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BEST OF ZAS 2010<br />
Sonder-Ausgabe am 22. Dezember 2010<br />
BLICK<br />
ZURÜCK<br />
NACH<br />
VORNE<br />
BEST OF ZAS 2010<br />
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BEST OF ZAS 2010<br />
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E<br />
s ist höchste Zeit, dass sich<br />
Leonardo DiCaprio die Rechte<br />
als Hauptdarsteller in einem<br />
Thriller namens „Wikileaks“ sichert.<br />
Nicht weil er „Catch me if you can“<br />
(als genialer Hochstapler, der vom<br />
Arzt bis zum Piloten jeden Beruf<br />
ausübt, den er nie gelernt hat) gespielt<br />
hat, sondern weil der Stoff<br />
schon eher an „Shutter Island“ (wo<br />
er als FBI-Agent in einer Irrenanstalt<br />
ermittelt, bis klar wird, dass er selbst<br />
der Paranoiker ist) und vor allem an<br />
„Inception“ erinnert (wo er einen<br />
Agenten spielt, der Gedanken in das<br />
Unbewusste seiner Opfer einpflanzt).<br />
Und wenn er clever ist, hat er sich<br />
zur Verfilmung von „Wikileaks“ den<br />
einzig dafür brauchbaren Regisseur<br />
gegriffen: Roman Polanski.<br />
Der Streifen würde natürlich<br />
dort ansetzen, wo wir heute in der<br />
öffentlichen Meinung sind: Es gilt<br />
als (sehr leckere) Verschwörungstheorie,<br />
dass ein Australier namens<br />
Julian Assange von der Großmacht<br />
USA verfolgt wird, weil er deren Geheimnisse<br />
ins Internet hackt. Und in<br />
der Tat tun ja alle Beteiligten alles<br />
dafür, dass diese Wahrnehmung in<br />
der Welt ist. Nachdem Assange über<br />
seine „Enthüllungsplattform“ erst<br />
eine Flut von Berichten über den<br />
Irak-Krieg, Afghanistan und dann<br />
eine über die „geheimen“ Depeschen<br />
amerikanischer Diplomaten (lockere<br />
250.000 Dokumente) ins Netz stellte,<br />
wurde er von allen Seiten unter<br />
Druck gesetzt: Er selbst wurde in<br />
London wegen einer angeblichen<br />
sexuellen Nötigung verhaftet, die er<br />
im Sommer in Stockholm begangen<br />
haben soll (wofür es aber noch keine<br />
Anklage gibt), die Bezahlsysteme<br />
der Schweizer Postfinance, des Online-Bezahldienstes<br />
PayPal und der<br />
Kredikartenunternehmen Mastercard<br />
und Visa haben ihre Dienste<br />
für Wikileaks „unterbrochen“, also<br />
die Zahlungen von Spenden auf<br />
Wikileaks-Konten gekappt. Und die<br />
Plattform selbst wurde von Amazon<br />
und anderen Dienstleistern auf<br />
Druck der US-Regierung gesperrt.<br />
Dass der US-Verteidigungsminister<br />
Robert Gates die Verhaftung von<br />
Assange dann auch noch als „gute<br />
Nachricht“ begrüßte (obwohl er<br />
selbst ja keine Handhabe in der<br />
schwedischen Affaire hat und auch<br />
sonst noch nicht weiß, wie er den<br />
Internet-Aktivisten Assange einer<br />
Straftat überführen will ), tat ein<br />
Übriges in der Rollenverteilung.<br />
Wir sehen also, wie Polanski<br />
das bedrohliche Netz über seinem<br />
Helden DiCaprio immer enger und<br />
enger zusammen zieht, sicherlich in<br />
düsteren Farben gehalten, und wie<br />
dann der „Gegenschlag“ der Netzgemeinde<br />
als Hoffnugsschimmer<br />
am Horizont erscheint: Die Server<br />
von Postfinance und Mastercard<br />
werden angegriffen; von einem<br />
„Info-War“ ist die Rede; uns alle<br />
drückt es tief in die Kinosessel.<br />
Doch in unserem eingebildeten<br />
Drehbuch kämen nun erste Zweifel<br />
auf. Leonardo DiCaprio würde ein<br />
seltsam undurchsichtiges Grinsen<br />
auf dem Gesicht haben, in seiner<br />
Zelle in London, in der er für gerade<br />
Mal sieben Tag bleiben muss. Und<br />
jeden Tag würde seine Berühmtheit<br />
und sein Spendenkonto wachsen,<br />
das vor seinen Enthüllungen nun<br />
wirklich keinen Menschen um einen<br />
Cent brachte. Seine Verhaftung war<br />
sein größter Sieg.<br />
Doch seltsam: Auch in den Hinterzimmern<br />
der US-Macht sind heitere<br />
Mienen zu sehen, die sich ob des<br />
gelungen Coups amüsieren. Wie<br />
leicht doch die Menschen mit einfachen<br />
Slogans hinters Licht zu führen<br />
sind! Assange propagiert, dass alle<br />
Informationen frei zugänglich sein<br />
sollen, besonders die geheimen, versteht<br />
sich. Doch sein Beweis dafür<br />
sind Dokumente, die 99,9 Prozent<br />
der Bevölkerung, selbst inklusive der<br />
Netzgemeinde, weder bewältigen<br />
können, noch darin Neues entdecken<br />
könnten. Hat denn nun wirklich keiner<br />
gemerkt, dass darunter die wirklich<br />
relevanten Informationen fehlen?<br />
Ein Held ist geboren und hat die<br />
Industrie zur Abwehr von Netzattakken<br />
befeuert. Das Volumen für Sicherheitssoftware:<br />
15 Milliarden<br />
Euro. Und die „böse“, aber nicht<br />
gänzlich blöde US-Regierung hat<br />
dabei den Vorteil, dass nun jeder<br />
denkt, dass es keine sicheren Geheimnisse<br />
mehr gäbe. Dass hilflos<br />
sei, wer einen wie Assange jagen<br />
muss. Dabei hat man gerade mit diesem<br />
Ablenkungsmanöver alles im<br />
Griff, weil alle auf Assange schauen,<br />
der eigentlich harmlos ist.<br />
Okay, so sind Polanski-<br />
Filme. Ohne Happy-End für<br />
die Naiven unter uns.<br />
DiCaprio spielt in Wikileaks<br />
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Neue Marke<br />
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Zurück auf Platz fünf wird es<br />
langsam Zeit, an einer neuen griffigen<br />
Vermarktung des Erfolges zu arbeiten.<br />
Erste Ansätze gibt es: Schwarzwald<br />
Intelligence Services. Seite11<br />
Kraftprotz voller Protest<br />
<br />
Seit 40 Jahren singt Konstantin<br />
Wecker gegen die Mächtigen<br />
an. Am 7. Februar kommt er<br />
zu einem Konzert nach<br />
Freiburg. Seite 15<br />
Fett nicht schlecht<br />
<br />
Die Ernährungswissenschaftlerin<br />
Ulrike Gonder über Diäten,<br />
den Butter-Margarine-Streit<br />
und Anti-Fett-Kampagnen.<br />
Seite 3<br />
D<br />
ie Lage ist ernst. Wie eine<br />
jetzt in Berlin vorgestellte<br />
Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
ergab, hat die<br />
Ausländerfeindlichkeit in Deutschland<br />
erheblich zugenommen. Gut<br />
ein Viertel der Bevölkerung schließt<br />
sich fremdenfeindlichen Aussagen<br />
an und mehr als 30 Prozent stimmen<br />
der Einschätzung zu, dass Ausländer<br />
nur kämen, um den Sozialstaat auszunutzen.<br />
Ebensoviele meinen, man<br />
„solle die Ausländer wieder nach<br />
Hause schicken.“ Die Feindseligkeit<br />
gegenüber dem Islam ist besonders<br />
ausgeprägt, wie die Studie belegt.<br />
Mehr als jeder Zehnte sehnt sich sogar<br />
nach einem „Führer“, der<br />
„Deutschland zum Wohle aller mit<br />
harter Hand regiert.“<br />
Die Autoren der Studie werteten<br />
die Ergenisse als „Alarmsignal für<br />
Politik und Gesellschaft.“ Es bestehe<br />
die Gefahr, dass Rechtspopulisten<br />
versuchen, aus der Situation „politisch<br />
Kapital zu schlagen“, warnen<br />
die Wissenschaftler. Da ist es nicht<br />
wirklich ein Trost, dass es besonders<br />
Ungebildete und Alte seien, die für<br />
Ausländerfeindlichkeit anfällig sind.<br />
CSU-Chef Horst Seehofer hat ja<br />
bereits kräftig in die populistische<br />
Kerbe gehauen, als er kürzlich einen<br />
Zuwanderungsstopp „aus anderen<br />
Kulturkreisen“ forderte. Und zwar<br />
wohl wissend, falls er nicht zu den<br />
Ungebildeten und Alten gehört, dass<br />
derzeit mehr Leute aus Deutschland<br />
auswandern als umgekehrt. Und<br />
zwar auch türkische Mitbürger.<br />
Auch die Familienministerin<br />
Kristina Schröder hatte dazu eine<br />
feinsinnige Idee, als sie in einem<br />
Interview in der FAS das Pferd von<br />
der falschen Seite aufzäumte, indem<br />
sie kundgab, dass es schließlich<br />
auch „Deutschenfeindlichkeit“ gebe<br />
und man sie selbst mitunter als<br />
„deutsche Schlampe“ beschimpft<br />
habe. Da müsse man, na klar, die<br />
„Rechtslage überdenken.“ Schröder<br />
im O-Ton: „Fremdenfeindlichkeit<br />
geht häufig einher mit den sogenannten<br />
legitimierenden Männlichkeitsnormen.<br />
Und die finden<br />
wir überproportional bei türkischund<br />
arabischstämmigen Jugendlichen.“<br />
Na hoppla, das nennen wir<br />
echte Integrationspolitik, so ganz<br />
ohne Vorurteile.<br />
Mesut Özil darf sich freuen,<br />
nach Spanien ausgewandert zu<br />
sein. Der gehypte Vorzeigemensch<br />
für gelungene Integration, der Frau<br />
Merkel bei jeder Gelegenheit die<br />
Hand schütteln muss, gäbe ja tatsächlich<br />
ein gutes Beispiel ab, wie<br />
es laufen könnte. Wenn man die<br />
Vorurteile mal beiseite ließe (wie<br />
steht es mit der Männlichkeitsnorm<br />
von Özil?) und den Tatsachen ins<br />
Auge sehen würde. Der heutige<br />
Star hat nur einen Bolzplatz, einen<br />
Ball und ein paar kickende Kollegen<br />
in Gelsenkirchen gebraucht, um<br />
sich zur Hoffnung der deutschen<br />
Nationalelf zu mausern. Wie wäre<br />
es wohl um sein Leben in Deutschland<br />
bestellt, wenn er nicht so gut<br />
kicken könnte? Dann würde ihm<br />
Sarrazin garantiert an die Gene<br />
und deren Brauchbarkeit gehen.<br />
Andere nette Jungs, die wie<br />
Özil den Erfolg suchen, brauchen<br />
etwas mehr Unterstützung, um nicht<br />
minder wertvoll zu sein. Da wären<br />
Bildungsangebote, Respekt und vorurteilslose<br />
Freiheiten, sagen wir im<br />
offensiven Mittelfeld, um auf anderen<br />
Feldern einen Beitrag für die<br />
Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands<br />
zu bringen. Denn die Wahrheit ist<br />
doch, dass in den nächsten Jahrzehnten<br />
der Wohlstand des<br />
Landes auch davon abhängt,<br />
dass Integration<br />
und eine Vielfalt der Kulturen<br />
gelingt. Wullf, der<br />
Bundespräsident, hat das<br />
zart ins Auge gefasst.<br />
Alarmsignale für die Politik<br />
<br />
Wir verlosen Eintrittskarten für die<br />
größte gruselige Halloween-Party,<br />
die SWR3 am 31. Oktober<br />
im Europa-Park veranstaltet.<br />
Seite 13<br />
<br />
Dr. Dieter Veith über den Unmut bei<br />
niedergelassenen Orthopäden<br />
und die Zunahme von<br />
Prothesen-Operationen.<br />
Seite 3<br />
<br />
Nach einem Traumstart wartet in<br />
Bremen eine Kür, die davon<br />
geprägt sein könnte, dass<br />
beide Teams vorne gerne<br />
treffen. Seite 9<br />
Nacht der Hexen<br />
Ganz gefährlich<br />
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Verdacht auf viele Tore<br />
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D<br />
er Castor-Transport nach<br />
Gorleben wurde von einem<br />
ungeheuren Polizeiaufgebot<br />
begleitet. An die 20.000 Beamten<br />
waren im Einsatz, also etwa so viele<br />
wie die Stadt Emmendingen Einwohner<br />
hat. Man stelle sich vor, wie<br />
dort hinter allen Fenstern nur uniformierte<br />
Menschen stehen, oder<br />
wie die Ränge im Badenova-Stadion<br />
nahezu gefüllt wären, wenn alle<br />
Polizisten, die im Wendland zum<br />
Einsatz kamen, sich gemeinsam ein<br />
SC-Spiel anschauen würden. Und<br />
nicht nur das: Die Beamten waren<br />
teilweise bis zu 30 Stunden ohne<br />
Schlaf und ohne Essen im Einsatz.<br />
Eigentlich unvorstellbar. Ein Kraftakt,<br />
der über alle Grenzen ging.<br />
Konrad Freiberg, Vorsitzender<br />
der Gewerkschaft der Polizei (GdP),<br />
übte nach dem Einsatz scharfe Kritik<br />
an den politisch Verantwortlichen.<br />
„Es war ein politischer Fehler, den<br />
mühsam errungenen Atom-Konsens<br />
aufzukündigen“, so Freiberg, der von<br />
„fatalen Irrfahrten“ der schwarz-gelben<br />
Regierung sprach, die mit Entscheidungen<br />
wie jene der Laufzeitverlängerung<br />
der AKW die Menschen<br />
„auf die Straße treiben“, wo sie ihren<br />
Ärger bei den Polizisten ablüden.<br />
Das traf sich am Ende ganz gut<br />
mit den Worten von Tobias Riedl, der<br />
für Greenpeace, also sozusagen für<br />
die „Gegenseite“, sprach: „Angela<br />
Merkel ist eine Kanzlerin ohne Volk.“<br />
Denn selbst die Staatsdiener in ihren<br />
Kampfanzügen schienen sich nicht<br />
wohl zu fühlen, als Erfüllungsgehilfen<br />
des Staates, der die Bürger erzürnt.<br />
Nach den 92 Stunden, die der Castor-<br />
Transport von La Hague nach Gorleben<br />
am Ende gedauert hatte, gab es<br />
gegenseitiges Lob. Die Polizei hob die<br />
friedlichen Proteste hervor, die Demonstranten<br />
fanden<br />
ihrerseits, dass die Polizei<br />
sich ganz okay<br />
verhielt.<br />
Ein „Konsens“,<br />
der viel aussagt.<br />
Zehntausende<br />
aus<br />
ganz Deutschland hatten<br />
zuvor mit überwiegend<br />
friedlichen<br />
Sitzblockaden den Transport des<br />
hochgiftigen Atom-Mülls massiv<br />
behindert, unterstützt von vielen<br />
Bauern des Wendlands, die mit<br />
ihren Traktoren einfach die Straßen<br />
blockierten und tausende Schafe<br />
auf dieselben trieben (womit auch<br />
gleichzeitig des Essens-Nachschub<br />
für die Beamten lahm gelegt wurde).<br />
Ein Volksaufstand, wie es ihn seit<br />
über 30 Jahren in der Region nicht<br />
mehr gegeben hatte. Eine Konfrontation<br />
zwischen Staatsmacht und<br />
Volk, ein kräftezehrendes Ringen<br />
zwischen Bürgern und Polizisten.<br />
Wie schon beim Polizeieinsatz<br />
in Stuttgart wurden auch dieses Mal<br />
Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt.<br />
Dabei sollen Beamte teils<br />
ungezielt einfach Gasgranaten in<br />
den umliegenden Wald geschossen<br />
haben. Es gab knapp 1000 verletzte<br />
Demonstranten und 78 von Steinen<br />
und Flaschen getroffene Beamte. Es<br />
wurde sogar ein Räumpanzer der<br />
Polizei in Brand gesetzt, in dem<br />
noch Beamte saßen.<br />
Die Leute im Wendland befinden<br />
sich ja seit 1995 bei inzwischen elf<br />
Castor-Transporten nach Gorleben<br />
im Widerstand. Sie wollen in<br />
ihrem Landstrich kein Zwischenund<br />
schon gar kein Endlager des<br />
hochgiftigen Atom-Mülls. Aber<br />
eine so breite Unterstützung wie<br />
jetzt 2010 gab es noch nie. Weil die<br />
Frage der Atompolitik längst keine<br />
regionale Frage mehr ist, seit die<br />
Bundesregierung mit den Stromkonzernen<br />
kungelt.<br />
Und so mühten sich promt<br />
beide Seiten, Polizei wie Protestler,<br />
nach den tagelangen, harten<br />
Auseinandersetzungen um<br />
so etwas wie gegenseitiges<br />
Verständnis. Der Protest ist in der<br />
Mitte der Gesellschaft angkommen,<br />
Staatsdiener inklusive.<br />
Die Demonstranten haben also<br />
gesiegt, auch wenn sie den Castor-<br />
Transport natürlich nicht verhindern<br />
konnten. Sie haben gesiegt, weil<br />
sie nicht mehr länger nur Störenfriede<br />
sind, die von der<br />
Staatsgewalt zur Raison gerufen<br />
werden. Sie haben gesiegt,<br />
weil sie den Atom-Wahnsinn<br />
insgesamt vor aller Augen<br />
führten, bis hin zu den Castor-<br />
Transporten<br />
zum Ural, wo<br />
deutscher Atom-Müll billig in russische<br />
Hand übergeben werden soll.<br />
Die Staatsgewalt<br />
<br />
Scharfschützen auf dem Dach des Negresco<br />
in Nizza, abgesperrte Straßen<br />
und bis an die Zähne bewaffnete Polizisten:<br />
Nicolas Sarkozy und Hu Jintao trafen<br />
sich an der Côte d’Azur. Seite 2<br />
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Mit Mut zum Pressing<br />
<br />
Nach dem Sieg gegen Mainz wird<br />
es in den Spielen in Hoffenheim<br />
und gegen Dortmund erneut darum<br />
gehen, nicht zu tief zu stehen, sondern<br />
selbst zu pressen. Seite 9<br />
Schneller, härter, Scooter<br />
<br />
Treibender Technosound hat<br />
sie erfolgreich gemacht. Am<br />
12. Dezember kommt die<br />
norddeutsche Band Scooter<br />
nach Freiburg. Seite 15<br />
Der Chinese<br />
N<br />
un hat also die CDU lange<br />
darum gerungen, wie sie<br />
ihres konservativen Profils<br />
wieder habhaft werden kann. Es war<br />
und ist ja schon die Rede von all den<br />
heimatlosen Politikern und Wählern,<br />
die womöglich eine Partei rechts<br />
von Merkel und Co. gründen könnten.<br />
Und jetzt, mit einem Schlag, ist<br />
die Tradition von Strauß über Filbinger<br />
und Kohl wieder zu ihrem<br />
Recht gekommen: Die schwarzgelbe<br />
Regierung hat den<br />
Ausstieg aus dem Austieg<br />
von der Atomenergie<br />
beschlossen.<br />
Wenn nun also<br />
„konservativ“ übersetzt<br />
„bewahren“ meint, dann<br />
wird hier etwas bewahrt, das<br />
über seine Zeit hinaus ist und<br />
noch während der neu vereinbarten<br />
Laufzeit marode zu werden droht.<br />
Dabei hatte Bundesumweltminister<br />
Norbert Röttgen (CDU) vor nicht allzu<br />
langer Zeit in einem Interview<br />
mit der Süddeutschen Zeitung noch<br />
erklärt, dass die Kernkraftwerke in<br />
Deutschland auf eine Laufzeit von<br />
40 Jahren ausgelegt seien, und nicht<br />
für länger. Jetzt werden es bis zu 50<br />
Jahren und mehr sein.<br />
Und weil noch nie irgendwo auf<br />
der Welt ausprobiert wurde, was da<br />
alles passieren kann, sehen uns die<br />
Gegner der Atomkraftwerke schon<br />
am Rande des GAU. Allein schon der<br />
Versuch, überaltete Anlagen so lange<br />
zu betreiben, bis sie bersten, wird der<br />
Protestbewegung einen ungeheuren<br />
Aufwind geben. Denn das zuletzt<br />
von Wirtschaftsminister Brüderle<br />
(FDP) bemühte Märchen, dass Atomkraftwerke<br />
hierzulande zu den sichersten<br />
der Welt gehören sollen,<br />
glaubt längst keiner mehr. Wie der<br />
Stern schrieb, „ähneln<br />
diese in Wahrheit<br />
altersschwachen Autos ohne<br />
ABS, Airbag und ESP. Würden<br />
sie heute noch einmal so gebaut, der<br />
TÜV würde sie nicht zulassen“<br />
(stern, 23.9.2010). Es drohen Unfälle,<br />
die sich zu noch nie dagewesenen<br />
Katastrophen auswachsen können<br />
(Siehe auch Interview auf Seite 3).<br />
Und es gibt keine wirklich<br />
nachvollziehbaren Gründe, warum<br />
ein solches Risiko eingegangen<br />
wird. Weder würde in Deutschland<br />
eine Versorgungslücke entstehen,<br />
wenn die Atomkraftwerke nach<br />
dem bisher bestehenden Ausstiegsplan<br />
vom Netz gingen (im Gegenteil<br />
haben sich die erneuerbaren<br />
Energien<br />
mit ungeheurer Dynamik<br />
besser entwickelt als<br />
ursprünglich geplant), noch<br />
eignet sich die Atomkraft als eine<br />
„Brückentechnologie“, da sie eindeutig<br />
die Entwicklung alternativer<br />
Techniken bremst. Tatsache ist, dass<br />
der Atomstrom die Netze verstopft<br />
und somit Investitionen lokaler<br />
Anbieter behindert. Schon jetzt<br />
werden Windkrafträder bei gutem<br />
Wind auf still gedreht, weil zu viel<br />
Strom durch die Atomkraftwerke<br />
da ist. Wie sollen dann die riesigen<br />
Windpark-Projekte in Nord- und<br />
Ostsee realisiert werden, die etwa<br />
die Leistung von 20 Atomkraftwerken<br />
ersetzen könnten, aber auch<br />
viel Geld kosten. Solange das Netz<br />
zu 80 Prozent vom Atomstrom<br />
ausgelastet ist, werden Investoren<br />
sich zurückhalten. Nun also noch<br />
weitere 14 Jahre. Eine technisch<br />
weltweit führende deutsche Elite<br />
wird in einem Wachstumsmarkt<br />
ausgebremst. Das ist konservativ.<br />
Womöglich trifft dies auch<br />
auf das Zustandekommen des<br />
großen Deals zu. Es hat<br />
den Ruch von Käuflichkeit,<br />
wenn die<br />
großen Konzerne einige<br />
Milliarden von<br />
dem abgeben, was sie<br />
durch die Laufzeitverlängerung<br />
verdienen. Und<br />
nun womöglich bald einen<br />
Vertrag in der Tasche haben, der<br />
von einer späteren Regierung nicht<br />
ohne Einwilligung der Konzerne<br />
wieder kassiert werden kann.<br />
Schnaps ist Schnaps und Vertrag<br />
ist Vertrag. Der bisherige, der den<br />
Ausstieg festschrieb, konnte ja auch<br />
nur gekippt werden, weil beide Seiten<br />
(also auch die Bundesregierung)<br />
dies „einvernehmlich“ beschlossen.<br />
Der Atomausstieg galt als unumkehrbar.<br />
Der Ausstieg vom Ausstieg<br />
wird es sein. Für 14 lange Jahre.<br />
Was einstmals in Wyhl seinen<br />
Anfang nahm, wird wohl nun seine<br />
Fortsetzung finden: Widerstand.<br />
Doch der ist nicht<br />
wie 1975 nur eine<br />
Bewegung, aus der<br />
später die Grünen<br />
hervorgingen. Er ist<br />
jetzt in der Mitte der<br />
Gesellschaft. Genau<br />
da, wo die CDU nicht<br />
mehr ist.<br />
Eine strahlende Zukunft<br />
<br />
Interview mit dem Ungarn Tibor<br />
Szüts, Leiter des Bad Krozinger Johann-Strauß-Orchesters,<br />
über seine<br />
neue Konzertreihe und Walzerkönig<br />
André Rieu. Seite 15<br />
<br />
Alex Mayer über eine radioaktive<br />
Wolke aus Fessenheim, Tricks bei den<br />
Grenzwerten und überalterte<br />
Reaktordruckgefäße.<br />
Seite 3<br />
<br />
Trotz zweier Niederlagen spricht beim<br />
SC vieles für einen entspannten Fortgang<br />
der Saison. Gegen Köln sollte ein Sieg<br />
her, um diese Entwicklung weiter zu<br />
fördern. Seite 11<br />
<br />
Ausbalanciert<br />
Wiener Salonmusik<br />
Versprödung<br />
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F<br />
elix Magath ist Mephisto.<br />
Zwar wird er in Fußballerkreisen<br />
gerne „der Magier“<br />
genannt – das hat aber mit der eher<br />
albernen Verniedlichungsform zu<br />
tun, die in eben diesen Kreisen sehr<br />
verbreitet ist. Denn Felix Magath<br />
verkörpert für Millionen Menschen<br />
im Lande eine Form des Regierens,<br />
die quasi ein Gegenentwurf zur Uneinigkeit<br />
jener regierenden schwarzgelben<br />
Koalition darstellt, die das<br />
Land eben nicht regiert. Er bestimmt<br />
ganz allein, muss sich mit Kapriolen<br />
eines Guido Westerwelle nicht herum<br />
schlagen und hat sogar Kevin<br />
Kuranyi von allen Selbstzweifeln<br />
geheilt, die ihn einst Bundestrainer<br />
Löw davonlaufen ließen. Und wenn<br />
er am Samstag mit Schalke gegen<br />
Bayern München gewinnt, hat er<br />
zum zweiten Mal in zwei Jahren<br />
mit zwei verschiedenen Vereinen<br />
dem Branchenprimus eine Lektion<br />
erteilt. Magath ist Mephisto, für die<br />
Bayern zuerst und mit teuflischem<br />
Gelächter dann auch irgendwann<br />
für Schalke 04.<br />
Magath wäre nichts ohne seine<br />
Verstellungskünste. Er kann so tun,<br />
als ob es vollkommen lächerlich sei,<br />
erneut Deutscher Fußballmeister zu<br />
werden. Das klingt sogar bis zuletzt<br />
glaubhaft. Und selbst wer ihm das<br />
nicht glaubt, geht ihm in die Falle.<br />
Den lacht er aus, dass die Bühne<br />
wackelt. Oder er kann wie Rumpelstilzchen<br />
an der Seitenlinie einen<br />
wahrhaft diabolischen Tanz aufführen,<br />
der doch nur alle davon ablenkt,<br />
dass er nach der Macht greift.<br />
Sein Team sei so unsagbar schlecht,<br />
soll das wohl heißen, während er<br />
seinem Team dadurch alle Freiheiten<br />
verschafft, es besser zu machen als<br />
alle anderen. Denn die sind ja gut<br />
und können also nur verlieren.<br />
Die Kunst der Verschleierung<br />
gibt Rätsel auf, wo keine sind. Denn<br />
die Strukturen seiner Herrschaft<br />
sind denkbar einfach: Den Seinen,<br />
so hart er sie kritisiert und regiert,<br />
gibt er Luft zum Atmen. Und den<br />
Anderen, so sehr er sich ziert und sie<br />
hofiert, macht er eine lange Nase.<br />
Nicht ohne auch auf Schalke seinen<br />
Hofstaat zu errichten (mit Eichkorn<br />
und Hollerbach als Co-Trainer, mit<br />
einem neuen Pressechef und den<br />
ihm dienenden Männern in der Verwaltung),<br />
den er Oberboss Clemens<br />
Tönnies als gebrauchtes Vehikel<br />
zum Erfolg verkauft.<br />
Es gibt noch einige Menschen,<br />
die dem listigen Intendanten auf<br />
dem Theater Schalke nicht trauen.<br />
Was, wenn Magath sich alle Macht<br />
gesichert hat und dann wie in<br />
Wolfsburg plötzlich geht? Doch der<br />
Mephisto selbst weiß, dass das Volk<br />
bei Gelegenheit gerne den Kopf des<br />
Königs fordert. Lacht wie der<br />
leibhaftige Teufel dazu. Und<br />
geht, bevor der Vorhang<br />
fällt. Vorher will er Kuranyi<br />
noch bei der WM<br />
sehen – oder sollte Löw<br />
etwa dem Zauber nicht<br />
erliegen, den der Hexer<br />
entfacht?<br />
<br />
Rechtzeitig fand Trainer<br />
Dutt eine neue (und alte) personelle<br />
Formation, die im Kampf<br />
um den Klassenerhalt neue Hoffnung<br />
macht. Seite 9<br />
<br />
Als die Studentinnen des Frauenwohnheims<br />
ein Abschiedsfest machen wollten,<br />
sahen sie sich plötzlich mit<br />
Security -Männern und mit<br />
Kampfhunden konfrontiert. Seite 3<br />
<br />
Zum Stichtag im Monat März<br />
waren im Bezirk der Arbeitsagentur<br />
Freiburg weniger<br />
Menschen gemeldet. Die Quote<br />
lag unter fünf Prozent. Seite 13<br />
Trauerspiel<br />
Guter Trend<br />
<br />
<br />
<br />
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Gute Formation<br />
Foto: Witters<br />
<br />
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Magath ist Mephisto<br />
<br />
D<br />
ie Welt soll<br />
nach<br />
Afrika<br />
blicken. Wenn<br />
im Sommer (11.6. bis 11.7) erstmals<br />
eine Fußball-Weltmeisterschaft auf<br />
diesem Kontinent ausgetragen wird,<br />
sind die Bilder schon jetzt erahnbar,<br />
die dabei im Vordergrund stehen<br />
sollen: Spannende Fußballspiele der<br />
besten Teams der Welt, singende<br />
und feiernde Fans, traumhafte<br />
Landschaften. Ein Wintermärchen,<br />
fremd und schön, der Traum von<br />
Afrika. Es soll ein Fest werden.<br />
„Wir haben alles getan, um dieses<br />
für den ganzen Kontinent wichtige<br />
Turnier zu einem glänzenden<br />
Aushängeschild für den Fortschritt<br />
Afrikas werden zu lassen“, sagte<br />
jüngst Goncalvez Muandumba. Der<br />
Mann ist Minister für Jugend und<br />
Sport in Angola und meinte nicht<br />
die anstehende WM, sondern den in<br />
seinem Land stattfindenden Afrika-<br />
Cup. Während mehr als 70 Prozent<br />
der rund 13 Millionen Menschen in<br />
Angola von weniger als zwei Dollar<br />
pro Tag leben, hat es sich die Regierung<br />
eine Milliarde US-Dollar kosten<br />
lassen, für den Afrika-Cup<br />
brandneue Stadien, Straßen und<br />
Hotels zu bauen. Das Geld dazu<br />
kommt aus den Erdölförderung des<br />
Landes – die USA, Russland und<br />
China buhlen um diese Rohstoffquellen.<br />
Die Bevölkerung hat nichts<br />
davon, weil die kleine Elite des Landes<br />
korrupt ist und sich ein Leben in<br />
verschwenderischer Pracht leistet.<br />
Am 8. Januar, einem Freitagabend,<br />
erhielt die Welt eine andere,<br />
schreckliche Botschaft. Die Busse<br />
der Nationalmannschaft von Togo<br />
wurden von einer Gruppe maskierter<br />
Männer mit Maschinengewehren<br />
angegriffen. „Wir haben uns<br />
unter den Sitzen versteckt, während<br />
die Kugeln um uns her pfiffen. Jeder<br />
hat geweint, wir haben unsere<br />
Mütter angerufen und letzte<br />
Gebete gesprochen. Wir waren<br />
überzeugt, dass wir sterben müssen“,<br />
berichtete Teamkapitän und<br />
Weltstar Emmanuel Adebayor<br />
hinterher von der 30-minütigen<br />
Schießerei, bei der drei Menschen<br />
starben. (Siehe Seiten 2 und 3).<br />
Togos Premierminister Gilbert<br />
Houngbo berief das Nationalteam<br />
nach Hause. „Es wäre unverantwortlich<br />
zu bleiben, nur damit die<br />
Show weitergeht“, sagte er.<br />
Die große Show kommt aber<br />
erst noch, bei der WM in Südafrika.<br />
Was offenbart dann der Blick der<br />
ganzen Welt nach Afrika? „Bei meinem<br />
Besuch habe ich Fußballer gesehen,<br />
die in den Townships gespielt<br />
haben. Sie liefen über Glasscherben,<br />
ihr Fußball war nicht mit den Bällen,<br />
mit denen wir spielen, vergleichbar.<br />
Es war ein rundes Etwas“,<br />
begeisterte sich etwa<br />
Philipp Lahm bei ZEIT-<br />
Online. Er muss ja nicht<br />
mit Glasscherben in den neu<br />
gebauten Prachtstadien rechnen.<br />
Auch wenn solch ein Blick naiv ist,<br />
nimmt er doch etwas wahr: soziale<br />
Verhältnisse jenseits der großen<br />
Show. Wenn man hinschaut, kommen<br />
Tatsachen in Sicht. Etwa, dass<br />
die durchschnittliche Lebenserwartung<br />
in Südafrika aufgrund von<br />
AIDS (5,2 Millionen Infizierte) und<br />
extremer Kriminalität bei 43 Jahren<br />
(!) liegt. Oder dass statistisch gesehen<br />
jede zweite Südafrikanerin damit<br />
rechnen muss, einmal im Leben<br />
vergewaltigt zu werden. Damit ist<br />
dies für eine Frau im Land wahrscheinlicher<br />
als lesen zu lernen.<br />
Vielleicht folgt dem Blick<br />
der Welt auf Südafrika sogar<br />
der Wunsch, etwas<br />
zu ändern.<br />
Im Blick der Welt<br />
14<br />
ALLE 14 TAGE<br />
Bundesliga.<br />
Beim HSV waren die Gäste<br />
aus Freiburg nicht<br />
anwesend. Gegen den VfB Stuttgart<br />
wollen sie wie zuletzt der HSV<br />
„Herr im Hause“ sein. Seite 9<br />
Interview.<br />
Afrika-Spezialistin<br />
Christine Hatzky im Gespräch<br />
über den Anschlag in Angola,<br />
Korruptheit und Armut sowie über<br />
Entwicklungshilfe. Seite 2 und 3<br />
Leben.<br />
Die 7. Mundologia bietet<br />
erstaunliche Live-Reportagen<br />
und eine faszinierende<br />
Tierfotografie-<br />
Ausstellung. Seite 13<br />
Die WM in Südafrika soll das Gute haben, dass alle hinschauen. Wie der Anschlag beim Afrika-Cup in Angola jetzt<br />
schon deutlich macht, kann die Show nicht einfach so weiter gehen. Und das könnte helfen. Von Michael Zäh<br />
<strong>ZEITUNG</strong> <strong>AM</strong> S<strong>AM</strong>STAG<br />
Ausgabe 58 am 23. Januar 2010<br />
Nicht unlösbar<br />
Blick eines Dichters<br />
Was Guido in<br />
China so lernt<br />
Da musste er lachen, der Guido,<br />
spitzbübisch, wie es seine Art<br />
ist. Als im Bundestag über die<br />
Millionen-Spenden debattiert<br />
wurde, die seine FDP und die<br />
Union von einer so namhaften<br />
wie potenten Hotelkette überwiesen<br />
bekommen hatte, gab es<br />
für den Westerwelle schier kein<br />
Halten. Fehlte eigentlich nur,<br />
dass er sich auch noch auf die<br />
Schenkel geklopft hätte, wie es<br />
im Wahlvolk bestimmt viele tun,<br />
die sich für schlitzohrig halten.<br />
Aber nein, ha ha ha, einen Zusammenhang<br />
zwischen diesen<br />
Spenden und dem Absenken der<br />
Mehrwertsteuer auf 7 Prozent<br />
im Hotelgewerbe sehe er nicht.<br />
Und dass dadurch fehlende<br />
Steuereinnahmen, kicher kicher,<br />
bald zu jenen „einschneidenden<br />
Sparmaßnahmen“ führen, die<br />
sein immer so griesgrämig<br />
guckender Kollege Schäuble<br />
bereits angekündigt hat, trän<br />
trän schnief, muss ja den<br />
Außenminister nicht kümmern.<br />
Der hat ganz anderes zu tun.<br />
War jüngst in China,<br />
grins grins, und hat<br />
dort gelernt, glucks<br />
glucks, wie man<br />
sich die Hände in<br />
Unschuld wäscht.<br />
Michael Zäh<br />
H ALLO ZUS<strong>AM</strong>MEN<br />
Foto: Witters<br />
Allein zu Hause<br />
D<br />
ie Schatten sind schon mal<br />
voraus geworfen. Es ist der<br />
pure Populismus von allen<br />
Seiten, der momentan die politische<br />
Kultur in Deutschland beherrscht.<br />
Das große Ereignis, zu dem dieser<br />
Schatten gehört, sind die Landtagswahlen<br />
in Nordrhein-Westfalen am 9.<br />
Mai. Denn dort hat die schwarz-gelbe<br />
Regierung unter Jürgen Rüttgers<br />
laut neuester Forsa-Umfrage keine<br />
Mehrheit mehr. Und falls CDU und<br />
FDP tatsächlich fielen, verlöre die<br />
schwarz-gelbe Bundesregierung im<br />
Bundesrat ebenfalls die Mehrheit.<br />
Deshalb wird ein Polit-Theater<br />
aufgeführt, das bei so manchem Bürger<br />
den Verdacht aufkommen lässt,<br />
dass mittlerweile in Deutschland gar<br />
nicht mehr regiert, sondern nur noch<br />
mit scheinheiligen Debatten polarisiert<br />
wird. Das hat, um in den Bildern<br />
des FDP-Chefs Westerwelle zu bleiben,<br />
tatsächlich schon spätrömische Züge.<br />
Man badet sich in verbaler Eselsmilch<br />
und verkauft das Volk für dumm.<br />
Den Anfang hatte Westerwelle<br />
gemacht, dem die Felle in NRW davon<br />
zu schwimmen drohen. Seine inzwischen<br />
ausreichend von allen Medien<br />
„gewürdigte“ Nulldebatte um<br />
Hartz-IV-Sätze strotzte nur so vor offensichtlicher<br />
Inhaltsleere. Sie mündete<br />
im Stolz des (noch immer nicht<br />
regierenden) Vize-Kanzlers, dass er<br />
damit eine Debatte angestoßen habe,<br />
die man sonst nicht geführt hätte.<br />
Was natürlich auch stimmt, weil diese<br />
Debatte gar nichts brachte und inhaltlich<br />
nicht geführt werden musste.<br />
Sie diente nur dazu, rechtspopulistische<br />
Anleihen zum Ziel des Stimmenfangs<br />
unters Volk zu bringen.<br />
Aber auch nach all dieser Anstrengung<br />
ihres Chefs stagniert die FDP in<br />
NRW derzeit bei sechs Prozent (Grüne<br />
bei elf, Linke gleichauf bei sechs).<br />
Sigmar Gabriel als neuer SPD-<br />
Chef wollte sich die Gelegenheit<br />
nicht entgehen lassen, sich dem<br />
Null-Niveau von Westerwelle anzunähern.<br />
Zwar kritisierte er zunächst<br />
sozialdemokratisch korrekt, dass<br />
Westerwelle zwei Bevölkerungsgruppen<br />
gegeneinander ausspielen wolle:<br />
„Nämlich die, die keine Arbeit haben,<br />
gegen die, die von ihrer Arbeit nicht<br />
leben können.“ Um dann aber eine<br />
linkspopulistische Harke hinterher<br />
zu schmeißen: Dass die wahren Sozialbetrüger<br />
jene Millionäre seien, die<br />
Steuern hinterziehen und nicht genug<br />
verfolgt würden. Dabei wird dieses<br />
Delikt schon immer verfolgt und<br />
stellt sich lediglich die Frage, ob<br />
Amtsträger sich nicht strafrechtlich<br />
belasten, wenn sie geklaute Daten<br />
ankaufen (was der Bund ja sogar tut).<br />
Die SPD kommt in NRW derzeit<br />
schon auf 34 Prozent. Zusammen mit<br />
den Grünen hätte man aktuell also<br />
mehr (45 Prozent) als die schwarzgelbe<br />
Landesregierung (44 Prozent).<br />
Doch ohne die Linke hätte keiner eine<br />
regierungsfähige Mehrheit.<br />
In den letzten Wochen über fünf<br />
Prozent verloren hat der CDU-Regierungschef<br />
Jürgen Rüttgers, was<br />
wiederum mit der nächsten Scheinheiligkeit<br />
zu tun hat. Und zwar sogar<br />
im doppelten Sinne: Einmal weil der<br />
Grund für seine Verluste in der „Affaire“<br />
um von der Partei angebotenes<br />
Sponsorring liegt. Es wurde bekannt,<br />
dass hier Firmen gegen gutes Geld<br />
nicht nur Stände auf einem Parteitag<br />
mieten können, sondern auch Gespräche<br />
mit dem Herrn Ministerpräsidenten.<br />
Diese Verquickung von<br />
Partei- und Regierungspolitik wirkt<br />
anrüchig: Wer die Partei unterstützt,<br />
kann auf Vertraulichkeiten der Regierung<br />
hoffen. Doch wenn hier ein<br />
Anschein von Korruption hochgekocht<br />
