EWU PREMIERE - Erste Westernreiter Union Deutschland e.V.
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16<br />
medizinserie<br />
Grundhaltung zum erspüren des PAM<br />
Begründer der kraniosacralen Therapie war<br />
Dr. William. Garner Sutherland (1873-<br />
1954), ein Schüler von Andrew Taylor Still,<br />
der Gründervater der Osteopathie. Sutherland<br />
war davon überzeugt, dass die Schädelknochen<br />
kein starres Gebilde darstellen, sondern eine<br />
artikuläre Mobilität aufweisen. Der Schädel besteht<br />
aus mehreren Platten, die über Nähte, den<br />
so genannten Suturen miteinander verbunden<br />
sind. Im frühkindlichen Alter sind diese Suturen<br />
sehr flexibel, mit Schließung der Fontanellen<br />
härten diese Nähte allerdings aus. Schulmediziner<br />
sind der Überzeugung, dass danach keinerlei<br />
Beweglichkeit mehr vorhanden ist. Sutherland<br />
und die heutigen Anwender der kraniosacralen<br />
Osteopathie hingegen sind anderer Meinung.<br />
Sind die Schädelknochen<br />
doch beweglich?<br />
Sutherland führte Experimente durch, um die<br />
Schädelbewegungen zu beweisen. Er band sich<br />
ein unflexibles Band um den Kopf, was ihm<br />
schließlich extremste Kopfschmerzen bereitete.<br />
Diesen Effekt können viele <strong>Westernreiter</strong> ebenfalls<br />
nachvollziehen, die von Kopfschmerzen<br />
berichten, wenn sie einen engen Westernhut<br />
über längere Zeit tragen. Sutherland nahm an,<br />
dass die Schädelknochen sich deshalb durchaus<br />
bewegten. Eine eingeschränkte Beweglichkeit<br />
– beispielsweise durch ein festes Stirnband<br />
– führt schließlich zu Kopfschmerzen.<br />
Man nimmt an, dass die kraniellen Bewegungen<br />
durch den Liquorfluss zustande kommen.<br />
Der Liquor ist eine klare, eiweißhaltige Flüssigkeit,<br />
die in den Hirnventrikeln gebildet wird und<br />
das Zentrale Nervensystem umspült. Der Liquor<br />
fließt also im Gehirn und im Rückenmark bis<br />
zum Sakrum – deshalb spricht man auch vom<br />
kraniosacralen Rhythmus.<br />
Therapien für Pferde: Kraniosacrale Osteopathie<br />
Kraniale Bewegungen und<br />
Rhythmen beeinflussen<br />
Die kraniosacrale Therapie ist ein eigenständiger Teilbereich der Osteopathie.<br />
Es handelt sich dabei um eine sehr sanfte Therapieform, auf die<br />
Pferde aufgrund ihrer großen Sensibilität sehr gut ansprechen. Die Basis<br />
der Therapie ist das Fühlen und Beeinfl ussen des kranialen Rhythmus, der<br />
als „Primärer Atmungsmechanismus“ bezeichnet wird.<br />
Grundlage der Therapie:<br />
Der kraniosacrale Rhythmus<br />
Der Therapeut muss zuerst erlernen, diesen<br />
kraniosacralen Rhythmus, also den Primären Atmungsmechanismus<br />
(PAM) zu spüren. Erst dann<br />
ist es ihm auch möglich, den Rhythmus mit seinen<br />
Händen zu beeinflussen. Der PAM ist vom<br />
Pulsschlag und der Atmung völlig unabhängig,<br />
obwohl er mit acht bis zwölf Respirationen pro<br />
Minute dem Rhythmus des Atems recht nahe<br />
kommt. Ein guter kraniosacraler Therapeut kann<br />
den Atmungsmechanismus an fast jeder Stelle<br />
des Körpers spüren, primär jedoch fühlt man ihn<br />
am Schädel und am Kreuzbein.<br />
Schädeldachhaltung zum erspüren des PAM<br />
Der Therapeut erfühlt eine so genannte Flexions-<br />
und Extensionsbewegung des Schädels,<br />
was man sich in etwa vorstellen kann wie ein<br />
Aufblähen und Abschwellen des Schädels. Der<br />
Schädel dehnt sich aus und zieht sich wieder zusammen.<br />
Dieser Rhythmus kann bei Störungen<br />
auch unregelmäßig erfolgen. Mit den Händen<br />
beeinflusst der Therapeut deshalb diesen Rhythmus,<br />
setzt einen „Still point“, also unterbricht<br />
den Rhythmus und wartet auf das erneute Ein-<br />
WESTERNREITER – März 2011<br />
setzen. Man kann dies damit vergleichen, als<br />
würde man bei einem Computer auf die „Reset-<br />
Taste“ drücken und den PC neu starten. Dabei<br />
wird dem Körper die Möglichkeit gegeben, sich<br />
neu zu organisieren und zu strukturieren.<br />
Mit der kraniosacralen Technik beeinflusst der<br />
Therapeut auch Strukturen innerhalb des Schädels<br />
wie das „Kerngelenk“ des Schädels, die<br />
sphenobasilare Symphyse (SBS). Hierbei handelt<br />
es sich um die Verbindung des Sphenoids (Keilbein)<br />
mit dem Occiput (Hinterhauptsbein). Das<br />
Sphenoid ist ein Knochen, der ständig in Bewegung<br />
ist und die vorderen Schädelknochen beeinflusst,<br />
während die hinteren Schädelknochen<br />
vom Occiput gesteuert werden. Ist die SBS blockiert,<br />
wirkt sich dies auf den gesamten Schädel<br />
aus. Schließlich haben Störungen des Sphenoids<br />
und der SBS auch hormonelle Auswirkungen,<br />
da sich über der Sella turcica (Türkensattel) des<br />
Sphenoids die Hypophyse befindet, in der Hormone<br />
produziert und gespeichert werden.<br />
Läsionen der SBS können sogar schon durch<br />
äußere Hinweise erkannt werden. Bei Pferden<br />
mit massivem Rams- oder Hechtkopf, unterschiedlich<br />
großen und höhenversetzten Augen,<br />
ungleich großen und höhenversetzten Nüstern,<br />
unterschiedlichen Jochbeinleisten, starkem<br />
Über- oder Unterbiss und lateralen Gebissverschiebungen<br />
muss man an Läsionen der SBS<br />
denken. Ein deutliches Zeichen von SBS-Läsionen<br />
sind Verschiebungen und Kippungen der<br />
Crista nuchae.<br />
Parietallift