876 086 949.51 - Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e.V.
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Bericht des Vorstandes<br />
Volkswirtschaftliche Bilanz<br />
Bereits zu Beginn des Jahres 1969 befand sich<br />
die deutsche Wirtschaft im Zustand <strong>der</strong> Vollbeschäf-<br />
tigung. Entgegen vielen Prognosen schwächte sich<br />
die Konjunktur im Laufe des Jahres nicht ab; im Ge-<br />
genteil, die Auftriebskräfte verstärkten sich noch.<br />
Zugleich erwies sich die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> In-<br />
dustrie größer als erwartet. Ende Oktober setzte die<br />
Aufwertung <strong>der</strong> D-Mark für die weitere wirtschaftliche<br />
Entwicklung neue Daten. Für 1970 wird mit einem<br />
noch anhaltenden, aber im ganzen vermin<strong>der</strong>ten<br />
Wachstum unserer Wirtschaft gerechnet.<br />
1969 war ein Jahr bewegter Diskussionen über<br />
die einzuschlagende Wirtschafts- und Konjunktur-<br />
politik. Fragen <strong>der</strong> Preisstabilität und <strong>der</strong> Auf-<br />
wertung standen im Mittelpunkt <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>-<br />
setzungen. Dabei ließen überspitzt formulierte Argu-<br />
mente und einseitige Interpretationen die tatsäch-<br />
lichen Umrisse <strong>der</strong> konjunkturellen Entwicklung<br />
manchmal nur unklar erkennen. Rückschauend zeigt<br />
die volkswirtschaftliche Bilanz für das vergangene<br />
Jahr ein sehr gutes Ergebnis.<br />
Das Sozialprodukt wuchs unter Einschluß <strong>der</strong><br />
Preisverän<strong>der</strong>ungen um 11,8% und damit stärker als<br />
1968 (9.2%). Auch die reale Zunahme war mit 8,4%<br />
größer als im Vorjahr (7,6%). Die Lebenshaltung<br />
verteuerte sich im Laufe des Jahres um 2,7% (Vor-<br />
jahr 1,6%). Das ist zwar eine höhere Preissteige-<br />
rungsrate als in den letzten beiden Jahren, aber sie<br />
liegt nicht über dem Niveau früherer Perioden <strong>der</strong><br />
Hochkonjunktur. Die Bruttolohn- und -gehaltssum-<br />
me aller Arbeitnehmer erhöhte sich um 12,2% (6,8%)<br />
und je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer<br />
um 9,3% (6,1%). Damit stieg auch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Einkommen aus unselbständiger Arbeit am gesam-<br />
ten Volkseinkommen, während die Einkommen aus<br />
Unternehmertätigkeit und Vermögen relativ zurück-<br />
gingen. Der Lebensstandard <strong>der</strong> Arbeitnehmer hat<br />
sich also noch mehr verbessert als 1968.<br />
Diese positive Bilanz darf jedoch nicht darüber<br />
hinwegtäuschen, daß sich die konjunkturelle An-<br />
spannung vor allem gegen Ende des Jahres ver-<br />
schärfte und die Überhitzungserscheinungen zunah-<br />
men. Unter dem Druck übermäßiger Nachfrage ver-<br />
stärkten sich die Preisauftriebstendenzen. Der Herbst<br />
brachte eine außergewöhnliche Expansion <strong>der</strong> Löhne<br />
und Gehälter auf breiter Front und damit für die Un-<br />
ternehmen eine Steigerung <strong>der</strong> Kosten, die durch<br />
den Produktivitätsfortschritt nicht mehr aufgefangen<br />
werden konnte. Die industriellen Erzeugerpreise stie-<br />
gen beschleunigt. Die Volkswirtschaft entfernte sich<br />
mehr und mehr von dem mittleren Pfad, <strong>der</strong> in glei-<br />
chem Maße Wachstum und Preisstabilität sichert.<br />
Das neue Instrumentarium <strong>der</strong> Konjunkturpolitik<br />
wurde von <strong>der</strong> Bundesregierung nur in begrenztem<br />
Maße eingesetzt. Das lag einmal wohl daran, daß<br />
die Prognosen über die voraussichtliche konjunk-<br />
turelle Entwicklung weit auseinan<strong>der</strong>gingen: rück-<br />
schauend erwiesen sie sich fast alle als wenig zu-<br />
treffend. Auftriebskräfte und Leistungsvermögen <strong>der</strong><br />
Wirtschaft wurden erheblich unterschätzt. Vor allem<br />
aber wurden in dem Streit um das Für und Wi<strong>der</strong><br />
einer Aufwertung viele Energien verbraucht und an-<br />
<strong>der</strong>e konjunkturpolitische Überlegungen in den Hin-<br />
tergrund gedrängt. Die Finanzpolitik wirkte bei Über-<br />
schüssen <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte insgesamt Iton-<br />
traktiv, doch die von ihr ausgehenden Dämpfungs-<br />
effekte reichten nicht aus, um. die Nachfrage zu zü-<br />
geln. Die Notenbank schaltete angesichts <strong>der</strong> Ge-<br />
fährdung <strong>der</strong> Geldwertstabilität stufenweise auf ei-<br />
nen mehr und mehr restriktiven Kurs um. Ihrer Po-<br />
litik blieb jedoch bis zur Aufwertung <strong>der</strong> D-Mark im<br />
wesentlichen <strong>der</strong> Erfolg versagt, da <strong>der</strong> Zufluß spe-<br />
kulativer Gel<strong>der</strong> die Wirkung ihrer Maßnahmen über-<br />
kompensierte.<br />
Die Neufestsetzung <strong>der</strong> DM-Parität führte sehr<br />
schnell zur Umkehr <strong>der</strong> Spekulationsströme. Der ra-<br />
sche und massive Abzug von Auslandsgel<strong>der</strong>n ver-<br />
än<strong>der</strong>te radikal die Liquiditätssituation <strong>der</strong> deutschen<br />
Wirtschaft. Er verlieh <strong>der</strong> restriktiven Politik <strong>der</strong> Bun-<br />
desbank fast über Nacht Wirksamkeit. Die Kredit-<br />
bremsen griffen scharf. Die Situation <strong>der</strong> <strong>Bank</strong>en<br />
wurde schwieriger.