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S e i t e | 37<br />
großartigen Toskanastädte liegen, habe ich stets nur vom Zug aus gesehen;<br />
nie war ich an den Grenzen, an denen Stadt zu Land wird wie hier, und ich<br />
stehe und staune das Grün dieser Hügel an, wie ist das nur möglich, so grün,<br />
so schön.<br />
Inzwischen wird es langsam dämmrig, und ich bin hungrig, doch vergeblich<br />
halte ich nach einer Trattoria Ausschau: überall stehen oder sitzen junge Menschen<br />
mit Weingläsern in der Hand vor einer Osteria oder Enoteca auf der<br />
Straße, niemand isst. And il'e stay still to have thee still forget/Forgetting any other<br />
home but this. Wie einfach wäre es, sich in dieser Seitenstraße an einen der<br />
einfachen Tische zu setzen, umgeben von Einheimischen, abseits der<br />
ausgetretenen Wanderrouten der Reisegruppen und der Insider Tipps der<br />
Reiseführer in diesem Frühlingsabend zu sitzen, wie alle anderen, die hier<br />
nach der Arbeit ihre Freunde treffen; wie einfach, den Kellner mit „ciao“ zu<br />
begrüßen und in der Landessprache zu bestellen, als käme ich jede Woche<br />
hierher. Und doch – es ist der Fluch des Urlaubers – selbst wenn der Kellner<br />
nicht sofort auf Englisch umschwenken sollte: die Unsicherheit bei der Platzwahl,<br />
der Blick in die Karte, die Augen, die alles zum ersten Mal und daher<br />
aufmerksam betrachten, schließlich der harte Akzent, sie machen es unmöglich,<br />
sie kennzeichnen mich unmißverständlich als Fremde, als Eindringling,<br />
niemals kann ich sein wie sie sind, mein Bemühen würde stören, niemand teilt<br />
seine Stammkneipe gern mit Touristen.<br />
More light and light, more darke and darke our woes. Der nächste Morgen ist<br />
unwiderruflich der letzte in Italien, und die Zeit wird nicht einmal reichen, um<br />
die vielgepriesene Klosterkirche San Zeno Maggiore außerhalb der Altstadt zu<br />
besuchen. Aber sie reicht für die wunderbare Piazza delle Erbe. Es ist schade,<br />
dass auf dem Marktplatz, wo schon die Römer ihr Forum hatten, heute nur<br />
noch ein oder zwei Stände erbe, Grünzeug, feilbieten und der Rest – angesichts<br />
der durch den noch immer auf einer Säule wachenden Markuslöwen<br />
verbildlichten vierhundertjährigen Herrschaft Venedigs über Verona vielleicht<br />
doch gar nicht so fehlplaziert – Glasperlen und Souvenirs beider Venetostädte<br />
verkaufen will. Der Platz ist gerahmt von Palazzi und Häusern mit Fassadenfresken.<br />
Auf der rechten Seite erhebt sich ehrfurchtgebietend der Torre<br />
Lamberti des Kommunal- und Justizpalastes aus dem 12. oder 13. Jahrhundert.<br />
Tritt man unter der im Durchgangsbogen aufgehängten Walrippe hindurch,<br />
gelangt man auf die Piazza dei Signori, auf der ein Standbild Dantes,<br />
der in Verona einst Asyl fand, zwischen architektonischen<br />
Machtdemonstrationen aus Mittelalter und Renaissance stehend, in die Richtung<br />
der in einem vor dem Palazzo dei Tribunali klaffenden Spalt freigelegten<br />
römischen Straße mit ihren Wagenspuren blickt.