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KULTUR.<br />
H-Blockx<br />
(ps) Juppheidi, juppheida, die Kasperle<br />
sind wieder da, mit „Get In The Ring“!<br />
Aber nein, man soll ja nicht immer alle<br />
deutschen Bands so niedermetzeln und<br />
alles, was übern großen Teich schwappt,<br />
als Rettung des Rock`n´Roll anpreisen.<br />
Aus den USA kommt auch viel<br />
Mist. Und vorab muss man den Verteidigern<br />
der Westfalenrocker in einem<br />
Punkt zustimmen: Die H-Blockx zählten<br />
wirklich zu den Protagonisten des<br />
Crossover, dem historischen Vorgänger<br />
des momentan so angesagten New Metal<br />
à la Limp Bizkit, Linkin Park und<br />
Konsorten (siehe letzte <strong>Ausgabe</strong>).<br />
Und im Gegensatz zu den letztgenannten<br />
haben die Münsteraner um Frontkasper<br />
Henning Wehland immer unverhohlen<br />
den Spaßfaktor in den Vordergrund<br />
gestellt. Man kann ihnen also<br />
nicht vorwerfen, sie hätten sich irgendwann<br />
irgendwem angebiedert. Aber bitte<br />
Jungs: Spaß hin, Spaß her, ein bisschen<br />
Anstand, Feingefühl und Originalität<br />
kann gelegentlich wirklich nicht<br />
schaden. Denn als ob nicht schon die<br />
vorletzte Single, das Johnny Cash-<br />
Cover von „Ring Of Fire“ billig und<br />
plump genug daher gekommen wäre,<br />
wird sogleich der nächste vermeintliche<br />
„Party-Klassiker“ pseudo-cool verwurstet:<br />
Snaps Spaßkultur-Zappel-Hymne<br />
„The Power“. Haben die Jungens denn<br />
gar keine eigenen Ideen mehr?<br />
Der Rest des Albums klingt auch wie<br />
schon zehnmal gegessen, lediglich die<br />
als Kompensation nach dem Ausstieg<br />
des Zweitsängers Dave geladenen Berliner<br />
Rapper von Das Department sorgen<br />
für ein bisschen Frische und Glaubwürdigkeit.<br />
Ansonsten viel Wiedergekäutes,<br />
‘ne Prise Elektrogepiepse, sanft<br />
in den Schlaf wiegende Grooves, Pubertätspunk<br />
in Sum41-Manier, Kindergarten-Sing-alongs<br />
und Sentimentalitäten<br />
auf Bon Jovi-Niveau. Blutleer und<br />
grottenlangweilig. Fazit: Nix für ungut,<br />
aber nix für mich und den Rest der denkenden<br />
Menschheit!<br />
Skinny<br />
(ps) Leider, leider will gut Ding immer<br />
noch recht viel Weile haben. So nahmen<br />
sich Matt Benbrook und Paul<br />
Hermann (plus Instrumentalisten) gehörig<br />
Zeit bis zur Fertigstellung ihres<br />
zweiten Albums „Taller“, das nun offiziell<br />
am 25. Februar in die Läden<br />
kommt. Ihr letztes Lebenszeichen war<br />
die Single „Failure“, die 1998 zum respektablen<br />
Insider-Hit avancierte. Kann<br />
sich noch irgendwer erinnern?<br />
Falls ja, das augenzwinkernd melodramatische<br />
„Failure“ ist zwar auf dem<br />
Album erneut mit drauf, aber keineswegs<br />
repräsentativ für den Rest. Allerdings<br />
kann das auch keiner der anderen<br />
13 Tracks leisten. Kurzum: „Taller“ ist<br />
ziemlich bunt und abwechslungsreich<br />
geraten. Mal eher nonchalanter Pop,<br />
wie bei der nächsten Single- und Video-<br />
Auskopplung „Sweet Thing“, relaxter<br />
Britrock bei „Worth It“, düsterer Trip<br />
Hop mit Soul-Schlagseite bei „Morning<br />
Light“, oder – gegen Ende – ein paar<br />
elektrische Spirenzchen à la Jimi Tenor.<br />
Vielschichtig wie die Gorillaz, insgesamt<br />
jedoch einerseits eine Spur organischer,<br />
da fast ausschließlich mit klassischer<br />
Bandbesetzung (Gitarre, Bass,<br />
Schlagzeug, Keyboards) eingespielt.<br />
