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Recht<br />
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ARBEITSRECHT<br />
A KTUELLE<br />
R ECHTSPRECHUNG<br />
1. Urlaubsabgeltung bei Langzeiterkrankung<br />
Landesarbeitsgericht <strong>Saar</strong>land<br />
Urteil vom 29. Juni 2011<br />
Az.: 2 Sa 2/11<br />
Nach Auffassung des LAG <strong>Saar</strong>land ist<br />
ein gegen den letzten Arbeitgeber gerichteter<br />
Anspruch auf Abgeltung derjenigen<br />
Urlaubstage, die wegen fortdauernder<br />
Arbeitsunfähigkeit nicht<br />
genommen werden konnten, unbegründet.<br />
Hintergrund dieser Entscheidung ist<br />
die Grundsatzentscheidung des Europäischen<br />
Gerichtshofs, nachdem der<br />
Urlaubsanspruch von langzeiterkrankten<br />
Arbeitnehmern nicht mehr verfällt.<br />
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />
sind daher grundsätzlich bestehende<br />
Urlaubsansprüche abzugelten.<br />
Nicht so im Geltungsbereich des BRTV-<br />
BAU. In dessen eindeutigen Regelungen<br />
sind Urlaubsabgeltungsansprüche<br />
ausschließlich gegen die Urlaubskasse<br />
zu richten.<br />
Daher war die gegen den Arbeitgeber<br />
gerichtete Klage auf Abgeltung von<br />
Urlaub schon aus diesem Grunde heraus<br />
abzuweisen.<br />
Gegen das Urteil des LAG <strong>Saar</strong>land<br />
wurde seitens des Klägers Revision<br />
eingelegt. Diese bleibt abzuwarten.<br />
2. Kündigung wegen einer<br />
Strafanzeige gegen den Arbeitgeber<br />
Europäischer Gerichtshof<br />
Urteil vom 21. Juli 2011<br />
Az.: 28274/08<br />
Die Erstattung einer Strafanzeige eines<br />
Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber<br />
kann im Einzelfall durch das<br />
Recht des Arbeitnehmers auf freie<br />
Meinungsäußerung gerechtfertigt<br />
sein.<br />
Im vorliegenden Fall hatte eine Arbeitnehmerin<br />
gegen ihren Arbeitgeber<br />
Strafanzeige wegen besonders schweren<br />
Betruges erstattet. Hintergrund<br />
war die Pflegesituation in einem öffentlichen<br />
Altenheim. Die Arbeitnehmerin<br />
monierte Mängel bei der geleisteten<br />
Pflege, wie beispielsweise eine<br />
unzureichende Personalausstattung<br />
oder Pflegestandards.<br />
Nachdem der Arbeitgeber von der<br />
Strafanzeige erfuhr, kündigte er der<br />
Arbeitnehmerin fristlos.<br />
Nach Entscheidung der Instanzgerichte<br />
und des Europäischen Gerichtshofs<br />
ist die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt.<br />
Der EuGH stellte fest, dass<br />
die von der Arbeitnehmerin erstattete<br />
Strafanzeige als sogenanntes „Whistleblowing“<br />
(kritische Äußerung, Beschwerde<br />
und Anzeigen von abhängig<br />
Beschäftigten über Missstände oder<br />
Fehlverhalten in ihrem Unternehmen<br />
gegenüber staatlichen Stellen, der<br />
Presse oder sonstigen Dritten) zu bewerten<br />
ist und damit der Geltungsbereich<br />
von Artikel 10 der Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention eröffnet<br />
sei. Letztendlich kam der EuGH zu der<br />
Überzeugung, dass zwar durch die<br />
Strafanzeige der Ruf des Arbeitgebers<br />
geschädigt sei, jedoch in einer demokratischen<br />
Gesellschaft das öffentliche<br />
Interesse an Information über Mängel<br />
in der institutionellen Altenpflege in<br />
einem staatlichen Unternehmen so<br />
wichtig sei, dass es gegenüber den<br />
Interessen des Unternehmens am<br />
Schutz seines Rufes und seiner Geschäftsinteressen<br />
überwiege.<br />
Die Strafanzeige war mithin aufgrund<br />
des Rechts zur freien Meinungsäußerung<br />
gerechtfertigt. Die fristlose Kündigung<br />
war unbegründet.