einSteiger 2013
Regionaljournal einSteiger
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Killen McNeill wurde 1953 in Kilrea in Nordirland geboren. Er studierte<br />
Germanistik und war 1973/74 Austauschstudent in Erlangen.<br />
1975 zog er nach Franken. Seit 1976 arbeitet McNeill als Englischlehrer<br />
an der Scheinfelder Mittelschule. Zusammen mit seiner Frau<br />
Brigitte lebt er im Scheinfelder Ortsteil Unterlaimbach. Als Sänger und<br />
Gitarrist gehört er zur fränkischen Band „Nauswärts“. Zudem tritt er im<br />
Kabarett-Trio McNeills und Winkler auf. Der <strong>einSteiger</strong> sprach mit ihm<br />
vor allem über seine schriftstellerische Arbeit.<br />
Killen McNeill mit seiner Frau Brigitte<br />
ser ausdrücken, manches auf Deutsch. Und manches<br />
auf Fränkisch! Das sind für mich zwei (oder drei?)<br />
verschiedene Systeme, die nicht parallel sind, auch<br />
nicht ausgewogen und die nicht unbedingt miteinander<br />
kommunizieren. Je besser mein Deutsch wird,<br />
desto mehr merke ich, wie mein Englisch nachlässt.<br />
Und umgekehrt, wenn ich dann länger in Irland bin,<br />
lässt mein Deutsch nach. Aber wenn man von einer<br />
Sprache kommt und sich einer anderen annähert, geht<br />
man auf jeden Fall bewusster vor. Ich bin im Bekanntenkreis<br />
gefürchtet, weil mir Sachen auffallen, die<br />
Deutsche als selbstverständlich betrachten und nicht<br />
hinterfragen. Ich frage dann zum Beispiel: Wieso sagt<br />
ihr „Das war allmaletti schon so“? Was heißt „allmaletti“?<br />
Wo kommt das her? Heißt das „All mein Lebtag“?<br />
Wäre übrigens ein guter Romantitel – „Allmaletti“.<br />
Der Leser würde bestimmt einen italienischen<br />
Stoff dahinter vermuten!<br />
Mit den zwei Sprachen ist es ein Prozess, eine Reise.<br />
Mein erster Roman spielt in Irland und in Frankreich,<br />
mein zweiter spielt in Irland und in Franken. Dann<br />
kam mein erster Versuch, auf Deutsch zu schreiben.<br />
Das war die Krimikurzgeschichte „Pfarrers Kinder,<br />
Müllers Vieh“, die nur in Franken spielt. Jetzt schreibe<br />
ich einen Roman in deutscher Sprache „Donauinsel“,<br />
der in Niederbayern und Franken spielt. Ich<br />
scheine langsam anzukommen!<br />
Wie kommt man als junger Ire dazu Deutsch zu studieren?<br />
Das war reiner Zufall. In meinem zweiten Jahr<br />
an der Grammar School in Coleraine mussten<br />
wir, nach Französisch und Latein, eine dritte Fremdsprache<br />
wählen. Ich wollte Spanisch lernen, weil mir<br />
Französisch ganz gut gefiel, aber meine Mutter sagte,<br />
„Nee, nee, du machst Deutsch, das Buch haben wir<br />
schon.“ Mein zwei Jahre älterer Bruder hatte sich<br />
nämlich damals für Deutsch entschieden und die<br />
Bücher mussten gekauft werden. Ich war dann auch<br />
nicht besonders gut in Deutsch. Ich habe es studiert,<br />
weil ich dafür einen Studienplatz angeboten bekam<br />
und nicht für Französisch. Mein Deutschlehrer wäre<br />
sicher bass erstaunt darüber, dass ich fränkischer<br />
Nachwuchsautor bin! Es ist aber auch eine wertvolle<br />
Erfahrung für einen Lehrer, dass die Schule nicht die<br />
Summe eines Menschen ist.<br />
Hierzulande schwärmen viele Menschen für Irland (grüne<br />
Insel, Ruhe, Whiskey, Folk-Musik). Gibt es umgekehrt<br />
auch Iren, für die Deutschland ein Sehnsuchtsland ist?<br />
Viele Deutsche haben vielleicht ein etwas verklärtes<br />
Bild von Irland. Der Ire als Naturbursche, als Freiheitskämpfer,<br />
als unbekümmerter, lustiger Trinker<br />
spielt darin eine Rolle. Da steckt eine gewisse Sehnsucht<br />
nach einem vermeintlich unbeschwerteren Leben,<br />
als es die meisten Deutschen von ihrer Berufswelt<br />
her kennen. Das Bild stimmt natürlich nur teilweise,<br />
wenn überhaupt. Auf einer gleichen emotionalen<br />
Ebene ist Deutschland sicher kein Sehnsuchtsland für<br />
Iren, weil sie zum Teil selbst immer noch ebenfalls<br />
ein idealisiertes Bild ihrer eigenen Heimat haben. Das<br />
andere Land, von dem die Iren ein ähnlich verklärtes,<br />
in vielerlei Hinsicht vielleicht falsches Bild haben, ist<br />
die USA. Deutschland kennen die meisten Iren gar<br />
nicht. Es gilt höchstens als ein Land mit sicheren, gut<br />
bezahlten Arbeitsplätzen. Aber für mich war damals,<br />
als ich von meinem ersten Jahr als Austauschstudent<br />
in Erlangen nach Irland zurückkehrte, Franken ein<br />
Sehnsuchtsland! Die Fränkische Schweiz, Mainfranken,<br />
Würzburg, die Bierkeller, der Wein. Wunderbar!<br />
„Damals in Irland“ beschreibt die Zeit Ende der 60er<br />
Jahre nicht als Idylle. Im Urlaubsort in Donegal ist das<br />
Meer schmutzig und kalt. Auch in den Musikprogrammen<br />
rings um die Unterlaimbacher Scheune schwingt<br />
immer ein Schuss Melancholie mit. Sind die Franken<br />
und Iren sich in Wortkargheit und skeptischer<br />
Stimmung vielleicht manchmal ähnlich?<br />
Soweit ich mich erinnere, habe ich das Meer schon<br />
als kalt, aber nicht als schmutzig beschrieben! Aber es<br />
stimmt schon, eine Idylle wollte ich nicht darstellen.<br />
Ich sehe schon Ähnlichkeiten zwischen Franken und<br />
Nordiren insofern, dass eine Sache, eine Leistung, für<br />
sich sprechen soll, dass man dann kein großes Aufhebens<br />
noch darum machen muss. Eine ganz große<br />
Ähnlichkeit ist der Humor. Der fränkische Humor ist<br />
toll, so ganz anders als der rheinische, viel subtiler,<br />
dem irischen oder britischen wirklich ganz ähnlich.<br />
Das Lied „Wenni ins Land schau“ ist eine Liebeserklärung<br />
an alle Jahreszeiten. Es kommt gar nicht<br />
fränkisch-nüchtern daher, sondern rheinisch-schwelgend…<br />
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