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BEST OF ZAS 2010<br />

Sonder-Ausgabe am 22. Dezember 2010<br />

BLICK<br />

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BEST OF ZAS 2010<br />

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BEST OF ZAS 2010<br />

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E<br />

s ist höchste Zeit, dass sich<br />

Leonardo DiCaprio die Rechte<br />

als Hauptdarsteller in einem<br />

Thriller namens „Wikileaks“ sichert.<br />

Nicht weil er „Catch me if you can“<br />

(als genialer Hochstapler, der vom<br />

Arzt bis zum Piloten jeden Beruf<br />

ausübt, den er nie gelernt hat) gespielt<br />

hat, sondern weil der Stoff<br />

schon eher an „Shutter Island“ (wo<br />

er als FBI-Agent in einer Irrenanstalt<br />

ermittelt, bis klar wird, dass er selbst<br />

der Paranoiker ist) und vor allem an<br />

„Inception“ erinnert (wo er einen<br />

Agenten spielt, der Gedanken in das<br />

Unbewusste seiner Opfer einpflanzt).<br />

Und wenn er clever ist, hat er sich<br />

zur Verfilmung von „Wikileaks“ den<br />

einzig dafür brauchbaren Regisseur<br />

gegriffen: Roman Polanski.<br />

Der Streifen würde natürlich<br />

dort ansetzen, wo wir heute in der<br />

öffentlichen Meinung sind: Es gilt<br />

als (sehr leckere) Verschwörungstheorie,<br />

dass ein Australier namens<br />

Julian Assange von der Großmacht<br />

USA verfolgt wird, weil er deren Geheimnisse<br />

ins Internet hackt. Und in<br />

der Tat tun ja alle Beteiligten alles<br />

dafür, dass diese Wahrnehmung in<br />

der Welt ist. Nachdem Assange über<br />

seine „Enthüllungsplattform“ erst<br />

eine Flut von Berichten über den<br />

Irak-Krieg, Afghanistan und dann<br />

eine über die „geheimen“ Depeschen<br />

amerikanischer Diplomaten (lockere<br />

250.000 Dokumente) ins Netz stellte,<br />

wurde er von allen Seiten unter<br />

Druck gesetzt: Er selbst wurde in<br />

London wegen einer angeblichen<br />

sexuellen Nötigung verhaftet, die er<br />

im Sommer in Stockholm begangen<br />

haben soll (wofür es aber noch keine<br />

Anklage gibt), die Bezahlsysteme<br />

der Schweizer Postfinance, des Online-Bezahldienstes<br />

PayPal und der<br />

Kredikartenunternehmen Mastercard<br />

und Visa haben ihre Dienste<br />

für Wikileaks „unterbrochen“, also<br />

die Zahlungen von Spenden auf<br />

Wikileaks-Konten gekappt. Und die<br />

Plattform selbst wurde von Amazon<br />

und anderen Dienstleistern auf<br />

Druck der US-Regierung gesperrt.<br />

Dass der US-Verteidigungsminister<br />

Robert Gates die Verhaftung von<br />

Assange dann auch noch als „gute<br />

Nachricht“ begrüßte (obwohl er<br />

selbst ja keine Handhabe in der<br />

schwedischen Affaire hat und auch<br />

sonst noch nicht weiß, wie er den<br />

Internet-Aktivisten Assange einer<br />

Straftat überführen will ), tat ein<br />

Übriges in der Rollenverteilung.<br />

Wir sehen also, wie Polanski<br />

das bedrohliche Netz über seinem<br />

Helden DiCaprio immer enger und<br />

enger zusammen zieht, sicherlich in<br />

düsteren Farben gehalten, und wie<br />

dann der „Gegenschlag“ der Netzgemeinde<br />

als Hoffnugsschimmer<br />

am Horizont erscheint: Die Server<br />

von Postfinance und Mastercard<br />

werden angegriffen; von einem<br />

„Info-War“ ist die Rede; uns alle<br />

drückt es tief in die Kinosessel.<br />

Doch in unserem eingebildeten<br />

Drehbuch kämen nun erste Zweifel<br />

auf. Leonardo DiCaprio würde ein<br />

seltsam undurchsichtiges Grinsen<br />

auf dem Gesicht haben, in seiner<br />

Zelle in London, in der er für gerade<br />

Mal sieben Tag bleiben muss. Und<br />

jeden Tag würde seine Berühmtheit<br />

und sein Spendenkonto wachsen,<br />

das vor seinen Enthüllungen nun<br />

wirklich keinen Menschen um einen<br />

Cent brachte. Seine Verhaftung war<br />

sein größter Sieg.<br />

Doch seltsam: Auch in den Hinterzimmern<br />

der US-Macht sind heitere<br />

Mienen zu sehen, die sich ob des<br />

gelungen Coups amüsieren. Wie<br />

leicht doch die Menschen mit einfachen<br />

Slogans hinters Licht zu führen<br />

sind! Assange propagiert, dass alle<br />

Informationen frei zugänglich sein<br />

sollen, besonders die geheimen, versteht<br />

sich. Doch sein Beweis dafür<br />

sind Dokumente, die 99,9 Prozent<br />

der Bevölkerung, selbst inklusive der<br />

Netzgemeinde, weder bewältigen<br />

können, noch darin Neues entdecken<br />

könnten. Hat denn nun wirklich keiner<br />

gemerkt, dass darunter die wirklich<br />

relevanten Informationen fehlen?<br />

Ein Held ist geboren und hat die<br />

Industrie zur Abwehr von Netzattakken<br />

befeuert. Das Volumen für Sicherheitssoftware:<br />

15 Milliarden<br />

Euro. Und die „böse“, aber nicht<br />

gänzlich blöde US-Regierung hat<br />

dabei den Vorteil, dass nun jeder<br />

denkt, dass es keine sicheren Geheimnisse<br />

mehr gäbe. Dass hilflos<br />

sei, wer einen wie Assange jagen<br />

muss. Dabei hat man gerade mit diesem<br />

Ablenkungsmanöver alles im<br />

Griff, weil alle auf Assange schauen,<br />

der eigentlich harmlos ist.<br />

Okay, so sind Polanski-<br />

Filme. Ohne Happy-End für<br />

die Naiven unter uns.<br />

DiCaprio spielt in Wikileaks<br />

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Neue Marke<br />

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Zurück auf Platz fünf wird es<br />

langsam Zeit, an einer neuen griffigen<br />

Vermarktung des Erfolges zu arbeiten.<br />

Erste Ansätze gibt es: Schwarzwald<br />

Intelligence Services. Seite11<br />

Kraftprotz voller Protest<br />

<br />

Seit 40 Jahren singt Konstantin<br />

Wecker gegen die Mächtigen<br />

an. Am 7. Februar kommt er<br />

zu einem Konzert nach<br />

Freiburg. Seite 15<br />

Fett nicht schlecht<br />

<br />

Die Ernährungswissenschaftlerin<br />

Ulrike Gonder über Diäten,<br />

den Butter-Margarine-Streit<br />

und Anti-Fett-Kampagnen.<br />

Seite 3<br />

D<br />

ie Lage ist ernst. Wie eine<br />

jetzt in Berlin vorgestellte<br />

Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

ergab, hat die<br />

Ausländerfeindlichkeit in Deutschland<br />

erheblich zugenommen. Gut<br />

ein Viertel der Bevölkerung schließt<br />

sich fremdenfeindlichen Aussagen<br />

an und mehr als 30 Prozent stimmen<br />

der Einschätzung zu, dass Ausländer<br />

nur kämen, um den Sozialstaat auszunutzen.<br />

Ebensoviele meinen, man<br />

„solle die Ausländer wieder nach<br />

Hause schicken.“ Die Feindseligkeit<br />

gegenüber dem Islam ist besonders<br />

ausgeprägt, wie die Studie belegt.<br />

Mehr als jeder Zehnte sehnt sich sogar<br />

nach einem „Führer“, der<br />

„Deutschland zum Wohle aller mit<br />

harter Hand regiert.“<br />

Die Autoren der Studie werteten<br />

die Ergenisse als „Alarmsignal für<br />

Politik und Gesellschaft.“ Es bestehe<br />

die Gefahr, dass Rechtspopulisten<br />

versuchen, aus der Situation „politisch<br />

Kapital zu schlagen“, warnen<br />

die Wissenschaftler. Da ist es nicht<br />

wirklich ein Trost, dass es besonders<br />

Ungebildete und Alte seien, die für<br />

Ausländerfeindlichkeit anfällig sind.<br />

CSU-Chef Horst Seehofer hat ja<br />

bereits kräftig in die populistische<br />

Kerbe gehauen, als er kürzlich einen<br />

Zuwanderungsstopp „aus anderen<br />

Kulturkreisen“ forderte. Und zwar<br />

wohl wissend, falls er nicht zu den<br />

Ungebildeten und Alten gehört, dass<br />

derzeit mehr Leute aus Deutschland<br />

auswandern als umgekehrt. Und<br />

zwar auch türkische Mitbürger.<br />

Auch die Familienministerin<br />

Kristina Schröder hatte dazu eine<br />

feinsinnige Idee, als sie in einem<br />

Interview in der FAS das Pferd von<br />

der falschen Seite aufzäumte, indem<br />

sie kundgab, dass es schließlich<br />

auch „Deutschenfeindlichkeit“ gebe<br />

und man sie selbst mitunter als<br />

„deutsche Schlampe“ beschimpft<br />

habe. Da müsse man, na klar, die<br />

„Rechtslage überdenken.“ Schröder<br />

im O-Ton: „Fremdenfeindlichkeit<br />

geht häufig einher mit den sogenannten<br />

legitimierenden Männlichkeitsnormen.<br />

Und die finden<br />

wir überproportional bei türkischund<br />

arabischstämmigen Jugendlichen.“<br />

Na hoppla, das nennen wir<br />

echte Integrationspolitik, so ganz<br />

ohne Vorurteile.<br />

Mesut Özil darf sich freuen,<br />

nach Spanien ausgewandert zu<br />

sein. Der gehypte Vorzeigemensch<br />

für gelungene Integration, der Frau<br />

Merkel bei jeder Gelegenheit die<br />

Hand schütteln muss, gäbe ja tatsächlich<br />

ein gutes Beispiel ab, wie<br />

es laufen könnte. Wenn man die<br />

Vorurteile mal beiseite ließe (wie<br />

steht es mit der Männlichkeitsnorm<br />

von Özil?) und den Tatsachen ins<br />

Auge sehen würde. Der heutige<br />

Star hat nur einen Bolzplatz, einen<br />

Ball und ein paar kickende Kollegen<br />

in Gelsenkirchen gebraucht, um<br />

sich zur Hoffnung der deutschen<br />

Nationalelf zu mausern. Wie wäre<br />

es wohl um sein Leben in Deutschland<br />

bestellt, wenn er nicht so gut<br />

kicken könnte? Dann würde ihm<br />

Sarrazin garantiert an die Gene<br />

und deren Brauchbarkeit gehen.<br />

Andere nette Jungs, die wie<br />

Özil den Erfolg suchen, brauchen<br />

etwas mehr Unterstützung, um nicht<br />

minder wertvoll zu sein. Da wären<br />

Bildungsangebote, Respekt und vorurteilslose<br />

Freiheiten, sagen wir im<br />

offensiven Mittelfeld, um auf anderen<br />

Feldern einen Beitrag für die<br />

Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands<br />

zu bringen. Denn die Wahrheit ist<br />

doch, dass in den nächsten Jahrzehnten<br />

der Wohlstand des<br />

Landes auch davon abhängt,<br />

dass Integration<br />

und eine Vielfalt der Kulturen<br />

gelingt. Wullf, der<br />

Bundespräsident, hat das<br />

zart ins Auge gefasst.<br />

Alarmsignale für die Politik<br />

<br />

Wir verlosen Eintrittskarten für die<br />

größte gruselige Halloween-Party,<br />

die SWR3 am 31. Oktober<br />

im Europa-Park veranstaltet.<br />

Seite 13<br />

<br />

Dr. Dieter Veith über den Unmut bei<br />

niedergelassenen Orthopäden<br />

und die Zunahme von<br />

Prothesen-Operationen.<br />

Seite 3<br />

<br />

Nach einem Traumstart wartet in<br />

Bremen eine Kür, die davon<br />

geprägt sein könnte, dass<br />

beide Teams vorne gerne<br />

treffen. Seite 9<br />

Nacht der Hexen<br />

Ganz gefährlich<br />

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Verdacht auf viele Tore<br />

