Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sexualität und der Geschlechterverhältnisse, wie sie u.a. in der dreibändigen History of<br />
Sexuality behandelt werden, von Interesse. Darin diskutiert er die sozialen Konstruktionen der<br />
Sexualität und vor allem deren Verinnerlichung durch den Menschen, die laut Foucault zu einer<br />
individuellen Wahrnehmung der Sexualität als eine Art Wahrheit über das eigene Ich führt. Er<br />
verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der Ethik, die bei ihm entgegen der allgemein-<br />
gültigen Definition keinen von außen auferlegten moralischen Standard bezeichnet, sondern<br />
vielmehr die Beziehung eines Menschen zu seiner Identität, und zwar als die ungeschriebenen<br />
„Vorschriften“, die sich das Individuum für seine Verhaltensweisen auferlegt. Diese können sich<br />
an allgemeinen Moralvorstellungen orientieren, weichen aber oft genug auch deutlich davon ab<br />
(Gauntlett 2002, S.124).<br />
Bei der Umsetzung dieser Regeln spricht Foucault von den Technologies of the Self, jenen<br />
Techniken, Verhaltens- und Vorgehensweisen, in denen sich die inneren Regelsätze manifes-<br />
tieren. Durch sie erhält der Mensch erst die Möglichkeit, sein Selbst nach den Regeln seiner<br />
Ethik auszugestalten. David Gauntlett spricht von den Technologies of the Self als die innere<br />
(gedankliche) wie äußere (handlungsbezogene) Umsetzung bzw. Praxis der inneren Ethik<br />
(Gauntlett 2002, S.126).<br />
Foucault äußert im Zusammenhang mit seinen Studien über die altgriechische Gesellschaft,<br />
dass der Wunsch nach einer ethischen Orientierungsmöglichkeit durch das zunehmende Weg-<br />
brechen von Grundlagen wie Religion oder Tradition zunimmt. Er bezeichnet das immerwäh-<br />
rende Streben der Menschen nach Wissensgewinn in allen wissenschaftlichen Disziplinen als<br />
ein durch die Suche nach Identität motiviertes - und damit als einen Teil der Technologies of the<br />
Self. Durch seine mehrheitlich historischen Arbeiten versuchte er aufzuzeigen, dass jede Form<br />
gesellschaftlicher Konventionen und Verhaltensweisen zu einer unendlichen Vielzahl von stra-<br />
tegischen Möglichkeiten zählt, unter denen nach bestimmten Bedingungen gewählt wird, und<br />
dass keine davon dauerhaft fixiert und schon gar nicht eine endgültige Wahrheit ist.<br />
Die moderne Konsumgesellschaft setzt die Menschen dem permanenten Druck aus, unter einer<br />
Vielzahl verschiedener Strategien zu wählen, und sie verlangt ihm durch das Medium der Wer-<br />
bung sogar die Verantwortung ab, sich durch den Konsum von Kleidung, Make-up, Fitnessge-<br />
räten etc. ein Selbst zu „erarbeiten“, das in etwa dem Idealbild entspricht, welches über die<br />
Medien explizit vermittelt wird. Im Kontext von <strong>Bridget</strong> Jones’s <strong>Diary</strong> ist Foucaults Analyse des-<br />
halb von großer Aktualität. Ähnlich verhält es sich natürlich mit dem Umgang mit Sexualität,<br />
sozialen Beziehungen und Geschlechterverhältnissen: Foucault hatte starkes Interesse an der<br />
Art, wie Menschen ihr Leben ausgestalten und ihr Selbst entwickeln, und er sprach in diesem<br />
Kontext von „life as a work of art“ (Gauntlett 2002, S. 130). Hierbei gibt es starke Parallelen zu<br />
den Ideen von Anthony Giddens, auf die im folgenden Kapitel eingegangen werden soll.<br />
1.2 Anthony Giddens<br />
Der britische Soziologe Anthony Giddens wurde 1938 geboren und ist Direktor der renommier-<br />
ten London School of Economics and Political Science. Mit seinem Namen wird in der öffentli-<br />
chen Debatte vor allem der Zusammenhang zwischen seinem „Third Way“ und der politischen<br />
Konzeption Tony Blairs verbunden (Giddens gilt als Teil, wenn nicht als treibende Kraft von<br />
4