wird, ist das doch auch nur der<br />
berühmte heiße Brei, den man dem<br />
Wahlvolk um den Mund schmieren<br />
will. Denn dass ein Firmenchef in<br />
dem gekauften Gespräch mit dem<br />
Regierungschef (falls es denn statt<br />
fände) seine Firmeninteressen<br />
durchsetzen könnte, scheint doch<br />
allzu weit weg.<br />
Es ist die andere Scheinheiligkeit,<br />
die dabei beschädigt<br />
wird: Rüttgers verkauft<br />
sich gerne als Mann<br />
der Arbeiter (und beschimpft<br />
dabei Rumänen<br />
oder Chinesen). Und<br />
die wollen nicht, dass er<br />
mit Firmenchefs kungelt.<br />
Die Scheinheiligen<br />
14<br />
ALLE 14 TAGE<br />
Nationalmannschaft.<br />
Die Erwartungshaltung, die<br />
Joachim Löw durch gute Arbeit<br />
geweckt hat, behindert nun<br />
seine weitere Arbeit<br />
Seite 9<br />
Stadtgespräch.<br />
RkK-Geschäftsführer Helmut<br />
Schillinger über mangelhafte<br />
Hüftprothesen, Menschlichkeit<br />
und Verantwortung.<br />
Seite 3<br />
Leben.<br />
Folk-Legende Joan Baez kommt<br />
nach Baden-Baden. Ihr neues<br />
Album ist Dokument des<br />
Aufbruchs einer Generation.<br />
Seite 17<br />
Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wirft ihre Schatten voraus. Dabei werden lauter Debatten geführt, in denen es<br />
nicht um politische Inhalte geht, sondern um Provokation und Polarisierung. Von Michael Zäh<br />
<strong>ZEITUNG</strong> <strong>AM</strong> S<strong>AM</strong>STAG<br />
Ausgabe 61 am 6. März 2010<br />
Fakten auf dem Tisch<br />
Singen gegen Unrecht<br />
Öko-Kicker<br />
mit Sternchen<br />
Der SC-Vorsitzende Fritz Keller<br />
erhielt den begehrten Diners-<br />
Club-Award, natürlich nicht in<br />
seiner Eigenschaft als Vorstand,<br />
sondern als „Winzer des Jahres<br />
2009“. Dieser von Gourmets und<br />
Luxusliebhabern vergebene Titel<br />
ist auf Fußball übertragen so etwas<br />
wie der Gewinn der Champions-League.<br />
Weil nun auch<br />
Mercedes Benz einen Award gewann,<br />
war schnell die Idee geboren,<br />
die Auserwählten zusammen<br />
zu bringen. So kam es, dass Preisträger<br />
Keller den Schlüssel des<br />
Preisträgers E 250 CDI überreicht<br />
bekam. Was nun wiederum an die<br />
Champions-League erinnert, weil<br />
die Spieler des FC Barcelona nach<br />
deren Gewinn auch alle ein Auto<br />
geschenkt bekamen. Und Xavi,<br />
der geniale Kopf der Mannschaft,<br />
soll einige Mitspieler gebeten haben,<br />
ein möglichst kleines Modell<br />
auszuwählen, da man es schließlich<br />
bei einem Geschenk nicht<br />
übertreiben solle. Marke: Bescheidenheit.<br />
Wenn nun<br />
also Fritz Keller seinen<br />
vierwöchigen Wegbegleiter<br />
für gut befindet, könnte<br />
doch Mercedes eigentlich<br />
allen SC-Spielern ein<br />
Auto als Prämie aussetzen.<br />
Marke:<br />
Öko-Kicker mit<br />
Stern.<br />
Michael Zäh<br />
HALLO ZUS<strong>AM</strong>MEN<br />
Tango in München<br />
Montage: Sebastian Schampera<br />
D<br />
ie jüngst entfachte Diskussion<br />
um die Wirksamkeit<br />
der Homöopathie nimmt<br />
skurrile Züge an. Denn der Vorstoß<br />
von Karl Lauterbach, SPD-Obmann<br />
im Gesundheitsausschuss des Bundestages,<br />
dass man den Krankenkassen<br />
„schlicht verbieten sollte, die<br />
Homöopathie zu bezahlen“, trägt<br />
alle Merkmale der Ignoranz. Kein<br />
Wunder, dass in Deutschland mehr<br />
als 20 Millionen Bürger lieber den<br />
Globuli vertrauen als den Politikern.<br />
Da ist der schier unerträgliche<br />
Politiker-Duktus, von oben herab<br />
zu bestimmen: Lauterbach und<br />
Co. wollen ja „einfach verbieten“,<br />
statt sich mit der Frage<br />
auseinander zu setzen, warum<br />
eigentlich so viele Menschen<br />
von der Heilkraft der Homöopathie<br />
überzeugt sind. Sie alle<br />
besserwisserisch als Hoskuspokus-<br />
Opfer abzutun, verfehlt zumindest<br />
die gesellschaftliche Bedeutung des<br />
Phänomens. Selbst wenn es so sein<br />
sollte, dass nicht ein nachweisbarer<br />
Wirkstoff den Betroffenen hilft, sondern<br />
beispielsweise die zeitintensive<br />
Zuwendung des Homöopathen, ist<br />
das ein zu beachtendes Merkmal.<br />
Wo steht denn geschrieben, dass nur<br />
ein nachweisbarer chemischer Wirkstoff<br />
helfen kann? Es kennzeichnet<br />
womöglich unsere Leistungsgesellschaft,<br />
dass Millionen Menschen im<br />
Krankheitsfalle genau dieser Ruck-<br />
Zuck-Logik entgehen wollen und<br />
sich sozusagen eine Auszeit von der<br />
rationalen Welt nehmen, der sie<br />
sonst wie ein Rädchen im Uhrwerk<br />
unterworfen sind. Vielleicht ist es ja<br />
neben der Zuwendung auch gerade<br />
das Rätselhafte und Unerforschte in<br />
der Homöopathie, was tatsächlich<br />
eine gewisse Heilkraft in sich trägt.<br />
Wo sonst immer alle Tag für Tag<br />
ums goldene Kalb tanzen, sind die<br />
rätselhaften kleinen Kügelchen, die<br />
noch dazu individuell passen sollen,<br />
eine echte Atempause. Die Ruhe<br />
und Rückbesinnung, die oft mehr<br />
als alle Chemie zur Heilung beitragen,<br />
finden in der homöopathischen<br />
Behandlung ein Symbol. Es handelt<br />
sich quasi um ein Erholungsprozess<br />
vom ständigen Leistungsstress in<br />
der Gesellschaft. Homöopathie hilft,<br />
selbst wenn es durch die Kraft der<br />
Illusion wäre.<br />
Leute wie Lauterbach nennen<br />
dies „irrational“. Um dann eben das<br />
ins Spiel zu bringen, dem ihr Denken<br />
unterworfen ist: Geld, der kalte<br />
Stoff, aus dem die Ratio ist. Also in<br />
diesem Fall die leeren Kassen bei<br />
den Kassen. Sie verkennen dabei,<br />
dass die jahrzehntelang gesammelten<br />
Erfahrungen von vielen Millionen<br />
Menschen nicht einfach als<br />
Nichts abgetan werden können.<br />
Und schon gar nicht auf dem Wege<br />
des Verbots. Denn das würde ja bedeuten,<br />
das kalte Kalkül genau dort<br />
mit aller Gewalt durchzusetzen, wo<br />
die Leute sich mal eine kleine Auszeit<br />
davon nehmen wollen.<br />
Besonders befremdlich ist dabei<br />
das völlig sachfremde Umgehen<br />
mit der Wissenschaft, der es normalerweise<br />
nicht eigen ist, endgültige<br />
Aussagen zu treffen, wo sie Zusammenhänge<br />
(noch) nicht ergründen<br />
kann. Sie begnügt sich dann damit,<br />
dass etwas „wissenschaftlich nicht<br />
erwiesen“ ist. Denn die Wissenschaft<br />
forscht und sucht. Sie geht nicht<br />
davon aus, dass da nichts ist, wo sie<br />
noch nicht fündig wurde. Und immer,<br />
wenn es wieder einen Nobelpreis<br />
für Wissenschaftler gibt, hat<br />
man ja neue Entdeckungen gemacht,<br />
also etwas gefunden, von<br />
dem es zuvor noch geheißen hätte,<br />
dass man nichts darüber weiß. Es ist<br />
dieser Wissensdrang, der immer davon<br />
ausgeht, wenn nicht heute,<br />
dann vielleicht später die Ursache<br />
für eine Wirkung zu finden. Es verstößt<br />
gegen das Wesen der Wissenschaft,<br />
Phänomene gleich abzulehnen,<br />
nur weil sie diese nicht erklären<br />
kann.<br />
Wenn nun also einzelne<br />
Wissenschaftler im Sinne Lauterbachs<br />
behaupten, dass es<br />
bei der Homöopathie nichts<br />
mehr zu erforschen gäbe, dann<br />
ist das eine ganz unwissenschaftliche<br />
Hellseherei. Oder<br />
schlicht Lobbyismus.<br />
<br />
<br />
Kleine Kügelchen<br />
<br />
Geoff Downes, Keyboarder<br />
bei Asia, die nach<br />
Bad Krozingen kommen,<br />
über seine Hassliebe zur<br />
Technologie. Seite 15<br />
<br />
Joachim Löw hat einen neuen<br />
Stil in der Branche eingeführt.<br />
Er lässt sich nicht locken und<br />
hat gewonnen. Seite 9<br />
Foto: fotolia<br />
<br />
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<br />
Abbaubare Stoffe<br />
<br />
Professor Franz Daschner über<br />
Medikamente im Wasser,<br />
die Mär vom gesunden<br />
Mineralwasser und<br />
Überwachung. Seite 3<br />
<br />
Gnadenlos sachlich<br />
Klavier ist ein Privileg<br />
<br />
Zu der Mittwochs-Trophy beim<br />
Golfclub Tuniberg lud die ZaS<br />
auch Freunde und Partner zum<br />
Schnupperkurs ein.<br />
Seite 5<br />
<br />
Der Mediziner Peter Heilmeyer über<br />
heilsamen Stress, schädliches<br />
Schonen und das richtige<br />
Wechselspiel zwischen<br />
beidem. Seite 3<br />
Vom Töten und Lieben<br />
<br />
John Irving hat einen neuen Roman,<br />
Berthold Noeske eine Fülle an<br />
Infos zur DDR und Fred Vargas<br />
verursacht einen<br />
Rausch. Seite 2<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wie schon letztes<br />
Jahr macht die ZaS<br />
ab jetzt So merferien.<br />
Die nächste Ausgabe<br />
erscheint am<br />
18. September<br />
Kein schlechter Stress<br />
Sportlich schnuppern<br />
D<br />
ie Krise der katholischen<br />
Kirche löst im Vatikan einen<br />
Reflex aus, der einem die<br />
Sprache verschlägt. Nach der Kultur<br />
des Wegschauens, des Leugnens und<br />
des Schweigens bezüglich der Flut<br />
von Missbrauchsfällen in kirchlichen<br />
Einrichtungen, gab jetzt der zweite<br />
Mann in Rom, Kardinal Tarcisio<br />
Bertone eine verblüffende Ansicht<br />
zu Protokoll: Es gebe nicht nur keine<br />
Verbindung zwischen Zölibat und<br />
Pädophilie. „Vielmehr haben viele<br />
andere bewiesen und mir das vor<br />
kurzem gesagt, dass es eine Verbindung<br />
zwischen Homosexualität und<br />
Pädophilie gibt.“<br />
Die Logik dieses Vorstoßes ist<br />
schnell ergründet: Homosexuelle<br />
und Lesben, so die konservative<br />
Lehre, lösen Naturkatastrophen aus<br />
und sind eine Gefahr für das Abendland.<br />
Für den Hurrikan Katrina<br />
machte der katholische Pfarrer Gerhard<br />
Maria Wagner, der 2009 fast<br />
Weihbischof von Linz geworden<br />
wäre, eine „geistige Umweltverschmutzung“<br />
verantwortlich und<br />
verwies darauf, dass dass zwei Tage<br />
später in New Orleans (das ja vom<br />
Hurrikan verwüstet wurde) eine<br />
Schwulenparade stattfinden sollte.<br />
Schon in 1 Römer 1, 24-27 heißt<br />
es: „Darum lieferte Gott sie durch<br />
die Begierden ihres Herzens der Unreinheit<br />
aus, so dass sie ihren Leib<br />
durch eigenes Tun entehrten: sie<br />
vertauschten die Wahrheit Gottes<br />
mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf<br />
an und verehrten es anstelle<br />
des Schöpfers – gepriesen ist er in<br />
Ewigkeit. Darum lieferte Gott sie<br />
entehrenden Leidenschaften aus:<br />
ihre Frauen vertauschten den natürlichen<br />
Verkehr mit dem widernatürlichen;<br />
ebenso gaben die Männer<br />
den natürlichen Vekehr mit der<br />
Frau auf und entbrannten in Begierde<br />
zueinander; Männer trieben<br />
mit Männern Unzucht und erhielten<br />
den gebührenden Lohn für ihre<br />
Verwirrung.“<br />
Die Homosexualität gibt seit<br />
jeher ein wunderbares Beispiel für<br />
die katholische Kirche ab, an dem<br />
sie ihre Lehre vorführen kann. Das<br />
bekam ja auch Anne Will zu<br />
spüren, als in ihrer ARD-Talkshow<br />
der Essener Bischof<br />
Franz-Josef Overbeck der<br />
lesbischen Moderatorin<br />
(die selbst Mitglied der<br />
katholischen Kirche ist)<br />
ins Gesicht sagte, dass<br />
Homosexualität Sünde<br />
sei und der menschlichen<br />
Natur widerspreche.<br />
Was natürlich eine gewagte<br />
Behauptung ist, vor<br />
allem das mit der Natur.<br />
Denn die Kirche hat ja ihr<br />
gesamtes Regelwerk gegen<br />
die Unbillen der Natur in<br />
Stein gemeißelt. Nicht nur<br />
bei den zehn Geboten. Bei 1<br />
Timotheus 1, 9 heißt es: „Und<br />
bedenkt, dass das Gesetz<br />
nicht für die Gerechten bestimmt<br />
ist, sondern für Gesetzlose<br />
und Ungehorsame,<br />
für Gottlose und Sünder, für<br />
Menschen ohne Glauben und<br />
Ehrfurcht (...)“<br />
Hier führt ein direkter Weg<br />
zu den Missbrauchsfällen in<br />
den katholischen Einrichtungen.<br />
Es gibt mittlerweile zahlreiche<br />
Fälle von Gewaltanwendung<br />
gegenüber Kindern,<br />
die beispielsweise der Augsburger<br />
Bischof Walter Mixa<br />
nach den eidesstattlichen Erklärungen<br />
von Opfern (die der Süddeutschen<br />
Zeitung vorliegen) direkt<br />
verübt haben soll. Man braucht<br />
nicht viel Phantasie, um sich das<br />
vorstellen zu können, dass jene<br />
„Ungehorsamen“ und „Sünder“, für<br />
die man zu erziehende Kinder im<br />
Zweifelsfall hielt, mit körperlichen<br />
und seelischen Strafen „erzogen“<br />
wurden. In den 50er und 60er<br />
Jahren herrschten völlig andere<br />
Vorstellungen bezüglich der<br />
Pädagogik und die Kirche<br />
hat ja noch dazu einen<br />
reichhaltigen Schatz an<br />
eigenen Richtlinien (wie<br />
etwa „Der Herr straft, wen<br />
er liebt“, siehe auch den<br />
beeindruckenden<br />
Erfahrungsbericht<br />
von Hermann<br />
Unterstöger, SZ vom 14.4.)<br />
Und dies macht eben<br />
auch der jüngste Vorstoß<br />
des Vatikans deutlich, wenn<br />
Bertone plötzlich die Homosexualität<br />
für den sexuellen<br />
Missbrauch an Kindern<br />
verantwortlich macht. Die<br />
kann Naturkatastrophen auslösen,<br />
also kann sie auch wie<br />
eine solche über die Klöster<br />
der katholischen Kirche hereingebrochen<br />
sein. Das ist<br />
aus Sicht des Vatikans immer<br />
noch besser, als etwa<br />
die ureigene Regelung des<br />
Zölibats als mitursächlich in<br />
Betracht zu ziehen. Nur Spötter<br />
„ohne Ehrfurcht“ könnten sich<br />
fragen, ob Bertone sagen wollte,<br />
dass Priester homosexuell<br />
sind und<br />
dies hinter der<br />
Keuschheit des<br />
Zölibats verstekken.<br />
<br />
Der Künstler Ben Hübsch unterrichtet<br />
an der Freien Hochschule<br />
für Grafik, Design<br />
und Bildende Kunst auf<br />
hohem Niveau. Seite 13<br />
<br />
<br />
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Es kann sich abnutzen, wenn man<br />
immer von Endspielen und der<br />
„Wurst“ spricht, um die es<br />
gehe. Vier Erstligaspiele<br />
sind ein Genuss. Seite 9<br />
<br />
Eine Woche bevor am 25.<br />
April der erste Wahlgang ansteht,<br />
haben wir den drei OB-<br />
Kandidaten noch einmal ein<br />
paar Fragen gestellt. Seite 3<br />
Auf ein Neues!<br />
Umfrage bei Kandidaten<br />
<br />
<br />
Das alte Feindbild<br />
Raus aus der Hobbyecke<br />
N<br />
ach dem Paukenschlag<br />
kommt die Erleichterung,<br />
bevor die Zweifel beginnen.<br />
Der überraschende Rücktritt des<br />
CDU-Vize und hessischen Ministerpräsidenten<br />
Roland Koch spiegelt<br />
die Situation der Union haargenau<br />
wieder: Koch geht, weil er nichts<br />
mehr zu erwarten hat. In Hessen hat<br />
er schon bei der letzten Landtagswahl<br />
zwei Mal Federn gelassen und<br />
würde bei der nächsten wohl nicht<br />
mehr gewählt. Nach Berlin schafft<br />
er es nicht. Als Rivale von Merkel<br />
hat er sich zuletzt ein Machtwort der<br />
Kanzlerin eingehandelt, als er bei<br />
Bildung und Familie sparen wollte.<br />
Er geht also, längst über dem Zenit,<br />
bevor alles noch schlechter wird.<br />
Mag sein, dass dieser freiwillige<br />
Abgang Kochs aus der Politik im ersten<br />
Moment eine Erleichterung für<br />
Angela Merkel sein könnte, die<br />
künftig nicht mehr provozierende<br />
Kampfansagen auf verschiedenen<br />
politischen Feldern fürchten muss.<br />
Aber gerade das kann der Kanzlerin<br />
bei genauerem Hinsehen noch zum<br />
Bumerang werden. Denn der Rückzug<br />
des Rivalen ist auch ein Leck im<br />
Gefüge ihrer Partei. Roland Koch<br />
hat ja das wertkonservative und<br />
wirtschaftsliberale Lager der CDU<br />
wie hinter einem starken Magneten<br />
versammelt. Dieser Flügel der Partei<br />
und breite konservative Wählerschichten<br />
sind ohne die Frontfigur<br />
Koch plötzlich herrenlos. Mit Merkel<br />
können sie sich nicht identifizieren,<br />
mit ihrem politischen Kurs schon<br />
gar nicht und an dem Fehlen klarer,<br />
oft überspitzter Ansagen werden sie<br />
leiden.<br />
Man könnte zwar meinen, dass<br />
Merkels einsame Führungsgewalt<br />
nach dem Verstummen des Gegenpols<br />
Koch ihr nun noch mehr Macht<br />
Freiheit und Gestaltungsspielraum<br />
verschafft. Aber das Gegenteil wird<br />
vermutlich zutreffen. Denn was<br />
Koch in der CDU an Kräften band<br />
und manchmal gesammelt gegen<br />
die Kanzlerin herausbellte, hat ihr<br />
eigentlich den Rücken frei gehalten.<br />
So fiel ihre eigene Unentschlossenheit<br />
bei wichtigen politischen Entscheidungen<br />
nicht so sehr auf.<br />
Wenn Merkel sich umschaut,<br />
wie sich das plötzliche Vakuum an<br />
der konservativen Flanke in ihre<br />
momentane politische Situation<br />
einreiht, dann könnte sie auf den<br />
Gedanken kommen, dass sie selbst<br />
den Zenit bereits überschritten hat.<br />
Zum Start der schwarz-gelben Koalition<br />
wurde sie von einem vogelwilden<br />
Westerwelle mit seinen<br />
hemdsärmeligen Hartz-IV-Debatten<br />
konfrontiert. Sie saß es ratlos aus.<br />
In der Folge schien sich die Koalition<br />
an nutzlosen Diskussionen über die<br />
Höhe und den Zeitpunkt von im<br />
Wahlkampf versprochenen Steuererleichterungen<br />
zu verschleißen, die<br />
sich inzwischen als völlig utopisch<br />
herausgestellt haben – Merkel saß<br />
es genervt aus. Der Griechenland-<br />
Krise wollte die Kanzlerin zuerst als<br />
Ordnungspolitikerin begegnen, bevor<br />
sie sich dann aufgrund des<br />
Drucks anderer europäischer Staaten<br />
zu einem Hauruck-Hilfspaket<br />
entschloss. Ein Wackelkurs der<br />
Kanzlerin.<br />
Schließlich kam das für CDU<br />
und FDP miserable Wahlergebnis<br />
von Nordrhein-Westfalen. Zweifel<br />
wurden laut, ob nicht auch Merkel<br />
mit ihrem unklaren Kurs für diese<br />
Quittung der Wähler verantwortlich<br />
war. Sie reagierte erstmals klar und<br />
gab Steuererleichterungen eine Absage.<br />
Stattdessen werde es einen<br />
harten Sparkurs geben – das hätte<br />
von Roland Koch stammen können.<br />
Das Gesetz zum „Rettungsschirm“<br />
für den Euro wurde mit knapper<br />
Mehrheit durch das Parlament und<br />
den Bundesrat gepeitscht, ohne die<br />
gewünschte breite Zustimmung<br />
auch der SPD und der Grünen. Für<br />
bis zu 148 Milliarden Euro bürgen<br />
seither die Bundesbürger.<br />
Über die Regulierung der Finanzmärkte<br />
gibt es Streit mit Amerika<br />
und Frankreich. Und<br />
die Umfragewerte für die<br />
CDU sind derzeit tief im Keller.<br />
Durch Kochs Rücktritt<br />
wird sich die Zustimmung<br />
für Merkel nicht<br />
erhöhen. Er ging nur als Erster.<br />
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Grenze ist überschritten<br />
<br />
<br />
Roland Koch geht voran<br />
Elf aus 736<br />
Kompetenz<br />
<br />
Wir führen unsere ZaS-Serie<br />
über Kompetenzzentren in der<br />
Medizin fort. Auf drei Seiten<br />
werden Neuheiten aus dem<br />
Bereich vorgestellt. Seite 13<br />
<br />
Ronaldo, Messi, Milito, Drogba,<br />
Xavi, Rooney, di Natale, Pantelic,<br />
Robben, Ribery, Kaka sind elf von<br />
736 WM-Akteuren. Ein kleiner<br />
Vorgeschmack. Seite 10<br />
<br />
Greenpeace-Experte Christian<br />
Bussau über das Risiko von<br />
Tiefsee-Ölbohrungen und<br />
die Notwendigkeit, jetzt<br />
umzudenken. Seite 3<br />
<br />
Montage: Sebastian Schampera<br />
D<br />
ie Milliarden purzeln uns<br />
nur so um die Ohren. Als<br />
die Bundesregierung kürzlich<br />
über Nacht einen 147 Milliarden<br />
teuren „Schirm“ zur Rettung des<br />
Euro gespannt hat, durften Deutschlands<br />
Bürger noch vage das Gefühl<br />
haben, dass wir es irgendwie halt<br />
haben. Und schon vorher, als in der<br />
Finanzkrise zahlreiche Banken mit<br />
Milliarden gerettet wurden, schien<br />
das Geld dafür kein Problem zu sein.<br />
Doch plötzlich pfeift der Wind durch<br />
alle Ritzen sämtlicher Rettungsschirme.<br />
Denn die schwarz-gelbe<br />
Koalition hat ein Sparpaket vorgestellt,<br />
das 80 Milliarden Euro bis<br />
2014 umfasst. Weil wir es eben nicht<br />
haben, was wir ausgeben.<br />
Die Sprengkraft des Sparpaketes<br />
liegt darin, dass daraus klar hervorgeht,<br />
wer die Last tragen soll. Nicht<br />
alle gleichermaßen, sondern die gesellschaftlich<br />
Schwachen zuallererst<br />
und die Wirtschaft nur dort, wo es<br />
nicht wehtut. Während bei Hartz-<br />
IV-Empfängern das Elterngeld gestrichen<br />
wird, sollen Kernkraftbetreiber<br />
eine Abgabe auf Laufzeitverlängerungen<br />
zahlen, also nur einen<br />
winzigen Bruchteil der zusätzlichen<br />
Gewinne abgeben. Wenn überhaupt,<br />
da alle Beteiligungen der Wirtschaft<br />
nur vage skizziert sind, während die<br />
Kürzungen bei Sozialleistungen<br />
ganz konkret erfolgen. Eine Abgabe<br />
auf Finanztransaktionen wird vielleicht<br />
irgendwann kommen, oder<br />
auch nicht. Doch den Arbeitslosen<br />
soll nicht mehr in die Rentenkasse<br />
eingezahlt werden, das ist Fakt.<br />
Die Währung, die dabei ins<br />
Wanken kommt, lässt sich nicht in<br />
barer Münze abzählen. Es ist das<br />
Vertrauen, das zu Bruch geht. Nicht<br />
nur bei denen, die jetzt betroffen<br />
sind. Auch alle anderen Schichten<br />
haben Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit<br />
der Koalition. Warum<br />
hat selbst die Kraftanstrengung des<br />
Euro-Schirms die Märkte nicht<br />
wirklich beruhigt? Gibt es bald<br />
Steuererhöhungen, wo doch immer<br />
von Steuerentlastungen die Rede<br />
war? Wird der Konsum und eine<br />
sich abzeichnende Entspannung am<br />
Arbeitsmarkt durch das Sparpaket<br />
endgültig abgewürgt?<br />
Der Riss geht im Moment zuerst<br />
durch die schwarz-gelbe Koalition<br />
selbst. Auch Unionspolitiker halten<br />
das Sparpaket für sozial unausgewogen<br />
und fordern Änderungen.<br />
Man hat erkannt, dass eine zu offensichtliche<br />
Schräglage zugunsten<br />
der Besserverdienenden die Akzeptanz<br />
des gesamten Pakets gefährdet.<br />
Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes<br />
wird also ins Spiel gebracht,<br />
um Vertrauen wieder herzustellen.<br />
Doch das wiederum treibt die FDP<br />
in den politischen Ruin. Weshalb<br />
zwischen Union und FDP derzeit so<br />
nette Bezeichnungen wie „Wildsau“<br />
und „Gurkentruppe“ ausgetauscht<br />
werden.<br />
Die Umfragewerte sind bei der<br />
FDP in neun Monaten von 18 auf<br />
fünf Prozent gefallen. Kämen nun<br />
statt der von ihr versprochenen<br />
Entlastungen auch noch Steuererhöhungen,<br />
wie etwa Finanzminister<br />
Schäuble sie durchaus vertritt, dann<br />
wäre die Partei politisch am Ende.<br />
Weshalb sie nun offen damit droht,<br />
dass man Ende Juni den von Merkel<br />
nominierten Christian Wulff nicht<br />
unbedingt als Bundespräsidenten<br />
wählen müsse. Dies würde aber die<br />
Bundeskanzlerin selbst an den Rand<br />
des Absturzes bringen. Und genau<br />
dieses Ränkespiel kostet den letzten<br />
Rest von Vertrauen und Rückhalt in<br />
der Bevölkerung. Es wird wie eine<br />
billige Schacherei aus Eigennutz<br />
empfunden. Und wo eine politische<br />
Weitsicht bezweifelt wird, kann sich<br />
keine gesellschaftliche Gruppe wohl<br />
fühlen. Ein solidarischer Akt, die<br />
gigantischen Schulden des Staates<br />
endlich einzugrenzen, ist so nicht<br />
zu erwarten.<br />
Die Wahl Merkels, Wulff als<br />
Kandidaten ins Rennen zu schicken,<br />
trägt ja ebenfalls schon Züge von<br />
Postengeschachere. Nach dem für<br />
die Kanzlerin schockierenden Rücktritt<br />
von Horst Köhler, hat sie gleich<br />
das kleine Einmaleins des eigenen<br />
Machterhalts durchgerechnet und<br />
in Wulff den letzten mächtigen<br />
CDU-Landesfürsten auf den frei<br />
werdenden Posten gelobt. Nicht,<br />
dass ihr noch ein zweiter Roland<br />
Koch droht.<br />
Doch gerade dieses kleinkarierte<br />
Denken fügt sich nahtlos in den<br />
allgmeinen Eindruck ein. Erst recht,<br />
seit SPD und Grüne den parteiunabhängigen<br />
Joachim Gauck als<br />
Gegenkandidaten<br />
nominierten.<br />
Dürfte die Bevölkerung wählen,<br />
sähe Merkel schlecht aus. Wer will<br />
schon einen Bundespräsidenten, der<br />
nur aus billigem Machtkalkül der<br />
Kanzlerin erkoren wurde? Gerade<br />
in Zeiten der politischen Krise ist<br />
die Sehnsucht nach einem souveränen<br />
Staatsoberhaupt besonders<br />
groß, der nicht am Gängelband der<br />
Regierenden spazieren geht. Nach<br />
einem, der eben all die Werte<br />
repräsentiert, die derzeit<br />
in Berlin vermisst werden.<br />
Gerechtigkeit, Ausgeglichenheit,<br />
Ehrlichkeit.<br />
Einer gegen den Riss<br />
in der Gesellschaft.<br />
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Riss in der<br />
Gesellschaft<br />
<br />
Zum Start der Fußball-WM<br />
in Südafrika geben wir einen<br />
Überblick über alle<br />
Gruppen, die Favoriten und die<br />
Außenseiter, ab Seite 11<br />
<br />
Asien-Experte Patrick Köllner über<br />
Nordkoreas Machthaber Kim Jong<br />
Il, die Bedeutung der WM für das<br />
isolierte Land und den begrenzten<br />
Einfluss des Westens. Seite 3<br />
Montage: Sebastian Schampera<br />
Unglaubliche Leistung<br />
Die Welt am Ball<br />
D<br />
ieser Text ging bereits am<br />
Donnerstag, 25. November,<br />
in die Druckerei. In ihm<br />
kann daher nichts stehen, was sich<br />
danach ereignet hat. Aber allein<br />
schon das Gefühl, dass ein solcher<br />
Hinweis den folgenden Zeilen voran<br />
gesetzt werden sollte, zeigt etwas.<br />
Nach der Terrorwarnung, die der<br />
sonst eher zurückhaltende Thomas<br />
de Maizière für diese letzten Tage im<br />
November herausgegeben hat, hält<br />
man ein furchtbares Ereignis für<br />
möglich. Einen Anschlag, der uns<br />
alle erschüttern würde.<br />
Bisher sind es nur Vorstellungen,<br />
die sich an die grauenhaften<br />
Ereignisse im indischen<br />
Mumbai 2008 anknüpfen, als dort<br />
Terroristen ein Hotel angriffen und<br />
200 Menschen erschossen. Denn<br />
die Hinweise, die den Innenminister<br />
zu seiner Warnung veranlasst haben,<br />
sollen offenbar in Richtung eines<br />
solchen Szenarios gehen. Aber auch<br />
Weihnachtsmärkte oder andere Orte,<br />
wo viele Menschen zusammen kommen,<br />
haben die Sicherheitsbehörden<br />
als mögliche Ziele benannt.<br />
Diese Warnung, so erschreckend<br />
sie auch ist, hat ihre Berechtigung.<br />
Nämlich darin, dass die allgemeine<br />
„Wachsamkeit“ ein nicht zu unterschätzendes<br />
Instrument sein könnte,<br />
einen bereits geplanten Anschlag zu<br />
verhindern. Wie am 1. Mai in New<br />
York, als Passanten auf dem Times<br />
Square eine Autobombe entdeckten<br />
und so eine Katastrophe gerade<br />
noch verhindert wurde. Wenn also<br />
alle Menschen im Lande die Augen<br />
offen halten, ist das in der Summe<br />
schon auch ein Schutz.<br />
Gleichzeitig legt sich die Terror-<br />
Warnung als eine düstere Bedrohung<br />
auf das Leben all jener, die da wachsam<br />
sein sollen. Bilder ziehen durch<br />
den Kopf: vom 11. September 2001,<br />
von den schrecklichen Anschlägen<br />
in Madrid und London, wo Bomben<br />
in Regionalzügen und Bussen explodierten,<br />
von dem Gemetzel im<br />
Mumbai. Solche Bilder können<br />
kaum in das alltägliche Leben der<br />
Menschen übersetzt werden und<br />
sollen es nach dem Willen von de<br />
Maizière auch gar nicht. „Hysterie“<br />
sei unangebracht, sagt er. Aber sie<br />
können sich auch nicht einfach in<br />
Nichts auflösen, angesichts der so<br />
konkreten Vorwarnung.<br />
Was können die Bürger also<br />
tun? Nicht mehr ins Kino oder auf<br />
Weihnachsmärkte gehen? Lieber<br />
doch nicht mit der Bahn fahren?<br />
Große Menschenansammlungen<br />
meiden? Dies wären Einschnitte ins<br />
soziale und gesellschaftliche Leben,<br />
die dem Terror als Erfolg zugerechnet<br />
werden müssten. Dies gilt in<br />
noch größerem Ausmaß, wenn jetzt<br />
wieder Rufe nach noch mehr Überwachung<br />
laut werden. Das Gefüge<br />
des demokratischen Rechtsstaats<br />
zu verrücken, wäre fast schon ein<br />
Sieg für den Terror. Denn die innere<br />
Sicherheit, um die es hier geht,<br />
muss gleichzeitig und zuallererst<br />
die Werte verteidigen, die die<br />
Grundrechte der Verfassung<br />
sind. Und eine absolute innere<br />
Sicherheit wird es nie geben.<br />
Vielleicht hilft es, jenen<br />
Tatsachen offen ins Auge zu<br />
schauen, die vielleicht auf die<br />
Menschen und die Republik zukommen.<br />
Eine kleine Gruppe von<br />
Terroristen, vielleicht acht bis<br />
zwölf Fanatiker, heißt es aus den<br />
Sicherheitskreisen, greifen die gesamte<br />
Bevölkerung an, rund 80<br />
Millionen Menschen. Das Quälende<br />
dabei ist für Land und Leute, dass<br />
ein solcher Angriff zwar zufällig jeden<br />
treffen könnte, aber keinesfalls<br />
alle. So steht wohl bei den meisten<br />
Bürgern nicht die Angst im Vordergrund,<br />
selbst Opfer zu werden, sondern<br />
das Grauen, dass es Mitbürger<br />
sein werden, die bei einem Anschlag<br />
ums Leben kommen. Ein Szenario,<br />
das unerträglich ist – und genau<br />
deshalb ist es auch das Kalkül jeden<br />
Terrorismus. Man will alle treffen,<br />
indem man irgendwen trifft.<br />
Es wird kaum etwas anderes<br />
helfen, als diesem Szenario als innere<br />
Gemeinschaft die Stirn zu bieten.<br />
In dem Bewusstsein, dass der<br />
Terror am Ende nichts erreicht,<br />
wenn er die Gemeinschaft und deren<br />
Grundwerte durch<br />
seine schrecklichen<br />
Taten nicht erschüttern<br />
kann. Der Terror<br />
muss sich als sinnlos<br />
heraus stellen. Dazu<br />
braucht es Mut.<br />
Die Gemeinschaft im Visier<br />
Illustration/Montage: S. Schampera<br />
<br />
Weil Robin Dutt fast punktgenau<br />
den sportlichen Erfolg der frühen<br />
Finke-Jahre wiederholt, tauchen<br />
auch die gleichen Fragen auf.<br />
Seite 3<br />
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Europa winkt weiter<br />
<br />
Nach zwei Siegen in vier Spitzenspielen<br />
kann der SC Freiburg<br />
in Hannover aus eigener Kraft auf<br />
einen internationalen Platz<br />
vorstoßen. Seite 11<br />
Musik muss berühren<br />
<br />
Interview mit Christopher<br />
von Deylen, der als Schiller<br />
mit seinen elektronischen<br />
Klangwelten ins Freiburger<br />
Konzerthaus kommt. Seite 15<br />
Wandel der Zeit<br />
G<br />
erhard Schröder, damals<br />
Bundeskanzler, wusste die<br />
große Mehrheit der Deutschen<br />
hinter sich, als er George W.<br />
Bush im März 2003 beim Irak-Krieg<br />
die militärische Gefolgschaft verweigerte.<br />
Da stand Schröder mannhaft<br />
da, weil er dem Zorn des amerikanischen<br />
Präsidenten stand hielt<br />
und sozusagen dem bösen Bush<br />
trotzte. Die deutschen Bürger dachten,<br />
dass ihr Land mit diesem Krieg<br />
nichts zu tun hätte.<br />
Doch das war nicht so. Auf dem<br />
sandigen Wüstenboden bewegten<br />
sich die britischen Panzerhaubitzen<br />
„AS 90“ auf Ketten der deutschen<br />
Firma Diehk Remscheid und kamen<br />
mit Getrieben der Zahnradfabrik<br />
Friedrichshafen gut voran. Die Infanteriesoldaten<br />
hielten vom deutschen<br />
Hersteller Heckler & Koch<br />
modernisierte Sturmgewehre des<br />
Modells „SA 80 A2“ in Händen. Die<br />
Zielerfassung amerikanischer F-<br />
15E- und F-16C/D-Kampfflugzeuge<br />
gelang unter Mitwirkung der Infrarot-Sensortechnik<br />
der Firma AEG<br />
Infrarotmodule GmbH. Elektronische<br />
Zünder von Junghans Feinwerktechnik<br />
und Treibladungen des<br />
Herstellers Nitrochemie sorgten dafür,<br />
dass diverse Munitionsarten der<br />
US-Streikräfte zuverlässig explodierten.<br />
Um nur einige Beispiele zu<br />
nennen. Und die Bundesregierung<br />
hat damals geduldet, dass die deutsche<br />
Rüstungsindustrie ihren Beitrag<br />
zum Irak-Krieg leistete. Die Zahl der<br />
direkten Opfer deutscher Wehrtechnik<br />
im Rahmen dieses Krieges wurde<br />
nie ermittelt.<br />
Seither ging viel Zeit ins Land<br />
und hat die Regierung ja schon zwei<br />
Mal gewechselt. Diese Zeit wurde<br />
genutzt, um Deutschland beim weltweiten<br />
Waffenhandel noch weiter<br />
voran zu bringen. Nach Erhebungen<br />
des renommierten Friedensforschungsinstituts<br />
Sipri (Stockholm<br />
International Peace Research Institute)<br />
haben sich deutsche Rüstungsexporte<br />
in den letzten fünf Jahren<br />
(2005 bis 2009) mehr als verdoppelt.<br />
Damit zog die deutsche Industrie an<br />
allen anderen europäischen Ländern<br />
vorbei und ist nach den USA und<br />
Russland an dritter Stelle bezüglich<br />
des Weltmarktanteils.<br />
Vor allem durch U-Boote und<br />
Panzerfahrzeuge Made in Germany<br />
wurde der Export angekurbelt. So<br />
unterzeichnete allein die Türkei<br />
2009 einen Vertrag zur Lizenzherstellung<br />
von sechs deutschen U-<br />
Booten der Klasse U214 im Wert<br />
von zwei Milliarden Euro. Wobei<br />
auch ein offenbar besonders gültiges<br />
Geschäftsprinzip offenbar wird:<br />
Weil die Türkei zu den besten Abnehmern<br />
gehört, bestellt auch das<br />
benachbarte Griechenland ähnlich<br />
umfangreiche und teure Kriegstechnik,<br />
als Abschreckung gegen<br />
den Nachbarn. So lassen sich quasi<br />
doppelt aufgeschaukelte Geschäfte<br />
machen.<br />
Und schaut man in die Liste der<br />
55 (!) Länder, die von Deutschland<br />
mit Waffen beliefert werden, findet<br />
man beispielsweise sowohl Israel<br />
wie auch den Iran darauf, zwei Länder<br />
also, zwischen denen ernst zu<br />
nehmende Spannungen herrschen.<br />
Auch ohne den moralischen Zeigefinger<br />
zu heben, zeigt dies doch,<br />
dass das große Geschäft mit den<br />
Waffenexporten nicht gerade einer<br />
politischen Linie folgt, wie sie von<br />
Bundeskanzlerin Merkel etwa in<br />
Bezug auf den Iran verlautbart wird.<br />
Weil keine Waffenlieferung rein<br />
privatwirtschaftlich, ohne Duldung<br />
der Bundesregierung abläuft, stellt<br />
sich also die Frage einer politischen<br />
Verantwortung. Nicht nur, weil die<br />
Waffen dann auch zum Töten verwendet<br />
werden, sondern auch in<br />
der Frage, inwiefern beispielsweise<br />
bei Abnehmern in afrikanischen<br />
Ländern die Ressourcen von armen<br />
Regionen komplett für den teuren<br />
Waffenkauf abgeschöpft werden,<br />
während dort der Bevölkerung das<br />
Nötigste fehlt. Oder auch im Falle<br />
Griechenland, das knapp vor dem<br />
Staatsbankrott steht und womöglich<br />
mit deutschen Steuergeldern subventioniert<br />
werden muss. In diesem<br />
Falle hätten deutsche Firmen<br />
mit ihren Waffen-Exporten<br />
viel verdient, aber die<br />
Allgemeinheit<br />