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D<br />

er Castor-Transport nach<br />

Gorleben wurde von einem<br />

ungeheuren Polizeiaufgebot<br />

begleitet. An die 20.000 Beamten<br />

waren im Einsatz, also etwa so viele<br />

wie die Stadt Emmendingen Einwohner<br />

hat. Man stelle sich vor, wie<br />

dort hinter allen Fenstern nur uniformierte<br />

Menschen stehen, oder<br />

wie die Ränge im Badenova-Stadion<br />

nahezu gefüllt wären, wenn alle<br />

Polizisten, die im Wendland zum<br />

Einsatz kamen, sich gemeinsam ein<br />

SC-Spiel anschauen würden. Und<br />

nicht nur das: Die Beamten waren<br />

teilweise bis zu 30 Stunden ohne<br />

Schlaf und ohne Essen im Einsatz.<br />

Eigentlich unvorstellbar. Ein Kraftakt,<br />

der über alle Grenzen ging.<br />

Konrad Freiberg, Vorsitzender<br />

der Gewerkschaft der Polizei (GdP),<br />

übte nach dem Einsatz scharfe Kritik<br />

an den politisch Verantwortlichen.<br />

„Es war ein politischer Fehler, den<br />

mühsam errungenen Atom-Konsens<br />

aufzukündigen“, so Freiberg, der von<br />

„fatalen Irrfahrten“ der schwarz-gelben<br />

Regierung sprach, die mit Entscheidungen<br />

wie jene der Laufzeitverlängerung<br />

der AKW die Menschen<br />

„auf die Straße treiben“, wo sie ihren<br />

Ärger bei den Polizisten ablüden.<br />

Das traf sich am Ende ganz gut<br />

mit den Worten von Tobias Riedl, der<br />

für Greenpeace, also sozusagen für<br />

die „Gegenseite“, sprach: „Angela<br />

Merkel ist eine Kanzlerin ohne Volk.“<br />

Denn selbst die Staatsdiener in ihren<br />

Kampfanzügen schienen sich nicht<br />

wohl zu fühlen, als Erfüllungsgehilfen<br />

des Staates, der die Bürger erzürnt.<br />

Nach den 92 Stunden, die der Castor-<br />

Transport von La Hague nach Gorleben<br />

am Ende gedauert hatte, gab es<br />

gegenseitiges Lob. Die Polizei hob die<br />

friedlichen Proteste hervor, die Demonstranten<br />

fanden<br />

ihrerseits, dass die Polizei<br />

sich ganz okay<br />

verhielt.<br />

Ein „Konsens“,<br />

der viel aussagt.<br />

Zehntausende<br />

aus<br />

ganz Deutschland hatten<br />

zuvor mit überwiegend<br />

friedlichen<br />

Sitzblockaden den Transport des<br />

hochgiftigen Atom-Mülls massiv<br />

behindert, unterstützt von vielen<br />

Bauern des Wendlands, die mit<br />

ihren Traktoren einfach die Straßen<br />

blockierten und tausende Schafe<br />

auf dieselben trieben (womit auch<br />

gleichzeitig des Essens-Nachschub<br />

für die Beamten lahm gelegt wurde).<br />

Ein Volksaufstand, wie es ihn seit<br />

über 30 Jahren in der Region nicht<br />

mehr gegeben hatte. Eine Konfrontation<br />

zwischen Staatsmacht und<br />

Volk, ein kräftezehrendes Ringen<br />

zwischen Bürgern und Polizisten.<br />

Wie schon beim Polizeieinsatz<br />

in Stuttgart wurden auch dieses Mal<br />

Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt.<br />

Dabei sollen Beamte teils<br />

ungezielt einfach Gasgranaten in<br />

den umliegenden Wald geschossen<br />

haben. Es gab knapp 1000 verletzte<br />

Demonstranten und 78 von Steinen<br />

und Flaschen getroffene Beamte. Es<br />

wurde sogar ein Räumpanzer der<br />

Polizei in Brand gesetzt, in dem<br />

noch Beamte saßen.<br />

Die Leute im Wendland befinden<br />

sich ja seit 1995 bei inzwischen elf<br />

Castor-Transporten nach Gorleben<br />

im Widerstand. Sie wollen in<br />

ihrem Landstrich kein Zwischenund<br />

schon gar kein Endlager des<br />

hochgiftigen Atom-Mülls. Aber<br />

eine so breite Unterstützung wie<br />

jetzt 2010 gab es noch nie. Weil die<br />

Frage der Atompolitik längst keine<br />

regionale Frage mehr ist, seit die<br />

Bundesregierung mit den Stromkonzernen<br />

kungelt.<br />

Und so mühten sich promt<br />

beide Seiten, Polizei wie Protestler,<br />

nach den tagelangen, harten<br />

Auseinandersetzungen um<br />

so etwas wie gegenseitiges<br />

Verständnis. Der Protest ist in der<br />

Mitte der Gesellschaft angkommen,<br />

Staatsdiener inklusive.<br />

Die Demonstranten haben also<br />

gesiegt, auch wenn sie den Castor-<br />

Transport natürlich nicht verhindern<br />

konnten. Sie haben gesiegt, weil<br />

sie nicht mehr länger nur Störenfriede<br />

sind, die von der<br />

Staatsgewalt zur Raison gerufen<br />

werden. Sie haben gesiegt,<br />

weil sie den Atom-Wahnsinn<br />

insgesamt vor aller Augen<br />

führten, bis hin zu den Castor-<br />

Transporten<br />

zum Ural, wo<br />

deutscher Atom-Müll billig in russische<br />

Hand übergeben werden soll.<br />

Die Staatsgewalt<br />

<br />

Scharfschützen auf dem Dach des Negresco<br />

in Nizza, abgesperrte Straßen<br />

und bis an die Zähne bewaffnete Polizisten:<br />

Nicolas Sarkozy und Hu Jintao trafen<br />

sich an der Côte d’Azur. Seite 2<br />

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Mit Mut zum Pressing<br />

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Nach dem Sieg gegen Mainz wird<br />