Und anderseits durchgehend von einer<br />
gewissen Verträumtheit und Melancholie<br />
durchzogen.<br />
„Happy being sad“ könnte man das Motiv<br />
von „Taller“ passend beschreiben.<br />
Prima geeignet, um sich nach einem etwas<br />
intensiveren Wochenende den Weg<br />
zurück in die reale Welt zu bahnen. Wer<br />
zwingend eine Schublade für Skinny<br />
braucht, wird sich jedoch schwer tun:<br />
Trip Hop trifft es nicht, und mit Britpop/<br />
Britrock klassischer Machart haben<br />
Skinny auch nicht viel am Hut. Bleibt<br />
also die gute alte Residualkategorie Pop.<br />
Aber guter, intelligenter Pop, der angesichts<br />
des Booms fröhlichen Stumpfsinns<br />
Marke Bro`Sis inzwischen vom<br />
Aussterben bedroht zu sein scheint.<br />
Lyrik mit treibenden Beats<br />
Albert Ostermaier war Gast an der Uni und begeisterte den vollbesetzen Hörsaal in der U5<br />
(mas) Die Zukunft des musikalischen<br />
Aushängeschilds der Domstadt ist wieder<br />
gesichert: Paul Müller ist neuer Intendant<br />
bei den Bamberger Symphonikern.<br />
Nach der Kuratoriumssitzung am<br />
vergangenen Freitag gab der Vorsitzende<br />
des Gremiums, Bayerns Kunstminister<br />
Hans Zehetmaier, die Entscheidung über<br />
die Neubesetzung bekannt.<br />
Der 1958 in Westfalen geborene Musikmanager<br />
war bislang beim NDR-Symphonieorchester<br />
als Leitender Redakteur<br />
tätig. Ziel seiner Arbeit hier in Bamberg<br />
ist, die Symphoniker gänzlich neu zu<br />
positionieren. Mit Joanthan Nott hat er<br />
dabei einen Chefdirigenten zur Hand,<br />
der als einer der vielversprechendsten<br />
und interessantesten seiner Generation<br />
gilt. Ihn sieht Müller als eine Schlüsselfigur<br />
in seiner Zukunftsplanung für<br />
Von Meike Vögele<br />
„...ein gutes gedicht braucht heut / zutage<br />
einfach einen mord damit / die quote<br />
stimmt sie nicht zum / pinkeln gehn<br />
wenn du um ihre / herzen wirbst musst<br />
du sie brechen“<br />
Das klingt so, als wäre es recht schwierig,<br />
eine ganze Lesung nur mit Lyrik zu<br />
bestreiten, noch dazu mit der eigenen,<br />
verhältnismäßig unbekannten. Doch<br />
der Dramaturg und Lyriker Albert<br />
Ostermaier macht seine Sache vor den<br />
vollbesetzten Reihen des Hörsaals in<br />
der U5 ziemlich gut. So gut, dass nach<br />
der Lesung die Collibri-Abgesandten<br />
hinter fast leergekauften Büchertischen<br />
stehen.<br />
Albert Ostermaier wurde 1967 in München<br />
geboren, erhielt 1990 das Münchner<br />
Literaturstipendium und seither<br />
zahlreiche Preise, vor allem für seine<br />
alles andere als unumstrittenen Theaterstücke.<br />
Grund genug für Professor Wulf<br />
Segebrecht, ein Hauptseminar zu dieser<br />
laut Spiegel „Ausnahmebegabung unter<br />
den deutschen Gegenwartsdramatikern“<br />
zu veranstalten. Und Ostermaier<br />
selbst zur Diskussion in das Seminar –<br />
und zu einer Lesung in die Uni – einzuladen.<br />
Und so steht der 34-Jährige an diesem<br />
Dienstag Abend vor einem gespannten<br />
Publikum, im Ohr die lobenden Einführungsworte<br />
von Professor Segebrecht,<br />
im Rücken eines der eigenen Gedichte<br />
– einleitend an die Wand projiziert.<br />
Mitgebracht hat er seine beiden letzten<br />
Gedichtbände „Heartcore“ und „Autokino“,<br />
aber auch neue, noch unveröffentlichte<br />
Texte.<br />
„manchmal ist das leben ein / kleiner<br />
billiger film den du / nicht mehr nach-<br />
Ostermaier liest: Erst die U5 voll, dann die Büchertische leer<br />