käme<br />
dann für das Problem<br />
auf, Griechenland finanziell<br />
zu stabilisieren.<br />
Die Tatsache, dass<br />
Deutschland weltweit der<br />
drittgrößte Waffenlieferant ist,<br />
wird kaum öffentlich debattiert.<br />
Weil es ausgeblendet wird.<br />
<br />
Wenn Mitaufsteiger Mainz in Freiburg<br />
gewinnt, hat er mehr als doppelt so<br />
viele Punkte wie der SC. Also<br />
besser, die Tuchel-Männer<br />
verlieren! Seite11<br />
<br />
Im Herzen der Wiehre soll bald ein<br />
Gebäude abgerissen werden, das<br />
„dazu gehört“: St.Luitgard. Das<br />
macht manchen Menschen<br />
das Herz schwer. Seite 3<br />
<br />
Nazareth kommt für ein Konzert<br />
nach Denzlingen. Die schottische<br />
Hardrock-Band besteht zur<br />
Hälfte immer noch aus der Originalbesetzung.<br />
Seite 17<br />
Die letzten Tage<br />
Bisschen barbarisch<br />
<br />
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Mainz singt und...<br />
Montage: Sebastian Schampera<br />
<br />
<br />
Weltweiter Waffenhandel<br />
<br />
D<br />
ie preußischen Tugenden<br />
sind wieder salonfähig.<br />
Fleiß, Gehorsam, Pflicht,<br />
Härte, Mut, Ordnungssinn, um nur<br />
einige zu nennen, haben ein Gesicht<br />
gefunden. Es ist das Gesicht eines<br />
Holländers, der halb Deutschland<br />
(nämlich alle Fußballanhänger)<br />
mehr und mehr davon überzeugt,<br />
dass man mit Ordnung jene Siege<br />
erringt, die an die Spitze Europas<br />
führen. Früher hätte man Schlachten<br />
gesagt, heute ist es Fußball. Louis<br />
van Gaal steht mit dem FC Bayern<br />
München im Champions-League-<br />
Finale in Madrid.<br />
Die Faszination hat aber nicht<br />
nur wegen des sportlichen Erfolges<br />
um sich gegriffen, sondern weil<br />
van Gaal unbeirrt preußische<br />
Tugenden als Basis allen<br />
Handelns durchsetzte. Als anfangs<br />
bekannt wurde, dass er<br />
seinen Spielern die Sitzordnung<br />
beim Essen vorschreibt, runzelten<br />
noch alle mit der Stirn. Inzwischen<br />
heißt es, dass man genau diese Sitzordnung<br />
auf dem grünen Rasen<br />
wiedererkennen könne. Und van<br />
Gaal steht da am Spielfeldrand, wie<br />
ein Büroangestellter, seine Schreibmappe<br />
unter den Arm geklemmt.<br />
Friedrich der Große machte es<br />
einst vor, wie man auf der Basis der<br />
preußischen Tugenden einen Vielvölkerstaat<br />
lenken kann, der damals<br />
multikulturell war. Preußen wurde<br />
von einem herkömmlichen Barockstaat<br />
zu einer modernen Großmacht<br />
umgebaut. Man hatte eine fortschrittliche<br />
Rechtsordnung und Verwaltung<br />
und ein der Krone loyales<br />
Offizierskorps.<br />
Genau wie van Gaal. Er hat den<br />
in den letzten Jahren international<br />
abgehängten FC Bayern wieder zu<br />
einer fußballerischen Macht und<br />
sogar zu einem Sympathieträger<br />
gemacht. Die zwar robuste, aber<br />
auch allzu hemdsärmelige „Mia san<br />
Mia“-Mentalität hat er sich zwar<br />
zunutze gemacht, aber eigentlich<br />
hat er sie ausgehebelt. Er formuliert<br />
das so: Das Wichtigste sei, dass ein<br />
Trainer von seinen Spielern respektiert<br />
würde. Das Reich, das er in<br />
München errichtet hat, dreht sich<br />
um diesen Respekt. Ein „Mia“ taucht<br />
darin nicht auf. Das wäre ihm zu<br />
viel Firlefanz. Zu den preußischen<br />
Tugenden gehört nämlich auch die<br />
Vernunft. Und da es in Europa kein<br />
Spitzenteam interessiert, was da auf<br />
bayrisch als Selbstbild entworfen<br />
wird, sieht er auch keinen Vorteil<br />
darin. Stattdessen bestimmt er, wer<br />
auf dem Mannschaftsbild wo zu<br />
stehen hat. Schließlich gehe so ein<br />
Bild um die Welt, und da müsse es<br />
doch auch schön aussehen.<br />
Dieser Ordnungssinn, den er<br />
auch dem Spiel seiner Fußballer<br />
beigebracht hat, führt auch auf<br />
dem Platz dazu, dass es schön<br />
aussieht. Als moralische und<br />
vernünftige Instanz befriedigt<br />
Louis van Gaal die Sehnsüchte der<br />
Leute nach der klaren, ordnenden<br />
Hand. Aber er will mehr erreichen,<br />
als dies nur zum Selbstzweck zu<br />
tun. Die unbändige Kraft seines<br />
Fußballers Ivica Olic kommt auf der<br />
Basis eines geordneten Bayern-<br />
Spiels viel irrwitziger zur Geltung.<br />
Olic darf sich austoben, seit die Ordnung<br />
steht. Er schoss drei Tore im<br />
Halbfinale in Lyon. Auch Arjen<br />
Robben, Tempodribbler mit feinem<br />
linken Fuß, glänzt als Solist, seit die<br />
Mannschaft sich nicht mehr als<br />
eine Ansammlung von Solisten<br />
versteht, sondern jene Disziplin<br />
aufbringt, die van Gaal an die erste<br />
Stelle gesetzt hat.<br />
Dabei ist die verblüffendste<br />
Auswirkung des preußisch-holländischen<br />
Systems, dass dabei<br />
Spaß entsteht. Die klare Ordnung<br />
scheint nicht einzupferchen,<br />
sondern zu befreien.<br />
Der Fußball der Bayern wurde<br />
nicht seelenloser,<br />
sondern leidenschaftlicher.<br />
Und die Spieler<br />
strotzen nur so vor<br />
guter Laune.<br />
<br />
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Ganzheitlicher Ansatz<br />
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<br />
Louis der Große<br />
Rumpelstilzchen<br />
„I EM Music“<br />
Fotos: Witters<br />
<br />
Neuer Name für das Emmendinger<br />
Sommer-Open-Air-Festival.<br />
Es kommen a-ha, Amy<br />
Mcdonald sowie Sweet, Slade<br />
und Smokie. Seite 13<br />
<br />
Robin Dutt hat bald Stroh zu Gold<br />
gesponnen. Wenn nämlich<br />
sein Team in Köln gewinnt und<br />
dann den Klassenerhalt feiert.<br />
Seite 7<br />
<br />
Prof. Dr. Hans Helge Bartsch<br />
über Strategien gegen den<br />
Brustkrebs und die Ängste<br />
der Patientinnen.<br />
Seite 3<br />
A<br />
ngela Merkel hat sich oft<br />
versteckt. Sie wollte ursprünglich<br />
keine Bank verstaatlichen,<br />
keine milliardenschwere<br />
Konjunkturspritze geben und zuletzt<br />
auch Griechenland nicht mit dem<br />
Geld deutscher Steuerzahler aus der<br />
Patsche helfen. Sie hat in allen<br />
diesen Fällen gezögert, um dann ins<br />
Gegenteil zu kippen. Und um dann<br />
immer denselben knappen Satz als<br />
Begründung anzuführen: „Das ist<br />
alternativlos.“<br />
An dieser Begründung haften<br />
viele Mängel. Denn erstens präsentiert<br />
sich die Bundeskanzlerin damit<br />
als Getriebene, die nur jeweils auf<br />
Situationen reagiert, statt selbst den<br />
Kurs vorzugeben. Zweitens wird<br />
dieser Eindruck einer Ohnmächtigen<br />
noch dadurch verstärkt, dass Merkel<br />
zuvor ja jeweils eher das Gegenteil<br />
tun wollte. Und drittens erwarten<br />
die Bürger von der Politik gerade<br />
jene Weitsicht, dass Alternativen<br />
geschaffen werden, bevor es zu spät<br />
dafür ist. Wenn die Kanzlerin aber<br />
missmutig zwischen zwei gegensätzlichen<br />
Positionen wankt, dann<br />
schwindet das eigene Profil und der<br />
Glaube der Wähler.<br />
Im jüngsten Fall der Griechenland-Hilfe<br />
sieht das Wanken der<br />
Kanzlerin ganz besonders schlecht<br />
aus, weil sich gleichzeitig Nicolas<br />
Sarkozy damit brüstete, der „Retter<br />
Griechenlands“ zu sein. Es heißt, er<br />
habe hinter den Kulissen die zunächst<br />
störrische deutsche Kanzlerin<br />
zum „Umdenken“ gebracht. Und<br />
das wiederum lässt Angela Merkel<br />
nicht eben souverän aussehen. Jetzt<br />
wird ihr vorgeworfen, sie habe<br />
durch ihre zögerliche Haltung die<br />
Krise in Griechenland verschärft.<br />
Der Konflikt, in dem sich die<br />
CDU-Politikerin befindet, ist klar<br />
umrissen: Als Ordnungspolitikerin<br />
hätte sie gerne verhindert, dass die<br />
Politik sich in die Wirtschaft einmischt.<br />
Als Machtpolitikerin kann<br />
sie politische Ambitionen nur<br />
durchsetzen, wenn Deutschland als<br />
treibende Kraft des Eurolandes von<br />
Gewicht ist. In diesem Zusammenhang<br />
wäre Deutschland allein zu<br />
klein, um bedeutend zu sein.<br />
Angesichts der tatsächlichen<br />
Situation in Griechenland ist Merkels<br />
innere Zerreißprobe leicht zu<br />
verstehen. Denn kaum ein Ökonom<br />
zweifelt daran, dass die jetzt von<br />
der EU und dem Internationalen<br />
Währungsfonds (IWF) gewährten<br />
Kredite (insgesamt 110 Milliarden<br />
bis 2012) von den Griechen nicht<br />
zurück gezahlt werden können.<br />
Ganz einfach, weil die Wirtschaft<br />
des Landes international längst<br />
nicht mehr wettbewerbsfähig ist<br />
und der jetzt verordnete strenge<br />
Sparkurs die Binnenwirtschaft noch<br />
weiter schwächen wird. Wenn es<br />
gehen könnte, so zu sparen und<br />
gleichzeitig neues Wachstum zu<br />
produzieren, dann hätte ja die<br />
Bundesregierung in Deutschland<br />
während der Finanzkrise alles falsch<br />
gemacht, als sie ein milliardenschweres<br />
Konjunkturprogramm<br />
auflegte.<br />
Die Griechenland-Hilfen verschaffen<br />
lediglich Zeit, mehr nicht.<br />
Und hätte die Kanzlerin offenbart,<br />
warum die Kredite „alternativlos“<br />
sind, dann hätte sie auch darlegen<br />
müssen, dass sich die Sc
2<br />
d i e w e l t<br />
p r o m i s<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Glossen<br />
2010<br />
der Globus ist auch<br />
nur eine Kugel<br />
Franz Beckenbauer ist ein weiser Mann. Als erster hat er<br />
mit seiner Alltagsschläue die Idee ins Spiel gebracht, dass<br />
man doch für die WM in Qyatar 2022 nicht extra Kühlarenen<br />
bauen muss, wo es dort in der Wüste doch im Winter<br />
so herrliche 28 Grad hat. Und wenn man es weiter bedenkt,<br />
dann wäre es doch auch für WM-Touristen aus europäischen<br />
Gefielden eine Extra-Verlockung, dem hier so<br />
tristen und kalten Winter durch einen Trip nach Qatar zu<br />
entgehen, um nicht nur der Welt beste Kicker zu bestaunen,<br />
sondern sich dabei auch noch entspannt zu bräunen. Und<br />
der klitzekleine Umstand, dass halt eine WM im Winter dazu<br />
führen müsste, dass hierzulande die althergebrachte Saison<br />
mal eben einen neuen Modus kriegen müsste, kann den<br />
weltweit denkenden Franz doch nicht irritieren. Sollen die<br />
doch den Spielplan umstellen und halt mehr im Sommer<br />
kicken, solange es bei uns noch keine 50 Grad hat und niemand<br />
ein Eisstadion dazu bauen muss! Recht hat er, der<br />
Kaiser, und als nächstes wird er vorschlagen, eine Bundesliga-Fußball-Saison<br />
von Februar bis Dezmeber<br />
durchzuziehen, wie es ja in Japan auch ist. Der Franz<br />
hat raumgreifende Gedanken, weil der Globus eben<br />
auch nur eine Kugel ist. Er<br />
schlug schon immer<br />
Pässe über 60 Meter,<br />
aus dem Fußgelenk.<br />
Also hat er es mit der<br />
Globalisierung des<br />
Fußball halt auch<br />
leichter als andere.<br />
miz<br />
Wie<br />
geht<br />
denn<br />
mit migräne kommt<br />
der spanische Akzent<br />
. ?<br />
sowas. .<br />
In London wurde jetzt ein Fall bekannt, der dem armen Mesut<br />
Özil vielleicht in seinem Exil in Madrid Hoffnung geben könnte.<br />
Eine Britin hat nach einem schweren Migräneanfall plötzlich<br />
einen französischen Akzent angenommen. In einem Fernsehinterview<br />
mit der BBC sprach die 49-jährige aus Südwestengland<br />
die Vokale so aus, dass angenommen werden konnte, sie sei<br />
Französin. Über den Akzent sei sie alles andere als begeistert,<br />
hieß es. Wenn man nun aber bedenkt, wie langwierig<br />
der Weg des Mesut Özil ist, bis er endlich Spanisch oder wenigstens<br />
Englisch gelernt hat, um überhaupt etwas davon<br />
zu verstehen, was sein Trainer Mourinho von ihm<br />
will, hilft also nur ein gerüttelt Maß an Kopfschmerz.<br />
Und sieht unser Özil nicht auch<br />
immer ein bisschen so aus, als habe er solche,<br />
besonders beim Torschuss? Und<br />
wenn es denn so sein soll, dass die Migräne<br />
nicht gleich in fließendes<br />
Spanisch mündet, so wäre<br />
ein deutlicher Akzent, sagen<br />
wir ein Ruhrpott-Spanisch,<br />
doch schon von Vorteil. miz<br />
Heidis anschaulicher<br />
liebesbeweis für ihren seal<br />
Was macht man, wenn man Sänger ist, womöglich Seal<br />
heißt, eine neue Single rausgebracht hat, die sich aber nur<br />
schleppend verkauft und das Video dazu obendrein gähnend<br />
langweilig ist? Man fragt seine aufregende Frau um<br />
Rat. Und wenn die dann Heidi Klum heißt, kennt sie die<br />
Antwort. Denn unsere Heidi, die kann alles verkaufen.<br />
Egal ob Haarspray, Lakritze, Parfüm, Birkenstock oder<br />
Gitarren.Und wie macht sie das? Na, sie zieht sich meistens<br />
aus. Fast ganz zumindest. Für ihren Mann geht sie<br />
da noch ein bisschen weiter und zieht sich ganz, ganz aus.<br />
Nackig also. Und damit sie nicht so alleine ist, zieht er sich<br />
gleich mit aus. Und weil sie ja Mann und Frau und obendrein<br />
verheiratet sind, legen sie sich dann ins<br />
Bett zusammen. Vor laufender Kamera natürlich.<br />
Und schwupps ist der Song<br />
„Secret“ mit dem neuen Video ein<br />
echter Hingucker. (Beim Hören<br />
sind wir nicht so ganz sicher.) Ein<br />
echter Liebesbeweis. Die Heidi,<br />
das sieht man, die gönnt ihrem<br />
Mann das nötige Kleingeld<br />
von Herzen. bb
Best of<br />
ZaS<br />
Glossen<br />
2010<br />
p r o m i s d i e w e l t 3<br />
James Bond von seiner<br />
knackigsten seite<br />
Als Sean Connery seinen Knackpopo den Kunststudenten<br />
hin hielt, war Akt zu stehen für ihn einfach ein Job, der ihn<br />
über Wasser halten sollte. Er war 21 und als Schauspieler<br />
noch völlig unbekannt. Auch der junge Maler Rab Webster<br />
hatte keine Ahnung, wen er da beim Zeichnen vor sich<br />
hatte, bis zu seinem Tod wusste er es wohl nicht. Umso<br />
mehr bekamen seine Erben jetzt beim Sichten des Nachlasses<br />
kleine Dollar-, pardon: Pfundzeichen in den Augen.<br />
Zu James Bond Zeiten, hat Connery seinen Po dann an die<br />
spanische Sonne gehalten, ohne Zuschauer. In Marbella<br />
hatte er sich am Strand ein Haus gekauft. Als ihm das ein<br />
bisschen zu klein wurde. ließ er es vergrößern. Der damalige<br />
Bürgermeister hatte kein Problem damit, Bebauungspläne<br />
entsprechend zu ändern. Wahrscheinlich auch<br />
deshalb nicht, weil der Mann mit dem schönen Vornamen<br />
Jesús selbst gerne am Strand bauen wollte. Als dessen<br />
Haus jedoch fünf Stockwerke hoch wurde,<br />
fühlte sich „Goldfinger“ Connery<br />
dann doch gestört. Er verkaufte seine<br />
Villa für sieben Millionen Euro. Jetzt will<br />
ein spanischer Richter bondgleich all<br />
diese Vorgänge aufrollen. Doch der inzwischen<br />
80-jährige Sean<br />
Connery hält seinen Popo<br />
inzwischen lieber in<br />
die Sonne der Bahamas.<br />
Nach Spanien<br />
zum Prozess ist er, obwohl<br />
geladen, nicht<br />
gekommen. bb<br />
Wie<br />
geht<br />
denn<br />
engel auf erden<br />
. ?<br />
sowas. .<br />
Heidi Klum hat die Flügel an den Nagel gehängt und wird<br />
sich ab sofort nicht mehr als Engel bezeichnen dürfen (dafür<br />
aber ihre Dessous ihrem Liebsten vorbehalten). Die Unterwäschenschau<br />
„Victoria`s Secret“, die nun also<br />
erstmals ohne Klum in Manhattan stattfand, ist ja<br />
auch eher jenen Kücken vorbehalten, die noch<br />
mit ihrer Keuschheit spielen wollen. Etwa Anne<br />
Vyalitsina, die eine gehäkelte Variante<br />
mit „keuschem Ledergürtel“ zeigte.<br />
Vielleicht wollte sie Leonardo Di-<br />
Caprio, mit dem ihr im Sommer 2009<br />
eine Affaire nachgesagt wurde, vor<br />
Augen führen, dass sie auf ihn wartet.<br />
Bis hoch im Himmel, wo alle Engel<br />
außer Flügeln sonst nichts tragen.<br />
Wenn der US-Sender CBS am<br />
30. November die Unterwäscheschau<br />
ausstrahlt, sorgt nicht Gott allein für<br />
die Einschaltquoten. Sondern lauter<br />
Männer, die bestimmt nicht in<br />
den Himmel kommen.<br />
miz<br />
Krach fördert<br />
die Konzentration<br />
bei norwegischen Kids<br />
Von wegen „in der Ruhe liegt die Kraft“. Wie nun endlich<br />
ein Forscherteam an norwegischen Kindern festgestellt<br />
hat, fördert Lärm und Krach die Konzentration.<br />
Die Kids konnten sich also bei Krach mehr Worte auswendig<br />
merken als ohne. Deswegen laufen ja auch<br />
so viele mit ihren iPods herum.<br />
Durch die quasi im<br />
Gehöhrgang angewachsenen<br />
weißen<br />
Ohrstöpsel holen sie<br />
sich das nötige<br />
Quantum Krach, um<br />
stets bereit zu sein, falls<br />
ein Lehrer sie Worte<br />
auswendig lernen lässt.<br />
Nun gut, vielleicht können<br />
sie nicht immer<br />
gleich verstehen, was<br />
man von ihnen will, weil<br />
der Krach lauter ist als<br />
die Worte, die sie auswendig<br />
lernen sollen.<br />
Aber auf jeden Fall wären<br />
sie konzentrierter,<br />
wenn sie denn hören<br />
könnten. Solange die<br />
Ohren halten. miz<br />
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w w w . r e n a u l t - g u t m a n n . d e
4<br />
P o l i t i k<br />
a f r i k a<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Januar<br />
2010<br />
Afrikas Probleme sind nicht unlösbar<br />
Die Entwicklungshilfe ist viel zu gering, um das zu kompensieren, was an Rohstoffen aus Afrika heraus geholt wird,<br />
meint die Afrika-Spezialistin Christine Hatzky im Gespräch. Von Barbara Breitsprecher und Michael Zäh<br />
Wie viel oder besser, wie wenig<br />
wissen wir über Afrika?<br />
Was sind beispielsweise<br />
die Hintergründe für den Anschlag<br />
auf die Fußballspieler aus Togo<br />
beim Afrika-Cup in Angola? Und was<br />
erwartet den Kontinent mit seiner ersten<br />
Fußball-Weltmeisterschaft in<br />
Südafrika? Wir befragten die Afrika-<br />
Spezialistin Christine Hatzky nach der<br />
sozialen Realität und den historischen<br />
Entwicklungen.<br />
Fotos: Witters<br />
Zeitung am Samstag: Können Sie uns<br />
etwas zu den Hintergründen des Anschlags<br />
in Angola sagen?<br />
Christine Hatzky: Der Anschlag wurde<br />
von einer Guerilla-Organisation,<br />
der Front de Libération de l’Enclave<br />
de Cabinda (FLEC) verübt, die seit den<br />
1970er Jahren in Cabinda operiert.<br />
Die Enklave Cabinda ist ein extraterritoriales<br />
Gebiet, das zwar zum angolanischen<br />
Staatsgebiet gehört, aber<br />
nicht direkt angrenzt, sondern eine<br />
Grenze zur Demokratischen Republik<br />
Kongo (ehemals „Belgisch Kongo“)<br />
und auf drei Seiten von der Republik<br />
Kongo (ehemals französische Kolonie)<br />
eingeschlossen ist. Cabinda war<br />
nach der Unabhängigkeit Angolas<br />
1975 besonders umkämpft, weil es<br />
vor der Küste riesige Ölreserven gibt,<br />
die seit Beginn der 1970er – noch unter<br />
der portugiesischen Kolonialherrschaft<br />
– gefördert werden.<br />
Die FLEC kämpfte nach der Unabhängigkeit<br />
Angolas von Portugal für<br />
eine Unabhängigkeit Cabindas von<br />
Angola. Sie ist dabei nicht durch besonders<br />
dezidierte politische oder soziale<br />
Forderungen hervorgetreten,<br />
sondern definierte sich ethnisch-kulturell<br />
in dem Sinne, als dass sie vorgab,<br />
die Interessen der französischsprachigen<br />
Bewohner der Enklave<br />
Cabinda zu vertreten. Aber vermutlich<br />
wurde sie von den nachkolonialen<br />
Machthabern der Nachbarländer<br />
(der beiden Kongos) finanziert, mit<br />
dem Ziel, Cabinda zu destabilisieren<br />
und sich die erdölreiche Enklave einzuverleiben.<br />
Nach der Unabhängigkeit hatte die<br />
MPLA-Regierung (Movimento Popular<br />
de Libertação de Angola) größte<br />
Schwierigkeiten die Enklave zu kontrollieren.<br />
Die MPLA hatte selbstverständlich<br />
ein Interesse an der Erdölförderung,<br />
die in Konzession an USamerikanische<br />
und europäische<br />
Erdölunternehmen vergeben wurde,<br />
da dies ihr Staatseinnahmen sicherte.<br />
Auch nach dem Ende des bewaffneten<br />
Konfliktes in Angola, nach dem<br />
Tod des die MPLA-Regierung bekämpfenden<br />
Anführers der UNITA<br />
(União Nacional de Independência<br />
Total de Angola), Jonas Savimbi im<br />
Jahre 2002, kämpfte die FLEC – oder<br />
Splittergruppen – in Cabinda weiter.<br />
Ich kann nicht sagen, ob sie tatsächlich<br />
über Anhänger in der Bevölkerung<br />
Cabindas verfügt, wenn ja,<br />
können es nicht viele sein.<br />
ZaS: Kann man sagen, dass es den<br />
Rebellen aus Cabinda damit gelungen<br />
ist, Aufmerksamkeit für ihr Anliegen<br />
zu erregen?<br />
Hatzky: Ich weiß nicht, ob die FLEC<br />
nach dem Anschlag mit irgendwelchen<br />
Forderungen an die Öffentlichkeit<br />
getreten ist – außer dass sie die<br />
„Seit 2002 erleben<br />
die Angolaner erstmals<br />
seit über 40<br />
Jahren, was Frieden<br />
bedeutet.“<br />
Unabhängigkeit Cabindas fordern.<br />
Was ihr auf jeden Fall gelungen ist,<br />
gegenüber der MPLA-Regierung zu<br />
demonstrieren, dass sie noch aktiv ist<br />
und vor Anschlägen nicht zurükkschreckt.<br />
Andererseits handelte die<br />
MPLA-Regierung vielleicht auch<br />
fahrlässig, indem der Austragungsort<br />
Cabinda gewählt wurde, in dem Bewusstsein,<br />
dass dort die FLEC operiert.<br />
Vielleicht war es auch keine<br />
Fahrlässigkeit, sondern ebenfalls eine<br />
Machtdemonstration gegenüber der<br />
FLEC? Wäre Luanda, die Hauptstadt<br />
Angolas, als Spielort gewählt worden,<br />
wäre ein solcher Anschlag sicherlich<br />
nicht passiert.<br />
ZaS: Wie ist dieser terroristische Akt<br />
in der afrikanischen Bevölkerung angekommen?<br />
Immerhin richtete sich<br />
die Gewalt gegen Idole.<br />
Hatzky: Die Bevölkerung Angolas ist<br />
völlig fußballbegeistert – ich war<br />
während des letzten Afrika-Cups<br />
2006 in Angola und habe das überall<br />
miterlebt. Ohne jetzt die Reaktionen<br />
auf den Anschlag direkt mitbekommen<br />
zu haben, kann ich mir vorstellen,<br />
dass das Entsetzen groß war. Sie<br />
müssen sich vorstellen, dass Angola<br />
im Prinzip von 1961 bis 1975 in einen<br />
Kolonialkrieg gegen die portugiesische<br />
Metropole verwickelt war,<br />
der nach der Unabhängigkeit in einen<br />
postkolonialen Konflikt ausartete.<br />
Dieser postkoloniale Konflikt war<br />
bis 1991 auch durch die Dynamik des<br />
Kalten Krieges bestimmt, denn die<br />
damals linksgerichtete MPLA wurde<br />
von Kuba militärisch und zivil unterstützt<br />
sowie militärisch und finanziell<br />
von der Sowjetunion. Während<br />
die UNITA vom südafrikanischen<br />
Apartheidregime und indirekt von<br />
den USA unterstützt wurde, um sie<br />
als anti-kommunistisches Bollwerk<br />
gegen die MPLA aufzurüsten.<br />
Der Konflikt, der seine Wurzeln eben<br />
nicht nur in der Blockkonfrontation<br />
hatte, konnte nach Ende des Kalten<br />
Krieges mit dem paktierten Rückzug<br />
der südafrikanischen Truppen aus<br />
Angola sowie dem der Kubaner nicht<br />
beigelegt werden. Die UNITA bekämpfte<br />
die MPLA vehement, anerkannte<br />
nicht einmal deren Wahlsieg<br />
1992. Der bis 2002 andauernde interne<br />
Krieg wurde mit ungeheurer Brutalität<br />
auf beiden Seiten geführt, die<br />
Infrastruktur des Landes komplett<br />
zerstört. Es hinterließ eine Million<br />
Flüchtlinge und intern Vertriebene,<br />
sehr viele Kriegsopfer und Waisenkinder.<br />
Die Angolaner leiden bis heute<br />
darunter, dass große Teile des Landes<br />
vermint sind. Von daher muss<br />
dieser Anschlag unweigerlich Erinnerungen<br />
an die Vergangenheit<br />
hervorrufen, denn seit 2002 erfuhren<br />
die Angolaner erstmals seit über 40<br />
Jahren, was Frieden, im Sinne von<br />
Abwesenheit eines bewaffneten<br />
Konfliktes, bedeutet.<br />
ZaS: Der südafrikanische WM-Cheforganisator<br />
Danny Jordaan behauptet,<br />
in Südafrika sei ein solcher Rebellenanschlag<br />
wie in Angola ausgeschlossen.<br />
Wie sehen Sie das?<br />
Hatzky: Auch wenn Südafrika eine<br />
sehr hohe Kriminalitätsrate aufzuweisen<br />
hat, besteht zwar die Gefahr<br />
von Raubüberfällen, aber einen terroristischen<br />
Anschlag halte ich doch<br />
für eher unwahrscheinlich.<br />
ZaS: Nimmt Angola, ein Land mit<br />
großem Ölreichtum und dennoch bitterer<br />
Armut, einen Sonderstatus unter<br />
Afrikas Ländern ein?<br />
Hatzky: Besonders ist sicherlich der<br />
Reichtum an Erdöl und Diamanten,<br />
aber solche oder andere lukrative<br />
Rohstoffe gibt es beispielsweise auch<br />
in Südafrika, der Demokratischen<br />
Republik Kongo oder Nigeria. Wie<br />
auch in diesen Ländern existiert in<br />
Angola ein Verteilungsproblem. Die<br />
Erlöse aus dem Erdöl- und Diamantengeschäft<br />
kommen vor allem dem<br />
angolanischen Präsidenten, seiner<br />
Familie und seiner Klientel zugute.<br />
Die staatliche Korruption ist ein Riesenproblem<br />
in Angola – unterscheidet<br />
das Land aber nicht von anderen<br />
afrikanischen Ländern bzw. anderen<br />
Ländern der Welt. Trotzdem wurden<br />
2 x in Freiburg
Best of<br />
ZaS<br />
Januar<br />
2010<br />
a f r i k a P o l i t i k 5<br />
nach 2002 große Anstrengungen<br />
unternommen, die Infrastruktur des<br />
Landes wieder aufzubauen. Auch<br />
mit Hilfe der chinesischen Regierung,<br />
etwa im Eisenbahnbau. Diese<br />
Anstrengungen haben aber noch<br />
nicht zu einem planvollen Wiederaufbau<br />
etwa der Agrarwirtschaft<br />
oder der industriellen Produktion geführt.<br />
Das Bildungssystem ist weiterhin<br />
marode, viele Menschen haben<br />
keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser<br />
oder zu medizinischer Basisversorgung.<br />
Der „Sonderstatus“ Angolas<br />
besteht vielleicht darin, dass<br />
die MPLA-Regierung über so viele<br />
Ressourcen verfügt, dass es nicht<br />
schwer fiele, die Entwicklung des<br />
Landes voranzutreiben und der Bevölkerungsmehrheit<br />
Zugang zu<br />
Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung,<br />
Bildung, Wohnung und<br />
Arbeit zu verhelfen.<br />
ZaS: Vergleicht man Reichtum/Armut,<br />
Gesundheitswesen, Bildung,<br />
politische Lebensform – was ist größer,<br />
Gemeinsamkeiten oder Unterschiede<br />
in den verschiedenen afrikanischen<br />
Ländern?<br />
Hatzky: Darüber könnte man Bücher<br />
verfassen. Ich denke, man muss die<br />
Situation jedes afrikanischen Landes,<br />
jeder Region für sich anschauen und<br />
sollte keine Pauschalurteile fällen,<br />
sondern ihre Entwicklung auch im<br />
Rückblick auf ihre Geschichte beurteilen.<br />
Dass die Lebenschancen für<br />
die Mehrheit der Afrikaner im Vergleich<br />
zu den Europäern schlechter<br />
sind, darüber besteht kein Zweifel –<br />
dennoch gibt es große Unterschiede<br />
zwischen den afrikanischen Ländern<br />
und innerhalb der Gesellschaften.<br />
Von Europa aus beurteilt man Afrika<br />
meist als einen homogenen Raum<br />
und macht sich selten die Mühe, sich<br />
die einzelnen Länder und Regionen<br />
spezifisch und genau anzusehen. Dazu<br />
tragen auch die Afrikabilder und<br />
oft sehr vereinfachenden Zuschreibungen<br />
in den Medien bei, auf denen<br />
ohne zu differenzieren, ein Kontinent<br />
der Unterentwicklung und der gewalttätigen<br />
Auseinandersetzungen<br />
evoziert wird.<br />
ZaS: Ist die Kriminalität in den afrikanischen<br />
Ländern eine Folge sozialer<br />
Ungerechtigkeit und Unruhen<br />
und damit auch Folge des politischen<br />
Führungsstils?<br />
Hatzky: Kriminalität ist wie überall<br />
auf der Welt eine Folge von sozialer<br />
Ungerechtigkeit, instabilen gesellschaftlichen<br />
Verhältnissen, ungleichen<br />
Chancen, Korruption, bzw. ist<br />
auf einen politischen Führungsstil<br />
zurückzuführen, der „Kriminalität“<br />
in großem Stil vorlebt.<br />
ZaS: Inwiefern kann man die soziale<br />
Ungerechtigkeit und die daraus folgenden<br />
Unruhen historisch erklären?<br />
Wirken sich einstige westliche Kolonialherrschaften<br />
indirekt bis heute<br />
auf afrikanische Länder aus?<br />
Hatzky: Soziale Ungerechtigkeit ist in<br />
allen ehemals kolonisierten Ländern<br />
Afrikas auf die Kolonialherrschaft<br />
zurückzuführen, unter der es kein<br />
Interesse an einer Förderung und<br />
Entwicklung der in den Kolonien lebenden<br />
Bevölkerung gab. Die Kolonialmächte<br />
waren an der maximalen<br />
Ausbeutung der Arbeitskraft, der<br />
Rohstoffe oder Plantagenprodukte<br />
interessiert. Nicht zu vergessen ist<br />
dabei der transatlantische Sklavenhandel,<br />
bei dem zwischen dem 16.<br />
und 19. Jahrhundert 10 oder 15<br />
Millionen von Afrikanern nach<br />
Nord- und Südamerika verschleppt<br />
worden sind. Dabei handelte es sich<br />
vor allem um junge Menschen, die so<br />
den afrikanischen Ökonomien verloren<br />
gingen. Ihr Verlust veränderte die<br />
Gesellschaften Afrikas tiefgreifend.<br />
Die Kolonialherrschaft europäischer<br />
Mächte in Afrika endete zwischen<br />
1960 und 1975. Das sind – historisch<br />
gesehen – relativ kurze Zeiträume<br />
Polizeischutz: Seit dem Anschlag auf die Fußballmannschaft von Togo<br />
zeigt die Polizei in Angola beim Afrika-Cup verstärkt Präsenz.<br />
von einer bis anderthalb Generationen,<br />
in denen ein radikaler Wandel<br />
der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse kaum zu<br />
erwarten sind. Nach der Entkolonisierung<br />
waren die unabhängigen<br />
Staaten Afrikas für die ehemaligen<br />
Kolonialmächte als Rohstofflieferanten<br />
ja trotzdem weiter interessant,<br />
so dass sich an den asymmetrischen<br />
Austauschverhältnissen auch<br />
nach der Entkolonisierung wenig<br />
änderte.<br />
Die Unabhängigkeit der afrikanischen<br />
Länder beinhaltete in der Regel<br />
politische Reformen, ging aber meist<br />
nicht mit einer tiefgreifenden sozialen<br />
Veränderung einher. Das heißt,<br />
„Man kann nicht<br />
Almosen geben und<br />
andererseits Handelsbeschränkungen<br />
auferlegen“<br />
die afrikanischen Eliten, die nach der<br />
Unabhängigkeit an die Macht kamen,<br />
waren genauso wie die europäischen<br />
Kolonialherren an Profiten,<br />
der Ausbeutung von Rohstoffen,<br />
interessiert und weniger am Wohlergehen<br />
ihrer Bevölkerung.<br />
Das ist sehr holzschnittartig schwarzweiß<br />
gezeichnet, aber diese Tendenz<br />
lässt sich am Beispiel Angolas verdeutlichen:<br />
Die MPLA strebte nach<br />
der Unabhängigkeit auf der Grundlage<br />
eines marxistisch inspirierten Programmes<br />
zwar soziale Gerechtigkeit<br />
an, nationalisierte Industrie- und<br />
Rohstoffsektor, führte ein nationales<br />
Bildungssystem ein etc., aber von<br />
diesen Ambitionen war zehn Jahre<br />
nach der Unabhängigkeit kaum noch<br />
etwas zu spüren, vielmehr grassierte<br />
in Regierungskreisen schon Mitte der<br />
1980er Jahre die Korruption. Sicherlich<br />
begünstigte der erwähnte postkoloniale<br />
Krieg diese Entwicklung,<br />
aber auch in anderen afrikanischen<br />
Ländern, in denen progressive Unabhängigkeitsbewegungen<br />
die Macht<br />
übernahmen, war häufig von den ursprünglichen<br />
gesellschaftspolitischen<br />
Ambitionen der nachkolonialen<br />
Regierungen nach einem Jahrzehnt<br />
nur noch wenig zu spüren. Der<br />
Ursprung von Korruption, Misswirtschaft,<br />
ungleicher Ressourcenverteilung,<br />
sozialer Ungleichheit etc. liegt<br />
sicherlich in der Kolonialherrschaft<br />
begründet, aber auch die Eliten, die<br />
nach der Unabhängigkeit an die<br />
Macht kamen, tragen Verantwortung<br />
für die Entwicklung ihrer Länder.<br />
ZaS: Inwieweit stehen Entwicklungshilfe<br />
und Missbrauch von Hilfsgeldern<br />
Ihrer Ansicht nach unter dem<br />
Diktat der wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft<br />
und Abhängigkeit zwischen<br />
einflussreichen westlichen<br />
Staaten und korrupten afrikanischen<br />
Regierungen?<br />
Hatzky: Diese Frage ist zu groß, um<br />
sie einfach und pauschal erschöpfend<br />
beantworten zu können. Entwikklungshilfe<br />
westlicher Länder für<br />
Afrika ist ein Euphemismus, denn sie<br />
ist viel zu gering, um das zu kompensieren,<br />
was aus den Regionen<br />
Afrikas an Rohstoffen abgezogen<br />
wurde und wird. Sie ist zu gering, um<br />
die ungleiche Entwicklung und das<br />
Gefälle an Armut und Unterentwikklung<br />
im Vergleich zu den Industrieländern<br />
auch nur annähernd auszugleichen.<br />
Es bestehen Handelsschranken<br />
auf dem Weltmarkt, um<br />
europäische Märkte zu schützen,<br />
afrikanische Ökonomien haben dabei<br />
das Nachsehen. Entwicklungshilfe<br />
ist vor diesem Hintergrund deshalb<br />
auch ein falsches Signal – man kann<br />
nicht einerseits Almosen vergeben<br />
und andererseits die ökonomische<br />
Entwicklung durch Handelsbeschränkungen<br />
aktiv verhindern.<br />
Die Möglichkeit einer gleichberechtigten<br />
Partnerschaft könnte afrikanischen<br />
Ökonomien und Staaten stärken<br />
helfen. Regierungen und Unternehmen<br />
wären in die Pflicht<br />
genommen, verantwortungsvoller zu<br />
wirtschaften. Dies könnte verhindern<br />
helfen, dass korrupte Regierungen<br />
Entwicklungshilfegelder einstreichen,<br />
ohne sie ihrer Bestimmung zuzuführen.<br />
Ich will mit diesen Überlegungen<br />
nicht alle Ansätze von Entwicklungshilfe<br />
verurteilen, es gibt<br />
auch jede Menge vielversprechende<br />
Initiativen, die den Aufbau ökonomischer<br />
Strukturen auf lokaler Ebene<br />
unterstützen, z.B. Frauen helfen, sich<br />
wirtschaftlich unabhängig zu machen.<br />
ZaS: Kann die WM in Südafrika dem<br />
Kontinent eine Initialzündung für eine<br />
positive Entwicklung sein?<br />
Hatzky: Die WM in Südafrika kann sicherlich<br />
eine positive Entwicklung<br />
anstoßen. Zunächst einmal lenkt sie<br />
das Interesse der Weltöffentlichkeit<br />
auf den Kontinent und viele Besucher<br />
aus aller Welt werden nach Südafrika<br />
kommen. Dieses Interesse ermöglicht<br />
hoffentlich eine andere Perspektive<br />
auf Afrika, eine, die sich<br />
nicht nur in den altbekannten negativen<br />
Stereotypen bewegt, als seien<br />
die Probleme der Länder dieses Kontinents<br />
zu groß, um sie lösen zu können.<br />
Die Probleme vieler Länder Afrikas<br />
sind zweifellos riesig, aber nicht<br />
unlösbar. Ihre Zeitung geht da doch<br />
schon mal mit einem positiven Beispiel<br />
voraus.<br />
ZUR PERSON<br />
Dr. Christine Hatzky ist Historikerin<br />
und wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am Lehrstuhl für außereuropäische<br />
Geschichte der Universität<br />
Duisburg-Essen. Ihre Schwerpunkte<br />
sind die Geschichte Lateinamerikas<br />
und der Karibik sowie die Geschichte<br />
Afrikas, insbesondere das portugiesischsprachige<br />
Afrika.
