren Unfall erlitt. Sie<br />

hatte sich schon als junges Mädchen ein kleines Taschengeld<br />

damit verdient, in Bars am Piano zu spielen. Als die Ärzte ihr eine<br />

Musiktherapie empfahlen, begann sie noch <strong>im</strong> Krankenhaus, eigene<br />

Songs zu schreiben und aufzunehmen. Heute geht sie mit ei-<br />

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<strong>Wir</strong> – <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong> 01 | 2011

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