synchronisieren / musst hat das glück Refrain, sich vom Text zu lösen, spontan,<br />
je nach Stimmung.<br />
französische / untertitel und der atlantik<br />
passt / in ein rotweinglas in der hand / Am Anfang ist es ein wenig schwer,<br />
eines freundes...“<br />
sich in diesen Stil hineinzufinden, und<br />
Ostermaiers Texte sind offen, schon man merkt die abwartende Zurückhaltung<br />
des Publikums. Ostermaier treibt<br />
ihre äußere Form in durchgehender<br />
Kleinschreibung, ohne Satzzeichen und sich selbst voran, spielt mit Sprache<br />
mit starkem Zeilenbruch legt das nahe. und Bildern, hangelt sich an Assoziationen<br />
entlang und erschafft ganze<br />
Entsprechend viele Möglichkeiten gibt<br />
es, seine Gedichte zu interpretieren und Wort-Welten. Genauso unvermittelt<br />
vorzutragen. Und auch er selbst nimmt nimmt er alles Tempo aus seinem Vortrag<br />
heraus, lässt Formulierungen wir-<br />
sich die Freiheit, den selben Text in verschiedenen<br />
Variationen zu lesen, zentrale<br />
Zeilen zu wiederholen wie einen wie zuvor Hektik, Technik, Lärm<br />
ken, Szenen nachklingen. So intensiv<br />
und<br />
die „neuen“ Bamberger Symphoniker.<br />
Müller tritt die Nachfolge von Matthias<br />
Weigmann an, der nach finanziellen<br />
Ungereimtheiten seinen Hut nehmen<br />
musste. Weigmann hinterließ einen<br />
Schuldenberg von rund zwei Millionen<br />
Euro, wie kürzlich bekannt wurde.<br />
Diesen wollen das Land Bayern, der Bezirk<br />
Oberfranken und die Stadt Bamberg<br />
nun gemeinsam abtragen, um dem<br />
neuen Intendanten einen reibungslosen<br />
Start zu ermöglichen. Dennoch wird<br />
dem Orchester eine Schuldenlast von<br />
rund 460 000 Euro aus der „Ära” Weigmann<br />
erhalten bleiben, die den Fortbestand<br />
der Symphoniker aber nicht gefährden<br />
soll. Zehetmair versicherte:<br />
„Die Bamberger Symphoniker werden<br />
eine gute Zukunft haben“, und zwar „in<br />
der Bundesliga“.<br />
Gewalt, sind da plötzlich Schönheit,<br />
Ruhe, Intimität, Zuversicht.<br />
„...in deinem kalender bin ich / morgen<br />
ein stern doch ich / schalte das licht aus<br />
dann / kannst du mich schon / heute<br />
nacht sehen“<br />
Von Liebesgedichten springt Ostermaier<br />
zu politisch-kritischer Lyrik,<br />
trägt Texte mit Titeln wie „Leitkultur“<br />
und „Neuer Markt“ vor. Er wagt sich an<br />
die Verarbeitung des 11. Septembers<br />
heran, schafft aber auch wieder die<br />
Rückkehr zu weniger bedrückenden<br />
Themen – erste Lacher im Publikum.<br />
Spätestens bei „Supermarktsex“ wird<br />
der fast schon musikalische Rhythmus<br />
von Ostermaiers Gedichten deutlich, in<br />
denen Wortspiele und unerwartete Reime<br />
eine Art Sogwirkung zu entwickeln<br />
scheinen:<br />
„...kleb lakritzestäbchen wie / strichcodes<br />
auf meinen rücken / und wir werden<br />
die nummer / bis zur kasse schieben<br />
sich / im supermarkt zu lieben ist / besser<br />
als zuhause auf den / preisschildern<br />
zu liegen und nur / den wäscheständer<br />
hoch zu kriegen...“<br />
Für den jungen Lyriker müssen gute<br />
Gedichte auch genau so sein: „rhythmisch<br />
präzise, cool im Sound und treibend<br />
im Beat.“ Nicht zuletzt deshalb<br />
liegen den letzten beiden Lyrikbänden<br />
CDs bei, auf denen die Texte mit der<br />
Musik von Ostermaiers Freund Bert<br />
Wrede kombiniert werden. Mit ihm<br />
geht der Vollblut-Münchner und bekennende<br />