6<br />
p o l i t i k<br />
N o B e l p r e i s f ü r o B a m a<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Januar<br />
2010<br />
Nach dem vereitelten Attentat<br />
auf ein US-Passagierflugzeug<br />
gerät der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger<br />
Barack Obama<br />
zunehmend unter Druck. Der Freiburger<br />
Politologe Christoph Besemer, Mitarbeiter<br />
der Werkstatt für Gewaltfreie<br />
Aktion Baden, zeigt sich im Gespräch<br />
mit Barbara Breitsprecher überzeugt,<br />
dass es falsch ist, Kriege zu rechtfertigen,<br />
und dass Frieden zu schaffen auch<br />
ohne Gewalt möglich ist.<br />
Zeitung am Samstag: Mit dem Friedensnobelpreis<br />
für Obama hatte niemand<br />
gerechnet.Sie wahrscheinlich<br />
am allerwenigsten.<br />
Christoph Besemer: Es gibt viele<br />
Gründe, Obama zu schätzen und ihn<br />
zu ermutigen. Mit diesem Preis ist das<br />
aber gründlich daneben gegangen.<br />
Obama ist in erster Linie Patriot, kein<br />
Kriegsgegner. Er hat immer wieder<br />
betont, dass er Krieg für wichtig hält,<br />
um sein Land zu beschützen.<br />
ZaS: Obama hält Krieg in bestimmten<br />
Fällen für gerechtfertigt. Wie sehen<br />
Sie das?<br />
Besemer: Das ist ein altes Argument<br />
und verbreitetes Denken. Wirklich<br />
neu ist dagegen die Haltung von<br />
Martin Luther King und Gandhi,<br />
nämlich dass man Frieden mit friedlichen<br />
Mitteln erreichen sollte. Seitdem<br />
ist in dieser Richtung schon viel<br />
passiert. Denken Sie nur an den Zusammenbruch<br />
des Warschauer<br />
Pakts, der ja zum großen Teil durch<br />
friedliche Revolutionen stattgefunden<br />
hat. Obwohl man zuvor immer<br />
gesagt hatte, es sei noch nie ein<br />
Weltreich ohne Krieg abgetreten.<br />
ZaS: Obama will eine<br />
friedliche Welt ohne<br />
Atomwaffen, gleichzeitig<br />
schickt er weitere<br />
Soldaten nach Afghanistan<br />
und rückt<br />
den Jemen in den Fokus<br />
der Anti-Terror-<br />
Bekämpfung. Ist das<br />
folgerichtig oder ein Widerspruch?<br />
Besemer: Obamas Absicht und Rhetorik<br />
ist sehr löblich, nur folgen da<br />
keine Taten, beziehungsweise sprechen<br />
die Taten eine andere Sprache.<br />
Die USA haben derzeit den größten<br />
Rüstungshaushalt ihrer Geschichte.<br />
Das spricht so offensichtlich gegen<br />
die Idee eines Friedensnobelpreises.<br />
Foto: Achim Keller<br />
„Obama ist in<br />
erster Linie<br />
Patriot, kein<br />
Kriegsgegner“<br />
„Es geht darum, Werte<br />
gewaltlos zu verteidigen“<br />
Der Politologe Christoph Besmer über Krieg und Gewaltlosigkeit<br />
ZaS: Wer hätte denn den Preis eher<br />
verdient?<br />
Besemer: Es wurde beispielsweise Zapatero,<br />
der spanische Ministerpräsident,<br />
genannt, der nach den Terroranschlägen<br />
in Spanien 2004 eine andere<br />
Politik betrieben hat, auf die<br />
islamischen Länder<br />
zugegangen ist und<br />
die spanischen Truppen<br />
aus dem Irak abgezogen<br />
hat. Aber<br />
auch Basisbewegungen,<br />
wie die Gruppe<br />
Avaaz hätten den<br />
Preis verdient, die via<br />
Internet sehr engagiert für eine gerechte,<br />
demokratische Welt ihre Stimme<br />
erhebt und Menschen mobilisiert.<br />
In Kopenhagen hat Avaaz Millionen<br />
von Unterschriften für ehrgeizigere<br />
Klimaziele überreicht.<br />
ZaS: Räumen Sie solch einer Initiative<br />
eine echte Chance auf einen Friedensnobelpreis<br />
ein?<br />
Besemer: Auch Gandhi hat nie den<br />
Friedensnobelpreis erhalten. Die Vergabe<br />
richtet sich stark danach, was<br />
ins Konzept der Nato passt.<br />
ZaS: Obama hat in seiner Rede zur<br />
Preisverleihung argumentiert, Hitler<br />
hätte ohne Gewalt und Krieg nie gestoppt<br />
werden können.<br />
Besemer: Es gibt viele Beispiele, wo<br />
offener, ziviler und gewaltloser<br />
Widerstand im nationalsozialistischen<br />
Deutschland Polizei und Soldaten<br />
gestoppt hat. Der französische Historiker<br />
Jacques Semelin nennt in seiner<br />
Studie „Ohne Waffen gegen<br />
Hitler“ über 40 Beispiele.<br />
ZaS: Glauben Sie, der Holocaust hätte<br />
gewaltfrei gestoppt werden können?<br />
Besemer: Es gab neben den Ländern,<br />
in denen Juden deportiert und ermordet<br />
wurden, auch Länder wie Dänemark,<br />
Finnland und Rumänien sowie<br />
Bulgarien, wo nahezu alle Juden gerettet<br />
wurden. Der Autor Gabriele Nissim<br />
hat in seinem Buch „Der Mann,<br />
der Hitler stoppte“ über die Zivilcourage<br />
in Bulgarien geschrieben, durch<br />
die die Deportation der Juden dort gestoppt<br />
und die antisemitische Gesetzgebung<br />
niedergeschlagen wurde. In<br />
Berlin konnten 2000 jüdische Männer<br />
durch den friedlichen Widerstand ihrer<br />
Ehefrauen gerettet<br />
werden, darüber berichtet<br />
auch der Historiker<br />
Nathan Stoltzfus<br />
in seinem Buch<br />
„Widerstand des Herzens“.<br />
Es war letztlich<br />
möglich, sich durch<br />
öffentliche Proteste<br />
dem Regime entgegen zu stellen.<br />
ZaS: Wann kann Gewaltlosigkeit stärker<br />
sein als Gewalt, wann nicht?<br />
Besemer: Man muss von dem Denken<br />
wegkommen, dass eine gewaltlose<br />
Menge sich einer bewaffneten Armee<br />
entgegenstellt. Es geht letztlich nicht<br />
darum Soldaten oder Panzer gewaltlos<br />
zu stoppen, sondern darum Werte<br />
„Es war<br />
möglich, sich<br />
Hitler entgegen<br />
zu stellen“<br />
zu erhalten und gewaltlos zu verteidigen.<br />
ZaS: Man hört und liest in der Regel<br />
jedoch mehr über den gewaltsamen<br />
als den gewaltlosen Widerstand.<br />
Besemer: Das ist richtig. Es gibt Gedenktage<br />
für die Hitler-Attentäter,<br />
nicht aber für die erfolgreichen gewaltlosen<br />
Aktionen.<br />
ZaS: Glauben Sie, dass in der Öffentlichkeit,<br />
bis hin zum Schulunterricht<br />
die Gewichtung zu stark auf die militärischen<br />
Operationen gelenkt ist?<br />
Besemer: Auf jeden Fall. Schulbücher<br />
und Gedenktage werden von der Regierung<br />
angeordnet, die in erster Linie<br />
die Armee als Verteidigungsinstanz<br />
ansieht. Die Militärs beziehen<br />
letztendlich ihre Legitimation auch<br />
aus der Niederschlagung des Hitler-<br />
Reichs. Würde man den Fokus stärker<br />
auf die gewaltlosen Aktionen richten,<br />
würde diese Legitimation anfangen<br />
zu bröckeln.<br />
ZaS: Wie sieht es beim Terrorismus<br />
aus? Die einen propagieren den<br />
Kampf gegen Terroristen, wenige andere<br />
den Dialog mit ihnen.<br />
Besemer: Man kann sich das ja ganz<br />
praktisch anschauen: Was hat der<br />
achtjährige Kampf gegen den Terrorismus<br />
gebracht? Weder sind die Anführer<br />
gefasst, noch ist der Terror zurück<br />
gegangen. Auch die Kriege sind<br />
nicht gewonnen. Der Gedankenfehler<br />
sowohl beim Kampf gegen Terrorismus<br />
als auch beim Krieg gegen Ungerechtigkeit<br />
ist, dass man nicht<br />
wirklich den Konflikt, der hinter der<br />
Gewalt steckt, angeht. Sattdessen<br />
versucht man den Gegner auszumerzen.<br />
Es ist immer das gleiche Denken,<br />
das sowohl Terroristen<br />
wie auch Amerikaner<br />
beherrscht: Nur mit<br />
Gewalt könne man<br />
sich durchsetzen. Es<br />
ist jedoch eine Illusion,<br />
dass man, nur<br />
weil man die besseren<br />
militärischen Mittel<br />
hat, siegen wird. In allen Bereichen<br />
wird versucht, über den anderen zu<br />
siegen, statt nach neuen Lösungen zu<br />
suchen.<br />
■ „Gewaltfrei gegen Hitler? Gewaltloser<br />
Widerstand gegen den Nationalsozialismus<br />
und seine Bedeutung für<br />
heute“, Hrsg. Christoph Besemer, 2007<br />
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Best of<br />
ZaS<br />
februar<br />
2010<br />
f i l m k u l t u r 7<br />
Foto: Derek Blanks<br />
Schön,<br />
nachdenklich<br />
und engagiert<br />
Boris Kodjoe kommt aus Gundelfingen und ist heute ein Hollywood-Star. Dabei wollte er eigentlich Tennis-Profi werden.<br />
Stattdessen steht er nun mit Bruce Willis oder Milla Jovovich vor der Kamera. Von Barbara Breitsprecher<br />
Die erstaunliche Geschichte,<br />
wie aus einem kleinen Jungen<br />
aus Gundelfingen ein<br />
Tenniscrack, dann begehrtes Model<br />
und schließlich ein Hollywoodstar<br />
wird. Der vorläufige Höhepunkt dieser<br />
Karriere, weitere werden<br />
zweifelsohne folgen, ist derzeit im<br />
Kino zu sehen: In „Surrogates“ hat<br />
Boris Kodjoe eine Hauptrolle, als<br />
Chef von Bruce Willis.<br />
„Bruce ist wirklich ein super Typ,<br />
ganz gelassen und cool“, erzählt der<br />
36-jährige Boris Kodjoe, und die<br />
mehr als zwölf Jahre USA haben<br />
seinem Deutsch eine leichte Färbung<br />
verliehen. „Wir haben viel<br />
Spaß miteinander gehabt.“ Keine<br />
alltägliche Sache, bei einem 100-<br />
Millionen-Film mitmachen zu können.<br />
Boris Kodjoe beschreibt „Surrogates“<br />
als einen Film, in dem sich die<br />
Menschen sehr weit von jeglicher<br />
natürlichen Kommunikation entfernt<br />
haben. Jeder hat einen Roboter<br />
als Double, der das alltägliche<br />
Leben für einen lebt. Alles ist Harmonie<br />
und Spaß, bis eines Tages<br />
doch ein Mord passiert.<br />
„Ein interessantes Konzept“, findet<br />
Boris Kodjoe, „da wir ja wirklich in<br />
einer Zeit leben, in der die Technologie<br />
beginnt, die Führung zu übernehmen.“<br />
In den USA, so berichtet<br />
er, hat ein Großteil der Menschen<br />
zwei bis drei Jobs gleichzeitig, damit<br />
das Geld ausreicht. Die Zeit für<br />
Kinder bleibt dabei auf der Strecke.<br />
„Es ist einfacher und billiger, die<br />
Kinder mit Videospielen und Fernsehen<br />
zu beschäftigen.“ Gesundheitssystem,<br />
Schulbildung und Sozialversorgung<br />
seien in den USA<br />
„unter aller Sau“.<br />
Umso wichtiger sind ihm, der<br />
als Sohn eines ghanaesischen Arztes<br />
und einer deutschen Psychologin<br />
in Wien geboren wurde und in<br />
Gundelfingen aufwuchs, die eigenen<br />
Wurzeln. Seine Mutter und<br />
auch seine 92-jährige Großmutter<br />
wohnen nach wie vor hier im Badischen.<br />
„Ich komme mindestens<br />
zweimal im Jahr mit meiner Familie<br />
nach Gundelfingen.“ Dann wird<br />
Marmorkuchen und Linzertorte gebacken<br />
und auf den Markt gegangen.<br />
„Meine Kinder lieben ihre Urgroßmutter<br />
über alles.“<br />
Boris Kodjoe spricht Deutsch<br />
mit seinen vier und drei Jahre alten<br />
Kindern. Die Kleinen wachsen sogar<br />
dreisprachig auf: Neben Englisch<br />
sprechen sie auch fließend<br />
Spanisch, Dank ihres aus Guatemala<br />
stammenden Kindermädchens.<br />
Tennis wurde für den überaus<br />
erfolgreichen Juniorenspieler schon<br />
bald zum Mittelpunkt seines Lebens.<br />
In seiner jeweiligen Altersklasse<br />
spielte er ganz oben. Viele<br />
Kontakte aus dieser Zeit, in der für<br />
ihn feststand, einmal Tennisprofi zu<br />
werden, haben bis heute gehalten.<br />
So auch zu Boris Becker, den er als<br />
Zehnjähriger im Trainingscenter<br />
für die badischen Besten in Leimen<br />
kennenlernte. Die beiden befreundeten<br />
Namensvettern haben sich<br />
gegenseitig zu ihren Hochzeiten<br />
eingeladen und sehen sich auch ansonsten<br />
mindestens einmal im Jahr.<br />
Ein anderer, der ihn früh und<br />
dauerhaft prägte, war sein erster<br />
Tennistrainer, Rüdiger van der<br />
Vliet. „Er war immer ein Vorbild für<br />
mich, auch im menschlichen und<br />
persönlichen Bereich. Einen Großteil<br />
meiner Persönlichkeit habe ich<br />
ihm zu verdanken. Er hat mich immer<br />
wieder bestärkt und unterstützt.“<br />
Doch der Traum von der<br />
Tenniskarriere platzte jäh. Boris<br />
Kodjoe zog sich eine schwere Rükkenverletzung<br />
zu und musste seine<br />
Tennisambitionen begraben. „Da ist<br />
für mich eine Welt zusammen gebrochen.“<br />
Sein ganzes Leben war<br />
aufTennis ausgerichtet gewesen.<br />
„Ich konnte mir nicht vorstellen, irgend<br />
etwas anderes zu machen.“<br />
Seine Mutter schlug dem<br />
frischgebackenen Abiturienten daraufhin<br />
vor, „mal ein bisschen in der<br />
Welt herum zu reisen.“ So kam Boris<br />
Kodjoe in die USA. Die University<br />
of Virginia bot ihm ein Stipendium<br />
an, dafür musste er ein<br />
bisschen für die dortige Tennismannschaft<br />
spielen. Er nahm das<br />
Angebot an, und machte in Richmond<br />
seinen Abschluss in Marketing.<br />
Eines Tages, als er seine Schwester<br />
in New York besuchte, wurde er<br />
auf der Straße von einer Agentin<br />
der berühmten Modelagentur Ford<br />
angesprochen und vom Fleck weg<br />
engagiert. Mehr als vier Jahre jettete<br />
er um die Welt und galt zeitweise<br />
als eines der bestbezahlten<br />
männlichen Models weltweit.<br />
Daher wohl auch dieser total<br />
durchtrainierte Körper. Doch Boris<br />
Kodjoe relativiert: „Das ist bei mir<br />
mehr eine Lebenseinstellung als ein<br />
konzentriertes Training.“ Seit seiner<br />
Kindheit gebe es für ihn keinen Tag<br />
ohne Bewegung. „Für mich gehören<br />
Kopf und Körper zusammen.<br />
Wenn eines von beiden vernachlässigt<br />
wird, dann kann ich nicht 100<br />
Prozent funktionieren.“<br />
Zudem erfordern die Dreharbeiten<br />
manchmal besondere Fitness<br />
und speziellen Körpereinsatz: Gerade<br />
hat Boris Kodjoe „Resident Evil<br />
4: Afterlife“ mit Milla Jovovich und<br />
vielen Kampfszenen abgedreht.<br />
„Ich versuche so viel wie möglich<br />
selbst zu machen. Bis die Versicherung<br />
‘Stopp’ schreit.“<br />
Bereits während der Zeit als Model<br />
nahm Boris Kodjoe Schauspielunterricht<br />
und, was noch viel wichtiger<br />
war, Sprechunterricht. Er hatte<br />
das ehrgeizige Ziel, akzentfreies<br />
amerikanisches Englisch sprechen<br />
zu lernen. Jahrelang wurde ihm das<br />
richtige Atmen beigebracht, die<br />
richtige Aussprache. „Wenn man eine<br />
fremde Sprache spricht, ist man<br />
unsicher und atmet automatisch<br />
oben in der Brust, statt aus dem<br />
Bauch. Und schon hört man sich<br />
ganz anders an.“ Mit eisernen Disziplin<br />
übte Boris Kodjoe jeden Tag<br />
drei, vier Stunden zu Hause und erreichte<br />
so das nahezu Unmögliche:<br />
Er spricht akzentfrei amerikanisches<br />
Englisch. Durch diese außergewöhnliche<br />
Leistung blieb Boris Kodjoe<br />
das Schicksal nahezu aller anderen<br />
deutschen Schauspieler in den<br />
USA oder in England erspart: die<br />
ewige Rolle des Nazis oder des Russen.<br />
Denn das sind die Rollen, auf<br />
die deutsche Schauspieler aufgrund<br />
ihres Akzents in den englischsprachigen<br />
Ländern normalerweise reduziert<br />
werden.<br />
Auf gut Glück zog er damals<br />
nach Los Angeles und schnappte<br />
sich dort tatsächlich eine Rolle. Die<br />
TV-Serie „Soul Food“ war in den<br />
USA ein Renner und Boris Kodjoe<br />
wurde berühmt: 2002 kürte ihn das<br />
US-Magazin People zu einem der<br />
„50 schönsten Menschen der Welt“.<br />
„Mein Hintergrund als fast<br />
schon professioneller Sportler hat<br />
mir sehr viel Disziplin und Kraft mitgegeben.“<br />
Die eine oder andere<br />
Niederlage musste er trotzdem wegstecken,<br />
aber auch das hat er im<br />
Sport gelernt. „Wichtig ist, dass man<br />
immer wieder aufsteht. Ich habe nie<br />
aufgegeben.“ Er ist überzeugt, dass<br />
dies überhaupt der Schlüssel zum<br />
Erfolg ist: Niederlagen hinnehmen,<br />
sich auf den nächsten Tag konzentrieren<br />
und wieder aufstehen.<br />
„Soul Food“ brachte noch eine<br />
weitere große Veränderung insein<br />
Leben: Am Set lernet er seine heutige<br />
Frau kennen, Nicole Ari Parker.<br />
„Wir haben ein Liebespaar gespielt<br />
und uns dabei ineinander verliebt.“<br />
Und während andere nach Kalifornien<br />
reisen, um zu heiraten, kamen<br />
die beiden 2005 für die Hochzeit<br />
nach Gundelfingen. „Wir haben in<br />
der gleichen Kirche geheiratet, in der<br />
auch schon meine Eltern getraut<br />
wurden.“ Das Fest fand bei der Oma<br />
im Garten statt, alle aus der Familie<br />
und die besten Freunde kamen, aus<br />
den USA, aus Ghana, aus Frankreich<br />
und Deutschland. „Es war wunderschön<br />
und sehr persönlich. Ein Tag,<br />
den ich nie vergessen werde.“<br />
Extrem hart war dagegen der<br />
Moment, als er und seine Frau erkennen<br />
mussten, dass ihre Tochter<br />
behindert sein würde. Spina bifida<br />
war die Diagnose, ein offener Wirbelspalt.<br />
Eine Fehlbildung in der<br />
ganz frühen embryonalen Entwicklung,<br />
die zu 70 Prozent auf fehlende<br />
Folsäure im Organismus der<br />
Mutter zurückzuführen ist. 2008<br />
haben die Kodjoes deshalb die Stiftung<br />
„Sophies Voice“ gegründet,<br />
um seiner kranken Tochter Sophie<br />
und den vielen anderen an Spina<br />
bifida erkrankten Kindern eine<br />
Stimme zu geben und Geld zu sammeln.<br />
Michelle Obama hat das engagierte<br />
Paar bereits empfangen<br />
und ihnen Unterstützung zugesagt,<br />
und zusammen mit der Regierung<br />
in Ghana planen die Kodjoes nun<br />
den Bau einer speziellen Klinik. Für<br />
Boris Kodjoe eine Notwendigkeit:<br />
„Wir müssen die Plattform unserer<br />
Bekanntheit und unserer Kontakte<br />
einfach nutzen.“
8<br />
p o l i t i k<br />
D e u t s c h e e x p o r t e<br />
Best of<br />
ZaS<br />
März<br />
2010<br />
Weltweiter Waffenhandel<br />
Nur durch Erhebungen eines renommierten Friedensforschungsinstituts wurde öffentlich, dass Deutschland der drittgrößte<br />
Waffenlieferant der Welt ist. Die Bundesregierung weiß das längst und blendet es wie selbstverständlich aus. Von Michael Zäh<br />
Gerhard Schröder, damals<br />
Bundeskanzler, wusste die<br />
große Mehrheit der Deutschen<br />
hinter sich, als er George W.<br />
Bush im März 2003 beim Irak-Krieg<br />
die militärische Gefolgschaft verweigerte.<br />
Da stand Schröder mannhaft<br />
da, weil er dem Zorn des amerikanischen<br />
Präsidenten stand hielt<br />
und sozusagen dem bösen Bush<br />
trotzte. Die deutschen Bürger dachten,<br />
dass ihr Land mit diesem Krieg<br />
nichts zu tun hätte.<br />
Doch das war nicht so. Auf dem<br />
sandigen Wüstenboden bewegten<br />
sich die britischen Panzerhaubitzen<br />
„AS 90“ auf Ketten der deutschen<br />
Firma Diehk Remscheid und kamen<br />
mit Getrieben der Zahnradfabrik<br />
Friedrichshafen gut voran. Die Infanteriesoldaten<br />
hielten vom deutschen<br />
Hersteller Heckler & Koch modernisierte<br />
Sturmgewehre des Modells<br />
„SA 80 A2“ in Händen. Die<br />
Zielerfassung amerikanischer F-15Eund<br />
F-16C/D-Kampfflugzeuge gelang<br />
unter Mitwirkung der Infrarot-<br />
Sensortechnik der Firma AEG Infrarotmodule<br />
GmbH. Elektronische<br />
Zünder von Junghans Feinwerktechnik<br />
und Treibladungen des Herstellers<br />
Nitrochemie sorgten dafür,<br />
dass diverse Munitionsarten der US-<br />
Streikräfte zuverlässig explodierten.<br />
Um nur einige Beispiele zu nennen.<br />
Und die Bundesregierung hat damals<br />
geduldet, dass die deutsche Rüstungsindustrie<br />
ihren Beitrag zum<br />
Irak-Krieg leistete. Die Zahl der direkten<br />
Opfer deutscher Wehrtechnik<br />
im Rahmen dieses Krieges wurde nie<br />
ermittelt.<br />
Seither ging viel Zeit ins Land<br />
und hat die Regierung ja schon zwei<br />
Mal gewechselt. Diese Zeit wurde genutzt,<br />
um Deutschland beim weltweiten<br />
Waffenhandel noch weiter<br />
voran zu bringen. Nach Erhebungen<br />
des renommierten Friedensforschungsinstituts<br />
Sipri (Stockholm<br />
International Peace Research Institute)<br />
haben sich deutsche Rüstungsexporte<br />
in den letzten fünf Jahren<br />
(2005 bis 2009) mehr als verdoppelt.<br />
Damit zog die deutsche Industrie an<br />
allen anderen europäischen Ländern<br />
vorbei und ist nach den USA und<br />
Russland an dritter Stelle bezüglich<br />
des Weltmarktanteils.<br />
Vor allem durch U-Boote und<br />
Panzerfahrzeuge Made in Germany<br />
wurde der Export angekurbelt. So<br />
unterzeichnete allein die Türkei<br />
2009 einen Vertrag zur Lizenzherstellung<br />
von sechs deutschen U-<br />
Booten der Klasse U214 im Wert von<br />
zwei Milliarden Euro. Wobei auch<br />
ein offenbar besonders gültiges Geschäftsprinzip<br />
offenbar wird: Weil<br />
die Türkei zu den besten Abnehmern<br />
gehört, bestellt auch das benachbarte<br />
Griechenland ähnlich umfangreiche<br />
und teure Kriegstechnik, als Abschreckung<br />
gegen den Nachbarn. So<br />
lassen sich quasi doppelt aufgeschaukelte<br />
Geschäfte machen.<br />
Und schaut man in die Liste der<br />
55 (!) Länder, die von Deutschland<br />
mit Waffen beliefert werden, findet<br />
man beispielsweise sowohl Israel<br />
wie auch den Iran darauf, zwei Länder<br />
also, zwischen denen ernst zu<br />
nehmende Spannungen herrschen.<br />
Auch ohne den moralischen Zeigefinger<br />
zu heben, zeigt dies doch,<br />
dass das große Geschäft mit den<br />
Waffenexporten nicht gerade einer<br />
politischen Linie folgt, wie sie von<br />
Bundeskanzlerin Merkel etwa in Bezug<br />
auf den Iran verlautbart wird.<br />
Weil keine Waffenlieferung rein<br />
privatwirtschaftlich, ohne Duldung<br />
der Bundesregierung abläuft, stellt<br />
sich also die Frage einer politischen<br />
Verantwortung. Nicht nur, weil die<br />
Waffen dann auch zum Töten verwendet<br />
werden, sondern auch in der<br />
Frage, inwiefern beispielsweise bei<br />
Abnehmern in afrikanischen Ländern<br />
die Ressourcen von armen Regionen<br />
komplett für den teuren Waffenkauf<br />
abgeschöpft werden, während<br />
dort der Bevölkerung das Nötigste<br />
fehlt. Oder auch im Falle Griechenland,<br />
das knapp vor dem<br />
Staatsbankrott steht und womöglich<br />
mit deutschen Steuergeldern subventioniert<br />
werden muss. In diesem<br />
Falle hätten deutsche Firmen mit ihren<br />
Waffen-Exporten viel verdient,<br />
aber die Allgemeinheit käme dann<br />
für das Problem auf, Griechenland<br />
finanziell zu stabilisieren.<br />
Die Tatsache, dass Deutschland<br />
weltweit der drittgrößte Waffenlieferant<br />
ist, wird kaum öffentlich debattiert.<br />
Weil es ausgeblendet wird.
Best of<br />
ZaS<br />
April<br />
2010<br />
p o p i ko n e k u l t u r 9<br />
Immer schon extremer als andere<br />
iggy pop ist unkonventionell und anders. Seine Bühnenpräsenz ist berühmt-berüchtigt, sein Stil kompromisslos.<br />
Mit seiner alten, legendären Band „The Stooges“ tritt er in Straßburg im Zénith auf. Von Barbara Breitsprecher<br />
Ein wahrer Wüterich, das enfant<br />
terrible. Kaum auf der Bühne<br />
reißt er sich das Hemd herunter.<br />
Seinen sehnigen Oberkörper malträtiert<br />
er mit dem Mikrofon und<br />
schlitzt sich schon mal mit Scherben<br />
die Brust auf. Er springt kopfüber in<br />
die tosenden Zuschauer hinein, um<br />
hart aufzuschlagen, wenn die Menge<br />
sich teilt und ihn nicht auffängt. Dann<br />
flucht er vor Schmerzen und verspricht<br />
sich, das war das letzte Mal. Aber<br />
wahrscheinlich macht er es beim<br />
nächsten Konzert wieder. Denn er ist<br />
Iggy Pop, ein Verrückter.<br />
„Er ist nicht einfach nur verrückt,<br />
wie man das mal so über jemanden<br />
sagt. Jim ist wirklich verrückt.“ Jim,<br />
das ist James Osterberg, der sich<br />
selbst den Namen Iggy Pop gab. Iggy<br />
nach seiner ersten Band „Iguanas“<br />
und Pop nach einem früheren<br />
Mitschüler. Und der das mit dem<br />
Verrücktsein über ihn sagte ist einer<br />
seiner besten Freunde, David<br />
Bowie.<br />
Und wäre der nicht gewesen,<br />
wäre Iggy Pop ohne großen Zweifel<br />
schnurstracks dem Schicksal von Janis<br />
Joplin oder Jimi Hendrix, nämlich<br />
dem eines frühen Drogentodes<br />
gefolgt. Doch Mitte der 70er Jahre<br />
begegnete Bowie, auch er im größten<br />
Drogensumpf, der Erkenntnis,<br />
dass er eine Wahl zu treffen hatte:<br />
Frühes Sterben oder komplettes Ändern<br />
des Lebens.<br />
Er schnappte sich seinen Freund<br />
Jim Osterberg alias Iggy Pop und zog<br />
mit ihm nach West-Berlin. Der Brite<br />
aus London und der Amerikaner aus<br />
Detroit. Bowie vermittelte einen<br />
Plattenvertrag für Iggy Pop und produzierte<br />
– neben eigenen Hits wie<br />
„Heroes“ – mit ihm zwei gelungene<br />
Solo-Alben: „The Idiot“ und „Lust for<br />
Life“. Daneben tauchten sie ein, in eine<br />
ihnen unbekannte, ummauerte<br />
Welt, mit fremder Sprache und fremden<br />
Gepflogenheiten. Ein heilsamer<br />
Effekt.<br />
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So heilsam, dass Iggy Pop in Kürze,<br />
am 21. April, seinen 63. Geburtstag<br />
feiern können wird. Dabei ist er<br />
athletisch-sehnig wie eh und je, hat<br />
immer noch diese riesigen blauen Augen,<br />
nur im Gesicht ist er ein gutes<br />
Stück abgehärmter. Und er ist immer<br />
noch ein sonderbarer Sonderling.<br />
Seine Heimat ist nun Florida.<br />
Aber weit weg von jedweder Schikkimicki<br />
Mischpoke: „Ich kann es einfach<br />
nicht ertragen, unter reichen<br />
Leuten zu leben, obwohl es mir selbst<br />
ja auch nicht schlecht geht. Aber die<br />
einzigen Menschen, die ich mag, sind<br />
arm. Was ein Problem ist, denn mit<br />
so vielen armen Freunden werde ich<br />
nie richtig reich.“<br />
Abgesehen davon, dass es Iggy<br />
Pop gelungen ist, zu überleben und<br />
er bis heute aus David Bowies „China<br />
Girl“ gute Tantiemen erhält – das<br />
Stück stammt nämlich aus seiner Feder<br />
(seine Version ist jedoch wesentlich<br />
rauer) – ist ihm noch ein Kunststück<br />
gelungen. 1967 hatte er die<br />
Band „The Stooges“ gegründet, sie<br />
galten als Godfathers des Punk lösten<br />
sich aber 1974 wieder auf. „The<br />
Stooges“ hatten nie dem breiten Musikgeschmack<br />
entsprochen, ihr Stil<br />
war extrem und gefärbt von Drogenund<br />
Alkoholexzessen. Und doch<br />
kam es 2002 zu einer Reunion. Derzeitiger<br />
Höhepunkt in dieser Bandgeschichte:<br />
Die Aufnahme in der legendären<br />
Rock and Roll Hall of Fame<br />
gerade jüngst, vergangenen<br />
März. Und beim Auftritt demnächst<br />
im Zénith in Straßburg werden „Iggy<br />
Pop & The Stooges“ wieder gemeinsam<br />
auf der Bühne stehen.<br />
Auch vor der Wiedervereinigung<br />
waren sie stets Freunde geblieben. Für<br />
Iggy Pop gibt es dafür einen klaren<br />
Grund: „In den 30 Jahren der Trennung<br />
hatte keiner von uns schlecht<br />
über die anderen geredet. Wir haben<br />
uns nie um Geld gestritten. Wir hatten<br />
auch keine verfeindeten Manager<br />
oder Anwälte, weil wir nie genug verdient<br />
haben, um morgens nicht mehr<br />
aufstehen zu müssen.“<br />
Und einer seiner Stooges-Bandkollegen<br />
– neben Scott Asheton und<br />
Mike Watt – James Williamson versichert:<br />
„Jim ist inzwischen extrem<br />
professionell. Früher in den 1970ern<br />
war er sehr unzuverlässig. Aber jetzt<br />
hat er ein wirklich gutes Unterstützerteam<br />
um sich herum und das<br />
macht es mir möglich wieder mit ihm<br />
zu spielen.“<br />
Der andere Band-Kompagnon<br />
und Freund, Ron Asheton, starb<br />
2009 an Herzversagen. Auf seinem<br />
aktuellen Album „Préliminaires" hat<br />
Iggy Pop im gleichen Jahr auf sensible<br />
Weise diesen Tod und Verlust verarbeitet.<br />
Denn auch das kann er, einfühlsam<br />
und gefühlvoll sein.<br />
Auch wenn der Inhalt der Texte<br />
beim genauen Hinhören dann doch<br />
manch einen „Durchschnittsmenschen“,<br />
wie Iggy Pop diese Spezies<br />
verächtlich nennt, wieder schockieren<br />
mögen. Ihm ging es nie darum, Extreme<br />
unter der Oberfläche zu halten,<br />
er hat stets alles heraus gelassen.<br />
„Vielleicht war ich deshalb auch nie<br />
wirklich gefährlich für andere“.<br />
Seine Rolle als Extremer und<br />
Sonderling führt Iggy Pop auch auf<br />
seine Kindheit zurück. Aufgewachsen<br />
ist er in einer Wohnwagensiedlung.<br />
Doch seine Eltern waren aber<br />
keineswegs mittellose Hippies, sondern<br />
ein Lehrer und eine Sekretärin,<br />
die ihren Sohn sehr verehrten und<br />
förderten.<br />
Seine Zeit als junger Erwachsener<br />
war geprägt vom Anderssein,<br />
von Drogen und Alkohol<br />
und diversen Aufenthalten<br />
in Psychiatrischen<br />
Kliniken sowie notorischem<br />
Geldmangel.<br />
Immer musste etwas<br />
passieren, und wenn<br />
nichts passierte, sorgte<br />
Iggy Pop selbst dafür, dass<br />
etwas passierte.<br />
Und heute? „Viel Sport, keine<br />
Drogen, viel Sex, viel Leben, keine<br />
Toleranz für Dummheit.“ Und fügt<br />
er hinzu: „Zum ersten Mal habe ich<br />
alles, was ich immer wollte: coole<br />
Autos, heißen Sex, eine gute Band,<br />
ordentliche Gigs. Und ich wache<br />
nicht auf und fühle mich krank.“<br />
n Iggy Pop & The Stooges, Straßburg,<br />
Le Zénith, Festival des Artefacts,<br />
Freitag, 16. April, 21.30 Uhr;<br />
Tel. 0033-388 237 237;<br />
www.festival. artefact. org
10<br />
k i r c h e<br />
M i s s B r A u c h<br />
Best of<br />
ZaS<br />
April<br />
2010<br />
Das alte<br />
Feindbild<br />
Auf die Krise der katholischen Kirche reagiert der Vatikan mit<br />
einem verblüffenden aber logischen Vorstoß: Die Homosexualität<br />
soll für den sexuellen Missbrauch von Kindern verantwortlich<br />
sein. Ja sind denn Priester schwul? Von Michael Zäh<br />
Die Krise der katholischen Kirche<br />
löst im Vatikan einen<br />
Reflex aus, der einem die<br />
Sprache verschlägt. Nach der Kultur<br />
des Wegschauens, des Leugnens und<br />
des Schweigens bezüglich der Flut<br />
von Missbrauchsfällen in kirchlichen<br />
Einrichtungen, gab jetzt der<br />
zweite Mann in Rom, Kardinal Tarcisio<br />
Bertone eine verblüffende Ansicht<br />
zu Protokoll: Es gebe nicht nur<br />
keine Verbindung zwischen Zölibat<br />
und Pädophilie. „Vielmehr haben<br />
viele andere bewiesen und mir das<br />
vor kurzem gesagt, dass es eine Verbindung<br />
zwischen Homosexualität<br />
und Pädophilie gibt.“<br />
Die Logik dieses Vorstoßes ist<br />
schnell ergründet: Homosexuelle<br />
und Lesben, so die konservative Lehre,<br />
lösen Naturkatastrophen aus und<br />
sind eine Gefahr für das Abendland.<br />
Für den Hurrikan Katrina machte der<br />
katholische Pfarrer Gerhard Maria<br />
Wagner, der 2009 fast Weihbischof<br />
von Linz geworden wäre, eine „geistige<br />
Umweltverschmutzung“ verantwortlich<br />
und verwies darauf, dass<br />
dass zwei Tage später in New Orleans<br />
(das ja vom Hurrikan verwüstet<br />
wurde) eine Schwulenparade stattfinden<br />
sollte.<br />
Schon in Römer 1, 24-27 heißt<br />
es: „Darum lieferte Gott sie durch die<br />
Begierden ihres Herzens der Unreinheit<br />
aus, so dass sie ihren Leib durch<br />
eigenes Tun entehrten: sie vertauschten<br />
die Wahrheit Gottes mit<br />
der Lüge, sie beteten das Geschöpf<br />
an und verehrten es anstelle des<br />
Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit.<br />
Darum lieferte Gott sie entehrenden<br />
Leidenschaften aus:<br />
ihre Frauen vertauschten den natürlichen<br />
Verkehr mit dem widernatürlichen;<br />
ebenso gaben die Männer<br />
den natürlichen Vekehr mit der Frau<br />
auf und entbrannten in Begierde zueinander;<br />
Männer trieben mit Männern<br />
Unzucht und erhielten den gebührenden<br />
Lohn für ihre Verwirrung.“<br />
Die Homosexualität gibt seit jeher<br />
ein wunderbares Beispiel für die<br />
katholische Kirche ab, an dem sie ihre<br />
Lehre vorführen kann. Das bekam<br />
ja auch Anne Will zu spüren, als in<br />
ihrer ARD-Talkshow der Essener Bischof<br />
Franz-Josef Overbeck der lesbischen<br />
Moderatorin (die selbst<br />
Mitglied der katholischen Kirche ist)<br />
ins Gesicht sagte, dass Homosexualität<br />
Sünde sei und der menschlichen<br />
Natur widerspreche.<br />
Was natürlich eine gewagte Behauptung<br />
ist, vor allem das mit der<br />
Natur. Denn die Kirche hat ja ihr gesamtes<br />
Regelwerk gegen die Unbillen<br />
der Natur in Stein gemeißelt.<br />
Nicht nur bei den zehn Geboten. Bei<br />
1 Timotheus 1, 9 heißt es: „Und bedenkt,<br />
dass das Gesetz nicht für die<br />
Gerechten bestimmt ist, sondern für<br />
Gesetzlose und Ungehorsame, für<br />
Gottlose und Sünder, für Menschen<br />
ohne Glauben und Ehrfurcht (...)“<br />
Hier führt ein direkter Weg zu<br />
den Missbrauchsfällen in den katholischen<br />
Einrichtungen. Es gibt<br />
mittlerweile zahlreiche Fälle von<br />
Gewaltanwendung gegenüber Kindern,<br />
die beispielsweise der Augsburger<br />
Bischof Walter Mixa nach<br />
den eidesstattlichen Erklärungen<br />
von Opfern (die der Süddeutschen<br />
Zeitung vorliegen) direkt verübt haben<br />
soll. Man braucht nicht viel<br />
Phantasie, um sich das vorstellen zu<br />
können, dass jene „Ungehorsamen“<br />
und „Sünder“, für die man zu erziehende<br />
Kinder im Zweifelsfall hielt,<br />
mit körperlichen und seelischen<br />
Strafen „erzogen“ wurden. In den<br />
50er und 60er Jahren herrschten<br />
völlig andere Vorstellungen bezüglich<br />
der Pädagogik und die Kirche<br />
hat ja noch dazu einen reichhaltigen<br />
Schatz an eigenen Richtlinien (wie<br />
etwa „Der Herr straft, wen er liebt“,<br />
siehe auch den beeindruckenden Erfahrungsbericht<br />
von Hermann Unterstöger,<br />
SZ vom 14.4.)<br />
Und dies macht eben auch der<br />
jüngste Vorstoß des Vatikans deutlich,<br />
wenn Bertone plötzlich die Homosexualität<br />
für den sexuellen<br />
Missbrauch an Kindern verantwortlich<br />
macht. Die kann Naturkatastrophen<br />
auslösen, also kann sie<br />
auch wie eine solche über die Klöster<br />
der katholischen Kirche hereingebrochen<br />
sein. Das ist aus Sicht des<br />
Vatikans immer noch besser, als etwa<br />
die ureigene Regelung des Zölibats<br />
als mitursächlich in Betracht zu<br />
ziehen. Nur Spötter „ohne Ehrfurcht“<br />
könnten sich fragen, ob Bertone<br />
sagen wollte, dass Priester homosexuell<br />
sind und dies hinter der<br />
Keuschheit des Zölibats verstecken.
Best of<br />
ZaS<br />
Mai<br />
2010<br />
r e g i e r u n g p o l i t i k 11<br />
Merkelland ist abgebrannt<br />
Die Bundeskanzlerin hat sich oft versteckt und wollte eigentlich das Gegenteil von dem machen,<br />
was sie dann als „alternativlos“ hinstellte. Die Griechenland-Hilfe hat sie viel Kredit gekostet,<br />
besonders in politischer Hinsicht. Von Michael Zäh<br />
Angela Merkel hat sich oft<br />
versteckt. Sie wollte ursprünglich<br />
keine Bank verstaatlichen,<br />
keine milliardenschwere<br />
Konjunkturspritze geben<br />
und zuletzt auch Griechenland<br />
nicht mit dem Geld deutscher Steuerzahler<br />
aus der Patsche helfen. Sie<br />
hat in allen diesen Fällen gezögert,<br />
um dann ins Gegenteil zu kippen.<br />
Und um dann immer denselben<br />
knappen Satz als Begründung anzuführen:<br />
„Das ist alternativlos.“<br />
An dieser Begründung haften<br />
viele Mängel. Denn erstens präsentiert<br />
sich die Bundeskanzlerin damit<br />
als Getriebene, die nur jeweils<br />
auf Situationen reagiert, statt selbst<br />
den Kurs vorzugeben. Zweitens<br />
wird dieser Eindruck einer Ohnmächtigen<br />
noch dadurch verstärkt,<br />
dass Merkel zuvor ja jeweils eher<br />
das Gegenteil tun wollte. Und drittens<br />
erwarten die Bürger von der<br />
Politik gerade jene Weitsicht, dass<br />
Alternativen geschaffen werden,<br />
bevor es zu spät dafür ist. Wenn die<br />
Kanzlerin aber missmutig zwischen<br />
zwei gegensätzlichen Positionen<br />
wankt, dann schwindet das<br />
eigene Profil und der Glaube der<br />
Wähler.<br />
Im jüngsten Fall der Griechenland-Hilfe<br />
sieht das Wanken der<br />
Kanzlerin ganz besonders schlecht<br />
aus, weil sich gleichzeitig Nicolas<br />
Sarkozy damit brüstete, der „Retter<br />
Griechenlands“ zu sein. Es<br />
heißt, er habe hinter den Kulissen<br />
die zunächst störrische deutsche<br />
Kanzlerin zum „Umdenken“ gebracht.<br />
Und das wiederum lässt<br />
Angela Merkel nicht eben souverän<br />
aussehen. Jetzt wird ihr vorgeworfen,<br />
sie habe durch ihre zögerliche<br />
Haltung die Krise in Griechenland<br />
verschärft.<br />
Der Konflikt, in dem sich die<br />
CDU-Politikerin befindet, ist klar<br />
umrissen: Als Ordnungspolitikerin<br />
hätte sie gerne verhindert, dass die<br />
Politik sich in die Wirtschaft einmischt.<br />
Als Machtpolitikerin kann<br />
sie politische Ambitionen nur<br />
durchsetzen, wenn Deutschland<br />
als treibende Kraft des Eurolandes<br />
von Gewicht ist. In diesem Zusammenhang<br />
wäre Deutschland<br />
allein zu klein, um bedeutend zu<br />
sein.<br />
Angesichts der tatsächlichen<br />
Situation in Griechenland ist Merkels<br />
innere Zerreißprobe leicht zu<br />
verstehen. Denn kaum ein Ökonom<br />
zweifelt daran, dass die jetzt<br />
von der EU und dem Internationalen<br />
Währungsfonds (IWF) gewährten<br />
Kredite (insgesamt 110 Milliarden<br />
bis 2012) von den Griechen<br />
nicht zurück gezahlt werden können.<br />
Ganz einfach, weil die Wirtschaft<br />
des Landes international<br />
längst nicht mehr wettbewerbsfähig<br />
ist und der jetzt verordnete<br />
strenge Sparkurs die Binnenwirtschaft<br />
noch weiter schwächen<br />
wird. Wenn es gehen könnte, so zu<br />
sparen und gleichzeitig neues<br />
Wachstum zu produzieren, dann<br />
hätte ja die Bundes regierung in<br />
Deutschland während der Finanzkrise<br />
alles falsch gemacht, als sie<br />
ein milliardenschweres Konjunkturprogramm<br />
auflegte.<br />
Die Griechenland-Hilfen verschaffen<br />
lediglich Zeit, mehr nicht.<br />
Und hätte die Kanzlerin offenbart,<br />
warum die Kredite „alternativlos“<br />
sind, dann hätte sie auch darlegen<br />
müssen, dass sich die Schulden der<br />
Griechen zum großen Teil in den<br />
Büchern deutscher und französischer<br />
Banken finden. Es ist von 30<br />
Milliarden bei deutschen Instituten<br />
(davon allein wieder 8 Milliarden<br />
bei der verstaatlichten Hypo Real<br />
Estate) und von 50 Milliarden in<br />
Frankreich die Rede. Ohne die Hilfe<br />
für Griechenland hätte der deutsche<br />
Steuerzahler wahrscheinlich<br />
dann wieder für die Schieflage dieser<br />
Banken aufkommen müssen.<br />
Es wäre ehrlich gewesen, dies<br />
deutlich zu sagen. Aber damit hätte<br />
man auch offenbart, dass es wieder<br />
die Finanzmärkte sind, die einem<br />
keine Alternative lassen. Und<br />
auch, dass man seit der Finanzkrise<br />
nicht in der Lage war, mehr Kontrolle<br />
über diese Märkte zu erlangen.<br />
Denn hier könnte eine entsprechend<br />
weitsichtige Politik ja dafür sorgen,<br />
dass der Staat nicht immer nur der<br />
Getriebene ist, dem dann gar nichts<br />
anderes bleibt, als zu zahlen.<br />
Bezüglich der Glaubwürdigkeit<br />
ist Merkelland abgebrannt.<br />
Erst recht, wenn jetzt bei Forschung<br />
und Bildung gespart werden<br />
soll.
12<br />
e n e R g i e<br />
Ö L k ata s t R o p h e<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Mai<br />
2010<br />
Weg von der globalen Wirtschaft<br />
Der kanadische Ökonom Jeff Rubin ist überzeugt, dass die wirtschaftliche Notwendigkeit uns den Weg zur<br />
lokalen Ökonomie und damit zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit zeigen wird. Von Barbara Breitsprecher<br />
Die Ölkatastrophe im Golf von<br />
Mexiko zeigt einmal mehr: Der<br />
Mensch geht in seinem Bestreben<br />
fossile Rohstoffe zur Energiegewinnung<br />
zu bergen, über seine<br />
Grenzen hinaus und gefährdet damit<br />
sich und die Umwelt maßlos. Kyoto hin,<br />
Kopenhagen her, bislang ist kein echtes<br />
großes Umdenken und Handeln<br />
zum Klima- und Umweltschutz erkennbar.<br />
Der kanadische Ökonom Jeff<br />
Rubin (Foto), einer der anerkanntesten<br />
Experten zum Thema Energiewirtschaft,<br />
zeigt sich im Gespräch mit Barbara<br />
Breitsprecher überzeugt, dass erst<br />
volkswirtschaftliche Notwendigkeit zu<br />
einem Umdenken führen wird.<br />
Die Ölquellen, die überall auf der Welt<br />
angezapft werden, produzieren jedes<br />
Jahr weniger, die Methoden, um dennoch<br />
an den wertvollen Rohstoff zu<br />
kommen, werden immer aufwändiger<br />
und riskanter. Es ist absehbar, dass<br />
die Ölpreise steigen werden. Gerade<br />
bereitet der US-Kongress als Reaktion<br />
auf die aktuelle Ölkatastrophe zudem<br />
eine vierfache Erhöhung der Ölsteuer<br />
um 32 Cent pro Barrel vor. Dieses<br />
Geld soll in einen Fond für Reinigungsarbeiten<br />
in Gewässern fließen.<br />
Entsprechend unserem derzeitig globalen<br />
Wirtschaftsdenken sind wir jedoch<br />
noch auf das Öl angewiesen, ist<br />
Jeff Rubin überzeugt:<br />
Seit 2005 ist der Ölabbau nicht<br />
mehr gewachsen, und wird es wahrscheinlich<br />
auch nicht mehr tun. Deshalb<br />
sind wir abhängig von Bohrungen<br />
in Meerestiefen von über 1000 Metern.<br />
Es wäre sonst sehr schwer, die täglich<br />
benötigten Mengen an Millionen Tonnen<br />
Öl, die wir verbrauchen, zu gewinnen.<br />
Aber eigentlich können wir uns das<br />
schon bald nicht mehr leisten.<br />
Was die Katastrophe im Golf von<br />
Mexiko angeht, befürchtet Jeff Rubin<br />
das Schlimmste. Und er ist sich nicht<br />
sicher, ob BP dieses Fiasko als Firma<br />
überleben wird. Er zieht da durchaus<br />
einen Vergleich zum Unfall im US-<br />
Kermkraftwerk Three Mile Island bei<br />
Harrisburg, wo es 1979 zu einer Kernschmelze<br />
kam.<br />
Damals nach dem Unfall veränderte<br />
sich die Akzeptanz der amerikanischen<br />
Bevölkerung gegenüber der<br />
Atomkraft grundlegend. Die nächsten<br />
40 Jahre wurden keine Atomkraftwerke<br />
mehr in den USA gebaut. Ähnliches<br />
könnte nun auch in Bezug auf die Tiefseebohrungen<br />
passieren.<br />
Zwar gibt es noch andere große<br />
Ölvorkommen, beispielsweise im kanadischen<br />
Alberta oder in Orinoco in<br />
Venezuela, doch hier steckt das Öl im<br />
Sand. Die Ölsandvorräte könnten<br />
rund zwei Drittel der weltweiten Öl-<br />
Ressourcen ausmachen – wäre der<br />
Abbau nicht so sagenhaft aufwändig<br />
und damit extrem teuer. Für Jeff Rubin<br />
ist die Rechnung klar:<br />
Es ist also nicht so, dass uns im<br />
geologischen Sinne das Öl ausgehen<br />
Foto: Greenpeace<br />
Foto: Greenpeace Foto: Speakers’ Spotlight<br />
Das Wappentier von Louisiana: Ein ölverschmierter Pelikan wird<br />
nach der Katastrophe im Golf von Mexiko von Helfern gereinigt.<br />
würde, aber uns geht das Öl aus, das<br />
wir uns zum Verbrennen leisten können.<br />
Aus ökonomischen Gründen ebenso<br />
wie aus ökologischen, wie wir an der<br />
Katastrophe im Golf von Mexiko sehen<br />
können.<br />
Den Höhepunkt bei den Ölpreisen<br />
werden wir auch beim Bruttoinlandsprodukt<br />
spüren. Es gibt nun<br />
Menschen, die sehen eine Regression<br />
voraus oder die Apokalypse, gar das<br />
Ende der Zivilisation. Jeff Rubin gehört<br />
nicht dazu. Dazu versteht sich<br />
der Verfasser des aktuellen Buches<br />
„Warum die Welt immer kleiner<br />
wird“ zu sehr als Ökonom.<br />
Ich glaube, die Menschen reagieren<br />
auf Krisen, auch im ökonomischen<br />
Sinne. Der dreistellige Ölpreis wird eine<br />
Bewegung weg vom Modell der globalen<br />
Wirtschaft und hin zur regionalen<br />
und lokalen Wirtschaft bedeuten.<br />
Das wird nicht verhindern, dass Öl einen<br />
immensen Preis kosten wird. Aber<br />
es wird den Einfluss verringern, den<br />
das Öl haben wird, auf unsere Wirtschaft<br />
und damit auf unser Leben.<br />
Die Geschichte lehrt, dass Knappheit<br />
die Mutter der Erfindung ist. So<br />
ist sich Jeff Rubin sicher, dass in zehn<br />
bis 15 Jahren der dreistellige Ölpreis<br />
auch die Entwicklung neuer Technologien<br />
zur Energiegewinnung fördern<br />
wird. Allerdings, so prognostiziert er,<br />
werden wir die Verteuerung des Öls<br />
nicht erst in diesen zehn bis 15 Jahren<br />
zu spüren bekommen, sondern in<br />
zehn bis zwölf Monaten. Sein Fazit:<br />
Wir müssen die Technologie nutzen ,<br />
die wir haben.<br />
Die Lösung muss lauten: Wie können<br />
wir die Kosten für Energie senken,<br />
ohne dass es zu Lasten unserer Wirtschaft<br />
geht.Und wieder heißt die Antwort,<br />
weg von der globalen, hin zur lokalen<br />
Ökonomie. Denn die globale<br />
Wirtschaft, die die Produkte um die<br />
Welt herum bewegt, ist ein sehr energieintensiver<br />
Vorgang, der besonders viel<br />
Öl benötigt .<br />
Lokale Wirtschaft, das bedeutet<br />
für Jeff Rubin, dass man mit den<br />
Nachbarn Handel treibt. Und dass<br />
man auch in einer gewissen Weise<br />
selbstgenügsamer wird. Seine Vision:<br />
Deutschland wird beispielsweise<br />
wieder Stahl produzieren, statt es von<br />
weit entfernten Ländern wie China einzukaufen.<br />
Einfach weil es ökonomisch<br />
mehr Sinn machen wird. Bislang waren<br />
es die billigeren Löhne der chinesischen<br />
Arbeiter, die den Transportweg<br />
um die halbe Weg lohnend gemacht haben.<br />
Im Vergleich zu den Kosten für den<br />
verbrannten Kraftstoff auf den langen<br />
Transportwegen wird sich das künftig<br />
aber nicht mehr rechnen.<br />
Um Stahl zu produzieren, muss<br />
China zunächst einmal die notwendigen<br />
Rohstoffe aus Brasilien über<br />
den Ozean herbeischaffen. Dann wird<br />
daraus Stahl gefertigt und dieser wiederum<br />
in die USA oder nach Europa<br />
geschickt. Jeff Rubin ist überzeugt,<br />
berechnet man künftig die Kosten für<br />
die Transportwege, wird Stahl aus<br />
Deutschland wieder billiger sein als<br />
der aus China.<br />
Die USA importiert bislang Unmengen<br />
Früchte und andere Lebensmittel<br />
aus China. Alles, von Äpfeln bis<br />
zu Hühnerteilen, wie gefrorene Chikken-Wings.<br />
Auch das wird künftig zu<br />
teuer werden, in dem Sinne, dass für einen<br />
solch langen Transport zu viel<br />
Kraftstoff verbrannt werden muss. Neben<br />
Stahl wird auch die Eigenproduktion<br />
von Agragrprodukten in Deutschland<br />
wieder deutlich zunehmen.<br />
Ölkatastrophe: Mit den Ölbohrungen in mehr als<br />
1000 Meter Meerestiefe ist der Mensch über die<br />
Grenzen des für ihn Machbaren hinaus gegangen.<br />
Wir werden also unser Handeln<br />
und Verhalten nicht aus ökologischer<br />
Vernunft ändern, ist Jeff Rubin<br />
überzeugt, sondern weil wir keine<br />
andere Wahl haben. Und die Nachhaltigkeit<br />
wird gewährleistet sein,<br />
wenn wir zur lokalen Wirtschaft zurück<br />
kehren. Denn die globale Wirtschaft<br />
wird keinen ökonomischen<br />
Sinn mehr machen, wenn der Ölpreis<br />
erst einmal dreistellig ist. Und das, so<br />
prophezeit er, wird Nordamerika<br />
ebenso betreffen wie Europa oder<br />
China.<br />
Die Menschen werden merken,<br />
dass die regionale Wirtschaft viele<br />
Vorteile gegenüber der globalen hat.<br />
Einer der Vorteile wird sein, dass wir<br />
eine wesentlich „grünere“ Wirtschaft<br />
haben werden als zuvor.<br />
Der wirtschaftliche Druck, die<br />
Notwendigkeit, das Geld anderweitig<br />
zu investieren, wird also, so die These<br />
von Jeff Rubin, letztlich mehr bewirken<br />
als alle theoretisch gefassten<br />
Vorhaben zugunsten des Umweltschutzes<br />
zuvor.<br />
Dreistellige Ölpreise werden in<br />
den USA, Kanada und Europa mehr<br />
für den Klimaschutz bewirken als alle<br />
Kyoto- und Kopenhagen-Vereinbarungen.<br />
Denn es wird keine Frage<br />
mehr der philosophischen Wahl sein<br />
oder der persönlichen Moralität, sondern<br />
der ökonomischen Notwendigkeit.<br />
Und ironischerweise wird es so<br />
sein, dass die Knappheit der fossilen<br />
Brennstoffe und der dreistellige Ölpreis<br />
uns ökologisch-freundliche, grüne<br />
Orte bescheren wird.<br />
n Jeff Rubin, Warum die Welt immer<br />
kleiner wird. Öl und das Ende<br />
der Globalisierung, Hanser-Verlag,<br />
März 2010
Best of<br />
ZaS<br />
Juni<br />
2010<br />
f i fa i n a f R i k a W i R t s c h a f t 13<br />
Jenseits von Afrika<br />
Die Fifa streicht bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika fast drei Milliarden Dollar ein. Sie hat die Emotionen<br />
rund um den Sport zu barer Münze vermarktet und ungeniert afrikanische Gebräuche ausgebootet. Von Michael Zäh<br />
Der Fußball erobert die Herzen, die<br />
Fifa sahnt ab. Und der Rahm, den<br />
sie da abschöpft, ist zu Geld gewordene<br />
Emotion. Knapp drei Milliarden<br />
Gewinn werden es wohl sein, den die Fußball-Weltmeisterschaft<br />
in Südafrika dem<br />
Fußballverband einbringt. Um dann Afrika<br />
wieder den Rücken zu kehren.<br />
Es ist ein Imperialismus der ganz speziellen<br />
Art, der hier schamlos vor aller Augen<br />
der Weltöffentlichkeit betrieben wird.<br />
Ausgebeutet wird im Grunde jeder Fußballfan,<br />
weil dessen Hingabe an den Sport<br />
die Quelle aller Fifa-Einnahmen ist. Allein<br />
die Übertragungsrechte an 113 Sender in<br />
der ganzen Welt bringen Milliarden ein.<br />
Und woher beispielsweise ARD und ZDF<br />
das Geld nehmen, ist ja bekannt und wird<br />
sogar stolz verkündet: „Dank Ihrer Gebühren“,<br />
heißt es auf Werbeanzeigen der<br />
deutschen Sender.<br />
Fußball ist ein Sport, der die Massen<br />
rund um den Erdball begeistert. Überall<br />
wird er gespielt, an den Stränden der Copacabana<br />
ebenso wie auf den staubigen<br />
Sandplätzen südafrikanischer Townships.<br />
Oft wird mit ihm die Hoffnung verbunden,<br />
dass er ein Ausweg aus sozialem Elend ist,<br />
und nicht selten soll er die Vorurteile und<br />
Ressentiments verschiedener Völker und<br />
Rassen überwinden. Und überall gilt die<br />
springende Kugel als eine Art Spiegel des<br />
gesellschaftlichen Lebens. Der Zufall, das<br />
Können, das Spielerische – all diese Elemente<br />
sind es, die Kids und Kicker rund um<br />
den Erdball so sehr faszinieren.<br />
Im Unterschied zu Eishockey, Tennis<br />
oder Formel eins wird Fußball zuerst überall<br />
gespielt, bevor er dann auch geguckt<br />
wird. Es braucht nicht viel dafür, manchmal<br />
noch nicht einmal richtige Bälle oder<br />
Schuhe.<br />
So wird die Emotion Fußball tatsächlich<br />
gelebt und nicht nur virtuell auf den<br />
Bildschirm gebracht. Sie liegt umso tiefer<br />
als sie eben nicht nur aus dem Treiben der<br />
Stars bei einer Weltmeisterschaft besteht.<br />
Eine ideale Vorraussetzung, Kasse zu machen.<br />
Fußball ist also auch eine gigantische<br />
Geldmaschine. Und wer hat`s erfunden?<br />
Da landen Sehnsüchte auf einem Nummernkonto<br />
in der Schweiz.<br />
Verwunderlich ist nur, wie es passieren<br />
konnte, dass es seit Gründung der Fifa<br />
1904 in Paris immer beim Monopol dieser<br />
Vermarktungsidee blieb. Die Fifa hat<br />
geschafft, was es sonst in der freien Wirtschaft<br />
nie gibt: Sie ist allein und ohne Konkurrenz<br />
der Herrscher über die Fußball-<br />
Welt. Vielleicht kommt es daher, dass sie<br />
völlig ungeniert zu den Mitteln der Diktatur<br />
greift. Sie knebelt alle, die mit Fußball<br />
etwas zu tun haben. Sie setzt sogar natio-<br />
nales Recht außer Kraft, indem sie „Hausrecht“<br />
bei einer WM hat. Sie ist also Herr<br />
im Hause Südafrika.<br />
War es 2006 in Deutschland noch<br />
kompatibel zu den Gebräuchen in einem<br />
reichen Industriestaat, dass eben Geld aus<br />
dem Sport gepresst wird, so fällt bei der<br />
ersten WM auf dem afrikanischen Kontinent<br />
der Fifa-Imperialismus besonders<br />
auf. Denn das Gastgeberland musste Milliarden<br />
in die Infrastruktur stecken, trug<br />
alle Risiken allein, während die Fifa nur<br />
die Hände aufhielt.<br />
Der besondere Trick ist dabei, dass damit<br />
ein Kontinent zur Vermarktung erschlossen<br />
wurde, der zuvor noch nicht dabei<br />
war. „Seht her, ihr dürft euch der ganzen<br />
Welt präsentieren, wenn ihr es<br />
bezahlen könnt“, lautet die Idee. Und jeder<br />
neu euphorisierte Afrikaner ist ein guter<br />
Afrikaner. Man kann ihn melken. Der<br />
Marktplatz wird dadurch größer, die Gewinne<br />
steigen.<br />
Weil die Fifa mit ihrer Vermarktungsmaschine<br />
ins Land einfiel, fällt die Diskrepanz<br />
auf, zwischen afrikanischen Gebräuchen,<br />
etwa den unzähligen Straßenhändlern,<br />
die alle ausgebootet wurden,<br />
und dem Moloch aus der Schweiz, der alles<br />
einsaugen aber nichts zurückgeben<br />
will.<br />
Viele arme Händler hatten gehofft, ein<br />
bisschen von dem großen Geschäft profitieren<br />
zu können. Aber die offiziellen Fanartikel<br />
der Fifa werden aus Asien importiert,<br />
wo sie billig hergestellt werden. Die<br />
traditionellen Kleinhändler, die ihre Familien<br />
damit ernähren, Schlachtenbummlern<br />
Speise, Getränke und Fanartikel<br />
zu verkaufen, wurden rund um die<br />
Stadien verbannt. Die Fifa hat sozusagen<br />
alles mitgebracht, weshalb die heimische<br />
Ware sogar von einer „Markenpolizei“<br />
verboten wurde.<br />
Was nach der WM in Südafrika bei vielen<br />
dort lebenden Menschen zurückbleibt,<br />
ist die Erinnerung, wie ein moderner Heuschreckenschwarm<br />
ins Land eingefallen ist<br />
und vollgefressen wieder abzog. Dabei sollen<br />
die Betroffenen aber auch noch gute<br />
Laune verbreiten, um ihrer Rolle als Gastgeber<br />
gerecht zu werden. Schließlich geht<br />
es darum, der Welt einen möglichst schönen<br />
Eindruck zu vermitteln.<br />
Dabei ist es eine Schande. Wie sportlich<br />
auf dem Platz, wo der afrikanische<br />
Fußball viele Hoffnungen begraben musste,<br />
so auch beim Profit: Afrika muss warten.<br />
Wenn die Fifa wenigstens von ihren<br />
Milliardengewinnen all die staubigen<br />
Kickplätze im Lande sanieren würde. Tut<br />
sie aber nicht. Sie ist ja schon jenseits von<br />
Afrika. 2014 in Brasilien.