es in den Spielen in Hoffenheim<br />

und gegen Dortmund erneut darum<br />

gehen, nicht zu tief zu stehen, sondern<br />

selbst zu pressen. Seite 9<br />

Schneller, härter, Scooter<br />

<br />

Treibender Technosound hat<br />

sie erfolgreich gemacht. Am<br />

12. Dezember kommt die<br />

norddeutsche Band Scooter<br />

nach Freiburg. Seite 15<br />

Der Chinese<br />

N<br />

un hat also die CDU lange<br />

darum gerungen, wie sie<br />

ihres konservativen Profils<br />

wieder habhaft werden kann. Es war<br />

und ist ja schon die Rede von all den<br />

heimatlosen Politikern und Wählern,<br />

die womöglich eine Partei rechts<br />

von Merkel und Co. gründen könnten.<br />

Und jetzt, mit einem Schlag, ist<br />

die Tradition von Strauß über Filbinger<br />

und Kohl wieder zu ihrem<br />

Recht gekommen: Die schwarzgelbe<br />

Regierung hat den<br />

Ausstieg aus dem Austieg<br />

von der Atomenergie<br />

beschlossen.<br />

Wenn nun also<br />

„konservativ“ übersetzt<br />

„bewahren“ meint, dann<br />

wird hier etwas bewahrt, das<br />

über seine Zeit hinaus ist und<br />

noch während der neu vereinbarten<br />

Laufzeit marode zu werden droht.<br />

Dabei hatte Bundesumweltminister<br />

Norbert Röttgen (CDU) vor nicht allzu<br />

langer Zeit in einem Interview<br />

mit der Süddeutschen Zeitung noch<br />

erklärt, dass die Kernkraftwerke in<br />

Deutschland auf eine Laufzeit von<br />

40 Jahren ausgelegt seien, und nicht<br />

für länger. Jetzt werden es bis zu 50<br />

Jahren und mehr sein.<br />

Und weil noch nie irgendwo auf<br />

der Welt ausprobiert wurde, was da<br />

alles passieren kann, sehen uns die<br />

Gegner der Atomkraftwerke schon<br />

am Rande des GAU. Allein schon der<br />

Versuch, überaltete Anlagen so lange<br />

zu betreiben, bis sie bersten, wird der<br />

Protestbewegung einen ungeheuren<br />

Aufwind geben. Denn das zuletzt<br />

von Wirtschaftsminister Brüderle<br />

(FDP) bemühte Märchen, dass Atomkraftwerke<br />

hierzulande zu den sichersten<br />

der Welt gehören sollen,<br />

glaubt längst keiner mehr. Wie der<br />

Stern schrieb, „ähneln<br />

diese in Wahrheit<br />

altersschwachen Autos ohne<br />

ABS, Airbag und ESP. Würden<br />

sie heute noch einmal so gebaut, der<br />

TÜV würde sie nicht zulassen“<br />

(stern, 23.9.2010). Es drohen Unfälle,<br />

die sich zu noch nie dagewesenen<br />

Katastrophen auswachsen können<br />

(Siehe auch Interview auf Seite 3).<br />

Und es gibt keine wirklich<br />

nachvollziehbaren Gründe, warum<br />

ein solches Risiko eingegangen<br />

wird. Weder würde in Deutschland<br />

eine Versorgungslücke entstehen,<br />

wenn die Atomkraftwerke nach<br />

dem bisher bestehenden Ausstiegsplan<br />

vom Netz gingen (im Gegenteil<br />

haben sich die erneuerbaren<br />

Energien<br />

mit ungeheurer Dynamik<br />

besser entwickelt als<br />

ursprünglich geplant), noch<br />

eignet sich die Atomkraft als eine<br />

„Brückentechnologie“, da sie eindeutig<br />

die Entwicklung alternativer<br />

Techniken bremst. Tatsache ist, dass<br />

der Atomstrom die Netze verstopft<br />

und somit Investitionen lokaler<br />

Anbieter behindert. Schon jetzt<br />

werden Windkrafträder bei gutem<br />

Wind auf still gedreht, weil zu viel<br />

Strom durch die Atomkraftwerke<br />

da ist. Wie sollen dann die riesigen<br />

Windpark-Projekte in Nord- und<br />

Ostsee realisiert werden, die etwa<br />

die Leistung von 20 Atomkraftwerken<br />

ersetzen könnten, aber auch<br />

viel Geld kosten. Solange das Netz<br />

zu 80 Prozent vom Atomstrom<br />

ausgelastet ist, werden Investoren<br />

sich zurückhalten. Nun also noch<br />

weitere 14 Jahre. Eine technisch<br />

weltweit führende deutsche Elite<br />

wird in einem Wachstumsmarkt<br />

ausgebremst. Das ist konservativ.<br />

Womöglich trifft dies auch<br />

auf das Zustandekommen des<br />

großen Deals zu. Es hat<br />

den Ruch von Käuflichkeit,<br />

wenn die<br />

großen Konzerne einige<br />

Milliarden von<br />

dem abgeben, was sie<br />

durch die Laufzeitverlängerung<br />

verdienen. Und<br />

nun womöglich bald einen<br />

Vertrag in der Tasche haben, der<br />

von einer späteren Regierung nicht<br />

ohne Einwilligung der Konzerne<br />

wieder kassiert werden kann.<br />

Schnaps ist Schnaps und Vertrag<br />

ist Vertrag. Der bisherige, der den<br />

Ausstieg festschrieb, konnte ja auch<br />

nur gekippt werden, weil beide Seiten<br />

(also auch die Bundesregierung)<br />

dies „einvernehmlich“ beschlossen.<br />

Der Atomausstieg galt als unumkehrbar.<br />

Der Ausstieg vom Ausstieg<br />

wird es sein. Für 14 lange Jahre.<br />

Was einstmals in Wyhl seinen<br />

Anfang nahm, wird wohl nun seine<br />

Fortsetzung finden: Widerstand.<br />

Doch der ist nicht<br />

wie 1975 nur eine<br />

Bewegung, aus der<br />

später die Grünen<br />

hervorgingen. Er ist<br />

jetzt in der Mitte der<br />

Gesellschaft. Genau<br />

da, wo die CDU nicht<br />

mehr ist.<br />

Eine strahlende Zukunft<br />

<br />

Interview mit dem Ungarn Tibor<br />

Szüts, Leiter des Bad Krozinger Johann-Strauß-Orchesters,<br />

über seine<br />

neue Konzertreihe und Walzerkönig<br />

André Rieu. Seite 15<br />

<br />

Alex Mayer über eine radioaktive<br />

Wolke aus Fessenheim, Tricks bei den<br />

Grenzwerten und überalterte<br />

Reaktordruckgefäße.<br />

Seite 3<br />

<br />

Trotz zweier Niederlagen spricht beim<br />

SC vieles für einen entspannten Fortgang<br />

der Saison. Gegen Köln sollte ein Sieg<br />

her, um diese Entwicklung weiter zu<br />

fördern. Seite 11<br />

<br />

Ausbalanciert<br />

Wiener Salonmusik<br />

Versprödung<br />

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F<br />

elix Magath ist Mephisto.<br />

Zwar wird er in Fußballerkreisen<br />

gerne „der Magier“<br />

genannt – das hat aber mit der eher<br />

albernen Verniedlichungsform zu<br />

tun, die in eben diesen Kreisen sehr<br />

verbreitet ist. Denn Felix Magath<br />

verkörpert für Millionen Menschen<br />

im Lande eine Form des Regierens,<br />

die quasi ein Gegenentwurf zur Uneinigkeit<br />

jener regierenden schwarzgelben<br />

Koalition darstellt, die das<br />

Land eben nicht regiert. Er bestimmt<br />

ganz allein, muss sich mit Kapriolen<br />

eines Guido Westerwelle nicht herum<br />

schlagen und hat sogar Kevin<br />

Kuranyi von allen Selbstzweifeln<br />

geheilt, die ihn einst Bundestrainer<br />

Löw davonlaufen ließen. Und wenn<br />

er am Samstag mit Schalke gegen<br />

Bayern München gewinnt, hat er<br />

zum zweiten Mal in zwei Jahren<br />

mit zwei verschiedenen Vereinen<br />

dem Branchenprimus eine Lektion<br />

erteilt. Magath ist Mephisto, für die<br />

Bayern zuerst und mit teuflischem<br />

Gelächter dann auch irgendwann<br />

für Schalke 04.<br />

Magath wäre nichts ohne seine<br />

Verstellungskünste. Er kann so tun,<br />

als ob es vollkommen lächerlich sei,<br />

erneut Deutscher Fußballmeister zu<br />

werden. Das klingt sogar bis zuletzt<br />

glaubhaft. Und selbst wer ihm das<br />

nicht glaubt, geht ihm in die Falle.<br />

Den lacht er aus, dass die Bühne<br />

wackelt. Oder er kann wie Rumpelstilzchen<br />

an der Seitenlinie einen<br />

wahrhaft diabolischen Tanz aufführen,<br />

der doch nur alle davon ablenkt,<br />

dass er nach der Macht greift.<br />

Sein Team sei so unsagbar schlecht,<br />

soll das wohl heißen, während er<br />

seinem Team dadurch alle Freiheiten<br />

verschafft, es besser zu machen als<br />

alle anderen. Denn die sind ja gut<br />

und können also nur verlieren.<br />

Die Kunst der Verschleierung<br />

gibt Rätsel auf, wo keine sind. Denn<br />

die Strukturen seiner Herrschaft<br />

sind denkbar einfach: Den Seinen,<br />

so hart er sie kritisiert und regiert,<br />

gibt er Luft zum Atmen. Und den<br />

Anderen, so sehr er sich ziert und sie<br />

hofiert, macht er eine lange Nase.<br />

Nicht ohne auch auf Schalke seinen<br />

Hofstaat zu errichten (mit Eichkorn<br />

und Hollerbach als Co-Trainer, mit<br />

einem neuen Pressechef und den<br />

ihm dienenden Männern in der Verwaltung),<br />

den er Oberboss Clemens<br />

Tönnies als gebrauchtes Vehikel<br />

zum Erfolg verkauft.<br />

Es gibt noch einige Menschen,<br />

die dem listigen Intendanten auf<br />

dem Theater Schalke nicht trauen.<br />

Was, wenn Magath sich alle Macht<br />

gesichert hat und dann wie in<br />

Wolfsburg plötzlich geht? Doch der<br />

Mephisto selbst weiß, dass das Volk<br />

bei Gelegenheit gerne den Kopf des<br />

Königs fordert. Lacht wie der<br />

leibhaftige Teufel dazu. Und<br />

geht, bevor der Vorhang<br />

fällt. Vorher will er Kuranyi<br />

noch bei der WM<br />

sehen – oder sollte Löw<br />

etwa dem Zauber nicht<br />

erliegen, den der Hexer<br />

entfacht?<br />

<br />

Rechtzeitig fand Trainer<br />

Dutt eine neue (und alte) personelle<br />

Formation, die im Kampf<br />

um den Klassenerhalt neue Hoffnung<br />

macht. Seite 9<br />

<br />

Als die Studentinnen des Frauenwohnheims<br />

ein Abschiedsfest machen wollten,<br />

sahen sie sich plötzlich mit<br />

Security -Männern und mit<br />

Kampfhunden konfrontiert. Seite 3<br />

<br />

Zum Stichtag im Monat März<br />

waren im Bezirk der Arbeitsagentur<br />

Freiburg weniger<br />

Menschen gemeldet. Die Quote<br />

lag unter fünf Prozent. Seite 13<br />

Trauerspiel<br />

Guter Trend<br />

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Gute Formation<br />

Foto: Witters<br />

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Magath ist Mephisto<br />

<br />

D<br />

ie Welt soll<br />

nach<br />

Afrika<br />

blicken. Wenn<br />

im Sommer (11.6. bis 11.7) erstmals<br />

eine Fußball-Weltmeisterschaft auf<br />

diesem Kontinent ausgetragen wird,<br />

sind die Bilder schon jetzt erahnbar,<br />

die dabei im Vordergrund stehen<br />

sollen: Spannende Fußballspiele der<br />

besten Teams der Welt, singende<br />

und feiernde Fans, traumhafte<br />

Landschaften. Ein Wintermärchen,<br />

fremd und schön, der Traum von<br />

Afrika. Es soll ein Fest werden.<br />

„Wir haben alles getan, um dieses<br />

für den ganzen Kontinent wichtige<br />

Turnier zu einem glänzenden<br />

Aushängeschild für den Fortschritt<br />

Afrikas werden zu lassen“, sagte<br />

jüngst Goncalvez Muandumba. Der<br />

Mann ist Minister für Jugend und<br />

Sport in Angola und meinte nicht<br />

die anstehende WM, sondern den in<br />

seinem Land stattfindenden Afrika-<br />

Cup. Während mehr als 70 Prozent<br />

der rund 13 Millionen Menschen in<br />

Angola von weniger als zwei Dollar<br />

pro Tag leben, hat es sich die Regierung<br />

eine Milliarde US-Dollar kosten<br />

lassen, für den Afrika-Cup<br />

brandneue Stadien, Straßen und<br />

Hotels zu bauen. Das Geld dazu<br />

kommt aus den Erdölförderung des<br />

Landes – die USA, Russland und<br />

China buhlen um diese Rohstoffquellen.<br />

Die Bevölkerung hat nichts<br />

davon, weil die kleine Elite des Landes<br />

korrupt ist und sich ein Leben in<br />

verschwenderischer Pracht leistet.<br />

Am 8. Januar, einem Freitagabend,<br />

erhielt die Welt eine andere,<br />

schreckliche Botschaft. Die Busse<br />

der Nationalmannschaft von Togo<br />

wurden von einer Gruppe maskierter<br />

Männer mit Maschinengewehren<br />

angegriffen. „Wir haben uns<br />

unter den Sitzen versteckt, während<br />

die Kugeln um uns her pfiffen. Jeder<br />

hat geweint, wir haben unsere<br />

Mütter angerufen und letzte<br />

Gebete gesprochen. Wir waren<br />

überzeugt, dass wir sterben müssen“,<br />

berichtete Teamkapitän und<br />

Weltstar Emmanuel Adebayor<br />

hinterher von der 30-minütigen<br />

Schießerei, bei der drei Menschen<br />

starben. (Siehe Seiten 2 und 3).<br />

Togos Premierminister Gilbert<br />

Houngbo berief das Nationalteam<br />

nach Hause. „Es wäre unverantwortlich<br />

zu bleiben, nur damit die<br />

Show weitergeht“, sagte er.<br />

Die große Show kommt aber<br />

erst noch, bei der WM in Südafrika.<br />

Was offenbart dann der Blick der<br />

ganzen Welt nach Afrika? „Bei meinem<br />

Besuch habe ich Fußballer gesehen,<br />

die in den Townships gespielt<br />

haben. Sie liefen über Glasscherben,<br />

ihr Fußball war nicht mit den Bällen,<br />

mit denen wir spielen, vergleichbar.<br />

Es war ein rundes Etwas“,<br />

begeisterte sich etwa<br />

Philipp Lahm bei ZEIT-<br />

Online. Er muss ja nicht<br />

mit Glasscherben in den neu<br />

gebauten Prachtstadien rechnen.<br />

Auch wenn solch ein Blick naiv ist,<br />

nimmt er doch etwas wahr: soziale<br />

Verhältnisse jenseits der großen<br />

Show. Wenn man hinschaut, kommen<br />

Tatsachen in Sicht. Etwa, dass<br />

die durchschnittliche Lebenserwartung<br />

in Südafrika aufgrund von<br />

AIDS (5,2 Millionen Infizierte) und<br />

extremer Kriminalität bei 43 Jahren<br />

(!) liegt. Oder dass statistisch gesehen<br />

jede zweite Südafrikanerin damit<br />

rechnen muss, einmal im Leben<br />

vergewaltigt zu werden. Damit ist<br />

dies für eine Frau im Land wahrscheinlicher<br />

als lesen zu lernen.<br />

Vielleicht folgt dem Blick<br />

der Welt auf Südafrika sogar<br />

der Wunsch, etwas<br />

zu ändern.<br />

Im Blick der Welt<br />

14<br />

ALLE 14 TAGE<br />

Bundesliga.<br />

Beim HSV waren die Gäste<br />

aus Freiburg nicht<br />

anwesend. Gegen den VfB Stuttgart<br />

wollen sie wie zuletzt der HSV<br />

„Herr im Hause“ sein. Seite 9<br />

Interview.<br />

Afrika-Spezialistin<br />

Christine Hatzky im Gespräch<br />

über den Anschlag in Angola,<br />

Korruptheit und Armut sowie über<br />

Entwicklungshilfe. Seite 2 und 3<br />

Leben.<br />

Die 7. Mundologia bietet<br />

erstaunliche Live-Reportagen<br />

und eine faszinierende<br />

Tierfotografie-<br />

Ausstellung. Seite 13<br />

Die WM in Südafrika soll das Gute haben, dass alle hinschauen. Wie der Anschlag beim Afrika-Cup in Angola jetzt<br />

