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die Zeitung nicht erreichen, & bis zur flächendeckenden Nutzung des rosenduftgetränkten<br />
Papiers vergehen wohl – so hofft der Autor – noch einige<br />
Jahrzehnte. Aber darum geht es auch nicht: Der Spezies des Zeitungslesers<br />
dient der Griff zum Printerzeugnis nicht einzig zur Befriedigung eines Informationsbedürfnisses,<br />
auch muss die Zeitung, selbst die Online-Ausgabe, an<br />
sich nicht mit Fernsehen & Videospiel konkurrieren. Zeitungslesen ist – man<br />
kann sich durchaus an den Werbespruch einer kleinen deutschen Tageszeitung<br />
erinnert fühlen – ein Luxus, das letztlich elitäre Vergnügen, einen Teil<br />
seiner Zeit nicht zum Zeitgewinn zu nutzen. Das Lesen der FAZ, SZ oder taz<br />
ist keine Informationsgewinnungsapparatur, es ist ein Genuss am Rezipieren<br />
fremder Meinungen, interessanter Formulierungen, faszinierender Querverbindungen.<br />
Für die jeweiligen Fakten, für die reinen Daten gibt es andere Sender, andere<br />
Formen: die „Tagesschau“ ist die wohl deutscheste Variante dieses Formats.<br />
Es wird, auf knappem Raum, kurz, prägnant, nachvollziehbar, untermalt von<br />
bewegten Bildern, über die „Neuigkeiten“ berichtet. Man enthält sich eines<br />
Kommentars, enthält sich sprachlicher Spielereien, verzichtet auf Poetizität.<br />
Keine Sprache ist prosaischer als die der „Tagesschau“ – & das ist auch gut<br />
so. Fraglich ist nur, warum & wie überhaupt die Qualitätstageszeitung damit<br />
konkurrieren will. Weder in Sachen Aktualität noch Faktizität könnte beispielsweise<br />
die FAZ mit Aufzeichnungen von politischen Reden mithalten (Ja,<br />
die alte Gläubigkeit an das fälschungssichere Technobild). Jede Transkription,<br />
jede Zusammenfassung ist bereits Interpretation. Was die Bundeskanzlerin<br />
gesagt hat, weiß man erst wirklich, wenn man gesehen hat, wie sie es sagt –<br />
andernfalls gehen Timbre, Gestik, Mimik verloren. Zur Frage der Aktualität<br />
ist jedes Argument eigentlich überflüssig – im besten Fall kommen die Zeitungen<br />
nur acht Stunden zu spät.<br />
Was also bleibt übrig? Bestenfalls lässt man sich von der Idee des Gonzo-<br />
Journalismus inspirieren, ohne sie zu kopieren. Die Kopie wird abgelehnt,<br />
weil weder das Schaffen der Story, das Erfinden der Geschichte noch exzessiver<br />
Drogenkonsum des Schreibenden gefordert wird (Journalisten konsumieren<br />
an sich keine Drogen). Der Begriff der Inspiration scheint angebrachter:<br />
Man begreift das Schreiben eines Artikels als das, was es ist: das Schaffen<br />
eines fiktionalen Texts. Natürlich gibt es, wie bei diesem, gewisse Vorgaben,<br />
gewisse Grenzen. Auch Vladimir Nabokov lehnte die freie Erfindung von<br />
Romanwelten ab & Thomas Pynchons manische, rhizomatische Eskapaden<br />
wären ohne das inkorporierte Detailwissen nur halb so interessant. Kurz:<br />
Natürlich gibt es eine Referenz, sei sie selbst auch noch so konstruiert & vom