14<br />
M e d i e n<br />
G e s e l l s c h a f t<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Juli<br />
2010<br />
Die Wahrheit auf dem Platz<br />
Während der Fußball-WM scheint die Welt stillzustehen. Und doch spiegelt sich im Umgang mit den kickenden Repräsentanten<br />
dann wieder die politische Kultur der teilnehmenden Länder. Italien gähnt, Frankreich lärmt und Spanien spinnt. Von Michael Zäh<br />
Fußball bezaubert. Seit dem 11.<br />
Juni, an dem die WM in Südafrika<br />
begann, scheint nichts<br />
Bedeutendes in der Welt geschehen<br />
zu sein. Die Erde dreht sich so rund<br />
wie sonst nie. Die Gespräche kreisen<br />
um die Kugel, die so den Lauf aller<br />
Gedanken bestimmt. Überall auf<br />
dem Erdball wurden in den letzten<br />
Wochen Siege, Niederlagen, Teams,<br />
Aufstellungen und Fehler diskutiert.<br />
Dagegen sind blutige Unruhen in<br />
Kirgisien eher Nebensache, auch<br />
wenn Russland einen Militäreinsatz<br />
in Erwägung zieht.<br />
Fußball lenkt ab. Aber er taugt<br />
nicht unbedingt als „Opium fürs<br />
Volk“. Das musste auch der „geliebte<br />
Führer“ Kim Jong-Il aus Nordkorea<br />
erleben, als sich das arme Land<br />
eine Liveübertragung des WM-<br />
Spiels gegen Portugal gönnte. Ab<br />
dem 0:4 soll der nordkoreanische<br />
Sprecher geschwiegen haben, bis<br />
zum bitteren 0:7, bevor die Übertragung<br />
kommentarlos beendet wurde.<br />
Die Chose schon zuvor zu unterbrechen,<br />
hätte die sonst herrschende<br />
Zensur offensichtlich gemacht. Dass<br />
die vom Führer direkt an den Trainer<br />
übermittelten taktischen Anweisungen<br />
eine große Weisheit in sich getragen<br />
hätten, konnte aber in Anbetracht<br />
der Live-Bilder nun auch wieder<br />
keiner behaupten.<br />
Es liegt tatsächlich eine Wahrheit<br />
auf dem Platz, die gar nicht so<br />
leicht zu manipulieren ist (außer von<br />
der Fifa natürlich). Weil die teilnehmenden<br />
Teams aus aller Welt demselben<br />
Regelwerk und sogar derselben<br />
Kleiderordnung (Trikot, Hose,<br />
Stutzen) unterworfen sind, hat es<br />
den Anschein eines fairen Kräftemessens<br />
der Kulturen. Dabei sollen<br />
originäre Mentalitäten der Völker in<br />
Wettstreit treten. Die kraftvollen<br />
Afrikaner, die beweglichen Asiaten,<br />
die verspielten Südamerikaner, die<br />
kollektivgläubigen Nordamerikaner,<br />
die neuseeländischen Haudegen,<br />
die bulligen Engländer, die gut organisierten<br />
Deutschen. In der Tat ist<br />
die jeweilige Art, Fußball zu spielen,<br />
mit Spurenelementen von gesellschaftlicher<br />
Herkunft versehen.<br />
Und dies gilt in diesen Tagen<br />
auch für den Umgang der Nationen<br />
und ihrer politischen Führung mit<br />
den Ergebnissen kickender Repräsentanten.<br />
Hier spiegelt sich die<br />
Welt, die ja stillzustehen scheint,<br />
über den Fußball wieder zurück in<br />
die Wahrnehmung. Etwa wenn Nigerias<br />
Präsident Goodluck Jonathan<br />
die Nationalmannschaft seines Landes<br />
nicht mehr auftreten lassen will.<br />
Oder wenn eine französische Sportministerin<br />
sich an den Ort der<br />
Schande begibt, sich sogar Sarkozy<br />
einschaltet und es eine staatstragende<br />
Anhörung geben soll. Umgekehrt<br />
zum französischen Tamtam<br />
machen es die Italiener so wie mit<br />
Berlusconi: Was nicht zu Strandgesprächen<br />
beiträgt, taugt auch nichts.<br />
Zur Rückkehr ihrer gescheiterten<br />
Kicker kam keiner an den Flugplatz.<br />
Den besonders trickreichen Doppelpass<br />
lieben die Spanier. Da man<br />
ganz ungewohnt gegen die Schweiz<br />
ein Spiel verlor, hat sich der Presseverband<br />
in Madrid zu dem hochtrabenden<br />
Vorwurf hinreißen lassen,<br />
dass Sara Carbonero gegen „arbeitsethische<br />
Grundsätze“ verstoßen habe.<br />
Die Journalistin (Foto) arbeitet<br />
für den spanischen Fernsehsender<br />
Telecinco, ist aber auch die Freundin<br />
von Iker Casillas, dem Nationalkeeper.<br />
Ach so, denkt man da gleich in<br />
deutscher Korrektheit – die Spanier<br />
wollen keine verfälschte Berichterstattung.<br />
Aber mitnichten: Der Vorwurf<br />
an Sara Carbonero lautete, dass<br />
sie beim Siegtor der Schweiz direkt<br />
hinter Casillas Tor stand und ihn so<br />
womöglich abgelenkt hat.<br />
Das sind Probleme, die Angela<br />
Merkel gerne mal hätte. Trotz ihrer<br />
adretten Jubler beim Sieg über Argentinien<br />
sind ihre Umfragewerte<br />
nach dem Wulff-Desaster im Keller.
Best of<br />
ZaS<br />
Juli<br />
2010<br />
f u s s B a l l - W M s p o r t 15<br />
WM 2010<br />
Am Vorbild gescheitert<br />
halbfinale. Joachim Löw war nach der Niederlage gegen Spanien gelassen, weil er ermessen konnte, dass<br />
sein junges Team ein deutlich besseres Turnier gespielt hatte als noch vor zwei Jahren. Die Tendenz stimmt.<br />
Von Michael Zäh<br />
Es ist kein Geheimnis, dass Joachim Löw nach<br />
der Finalniederlage bei der Europameisterschaft<br />
2008 den Plan hegte, sich den Fußball<br />
der Spanier zum Vorbild zu nehmen. Und es ist nicht<br />
übertrieben zu behaupten, dass der (noch) amtierende<br />
Bundestrainer nun zwei Jahre später bei der<br />
WM in Südafrika eine deutsche Mannschaft präsentierte,<br />
die in drei von sechs Partien genau jene<br />
dominanten und spielstarken Auftritte hinlegte, die<br />
dem Vorbild sehr nahe kamen und die es 2008 gar<br />
nicht gab. Die großartigen und torreichen Siege gegen<br />
Australien (4:0), England (4:1) und Argentinien<br />
(4:0) verleiteten so manchen Fan oder Medienbeobachter<br />
sogar dazu, das junge Team zu allem<br />
fähig zu halten. Doch im direkten Duell<br />
mit dem Vorbild zeigte sich, dass ein Hype<br />
aus sieben Wochen nicht mit der eingespielten<br />
Konstanz von Jahren mithalten<br />
kann. Gegen Spanien kam das Aus<br />
im Kampf um den Weltmeistertitel, weil<br />
die neu formierte Mannschaft von Joachim<br />
Löw noch nicht das Selbstbewusstsein<br />
von Xavi und Co. haben konnte. Denn dieses<br />
ist im Nationalteam wie auch im europäischen<br />
Spitzenklub Barcelona von Jahr zu Jahr und Woche<br />
zu Woche gewachsen. Wie lange dieser Weg<br />
war, zeigt sich auch daran, dass Spanien zum ersten<br />
Mal überhaupt im Finale einer Weltmeisterschaft<br />
steht.<br />
Joachim Löw selbst zeigte sich nach dem 0:1<br />
im Halbfinale gegen in fast allen Belangen überlegene<br />
Spanier auch entsprechend gelassen. Er<br />
hätte sich zwar wie alle deutschen Fans mehr Mut<br />
und mehr spielerische Akzente gewünscht. Aber<br />
er konnte den Unterschied zu 2008 erkennen, der<br />
eindeutig einen Fortschritt markierte. Nicht in dem<br />
einen Spiel, in dem sein Team chancenlos war wie<br />
damals, aber im Gesamtauftritt während des Turniers.<br />
Das Potenzial hatte sich gezeigt, die noch<br />
nicht gefestigte Siegermentalität der Multikulti-<br />
Ballkünstler in den Partien gegen Serbien, Ghana<br />
und eben Spanien auch. Das ist für einen wie Joachim<br />
Löw aber nur ein Ansporn, die nun kommenden<br />
Jahre zur Vollendung des neuen Stils zu<br />
nutzen. Denn die heute noch grünen Jungs seines<br />
Teams sind erst am Anfang ihrer fußballerischen<br />
Erfahrung, während Xavi, Iniesta und Co. den Zenit<br />
erreicht haben. Der Weg von Löw ist der richtige,<br />
auch wenn es keine Garantie gibt, dass etwa<br />
2014 in Brasilien wieder die Chance auf die Endspielteilnahme<br />
blüht. Doch auch das Vorbild musste<br />
lange warten, bis es sich mit seinem Fußball<br />
durchsetzte.<br />
Falls Joachim Löw bleibt. Die größte Vakanz<br />
liegt darin, dass der biedere Visionär den dann doch<br />
ungeliebten Verhaltensmustern des DFB den Rükken<br />
kehrt. Vielleicht gibt es für ihn ja auch ganz andere<br />
Herausforderungen als sich mit den Indiskretionen<br />
eines Theo Zwanziger auseinander zu setzen.<br />
Er hat den von ihm selbst oft als Traumjob<br />
bezeichneten Beruf. Aber er hat auch eben jene<br />
Visionen, die ihn mit Freunden zu einer, natürlich<br />
wohl organisierten Anden-Tour verleiten<br />
können. Ohne Löw jedenfalls würde das in<br />
Südafrika mit ersten Konturen ausgezeichnete<br />
Projekt des neuen deutschen Fußballs<br />
einen Rückschritt erleiden. Weil Sammer<br />
Schlager hört und Bushido ein Fremder<br />
bleibt, dem man zuallererst mal deutsche<br />
Tugenden beibringen muss.<br />
Philipp Lahm, der nunmal kleingewachsene<br />
neue Kapitän der deutschen Nationalmannschaft,<br />
hat nach dem 0:1 gegen Spanien<br />
bittere Tränen in den Augen gehabt. Es war natürlich<br />
sein gekränktes Ego, das sich da Bahnen<br />
brach. Aber im Spiel selbst waren keine Siegesimpulse<br />
von ihm ausgegangen wie etwa auf der<br />
Gegenseite von Xavi oder Iniesta, die ebenfalls<br />
kleinwüchsig, aber halt umso größere Fußballer<br />
sind. Lahm hält es lieber mit trotzigen Kampfansagen<br />
gegenüber dem verletzten Michael Ballack,<br />
dem er via Boulevardpresse ausrichten ließ, dass er<br />
die Kapitänsbinde nicht mehr hergeben wolle. Wer<br />
aber zur Unzeit, vor dem Halbfinale gegen Spanien,<br />
solche Ansagen macht, der sollte dann ein bisschen<br />
mehr bewegen als er dies tatsächlich tat. Oder er<br />
könnte auch einfach seine vorlaute Klappe halten.<br />
Keiner weiß, ob es mit Ballack noch optimaler<br />
gelaufen wäre, bei der WM in Südafrika. Aber jeder<br />
spürt, dass es zu früh ist, um zu prahlen. Und<br />
wenn einer wie Lahm vor lauter Gekränktheit vor<br />
laufenden Kameras sagt, dass ihm der dritte Platz<br />
am Samstag gegen Uruguay völlig schnuppe sei,<br />
immerhin als Kapitän der deutschen Mannschaft,<br />
dann ist das genau diese Unreife, die das Manko<br />
des fußballerischen Aufbruchs bezeichnet. Einer<br />
wie Xavi hätte wahrscheinlich gesagt, dass er um<br />
diesen dritten Platz kämpfen wolle. Aus Demut.
16<br />
l e B e n<br />
M e D i Z i n<br />
Best of<br />
ZaS<br />
August<br />
2010<br />
Gesund durch Stress. Wer reizvoll<br />
lebt, bleibt länger jung“,<br />
lautet der provokante Titel des<br />
Buches von Hans-Jürgen Richter und<br />
Peter Heilmeyer (Systemed Verlag).<br />
Der Mediziner Dr. Peter Heilmeyer ist<br />
Leitender Arzt der Reha-Klinik Überruh.<br />
Barbara Breitsprecher sprach mit<br />
ihm über Stress als Freund sowie Gesundheitspropbleme<br />
durch Schonung.<br />
Zeitung am Samstag: Für viele<br />
Menschen beginnen jetzt die Ferien,<br />
und sie freuen sich darauf, stressfrei<br />
zu entspannen. Und nun kommen Sie<br />
und propagieren den gesunden<br />
Stress!<br />
Peter Heilmeyer: Sie können nur<br />
erfolgreich entspannen, wenn Sie vorher<br />
Stress hatten. In der Ferienzeit<br />
können die Schäden, die der Stress angerichtet<br />
hat, wieder repariert werden.<br />
ZaS: Jetzt sagen Sie ja selbst, dass<br />
Stress Schäden anrichtet?<br />
Heilmeyer: Ja, aber er ist trotzdem<br />
nützlich. Unser Körper erneuert sich in<br />
unglaublichem Tempo. Die Art und<br />
Weise wie neue Zellen gebildet werden<br />
oder wie der Stoffaustausch<br />
funktioniert, hängt davon ab, wie<br />
groß die Belastung ist. Wenn man sich<br />
nicht belastet überaltern Zellen. Wir<br />
brauchen also die Belastung, um die<br />
Erneuerung anzuschieben.<br />
ZaS: Also ein Höchstmaß an Stress im<br />
Alltag und dann ein gründliches Ausspannen?<br />
Heilmeyer: Genau. Das richtige<br />
Wechselspiel zwischen Belastung, die<br />
auch Körperschädigung bedeutet, und<br />
Regeneration ist wichtig.<br />
Zas: Was passiert, wenn unser Körper<br />
dieses Wechselspiel nicht erfährt?<br />
Heilmeyer: Dann wird unser Körper<br />
schwach, und viele Teile werden nicht<br />
erneuert. Das kann man sehr gut an<br />
dem Experiment der Schwerelosigkeit<br />
sehen. Wenn Menschen von jeglicher<br />
körperlicher Arbeit befreit sind,<br />
kommt es zu sehr schnellem Abbau<br />
der Muskulatur, der Knochen und<br />
auch der inneren Organe. Die ersten<br />
Kosmonauten kamen nach 14 Tagen<br />
ohne Training und Körperbelastung in<br />
der Umlaufbahn total geschwächt auf<br />
die Erde zurück. Etwa 20 Prozent der<br />
Muskulatur waren bei ihnen verloren<br />
gegangen.<br />
ZaS: Nun heißt es aber, dass es Stress<br />
Foto: Systemed<br />
„Es gibt keinen<br />
schlechten Stress“<br />
Der Mediziner Peter Heilmeyer über heilsamen Stress,<br />
schädliches Schonen und das richtige Wechselspiel dazwischen.<br />
gibt, der auch Krankheiten verursachen<br />
kann, wie beispielsweise das<br />
Burnout-Syndrom.<br />
Heilmeyer: Es gibt keinen schlechten<br />
Stress per se. Jede Form von Stress<br />
kann nützlich sein, wenn eine entsprechende<br />
Regenerationsphase angeschlossen<br />
wird.<br />
ZaS: Viele Wissenschaftler teilen<br />
Stress aber inzwischen in den positiven<br />
Eustress und negativen Disstress<br />
auf.<br />
Heilmeyer: Es gibt nur ausreichend<br />
oder zu wenig Regeneration.<br />
ZaS: Wieviel Regeneration bedarf es<br />
denn bei wieviel Stress?<br />
Heilmeyer: Einzelne Systeme im<br />
Körper regenerieren sehr schnell, andere<br />
sehr langsam. Entsprechend<br />
hängt es von der Form und der Dauer<br />
des Stresses ab. Wenn man eine<br />
Stunde spazieren geht, was man<br />
sinnvollerweise jeden Tag machen<br />
kann, kommt die Regeneration über<br />
Nacht. Wenn man intensives Krafttraining<br />
an Geräten betreibt, braucht<br />
man mindestens zwei bis drei Tage<br />
Pause zwischen den Belastungen, damit<br />
der Körper sich wieder aufbauen<br />
kann.<br />
ZaS: Und wie sieht es mit psychischem,<br />
mit emotionalem Stress oder<br />
Arbeitsstress aus? Wären wir nicht<br />
besser ohne den dran?<br />
Heilmeyer: Nein, auch den brauchen<br />
wir. Angstneurosen gab es im KZ<br />
nicht. In einer Zeit, in der man abgesichert<br />
lebt, treten vermehrt Angstzustände<br />
auf. Psychosomatische Kliniken<br />
arbeiten zum Teil mit Hochseilgärten,<br />
um künstliche Angsterlebnisse<br />
zu erzeugen. Damit die Menschen die<br />
Bewältigung der Angst trainieren<br />
können.<br />
ZaS: Reicht denn ein großer Jahresurlaub,<br />
wenn der Alltag und der Beruf<br />
viel Stress bringen?<br />
Heilmeyer: Häufigere Unterbrechungen<br />
gerade bei anstrengenden<br />
Tätigkeiten sind wichtig. Wie diese<br />
Unterbrechungen dann aussehen, ist<br />
individuell verschieden.<br />
ZaS: Neue Untersuchungen an Mäusen<br />
zeigen, dass die Tiere in einem abwechslungsreichen<br />
Käfig, mit Aufgaben,<br />
die zu bewältigen sind, resistenter<br />
gegen Krebs waren als Mäuse in<br />
einem langweiligen Käfig ohne Aufgaben.<br />
Heilmeyer: Das ist genau so auf den<br />
Menschen übertragbar. Es gibt auch<br />
Untersuchungen zu körperlichem<br />
Training während einer Chemotherapie,<br />
die zeigen, dass es den Patienten<br />
dann besser geht und sie bessere Überlebenschancen<br />
haben.<br />
ZaS: Gilt das auch fürs Alter? Viele ältere<br />
Menschen sind mit Rollatoren<br />
oder Gehhilfen unterwegs.<br />
Heilmeyer: Wenn man diese Hilfsmittel<br />
einsetzt, obwohl es eigentlich<br />
noch anders ginge, führt das zum Verlust<br />
von Fähigkeiten. Das ganze Leben<br />
besteht ja im Ausprobieren was geht.<br />
Sobald man sich freiwillig in einem<br />
Bereich einschränkt, gehen die entsprechenden<br />
Fähigkeiten verloren,<br />
körperlich wie geistig. Wenn ich Fähigkeiten<br />
erhalten will, muss ich sie<br />
trainieren, und üben bedeutet Stress<br />
und Belastung.<br />
ZaS: Nun gibt es ja aber einen euphorisierenden<br />
und einen eher zermürbenden<br />
Stress.<br />
Heilmeyer: Zermürbender Stress ist<br />
Dauerstress, dem man nicht entkommen<br />
kann. Das kann krank machen<br />
weil die Regeneration fehlt. Euphorisierend<br />
ist ein kurzer, intensiver<br />
Stress, mit einer anschließenden Belohnung<br />
und Regenerationsphase.<br />
ZaS: Könnte man Ihrer Ansicht nach<br />
diese Erkenntnisse noch mehr in die<br />
moderne Medizin einbinden?<br />
Heilmeyer: Unbedingt. Bei akuten<br />
Krankheiten, beispielsweise einer<br />
Lungenentzündung, ist Schonung<br />
richtig. Aber bei chronischen Krankheiten<br />
bedeutet Schonung den Verlust<br />
von Fähigkeiten und damit Verschlechterung<br />
des Zustandes.<br />
ZaS: Glauben Sie, man kann Krankheiten<br />
durch diese Erkenntnise verhindern<br />
oder gar heilen?<br />
Heilmeyer: Sicher. Unsere Fähigkeiten,<br />
mit Schädigungen fertig zu werden,<br />
müssen wir ständig trainieren.<br />
Unser System hat sich im Laufe der<br />
Evolution unter ständigen Belastungen<br />
von außen entwickelt. Gleichzeitig<br />
ist unser System aber auch sehr<br />
ökonomisch. Es stellt nur bereit, was<br />
gebraucht wird.<br />
ZaS: Können Sie einem Büromenschen<br />
Tipps für die richtige Dosis<br />
Stress geben?<br />
Heilmeyer: Mindestens zehn Minuten<br />
am Tag Gymnastik, mindestens eine<br />
halbe Stunde täglich zu Fuß unterwegs<br />
sein und das Wochenende nutzen<br />
für Freizeitaktivitäten. Man sollte<br />
sich Hitze und Kälte aussetzen, auch<br />
diese Fähigkeiten wollen geübt sein.<br />
Sogar Radioaktivität in sehr kleinen<br />
Dosen kann nützlich sein. Die Reperaturmechanismen<br />
für die DNA werden<br />
dadurch angeregt. Auch hier gilt also,<br />
die Nulllösung ist nicht die beste.<br />
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Best of<br />
ZaS<br />
Sept<br />
2010<br />
r e c H t S D e r c D U P o l i t i k 17<br />
Bei der CDU setzt man sich mit<br />
massiver Kritik aus dem konservativen<br />
Lager der Partei<br />
auseinander. Angestoßen durch Erika<br />
Steinbach, Präsidentin des Bundes der<br />
Vertriebenen, ist sogar die Diskussion<br />
entfacht worden, dass eine neue Partei<br />
rechts von der CDU gute Chancen<br />
hätte, die Fünf-Prozent-Hürde zu<br />
überspringen. Michael Zäh sprach mit<br />
Professor Dr. Ulrich Eith über ein solches<br />
Szenario. Der Politikwissenschaftler<br />
der Uni Freiburg ist Direktor<br />
des Studienhaus Wiesneck, Institut<br />
für politische Bildung<br />
Baden-Württemberg und Geschäftsführer<br />
der Arbeitsgruppe Wahlen<br />
Freiburg.<br />
Zeitung am Samstag: Es ist die<br />
Idee entfacht worden, dass sich eine<br />
neue Partei rechts von der CDU<br />
gründen könnte. Was halten Sie von<br />
dieser Diskussion?<br />
Ulrich eith: Parteigründungen<br />
rechts von der CDU hat es ja schon in<br />
der Vergangenheit gegeben. Da war<br />
die Ausdehnung der CSU auf ganz<br />
Deutschland, oder auch die Republikaner<br />
oder die Schill-Partei.<br />
ZaS: Nun sollen es aber Politiker aus<br />
den eigenen Reihen der CDU sein, die<br />
sich in ihrer Partei nicht mehr heimisch<br />
fühlen und zumindest mit dem<br />
Gedanken spielen, dass eine neue<br />
Partei ihre Vorstellungen besser verwirklichen<br />
könnte.<br />
eith: Es ist zu beobachten, dass es<br />
deutliche Turbulenzen und massiven<br />
Unmut innerhalb der CDU gibt. Eine<br />
Gruppe wird jetzt herausgehoben, die<br />
sogenannten Konservativen. Aber<br />
schon wird es begrifflich unscharf.<br />
Konservativ heißt übersetzt bewahren,<br />
erhalten. Heißt das<br />
jetzt, dass unser System<br />
der Rentenfinanzierung<br />
bewahrt werden<br />
soll? Wenn man es<br />
auf Themen herunterbricht,<br />
wird nicht immer<br />
klar, was konservativ<br />
bedeuten soll. Für<br />
die CDU greift am ehesten<br />
die Definition,<br />
dass konservativer Politik das christliche<br />
Menschenbild zugrunde liegt.<br />
ZaS: Sie sehen also inhaltlich kein<br />
Thema, das eine Neugründung dann<br />
auch tragen könnte?<br />
eith: Bei Neugründungen hatten die<br />
Parteien immer ein ganz bestimmtes<br />
Sachthema, das sie nach vorne gebracht<br />
hat. Bei den Republikanern<br />
war es die Asylproblematik, bei der<br />
Schill-Partei ging es um die Sicherheit<br />
in öffentlichen Räumen, also law<br />
and order. Ein solches zugespitztes<br />
Thema sehe ich im Moment nicht.<br />
Und es fehlt darüber hinaus auch eine<br />
mehr oder minder charismatische<br />
Führungspersönlichkeit, die man für<br />
eine Neugründung bräuchte.<br />
Zas: Ist die Diskussion aufgekommen,<br />
weil die CDU sich unter Angela<br />
Merkel immer mehr in Richtung<br />
Mitte orientiert?<br />
eith: Beide großen Volksparteien haben<br />
eigentlich das gleiche Problem,<br />
dass ein von der Führung in Gang gesetzter<br />
Modernisierungsprozess bei<br />
traditionellen Wählergruppen nicht<br />
Foto: Systemed<br />
Für eine Neugründung<br />
braucht es ein<br />
eigenes Milieu<br />
oder ein Thema<br />
„Turbulenzen in der<br />
CDU werden sichtbar“<br />
Professor Dr. Ulrich eith über die unwahrscheinliche Gründung<br />
einer neuen Partei rechts von der CDU und Merkels Führungsstil<br />
die notwendige Zustimmung findet.<br />
Bei der SPD war das der Agenda-<br />
Kurs, also eine wirtschaftliche Modernisierung<br />
unter Schröder, die in<br />
den Medien und einer<br />
breiten Öffentlichkeit<br />
viel Zustimmung<br />
erlangte, aber<br />
bei den traditionellen<br />
SPD-Wählern<br />
gerade nicht.<br />
ZaS: Da kam es ja<br />
auch zur quasi Neugründung<br />
der „Linken“.<br />
eith: Ja, da stand die für diese Wählergruppe<br />
charismatische Figur Lafontaine<br />
zur Verfügung und der organisatorische<br />
Background der PDS.<br />
Hinzu kam, dass Lafontaine als früherer<br />
Parteivorsitzender und Minister<br />
genau jenen Teil der SPD hinter<br />
sich versammeln konnte, der in ihm<br />
den wahren SPD-Chef sah.<br />
ZaS: Ist die heutige Situation der<br />
CDU mit diesen Vorgängen bei der<br />
SPD vergleichbar?<br />
eith: Jedenfalls kann man auch hier<br />
einen von der Spitze ausgelösten Modernisierungskurs<br />
beobachten, beispielsweise<br />
in der Familienpolitik.<br />
Und wiederum sind es bestimmte traditionelle<br />
Wählergruppen, die diesen<br />
Kurs nicht mitgehen wollen. Für diese<br />
grenzt der Ausbau der Kinderbetreuung<br />
an eine Kulturrevolution,<br />
weil damit traditionelle Wertvorstellungen<br />
der Familie zur Disposition<br />
stehen. So hat der Kurs von Angela<br />
Merkel auf der einen Seite der CDU<br />
neue Wählergruppen ersclossen, eher<br />
jüngere Leute in städtischen Gebieten,<br />
wo man früher<br />
chancenlos war. Die<br />
andere Seite ist, dass<br />
traditionelle Wählergruppen<br />
sich in der<br />
CDU nicht mehr heimisch<br />
fühlen.<br />
ZaS: Wieso melden<br />
sich solche Gruppen<br />
erst jetzt unter der<br />
schwarz-gelben Koalition<br />
zu Wort?<br />
eith: Zu Zeiten der großen Koalition<br />
war es für Angela Merkel von der Regierungstechnik<br />
her gesehen einfacher.<br />
Man konnte die Traditionswähler<br />
ja immer damit beruhigen,<br />
dass man ihre Wünsche ja gerne umsetzen<br />
wolle, dies aber aufgrund des<br />
Koalitionspartners nicht könne. Aber<br />
dann hat die Wunschkoalition die<br />
Wahlen gewonnen. Und dadurch<br />
sind die Erwartungen gestiegen, die<br />
eigene Programatik möglichst unverfälscht<br />
durchzusetzen. Von Merkel<br />
wird mehr politische Führung,<br />
Diskussionsbereitschaft und Überzeugungskraft<br />
erwartet. Ihr Führungsstil<br />
der Moderation aus Zeiten<br />
der großen Koalition reicht nicht<br />
mehr aus.<br />
ZaS: Spielt beim momentanen Unmut<br />
nicht auch das Verhalten der<br />
FDP eine Rolle?<br />
eith: Es gibt Gründe, dass die<br />
schwarz-gelbe Regierung lange<br />
brauchte, um überhaupt in Tritt zu<br />
kommen. Viele strittige Themen sind<br />
im Koalitionsvertrag nicht exakt genug<br />
geregelt worden. Westerwelle hat<br />
in seine neue Rolle als Außenminister<br />
nie richtig reingefunden, und im<br />
Kanzleramt gab es Abstimmungsprobleme.<br />
ZaS: Sie glauben aber nicht, dass es<br />
zu einer Neugründung rechts von der<br />
CDU kommt?<br />
eith: Dazu braucht es entweder ein<br />
ganz eigenes Milieu, wie damals bei<br />
den Grünen. Oder zumindest ein polarisierendes<br />
Thema, wie es etwa die<br />
Linken mit der sozialen Gerechtigkeit<br />
haben. Ich sehe weder ein eigenständiges<br />
Milieu noch ein Thema, das eine<br />
Neugründung tragen würde. Zudem<br />
fehlt eine populäre Persönlichkeit,<br />
die eine Protesthaltung dann<br />
auch wirklich glaubhaft verkörpern<br />
kann.<br />
ZaS: Bleibt somit<br />
Frau Merkels Führungsanspruch<br />
völ-<br />
Frau, keine<br />
Kinder, aus<br />
lig unangefochten?<br />
eith: Zu Frau Merkel<br />
gibt es zur Zeit<br />
Ostdeutschland,<br />
keine Alternative.<br />
protestantisch - Dennoch ist sie als<br />
das ist suspekt<br />
Person den westdeutschen<br />
konservativen<br />
Kreisen schon<br />
immer suspekt. Diese Kreise tun sich<br />
sehr schwer mit den folgenden Eigenschaften:<br />
Frau, keine Kinder, aus<br />
Ostdeutschland, protestantisch.
18<br />
p O l i t i k<br />
at O m k r a f t<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Oktober<br />
2010<br />
Eine strahlende Zukunft<br />
Die schwarz-gelbe Regierung ist mit der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ihres konservativen Profils wieder<br />
habhaft geworden: Strauß und Kohl lassen grüßen. Das provoziert umso mehr Widerstand. Von Michael Zäh<br />
Nun hat also die CDU lange<br />
darum gerungen, wie sie<br />
ihres konservativen Profils<br />
wieder habhaft werden kann. Es war<br />
und ist ja schon die Rede von all den<br />
heimatlosen Politikern und Wählern,<br />
die womöglich eine Partei<br />
rechts von Merkel und Co. gründen<br />
könnten. Und jetzt, mit einem<br />
Schlag, ist die Tradition von Strauß<br />
über Filbinger und Kohl wieder zu<br />
ihrem Recht gekommen: Die<br />
schwarz-gelbe Regierung hat den<br />
Ausstieg aus dem Austieg von der<br />
Atomenergie beschlossen.<br />
Wenn nun also „konservativ“<br />
übersetzt „bewahren“ meint, dann<br />
wird hier etwas bewahrt, das über<br />
seine Zeit hinaus ist und noch während<br />
der neu vereinbarten Laufzeit<br />
marode zu werden droht. Dabei hatte<br />
Bundesumweltminister Norbert<br />
Röttgen (CDU) vor nicht allzu langer<br />
Zeit in einem Interview mit der<br />
Süddeutschen Zeitung noch erklärt,<br />
dass die Kernkraftwerke in Deutschland<br />
auf eine Laufzeit von 40 Jahren<br />
ausgelegt seien, und nicht für<br />
länger. Jetzt werden es bis zu 50<br />
Jahren und mehr sein.<br />
Und weil noch nie irgendwo auf<br />
der Welt ausprobiert wurde, was da<br />
alles passieren kann, sehen uns die<br />
Gegner der Atomkraftwerke schon<br />
am Rande des GAU. Allein schon<br />
der Versuch, überaltete Anlagen so<br />
lange zu betreiben, bis sie bersten,<br />
wird der Protestbewegung einen<br />
ungeheuren Aufwind geben. Denn<br />
das zuletzt von Wirtschaftsminister<br />
Brüderle (FDP) bemühte Märchen,<br />
dass Atomkraftwerke hierzulande<br />
zu den sichersten der Welt gehören<br />
sollen, glaubt längst keiner mehr.<br />
Wie der Stern schrieb, „ähneln diese<br />
in Wahrheit altersschwachen<br />
Autos ohne ABS, Airbag und ESP.<br />
Würden sie heute noch einmal so<br />
gebaut, der TÜV würde sie nicht zulassen“<br />
(stern, 23.9.2010). Es drohen<br />
Unfälle, die sich zu noch nie dagewesenen<br />
Katastrophen auswachsen<br />
können. Ganze Landstriche könnten<br />
unbewohnbar werden.<br />
Und es gibt keine wirklich<br />
nachvollziehbaren Gründe, warum<br />
ein solches Risiko eingegangen<br />
wird. Weder würde in Deutschland<br />
eine Versorgungslücke entstehen,<br />
wenn die Atomkraftwerke nach<br />
dem bisher bestehenden Ausstiegsplan<br />
vom Netz gingen (im Gegenteil<br />
haben sich die erneuerbaren<br />
Energien mit ungeheurer Dynamik<br />
besser entwickelt als ursprünglich<br />
geplant), noch eignet sich die<br />
Atomkraft als eine „Brückentechnologie“,<br />
da sie eindeutig die Entwicklung<br />
alternativer Techniken<br />
bremst. Tatsache ist, dass der Atomstrom<br />
die Netze verstopft und somit<br />
Investitionen lokaler Anbieter behindert.<br />
Schon jetzt werden Windkrafträder<br />
bei gutem Wind auf still<br />
gedreht, weil zu viel Strom durch<br />
die Atomkraftwerke da ist. Wie sollen<br />
dann die riesigen Windpark-<br />
Projekte in Nord- und Ostsee realisiert<br />
werden, die etwa die Leistung<br />
von 20 Atomkraftwerken ersetzen<br />
könnten, aber auch viel Geld kosten.<br />
Solange das Netz zu 80 Prozent<br />
vom Atomstrom ausgelastet<br />
ist, werden Investoren sich hier zurückhalten.<br />
Nun also noch weitere<br />
14 Jahre. Eine technisch weltweit<br />
führende deutsche Elite wird in einem<br />
Wachstumsmarkt ausgebremst.<br />
Das ist konservativ.<br />
Womöglich trifft dies auch auf<br />
das Zustandekommen des großen<br />
Deals zu. Es hat den Ruch von Käuflichkeit,<br />
wenn die großen Konzerne<br />
einige Milliarden von dem abgeben,<br />
was sie durch die Laufzeitverlängerung<br />
verdienen. Und nun<br />
womöglich bald einen Vertrag in<br />
der Tasche haben, der von einer<br />
späteren Regierung nicht ohne Einwilligung<br />
der Konzerne wieder<br />
kassiert werden kann. Schnaps ist<br />
Schnaps und Vertrag ist Vertrag.<br />
Der bisherige, der den Ausstieg festschrieb,<br />
konnte ja auch nur gekippt<br />
werden, weil beide Seiten (also auch<br />
die Bundesregierung) dies „einvernehmlich“<br />
beschlossen. Der Atomausstieg<br />
galt als unumkehrbar. Der<br />
Ausstieg vom Ausstieg wird es sein.<br />
Für 14 lange Jahre.<br />
Was einstmals in Wyhl seinen<br />
Anfang nahm, wird wohl nun seine<br />
Fortsetzung finden: Widerstand.<br />
Doch der ist nicht wie 1975 nur eine<br />
Bewegung, aus der später die<br />
Grünen hervorgingen. Er ist jetzt in<br />
der Mitte der Gesellschaft. Genau<br />
da, wo die CDU nicht mehr ist.
