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Kultur<br />
Hat das Rätselraten bald ein Ende?<br />
Die „Dame mit Pelz“ und Leonardo da Vinci<br />
Hält sie sich in München versteckt?<br />
Leserbrief von Bernard Nuss, Straßburg:<br />
„In Ihrer Zeitschrift ‚<strong>Kabinett</strong>’ veröffentlichten<br />
Sie im Mai 2010 einen Bericht,<br />
wonach ein altes Ölgemälde „Dame mit<br />
Pelz“ von Professor Carlo Pedretti als<br />
Bild eines Schülers von Leonardo da<br />
Vinci eingeschätzt wurde. Prof. Pedretti<br />
schränkt sein Urteil jedoch ein und<br />
sagt, dass ihm nur ein schwarz-weißes<br />
Foto vorgelegen habe. Mir ist bekannt,<br />
dass Prof. Pedretti sein Urteil revidiert<br />
hat, nachdem er das original gese-<br />
hen und gründlich geprüft hat.<br />
Er stellt fest, dass es sich tatsächlich<br />
um ein authentisches<br />
Gemälde von Leonardo da Vinci<br />
handelt. Das habe er in einem<br />
Gutachten bestätigt“.<br />
Die Redaktion zu diesem Brief:<br />
Leser Nuss hat tatsächlich recht.<br />
In einer uns vorliegenden Erklärung<br />
der University of California<br />
Los Angeles vom 4. Januar 2002<br />
revidiert Carlo Pedretti seine Ansicht<br />
und schlägt dem Besitzer<br />
des Bildes vor, es in einem italienischen<br />
Museum auszustellen.<br />
Doch wer und wo ist der Eigner<br />
und wo das bedeutsame Bild?<br />
Prof. Pedretti hatte unlängst<br />
in der deutschen Wochenzeitung „Die<br />
Zeit“ eine Art Comeback als Leonardo-<br />
Forscher, hatte er doch als einziger<br />
Leonardo-Spezialist des 20. Jahrhunderts<br />
die Reisetagebuch-Notizen des<br />
Sekretärs von Kardinal Luigi d’Aragona<br />
(1474-1519) nicht ignoriert. Aus diesen<br />
wird ersichtlich, dass Mona Lisa<br />
von Leonardo dem Kardinal als „das<br />
Bildnis einer gewissen Florentinerin“<br />
vorgestellt wurde, die er auf Veranlassung<br />
des seligen Herrn Giuliano<br />
de Medici gemalt habe. Carlo Pedret-<br />
ti publizierte schon 1957, die porträtierte<br />
Dame (Mona Lisa) sei Giulianos<br />
Geliebte Pacifica Brandano aus Urbino.<br />
Die Mona Lisa-Fundamentalisten, die<br />
dem Louvre-Gemälde unverbrüchlich<br />
die dritte Frau des Seidenhändlers<br />
Francesco di Bartolomeo del Giocondo<br />
zuordnen, verbannten Pedretti aus dem<br />
Kreis der Rechtgläubigen.<br />
Doch 2010 erschien das epochale Buch<br />
von Roberto Zapperi, „Abschied von<br />
Mona Lisa“, das Pedrettis Vermutungen<br />
verifiziert und die gängige Mona Lisa-<br />
Forschung auf den Kopf stellt. Für die<br />
„Dame mit Pelz“, die die Fantasie und<br />
Neugier unserer Leser erregt, gewinnt<br />
deren Zuordnung durch Carlo Pedretti<br />
mit dem aktuellen Buch von Roberto<br />
Zapperi natürlich an Bedeutung.<br />
„The Art Loss Register“ in New York<br />
ordnet das Werk dem Leonardo zu und<br />
stationiert es 1691 in der Sammlung<br />
von Papst Innozenze XII. (Antonio Pignatelli).<br />
Der weitere Verbleib ist bis<br />
1900 ermittelt, als die Familie der Marchese<br />
Moramarco das Gemälde einer<br />
deutschen Familie verkauft, die es 1921<br />
einer kompetenten Expertise unterwirft.<br />
KABINETT verfügt über eine detaillierte<br />
Zeittafel. Es tut sich was.<br />
K.G.