schon deutlich macht, kann die Show nicht einfach so weiter gehen. Und das könnte helfen. Von Michael Zäh<br />

<strong>ZEITUNG</strong> <strong>AM</strong> S<strong>AM</strong>STAG<br />

Ausgabe 58 am 23. Januar 2010<br />

Nicht unlösbar<br />

Blick eines Dichters<br />

Was Guido in<br />

China so lernt<br />

Da musste er lachen, der Guido,<br />

spitzbübisch, wie es seine Art<br />

ist. Als im Bundestag über die<br />

Millionen-Spenden debattiert<br />

wurde, die seine FDP und die<br />

Union von einer so namhaften<br />

wie potenten Hotelkette überwiesen<br />

bekommen hatte, gab es<br />

für den Westerwelle schier kein<br />

Halten. Fehlte eigentlich nur,<br />

dass er sich auch noch auf die<br />

Schenkel geklopft hätte, wie es<br />

im Wahlvolk bestimmt viele tun,<br />

die sich für schlitzohrig halten.<br />

Aber nein, ha ha ha, einen Zusammenhang<br />

zwischen diesen<br />

Spenden und dem Absenken der<br />

Mehrwertsteuer auf 7 Prozent<br />

im Hotelgewerbe sehe er nicht.<br />

Und dass dadurch fehlende<br />

Steuereinnahmen, kicher kicher,<br />

bald zu jenen „einschneidenden<br />

Sparmaßnahmen“ führen, die<br />

sein immer so griesgrämig<br />

guckender Kollege Schäuble<br />

bereits angekündigt hat, trän<br />

trän schnief, muss ja den<br />

Außenminister nicht kümmern.<br />

Der hat ganz anderes zu tun.<br />

War jüngst in China,<br />

grins grins, und hat<br />

dort gelernt, glucks<br />

glucks, wie man<br />

sich die Hände in<br />

Unschuld wäscht.<br />

Michael Zäh<br />

H ALLO ZUS<strong>AM</strong>MEN<br />

Foto: Witters<br />

Allein zu Hause<br />

D<br />

ie Schatten sind schon mal<br />

voraus geworfen. Es ist der<br />

pure Populismus von allen<br />

Seiten, der momentan die politische<br />

Kultur in Deutschland beherrscht.<br />

Das große Ereignis, zu dem dieser<br />

Schatten gehört, sind die Landtagswahlen<br />

in Nordrhein-Westfalen am 9.<br />

Mai. Denn dort hat die schwarz-gelbe<br />

Regierung unter Jürgen Rüttgers<br />

laut neuester Forsa-Umfrage keine<br />

Mehrheit mehr. Und falls CDU und<br />

FDP tatsächlich fielen, verlöre die<br />

schwarz-gelbe Bundesregierung im<br />

Bundesrat ebenfalls die Mehrheit.<br />

Deshalb wird ein Polit-Theater<br />

aufgeführt, das bei so manchem Bürger<br />

den Verdacht aufkommen lässt,<br />

dass mittlerweile in Deutschland gar<br />

nicht mehr regiert, sondern nur noch<br />

mit scheinheiligen Debatten polarisiert<br />

wird. Das hat, um in den Bildern<br />

des FDP-Chefs Westerwelle zu bleiben,<br />

tatsächlich schon spätrömische Züge.<br />

Man badet sich in verbaler Eselsmilch<br />

und verkauft das Volk für dumm.<br />

Den Anfang hatte Westerwelle<br />

gemacht, dem die Felle in NRW davon<br />

zu schwimmen drohen. Seine inzwischen<br />

ausreichend von allen Medien<br />

„gewürdigte“ Nulldebatte um<br />

Hartz-IV-Sätze strotzte nur so vor offensichtlicher<br />

Inhaltsleere. Sie mündete<br />

im Stolz des (noch immer nicht<br />

regierenden) Vize-Kanzlers, dass er<br />

damit eine Debatte angestoßen habe,<br />

die man sonst nicht geführt hätte.<br />

Was natürlich auch stimmt, weil diese<br />

Debatte gar nichts brachte und inhaltlich<br />

nicht geführt werden musste.<br />

Sie diente nur dazu, rechtspopulistische<br />

Anleihen zum Ziel des Stimmenfangs<br />

unters Volk zu bringen.<br />

Aber auch nach all dieser Anstrengung<br />

ihres Chefs stagniert die FDP in<br />

NRW derzeit bei sechs Prozent (Grüne<br />

bei elf, Linke gleichauf bei sechs).<br />

Sigmar Gabriel als neuer SPD-<br />

Chef wollte sich die Gelegenheit<br />

nicht entgehen lassen, sich dem<br />

Null-Niveau von Westerwelle anzunähern.<br />

Zwar kritisierte er zunächst<br />

sozialdemokratisch korrekt, dass<br />

Westerwelle zwei Bevölkerungsgruppen<br />

gegeneinander ausspielen wolle:<br />

„Nämlich die, die keine Arbeit haben,<br />

gegen die, die von ihrer Arbeit nicht<br />

leben können.“ Um dann aber eine<br />

linkspopulistische Harke hinterher<br />

zu schmeißen: Dass die wahren Sozialbetrüger<br />

jene Millionäre seien, die<br />

Steuern hinterziehen und nicht genug<br />

verfolgt würden. Dabei wird dieses<br />

Delikt schon immer verfolgt und<br />

stellt sich lediglich die Frage, ob<br />

Amtsträger sich nicht strafrechtlich<br />

belasten, wenn sie geklaute Daten<br />

ankaufen (was der Bund ja sogar tut).<br />

Die SPD kommt in NRW derzeit<br />

schon auf 34 Prozent. Zusammen mit<br />

den Grünen hätte man aktuell also<br />

mehr (45 Prozent) als die schwarzgelbe<br />

Landesregierung (44 Prozent).<br />

Doch ohne die Linke hätte keiner eine<br />

regierungsfähige Mehrheit.<br />

In den letzten Wochen über fünf<br />

Prozent verloren hat der CDU-Regierungschef<br />

Jürgen Rüttgers, was<br />

wiederum mit der nächsten Scheinheiligkeit<br />

zu tun hat. Und zwar sogar<br />

im doppelten Sinne: Einmal weil der<br />

Grund für seine Verluste in der „Affaire“<br />

um von der Partei angebotenes<br />

Sponsorring liegt. Es wurde bekannt,<br />

dass hier Firmen gegen gutes Geld<br />

nicht nur Stände auf einem Parteitag<br />

mieten können, sondern auch Gespräche<br />

mit dem Herrn Ministerpräsidenten.<br />

Diese Verquickung von<br />

Partei- und Regierungspolitik wirkt<br />

anrüchig: Wer die Partei unterstützt,<br />

kann auf Vertraulichkeiten der Regierung<br />

hoffen. Doch wenn hier ein<br />

Anschein von Korruption hochgekocht<br />

wird, ist das doch auch nur der<br />

berühmte heiße Brei, den man dem<br />

Wahlvolk um den Mund schmieren<br />

will. Denn dass ein Firmenchef in<br />

dem gekauften Gespräch mit dem<br />

Regierungschef (falls es denn statt<br />

fände) seine Firmeninteressen<br />

durchsetzen könnte, scheint doch<br />

allzu weit weg.<br />

Es ist die andere Scheinheiligkeit,<br />

die dabei beschädigt<br />

wird: Rüttgers verkauft<br />

sich gerne als Mann<br />

der Arbeiter (und beschimpft<br />

dabei Rumänen<br />

oder Chinesen). Und<br />

die wollen nicht, dass er<br />

mit Firmenchefs kungelt.<br />

Die Scheinheiligen<br />

14<br />

ALLE 14 TAGE<br />

Nationalmannschaft.<br />

Die Erwartungshaltung, die<br />

Joachim Löw durch gute Arbeit<br />

geweckt hat, behindert nun<br />

seine weitere Arbeit<br />

Seite 9<br />

Stadtgespräch.<br />

RkK-Geschäftsführer Helmut<br />

Schillinger über mangelhafte<br />

Hüftprothesen, Menschlichkeit<br />

und Verantwortung.<br />

Seite 3<br />

Leben.<br />

Folk-Legende Joan Baez kommt<br />

nach Baden-Baden. Ihr neues<br />

Album ist Dokument des<br />

Aufbruchs einer Generation.<br />

Seite 17<br />

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wirft ihre Schatten voraus. Dabei werden lauter Debatten geführt, in denen es<br />

nicht um politische Inhalte geht, sondern um Provokation und Polarisierung. Von Michael Zäh<br />