Best of<br />
ZaS<br />
Oktober<br />
2010<br />
r O c k - l e g e n d e k u l t u r 19<br />
Die kraftvolle Ruhe<br />
nach dem Sturm<br />
Gut sieht er aus. Das Gesicht,<br />
das einst von Alkohol- und<br />
Drogenexzessen gezeichnet<br />
war, wirkt entspannt. Joe Cocker ist<br />
wieder da. Obwohl: Richtig weg war er<br />
nie, seit über 40 Jahren ist er im Musikgeschäft.<br />
Der 66-Jährige geht wieder<br />
auf Tournee, kommt auch nach<br />
Freiburg, und gerade ist seine neue CD<br />
„Hard Knocks“ erschienen.<br />
Der legendäre Sänger mit der markanten,<br />
unverwechselbaren Stimme<br />
hat sich einem gewissen Relaunch<br />
unterzogen, ohne sich indessen auch<br />
nur im geringsten zu verbiegen oder<br />
seine Persönlichkeit zu verraten.<br />
Weiterhin trägt er seine Jeans hochgeschnitten,<br />
über dem Gürtel wölbt<br />
sich der Bauch. Seine Songs knurren<br />
wie eh und je, da ist Cockers berühmt-berüchtigte<br />
Stimme, die aus<br />
der Tiefe kommen kann, dann kurze<br />
Momente sanft zu schweben scheint,<br />
um gleich darauf ins Tiefe, Kraftvolle<br />
herunter- und auszubrechen.<br />
Für diese Stimme tut er nichts:<br />
„Nichts zu tun ist das Beste. Als ich<br />
jünger war, habe ich 40 Zigaretten<br />
am Tag geraucht. Vor 20 Jahren habe<br />
ich dann zu rauchen aufgehört.“<br />
Für seine Songs hat er dagegen einiges<br />
getan. So hat er sich für seine<br />
neue CD einen Produzenten gesucht<br />
und in Matt Serletic gefunden, der<br />
ihm eine modernere Richtung geben<br />
würde, „ohne dabei zu verrückt-modern<br />
zu werden“. Auch seine Plattenfirma<br />
Sony hatte Cocker Mut gemacht,<br />
sich wieder auf kraftvollere<br />
Songs zu besinnen.<br />
Vom Ergebnis ist Joe Cocker sehr<br />
angetan: „Es war eine richtig gute Zusammenarbeit.<br />
Ein bisschen anders<br />
als sonst.“ Neu ist auch die Auswahl<br />
der Songs. Auf dem Album „Hard<br />
Knocks“ gibt es nur eine einzige Coverversion,<br />
alles andere sind Songs,<br />
die Cocker geschrieben hat oder die<br />
speziell für ihn geschrieben wurden.<br />
Ungwöhnlich für jemanden, dessen<br />
größte Hits nahezu alle keine Originale<br />
aus eigener Feder waren, wie<br />
„With a Little Help of my Friends“<br />
(Beatles) oder „You Can Leave Your<br />
Hat On“ (Randy Newman).<br />
Neben Powersongs haben auf<br />
„Hard Knocks“ aber auch eine<br />
schwere, gefühlvolle Ballade und ein<br />
Gospelsong ihren Platz gefunden.<br />
Ebenso hat eine Reise nach Nashville<br />
zu namhaften Country-Sängern<br />
bei Cocker einen Einfluss hinterlassen.<br />
Cocker hofft mit seinen neuen<br />
Songs auch wieder im Radio gespielt<br />
Joe cocker kommt nach Freiburg<br />
und bringt seine neue CD „Hard Knocks“ mit.<br />
40 Jahre Musikgeschäft und harte Schläge haben<br />
ihn nicht in die Knie zwingen können.<br />
Von Barbara Breitsprecher<br />
zu werden, „da war ich eine ganze<br />
Weile nicht mehr zu hören.“ Und er<br />
freut sich auf die Tour im Oktober, die<br />
ihn am Sonntag, 31. Oktober auch<br />
nach Freiburg in die Rothaus Arena<br />
bringen wird. „Ich habe meine Fans<br />
schon länger nicht mehr gesehen“,<br />
sagt er mit feinem Lächeln.<br />
„Hard Knocks“, das sind übersetzt<br />
„harte Schläge“. Ein bezeichnender<br />
Titel. Auch Joe Cocker hat<br />
solche einstecken müssen. Nach seinem<br />
Himmelsstürmer-Start auf dem<br />
legendären Woodstock-Konzert<br />
1969, wo der gelernte Gasinstallateur<br />
sich auch durch seine epileptisch anmutenden<br />
Zuckungen auf der Bühne<br />
unvergesslich machte, fing Cocker<br />
an, sich mit Drogen vollzupumpen<br />
und soff sich fast zu Tode. Schon<br />
bald war er kaum mehr in der Lage,<br />
in einem Studio Songs aufzunehmen,<br />
die Verkaufszahlen für seine<br />
Alben liefen nur noch schleppend.<br />
Um sich finanziell überhaupt<br />
über Wasser halten zu können, war<br />
Joe Cocker damals pausenlos auf<br />
Tour, wo er verschwitzt und ausgelaugt<br />
auf den Bühnen stand. Erst in<br />
den 80er Jahren ging es wieder bergauf.<br />
Etliche Hits sowie Aufträge für<br />
Film-Titelsongs folgten. Für „Up<br />
Where We Belong“, den Song des<br />
Films „Ein Offizier und Gentleman“,<br />
erhielt Cocker schließlich einen<br />
Oscar.<br />
1987 heiratete der Brite die<br />
Amerikanerin Pam Baker, eine Erzieherin.<br />
Beide wohnen zusammen<br />
in den Bergen von Colorado in den<br />
USA, auf der abgeschiedenen „Mad<br />
Dog Ranch“. Hier hat er seinen Frieden<br />
gefunden, und weiß doch: „Ich<br />
habe wahrscheinlich mehr Zeit auf<br />
der Straße verbracht, als dass ich erzogen<br />
oder ausgebildet worden wäre.“<br />
Dabei würde es ihm nie einfallen,<br />
seine Staatsbürgerschaft aufzugeben<br />
und die der USA anzunehmen. Dafür<br />
ist er durch und durch zu britisch.<br />
In seiner Wahlheimat ist er ein „resident<br />
alien“, ein Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung.<br />
Die englische<br />
Queen hat ihm diese Treue gedankt:<br />
2007 wurde Joe Cocker von Elizabeth<br />
II. zum „Officer of the Order of the<br />
British Empire“ (OBE) ernannt.<br />
n Joe Cocker, „Hard Knocks“-Tour,<br />
Sonntag, 31. Oktober, 20 Uhr, Freiburg,<br />
Rothaus Arena, Tickets: Tel.<br />
07531/908844 oder www.koko.de<br />
n Joe Cocker bei „Wetten, dass…?“,<br />
ZDF, Samstag, 2. Oktober, 20.15 Uhr
Best of<br />
ZaS<br />
Oktober<br />
2010<br />
I n t e g r at I O n p O l I t I k 21<br />
Alarmsignale für die Politik<br />
Eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung belegt, dass Ausländerfeindlichkeit in Deutschland erheblich zunimmt.<br />
Die populistischen Ansätze von Sarrazin, Seehofer und Kristina Schröder helfen da nicht wirklich weiter. Von Michael Zäh<br />
Die Lage ist ernst. Wie eine<br />
jetzt in Berlin vorgestellte<br />
Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />
ergab, hat die<br />
Ausländerfeindlichkeit in Deutschland<br />
erheblich zugenommen. Gut<br />
ein Viertel der Bevölkerung schließt<br />
sich fremdenfeindlichen Aussagen<br />
an und mehr als 30 Prozent stimmen<br />
der Einschätzung zu, dass Ausländer<br />
nur kämen, um den Sozialstaat auszunutzen.<br />
Ebensoviele meinen, man<br />
„solle die Ausländer wieder nach<br />
Hause schicken.“ Die Feindseligkeit<br />
gegenüber dem Islam ist besonders<br />
ausgeprägt, wie die Studie belegt.<br />
Mehr als jeder Zehnte sehnt sich sogar<br />
nach einem „Führer“, der<br />
„Deutschland zum Wohle aller mit<br />
harter Hand regiert.“<br />
Die Autoren der Studie werteten<br />
die Ergenisse als „Alarmsignal<br />
für Politik und Gesellschaft.“ Es bestehe<br />
die Gefahr, dass Rechtspopulisten<br />
versuchen, aus der Situation<br />
„politisch Kapital zu schlagen“, warnen<br />
die Wissenschaftler. Da ist es<br />
nicht wirklich ein Trost, dass es besonders<br />
Ungebildete und Alte seien,<br />
die für Ausländerfeindlichkeit anfällig<br />
sind.<br />
CSU-Chef Horst Seehofer hat ja<br />
bereits kräftig in die populistische<br />
Kerbe gehauen, als er kürzlich einen<br />
Zuwanderungsstopp „aus anderen<br />
Kulturkreisen“ forderte. Und zwar<br />
wohl wissend, falls er nicht zu den<br />
Ungebildeten und Alten gehört,<br />
dass derzeit mehr Leute aus<br />
Deutschland auswandern als umgekehrt.<br />
Und zwar auch türkische Mitbürger.<br />
Auch die Familienministerin<br />
Kristina Schröder hatte dazu eine<br />
feinsinnige Idee, als sie in einem Interview<br />
in der FAS das Pferd von der<br />
falschen Seite aufzäumte, indem sie<br />
kundgab, dass es schließlich auch<br />
„Deutschenfeindlichkeit“ gebe und<br />
man sie selbst mitunter als „deutsche<br />
Schlampe“ beschimpft habe. Da<br />
müsse man, na klar, die „Rechtslage<br />
überdenken.“ Schröder im O-Ton:<br />
„Fremdenfeindlichkeit geht häufig<br />
einher mit den sogenannten legitimierenden<br />
Männlichkeitsnormen.<br />
Und die finden wir überproportional<br />
bei türkisch- und arabischstämmigen<br />
Jugendlichen.“ Na hoppla, das<br />
nennen wir echte Integrationspolitik,<br />
so ganz ohne Vorurteile.<br />
Mesut Özil darf sich freuen,<br />
nach Spanien ausgewandert zu<br />
sein. Der gehypte Vorzeigemensch<br />
für gelungene Integration, der Frau<br />
Merkel bei jeder Gelegenheit die<br />
Hand schütteln muss, gäbe ja tatsächlich<br />
ein gutes Beispiel ab, wie es<br />
laufen könnte. Wenn man die Vorurteile<br />
mal beiseite ließe (wie steht<br />
es mit der Männlichkeitsnorm von<br />
Özil?) und den Tatsachen ins Auge<br />
sehen würde. Der heutige Star hat<br />
nur einen Bolzplatz, einen Ball und<br />
ein paar kickende Kollegen in Gelsenkirchen<br />
gebraucht, um sich zur<br />
Hoffnung der deutschen Nationalelf<br />
zu mausern. Wie wäre es wohl um<br />
sein Leben in Deutschland bestellt,<br />
wenn er nicht so gut kicken könnte?<br />
Dann würde ihm Sarrazin garantiert<br />
an die Gene und deren<br />
Brauchbarkeit gehen.<br />
Andere nette Jungs, die wie Özil<br />
den Erfolg suchen, brauchen etwas<br />
mehr Unterstützung, um nicht minder<br />
wertvoll zu sein. Da wären Bildungsangebote,<br />
Respekt und vorurteilslose<br />
Freiheiten, sagen wir im offensiven<br />
Mittelfeld, um auf anderen<br />
Feldern einen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
Deutschlands zu<br />
bringen. Denn die Wahrheit ist doch,<br />
dass in den nächsten Jahrzehnten<br />
der Wohlstand des Landes auch davon<br />
abhängt, dass Integration und<br />
eine Vielfalt der Kulturen gelingt.<br />
Nicht nur auf dem Sportplatz, sondern<br />
überall. Wullf, der Bundespräsident,<br />
hat das zart ins Auge gefasst.
22<br />
p o l i T i k<br />
r e p o r Ta g e<br />
Best of<br />
ZaS<br />
November<br />
2010<br />
Foto: B. Breitsprecher<br />
Der Chinese<br />
chinesisch-französisches Treffen in Nizza. Scharfschützen<br />
auf dem Dach des Hotel Negresco, eine einsame<br />
chinesische Fahne an der Promenade, abgesperrte<br />
Straßen und tausende bis an die Zähne bewaffneter Polizisten:<br />
Die Stadt an der Côte d’Azur wird zum Treffpunkt<br />
des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy mit<br />
dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao.<br />
Von Barbara Breitsprecher<br />
Mesdames, Messieurs“, gewohnt<br />
höflich aber bestimmt<br />
schiebt sich die Reihe<br />
der Polizisten unbarmherzig vorwärts<br />
und fordert die Menschen auf,<br />
ihr Plätze zu räumen. Die machen das<br />
nicht gerne, denn hier an der Promenade<br />
von Nizza sitzt es sich gut auf<br />
weißen Bänken und blauen Stühlen, in<br />
der Sonne, mit Blick auf das glitzernde<br />
Meer. Hier sitzen immerzu, tagtäglich<br />
Menschen einmütig nebeneinander,<br />
lesen, telefonieren, plaudern oder<br />
sinnieren hinter großen Sonnenbrillen.<br />
Aber nicht heute. Denn „der Chinese“<br />
kommt.<br />
Gemeint ist Hu Jintao, der chinesische<br />
Präsident, den die US-Zeitschrift<br />
Forbes gerade zum mächtigsten<br />
Mann der Welt erkoren hat. Für ihn<br />
wird die Promenade des Anglais mit<br />
Gittern abgesperrt, positionieren sich<br />
endlose Reihen von martialisch gekleideten<br />
Polizisten und lassen von<br />
nun an weder Fußgänger noch Autos<br />
durch.<br />
Lange hat der französische<br />
Staatschef Nicolas Sarkozy gebraucht,<br />
um an frühere Kontakte mit<br />
China anzuknüpfen, nachdem er<br />
sich vor zwei Jahren mit seiner Sympathiebekundung<br />
für den Dalai Lama<br />
bei der chinesischen Führung in<br />
Misskredit gebracht hatte. Aber was<br />
heißt schon lange, was sind schon<br />
zwei Jahre, wenn die gefühlvolle<br />
französische Diplomatiemassage<br />
letztlich einen solchen Erfolg hervorbringt:<br />
Verträge, die Frankreich<br />
über 14 Milliarden Euro in die Kassen<br />
spülen. Dazu gehören: 102 verkaufte<br />
Airbus-Flugzeuge, Aufträge<br />
für eine Wiederaufbereitungsanlage<br />
wie in La Hague, die der Atomkonzern<br />
Areva in China bauen wird sowie<br />
über 20 000 Tonnen Uran, die an<br />
China geliefert werden, außerdem<br />
wird Total eine petrochemische Fabrik<br />
in China bauen.<br />
Drei Bedingungen hatte der chinesische<br />
Präsident vor seiner Anreise<br />
gestellt: 1. keine Pressekonferenz,<br />
2. die Menschenrechte dürfen kein<br />
Thema sein und 3. möchte er außerdem<br />
nach Nizza. Nizza? Sarkozy hatte<br />
geplant seinem Gast das prächtige<br />
Versailles zu zeigen. Aber nein, Hu<br />
Jintao besteht auf der Côte d’Azur.<br />
Also wird die Königssuite im legendären<br />
Hotel Negresco vorbereitet, ein<br />
neuer roter Teppich ausgelegt und<br />
emsig gebürstet, und die Portiers<br />
müssen zu ihrer ohnehin schon ein<br />
wenig lächerlichen, bunten Knickerbocker-Uniform<br />
noch einen Federbüschel<br />
auf dem Kopf tragen.<br />
Während einige ältere Damen am<br />
Rande der Absperrung erregt auf geduldig-wohlerzogene<br />
Polizisten einreden,<br />
läuft unten am Strand das Leben<br />
des Südens weiter, als sei nichts<br />
passiert. In den Cafés werden die ersten<br />
Aperitifs serviert, einige Entschlossene<br />
baden, etliche liegen auf<br />
den Steinen in der Sonne. Wären da<br />
nicht die Scharfschützen, die sich auf<br />
dem Dach des Hotels positioniert hätten<br />
sowie die plötzlich verdächtig<br />
leicht geöffneten Läden an der Balkontüre<br />
der leeren Wohnung im Haus<br />
nebenan, dort wo das Schild „A vendre“<br />
hängt.<br />
An einem der geöffneten Fenster<br />
des Hotel Negresco taucht eine elegante<br />
Chinesin in knallrotem Kleid<br />
auf. Hoch über dem nicht enden wollenden<br />
Aufgebot an schwarzen Polizisten<br />
erteilt sie per Telefon letzte Anweisungen.<br />
Kurz darauf werden ein<br />
knappes Dutzend junger chinesischer<br />
Frauen und Männer durch die Absperrung<br />
gelassen. Sie dürfen als einzige<br />
„Passanten“ gegenüber dem<br />
Hotel den chinesischen Präsidenten<br />
ganz nah erwarten. Die Claqueure<br />
entrollen brav chinesische Flaggen.<br />
Wenn am Abend in den Nachrichten<br />
zunächst das winkende Paar<br />
Hu Jintao und Nicolas Sarkozy zu sehen<br />
ist und die Kamera dann zu den<br />
aufgeregten Menschen hinüberschwenkt,<br />
dann wird der Fernsehzuschauer<br />
im engen Fokus des Ausschnitts<br />
nicht erkennen können, dass<br />
es sich hier nur um das ausgewählte<br />
Grüppchen von bezahlten chinesischen<br />
Funktionärsanwärtern handelt,<br />
die da freudig winken.<br />
geheimdienst auf Journalisten gehetzt?<br />
N i c o l a s s a r k o z y i N B e d r ä N g N i s<br />
Wozu soll ein Geheimdienst gut sein, wenn<br />
nicht eben dafür, Dinge geheim zu regeln? So<br />
mag sich das Frankreichs Präsident Nicolas<br />
Sarkozy denken, der auf seltsame Diebstähle bei<br />
Journalisten angesprochen, meinte: „Ich sehe<br />
nicht, was mich das angeht.“<br />
Doch ganz so sicher kann sich da Sarkozy inzwischen<br />
nicht mehr sein, weil fast alle Franzosen<br />
glauben, was die Zeitung „Le Canard enchaîné“,<br />
bekannt für ihre Enthüllungsgeschichten, in der<br />
Woche vor dem hohen Besuch aus China berichtete:<br />
Der Präsident persönlich hetze den Geheimdienst<br />
auf Journalisten, die ihm unangenehme<br />
Recherchen betreiben. Dem Chef des<br />
französischen Inlandsgeheimdienstes, Bernard<br />
Squarcini, seien solche Anliegen des Nicolas<br />
Sarkozy zwar lästig, weil er genug mit der Terrorabwehr<br />
zu tun habe, doch er gehorche und<br />
habe sogar eine Sondereinheit geschaffen, um<br />
Journalisten zu bespitzeln, schreibt die Zeitung.<br />
Und dabei beruft sich „Le Canard“ auf Quellen<br />
aus Geheimdienst-Kreisen, natürlich ohne die<br />
Identität der geheimen Mitarbeiter preis zu<br />
geben. Das wiederum könnte den Geheimdienst<br />
veranlassen, nach den geheimen Informanten<br />
aus den eigenen Reihen zu<br />
fahnden. Jedenfalls ist nicht mehr geheim,<br />
dass mehreren Journalisten, die im „Falle Bettencourt“<br />
recherchierten, von unbekannten Einbrechern<br />
ihre Laptops geklaut wurden, auf denen<br />
sie geheime Informationen gespeichert hatten.<br />
Liliane Bettencourt, die reichste Frau<br />
Frankreichs, soll Sarkozy mit illegalen Spenden<br />
unterstützt und dafür Steuervorteile erhalten<br />
haben. Der Pariser Star-Anwalt Olivier Metzner<br />
hat nun öffentlich die Frage gestellt: „Ist es in<br />
unserer Demokratie akzeptabel, Geheimagenten<br />
loszuschicken, um die Computer von Journalisten<br />
zu stehlen?“<br />
miz
Best of<br />
ZaS<br />
November<br />
2010<br />
r e p o r Ta g e p o l i T i k 23<br />
Eine Fabrikbesichtigung etwas<br />
außerhalb von Nizza steht auf dem<br />
Tagesprogramm. Hu Jintao wird die<br />
neue Hybrid-Technologie von Peugeot<br />
Citroën präsentiert. Das wird<br />
ihm gefallen, denn zum Bau eines<br />
Hybridmotors sind spezielle Rohstoffe<br />
wie Neodym, Praseodym, Dysprosium<br />
und Terbium nötig. Diese sogenannten<br />
Seltenen Erden gibt es nahezu<br />
ausschließlich in China, und<br />
dort in großen Mengen. Da Seltene<br />
Erden auch zum Bau von Solarzellen,<br />
Touch-Screens und Lithium-Ionen-<br />
Batterien notwendig sind, kann China<br />
die Geschäftsbedingungen hier<br />
weitgehend diktieren.<br />
Abends in Nizza ist Essengehen<br />
in dem kleinen Edelrestaurant „La Petite<br />
Maison“ in der Rue St. François<br />
de Paule angesagt. Dafür wird dann<br />
auch die halbe Altstadt abgesperrt,<br />
werden die letzten verbliebenen Autos<br />
abgeschleppt und Motorroller geknackt.<br />
Das Restaurant ist eine Empfehlung<br />
des Bürgermeisters von Nizza,<br />
Christian Estrosi, der gleichzeitig<br />
auch der Industrieminister Frankreichs<br />
und ein persönlicher Freund<br />
Sarkozys ist. Der französische Staatspräsident<br />
nutzt den Moment, da er<br />
auf seinen Gast wartet, und beantwortet<br />
Journalisten vor dem Restaurant<br />
einige Fragen. Nein, Tabus gebe<br />
es nicht, versichert er. Sein Freund<br />
Estrosi im Hintergrund lächelt wissend.<br />
Am nächsten Tag ist in französischen<br />
Zeitungen zu lesen, dass Sarkozy<br />
eine franko-chinesische „Front“<br />
vorschwebt, durchaus auch gegen die<br />
USA.<br />
Das Essen dauert exakt eine<br />
Stunde. Die Kritik der Wirtin ist nicht<br />
zu überhören, als sie erzählt, wie würdevoll<br />
gelassen der chinesische Präsident<br />
gegessen, während Sarkozy in<br />
offensichtlicher Eile hektisch seine<br />
Mahlzeit hinunter geschlungen habe.<br />
Die Straßen von Nizza sind an<br />
diesem Abend und auch am folgenden<br />
Tag nicht wieder zu erkennen.<br />
Selbst auf den abends sonst so belebten<br />
Plätzen, in einem der gut besuchten<br />
Straßencafés, weit weg von<br />
Sarkozy und seinem Gast, beschleicht<br />
einen das Gefühl, hier stimmt etwas<br />
nicht. An jeder Ecke große Polizeibusse,<br />
alle blauen Mietfahrräder, die<br />
vélos bleus, wurden entfernt, an den<br />
leeren Radständern lehnen wachsame<br />
Polizisten. Der Gedanke an eine<br />
mögliche Bombendrohung schleicht<br />
sich ins Gehirn. Wie gefährdet sind<br />
hu Jintao und Nicolas sarkozy sind zufrieden: Der Chinese war in<br />
Nizza und bekommt Uran sowie Flugzeuge, der Franzose jede Menge Geld.<br />
Nizza, seine Bewohner und seine Besucher<br />
an diesen Tagen? Der Wein am<br />
kleinen Bistrotischchen will plötzlich<br />
nicht mehr so recht schmecken.<br />
Auf dem Weg zurück in die Unterkunft<br />
in der Nähe des Negresco,<br />
werden die letzten hundert Meter zu<br />
einem gespenstisch-futuristischen<br />
Trip. Dort wo sich normalerweise in<br />
engen Straßen Auto an Auto reihen,<br />
Als einzige Zivilisten<br />
unterwegs auf einem<br />
Polizeiplaneten in<br />
einer abgesperrten<br />
Straße von Nizza<br />
stehen jetzt riesige Polizeitransporter.<br />
Alles ist abgesperrt, kein Durchgang<br />
mehr für Passanten. In den großen<br />
Einsatzfahrzeugen sitzen schwarz<br />
uniformierte, bis an die Zähne bewaffnete<br />
Einsatzkräfte und warten<br />
auf weitere Befehle. Jeder, der durch<br />
die Absperrung hindurch will, wird<br />
kritisch befragt, der Ausweis muss<br />
vorgezeigt, die Hausnummer genannt<br />
werden. Dann begleiten zwei<br />
Uniformierte uns Heimkehrer durch<br />
diesen fremden Polizeiplaneten, zu<br />
dem die kleine Straße geworden ist,<br />
auf dem wir die einzigen Zivilisten<br />
sind, jeder Schritt argwöhnisch verfolgt<br />
von hundert Paar Augen. Bis zur<br />
Haustüre, bis aufgeschlossen wurde,<br />
erst dann lassen sie uns Gehen. Tiefes<br />
Durchatmen im Innern des Hauses.<br />
Und gleichzeitig die halb belustigte,<br />
halb bange Frage, wieviel Polizisten<br />
wohl vor uns hier waren und<br />
die Räume durchkämmt und Computer<br />
gefilzt haben?<br />
Auch am nächsten Tag noch keine<br />
Entwarnung. Aber die Polizisten<br />
wirken entspannter als am Abend<br />
zuvor. Sogar ein kleiner Plausch vom<br />
Fenstersims aus ist möglich. Der nette<br />
Polizist mag die Berge viel mehr<br />
als das Meer, ist das zu glauben? Eigentlich,<br />
so verrät er, sei geplant gewesen,<br />
dass der chinesische Präsident<br />
um elf Uhr wieder abfliegt, nach<br />
Lissabon. Aber es scheint dem Chinesen<br />
hier zu gefallen, es ist Mittagszeit<br />
und Hu Jintao ist immer<br />
noch in Nizza. Die Polizisten bekommen<br />
ihr Mittagessen<br />
geliefert, als Dessert<br />
gibt es Bananen. Die armen<br />
Portugiesen müssen<br />
warten, die Niçoise, die Polizisten<br />
und wir auch. Die Arbeiter der<br />
Stadtverwaltung kommen und räumen<br />
die Gitter weg, ihnen ist egal ob<br />
der Präsident noch da ist, elf Uhr war<br />
abgemacht. Da müssen sich sogar<br />
die Polizisten beugen, die nun mit ihren<br />
Körpern die Straßen weiter absperren.<br />
Und dann ist er doch plötzlich<br />
weg, der Chinese. Ein einziges<br />
Kommando und die Straßen sind wie<br />
leergefegt. Aber nur für wenige Minuten,<br />
dann sieht alles aus wie immer<br />
in Nizza: Stoßstange an Stoßstange<br />
reihen sich die Autos in den<br />
Nebenstraßen, auf der Promenade<br />
joggen und flanieren die Menschen<br />
und blinzeln in die Sonne, wo hoch<br />
über ihren Köpfen gerade ein Flugzeug<br />
nach Portugal fliegt.<br />
c h i N a u N T e r h u J i N T a o<br />
die drei gesichter: geschickt,<br />
rabiat und achtungslos<br />
Manche Probleme, wie sie Frankreich<br />
beispielsweise wegen Geheimdienstaktivitäten<br />
gegen Journalisten<br />
oder mit Streiks wegen einer längeren<br />
Lebensarbeitszeit hat, kennt die<br />
chinesische Führung gar nicht. Der<br />
Geheimdienst ist sowieso immer<br />
und überall aktiv, unliebsame Journalisten<br />
dagegen ohnehin nie lange.<br />
Und schuften müssen chinesische<br />
Arbeiter sowieso bis ans Ende ihrer<br />
Kräfte – oder bis sie krank werden.<br />
Wie beispielsweise die Minenarbeiter,<br />
die ohne Schutzmaßnahmen die<br />
weltweit begehrten Seltenen Erden<br />
fördern und dabei giftigen Staub<br />
einatmen. Sie waschen die geförderte<br />
Erde und kommen dabei mit<br />
gefährlichen chemischen und radioaktiven<br />
Stoffen in Berührung. Das<br />
Abwasser wird ungefiltert in Seen<br />
und Flüsse geleitet, vergiftet die<br />
Reisfelder und die Menschen, die<br />
dort leben.<br />
Wenn es darauf ankommt, beweist<br />
die chinesische Führung in diplomatischen<br />
Geschäften immer wieder<br />
ein gutes Händchen. Kleine Deals<br />
wie die mit Sarkozy eben geschlossenen<br />
Verträge gehören ebenso<br />
dazu wie die ganz großen Würfe.<br />
Zum Beispiel in Afrika.<br />
Auch dort liegen tief in<br />
der Erde wertvolle Ressourcen, wie<br />
Erdöl, Gas und Erze. Statt sich nun<br />
wie die USA militärisch den Handelsweg<br />
mit den Rohstoffen freizuschießen<br />
und sich damit viele andere<br />
Probleme aufzuhalsen, gehen die<br />
Chinsesen einen wesentlich geschickteren<br />
Weg. Sie bauen den<br />
afrikanischen Ländern wie Sudan,<br />
Nigeria, Südafrika, Angola, Nigeria<br />
und Ägypten, darunter also auch sogenannten<br />
„Schurkenstaaten“, Flughäfen<br />
und Straßen, gewähren Militärhilfe<br />
und Schuldenerlass. Im Gegenzug<br />
bekommt China die Schürfrechte<br />
für die Bodenschätze. Der<br />
politischen Führung der afrikanischen<br />
Länder gefällt der Deal: China<br />
mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten<br />
ein, und es hat keine<br />
koloniale Vergangenheit in Afrika,<br />
die das Verhältnis beschweren<br />
könnte. Zudem ist der afrikanischen<br />
Elite das Thema Entwicklungshilfe<br />
und Armutsbekämpfung nie so<br />
wichtig gewesen wie die wirtschaftliche<br />
Entwicklung und der Infrastrukturausbau<br />
im eigenen Land.<br />
Chinas Staatschef Hu Jintao gilt als<br />
der mächtigste Mann der Welt. Und<br />
das nicht nur, weil er mehr Menschen<br />
regiert als jeder andere auf<br />
der Erde, nämlich 1,3 Milliarden<br />
Chinesen, ein Fünftel der Menschheit.<br />
„Im Gegensatz zu seinen westlichen<br />
Amtskollegen kann Hu Flüsse<br />
umleiten, Städte bauen,<br />
Kritiker<br />
einsperren und<br />
das Internet zensieren,<br />
ohne von nervtötenden<br />
Bürokraten oder Gerichten<br />
aufgehalten zu werden“, argumentiert<br />
das US-Magazin Forbes, das<br />
traditionell das Ranking betreibt.<br />
China hat auch wirtschaftlich aufgeholt,<br />
hat Japan hinter sich gelassen<br />
und steht jetzt als zweitstärkste<br />
Volkswirtschaft direkt hinter<br />
den USA.<br />
Hu Jintao wirkt im Vergleich zu<br />
seinen Vorgängern recht jung<br />
und ist doch auch bereits 68 Jahre<br />
alt. Wer die Hoffnung hatte, mit<br />
ihm würde China weniger diktatorisch,<br />
ist einem Irrtum erlegen: So<br />
schlau es die Regierung in wirtschaftlichen<br />
Dingen anstellt, so rabiat<br />
ist sie gegen Regimekritiker<br />
und so achtungslos gegenüber Umwelt<br />
und Natur und den Schäden,<br />
die sie hier anrichtet. bb
24<br />
k u l t u r<br />
B r i t i s C h<br />
Best of<br />
ZaS<br />
November<br />
2010<br />
Jede Faser ist Musik<br />
Jamie Cullum kommt nach Freiburg. Berührungsängste zwischen Jazz, Pop und Rock kennt der britische Musiker nicht. Strotzend<br />
vor Vitalität und Lässigkeit wird das musikalische Multitalent auf der Bühne zum Feuerwerkskörper. Von Barbara Breitsprecher<br />
Wenn es eine Inkarnation<br />
der Musik im Heute, im<br />
absoluten Jetzt gibt, dann<br />
ist es Jamie Cullum. Sein Herz ist der<br />
Jazz, aber ohne Scheu, ja furchtlos vor<br />
Genreüberschreitungen, hat er mit jeder<br />
anderen Faser seines Körpers alles<br />
in seinen Songs verarbeitet, was sich<br />
ihm in den Weg gestellt hat: Rock,<br />
Pop, Blues, Swing einfach alles. Mit<br />
unverschämter Lässigkeit bewegt er<br />
seinen jungen Körper auf der Bühne,<br />
singt und spielt mühelos jedes Instrument,<br />
als wäre es eine Kleinigkeit ein<br />
begnadeter Pianist zu sein, gleichzeitig<br />
aber auch unbeschwert Gitarre<br />
oder Schlagzeug zu spielen, so als wäre<br />
man mit diesem Instrument auf die<br />
Welt gekommen.<br />
Diese Lässigkeit gepaart mit ungebremster<br />
Energie, wie sie nur aus<br />
unkontrollierter, feuriger Leidenschaft<br />
zu entstehen vermag, erzeugt<br />
einen Rausch – bei Publikum und<br />
Star gleichermaßen. Mit leicht nasaler,<br />
tief-wohlklingender Stimme<br />
singt der 31-Jährige, dessen Gesicht<br />
wohl ewig jung bleiben wird. Ein<br />
Hobbit ist der englische gerade mal<br />
1,63 Meter große Bühnen-Derwisch<br />
mit den strubbeligen, dunklen Haaren,<br />
ein Magier, ein Besessener, ein<br />
Bummler zwischen Musikwelten, all<br />
das ist er.<br />
Musik, die Töne das ist für ihn<br />
die Sprache, nicht immer braucht es<br />
da Worte. Und diese Töne entstehen<br />
durch Muskeln, die direkt Emotionen<br />
und das Ureigenste einer Person auf<br />
Tasten oder Saiten übertragen. Das<br />
Denken, der Intellekt ist dabei zunächst<br />
ausgeschaltet. Es würde nur<br />
behindern, was sich da zwischen<br />
Fingern und Instrument unmittelbar<br />
abspielt.<br />
Bei seinen Konzerten gibt es keine<br />
Setlist, nicht mal seine hochklassigen<br />
Musiker wissen genau was an<br />
einem Abend gespielt wird. Ohne Improvisation<br />
geht bei Jamie Cullum<br />
gar nichts.<br />
Den Song eines anderen nicht<br />
auf seine eigene Weise zu spielen,<br />
käme Jamie Cullum nicht in den<br />
Sinn. Das würde nicht passen, und<br />
Jamie Cullum macht nichts, was<br />
nicht passt. Auch wenn es auf den<br />
ersten Blick nicht immer so scheint.<br />
Jahrzehntelang war Jazz auf der<br />
Bühne etwas Gediegenes, fürs Auge<br />
eher langweilig. Jamie Cullum<br />
hat das revolutioniert. Er tobt stehend<br />
am Klavier, springt schon mal<br />
auf den Flügel und wieder hinunter.<br />
Er drängt sich durch die Zuschauerreihen<br />
fernab der Bühne und singt<br />
ohne Mikro in die Ränge hinauf. Er<br />
dirigiert das Publikum, feuert es an,<br />
während er selbst wie ein Feuerwerkskörper<br />
auf der Bühne herumjagt.<br />
Seine Vitalität kennt keine<br />
Grenzen.<br />
Wenn Sophie Dahl an seiner Seite<br />
steht, die Frau, mit der Jamie Cullum<br />
seit Beginn dieses Jahres verheiratet<br />
ist und die nun ein Kind von ihm<br />
erwartet, dann wirkt auch das auf den<br />
ersten Blick nicht unbedingt passend.<br />
Die Enkelin des Schriftstellers Roald<br />
Dahl, die früher Model für XXL-Größen<br />
war, inzwischen aber super<br />
schlank ist, überragt ihren Ehemann<br />
um 20 Zentimeter. Für den Sänger und<br />
Komponisten war es Liebe auf den ersten<br />
Blick, nur dass er sich zunächst<br />
nicht vorstellen konnte, dass sie auch<br />
an ihm interessiert sein würde.<br />
Der Sohn einer Burmesin und<br />
eines aus Israel stammenden Engländers<br />
wuchs mit Musik auf. Die Eltern<br />
spielten in einer Band, Klein-Jamie<br />
immer mit dabei. Klavier-, Gesangsund<br />
Gitarrenunterricht folgten.<br />
Während seine Schulkameraden<br />
mit 17 ihr Geld im Supermarkt<br />
verdienten,<br />
trat Jamie Cullum in<br />
Hotelbars und Clubs<br />
auf. Er verdiente gut,<br />
die Atmosphäre gefiel<br />
ihm, die Begeisterung<br />
der reiferen Frauen<br />
ebenfalls. Sein erstes<br />
Album finanzierte er<br />
selbst und verkaufte es auf<br />
Konzerten. Erst dann wurden<br />
Plattenproduzenten auf ihn aufmerksam.<br />
Seitdem kann er auf mehr<br />
als vier Millionen verkaufte Alben<br />
und diverse Preise zurückblicken,<br />
darunter eine Golden Globe Nominierung<br />
für seinen Titelsong zu Clint<br />
Eastwoods Film „Gran Torino“.<br />
Dennoch machte Cullum zunächst<br />
seinen Uniabschluss in Film<br />
und Englischer Literatur, bevor er sich<br />
ganz der Musik hingab. In seinem<br />
Londoner Zuhause hat er heute eine<br />
Unmenge Keyboards und Pianos versammelt.<br />
Ständig ist er am Ausprobieren,<br />
auf der Suche nach Klängen<br />
und Akkorden. Zu den Musikern, die<br />
er am meisten bewundert gehören<br />
Miles Davis und Tom Waits. Unermüdlich<br />
machen sie ganz verschiedene<br />
Alben, wandeln und entwickeln<br />
sich mit den Jahren und bleiben doch<br />
immer sie selbst. Für einen Musiker<br />
gibt es kein Ziel, kein Ankommen.<br />
Das Üben, das Besserwerden ist ein lebenslanger,<br />
nie abgeschlossener Prozess.<br />
Eigentlich ist es sogar so, dass die<br />
Reise das Gegenteil eines Ziels ist.<br />
„The Pursuit“, das Streben, heißt denn<br />
auch das jüngste Album und die<br />
Tournee von Jamie Cullum. Und spätestens<br />
jetzt muss klar sein, warum<br />
musikalische Genres keine Grenzen<br />
für solch einen Menschen sind.<br />
n Jamie Cullum, The Pursuit Tour<br />
2010, Donnerstag, 2. Dezember,<br />
20 Uhr, Konzerthaus Freiburg;<br />
Tickets: Tel. 07531/908844<br />
oder www.koko.de
Best of<br />
ZaS<br />
November<br />
2010<br />
D e u t s C h k u l t u r 25<br />
Musik muss berühren<br />
Christopher von Deylen ist schiller. Mit seiner elektronischen Musik<br />
kommt er am 23. Januar ins Konzerthaus. Im Interview spricht er über Grenzen<br />
der Virtuosität, das Bedürfnis nach Reisen und Freiheit als Verantwortung.<br />
Foto: PHILIP GLASER<br />
Schiller – das ist Christopher von<br />
Deylen, ein Musiker der mit seiner<br />
klangvollen elektronischen<br />
Musik die Konzerthallen füllt. Barbara<br />
Breitsprecher sprach mit dem 40-Jährigen<br />
Norddeutschen, der im Januar<br />
nach Freiburg ins Konzerthaus kommt.<br />
Zeitung am samstag: Sie arbeiten<br />
immer wieder mit interessanten Menschen<br />
zusammen: Synchronsprechern,<br />
Schauspielerinnen wie Anna<br />
Maria Mühe, Sängerinnen oder dem<br />
Pianostar Lang Lang. Wie kommen<br />
die Kontakte zustande?<br />
Christopher von Deylen: Bei jedem<br />
neuen Projekt versuche ich mir<br />
eine gewisse Freiheit zurück zu erobern,<br />
die im Alltag verloren zu gehen<br />
droht. Ich gestatte mir durch die musikalische<br />
Welt zu mäandern, durch<br />
verschiedene Genres lustzuwandeln.<br />
Dabei stoße ich auf interessante<br />
Stimmen, interessante Künstler, die<br />
im ersten Moment gar nicht mit<br />
Schiller assoziiert werden würden.<br />
Aber oft liegt genau in der Reibung<br />
das, was mich fasziniert, und ich nehme<br />
Kontakt auf.<br />
Zas: Heißt das, Sie hören den ganzen<br />
Tag Musik?<br />
von Deylen: Das gelingt mir phasenweise,<br />
meistens wenn einer meiner<br />
Zyklen abgeschlossen und auserzählt<br />
ist. Dann kommt eine Phase, in<br />
der ich mich ganz viel mit anderer<br />
Musik beschäftige. Ich habe noch nie<br />
Genre-Schranken gehabt. Musik hat<br />
mich schon immer als Berührung, als<br />
musikalische Emotion interessiert.<br />
Ein klassisches Stück kann mich genauso<br />
berühren wie ein Pop- oder<br />
Rockstück.<br />
Zas: Wieso haben Sie die elektronische<br />
Musik gewählt, um sich auszudrücken?<br />
von Deylen: Ich hatte zwar als Kind<br />
Klavierunterricht, aber meine Virtuosität<br />
auf diesem Instrument hält sich<br />
in Grenzen. Die elektronische Musik<br />
bietet mir die Möglichkeit, mich<br />
trotzdem mit Musik auszudrücken.<br />
Ein Pianist kann einen bestimmten<br />
Ausdruck erzielen, aber am Ende ist<br />
ein Klavier eben doch immer ein Klavier.<br />
Durch die elektronische Musik<br />
kann ich Instrumenten nahe kommen<br />
oder ganz andere Klänge erzeugen.<br />
Die Gefühlserzeugung durch Klänge<br />
finde ich spannend, und es ist für<br />
mich die einzige Art und Weise in der<br />
ich mich musikalisch artikulieren<br />
kann.<br />
Zas: Hatten Sie je überlegt, zu ihren<br />
Stücken auch selbst zu singen?<br />
von Deylen: Das habe ich tatsächlich<br />
noch nie überlegt, weil ich weiß, dass<br />
ich es nicht kann. Es gibt zwar mittlerweile<br />
technische Hilfsmittel, mit<br />
denen man Defizite in der Gesangstechnik<br />
ausgleichen kann, aber das<br />
kann und möchte ich nicht. Außerdem<br />
habe ich immer noch ein sehr gespanntes<br />
Verhältnis zu meiner eigenen<br />
Stimme, genauso wie zu meinem<br />
eigenen Bild. Ich mag mich nicht gerne<br />
sehen und auch nicht gerne hören.<br />
Zas: Letztlich ist es also die fehlende<br />
musikalische Fingerfertigkeit, die<br />
Sie zur elektronischen Musik gebracht<br />
hat?<br />
von Deylen: Für mich setzt eine gefühlsbetonte<br />
Musik keine Virtuosität<br />
voraus. Manchmal können auch ganz<br />
einfache Melodien sehr berühren,<br />
manchmal sogar deutlich mehr als eine<br />
total auskomponierte Symphonie.<br />
Das ist für mich eine wohltuende Beschränkung<br />
der Mittel. Es gibt Sänger,<br />
die treffen jeden Ton, beherrschen<br />
spielend drei Oktaven, aber was an<br />
Gefühl entsteht, entspricht nicht drei<br />
Oktaven. Und es gibt andere Sänger,<br />
die vielleicht nur den vernünftigen<br />
Umfang einer halben Oktave haben,<br />
die aber so prägnant sitzt und so viel<br />
rüber bringt. Popmusik ist die Kunst<br />
des Weglassens, in der Beschränkung,<br />
im Minimalismus liegt die Stärke.<br />
Zas: Nun könnte man der elektronischen<br />
Musik ja nachsagen, es sei reine<br />
kalte Maschinenmusik…<br />
von Deylen: Der Computer kann ja<br />
nur das machen, was man ihm sagt.<br />
Für mich ist der Computer im Prinzip<br />
das, was die Schreibmaschine für den<br />
Schriftsteller ist. Ein Hilfsmittel, um<br />
Ideen umzusetzen und festzuhalten.<br />
Das Gefühl muss aus demjenigen<br />
kommen, der davor sitzt.<br />
Zas: Sie sind nach Peking gereist,<br />
nach Kalkutta und vor kurzem mit einem<br />
Forschungsschiff in die Arktis.<br />
Was bedeutet Ihnen das Reisen und<br />
wie wichtig ist es für Ihre musikalische<br />
Arbeit?<br />
von Deylen: Eine gute Frage. Das<br />
Reisen öffnet Horizonte. Das digitale<br />
Leben mit all den Informationsmöglichkeiten<br />
suggeriert, dass man von<br />
zu Hause aus das gesamte Weltgeschehen<br />
Tag und Nacht abrufen<br />
kann. Aber um die Welt, das Leben zu<br />
erleben, muss man hinfahren. Nur so<br />
kann man sich einen Eindruck verschaffen,<br />
was das Leben auf der Welt<br />
überhaupt bedeutet. Im Grunde ist es<br />
Neugier. Auf eine Art ein Getriebensein.<br />
Ich versuche so viel wie möglich<br />
mit dem Leben zu machen, so viele<br />
Eindrücke wie möglich in der Lebenszeit<br />
zu verankern. Es ist aber<br />
auch der Versuch, mir ein Bild von der<br />
Welt zu machen, auf unbequeme<br />
Weise. Es ist ja keine Erholung, mit<br />
Strandliegen. Der Weg ist das Ziel. Es<br />
geht darum etwas zu erfahren, im<br />
wahrsten Sinn des Wortes. Ich hoffe,<br />
dass mich das selbst auch in Bewegung<br />
hält.<br />
Zas: Kann das Erlebte einen Einfluss<br />
auf das Leben im Alltag haben?<br />
von Deylen: Ich glaube fest daran,<br />
dass solche Reisen und Erlebnisse den<br />
Menschen verändern, und dass man<br />
ein anderer ist, als wenn man diese<br />
Reise nicht gemacht hätte. Man<br />
wünscht sich, dass man gewisse Emotionen<br />
konservieren könnte.<br />
Zas: Nun können Sie Empfindungen<br />
ja in Klänge transferieren…<br />
von Deylen: Ja, und das ist entscheidend.<br />
Es geht mir nicht darum<br />
als ein Klangimperialist durch die<br />
Welt zu ziehen und Klänge als Souvenirs<br />
mitzunehmen. Musik ist ja sehr<br />
abhängig von der persönlichen emotionalen<br />
