16.11.2012 Aufrufe

elephant #1 pdf

elephant #1 pdf

elephant #1 pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

S e i t e | 5<br />

die Zeitung nicht erreichen, & bis zur flächendeckenden Nutzung des rosenduftgetränkten<br />

Papiers vergehen wohl – so hofft der Autor – noch einige<br />

Jahrzehnte. Aber darum geht es auch nicht: Der Spezies des Zeitungslesers<br />

dient der Griff zum Printerzeugnis nicht einzig zur Befriedigung eines Informationsbedürfnisses,<br />

auch muss die Zeitung, selbst die Online-Ausgabe, an<br />

sich nicht mit Fernsehen & Videospiel konkurrieren. Zeitungslesen ist – man<br />

kann sich durchaus an den Werbespruch einer kleinen deutschen Tageszeitung<br />

erinnert fühlen – ein Luxus, das letztlich elitäre Vergnügen, einen Teil<br />

seiner Zeit nicht zum Zeitgewinn zu nutzen. Das Lesen der FAZ, SZ oder taz<br />

ist keine Informationsgewinnungsapparatur, es ist ein Genuss am Rezipieren<br />

fremder Meinungen, interessanter Formulierungen, faszinierender Querverbindungen.<br />

Für die jeweiligen Fakten, für die reinen Daten gibt es andere Sender, andere<br />

Formen: die „Tagesschau“ ist die wohl deutscheste Variante dieses Formats.<br />

Es wird, auf knappem Raum, kurz, prägnant, nachvollziehbar, untermalt von<br />

bewegten Bildern, über die „Neuigkeiten“ berichtet. Man enthält sich eines<br />

Kommentars, enthält sich sprachlicher Spielereien, verzichtet auf Poetizität.<br />

Keine Sprache ist prosaischer als die der „Tagesschau“ – & das ist auch gut<br />

so. Fraglich ist nur, warum & wie überhaupt die Qualitätstageszeitung damit<br />

konkurrieren will. Weder in Sachen Aktualität noch Faktizität könnte beispielsweise<br />

die FAZ mit Aufzeichnungen von politischen Reden mithalten (Ja,<br />

die alte Gläubigkeit an das fälschungssichere Technobild). Jede Transkription,<br />

jede Zusammenfassung ist bereits Interpretation. Was die Bundeskanzlerin<br />

gesagt hat, weiß man erst wirklich, wenn man gesehen hat, wie sie es sagt –<br />

andernfalls gehen Timbre, Gestik, Mimik verloren. Zur Frage der Aktualität<br />

ist jedes Argument eigentlich überflüssig – im besten Fall kommen die Zeitungen<br />

nur acht Stunden zu spät.<br />

Was also bleibt übrig? Bestenfalls lässt man sich von der Idee des Gonzo-<br />

Journalismus inspirieren, ohne sie zu kopieren. Die Kopie wird abgelehnt,<br />

weil weder das Schaffen der Story, das Erfinden der Geschichte noch exzessiver<br />

Drogenkonsum des Schreibenden gefordert wird (Journalisten konsumieren<br />

an sich keine Drogen). Der Begriff der Inspiration scheint angebrachter:<br />

Man begreift das Schreiben eines Artikels als das, was es ist: das Schaffen<br />

eines fiktionalen Texts. Natürlich gibt es, wie bei diesem, gewisse Vorgaben,<br />

gewisse Grenzen. Auch Vladimir Nabokov lehnte die freie Erfindung von<br />

Romanwelten ab & Thomas Pynchons manische, rhizomatische Eskapaden<br />

wären ohne das inkorporierte Detailwissen nur halb so interessant. Kurz:<br />

Natürlich gibt es eine Referenz, sei sie selbst auch noch so konstruiert & vom

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!