<strong>ZEITUNG</strong> <strong>AM</strong> S<strong>AM</strong>STAG<br />

Ausgabe 61 am 6. März 2010<br />

Fakten auf dem Tisch<br />

Singen gegen Unrecht<br />

Öko-Kicker<br />

mit Sternchen<br />

Der SC-Vorsitzende Fritz Keller<br />

erhielt den begehrten Diners-<br />

Club-Award, natürlich nicht in<br />

seiner Eigenschaft als Vorstand,<br />

sondern als „Winzer des Jahres<br />

2009“. Dieser von Gourmets und<br />

Luxusliebhabern vergebene Titel<br />

ist auf Fußball übertragen so etwas<br />

wie der Gewinn der Champions-League.<br />

Weil nun auch<br />

Mercedes Benz einen Award gewann,<br />

war schnell die Idee geboren,<br />

die Auserwählten zusammen<br />

zu bringen. So kam es, dass Preisträger<br />

Keller den Schlüssel des<br />

Preisträgers E 250 CDI überreicht<br />

bekam. Was nun wiederum an die<br />

Champions-League erinnert, weil<br />

die Spieler des FC Barcelona nach<br />

deren Gewinn auch alle ein Auto<br />

geschenkt bekamen. Und Xavi,<br />

der geniale Kopf der Mannschaft,<br />

soll einige Mitspieler gebeten haben,<br />

ein möglichst kleines Modell<br />

auszuwählen, da man es schließlich<br />

bei einem Geschenk nicht<br />

übertreiben solle. Marke: Bescheidenheit.<br />

Wenn nun<br />

also Fritz Keller seinen<br />

vierwöchigen Wegbegleiter<br />

für gut befindet, könnte<br />

doch Mercedes eigentlich<br />

allen SC-Spielern ein<br />

Auto als Prämie aussetzen.<br />

Marke:<br />

Öko-Kicker mit<br />

Stern.<br />

Michael Zäh<br />

HALLO ZUS<strong>AM</strong>MEN<br />

Tango in München<br />

Montage: Sebastian Schampera<br />

D<br />

ie jüngst entfachte Diskussion<br />

um die Wirksamkeit<br />

der Homöopathie nimmt<br />

skurrile Züge an. Denn der Vorstoß<br />

von Karl Lauterbach, SPD-Obmann<br />

im Gesundheitsausschuss des Bundestages,<br />

dass man den Krankenkassen<br />

„schlicht verbieten sollte, die<br />

Homöopathie zu bezahlen“, trägt<br />

alle Merkmale der Ignoranz. Kein<br />

Wunder, dass in Deutschland mehr<br />

als 20 Millionen Bürger lieber den<br />

Globuli vertrauen als den Politikern.<br />

Da ist der schier unerträgliche<br />

Politiker-Duktus, von oben herab<br />

zu bestimmen: Lauterbach und<br />

Co. wollen ja „einfach verbieten“,<br />

statt sich mit der Frage<br />

auseinander zu setzen, warum<br />

eigentlich so viele Menschen<br />

von der Heilkraft der Homöopathie<br />

überzeugt sind. Sie alle<br />

besserwisserisch als Hoskuspokus-<br />

Opfer abzutun, verfehlt zumindest<br />

die gesellschaftliche Bedeutung des<br />

Phänomens. Selbst wenn es so sein<br />

sollte, dass nicht ein nachweisbarer<br />

Wirkstoff den Betroffenen hilft, sondern<br />

beispielsweise die zeitintensive<br />

Zuwendung des Homöopathen, ist<br />

das ein zu beachtendes Merkmal.<br />

Wo steht denn geschrieben, dass nur<br />

ein nachweisbarer chemischer Wirkstoff<br />

helfen kann? Es kennzeichnet<br />

womöglich unsere Leistungsgesellschaft,<br />

dass Millionen Menschen im<br />

Krankheitsfalle genau dieser Ruck-<br />

Zuck-Logik entgehen wollen und<br />

sich sozusagen eine Auszeit von der<br />

rationalen Welt nehmen, der sie<br />

sonst wie ein Rädchen im Uhrwerk<br />

unterworfen sind. Vielleicht ist es ja<br />

neben der Zuwendung auch gerade<br />

das Rätselhafte und Unerforschte in<br />

der Homöopathie, was tatsächlich<br />

eine gewisse Heilkraft in sich trägt.<br />

Wo sonst immer alle Tag für Tag<br />

ums goldene Kalb tanzen, sind die<br />

rätselhaften kleinen Kügelchen, die<br />

noch dazu individuell passen sollen,<br />

eine echte Atempause. Die Ruhe<br />

und Rückbesinnung, die oft mehr<br />

als alle Chemie zur Heilung beitragen,<br />

finden in der homöopathischen<br />

Behandlung ein Symbol. Es handelt<br />

sich quasi um ein Erholungsprozess<br />

vom ständigen Leistungsstress in<br />

der Gesellschaft. Homöopathie hilft,<br />

selbst wenn es durch die Kraft der<br />

Illusion wäre.<br />

Leute wie Lauterbach nennen<br />

dies „irrational“. Um dann eben das<br />

ins Spiel zu bringen, dem ihr Denken<br />

unterworfen ist: Geld, der kalte<br />

Stoff, aus dem die Ratio ist. Also in<br />

diesem Fall die leeren Kassen bei<br />

den Kassen. Sie verkennen dabei,<br />

dass die jahrzehntelang gesammelten<br />

Erfahrungen von vielen Millionen<br />

Menschen nicht einfach als<br />

Nichts abgetan werden können.<br />

Und schon gar nicht auf dem Wege<br />

des Verbots. Denn das würde ja bedeuten,<br />

das kalte Kalkül genau dort<br />

mit aller Gewalt durchzusetzen, wo<br />

die Leute sich mal eine kleine Auszeit<br />

davon nehmen wollen.<br />

Besonders befremdlich ist dabei<br />

das völlig sachfremde Umgehen<br />

mit der Wissenschaft, der es normalerweise<br />

nicht eigen ist, endgültige<br />

Aussagen zu treffen, wo sie Zusammenhänge<br />

(noch) nicht ergründen<br />

kann. Sie begnügt sich dann damit,<br />

dass etwas „wissenschaftlich nicht<br />

erwiesen“ ist. Denn die Wissenschaft<br />

forscht und sucht. Sie geht nicht<br />

davon aus, dass da nichts ist, wo sie<br />

noch nicht fündig wurde. Und immer,<br />

wenn es wieder einen Nobelpreis<br />

für Wissenschaftler gibt, hat<br />

man ja neue Entdeckungen gemacht,<br />

also etwas gefunden, von<br />

dem es zuvor noch geheißen hätte,<br />

dass man nichts darüber weiß. Es ist<br />

dieser Wissensdrang, der immer davon<br />

ausgeht, wenn nicht heute,<br />

dann vielleicht später die Ursache<br />

für eine Wirkung zu finden. Es verstößt<br />

gegen das Wesen der Wissenschaft,<br />

Phänomene gleich abzulehnen,<br />

nur weil sie diese nicht erklären<br />

kann.<br />

Wenn nun also einzelne<br />

Wissenschaftler im Sinne Lauterbachs<br />

behaupten, dass es<br />

bei der Homöopathie nichts<br />

mehr zu erforschen gäbe, dann<br />

ist das eine ganz unwissenschaftliche<br />

Hellseherei. Oder<br />

schlicht Lobbyismus.<br />

<br />

<br />

Kleine Kügelchen<br />

<br />

Geoff Downes, Keyboarder<br />

bei Asia, die nach<br />

Bad Krozingen kommen,<br />

über seine Hassliebe zur<br />

Technologie. Seite 15<br />

<br />

Joachim Löw hat einen neuen<br />

Stil in der Branche eingeführt.<br />

Er lässt sich nicht locken und<br />

hat gewonnen. Seite 9<br />

Foto: fotolia<br />

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Abbaubare Stoffe<br />

<br />

Professor Franz Daschner über<br />

Medikamente im Wasser,<br />

die Mär vom gesunden<br />

Mineralwasser und<br />

Überwachung. Seite 3<br />

<br />

Gnadenlos sachlich<br />

Klavier ist ein Privileg<br />

<br />

Zu der Mittwochs-Trophy beim<br />

Golfclub Tuniberg lud die ZaS<br />

auch Freunde und Partner zum<br />

Schnupperkurs ein.<br />

Seite 5<br />

<br />

Der Mediziner Peter Heilmeyer über<br />

heilsamen Stress, schädliches<br />

Schonen und das richtige<br />

Wechselspiel zwischen<br />

beidem. Seite 3<br />

Vom Töten und Lieben<br />

<br />

John Irving hat einen neuen Roman,<br />

Berthold Noeske eine Fülle an<br />

Infos zur DDR und Fred Vargas<br />

verursacht einen<br />

Rausch. Seite 2<br />

<br />

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<br />

Wie schon letztes<br />

Jahr macht die ZaS<br />

ab jetzt So merferien.<br />

Die nächste Ausgabe<br />

erscheint am<br />

18. September<br />

Kein schlechter Stress<br />

Sportlich schnuppern<br />

D<br />

ie Krise der katholischen<br />

Kirche löst im Vatikan einen<br />

Reflex aus, der einem die<br />

Sprache verschlägt. Nach der Kultur<br />

des Wegschauens, des Leugnens und<br />

des Schweigens bezüglich der Flut<br />

von Missbrauchsfällen in kirchlichen<br />

Einrichtungen, gab jetzt der zweite<br />

Mann in Rom, Kardinal Tarcisio<br />

Bertone eine verblüffende Ansicht<br />

zu Protokoll: Es gebe nicht nur keine<br />

Verbindung zwischen Zölibat und<br />

Pädophilie. „Vielmehr haben viele<br />

andere bewiesen und mir das vor<br />

kurzem gesagt, dass es eine Verbindung<br />

zwischen Homosexualität und<br />

Pädophilie gibt.“<br />

Die Logik dieses Vorstoßes ist<br />

schnell ergründet: Homosexuelle<br />

und Lesben, so die konservative<br />

Lehre, lösen Naturkatastrophen aus<br />

und sind eine Gefahr für das Abendland.<br />

Für den Hurrikan Katrina<br />

machte der katholische Pfarrer Gerhard<br />

Maria Wagner, der 2009 fast<br />

Weihbischof von Linz geworden<br />

wäre, eine „geistige Umweltverschmutzung“<br />

verantwortlich und<br />

verwies darauf, dass dass zwei Tage<br />

später in New Orleans (das ja vom<br />

Hurrikan verwüstet wurde) eine<br />

Schwulenparade stattfinden sollte.<br />

Schon in 1 Römer 1, 24-27 heißt<br />

es: „Darum lieferte Gott sie durch<br />