Verfassung – es hat etwas<br />
länger gedauert, bis ich mir das selbst<br />
zugestehen konnte – weshalb man<br />
diese auch pflegen muss. Pflegen<br />
heißt aber auch, dass man sie manchmal<br />
gezielt in Unruhe versetzen, gezielt<br />
stören muss.<br />
Zas: Um kreativ sein zu können?<br />
von Deylen: Ja, es ist wie bei einem<br />
See, in dessen glatter Oberfläche sich<br />
die Landschaft spiegelt. Wirft man einen<br />
Stein hinein, kommt alles in Bewegung,<br />
und die sich spiegelnden<br />
Bäume sehen plötzlich ganz anders<br />
aus. Das ist nötig, um sich selbst und<br />
das eigene Tun jedesmal wieder neu<br />
zu erfinden.<br />
Zas: Ich mache jetzt einen Anfang,<br />
machen Sie weiter?<br />
von Deylen: Oha, ich versuche mein<br />
Bestes.<br />
Zas: „Fest gemauert in der<br />
Erden/Steht die Form, aus Lehm gebrannt…“<br />
von Deylen: Es ist natürlich Schillers<br />
Gedicht der Glocke. In der Schule<br />
wurde das aufgeteilt, die einen mussten<br />
„Die Glocke“, wir „Die Bürgschaft“<br />
lernen, die ich aber auch nicht<br />
mehr kann.<br />
Zas: Aber eine Affinität zu Schiller<br />
haben Sie offensichtlich. Welche?<br />
von Deylen: Mein Bezug zu Schiller<br />
ist nicht mit einem konkreten Werk<br />
verbunden. Es geht um den Freigeist.<br />
Schillers Thema war die Freiheit. Er<br />
führte ja ein etwas anderes Leben, als<br />
beispielsweise Goethe. Ich habe mir<br />
diesen Namen mit sehr viel Respekt<br />
geliehen. Es geht um das Streben<br />
nach Freiheit. Ich möchte mich nicht<br />
festlegen lassen, auch mich selbst<br />
nicht. Ich möchte immer wieder versuchen,<br />
etwas anders zu machen, jedesmal<br />
neue Wege finden. Freiheit ist<br />
auch anstrengend.<br />
Zas: Birgt sie nicht auch eine Neigung<br />
zur Verantwortungslosigkeit?<br />
von Deylen: Wenn einem Freiheit<br />
wichtig ist, muss sie auch definiert<br />
werden. Man hat die Verantwortung<br />
aus der Freiheit etwas zu machen, sich<br />
nicht einfach darin zu gefallen.<br />
n Schiller Klangwelten, Sonntag, 23.<br />
Januar 2011, 20 Uhr, Konzerthaus Freiburg,<br />
Tickethotline: Tel. 07000-99 66<br />
333; www.karo-events.de
26<br />
f u s s B a l l<br />
e s s ay<br />
Best of<br />
ZaS<br />
November<br />
2010<br />
Foto: Achim Keller<br />
Im<br />
Wandel<br />
der Zeit<br />
Foto: Witters<br />
Wie sich Konstellationen beim sC freiburg wiederholen. Im Erfolg wachsen Begehrlichkeiten von etablierten Vereinen und den<br />
Medien. Die sportliche Entwicklung hängt von den Rahmenbedingungen ab. Und von den handelnden Personen . Von Michael Zäh<br />
Mit dem Erfolg kommen die<br />
Begehrlichkeiten. Und mit<br />
ihnen tauchen Fragen auf:<br />
Soll der SC Freiburg Papiss Demba<br />
Cissé, seinen Toptorjäger, vergolden?<br />
Kann er es überhaupt verhindern?<br />
Und wie sieht es mit Talenten wie<br />
Felix Bastians, Julian Schuster oder<br />
Ömer Toprak aus? Wird man diese<br />
langfristig halten können? Woher soll<br />
das Geld kommen, um etwa bei den<br />
Spielergehältern mit den größeren<br />
Vereinen mithalten zu können?<br />
Braucht man deshalb nicht dringend<br />
ein neues Stadion, das den Verein<br />
konkurrenzfähig macht? Alle diese<br />
Fragen sind nicht neu und tauchen<br />
auf, weil Robin Dutt fast punktgenau<br />
jene Erfolgsgeschichte wiederholt, die<br />
Volker Finke von 1993 an schrieb.<br />
Aber es gibt auch Unterschiede.<br />
Es mutet ja fast gespenstisch an,<br />
welche Parallelen die sportliche<br />
Entwicklung im Wandel der Zeit<br />
aufweist: Finke verpasst in seinem<br />
ersten Jahr 1991 nur knapp den<br />
Aufstieg in die Bundesliga, Dutt<br />
2007/08 ebenfalls. Finke steigt im<br />
zweiten Jahr ganz souverän auf (ab<br />
dem siebten Spieltag Tabellenführer<br />
in einer zweiten Liga, die damals 24<br />
Teams umfasst), Dutt gelingt dies<br />
2009 in seinem zweiten Jahr ebenfalls<br />
(inklusive der erstmaligen Entgegennahme<br />
der neuen „Meisterschale“),<br />
Finke kann den Abstieg im<br />
ersten Bundesliga-Jahr nur knapp<br />
vermeiden, Dutt ebenfalls, nur einen<br />
Spieltag früher, Finke führt den SC<br />
in der Saison darauf 1994/95 zur<br />
Winterpause auf Platz vier und am<br />
Saisonende auf Platz drei (der erstmals<br />
die Qualifikation zum UEFA-<br />
Cup bedeutet), Dutt ist in seinem<br />
zweiten Bundesliga-Jahr auf dem<br />
besten Weg, in ähnlichen Höhen zu<br />
überwintern. Und selbst manche<br />
Details stimmen überein. Etwa dass<br />
damals ein „ewiges Talent“ namens<br />
Maxi Heidenreich aus Hannover<br />
verpflichtet worden war, und nun<br />
vom selben Verein ein mit selbigen<br />
Attributen ausgestatteter Rosenthal.<br />
Das Duo Volker Finke und<br />
Achim Stocker drängte in der ersten<br />
Blütezeit des Vereins ebenso auf ein<br />
neues Stadion, wie dies nun Dutt,<br />
Dufner und Vorstand Keller tun. Damals<br />
war das Rieselfeld im Gespräch<br />
und der Bauplatz, wo heute die neue<br />
Messe steht. Als sich das Vorhaben<br />
nicht realisieren ließ, wurde das<br />
Dreisamstadion ausgebaut. Vor denselben<br />
Alternativen stehen die Verantwortlichen<br />
auch heute, und sehen<br />
dringenden Handlungsbedarf.<br />
Denn der Kreislauf ist im Grunde<br />
über die Jahrzehnte derselbe geblieben:<br />
Wenn die anderen Bundesliga-<br />
Clubs allesamt deutlich bessere Rahmenbedingungen<br />
für ihre Ticketeinnahmen<br />
und für die Sponsoren-<br />
Vermarktung haben, droht ein Aderlass<br />
beim begabten kickenden Personal<br />
und muss dann sportlich immer<br />
wieder bei Null angefangen<br />
werden. Auch nach der so überragenden<br />
Saison 94/95 war Torjäger<br />
und Spielmacher Rodolfo Esteban<br />
Cardoso (16 Treffer) nicht mehr zu<br />
halten (ging für sechs Millionen<br />
Mark nach Bremen), wie dies jetzt<br />
mit Cissé blühen könnte. Auch den<br />
Außenbahnspieler Jörg Heinrich,<br />
jung und talentiert, zog es nach dem<br />
überragenden Jahr zu anderen<br />
Pfründen (nach Dortmund), wie dies<br />
aktuell bei so manchem SC-Talent<br />
droht, falls der Erfolg weiter anhält<br />
und zu entsprechenden Auffälligkeiten<br />
in der Leistung einzelner<br />
Spieler führt.<br />
Hier tut sich allerdings ein erster<br />
großer Unterschied im Wandel der<br />
SC-Zeiten auf. In den Jahren 1993<br />
bis 1995 war fast noch gar nichts<br />
von dem da, was heute bestehende<br />
Infrastruktur ist. Sowohl die Tribüne<br />
auf der Gegengeraden wie auch<br />
die Südtribüne mussten erst mal<br />
noch gebaut werden, die Trainingsplätze<br />
waren im Winter morastige<br />
Löcher (und hatten nicht wie heute<br />
eine Rasenheizung), und die Freiburger<br />
Fußballschule, Finkes Vision<br />
von größtmöglicher Unabhängigkeit,<br />
war damals gerade erst in ihrer<br />
Geburtsstunde. Sie trägt seither bis<br />
heute regelmäßig Früchte, ohne die<br />
der SC wohl kaum überleben könnte<br />
(egal ob durch die zahlreichen<br />
Transfereinnahmen von den Eigengewächsen,<br />
oder durch deren Beitrag<br />
zur Wettbewerbsfähigkeit in der<br />
Bundesliga, wie jetzt gerade Oliver<br />
Baumann zeigt). Was in der ersten<br />
Blütezeit mit viel Kraftanstrengung<br />
und guten Ideen auf den Weg gebracht<br />
wurde, markiert jetzt die<br />
Nachhaltigkeit des SC Freiburg.<br />
„Es ist im Grunde aus heiterem<br />
Himmel dazu gekommen, dass wir<br />
in die Erste Bundesliga aufgestiegen<br />
sind. Dafür hatte der Verein ja kein<br />
Konzept entwickelt. Das Umfeld, die<br />
Infrastruktur und die Rahmenbedingungen<br />
mussten also nachträglich<br />
geschaffen werden, angefangen<br />
vom Bau der Fangzäune, damit<br />
nicht gleich alle Bälle in der Dreisam<br />
landen“, sagte Finke damals (im<br />
Hattrick Fußballmagazin, Februar<br />
1995). Und dass er all dies neben<br />
dem Job als Erfolgstrainer voran<br />
trieb, hat ihm auch etliche Feinde<br />
eingebracht. Beispielsweise weil er<br />
die Vermarktung des SC in dessen<br />
eigenen Händen wissen wollte und<br />
einer Agentur gekündigt wurde, die<br />
zuvor alle Rechte an dieser hatte. Alte<br />
Seilschaften wurden also abgeschnitten<br />
und Finke war den dadurch<br />
Benachteiligten ein Dorn im<br />
Auge. Heute hat der SC Freiburg dafür<br />
seine eigene, funktionierende<br />
Marketingabteilung, die von Hanno<br />
Franke geleitet wird, den Finke damals<br />
als Jungspund mit Wuschelkopf<br />
zum SC holte. Außerdem gibt<br />
es einen Sportdirektor Dufner und<br />
dazu einen „Verwaltungsdirektor“<br />
Romeiko; für das Merchandising ist<br />
ein Mann mit Namen Jochen Wahl<br />
zuständig, für die „Mitgliederbetreuung“<br />
eine Frau, die Annette<br />
Schäfer heißt. Im Jahr des ersten<br />
Aufstiegs 1993 saß Finke manchmal<br />
noch selbst im kärglich eingerichteten<br />
„Geschäftszimmer“ (das in<br />
Wirklichkeit ein Container war) und<br />
nahm schon auch das Telefon ab,<br />
um dier Kartenanfragen von Fans<br />
zu beantworten, während Präsident<br />
Achim Stocker (oft wütend ob der
Best of<br />
ZaS<br />
November<br />
2010<br />
e s s ay f u s s B a l l 27<br />
„grünen Politik dieser Stadt“) sich<br />
persönlich um die chaotische Parksituation<br />
auf den Dreisamwiesen<br />
kümmerte.<br />
So wurde also im Laufe der Zeit<br />
ein richtiger Bundesliga-Verein aus<br />
dem SC Freiburg und musste Robin<br />
Dutt sich ab seinem Amtsantritt<br />
kaum um andere Dinge kümmern<br />
als den sportlichen Erfolg, was ja<br />
nun auch keine Kleinigkeit ist. Im<br />
Gegenteil liegt eindeutig der größte<br />
gemeinsame Nenner von Finke und<br />
Dutt darin, dass beide ganz außergewöhnliche<br />
Fähigkeiten besitzen,<br />
aus sehr wenig finanziellem Spielraum<br />
sehr viel Fußball-Kunst zu<br />
machen. War Finke spätestens ab<br />
1995 mit seiner Spielidee der kurzen<br />
Wege stilprägend (weil das seither<br />
alle machen), so ist Robin Dutt die<br />
spielerische Weiterentwicklung in<br />
eben gerade den Zeiten, in denen die<br />
Innovationen eingeschränkt sind,<br />
zuzuschreiben. „Bei einem Etat von<br />
14,5 Millionen Euro für die Profis<br />
machen wir vieles richtig“, sagte<br />
Dutt kürzlich im „Kicker“. Und die<br />
Wahrheit ist wohl, dass dies nicht<br />
vielen Trainern gelingen würde. Der<br />
Satz hätte übrigens genausogut<br />
von Finke 1995 stammen können.<br />
Die Außendarstellung des SC-<br />
Trainers ist inzwischen von einer<br />
guten Mischung aus Zurückhaltung,<br />
Witz und souveränem Selbstbewusstsein<br />
geprägt. Dass er dabei<br />
stets gnadenlos sachlich bleibt, ist in<br />
der heutigen Medienlandschaft gar<br />
nicht so einfach und verdient Respekt.<br />
Robin Dutt kann und will es<br />
nicht ändern, dass der SC Freiburg<br />
in der allgemeinen, überregionalen<br />
Wahrnehmung zu kurz kommt. Das<br />
liegt ja auch nicht an ihm, sondern<br />
an der Entwicklung eben jener<br />
Berichterstattung, die Finke schon<br />
früh attackierte: „Sat1 kotzt mich<br />
an“, provozierte er schon 1993, und<br />
politisierte damit gleich nach seinem<br />
ersten Bundesliga-Aufstieg.<br />
Denn die damals neue kommerzielle<br />
Ausrichtung des Privatsenders<br />
Foto: Witters<br />
schien Finke ein Stück Niedergang<br />
der Fußball-Kultur zu sein. „So wie<br />
die Medien sich den Fußball inzwischen<br />
gegriffen haben, verbrauchen<br />
wir uns rasend. (...) Ein paar Jahre<br />
sind okay, dann kann man unsere<br />
Fresse nicht mehr sehen – egal wie<br />
gut die Arbeit ist, die wir machen“,<br />
machte Finke Dampf gegen den<br />
Sender, der die Vereine bezahlte.<br />
Heute hat Dutt es mit mindestens<br />
zwei Live-Sendern (Sky und „Liga<br />
Total“ von Telekom) zu tun, die zwar<br />
alle Spiele live übertragen, sich aber<br />
meist in den Kommentaren vor Unsachverstand<br />
fast überschlagen.<br />
Und die damals von Volker Finke attackierten<br />
Leute (wie Beckmann)<br />
machen heute die ARD-Sportschau.<br />
Keine Chance für Robin Dutt und<br />
Kollegen. Sollte er 2010 den Erfolg<br />
von 1995 wiederholen, werden sich<br />
die Sender etwas einfallen lassen<br />
müssen, um den SC Freiburg irgendwie<br />
sexy zu machen. Es wird<br />
keine Story über redliche Arbeit sei.<br />
Das war bei Finke mit dem Brilli im<br />
Ohr nicht anders.<br />
Robin Dutt warnt derweil, dass<br />
der SC bei einem Abstieg aus der<br />
Bundesliga den Weg nach oben vielleicht<br />
nie mehr schafft. Weil auch in<br />
Liga zwei die Konkurrenz aufgrund<br />
deren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
dem SC überlegen ist. Er<br />
selbst wird, wie Finke damals auch,<br />
Angebote der etablierten Vereine<br />
haben. Und wird vielleicht gehen,<br />
wo Finke blieb.<br />
Ich bin Heimat.<br />
Ich bin Bobbele.
Der einzigartige HALLENSPIELPLATZ in Freiburg!<br />
Professionell und fair zum Ziel.<br />
Ob als Mannschaft oder einzelner Leistungsträger: Die Hans Leutenegger GmbH vermittelt teamorientierte Spezialisten<br />
mit Ausdauer und ehrgeizigen Zielen, die den Wettkampf um beste Arbeitsergebnisse professionell und fair angehen.<br />
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Best of<br />
ZaS<br />
Oktober<br />
2010<br />
F i r M e n P O r t r a i t M a r k t 29<br />
Der Chef weiß wie’s geht:<br />
Raumausstatter-Meister<br />
Meinrad Mayer ist der Profi<br />
fürs Verlegen von Fußböden<br />
jeglicher Art.<br />
Herbstbraune<br />
Deco-Point Mayer bietet eine große<br />
Auswahl an Fußböden und sorgt<br />
fürs fachgerechte Verlegen oder den<br />
richtigen Abschliff von altem Parkett.<br />
Ausführliche und kompetente<br />
Beratung, eine eigene Nähwerkstatt<br />
und Polsterei sowie eine Fülle an<br />
Stoffen und Wohnaccessoires sorgen<br />
für einen Rundum-Service.<br />
Die kuschelige Jahreszeit hat<br />
begonnen. Das eigene Heim so<br />
zu gestalten, dass kalte Böen,<br />
tropfender Regen und verhangener<br />
Himmel uns nichts ausmachen, das ist<br />
jetzt die Kunst. Deco-Point Mayer aus<br />
Gutach-Bleibach ist da der ideale Partner.<br />
Allein bei den Fußböden, die von<br />
dem Meisterbetrieb fachgerecht verlegt<br />
werden, bietet Deco-Point Mayer<br />
eine riesige Auswahl. Natürlich und<br />
warm, voller lebendiger Schönheit<br />
wird das Zuhause beispielsweise mit<br />
einer Vielzahl an Holzarten, Strukturen<br />
und Mustern.<br />
Im Handumdrehen entsteht so<br />
eine komfortable und exklusive<br />
Wohnatmosphäre. Die Fachkräfte<br />
von Deco-Point Mayer sind auch<br />
dann zur Stelle, wenn „altes" Parkett<br />
eine Auffrischung nötig hat. Fachgerecht<br />
werden die Böden dann abgeschliffen<br />
und versiegelt odergeölt.<br />
Im großzügigen Ausstellungsraum<br />
bei Deco-Point Mayer kann<br />
man sich aber auch von den Qualitäten<br />
anderer Bodenbeläge überzeuge.<br />
Linoleum und Kautschuk beispielsweise,<br />
ganz natürliche und<br />
strapazierfähige Böden. Oder behaglicher<br />
und und pflegeleichter<br />
Korkboden. Trendig sind auch<br />
Kunststoff-Designbeläge, die eine innovative<br />
und kreative Ausstrahlung<br />
Böden<br />
haben. Hart im Nehmen sind Laminatböden,<br />
während Teppichböden<br />
nach wie vor unschlagbar warm und<br />
weich sind, wobei Nadelfilz und Kugelgarn<br />
besonders robust und<br />
langlebig sind.<br />
Das Fachteam von Deco-Point<br />
Mayer, von denen etliche bereits im<br />
eigenen Betrieb ausgebildet wurden,<br />
hat sich mit der Ausstattung von Häusern<br />
und Wohnungen ebenso wie im<br />
gewerblichen Bereich, in Schulen und<br />
Krankenhäusern überregional einen<br />
Namen gemacht. Das Motto der Inhaber<br />
Gerlinde und Meinrad Mayer (Foto<br />
rechts oben) – der Chef ist Raumausstatter-Meister,<br />
der Profi im Verlegen<br />
von Böden – lautet entsprechend:<br />
„Wir schaffen Lebensräume- und erfüllen<br />
ihre Wohnträume“.<br />
Ob Untergrundsanierung im Altbau,<br />
Schnell-und Trockenestrichsysteme<br />
oder eine individuelle Oberflächengestaltung<br />
von Holz-Steinund<br />
Kunststoffböden, das bestens<br />
geschulte Boden-Team ist stets motiviert<br />
bei der Sache.<br />
Und wer nach einer weitergehenden<br />
Aus- oder Umgestaltung der<br />
eigenen Wohnung, des Büros oder<br />
Betriebs sucht, wird bei Deco-Point<br />
Mayer gleich mit fündig. Eine überwältigende<br />
Auswahl an Stoffen,<br />
Farben und Gestaltungselementen<br />
sowie Dekorationsstücken laden ge-<br />
dazu ein, Räume neu zu gestalten<br />
und eigene Akzente zu setzen.<br />
Auch hierbei wird der Kunde und<br />
die Kundin bei Deco-Point Mayer mit<br />
tatkräftigem Fachwissen unterstützt.<br />
Direkt im Betrieb in derhauseigenen<br />
Nähwerkstatt wird individuell maßgenau<br />
genäht und gepolstert. Mit viel<br />
Liebe zum Detail entstehen Gardinen<br />
und Vorhänge, Tischdecken und Kissen,<br />
Hussen und Plaids sowie Bankund<br />
Stuhlpolster, Sessel-und Sofabezüge.<br />
Fantasie und Vorstellungen<br />
sind hier keinerlei Grenzen gesetzt.<br />
Aber auch alte Liebhaberstücke<br />
werden hier behutsam und fachgerecht<br />
neu gepolstert und bezogen, so<br />
dass der bequeme Lieblingssessel für<br />
die gemütlichen Winterabende wieder<br />
einladend bereit steht.<br />
Deco-Point Mayer ist ein Traditionsunternehmen.<br />
Im Jahr 1900 in<br />
Elzach als Sattlerei gegründet, ist das<br />
Handwerksunternehmen heute 110<br />
Jahre später zu einem modernen leistungsstarken<br />
Betrieb mit 24 bestens<br />
geschulten Mitarbeitern angewachsen.<br />
Seit 1998 präsentiert sich das<br />
Unternehmen auf 1600 Quadratmetern<br />
in Gutach-Bleibach direkt an<br />
der B 294.<br />
Seit Oktober hat Deco-Point<br />
Mayer nun auch wieder sonntags geöffnet.<br />
Dieser Tag (ohne Beratung<br />
und Verkauf) bietet sich an, um in<br />
Ruhe durch die Ausstellung zu<br />
schlendern und sich von den neuesten<br />
Wohntrends, Stoffen und Fußböden<br />
inspirieren zu lassen.<br />
Barbara Breitsprecher<br />
n Deco-Point Mayer Raumausstattung,<br />
Am Stollen 10, Gutach/Bleibach,<br />
Tel. 07685/910580; geöffnet Mo. bis<br />
Fr. 9.30 - 18.30 Uhr, Sa. 9.30 - 16 Uhr,<br />
So. 14 - 17 Uhr (ohne Beratung).<br />
www.deco-point-mayer.de<br />
Bodenbeläge sind bei<br />
Deco-Point Mayer in großer<br />
Auswahl ausgestellt.
30<br />
F i r m e n<br />
A n z e i g e<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Portrait<br />
2010<br />
Weltpremiere in Herbolzheim<br />
am 10.10.2010 beim Tag der offenen Tür<br />
Franz Herbstritt gmbH und Vaillant präsentieren die Zeolith Wärmepumpe, die mit Mineralkügelchen arbeitet. Das traditionsreiche<br />
Unternehmen geht innovative Wege, um den Kunden individuelle Lösungen bei Heizung, Sanitär und Lüftung anzubieten<br />
HHeiko Geffers schaut vor allem<br />
in die Zukunft. Zusammen<br />
mit Nicola Russo leitet er<br />
die Franz Herbstritt GmbH. Heiko Geffers<br />
als staatlich geprüfter Versorgungstechniker<br />
und Nicolo Russo als<br />
Handwerksmeister sind ein eingespieltes<br />
Team und ergänzen sich in ihren<br />
Aufgaben.<br />
WIR SUCHEN...<br />
zur Unterstützung unseres Teams einen KUNDEN-<br />
DIENSTMONTEUR für den Bereich Heizung und<br />
freuen uns über interessante Bewerbungen.<br />
Die Firma Franz Herbstritt war bereits<br />
seit vier Generationen in Familienbesitz<br />
als H. Geffers und N. Russo die<br />
Firma 2002 übernahmen. Sie behielten<br />
die vertraute, familiäre Führung<br />
bei und beschreiten nun neue Wege.<br />
Die Firma hat ihre Schwerpunkte<br />
in den Bereichen Heizung, Sanitär,<br />
Lüftung sowie Baublechnerei und<br />
beschäftigt derzeit 28 Mitarbeiter.<br />
Durch die lange Tradition gerade<br />
im Bereich der Baublechnerei arbeitet<br />
die Firma Herbstritt bereits<br />
Jahrzehnte mit dem Europa Park zusammen.<br />
Die Zwiebeltürme im russischen<br />
Bereich, sowie die Effekte im<br />
Magic Cinema 4D zählen hier zu den<br />
nennenswerten Referenzen. Durch<br />
einzigartige Neuentwicklungen<br />
führte die Firma Herbstritt 2006 auch<br />
Arbeiten in einem Freizeitpark in<br />
Südkorea aus.<br />
nicola russo Geschäftsführer und Handwerksmeister<br />
„Wir bieten mehr als Standard“,<br />
erläutert Heiko Geffers. „Wir suchen<br />
stets nach individuellen Lösungen<br />
und können durch kontinuierliche<br />
Weiterbildung unsere Kunden<br />
in den Bereichen Heizung, Bäder,<br />
Baublechnerei und Lüftung/Kühlung<br />
kompetent<br />
und zuverlässig beraten.“<br />
Neben einigen Großprojekten<br />
wurde im Sommer 2010 auch die<br />
firmeneigene Ausstellung vergrößert<br />
und aktualisiert. Ein weiterer<br />
Schritt zur innovativen Ausrichtung<br />
der Franz Herbstritt GmbH.<br />
Auch bei der Kundenberatung setzen<br />
Heiko Geffers und Nicola Russo<br />
auf Innovation: Durch eine spezielle<br />
Software gelingt es Ihnen, den<br />
Kunden individuelle, passende Lösungen<br />
für Modernisierung oder<br />
Neubau zu bieten. In angenehmer<br />
Atmosphäre in einem eigens dafür<br />
konzipierten Raum werden die<br />
Kunden beraten.<br />
„Kompetente Beratung findet<br />
nicht mehr im Keller statt, sondern<br />
beginnt beim Kennenlernen des<br />
Kunden, der Bedarfseinschätzung,<br />
Kosten-Nutzen-Abwägung und Ressourcenplanung.<br />
Durch das neue System<br />
können wir dem Kunden zudem<br />
Heiko geffers Geschäftsführer und Versorgungstechniker<br />
das Ausschöpfen aller möglichen<br />
Förderungen zu den jeweiligen Heizungsvarianten<br />
garantieren“ erklärt<br />
Heiko Geffers. „Wer mit der Zeit geht,<br />
muss mit dem Fortschritt Schritt halten<br />
können.“<br />
Nach der Eröffnung des neuen<br />
Firmengeländes im Sommer 2006<br />
gab es nun wieder etwas zu feiern:<br />
Eine Weltpremiere gab es am Tag der<br />
offenen Tür am 10.10.2010 in der<br />
Hauptniederlassung Herbolzheim -<br />
die neue Zeolith-Gas-Wärmepumpe<br />
von Vaillant. Das griechische Wort<br />
Zeolith bedeutet „Siedestein“. Der<br />
extrem poröse Kristall hat nämlich<br />
die Eigenschaft, Wasser anzusaugen<br />
und dabei Wärme abzugeben. Damit<br />
Sie diese natürliche Wärmeerzeugung<br />
nutzen können, hat Vaillant<br />
die Zeolith-Gas-Wärmepumpe zeo-<br />
THERM entwickelt: das weltweit effizienteste<br />
Gas-Heizgerät für Einfamilienhäuser.<br />
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ZaS<br />
Portrait<br />
2010<br />
g o l F c l u B P o r T r A i T 31<br />
Wellness in sattem Grün<br />
S o l A r - A n l A g e<br />
Wenn die Sonne sich über dem<br />
Grün des Golfclubs Tuniberg<br />
senkt, hat dies symbolischen<br />
Charakter. Nach längerer Planungs-<br />
und Bauphase hat der<br />
Golfclub Tuniberg auf dem Dach<br />
seiner neu errichteten Halle zur<br />
Unterbringung der Geräte, die<br />
wiederum zur Pflege der idyllischen<br />
Anlage dienen, eine große<br />
Solaranlage installieren lassen.<br />
„Natürlich ist der Golfsport mit<br />
seiner Naturverbundenheit und<br />
dem Bewegen auf dem Grün dafür<br />
prädistiniert, ökologisch einen<br />
Beitrag zu leisten“, erklärt Klaus<br />
Pfannkuch, der Geschäftsführer<br />
des Golfclubs Tuniberg. Die rund<br />
1000 Mitglieder des Golfclubs<br />
wurden in die Entscheidungsfindung<br />
mit einbezogen und standen<br />
dem Vorhaben positiv gegenüber.<br />
Die Solaranlage ist Teil des erfolgreichen<br />
Bürgerbeteiligungsprojektes<br />
„regiomix 2030“, das Wind,<br />
Wasser und Sonne in einem Vorhaben<br />
vereint. Der durch die Solaranlage<br />
gewonnene Strom wird<br />
ins Netz eingespeist und die Gewinnung<br />
auf einer Tafel jeweils aktuell<br />
angezeigt. „Generell<br />
reicht die Gewinnung<br />
schon mindestens zur<br />
Versorgung eines<br />
Mehrfamilienhauses“,<br />
so Pfannkuch. Für den Geschäftsführer<br />
des Golfclubs war<br />
klar, dass die süd-südwest-Lage<br />
der neuen Halle optimal zur Anbringung<br />
einer Solaranlage geeignet<br />
ist. „Da der Golfclub ökologisch<br />
und umweltbewusst orientiert<br />
ist, lag es nahe, dies zu<br />
nutzen“, so Klaus Pfannkuch.<br />
Seit gut 20 Jahren gibt es den Golfclub Tuniberg schon, der sich ständig<br />
weiter entwickelt. Golf fasziniert immer mehr Leute<br />
Den Golfclub Tuniberg gibt es<br />
schon seit gut 20 Jahren. Er<br />
hat sich in dieser Zeit immer<br />
weiter entwickelt, insbesondere was<br />
die Dienstleistungsvoraussetzungen<br />
angeht. „Meine Philosophie ist, dass<br />
wir vergleichbar mit einem Hotel ein<br />
Dienstleister sind. Wir haben einen<br />
Empfang, eine Rezeption, einen Shop,<br />
eine Gastronomie und einen großen<br />
Wellnessbereich – der Golfplatz“, erläutert<br />
Klaus Pfannkuch, Geschäftsführer<br />
und Clubmanager. Die Kunden<br />
sind die Mitglieder und Gäste. Und<br />
Mitglieder hat der Club immerhin<br />
schon rund Eintausend.<br />
Entsprechend dieser Philosophie<br />
steht der Golfclub Tuniberg auch<br />
neuen Kunden stets offen gegenüber.<br />
„Ein Golfclub ist immer für interessierte<br />
Leute offen. Denn das Schöne<br />
am Golf ist ja gerade, dass er ein<br />
Lifetime-Sport ist, den man in jedem<br />
Alter beginnen kann, wo schon die<br />
Kleinsten großen Spaß haben, aber<br />
ebenso ältere Menschen viel Entspannung<br />
finden“, so Pfannkuch.<br />
Manchmal ergeben sich im Urlaub<br />
die ersten Berührungspunkte mit<br />
dem grünen Sport, da viele Hotels<br />
dies mittlerweile anbieten. Wieder zu<br />
Hause will man weiter ausprobieren,<br />
mal ein Schnupperkurs machen,<br />
dann kommt die Platzreife dran, und<br />
irgendwann will man vielleicht<br />
auch Mitglied werden.<br />
Was ist die große Faszination<br />
am Golfen? „Es ist toll, wenn der<br />
Ball fliegt. Dann das Naturerlebnis<br />
dazu – das ist schon klasse. Aber<br />
man muss es wirklich mal erleben,<br />
um das zu spüren“, weiß Klaus<br />
Pfannkuch. Dazu hat die Sportart<br />
Golf einige spezifische Besonderheiten:<br />
Es gibt kaum eine andere<br />
Sportart, die man ebenso alleine<br />
spielen kann wie auch mit anderen<br />
zusammen. Ebenso können Partner<br />
zusammen spielen, die sich auf ganz<br />
unterschiedlichem Leistungsniveau<br />
bewegen, da einfach jeder gegen<br />
sein persönliches Handicap spielt.<br />
Hinzu kommt, dass man bis ins<br />
höchste Alter golfen kann. „Wir haben<br />
einige Mitglieder, die über 80<br />
Jahre alt sind. Das bieten wenige<br />
Sportarten, vor allem dass dabei<br />
auch ein Ball und Spaß dabei ist, das<br />
gibt es für ältere Leute sonst nicht“,<br />
so Pfannkuch. „Und die Tatsache,<br />
dass man auch alleine seine Runde<br />
drehen kann, wird ebenfalls von<br />
sehr vielen Leuten wahrgenommen.<br />
Manche kommen früh am Morgen,<br />
schon um halbsieben Uhr, spielen<br />
neun Loch, gehen dann frühstücken.<br />
und starten so in den Tag. Oder aber<br />
am späteren Abend drehen Leute<br />
noch ihre Runde, zur Entspannung<br />
nach einem langen Tag im Büro“,<br />
weiß der Clubmanager.<br />
Golf vereint Natur, Technik und<br />
Lebensfreude. Der Sport fördert<br />
Kraft, Koordination, Konzentration<br />
und Beweglichkeit. Und nicht zuletzt<br />
bietet der Golf-Sport auch viel<br />
Raum für Kommunikation. Das<br />
kann für Freunde und Partner in eine<br />
gute Gelegenheit zum Austausch<br />
sein, aber auch für Geschäftspartner<br />
gelten. Wenn man eine komplette<br />
Runde spielt, ist man viereinhalb<br />
Stunden zusammen unterwegs. „Da<br />
hat man irgendwann übers Wetter<br />
genug gesprochen und wählt dann<br />
auch andere Themen. Das kann man<br />
durchaus mit der Konzentration aufs<br />
Spiel verbinden“, erläutert Klaus<br />
Pfannkuch. Dies dazu in der tollen<br />
Atmosphäre des weitläufigen Wellness-Bereiches<br />
in sattem Grün.<br />
n Golfclub Tuniberg e.V.,<br />
Großer Brühl 1,<br />
79112 Freiburg-Munzingen<br />
Tel 07664-930610<br />
info@golfclub-tuniberg.de<br />
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T i P P S<br />
Hundert Tage<br />
Schnuppergolf<br />
Der Golfclub Tuniberg bietet nach<br />
dem ersten Kennelernen, etwa<br />
über den Erlebnistag oder nach<br />
dem Mitmachen bei der bundesweiten<br />
Aktion „play golf - have<br />
fun“ einen weiteren Baustein an,<br />
um über einen längeren Zeitraum<br />
von drei Monaten den Golfsport<br />
weiter auszuprobieren. Für eine<br />
Pauschale von 300 Euro kann der<br />
Interessierte die Übungsanlage<br />
des Clubs benutzen, inklusive<br />
Leihschläger und drei Trainerstunden.<br />
„Innerhalb von drei Monaten<br />
lernt man ja nicht nur den Golfsport<br />
kennen, sondern auch den<br />
Club und die Mitglieder. Man<br />
kann in dieser Zeit auch die Platzreife<br />
machen“, erläutert Klaus<br />
Pfannkuch, Geschäftsführer und<br />
Clubmanager des Golfclub Tuniberg.<br />
Ausblick auf die<br />
mittwochs-Trophy<br />
Einmal im Monat findet beim<br />
Golfclub Tuniberg die „Mittwochs-Trophy“<br />
statt, eine seit<br />
Jahren etablierte und sportlich<br />
ausgerichtete Veranstaltung. Es<br />
ist ein generell offenes Turnier, bei<br />
dem Mitglieder und Gäste um ihr<br />
Handicap spielen. Die Beteiligung<br />
ist meist sehr gut, manchmal<br />
mit Gästegruppen<br />
auch aus der<br />
Schweiz. Teilnehmer müssen<br />
dabei mindestens ein<br />
Handicap von 36 vorweisen<br />
können.
32<br />
M e d i Z i n<br />
DIm Freiburger St. Josefskrankenhaus<br />
wurde die<br />
bisherige Chefärztin der<br />
Abteilung für Frauenheilkunde,<br />
Dr. Irmgard Posch (65) im Rahmen<br />
einer Feierstunde in den Ruhestand<br />
verabschiedet und für ihr<br />
erfolgreiches Wirken gewürdigt.<br />
Als Nachfolger wird Dr. Christoph<br />
Jäger (39) der Abteilung vorstehen,<br />
während Chefarzt Dr. Ulrich<br />
Lattermann (56) weiterhin die<br />
Geburtshilfe und Perinatologie<br />
leiten wird.<br />
Ko M p et e n Z<br />
Hoffnung bei<br />
Bluthochdruck<br />
Herz-Zentrum Bad Krozingen bietet neues Therapieverfahren an:<br />
Überaktive Nierennerven werden per Katheder „ausgeschaltet“<br />
Bei Bluthochdruck ist die egulierung<br />
des sympathischen<br />
Nervensystems gestört. Für<br />
Patienten, bei denen unterschiedliche<br />
blutdrucksenkende Medikamente<br />
bisher nur unzureichend geholfen haben,<br />
besteht jetzt die Möglichkeit mit<br />
dem Verfahren der sogenannten<br />
Hochfrequenzablation die überaktiven<br />
Nierennerven, die den Bluthochdruck<br />
mitverursachen, per Katheter<br />
auszuschalten.<br />
Hoher Blutdruck ist die Volkskrankheit<br />
schlechthin und häufigste<br />
Todesursache in Deutschland. Viele<br />
Betroffene kennen ihr erhöhtes Risiko<br />
nicht und kommen oft erst<br />
dann zum Hausarzt oder in ein<br />
Krankenhaus, wenn schon Gesundheitsschäden<br />
bestehen. So geht man<br />
davon aus, dass nur ca. 50% der<br />
Bluthochdruckfälle entdeckt und<br />
nur ca. 20 % der Bluthochdruckfälle<br />
adäquat behandelt werden.<br />
IN MEDIZIN<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Medizin<br />
2010<br />
Chefarztwechsel<br />
St.Josefskrankenhaus. Dr. Christoph Jäger folgt der in den Ruhestand<br />
gehenden Chefärztin Dr. Irmgard Posch in der Frauenheilkunde<br />
Nach dem Studium der Medizin in<br />
Tübingen, Würzburg und München<br />
absolvierte Dr. Jäger seine Facharztausbildung<br />
an der Universitätsfrauenklinik<br />
Ulm, wo er später auch viele<br />
Jahre als Oberarzt tätig war. Bereits<br />
vor seiner Ernennung zum<br />
Chefarzt im Regionalverbund kirchlicher<br />
Krankenhäuser (RkK) arbeitete<br />
Dr. Jäger als Belegarzt am ebenfalls<br />
zum Klinikverbund gehörenden<br />
Freiburger St. Elisabeth-Krankenhaus.<br />
Prof. Dr. Rolf Kreienberg,<br />
Ärztlicher Direktor der Universitätsfrauenklinik<br />
Ulm und Präsident der<br />
Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie<br />
und Geburtshilfe e. V. ließ es<br />
sich nicht nehmen, der Feierstunde<br />
persönlich beizuwohnen und die<br />
herausragende, in zehn Jahren gemeinsamer<br />
Zusammenarbeit erworbene,<br />
fachliche Qualifikation hervorzuheben.<br />
Im Hinblick auf den für<br />
Patienten sich bietenden Nutzen betonte<br />
Helmut Schillinger, Geschäftsführer<br />
der RkK gGmbH: „Mit der Erfahrung<br />
aus 10-jähriger verantwortlicher<br />
Tätigkeit bei einem<br />
Maximalversorger und dem erfolgreichen<br />
Aufbau einer eigenen gynäkologischen<br />
Praxis<br />
bringt Dr. Jäger optimale<br />
Voraussetzung eine noch<br />
intensivere Vernetzung<br />
ambulanter und stationärer<br />
Bereiche mit“. Dazu gehöre<br />
auch ein kooperatives<br />
Miteinander von<br />
Haupt- und Belegabteilungen.<br />
Die Regionalverbund<br />
kirchlicher Krankenhäuser<br />
(RkK) gGmbH ist mit jährlich<br />
über 25.000 stationären Patienten<br />
der größte außeruniversitäre Gesundheitsdienstleister<br />
in Südbaden.<br />
Zum Verbund gehören das St. Josefskrankenhaus,<br />
das Loretto-Krankenhaus<br />
und das St. Elisabeth-Krankenhaus<br />
in Freiburg sowie das Bruder-Klaus-Krankenhaus<br />
in<br />
Waldkirch. Ergänzt wird das Angebot<br />
durch das stationäre Hospiz Karl<br />
Josef gGmbH in Freiburg. Der RkK<br />
steht für eine von christlichen Werten<br />
getragene Erhaltung und<br />
Wiederherstellung der Gesundheit in<br />
Verbindung mit höchstem medizinischem<br />
und pflegerischem Anspruch.<br />
Für Patienten mit einem Blutdruck<br />
über 160 mmHg (bzw. einem Blutdruck<br />
von über 150 mmHg mit Diabetes<br />
mellitus Typ 2), bei denen sich<br />
trotz Einsatzes von drei Blutdruck senkenden<br />
Medikamenten keine Besserung<br />
erzielen lässt, steht das neue Therapieverfahren<br />
zur Verfügung. In einem<br />
30 bis 60 Minuten dauernden<br />
Kathetereingriff in örtlicher Betäubung<br />
durch die Leistenarterie kann der<br />
Blutdruck nachhaltig gesenkt werden.<br />
Der Eingriff erfolgt in beiden Nierenarterien.<br />
Vor dem Hintergrund, dass<br />
die Betroffenen bisher häufig fünf oder<br />
mehr verschiedene Präparate täglich<br />
ohne ausreichenden Erfolg einnehmen<br />
müssen, betont der Chefarzt der Angiologischen<br />
Abteilung, Professor Dr.<br />
Thomas Zeller: „Die Blutdruckeinstellung<br />
lässt sich durch dieses Verfahren<br />
langfristig deutlich verbessern und dadurch<br />
potentiell auch die Anzahl der<br />
Medikamente senken“.<br />
"Ich war richtig fertig, hatte Schlafstörungen,<br />
starke Kopfschmerzen,<br />
innere Unruhe und war kaum noch<br />
belastbar. Bis zu sieben unterschiedliche<br />
Medikamente waren<br />
verordnet und die Blutdruckwerte<br />
lagen oft bei 220", beschreibt ein betroffener<br />
Patient die Situation vor<br />
der neuen Therapie. Heute, drei Monate<br />
nach der Ausschaltung der<br />
überaktiven Nerven, fühlt er sich<br />
sehr gut, schläft wieder besser, hat<br />
keine Kopfschmerzen mehr, die innere<br />
Unruhe ist weg und die Blutdruckwerte<br />
liegen bei 128 zu 79<br />
mmHg. Vom Eingriff selbst hat er<br />
wenig gemerkt. Durch Zufall wurde<br />
festgestellt, dass diese Methode sich<br />
auch positiv auf Stoffwechselstörungen,<br />
wie Diabetes mellitus, auswirken<br />
kann. Somit hofft man, eine<br />
neue Behandlungsmöglichkeit bei<br />
Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus<br />
oder Niereninsuffizienz gefunden zu<br />
haben.<br />
n www.herzzentrum.de<br />
Das Schulterzentrum<br />
geht an den Start<br />
Freiburg. Oberarzt Dr. med. Jörg Halbgewachs<br />
baut im Freiburger Loretto-Krankenhaus ein<br />
Schulterzentrum auf<br />
Mit dem als Oberarzt eingetretenen<br />
Schulterspezialisten<br />
Dr. med. Jörg Halbgewachs<br />
baut der Regionalverbund<br />
kirchlicher Krankenhäuser (RkK) die<br />
Kompetenz für Schultererkrankungen<br />
in der von Chefarzt Dr. Marcel<br />
Ruẗschi geleiteten Orthopädischen<br />
Chirurgie im Loretto-Krankenhaus<br />
weiter aus. Zuvor war Dr. Halbgewachs<br />
in der Schweiz bei Dr. E. Buess,<br />
einem international anerkannten<br />
Spezialisten für Schulterchirurgie in<br />
Bern sowie der Schulthess Klinik in<br />
Zürich, eines der größten orthopädischen<br />
Zentren in der Schweiz, tätig.<br />
Der Aufbau des Schulterzentrums<br />
im Freiburger Loretto-Krankenhaus<br />
trägt der Tatsache Rechnung, dass<br />
die Häufigkeit chronischer Schulterschmerzen<br />
in den vergangenen<br />
Jahren deutlich zugenommen und<br />
sich gleichzeitig das Wissen um die<br />
Schädigungen der Schulter sehr<br />
rasch vermehrt mehr. So können<br />
heute dank der Magnetresonanztomografie<br />
(MRI) auch Weichteilstrukturen<br />
sehr gut dargestellt werden.<br />
Ein großer Schritt vorwärts<br />
konnte auch durch die Arthroskopie<br />
(= Gelenkspiegelung) als sog. minimal-invasive<br />
Behandlungsmethode<br />
erzielt werden. Die meisten Schultereingriffe<br />
lassen sich heute arthroskopisch<br />
durchführen, was für<br />
den Patienten weniger Schmerzen,<br />
kleinere Operationsnarben und eine<br />
schnellere Heilung bedeutet.<br />
Oberarzt Dr. med. Jörg Halbgewachs<br />
gibt der auch überregional<br />
anerkannten Kompetenz des Loretto-Krankenhauses<br />
im Bereich der<br />
arthroskopischen Schulterchirurgie<br />
und Endoprothetik ein Gesicht. Da<br />
es sich bei Schulterschmerzen häufig<br />
um quälende, stark einschränkende<br />
und lang anhaltende Beschwerden<br />
handelt, empfiehlt der<br />
Schulterspezialist auch erstmalige<br />
auftretende Beschwerden Ernst zu<br />
nehmen: „Viele Erkrankungen der<br />
Schulter können im Frühstadium effektiv<br />
und langwirksam behandelt<br />
werden“.<br />
Das Schultergelenk gehört zu<br />
den komplexesten Gebilden des<br />
menschlichen Körpers und funktioniert<br />
durch ein äußerst komplexes<br />
Zusammenspiel von Gelenken, Sehnen,<br />
Muskeln und Bändern. Die außerordentlich<br />
große Bewegungsumfang<br />
geht dabei auf Kosten der<br />
Stabilität. Dies erklärt auch, warum<br />
ein großer Teil der Erkrankungen<br />
der Schulter sich in den Weichteilen<br />
abspielt. Erkrankungen oder Verletzungen<br />
an den knöchernen Strukturen<br />
führen zwangsläufig zu Veränderungen<br />
am Weichteilmantel<br />
und umgekehrt. Insbesondere chronische<br />
Schulterschmerzen zeigen<br />
oft ihr anatomisches Korrelat in Erkrankungen<br />
der Weichteilführung.
