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S e i t e | 29<br />

ungefähr 17 oder 18. Nach dem Abitur bin ich nach Berlin gegangen, um<br />

meinen Zivildienst zu machen und da gab es einige Faktoren, die meine<br />

Kinoleidenschaft angefacht haben: neue Stadt, Einsamkeit, eine Arbeit, die<br />

keinen Spaß macht. Ich habe mich dann immer intensiver damit auseinander<br />

gesetzt. Ein Schlüsselerlebnis war sicherlich Wild At Heart von David Lynch,<br />

der wie kaum ein anderer Film, den ich damals gesehen habe, Widersprüche<br />

nebeneinander gestellt hat. Schönheit und Ekel, Gewalt und Zärtlichkeit, auch<br />

die unverschämte Referentialität. Ein sehr schwer zu beschreibender Film, der<br />

ein ganz komisches, zwiespältiges Erlebnis für mich war. Als „fortgeschrittener”<br />

Cineast gab es dann viele Erlebnisse mit dem klassischen Film, sprich<br />

mit Filmen vor 1960. Nach wie vor sind die Filme, die mir zuerst in den Kopf<br />

kommen, wenn ich meinen Traum vom Kino benennen will, Filme aus den<br />

30er, 40er Jahren. Ossessione von Visconti, oder Trouble in Paradise von<br />

Lubitsch. Lubitsch schätze ich ohnehin sehr, aber auch Regisseure wie<br />

Hitchcock, Lang, Kurosawa, John Ford. Es ist nicht sonderlich originell, diese<br />

kanonisierten Regisseure zu nennen, aber sie beeindrucken mich nach wie vor<br />

sehr. Die Filme der 30er sind von einem anderen Selbstbewusstsein ausgegangen.<br />

Das Kino hatte eine andere Bedeutung, war zentraler, neuer. Das ist<br />

den Filmen anzumerken. Selbstbewusstsein im Film bedeutet, dass man es<br />

nicht nötig hat, ständig Ausrufezeichen zu machen, dass man in einer gewissen<br />

Lässigkeit arbeiten kann. Die Filme sind in einem Kontext von sehr vielen<br />

Filmen entstanden, die Regisseure haben ja selbst zum Teil hunderte Filme<br />

gemacht. Diese Breite der Erfahrung und die große, einfühlende aber unsentimentale<br />

Menschenkenntnis, wie auch bei Renoir führten zu Filmen, die mir<br />

vitaler erscheinen als das Kino heute. Aber natürlich gibt es auch heute noch<br />

großartige Sachen im Kino.<br />

Der Begriff Berliner Schule, unter dem ja auch Ihre Filme subsumiert<br />

werden, wurde von einem Kritiker geprägt. Wie stehen Sie selbst zu<br />

diesem Begriff?<br />

Der Begriff ist jetzt einfach eine Realität. Ich finde, es ist die Aufgabe von<br />

Kritikern zu beschreiben, was passiert und insofern ist es ihr Recht, irgendwelche<br />

Schulen auszurufen. Klar, der Begriff hat auch eine problematische<br />

Seite. Jeder, der von außen ein ästhetisches Programm verkündet, hat ein<br />

Interesse daran, die Schäfchen einzuordnen. Die Schubladen und Kategorien<br />

entwickeln eine eigene Dynamik. Ich will mich nicht darüber beschweren,<br />

dass es Aufmerksamkeit für diese Filme gibt! Schwierig wird es, wenn die<br />

Filmkritik unabsichtlich zum Lieferant neuer Feindbilder in der Filmwirt-

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