die Begierden ihres Herzens der Unreinheit<br />

aus, so dass sie ihren Leib<br />

durch eigenes Tun entehrten: sie<br />

vertauschten die Wahrheit Gottes<br />

mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf<br />

an und verehrten es anstelle<br />

des Schöpfers – gepriesen ist er in<br />

Ewigkeit. Darum lieferte Gott sie<br />

entehrenden Leidenschaften aus:<br />

ihre Frauen vertauschten den natürlichen<br />

Verkehr mit dem widernatürlichen;<br />

ebenso gaben die Männer<br />

den natürlichen Vekehr mit der<br />

Frau auf und entbrannten in Begierde<br />

zueinander; Männer trieben<br />

mit Männern Unzucht und erhielten<br />

den gebührenden Lohn für ihre<br />

Verwirrung.“<br />

Die Homosexualität gibt seit<br />

jeher ein wunderbares Beispiel für<br />

die katholische Kirche ab, an dem<br />

sie ihre Lehre vorführen kann. Das<br />

bekam ja auch Anne Will zu<br />

spüren, als in ihrer ARD-Talkshow<br />

der Essener Bischof<br />

Franz-Josef Overbeck der<br />

lesbischen Moderatorin<br />

(die selbst Mitglied der<br />

katholischen Kirche ist)<br />

ins Gesicht sagte, dass<br />

Homosexualität Sünde<br />

sei und der menschlichen<br />

Natur widerspreche.<br />

Was natürlich eine gewagte<br />

Behauptung ist, vor<br />

allem das mit der Natur.<br />

Denn die Kirche hat ja ihr<br />

gesamtes Regelwerk gegen<br />

die Unbillen der Natur in<br />

Stein gemeißelt. Nicht nur<br />

bei den zehn Geboten. Bei 1<br />

Timotheus 1, 9 heißt es: „Und<br />

bedenkt, dass das Gesetz<br />

nicht für die Gerechten bestimmt<br />

ist, sondern für Gesetzlose<br />

und Ungehorsame,<br />

für Gottlose und Sünder, für<br />

Menschen ohne Glauben und<br />

Ehrfurcht (...)“<br />

Hier führt ein direkter Weg<br />

zu den Missbrauchsfällen in<br />

den katholischen Einrichtungen.<br />

Es gibt mittlerweile zahlreiche<br />

Fälle von Gewaltanwendung<br />

gegenüber Kindern,<br />

die beispielsweise der Augsburger<br />

Bischof Walter Mixa<br />

nach den eidesstattlichen Erklärungen<br />

von Opfern (die der Süddeutschen<br />

Zeitung vorliegen) direkt<br />

verübt haben soll. Man braucht<br />

nicht viel Phantasie, um sich das<br />

vorstellen zu können, dass jene<br />

„Ungehorsamen“ und „Sünder“, für<br />

die man zu erziehende Kinder im<br />

Zweifelsfall hielt, mit körperlichen<br />

und seelischen Strafen „erzogen“<br />

wurden. In den 50er und 60er<br />

Jahren herrschten völlig andere<br />

Vorstellungen bezüglich der<br />

Pädagogik und die Kirche<br />

hat ja noch dazu einen<br />

reichhaltigen Schatz an<br />

eigenen Richtlinien (wie<br />

etwa „Der Herr straft, wen<br />

er liebt“, siehe auch den<br />

beeindruckenden<br />

Erfahrungsbericht<br />

von Hermann<br />

Unterstöger, SZ vom 14.4.)<br />

Und dies macht eben<br />

auch der jüngste Vorstoß<br />

des Vatikans deutlich, wenn<br />

Bertone plötzlich die Homosexualität<br />

für den sexuellen<br />

Missbrauch an Kindern<br />

verantwortlich macht. Die<br />

kann Naturkatastrophen auslösen,<br />

also kann sie auch wie<br />

eine solche über die Klöster<br />

der katholischen Kirche hereingebrochen<br />

sein. Das ist<br />

aus Sicht des Vatikans immer<br />

noch besser, als etwa<br />

die ureigene Regelung des<br />

Zölibats als mitursächlich in<br />

Betracht zu ziehen. Nur Spötter<br />

„ohne Ehrfurcht“ könnten sich<br />

fragen, ob Bertone sagen wollte,<br />

dass Priester homosexuell<br />

sind und<br />

dies hinter der<br />

Keuschheit des<br />

Zölibats verstekken.<br />

<br />

Der Künstler Ben Hübsch unterrichtet<br />

an der Freien Hochschule<br />

für Grafik, Design<br />

und Bildende Kunst auf<br />

hohem Niveau. Seite 13<br />

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Es kann sich abnutzen, wenn man<br />

immer von Endspielen und der<br />

„Wurst“ spricht, um die es<br />

gehe. Vier Erstligaspiele<br />

sind ein Genuss. Seite 9<br />

<br />

Eine Woche bevor am 25.<br />

April der erste Wahlgang ansteht,<br />

haben wir den drei OB-<br />

Kandidaten noch einmal ein<br />

paar Fragen gestellt. Seite 3<br />

Auf ein Neues!<br />

Umfrage bei Kandidaten<br />

<br />

<br />

Das alte Feindbild<br />

Raus aus der Hobbyecke<br />

N<br />

ach dem Paukenschlag<br />

kommt die Erleichterung,<br />

bevor die Zweifel beginnen.<br />

Der überraschende Rücktritt des<br />

CDU-Vize und hessischen Ministerpräsidenten<br />

Roland Koch spiegelt<br />

die Situation der Union haargenau<br />

wieder: Koch geht, weil er nichts<br />

mehr zu erwarten hat. In Hessen hat<br />

er schon bei der letzten Landtagswahl<br />

zwei Mal Federn gelassen und<br />

würde bei der nächsten wohl nicht<br />

mehr gewählt. Nach Berlin schafft<br />

er es nicht. Als Rivale von Merkel<br />

hat er sich zuletzt ein Machtwort der<br />

Kanzlerin eingehandelt, als er bei<br />

Bildung und Familie sparen wollte.<br />

Er geht also, längst über dem Zenit,<br />

bevor alles noch schlechter wird.<br />

Mag sein, dass dieser freiwillige<br />

Abgang Kochs aus der Politik im ersten<br />

Moment eine Erleichterung für<br />

Angela Merkel sein könnte, die<br />

künftig nicht mehr provozierende<br />

Kampfansagen auf verschiedenen<br />

politischen Feldern fürchten muss.<br />

Aber gerade das kann der Kanzlerin<br />

bei genauerem Hinsehen noch zum<br />

Bumerang werden. Denn der Rückzug<br />

des Rivalen ist auch ein Leck im<br />

Gefüge ihrer Partei. Roland Koch<br />

hat ja das wertkonservative und<br />

wirtschaftsliberale Lager der CDU<br />

wie hinter einem starken Magneten<br />

versammelt. Dieser Flügel der Partei<br />

und breite konservative Wählerschichten<br />

sind ohne die Frontfigur<br />

Koch plötzlich herrenlos. Mit Merkel<br />

können sie sich nicht identifizieren,<br />

mit ihrem politischen Kurs schon<br />

gar nicht und an dem Fehlen klarer,<br />

oft überspitzter Ansagen werden sie<br />

leiden.<br />

Man könnte zwar meinen, dass<br />

Merkels einsame Führungsgewalt<br />

nach dem Verstummen des Gegenpols<br />

Koch ihr nun noch mehr Macht<br />

Freiheit und Gestaltungsspielraum<br />

verschafft. Aber das Gegenteil wird<br />

vermutlich zutreffen. Denn was<br />

Koch in der CDU an Kräften band<br />

und manchmal gesammelt gegen<br />

die Kanzlerin herausbellte, hat ihr<br />

eigentlich den Rücken frei gehalten.<br />

So fiel ihre eigene Unentschlossenheit<br />

bei wichtigen politischen Entscheidungen<br />

nicht so sehr auf.<br />

Wenn Merkel sich umschaut,<br />

wie sich das plötzliche Vakuum an<br />

der konservativen Flanke in ihre<br />

momentane politische Situation<br />

einreiht, dann könnte sie auf den<br />

Gedanken kommen, dass sie selbst<br />

den Zenit bereits überschritten hat.<br />

Zum Start der schwarz-gelben Koalition<br />

wurde sie von einem vogelwilden<br />

Westerwelle mit seinen<br />

hemdsärmeligen Hartz-IV-Debatten<br />

konfrontiert. Sie saß es ratlos aus.<br />

In der Folge schien sich die Koalition<br />

an nutzlosen Diskussionen über die<br />

Höhe und den Zeitpunkt von im<br />

Wahlkampf versprochenen Steuererleichterungen<br />

zu verschleißen, die<br />

sich inzwischen als völlig utopisch<br />

herausgestellt haben – Merkel saß<br />

es genervt aus. Der Griechenland-<br />

Krise wollte die Kanzlerin zuerst als<br />

Ordnungspolitikerin begegnen, bevor<br />

sie sich dann aufgrund des<br />

Drucks anderer europäischer Staaten<br />

zu einem Hauruck-Hilfspaket<br />

entschloss. Ein Wackelkurs der<br />

Kanzlerin.<br />

Schließlich kam das für CDU<br />

und FDP miserable Wahlergebnis<br />

von Nordrhein-Westfalen. Zweifel<br />

wurden laut, ob nicht auch Merkel<br />

mit ihrem unklaren Kurs für diese<br />

Quittung der Wähler verantwortlich<br />

war. Sie reagierte erstmals klar und<br />

gab Steuererleichterungen eine Absage.<br />

Stattdessen werde es einen<br />

harten Sparkurs geben – das hätte<br />

von Roland Koch stammen können.<br />

Das Gesetz zum „Rettungsschirm“<br />

für den Euro wurde mit knapper<br />

Mehrheit durch das Parlament und<br />

den Bundesrat gepeitscht, ohne die<br />

gewünschte breite Zustimmung<br />

auch der SPD und der Grünen. Für<br />

bis zu 148 Milliarden Euro bürgen<br />

seither die Bundesbürger.<br />

Über die Regulierung der Finanzmärkte<br />

gibt es Streit mit Amerika<br />

und Frankreich. Und<br />

die Umfragewerte für die<br />

CDU sind derzeit tief im Keller.<br />

Durch Kochs Rücktritt<br />

wird sich die Zustimmung<br />

für Merkel nicht<br />

erhöhen. Er ging nur als Erster.<br />

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Grenze ist überschritten<br />