Bayern-Fan zur Zeit auch auf<br />
Lesung. Schließlich weiß er selbst:<br />
„als dichter musst du wie ein rockstar<br />
sein & / wilde wege gehn ein mikro mit<br />
den lippen / küssen die seiten mit der<br />
zunge blättern als / wären sie aus stahl“<br />
„We scare because we care“<br />
Monster monstern monster Monster im monstermäßig monsterspaßigen Monsterfilm „Monster AG“<br />
(mah) Es geht um Türen. Um Pforten in<br />
das Reich schlafender Kinder, von abnormen<br />
Wesen einer anderen Welt<br />
katalogisiert, in riesigen Hallen gelagert<br />
und in fließbändiger Manier<br />
missbraucht. Denn worüber<br />
man sich schon immer den Kopf<br />
zerbrach, wonach man aber niemals<br />
zu fragen wagte, darüber<br />
wird in diesem Film informiert:<br />
Woher kriegen Monster<br />
eigentlich ihren Strom?<br />
Aus den angsterfüllten<br />
Schreien gepeinigter<br />
Kinder wird er gesaugt<br />
und in schwere<br />
Metallflaschen verfüllt.<br />
Eine Elite<br />
knuffiger Schocker<br />
steht jeden<br />
Morgen<br />
auf der Matte,<br />
um ihre grausige<br />
Arbeit im Namen<br />
des E-Werks zu verrichten.<br />
Auch<br />
Sully, eine flau-<br />
Foto: Pixar Entertainment<br />
Zukunft trotz Schuldenberg<br />
Symphoniker haben einen neuen Intendanten<br />
schige Miezekatze mit Hörnern, und<br />
Mike Glotzkowsky, der einäugige<br />
Grünling ohne Hals, sind dem Familienunternehmen<br />
verpflichtet und sorgen<br />
sich tagtäglich um den Schreckrekord<br />
auf der Straße der Besten. Wie Maverick<br />
und Goose der „Top Gun“ bilden<br />
sie ein Team aus Frontmann und<br />
rückendeckendem Busenfreund im<br />
täglichen Kampf um Kindergeheul,<br />
denn ungefährlich ist die<br />
ganze Sache nicht. Was man schon<br />
immer wusste, sich aber nun<br />
wiederum nie zu sagen traute, ist für<br />
Monsterhausen oberstes Gesetz: Kinder<br />
sind tödlich.<br />
Klar, dass es da auch zu Pannen kommt,<br />
und so erleben sie ihren ganz persönlichen<br />
Supergau, als ein minderjähriges<br />
Mädchen die Schwelle ins jenseitige<br />
Universum übertritt. Doch nicht alles<br />
im Leben ist Schicksal, und bald wird<br />
ersichtlich, dass bösartigste Machenschaften<br />
die Grenzgänger in die Bredouille<br />
brachten. Während die Stadt im<br />
Chaos versinkt, nimmt Sully sich des<br />
glucksenden Wusels an und versucht, es<br />
wieder in der rechten Tür zu verabschieden.<br />
In dieser verfahrenen Situation entwikkelt<br />
der Film ein Gulasch aus blubbernden<br />
Gags, Ideen und gurgelnden<br />
Brüllern, ist liebenswert und rührig,<br />
gerade in Anbetracht dieses unerschrockenen,<br />
unschuldigen<br />
Menschenkindes namens Boo. Die<br />
Protagonisten wachsen einem ans Herz,<br />
allzu menschlich sind sie. Jedoch nicht<br />
Herr Glotzkowsky, der nur in einer Tour<br />
dämlich labern muss und doch nichts zu<br />
sagen hat. Möglicherweise liegt es an<br />
der Synchronisation, aber seine nervtötenden<br />
Monologe sind dermaßen oberflächlich<br />
und billig, dass selbst ein gewollter<br />
Verweis auf Mikes Schwäche<br />
fürs Platte dem Film so manche Szene<br />
ruiniert. Auch die Nebenhandlung,<br />
Glotzkowskys Buhlerei um eine neue<br />
Flamme, wirkt unmotiviert und deplaziert.<br />
Zudem sind einige Handlungen<br />
nicht ganz nachvollziehbar, ja ungereimt.<br />
Das ist zwar schade, bringt den<br />
Film aber nicht wirklich zu Fall. Er ist<br />
ansonsten wohl einfach zu gut.