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Grundsätzlich dürfe sich die Politik<br />
keine Denkverbote auferlegen; alle<br />
Vorstellungen und Ideen müssten diskutiert<br />
werden, auch eine Pkw-Maut.<br />
Als wichtige Punkte für das <strong>Saar</strong>land<br />
griff die Ministerpräsidentin die Themen<br />
Energiewende und Demografieentwicklung<br />
hervor. Die Energiewende<br />
sei für das <strong>Saar</strong>land besonders<br />
wichtig, weil hier eine besonders hohe<br />
Eigenheimquote bestünde. In Bezug<br />
auf die Energiewende sei die Eigentümerstruktur<br />
im <strong>Saar</strong>land aber problematisch.<br />
In vielen Fällen wären Eigentümer<br />
von Einfamilienhäusern alleinstehend<br />
und verfügten nicht über<br />
die notwendigen finanziellen Mittel,<br />
ihr Eigentum energetisch zu sanieren.<br />
Deshalb müsse der Bürger, gegebenenfalls<br />
über Förderprogramme, mitgenommen<br />
werden.<br />
Besonderes Augenmerk, so die Ministerpräsidentin<br />
weiter, verdiene die<br />
Demografieentwicklung des <strong>Saar</strong>landes.<br />
Fakt sei, dass das <strong>Saar</strong>land in Zukunft<br />
mehr Einwohner verliere als andere<br />
westliche Bundesländer. Diesem<br />
Problem müsse auch gemeinsam mit<br />
der <strong>Bau</strong>wirtschaft begegnet werden.<br />
So sei darüber nachzudenken, den<br />
Rückbau von leerstehenden Immobilien<br />
entsprechend staatlich zu fördern.<br />
Auch müssten Maßnahmen geschaffen<br />
werden, wie es älteren Menschen<br />
länger möglich ist, in ihren Häusern zu<br />
wohnen. Dies seien neue Felder für die<br />
saarländische <strong>Bau</strong>wirtschaft.<br />
Auch würde sich für die saarländische<br />
<strong>Bau</strong>wirtschaft schon jetzt die Problematik<br />
des Facharbeitermangels darstellen.<br />
Deshalb brauche man auch im<br />
<strong>Saar</strong>land eine entsprechende Zuwanderung.<br />
Ziel der Landesregierung sei<br />
es deshalb, das <strong>Saar</strong>land demografiefest<br />
zu machen und schon jetzt Maßnahmen<br />
für die Zukunft zu ergreifen.<br />
Die Ministerpräsidentin betonte, dass<br />
sie die <strong>Saar</strong>ländische <strong>Bau</strong>wirtschaft als<br />
konstruktiven und kritischen Partner<br />
kennen und schätzen gelernt habe.<br />
Man müsse, so die Ministerpräsidentin<br />
abschließend, gemeinsam an der Zukunft<br />
des <strong>Saar</strong>landes bauen.<br />
Von der Alterspyramide zur<br />
Altersurne<br />
Er wisse überhaupt nicht, warum man<br />
ihn für eine Festrede eingeladen habe.<br />
Was er zu sagen habe sei überhaupt<br />
nicht festlich. Mit diesen markigen<br />
Worten eröffnete Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen,<br />
Professor an der Univer-<br />
sität Freiburg und ehemaliges Mitglieder<br />
der Rürup-Kommission, seinen<br />
Vortrag mit dem Titel „Ehrbarer Staat?<br />
Finanz- und Sozialpolitik in der Krise“.<br />
Bei seinem Thema, so Prof. Dr. Raffelhüschen,<br />
müsse man eher eine Vorlesung<br />
über Buchhaltung und Statistik<br />
halten.<br />
Wer nun einen drögen akademischen<br />
Vortrag erwartete, wurde aufs Angenehmste<br />
überrascht – kurzweilig, pointiert<br />
und mit großem Wortwitz stellte<br />
Prof. Dr. Raffelhüschen die unser<br />
Land in den nächsten 50 Jahren beherrschenden<br />
finanz- und sozialpolitischen<br />
Probleme dar.<br />
Zunächst erläuterte er seinen überraschten<br />
Zuhörern, dass wir uns überhaupt<br />
nicht in einer Finanzkrise befinden,<br />
weil 2011 vermutlich die höchsten<br />
Steuereinnahmen in der Geschichte,<br />
gleichzeitig aber auch das<br />
viertgrößte Staatsdefizit zu erwarten<br />
seien. Unser Problem sei weniger die<br />
momentane Finanzkrise, sondern viel-<br />
<strong>Bau</strong> <strong>Saar</strong><br />
mehr das Handeln des gar nicht so ehrbaren<br />
Staates. Ein ehrbarer Staat sei<br />
nämlich nur ein solcher, der nicht verschuldet<br />
ist. Die sichtbaren Schulden<br />
der Bundesrepublik Deutschland beliefen<br />
sich zurzeit auf 1,98 Billionen<br />
Euro, mithin 79 Prozent des BIP.<br />
Tatsächlich wäre die Staatsschuld aufgrund<br />
der „unsichtbaren Schulden“<br />
mit rund 11 Billionen Euro um ein Vielfaches<br />
höher, weil vor allem Rückstellungen<br />
für zukünftige Leistungszusagen<br />
bilanziell zu berücksichtigen<br />
seien.<br />
Aber genau diese zukünftigen Leistungszusagen<br />
für Renten, Pensionen<br />
und Pflege seien das Kernproblem der<br />
deutschen Finanz- und Sozialpolitik<br />
und des unaufhaltsamen Demografieprozesses.<br />
In Deutschland könne man<br />
längst nicht mehr von einer Bevölkerungspyramide<br />
sprechen, sondern<br />
müsse von einem Bevölkerungspilz<br />
bzw. einer Bevölkerungsurne ausgehen,<br />
der es an der erforderlichen Balance<br />
zur Sicherung der Sozialsysteme<br />
mangle. Während mit der Einführung<br />
der „Rente mit 67“ die Rente eigentlich<br />
saniert sei, liege das Hauptproblem<br />
in der zukünftigen Beamtenversorgung<br />
und im Bereich der Pflege.<br />
Schon 2020 müssten 20 Prozent der<br />
Steuereinnahmen alleine für die Pensionen<br />
der Beamten aufgewendet<br />
werden. Aus wissenschaftlicher Sicht<br />
müsse der Staat zwingend und umgehend<br />
das Beamtenwesen reformieren<br />
und lediglich im Polizeivollzugsdienst<br />
und in der Justiz weiter Beamte einstellen.<br />
Die Beiträge für die Pflegeversicherung<br />
würden explodieren. Während<br />
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