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<br />

Roland Koch geht voran<br />

Elf aus 736<br />

Kompetenz<br />

<br />

Wir führen unsere ZaS-Serie<br />

über Kompetenzzentren in der<br />

Medizin fort. Auf drei Seiten<br />

werden Neuheiten aus dem<br />

Bereich vorgestellt. Seite 13<br />

<br />

Ronaldo, Messi, Milito, Drogba,<br />

Xavi, Rooney, di Natale, Pantelic,<br />

Robben, Ribery, Kaka sind elf von<br />

736 WM-Akteuren. Ein kleiner<br />

Vorgeschmack. Seite 10<br />

<br />

Greenpeace-Experte Christian<br />

Bussau über das Risiko von<br />

Tiefsee-Ölbohrungen und<br />

die Notwendigkeit, jetzt<br />

umzudenken. Seite 3<br />

<br />

Montage: Sebastian Schampera<br />

D<br />

ie Milliarden purzeln uns<br />

nur so um die Ohren. Als<br />

die Bundesregierung kürzlich<br />

über Nacht einen 147 Milliarden<br />

teuren „Schirm“ zur Rettung des<br />

Euro gespannt hat, durften Deutschlands<br />

Bürger noch vage das Gefühl<br />

haben, dass wir es irgendwie halt<br />

haben. Und schon vorher, als in der<br />

Finanzkrise zahlreiche Banken mit<br />

Milliarden gerettet wurden, schien<br />

das Geld dafür kein Problem zu sein.<br />

Doch plötzlich pfeift der Wind durch<br />

alle Ritzen sämtlicher Rettungsschirme.<br />

Denn die schwarz-gelbe<br />

Koalition hat ein Sparpaket vorgestellt,<br />

das 80 Milliarden Euro bis<br />

2014 umfasst. Weil wir es eben nicht<br />

haben, was wir ausgeben.<br />

Die Sprengkraft des Sparpaketes<br />

liegt darin, dass daraus klar hervorgeht,<br />

wer die Last tragen soll. Nicht<br />

alle gleichermaßen, sondern die gesellschaftlich<br />

Schwachen zuallererst<br />

und die Wirtschaft nur dort, wo es<br />

nicht wehtut. Während bei Hartz-<br />

IV-Empfängern das Elterngeld gestrichen<br />

wird, sollen Kernkraftbetreiber<br />

eine Abgabe auf Laufzeitverlängerungen<br />

zahlen, also nur einen<br />

winzigen Bruchteil der zusätzlichen<br />

Gewinne abgeben. Wenn überhaupt,<br />

da alle Beteiligungen der Wirtschaft<br />

nur vage skizziert sind, während die<br />

Kürzungen bei Sozialleistungen<br />

ganz konkret erfolgen. Eine Abgabe<br />

auf Finanztransaktionen wird vielleicht<br />

irgendwann kommen, oder<br />

auch nicht. Doch den Arbeitslosen<br />

soll nicht mehr in die Rentenkasse<br />

eingezahlt werden, das ist Fakt.<br />

Die Währung, die dabei ins<br />

Wanken kommt, lässt sich nicht in<br />

barer Münze abzählen. Es ist das<br />

Vertrauen, das zu Bruch geht. Nicht<br />

nur bei denen, die jetzt betroffen<br />

sind. Auch alle anderen Schichten<br />

haben Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit<br />

der Koalition. Warum<br />

hat selbst die Kraftanstrengung des<br />

Euro-Schirms die Märkte nicht<br />

wirklich beruhigt? Gibt es bald<br />

Steuererhöhungen, wo doch immer<br />

von Steuerentlastungen die Rede<br />

war? Wird der Konsum und eine<br />

sich abzeichnende Entspannung am<br />

Arbeitsmarkt durch das Sparpaket<br />

endgültig abgewürgt?<br />

Der Riss geht im Moment zuerst<br />

durch die schwarz-gelbe Koalition<br />

selbst. Auch Unionspolitiker halten<br />

das Sparpaket für sozial unausgewogen<br />

und fordern Änderungen.<br />

Man hat erkannt, dass eine zu offensichtliche<br />

Schräglage zugunsten<br />

der Besserverdienenden die Akzeptanz<br />

des gesamten Pakets gefährdet.<br />

Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes<br />

wird also ins Spiel gebracht,<br />

um Vertrauen wieder herzustellen.<br />

Doch das wiederum treibt die FDP<br />

in den politischen Ruin. Weshalb<br />

zwischen Union und FDP derzeit so<br />

nette Bezeichnungen wie „Wildsau“<br />

und „Gurkentruppe“ ausgetauscht<br />

werden.<br />

Die Umfragewerte sind bei der<br />

FDP in neun Monaten von 18 auf<br />

fünf Prozent gefallen. Kämen nun<br />

statt der von ihr versprochenen<br />

Entlastungen auch noch Steuererhöhungen,<br />

wie etwa Finanzminister<br />

Schäuble sie durchaus vertritt, dann<br />

wäre die Partei politisch am Ende.<br />

Weshalb sie nun offen damit droht,<br />

dass man Ende Juni den von Merkel<br />

nominierten Christian Wulff nicht<br />

unbedingt als Bundespräsidenten<br />

wählen müsse. Dies würde aber die<br />

Bundeskanzlerin selbst an den Rand<br />

des Absturzes bringen. Und genau<br />

dieses Ränkespiel kostet den letzten<br />

Rest von Vertrauen und Rückhalt in<br />

der Bevölkerung. Es wird wie eine<br />

billige Schacherei aus Eigennutz<br />

empfunden. Und wo eine politische<br />

Weitsicht bezweifelt wird, kann sich<br />

keine gesellschaftliche Gruppe wohl<br />

fühlen. Ein solidarischer Akt, die<br />

gigantischen Schulden des Staates<br />

endlich einzugrenzen, ist so nicht<br />

zu erwarten.<br />

Die Wahl Merkels, Wulff als<br />

Kandidaten ins Rennen zu schicken,<br />

trägt ja ebenfalls schon Züge von<br />

Postengeschachere. Nach dem für<br />

die Kanzlerin schockierenden Rücktritt<br />

von Horst Köhler, hat sie gleich<br />

das kleine Einmaleins des eigenen<br />

Machterhalts durchgerechnet und<br />

in Wulff den letzten mächtigen<br />

CDU-Landesfürsten auf den frei<br />

werdenden Posten gelobt. Nicht,<br />

dass ihr noch ein zweiter Roland<br />

Koch droht.<br />

Doch gerade dieses kleinkarierte<br />

Denken fügt sich nahtlos in den<br />

allgmeinen Eindruck ein. Erst recht,<br />

seit SPD und Grüne den parteiunabhängigen<br />

Joachim Gauck als<br />

Gegenkandidaten<br />

nominierten.<br />

Dürfte die Bevölkerung wählen,<br />

sähe Merkel schlecht aus. Wer will<br />

schon einen Bundespräsidenten, der<br />

nur aus billigem Machtkalkül der<br />

Kanzlerin erkoren wurde? Gerade<br />

in Zeiten der politischen Krise ist<br />

die Sehnsucht nach einem souveränen<br />

Staatsoberhaupt besonders<br />

groß, der nicht am Gängelband der<br />

Regierenden spazieren geht. Nach<br />

einem, der eben all die Werte<br />

repräsentiert, die derzeit<br />

in Berlin vermisst werden.<br />

Gerechtigkeit, Ausgeglichenheit,<br />

Ehrlichkeit.<br />

Einer gegen den Riss<br />

in der Gesellschaft.<br />

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Riss in der<br />

Gesellschaft<br />

<br />

Zum Start der Fußball-WM<br />

in Südafrika geben wir einen<br />

Überblick über alle<br />

Gruppen, die Favoriten und die<br />

Außenseiter, ab Seite 11<br />

<br />

Asien-Experte Patrick Köllner über<br />

Nordkoreas Machthaber Kim Jong<br />

Il, die Bedeutung der WM für das<br />

isolierte Land und den begrenzten<br />

Einfluss des Westens. Seite 3<br />

Montage: Sebastian Schampera<br />

Unglaubliche Leistung<br />

Die Welt am Ball<br />

D<br />

ieser Text ging bereits am<br />

Donnerstag, 25. November,<br />

in die Druckerei. In ihm<br />

kann daher nichts stehen, was sich<br />

danach ereignet hat. Aber allein<br />

schon das Gefühl, dass ein solcher<br />

Hinweis den folgenden Zeilen voran<br />

gesetzt werden sollte, zeigt etwas.<br />

Nach der Terrorwarnung, die der<br />

sonst eher zurückhaltende Thomas<br />

de Maizière für diese letzten Tage im<br />

November herausgegeben hat, hält<br />

man ein furchtbares Ereignis für<br />

möglich. Einen Anschlag, der uns<br />

alle erschüttern würde.<br />

Bisher sind es nur Vorstellungen,<br />

die sich an die grauenhaften<br />

Ereignisse im indischen<br />

Mumbai 2008 anknüpfen, als dort<br />

Terroristen ein Hotel angriffen und<br />

200 Menschen erschossen. Denn<br />

die Hinweise, die den Innenminister<br />

zu seiner Warnung veranlasst haben,<br />

sollen offenbar in Richtung eines<br />

solchen Szenarios gehen. Aber auch<br />

Weihnachtsmärkte oder andere Orte,<br />

wo viele Menschen zusammen kommen,<br />

haben die Sicherheitsbehörden<br />

als mögliche Ziele benannt.<br />

Diese Warnung, so erschreckend<br />

sie auch ist, hat ihre Berechtigung.<br />

Nämlich darin, dass die allgemeine<br />

„Wachsamkeit“ ein nicht zu unterschätzendes<br />

Instrument sein könnte,<br />

einen bereits geplanten Anschlag zu<br />

verhindern. Wie am 1. Mai in New<br />

York, als Passanten auf dem Times<br />

Square eine Autobombe entdeckten<br />

und so eine Katastrophe gerade<br />

noch verhindert wurde. Wenn also<br />

alle Menschen im Lande die Augen<br />

offen halten, ist das in der Summe<br />

schon auch ein Schutz.<br />

Gleichzeitig legt sich die Terror-<br />

Warnung als eine düstere Bedrohung<br />

auf das Leben all jener, die da wachsam<br />

sein sollen. Bilder ziehen durch<br />

den Kopf: vom 11. September 2001,<br />

von den schrecklichen Anschlägen<br />

in Madrid und London, wo Bomben<br />

in Regionalzügen und Bussen explodierten,<br />

von dem Gemetzel im<br />

Mumbai. Solche Bilder können<br />

kaum in das alltägliche Leben der<br />

Menschen übersetzt werden und<br />

sollen es nach dem Willen von de<br />

Maizière auch gar nicht. „Hysterie“<br />

sei unangebracht, sagt er. Aber sie<br />

können sich auch nicht einfach in<br />

Nichts auflösen, angesichts der so<br />

konkreten Vorwarnung.<br />

Was können die Bürger also<br />

tun? Nicht mehr ins Kino oder auf<br />

Weihnachsmärkte gehen? Lieber<br />

doch nicht mit der Bahn fahren?<br />

Große Menschenansammlungen<br />

meiden? Dies wären Einschnitte ins<br />

soziale und gesellschaftliche Leben,<br />

die dem Terror als Erfolg zugerechnet<br />

werden müssten. Dies gilt in<br />

noch größerem Ausmaß, wenn jetzt<br />

wieder Rufe nach noch mehr Überwachung<br />

laut werden. Das Gefüge<br />

des demokratischen Rechtsstaats<br />

zu verrücken, wäre fast schon ein<br />

Sieg für den Terror. Denn die innere<br />

Sicherheit, um die es hier geht,<br />

muss gleichzeitig und zuallererst<br />

die Werte verteidigen, die die<br />

Grundrechte der Verfassung<br />

sind. Und eine absolute innere<br />

Sicherheit wird es nie geben.<br />

Vielleicht hilft es, jenen<br />

Tatsachen offen ins Auge zu<br />

schauen, die vielleicht auf die<br />

Menschen und die Republik zukommen.<br />

Eine kleine Gruppe von<br />

Terroristen, vielleicht acht bis<br />

zwölf Fanatiker, heißt es aus den<br />

Sicherheitskreisen, greifen die gesamte<br />

Bevölkerung an, rund 80<br />

Millionen Menschen. Das Quälende<br />

dabei ist für Land und Leute, dass<br />

ein solcher Angriff zwar zufällig jeden<br />

treffen könnte, aber keinesfalls<br />

alle. So steht wohl bei den meisten<br />