Best of<br />
ZaS<br />
Medizin<br />
2010<br />
Ko M p et e n Z M e d i Z i n 33<br />
Das Herz-Zentrum Bad Krozingen<br />
wurde als familienbewusstes<br />
Krankenhaus ausgezeichnet.<br />
Das von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung<br />
durchgeführte Audit<br />
„Beruf und Familie“ bestätigt, dass das<br />
Herz-Zentrum großen Wert auf die Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie legt.<br />
Insgesamt wurden im Rahmen eines<br />
Audits 26 Ziele definiert, die mit 58 Einzelmaßnahmen<br />
umgesetzt und überprüft<br />
werden sollen<br />
Das Herz-Zentrum Bad Krozingen<br />
möchte durch dieses Audit die Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie weiter<br />
fördern und durch einen stetigen Verbesserungsprozess<br />
weiterentwickeln.<br />
„Durch ergänzende betriebliche Maßnahmen<br />
können wir einen oftmals entscheidenden<br />
Beitrag leisten, um Familien<br />
spürbar zu entlasten“, betont Verwaltungsdirektor<br />
Bernd Sahner und<br />
ergänzt: „Ziel ist es, Beschäftigten mit<br />
Kindern aber auch mit zu pflegenden<br />
Angehörigen sinnvoll durch verschiedene<br />
Maßnahmen zu entlasten.“<br />
Familienbewusst<br />
prof. dr. Franz-Josef neumann<br />
Geschäftsführender ärztlicher<br />
Direktor<br />
Herz-Zentrum Bad Krozingen erhält Zertifikat<br />
zum Audit „Beruf und Familie“<br />
Mitarbeiter aus den unterschiedlichen<br />
Arbeitsbereichen konnten im Rahmen<br />
eines Workshops ihre Wünsche und<br />
Ideen vorbringen. Diese wurden dann<br />
in Abstimmung mit der Geschäftsleitung<br />
in Zielvereinbarungen zu verschiedenen<br />
Handlungsfeldern umgesetzt.<br />
Im Bereich Flexibilisierung der<br />
Arbeitszeit möchte das Herz-Zentrum<br />
durch Ausweitung der Gleitzeit, erweiterten<br />
Teilzeitmöglichkeiten und<br />
familienfreundlichere Schichtbeginnund<br />
Schichtendzeiten die nächsten<br />
Schritte gehen. Im Rahmen der Unterstützung<br />
bei der Kinderbetreuung<br />
sollen auf Basis einer Bedarfsermittlung<br />
unter den Mitarbeitern, in Koo-<br />
peration mit bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />
eine optimale<br />
Fürsorge sichergestellt werden. Die<br />
Fortführung und Weiterentwicklung<br />
von Ferienbetreuungsangeboten sind<br />
weitere Handlungsfelder, die angepackt<br />
werden.<br />
n Weiterführende Informationen:<br />
www.herzzentrum.de<br />
H o M e p a g e<br />
Auszeichnung für www.herzzentrum.de<br />
Herz-Zentrum Bad Krozingen unter den<br />
Top 2 Klinik-Webseiten in Deutschland<br />
Die Jury des KlinikAwards 2010, der wichtigsten<br />
Auszeichnung im Bereich Klinikmarketing,<br />
hat jetzt die Homepage<br />
des Herz-Zentrums Bad Krozingen als eine der<br />
zwei besten Klinik-Webseiten in Deutschland<br />
ausgezeichnet.<br />
Patienten auch in der Online Welt abzuholen<br />
und das Internet als Kommunikationsplattform<br />
zu begreifen, sind wesentliche Merkmale einer<br />
sich von der Krankenversorgung zur Gesundheitsdienstleistung<br />
wandelnden Ausrichtung<br />
eines Krankenhauses. Die Jury hat mit der Auszeichnung<br />
honoriert, dass die Homepage des<br />
Herz-Zentrums Bad Krozingen heute im Zentrum<br />
aller kommunikativen Aktivitäten steht<br />
und, dank Angeboten wie einer Mediathek, als<br />
Erlebnisplattform wahrgenommen wird.<br />
In die Bewertung eingeflossen ist auch die Tatsache,<br />
dass sich die Zugriffszahlen der in vier<br />
Sprachversionen zur Verfügung stehenden<br />
Homepage seit dem letzten Relaunch verdoppelt<br />
haben und Bad Krozingen bei Google heute<br />
das weltweit mit Abstand am höchsten platzierte<br />
Herz-Zentrum ist. Der KlinikAward honoriert<br />
hervorragende Leistungen im Bereich<br />
Klinikmarketing und schafft Anreize für mehr<br />
Transparenz und Wettbewerb im Krankenhausmarkt.<br />
Seit 2006 wird die Auszeichnung<br />
jährlich von der rotthaus medical gmbh im<br />
Rahmen des Kongresses für Klinikmarketing<br />
verliehen.
34<br />
M e D I z I n<br />
ko M p et e n z<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Medizin<br />
2010<br />
Ohne Bauchschnitt<br />
Nahe am Menschen<br />
Diakoniekrankenhaus. Dank neuartiger Therapie ESD sind Schleimhauttumoren<br />
in Speiseröhre, Magen und Darm endoskopisch therapierbar<br />
Eigentlich erfolgte die Aufnahme<br />
des 75-jährigen Patienten<br />
im Evangelischen Diakoniekrankenhaus<br />
lediglich zur Abklärung<br />
einer Blutarmut. Zur Diagnostik wurde<br />
eine Magenspiegelung durchgeführt<br />
– dabei fiel ein Magengeschwür<br />
als wahrscheinlichste Blutungsquelle<br />
auf. Die bei der Spiegelung entnommenen<br />
Gewebeproben ergaben den<br />
Befund eines Magenfrühkarzinoms,<br />
das heißt eines noch auf die Magenschleimhaut<br />
beschränkten Magenkrebses.<br />
Innovation: Hybrid knife<br />
Glücklicherweise wurde der Tumor<br />
bereits in diesem frühen Stadium<br />
entdeckt, denn so konnte eine<br />
neuartige Therapie angewendet werden:<br />
die „endoskopische Submukosadissektion“<br />
(ESD). Bei diesem erst<br />
in wenigen Kliniken etablierten Verfahren<br />
können Tumoren vollständig<br />
über ein flexibles Endoskop entfernt<br />
werden, ohne dass hierfür ein Bauchdeckenschnitt<br />
erforderlich ist. Möglich<br />
wurde dies durch die Erfindung<br />
des „hybrid knife“, einer Kombination<br />
aus elektrischem Miniaturmesser<br />
und Wasserstrahldüse, durch die<br />
Schwäbische Tüftlerfirma Erbe. Die<br />
technische Innovation besteht darin,<br />
dass zentral aus der Messerspitze ein<br />
Wasserstrahl austritt, dessen Druck<br />
exakt so berechnet ist, dass die<br />
Schleimhaut zwar durchdrungen<br />
aber die tiefer liegende festere Muskelschicht<br />
nicht verletzt wird. Dadurch<br />
wird das zwischen diesen beiden<br />
Schichten liegende Gewebe<br />
(„Submukosa“) aufgespritzt.<br />
Das kranke Gewebe (insbesondere<br />
Schleimhauttumore, z.B. der<br />
Speiseröhre, des Magens und des<br />
Dickdarms) wird so auf eine Art Kissen<br />
aus Kochsalzlösung angehoben<br />
und kann sicher entfernt werden. Der<br />
endoskopische Eingriff wird durch<br />
modernste Technik (HDTV, NBI, etc.)<br />
unterstützt, um den Arzt bei diesem<br />
anspruchsvollen Eingriff optimal zu<br />
unterstützen. Für den Pathologen hat<br />
die ESD den Vorteil, dass er nur ein<br />
einziges Gewebepräparat erhält.<br />
Dem 75-jährigen Patienten blieb<br />
durch den erfolgreichen Einsatz des<br />
„hybrid knife“ eine Operation erspart.<br />
Bei der Kontrolluntersuchung<br />
zeigte sich, dass das krankhafte Gewebe<br />
vollständig entfernt werden<br />
konnte.<br />
n Evangelisches Diakoniekrankenhaus,<br />
Wirthstraße 11, 79110 Freiburg<br />
www.diakoniekrankenhaus-freiburg.de<br />
INNOVATIVE MEDIZIN UND EINFÜHLS<strong>AM</strong>E PFLEGE<br />
Viszeralmedizinisches Zentrum –<br />
Kompetenz für Magen-Darm-Erkrankungen<br />
Gastroenterologie und<br />
Viszeralchirurgie<br />
Die Kliniken für Innere Medizin<br />
und Allgemein-/Viszeralchirurgie<br />
bilden zusammen unser Viszeralmedizinisches<br />
Zentrum, in dem<br />
Bauchspezialisten eng zusammenarbeiten.<br />
Die enge Zusammenarbeit<br />
von spezialisierten Gastroenterologen<br />
und Viszeralchirurgen<br />
ermöglicht eine optimale Diagnose<br />
und Therapie sämtlicher Erkrankungen<br />
des Magen-Darm-Trakts<br />
inklusive der Bauchspeicheldrüse,<br />
der Leber sowie der Gallenblase<br />
und -wege.<br />
Den hocherfahrenen Ärzten stehen<br />
hierbei modernste technische<br />
Verfahren (z.B. HDTV/NBI) zur<br />
Verfügung. Die Patienten werden<br />
von einem konstanten Behandlungs-<br />
und Pflegeteam betreut.<br />
Innovation: "hybrid knife"<br />
Das Evangelische Diakoniekrankenhaus<br />
setzt als erstes Krankenhaus<br />
in Südbaden und als eine der<br />
ersten Kliniken bundesweit das<br />
innovative und hochmoderne<br />
„hybrid knife“-Verfahren ein. Mit<br />
diesem hochspezialisierten Verfahren<br />
können auch größere flache<br />
Läsionen bis hin zu Frühformen<br />
des Schleimhautkrebses komplett<br />
endoskopisch therapiert werden.<br />
Evangelisches Diakoniekrankenhaus • Wirthstraße 11 • 79110 Freiburg<br />
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Saltenberger, Dr. Martin Schäper, Dr. Wolfgang Schareck, Dr. Helge Schmitz,<br />
Dr. Dr. Ekkehard Schreiber, Dr. Christian Schröter, Dr. Matthias Schürholz,<br />
Priv. Doz. Konrad Seller, Dr. Uwe Speck, Dr. Dieter Veith, Dr. Klaus Wätzig<br />
Wir kooperieren und setzen uns ein<br />
zum Nutzen unserer Patienten<br />
- damit Sie weiterhin optimal<br />
und wohnortnah versorgt werden können<br />
- um unsere gesammelte Kompetenz<br />
zum Wohl unserer Patienten zu bündeln<br />
-um Ihnen Arzttermine schnellstmöglich<br />
zur Verfügung zu stellen<br />
- damit Sie Zugang zu Spezialisten<br />
und qualifizierten Zweitmeinungen erhalten<br />
-damit Sie Zugang zu den neuesten<br />
Behandlungs- und Diagnosemethoden haben<br />
Sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen weiter.
Best of<br />
ZaS<br />
Medizin<br />
2010<br />
f I rFIRMENPORTRAIT M e n p o r t r a I t GESUNDHEIT<br />
M e D I z I n 35 19<br />
Behandlung aus einer Hand<br />
Zentrum für ambulante Diagnostik und Chirurgie. In der Freiburger Praxisklinik haben sich vier Fachärzte für Chirurgie<br />
und zwei Anästhesisten zusammengeschlossen. Synergien werden so erfolgreich genutzt.Von Barbara Breitsprecher<br />
Seit 17 Jahren gibt es die „Stühlinger-Klinik“,<br />
das Zentrum für<br />
ambulante Diagnostik und<br />
Chirurgie (ZADC) in der Stühlinger<br />
Straße 24. Vier Chirurgen, spezialisiert<br />
auf Hand- und Fußchirurgie,<br />
Unfallchirurgie, Venenchirurgie und<br />
Hernienchirurgie sowie auf kinderchirurgische<br />
Operationen, haben sich<br />
hier mit zwei Anästhesisten zu einer<br />
Praxisgemeinschaft zusammengeschlossen.<br />
Fotos: privat<br />
Wir wünschen unseren Patienten und ärztlichen<br />
Kollegen ein fröhliches Weihnachtsfest<br />
und einen gesunden Start ins neue Jahr<br />
Großzügiger Eingangsbereich: Die Praxisklinik im Stühlinger steht allen<br />
Kassen- und Privatpatienten offen. Vier Fachärzte für Chirurgie und zwei<br />
Anästhesisten arbeiten hier als festes Team konstruktiv zusammen.<br />
Stationäre Privatklinik: Wenn eine Operation einen stationären Aufenthalt<br />
erfordert, gibt es Betten für Privatpatienten oder bei integrierter Versorgung<br />
Hinzu kommen eine ganze Reihe<br />
von Fachärzten, die regelmäßig im<br />
ZADC operieren, darunter mehrere<br />
Orthopäden, ein Spezialist für Hals-<br />
Nasen- und Ohrenheilkunde, ein<br />
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg<br />
sowie Fachärzte für Urologie, Gynäkologie<br />
und Plastische Chirurgie. In<br />
der Regel wird ambulant operiert,<br />
wobei die Praxisklinik allen Kassenund<br />
Privatpatienten offen steht. Es<br />
stehen aber auch vier stationäre Betten<br />
zur Verfügung, für Privatpatienten<br />
und bei einer integrierten Versorgung,<br />
die einige Krankenkassen<br />
anbieten.<br />
Das Spektrum der Praxisklinik<br />
umfasst nahezu alle Operationen und<br />
bietet dabei den großen Vorteil, dass<br />
der Patient eine Behandlung komplett<br />
aus einer Hand erfährt. „Der Facharzt<br />
oder die Fachärztin sieht seine Patienten<br />
am ersten und am letzten<br />
Tag“, beschreibt Geschäftsführerin<br />
Christiane Engstfeld den vertrauensvollen<br />
Umgang im Stühlinger Zentrum<br />
für ambulante Diagnostik und<br />
Chirurgie, „und übernimmt selbst die<br />
Operation.“ Auch für die Nachbehandlung<br />
steht der vertraute Facharzt<br />
zur Verfügung.<br />
Die Praxisklinik bietet Klinikstandard<br />
mit modernsten Geräten und<br />
verfügt über ein zertifiziertes Qualitätmanagment.<br />
Nahezu alle Operationen<br />
können hier übernommen<br />
werden. Gerade in der Handchirurgie<br />
hat sich das ZADC einen herausragenden<br />
Ruf erworben, wird hier doch<br />
seit Jahren routiniert und erfahren<br />
operiert. Darunter fällt beispielsweise<br />
häufig das sogenannte Springfinger-<br />
Syndrom oder die Karpaltunnel-OP.<br />
Täglich wird in der „Stühlinger-<br />
Klinik“ operiert, fünf Tage pro Woche.<br />
Sehr häufig Leistenbrüche, Frakturen<br />
und kinderchirurgische Operationen,<br />
aber auch Implantationen<br />
von künstlichen Finger- und Handgelenken.<br />
Auch Fuß-OPs stehen dabei<br />
ebenfalls auf der Tagesordnung.<br />
So sind die Experten des ZADCs beispielsweise<br />
auf den Hallux Valgus<br />
spezialisiert, der sogenannten Schiefzehe.<br />
Eine Spezialisierung hat sich die<br />
Praxisklinik auch bei Operationen<br />
von Säuglingen erworben. Nicht selten<br />
kommt es bereits unmittelbar<br />
nach der Geburt zu eingeklemmten<br />
Leistenbrüchen. Und auch notwendige<br />
Hodenoperationen werden innerhalb<br />
des ersten Lebensjahres vorgenommen,<br />
damit es später nicht zu<br />
Fruchtbarkeitsstörungen kommt. Bei<br />
all diesen Operationen wie auch beim<br />
Eingriff bei Vorhautverengung, können<br />
Eltern ihre Kinder bis zur Einleitung<br />
der Narkose begleiten. Unmittelbar<br />
nach der OP sind sie dann<br />
wieder bei ihnen im Aufwachraum.<br />
Stehen mehrere Operationen an,<br />
werden diese auch gerne zusammengelegt,<br />
um dem Kind eine zusätzliche<br />
Narkose zu ersparen.<br />
Eindeutig gibt es einen Trend zu<br />
ambulanten Operationen. Wenngleich<br />
in Deutschland der Anteil mit<br />
36 Prozent noch relativ gering ist im<br />
Vergleich zu den USA oder Skandinavien,<br />
wo bereits mehr als 80 Prozent<br />
aller Operationen ambulant erfolgen.<br />
Gerade ältere Menschen und<br />
Kinder erholen sich nachweislich<br />
schneller in häuslicher Umgebung.<br />
Und ein weiterer Faktor spricht für<br />
ambulante Operationen: Die Infektionsgefahr<br />
ist wesentlich geringer<br />
als bei stationären Klinikaufenthalten.<br />
Typische Krankenhausviren sind<br />
in ambulanten Praxiskliniken kein<br />
Thema. Das Zentrum für ambulante<br />
Diagnostik und Chirurgie betreibt regelmäßige<br />
Studien zur Selbstkontrolle,<br />
was mögliche Wundinfektionen<br />
nach einer OP angeht. Demnach betrug<br />
die Infektionsrate im ZADC in<br />
den vergangenen fünf Jahren weit<br />
unter einem Prozent.<br />
Häufig wird nach Unfällen in<br />
Kindergärten oder Schulen die Stühlinger<br />
Praxisklinik angesteuert. Jeden<br />
Tag in der Woche steht einer der<br />
Fachärzte ausschließlich für Notfälle<br />
zur Verfügung. Es gibt durchaus Zeiten,<br />
so Christiane Engstfeld, an denen<br />
es fünf Platzwunden, mehrere Frakturen<br />
und Schnittverletzungen<br />
hintereinander zu versorgen gilt.<br />
Insgsamt werden in der Praxisklinik<br />
über 6000 Operationen im Jahr vorgenommen,<br />
30 bis 40 pro Tag.<br />
Als die Praxisklinik vor 17 Jahren<br />
ihre Arbeit aufnahm, waren hier 14<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt.<br />
Heute sind es 55. Hierzu<br />
gehören auch derzeit neun Azubis,<br />
die in dem Ausbildungsbetrieb zu<br />
medizinischen Fachangestellten ausgebildet<br />
werden. Außerdem sind immer<br />
mehrere Ärzte in Weiterbildung<br />
tätig. Das Zentrum für ambulante Diagnostik<br />
und Chirurgie verteilt sich<br />
über drei Stockwerke: Im Erdgeschoss<br />
befindet sich die Ambulanz,<br />
im Untergeschoss sind fünf OP-Räume<br />
sowie 20 Aufwachbetten und im<br />
ersten Obergeschoss Verwaltung und<br />
Privatklinik mit stationärem Bereich.<br />
Durch Tiefgarage und Parkdeck verfügt<br />
das ZADC über ausreichend eigene<br />
Parkplätze am Haus.<br />
Für den Fall, dass ein Patient<br />
nach einer als ambulant geplanten<br />
Operation doch noch nicht gleich<br />
nach Hause entlassen werden kann,<br />
arbeitet das ZADC in enger Kooperation<br />
mit dem Regionalverbund<br />
Kirchlicher Krankenhäuser. Solch ein<br />
Patient wird dann beispielsweise stationär<br />
ins Josefskrankenhaus verlegt.<br />
■ Zentrum für ambulante Diagnostik<br />
und Chirurgie, Stühlingerstr. 24,<br />
79106 Freiburg, Tel. 0761/388000;<br />
www.zadc.de<br />
Von Anfang an<br />
mit dabei:<br />
ZADC-Geschäftsführerin<br />
Christiane<br />
Engstfeld<br />
DAS ÄRZTE-TE<strong>AM</strong><br />
Dr. med. Christoph Jaschke:<br />
Facharzt für Chirurgie und Facharzt<br />
für Unfallchirurgie; Fußchirurgie<br />
sowie Sport- und Tauchmedizin<br />
Dr. med. Hans-Joachim Krüger:<br />
Facharzt für Chirurgie; Handchirurgie,<br />
Fußchirurgie, Proktologie<br />
und Sportmedizin<br />
Dr. med. Klaus Lowka: Facharzt<br />
für Chirurgie, Handchirurgie<br />
Dr. med. Anja Mörder: Fachärztin<br />
für Chirurgie und Fachärztin<br />
für Viszeralchirurgie; Hernienchirurgie,<br />
Venenchirurgie, Proktologie<br />
und kinderchirurgische Operationen<br />
Dr. med. Jürgen Lambert: Facharzt<br />
für Anästhesiologie; Notfallmedizin<br />
Dr. med. Stefan Thomas Lorenz:<br />
Facharzt für Anästhesiologie;<br />
Notfallmedizin und spezielle<br />
Schmerztherapie
36<br />
M e d i z i n<br />
a n z e i g e n<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Medizin<br />
2010<br />
M o d e r n e M e d i z i n<br />
Hyperbare Sauerstofftherapie hilft vielfältig<br />
Bei Hörstörungen, Knochenerkrankungen<br />
und nicht heilenden<br />
Wunden kann die hyperbare<br />
Sauerstofftherapie helfen.<br />
Die hyperbare Sauerstofftherapie<br />
(HBO) hat ihre Ursprünge in der<br />
Tauchmedizin, wo sie schon seit<br />
Jahrzehnten weltweit Standard bei<br />
Tauchunfällen ist; ebenso in der<br />
Notfallmedizin bei Rauchgasvergiftungen.<br />
Mit ihrer nachhaltigen Wirkungsweise<br />
auf den ganzen Körper<br />
eröffnet sie heute indes neue Chancen<br />
bei vielen anderen Indikationen.<br />
Morbus Ahlbäck, nicht heilende, offene<br />
Wunden, z.B. beim Diabetiker, Bestrahlungsspätfolgen,<br />
z.B. Strahlenzystitis<br />
und Strahlenproktitis, Fazialisparese,<br />
Migräne, Retinitis<br />
pigmentosa – experimentell: chronische<br />
Borreliose.<br />
Druckkammerzentrum Freiburg<br />
GmbH und HBO2-Tagesklinik –<br />
Habsburgerstr.116, 79104 Freiburg<br />
061/38 20 18 · 24-h-Hotline<br />
0170/20 26 111 ·<br />
www.hbo-freiburg.de<br />
Sauerstoff als Medikament: Was ist<br />
das Neue an der hyperbaren Sauerstofftherapie?<br />
Normobarer Sauerstoff, also die Atmung<br />
von Sauerstoff unter normalen<br />
Bedingungen, wird hauptsächlich zur<br />
Beatmung bzw. zur Sicherung der<br />
Atemvorgänge eingesetzt. Der Körper<br />
erhält so geringfügig mehr Sauerstoff<br />
als ohnehin. Bei der HBO dagegen<br />
wird Sauerstoff unter Überdruckbedingungen,<br />
also „hyperbar“, in einer<br />
Therapiedruckkammer eingeatmet.<br />
Dadurch löst er sich um ein vielfaches<br />
im Blut. Das entstehende Überangebot<br />
an Sauerstoff im Körper wirkt sich<br />
positiv auf Sinnes- und Knochenzellen,<br />
Gewebe und Kapillaren aus und<br />
führt so zu ihrer Regeneration. Unter<br />
allen Sauerstofftherapien erzeugt<br />
ausschließlich die HBO diese Wirkung.<br />
Bis zum heutigen Tage wurden international<br />
etwa 3.500 Studien zu dieser<br />
Behandlungsmethode durchgeführt.<br />
Die vielseitigen Vorteile der<br />
HBO sind damit sehr genau bekannt<br />
und belegt. Es gibt wenige Therapien<br />
mit einem vergleichbaren Behandlungsspektrum,<br />
beispielsweise Hörstörungen,<br />
wie Schalltrauma, Hörsturz<br />
oder akuter Tinnitus, Knocheninfektionen,<br />
z.B. Kieferosteomyelitis,<br />
Knochenmarködemsyndrome an<br />
Schulter, Hüfte, Knie, Fuß, etwa bei<br />
HBO im Blick<br />
Hyperbare Sauerstofftherapie -<br />
Hilfe bei:<br />
– akutem / subakutem Hörsturz<br />
– akutem Tinnitus<br />
– chronischer Wunde,<br />
diabetischem Fußsyndrom<br />
– Knochennekrose,<br />
Knochenmarködem<br />
– Strahlenfolgen,<br />
Cystitis, Proktitis<br />
Sauerstofftherapie:<br />
mit Druck erfolgreich<br />
Druckkammerzentrum Freiburg GmbH<br />
Habsburgerstr. 116, 79104 Freiburg<br />
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Silvester 2010 / 2011<br />
Haben Sie schon geplant?<br />
Nein?!<br />
Dann verbringen Sie doch eine Silvesterwoche bei uns im schönen Allgäu vom 27.12.2010 bis zum 2.1.2011<br />
Folgende Leistungen sind enthalten:<br />
• Unterbringung in Doppel- oder Einzelzimmer mit<br />
Dusche und WC, Vollpension<br />
• Besuch unserer Saunalandschaft (1 freier Eintritt)<br />
• Freier Eintritt im Schwimmbad<br />
• Wassergymnastik 2 x<br />
• Hydrojet 1 x<br />
• Entspannungsgymnastik 4 x<br />
• Weitere Therapien sind gegen Bezahlung möglich.<br />
Und als festliches Rahmenprogramm<br />
bieten wir Ihnen:<br />
• Festbuffet am Silvesterabend<br />
• Silvesterball 2008<br />
• Feuerwerk<br />
Beratung und Buchung: Tel.: 07562-75155<br />
Email: u.benk@rehaklinik-ueberruh.de<br />
Unterbringung im Doppelzimmer € 449 (pro Person)<br />
Einzelzimmerzuschlag € 50 (pro Person)<br />
Verlängerungswoche € 400 (pro Person)<br />
Unterbringung im Appartement € 499 (pro Person)<br />
Rehaklinik Überruh<br />
88316 Isny / Bolsternang<br />
www.rehaklinik-ueberruh.de
Best of<br />
ZaS<br />
Medizin<br />
2010<br />
ko M p et e n z M e d i z i n 37<br />
Große Investitionen<br />
Kreiskrankenhaus<br />
Emmendingen<br />
Das Gesundheitszentrum für die Region<br />
Wir informieren Sie gerne und kompetent<br />
bei allen Fragen zu unseren Abteilungen:<br />
• Innere Medizin<br />
• Allgemein- und Bauchchirurgie<br />
• Unfallchirurgie- und Orthopädie<br />
• Gynäkologie und Geburtshilfe<br />
• Anästhesie, Intensivmedizin<br />
und Schmerztherapie<br />
•Röntgendiagnostik<br />
•Urologie<br />
• Phlebologie (Krampfaderleiden)<br />
•HNO<br />
Gartenstraße 44, 79312 Emmendingen, Telefon 07641/454-2201,<br />
Telefax 07641/454-2520, info@krankenhaus-emmendingen.de<br />
www.krankenhaus-emmendingen.de<br />
Kreiskrankenhaus Emmendingen investiert in Ausbau und Modernisierung<br />
Der erste Schritt der Erweiterung<br />
und Modernisierung<br />
des<br />
Kreiskrankenhauses Emmendingen<br />
ist bereits abgeschlossen:<br />
Am 19. Januar 2010<br />
konnten drei neue Räume in<br />
der Intensivstation eingeweiht<br />
werden. Sie sind die erste<br />
Etappe eines umfangreichen<br />
baulichen Gesamtkonzeptes,<br />
mit dem das Kreiskrankenhaus<br />
Emmendingen seine Stellung<br />
als Gesundheitszentrum für die<br />
Region ausbauen will. In den<br />
nächsten beiden Jahren soll<br />
außerdem der Kreißsaalbereich<br />
völlig neu gestaltet und als<br />
größtes Projekt ein Anbau gemeinsam<br />
mit dem Zentrum für<br />
Psychiatrie Emmendingen<br />
(ZPE) realisiert werden.<br />
Das Kreiskrankenhaus, dessen Träger<br />
der Landkreis Emmendingen ist, wurde<br />
1977 in Betrieb genommen. Auf<br />
Grund der stark gestiegenen Patientenzahlen<br />
besteht ein erheblicher<br />
räumlicher Erweiterungsbedarf. Deshalb<br />
wurde ein bauliches Investitionspaket<br />
von 20 Millionen Euro geschnürt.<br />
Das Sozialministerium hat<br />
eine Förderung von rund neun Millionen<br />
Euro zugesagt.<br />
Foto: Landratsamt Emmendingen – Ulrich Spitzmüller<br />
EINWEIHUNG DER INTENSIVSTATION. (von links nach<br />
rechts): Helmut Schillinger (Geschäftsführer des<br />
Kreiskrankenhauses Emmendingen), Prof. Dr. Peter<br />
Schmieg (PEG-Planungsgesellschaft, ), die Kreistagsfraktionsvorsitzenden<br />
Fritz Schlotter (Freie Wähler),<br />
Hermann Jäger (SPD) und Karl-Heinz Beck (CDU),<br />
Landrat Hanno Hurth, SPD-Kreisrat Matthias<br />
Hirschbolz, Dr. Bernd Nebel (Chefarzt der Abteilung<br />
für Intensivmedizin und Anästhesie) und Regierungspräsident<br />
Julian Würtenberger.<br />
Da die Bauarbeiten während des<br />
laufenden Krankenhausbetriebes erfolgen,<br />
wurde ein ausgeklügeltes<br />
Konzept entwickelt, um die Beeinträchtigung<br />
für die Patienten und das<br />
Personal zu minimieren.<br />
Auf der Geburtenstation werden<br />
bis Herbst drei neue Kreißsäle gebaut<br />
und danach die Wöchnerinnenstation<br />
umgestaltet. Dadurch entsteht mehr<br />
Platz und erheblich mehr Komfort für<br />
die werdenden Eltern. Das Kreiskrankenhaus<br />
verfügt über die<br />
einzige Geburtenstation<br />
im Landkreis Emmendingen.<br />
Jährlich kommen dort<br />
rund 700 Kinder auf die<br />
Welt.<br />
Im Sommer 2010 erfolgt<br />
der Spatenstich für<br />
das größte Investitionsprojekt:<br />
Gemeinsam mit dem<br />
Zentrum für Psychiatrie<br />
Emmendingen (ZPE) entsteht<br />
ein fünfgeschossiger<br />
Neubau. Das Kreiskrankenhaus<br />
richtet darin zwei<br />
neue Stationen mit 48 Betten<br />
ein, das ZPE betreibt<br />
dort künftig die Abteilung<br />
für Psychotherapeutische<br />
Medizin mit 18 Betten. Das<br />
Bauprojekt soll Ende 2011<br />
fertig gestellt sein.<br />
Im Kreiskrankenhaus mit seinen<br />
278 Betten werden jährlich rund<br />
12.000 Patienten stationär aufgenommen<br />
und 20.000 Patienten ambulant<br />
behandelt. Mit seinen 600 Beschäftigten<br />
– davon 250 Pflegekräfte<br />
und 70 Ärzte – zählt die Einrichtung<br />
zu den größten Arbeitgebern im<br />
Landkreis Emmendingen. Das Kreiskrankenhaus<br />
ist akademisches Lehrkrankenhaus<br />
der Albert-Ludwigs-<br />
Universität in Freiburg.
38<br />
M E d i Z i n<br />
F i r M E n p o r T r a i T<br />
Best of<br />
ZaS<br />
Medizin<br />
2010<br />
Zirkon macht glücklich<br />
Wolf Zahntechnik, die Spezialisten für höchste Zahnästhetik. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeiten Kronen,<br />
Brücken und Implantate, die durch ihre Schönheit Selbstbewusstsein und Wohlbefinden steigern. Von Barbara Breitsprecher<br />
Ein eingespieltes Team, das gerne zusammen arbeitet: Von den 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Wolf Zahntechnik sind etliche schon seit über 20 Jahren im Betrieb tätig.<br />
Hinter der auffallenden Fassade im Gewerbegebiet Haid verbirgt sich<br />
das moderne Dentallabor Wolf Zahntechnik.<br />
Virtuelles Können am Computer und handwerkliche Fertigkeiten<br />
gehören heute zu den Anforderungen an den Zahntechnikermeister.<br />
Verstehen sich gut: Vater Ulrich Wolf und Sohn Stefan Wolf, beide Zahntechnikermeister,<br />
sind Geschäftsführer und Inhaber von Wolf Zahntechnik.<br />
Schaut man sich Fotos aus früheren<br />
Zeiten an, dann fehlt in<br />
den Gesichtern der Menschen<br />
zumeist das Lächeln. Schuld waren<br />
nicht unbedingt entbehrungsreiche<br />
Zeiten, sondern einfach die schlechten<br />
Zähne, die man nicht zeigen wollte.<br />
Das ist heute glücklicherweise anders.<br />
Grundsätzlich kann inzwischen jeder<br />
ansprechend schöne Zähne haben, für<br />
ein sympathisches Lächeln und einen<br />
selbstbewussten Auftritt.<br />
Dafür sorgen auch Zahntechniker<br />
wie Stefan und Ulrich Wolf, zusammen<br />
mit ihren 23 zumeist langjährigen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.<br />
Zunächst ist da der<br />
Zahnarzt, das Bindeglied zwischen<br />
Patient und Zahnlabor. Er vergibt die<br />
zahntechnischen Arbeiten. Zwischen<br />
Wolf Zahntechnik und zahlreichen<br />
Zahnärzten in einem großen Gebiet<br />
von Bad Bellingen über Freiburg, Baden-Baden,<br />
bis nach Sindelfingen<br />
und Stuttgart, besteht ein zuverlässiges<br />
Netzwerk.<br />
Vom modernen Zahntechniker<br />
wird sowohl handwerkliches Geschick<br />
als auch Können am Computer<br />
gefordert. Gerade die Arbeit mit<br />
dem neuen CAD/C<strong>AM</strong>-Gerät erfordert<br />
spezielles Geschick, verschafft<br />
den Zahntechnikern aber gleichzeitig<br />
mehr Zeit für den entscheidenden<br />
Feinschliff am künstlichen Zahn.<br />
Jede Arbeit, die im Labor und der<br />
Werkstatt von Wolf Zahntechnik<br />
entsteht, ist ein Unikat. Wahre Künstler<br />
sind hier am Werk. Von Hand<br />
wird schichtweise die Keramik aufgetragen<br />
und individuell farblich den<br />
natürlichen Zähnen angepasst.<br />
Eine ausführliche, persönliche<br />
Beratung wird bei Wolf Zahntechnik<br />
ganz groß geschrieben. Die Patienten<br />
können ins Labor auf der Haid kommen<br />
und sich über die verschiedenen<br />
Optionen und Materialien informieren.<br />
Je mehr Informationen umgekehrt<br />
der Zahntechniker hat, desto<br />
persönlicher und passender kann er<br />
den Zahnersatz schaffen. Fand zuvor<br />
eine Begegnung von Gesicht zu Gesicht<br />
statt, sagt Zahntechnikermeister<br />
Stefan Wolf , wird das Ergebnis<br />
am stimmigsten.<br />
Zusammen mit seinem Vater Ulrich<br />
Wolf, der sich nach langjähriger<br />
Tätigkeit als Laborchef 1988 selbstständig<br />
machte, leitet Stefan Wolf<br />
heute den Betrieb. „Wir verstehen<br />
uns gut“, sagt Stefan Wolf, und die<br />
entspannte Atmosphäre im Zahnlabor<br />
bestätigt das. Beide sind Zahntechnikermeister,<br />
beide haben den<br />
Blick zur Werkbank nicht verloren.<br />
Nach wie vor sind sie Teil des Teams,<br />
auch wenn es sich ums Fertigen von<br />
Zahnersatz handelt. „So geht uns der<br />
Zugang zur eigentlichen Arbeit nicht<br />
verloren“, weiß Stefan Wolf, der auch<br />
am Bildschirm Kronen und Brükkengerüste<br />
virtuell konstruiert. Die<br />
fertigen Daten werden an die neue<br />
Fräsmaschine geschickt, die die Kronen<br />
und Brückengerüste entsprechend<br />
der Computerdaten herausfräst,<br />
bevor sich dann die Zahntechniker<br />
mit ihrer Kunstfertigkeit und<br />
Erfahrung damit beschäftigen.<br />
Einer der Schwerpunkte von<br />
Wolf Zahntechnik sind Implantate.<br />
Hierbei schwört Stefan Wolf auf die<br />
Kombination aus Titan und Zirkon<br />
als Oberstoff. Beide Stoffe reagieren<br />
nicht miteinander und sind komplett<br />
bio-verträglich. Überhaupt ist dieses<br />
Zirkonoxid fast schon ein Wunderstoff.<br />
Diese Hochleistungskeramik,<br />
auch „keramischer Stahl“ genannt,<br />
findet wegen ihrer hohen Belastbarkeit<br />
sogar in der Raumfahrt ihre Anwendung.<br />
Es ist eines der ältesten<br />
Mineralien in der Erdkruste und entspricht<br />
am ehesten dem natürlichen<br />
Knochenmaterial.<br />
Zirkon ist absolut gewebeverträglich,<br />
löst keine Allergien aus und<br />
ist elektrisch nicht leitend. Als weitere<br />
äußerst positive Eigenschaft<br />
zeigt ein Zirkonzahn eine hohe<br />
Lichtdurchlässigkeit und ist individuell<br />
in der übrigen Zahnfarbe der<br />
Patienten einfärbbar. So entsteht ein<br />
natürlicher und höchst ästhetisch-<br />
Modernste Geräte: Mit der neuen<br />
CAD/C<strong>AM</strong> werden vollautomatisch<br />
Kronen und Brücken hergestellt.<br />
schöner Eindruck. Da die Zähne aus<br />
Zirkon absolut metallfrei sind, gibt es<br />
auch keine dunklen Ränder.<br />
Für Stefan Wolf hat ein solches<br />
Gebiss eine hohe Wertigkeit. Mit der<br />
hervorragenden Ästhetik wird das<br />
Selbstbewusstsein gesteigert, ebenso<br />
aber auch das allgemeine Wohlbefinden,<br />
nicht zuletzt durch den unbekümmerten<br />
Essensgenuss, der damit<br />
wieder möglich wird.<br />
n Wolf Zahntechnik, Burk heimer<br />
Straße 2, Freiburg, Gewerbegebiet<br />
Haid, Tel. 0761/455380;<br />
www.zahn-wolf.de<br />
Künstlerische Handarbeit: Die<br />
Kronen werden vom Zahntechniker<br />
mit Keramik von Hand verblendet.
ü C K B l i C K r E C H T 39<br />
i M p r E S S U M<br />
Juristischer Rückblick<br />
auf das Jahre 2010<br />
die rechtsanwälte Dr. Einhaus und Partner haben in allen Fachbereichen<br />
ein interessantes und erfreuliches Jahr 2010 erlebt. Besonders auffällig ist die<br />
weitere Europäisierung in allen Rechtsgebieten. Von Dr. David Einhaus<br />
Das Jahr 2010 brachte dem<br />
Fachanwalt für Handels- und<br />
Gesellschaftsrecht, Dr. David<br />
Einhaus, die ersten vollstreckbaren Europäischen<br />
Leistungsbefehle, beruhend<br />
auf dem bereits Ende 2008 in<br />
Kraft getretenen Europäischen Mahnverfahren.<br />
Den Leistungsbefehlen<br />
wurde erstaunlicherweise vom<br />
Schuldner bislang nie widersprochen<br />
und sie wurden im Ausland vorbehaltslos<br />
vollstreckt.<br />
behördliche Entscheidungen auch in<br />
Deutschland vollstreckt werden,<br />
wenn sie aus anderen Staaten stammen.<br />
In sogenannten Bagatellverfahren<br />
konnten von verschiedenen Anwälten<br />
der Kanzlei anhand der neuen<br />
Small-Claims-EU-Verordnung die<br />
ersten Urteile problemlos erwirkt<br />
werden, wobei die Vollstreckung nun<br />
für 2011 ansteht.<br />
Rechtsanwältin Dr. Julia Maurer,<br />
frisch gebackene Fachanwältin für<br />
Miet- und Wohnungseigentumsrecht,<br />
berichtet von einem praxisrelevanten<br />
Urteil des Bundesgerichtshofs,<br />
nachdem Vermieter vor einer<br />
eigenmächtigen Räumung ohne<br />
Räumungsurteil und Gerichtsvollzieher<br />
gewarnt werden müssen, weil<br />
hohe Schadensersatzansprüche des<br />
Mieters drohen. Hier ist die Beweislast<br />
zugunsten des Mieters umgekehrt<br />
worden.<br />
Rechtsanwältin Dr. Maurer hat in ihrem<br />
Referat auch durch die Reform<br />
des Urheberrechtsrechts mit einem<br />
erheblichen Anstieg von File-Sharing-Fällen<br />
zu tun. Diese Streitigkeiten<br />
können in der Regel durch positive<br />
Vergleiche außergerichtlich erledigt<br />
werden.<br />
Rechtsanwältin Catherine Stutz berichtet<br />
aus ihrem Referat Arbeitsrecht<br />
von besonders praxisrelevanten<br />
Gerichtsurteilen: Hervorzuheben<br />
ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs,<br />
mit dem das deutsche<br />
Kündigungsschutzgesetz insoweit<br />
als rechtswidrig beurteilt wurde, als<br />
dass die Dauer einer Betriebszugehörigkeiten<br />
vor dem 25. Lebensjahr<br />
bei den Kündigungsfristen nicht berücksichtigt<br />
wurde.<br />
In der Rechtsprechung gab es außerdem<br />
eine Kehrtwende zur Zulässigrechtsanwalt<br />
Dr. David Einhaus<br />
Rechtsanwalt Emiliano Santeusanio<br />
berichtet aus dem Verkehrsrecht: Im<br />
Jahre 2010 konnte vermehrt von der<br />
Rechtsprechung und einer Europäischen<br />
Richtlinie geschaffenen Möglichkeit<br />
Gebrauch gemacht werden,<br />
die ausländische Versicherung am<br />
Wohnsitz des Geschädigten (in<br />
Deutschland) zu verklagen, obgleich<br />
der Unfall sich im Ausland ereignet<br />
hatte.<br />
Am 28.10.2010 ist das Gesetz zur europaweiten<br />
Vollstreckung von Geldstrafen<br />
und Geldbußen in Kraft getreten.<br />
Nun können gerichtliche und<br />
rechtsanwalt<br />
Emiliano Santeusanio<br />
keit der Tarifpluralität, was bedeutet,<br />
dass in einem Betrieb mehrere Tarifverträge<br />
Anwendung finden können.<br />
Seniorpartner Rechtsanwalt Bernd<br />
Einhaus, Fachanwalt für Familienrecht<br />
und für Erbrecht sowie zertifizierter<br />
Testamentsvollstrecker, weist<br />
rechtsanwältin<br />
<br />
Catherine Stutz<br />
<br />
schließlich im Rückblick auf eine<br />
deutliche Klarstellung im Recht des<br />
Elternunterhalts durch den Bundesgerichtshof<br />
hin, der zufolge die Berechnung<br />
der Unterhaltszahlungsverpflichtung<br />
der volljährigen Kinder<br />
gegenüber ihren Eltern deutlich<br />
erleichtert wurde.<br />
Warum<br />
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Weil diese Kugeln<br />
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Heiztechnologie sind.<br />
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und Christopher Kunz<br />
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