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Rechtsabbieger - Weser Kurier

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106<br />

Mit ihrer Studie »Vom Rand zur<br />

Mitte« erregten Oliver Decker<br />

und sein Kollege Elmar Brähler<br />

von der Universität Leipzig<br />

Anfang 2006 Aufsehen. Die Wissenschaftler<br />

hatten im Auftrag<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

untersucht, wie verbreitet rechtsextreme<br />

Einstellungen unter den<br />

Bundesbürgern sind.<br />

In Ihrer Studie kommen Sie zu dem Ergebnis,<br />

dass ein großer Teil der Deutschen rechtsextreme<br />

Ansichten teilt . Hat dieses Ergebnis Sie<br />

überrascht?<br />

Die Ergebnisse unserer Studie stimmen mit<br />

denen anderer überein. Auch der Bielefelder<br />

Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer stellt<br />

in seiner Langzeitstudie »Deutsche Zustände«<br />

eine hohe Ausländerfeindlichkeit in der<br />

Bevölkerung fest. Was mich überrascht hat,<br />

waren die klaren Statements. Erfahrungsgemäß<br />

antworten viele Befragte sozial<br />

erwünscht. Sie sind also offenbar davon<br />

ausgegangen, dass ihre Antworten genau<br />

das sind: sozial erwünscht oder zumindest<br />

konsensfähig.<br />

Geht ein Rechtsruck durch die Gesellschaft?<br />

Nein, so kann man das nicht sagen.<br />

Latenter Rechtsextremismus ist kein neues<br />

Phänomen. Die Forschungen gehen bis in<br />

die 1930er Jahre zurück. Das Thema bricht<br />

immer wieder auf, wenn die Gesellschaft<br />

sich verändert. Aber dass ein Drittel der<br />

Gesellschaft ausländerfeindlich ist, dass<br />

Antisemitismus und Chauvismus wieder<br />

weit verbreitet sind – darin steckt Zündstoff.<br />

Kritiker Ihrer Studie behaupten, Fragen und<br />

Antworten seien missverständlich und pauschalisierend<br />

formuliert . Beispielsweise könnte man den<br />

Prinzip<br />

»Sündenbock«<br />

Rechtsextremismus<br />

ist viel mehr als<br />

ein Jugendphänomen<br />

Satz »Deutschland solle seine Interessen gegenüber<br />

dem Ausland durchsetzen« auch als Nein der Bundesrepublik<br />

zum Irakkrieg verstehen . Ist die Kritik<br />

berechtigt?<br />

Wir haben die Daten statistisch geprüft: Es<br />

gab keine Ausreißer. Alle, die bei vermeintlich<br />

eindeutigeren Aussagen zustimmten,<br />

haben auch hier zugestimmt. Und alle, die<br />

niedrige Zustimmungswerte hatten, haben<br />

auch dieser Aussage nicht zugestimmt. Die<br />

Überprüfung zeigt, dass die Fragen richtig<br />

verstanden wurden.<br />

Es gab nicht nur Kritik an der Art der Erhebung,<br />

sondern auch an der Analyse der Ergebnisse<br />

– zum Beispiel zum Thema Nationalismus .<br />

Ich kenne die Kritik: In Frankreich oder den<br />

USA gebe es auch starken Nationalismus,<br />

in diesen Ländern sei üblich, was wir hierzulande<br />

kritisieren. Aber heißt das auch,<br />

dass dieser Nationalismus »normal« ist?<br />

Nationalismus hat auch eine gesellschaftliche<br />

Funktion. Die eigene Nation erfährt<br />

eine Aufwertung, die mit einer Abwertung<br />

anderer Nationen verknüpft wird. Das muss<br />

man inhaltlich diskutieren. Das ist keine<br />

wissenschaftliche Diskussion mehr, sondern<br />

eine politische.<br />

Aber Nationalismus bedeutet doch noch<br />

längst keine Ablehnung der Demokratie?<br />

Der Wunsch nach einem starken Führer<br />

muss nicht den Wunsch nach einem rechtsextremen<br />

Führer bedeuten, dessen Partei ist<br />

nachgeordnet. Trotzdem kann das als latent<br />

antidemokratische Einstellung verstanden<br />

werden. Wer eine Diktatur befürwortet,<br />

lehnt eine Demokratie ab. Und die Ergebnisse<br />

unserer Studie zeigen leider, dass es<br />

viele Menschen gibt, die so denken.<br />

Sie sehen einen Zusammenhang zwischen<br />

autoritärer Erziehung und rechtsextremen Einstellungen<br />

.<br />

Menschen, die in ihrer Kindheit mit Autorität<br />

und Aggressionen konfrontiert werden,<br />

neigen eher zum klassischen Prinzip<br />

des »Sündenbocks«. Minderheiten und<br />

Schwächere werden ausgegrenzt. Einige<br />

Probanden unserer Studie berichten, dass<br />

sie in ihrer Kindheit geschlagen wurden<br />

und ihnen das »nicht geschadet« habe.<br />

Sie sind sich sicher, dass aus ihnen »etwas<br />

Vernünftiges« geworden ist. Lässt man<br />

Oliver Decker hat untersucht,<br />

wie verbreitet rechtsextreme Einstellungen<br />

in der Gesellschaft sind.

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