Bürgern nicht die Angst im Vordergrund,<br />

selbst Opfer zu werden, sondern<br />

das Grauen, dass es Mitbürger<br />

sein werden, die bei einem Anschlag<br />

ums Leben kommen. Ein Szenario,<br />

das unerträglich ist – und genau<br />

deshalb ist es auch das Kalkül jeden<br />

Terrorismus. Man will alle treffen,<br />

indem man irgendwen trifft.<br />

Es wird kaum etwas anderes<br />

helfen, als diesem Szenario als innere<br />

Gemeinschaft die Stirn zu bieten.<br />

In dem Bewusstsein, dass der<br />

Terror am Ende nichts erreicht,<br />

wenn er die Gemeinschaft und deren<br />

Grundwerte durch<br />

seine schrecklichen<br />

Taten nicht erschüttern<br />

kann. Der Terror<br />

muss sich als sinnlos<br />

heraus stellen. Dazu<br />

braucht es Mut.<br />

Die Gemeinschaft im Visier<br />

Illustration/Montage: S. Schampera<br />

<br />

Weil Robin Dutt fast punktgenau<br />

den sportlichen Erfolg der frühen<br />

Finke-Jahre wiederholt, tauchen<br />

auch die gleichen Fragen auf.<br />

Seite 3<br />

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Europa winkt weiter<br />

<br />

Nach zwei Siegen in vier Spitzenspielen<br />

kann der SC Freiburg<br />

in Hannover aus eigener Kraft auf<br />

einen internationalen Platz<br />

vorstoßen. Seite 11<br />

Musik muss berühren<br />

<br />

Interview mit Christopher<br />

von Deylen, der als Schiller<br />

mit seinen elektronischen<br />

Klangwelten ins Freiburger<br />

Konzerthaus kommt. Seite 15<br />

Wandel der Zeit<br />

G<br />

erhard Schröder, damals<br />

Bundeskanzler, wusste die<br />

große Mehrheit der Deutschen<br />

hinter sich, als er George W.<br />

Bush im März 2003 beim Irak-Krieg<br />

die militärische Gefolgschaft verweigerte.<br />

Da stand Schröder mannhaft<br />

da, weil er dem Zorn des amerikanischen<br />

Präsidenten stand hielt<br />

und sozusagen dem bösen Bush<br />

trotzte. Die deutschen Bürger dachten,<br />

dass ihr Land mit diesem Krieg<br />

nichts zu tun hätte.<br />

Doch das war nicht so. Auf dem<br />

sandigen Wüstenboden bewegten<br />

sich die britischen Panzerhaubitzen<br />

„AS 90“ auf Ketten der deutschen<br />

Firma Diehk Remscheid und kamen<br />

mit Getrieben der Zahnradfabrik<br />

Friedrichshafen gut voran. Die Infanteriesoldaten<br />

hielten vom deutschen<br />

Hersteller Heckler & Koch<br />

modernisierte Sturmgewehre des<br />

Modells „SA 80 A2“ in Händen. Die<br />

Zielerfassung amerikanischer F-<br />

15E- und F-16C/D-Kampfflugzeuge<br />

gelang unter Mitwirkung der Infrarot-Sensortechnik<br />

der Firma AEG<br />

Infrarotmodule GmbH. Elektronische<br />

Zünder von Junghans Feinwerktechnik<br />

und Treibladungen des<br />

Herstellers Nitrochemie sorgten dafür,<br />

dass diverse Munitionsarten der<br />

US-Streikräfte zuverlässig explodierten.<br />

Um nur einige Beispiele zu<br />

nennen. Und die Bundesregierung<br />

hat damals geduldet, dass die deutsche<br />

Rüstungsindustrie ihren Beitrag<br />

zum Irak-Krieg leistete. Die Zahl der<br />

direkten Opfer deutscher Wehrtechnik<br />

im Rahmen dieses Krieges wurde<br />

nie ermittelt.<br />

Seither ging viel Zeit ins Land<br />

und hat die Regierung ja schon zwei<br />

Mal gewechselt. Diese Zeit wurde<br />

genutzt, um Deutschland beim weltweiten<br />

Waffenhandel noch weiter<br />

voran zu bringen. Nach Erhebungen<br />

des renommierten Friedensforschungsinstituts<br />

Sipri (Stockholm<br />

International Peace Research Institute)<br />

haben sich deutsche Rüstungsexporte<br />

in den letzten fünf Jahren<br />

(2005 bis 2009) mehr als verdoppelt.<br />

Damit zog die deutsche Industrie an<br />

allen anderen europäischen Ländern<br />

vorbei und ist nach den USA und<br />

Russland an dritter Stelle bezüglich<br />

des Weltmarktanteils.<br />

Vor allem durch U-Boote und<br />

Panzerfahrzeuge Made in Germany<br />

wurde der Export angekurbelt. So<br />

unterzeichnete allein die Türkei<br />

2009 einen Vertrag zur Lizenzherstellung<br />

von sechs deutschen U-<br />

Booten der Klasse U214 im Wert<br />

von zwei Milliarden Euro. Wobei<br />

auch ein offenbar besonders gültiges<br />

Geschäftsprinzip offenbar wird:<br />

Weil die Türkei zu den besten Abnehmern<br />

gehört, bestellt auch das<br />

benachbarte Griechenland ähnlich<br />

umfangreiche und teure Kriegstechnik,<br />

als Abschreckung gegen<br />

den Nachbarn. So lassen sich quasi<br />

doppelt aufgeschaukelte Geschäfte<br />

machen.<br />

Und schaut man in die Liste der<br />

55 (!) Länder, die von Deutschland<br />

mit Waffen beliefert werden, findet<br />

man beispielsweise sowohl Israel<br />

wie auch den Iran darauf, zwei Länder<br />

also, zwischen denen ernst zu<br />

nehmende Spannungen herrschen.<br />

Auch ohne den moralischen Zeigefinger<br />

zu heben, zeigt dies doch,<br />

dass das große Geschäft mit den<br />

Waffenexporten nicht gerade einer<br />

politischen Linie folgt, wie sie von<br />

Bundeskanzlerin Merkel etwa in<br />

Bezug auf den Iran verlautbart wird.<br />

Weil keine Waffenlieferung rein<br />

privatwirtschaftlich, ohne Duldung<br />

der Bundesregierung abläuft, stellt<br />

sich also die Frage einer politischen<br />

Verantwortung. Nicht nur, weil die<br />

Waffen dann auch zum Töten verwendet<br />

werden, sondern auch in<br />

der Frage, inwiefern beispielsweise<br />

bei Abnehmern in afrikanischen<br />

Ländern die Ressourcen von armen<br />

Regionen komplett für den teuren<br />

Waffenkauf abgeschöpft werden,<br />

während dort der Bevölkerung das<br />

Nötigste fehlt. Oder auch im Falle<br />

Griechenland, das knapp vor dem<br />

Staatsbankrott steht und womöglich<br />

mit deutschen Steuergeldern subventioniert<br />

werden muss. In diesem<br />

Falle hätten deutsche Firmen<br />

mit ihren Waffen-Exporten<br />

viel verdient, aber die<br />

Allgemeinheit<br />

käme<br />

dann für das Problem<br />

auf, Griechenland finanziell<br />

zu stabilisieren.<br />

Die Tatsache, dass<br />

Deutschland weltweit der<br />

drittgrößte Waffenlieferant ist,<br />

wird kaum öffentlich debattiert.<br />

Weil es ausgeblendet wird.<br />

<br />

Wenn Mitaufsteiger Mainz in Freiburg<br />

gewinnt, hat er mehr als doppelt so<br />

viele Punkte wie der SC. Also<br />

besser, die Tuchel-Männer<br />

verlieren! Seite11<br />

<br />

Im Herzen der Wiehre soll bald ein<br />

Gebäude abgerissen werden, das<br />

„dazu gehört“: St.Luitgard. Das<br />

macht manchen Menschen<br />

das Herz schwer. Seite 3<br />

<br />

Nazareth kommt für ein Konzert<br />

nach Denzlingen. Die schottische<br />

Hardrock-Band besteht zur<br />

Hälfte immer noch aus der Originalbesetzung.<br />

Seite 17<br />

Die letzten Tage<br />

Bisschen barbarisch<br />

<br />

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Mainz singt und...<br />

Montage: Sebastian Schampera<br />

<br />

<br />

Weltweiter Waffenhandel<br />

<br />

D<br />

ie preußischen Tugenden<br />

sind wieder salonfähig.<br />

Fleiß, Gehorsam, Pflicht,<br />

Härte, Mut, Ordnungssinn, um nur<br />

einige zu nennen, haben ein Gesicht<br />

gefunden. Es ist das Gesicht eines<br />

Holländers, der halb Deutschland<br />

(nämlich alle Fußballanhänger)<br />

mehr und mehr davon überzeugt,<br />

dass man mit Ordnung jene Siege<br />

erringt, die an die Spitze Europas<br />

führen. Früher hätte man Schlachten<br />

gesagt, heute ist es Fußball. Louis<br />

van Gaal steht mit dem FC Bayern<br />

München im Champions-League-<br />

Finale in Madrid.<br />

Die Faszination hat aber nicht<br />

nur wegen des sportlichen Erfolges<br />

um sich gegriffen, sondern weil<br />

van Gaal unbeirrt preußische<br />

Tugenden als Basis allen<br />

Handelns durchsetzte. Als anfangs<br />

bekannt wurde, dass er<br />

seinen Spielern die Sitzordnung<br />

beim Essen vorschreibt, runzelten<br />

noch alle mit der Stirn. Inzwischen<br />

heißt es, dass man genau diese Sitzordnung<br />

auf dem grünen Rasen<br />

wiedererkennen könne. Und van<br />

Gaal steht da am Spielfeldrand, wie<br />

ein Büroangestellter, seine Schreibmappe<br />

unter den Arm geklemmt.<br />

Friedrich der Große machte es<br />

einst vor, wie man auf der Basis der<br />

preußischen Tugenden einen Vielvölkerstaat<br />

lenken kann, der damals<br />

multikulturell war. Preußen wurde<br />

von einem herkömmlichen Barockstaat<br />

zu einer modernen Großmacht<br />

umgebaut. Man hatte eine fortschrittliche<br />

Rechtsordnung und Verwaltung<br />

und ein der Krone loyales<br />

Offizierskorps.<br />

Genau wie van Gaal. Er hat den<br />

in den letzten Jahren international<br />

abgehängten FC Bayern wieder zu<br />

einer fußballerischen Macht und<br />

sogar zu einem Sympathieträger<br />

gemacht. Die zwar robuste, aber<br />

auch allzu hemdsärmelige „Mia san<br />

Mia“-Mentalität hat er sich zwar<br />

zunutze gemacht, aber eigentlich<br />

hat er sie ausgehebelt. Er formuliert<br />

das so: Das Wichtigste sei, dass ein<br />

Trainer von seinen Spielern respektiert<br />

würde. Das Reich, das er in<br />

München errichtet hat, dreht sich<br />

um diesen Respekt. Ein „Mia“ taucht<br />

darin nicht auf. Das wäre ihm zu<br />

viel Firlefanz. Zu den preußischen<br />

Tugenden gehört nämlich auch die<br />

Vernunft. Und da es in Europa kein<br />

Spitzenteam interessiert, was da auf<br />

bayrisch als Selbstbild entworfen<br />

wird, sieht er auch keinen Vorteil<br />

darin. Stattdessen bestimmt er, wer<br />

auf dem Mannschaftsbild wo zu<br />

stehen hat. Schließlich gehe so ein<br />

Bild um die Welt, und da müsse es<br />

doch auch schön aussehen.<br />

Dieser Ordnungssinn, den er<br />

auch dem Spiel seiner Fußballer<br />

beigebracht hat, führt auch auf<br />

dem Platz dazu, dass es schön<br />

aussieht. Als moralische und<br />

vernünftige Instanz befriedigt<br />

Louis van Gaal die Sehnsüchte der<br />

Leute nach der klaren, ordnenden<br />

Hand. Aber er will mehr erreichen,<br />

als dies nur zum Selbstzweck zu<br />

tun. Die unbändige Kraft seines<br />

Fußballers Ivica Olic kommt auf der<br />

Basis eines geordneten Bayern-<br />

Spiels viel irrwitziger zur Geltung.<br />

Olic darf sich austoben, seit die Ordnung<br />

steht. Er schoss drei Tore im<br />

Halbfinale in Lyon. Auch Arjen<br />

Robben, Tempodribbler mit feinem<br />

linken Fuß, glänzt als Solist, seit die<br />

Mannschaft sich nicht mehr als<br />

eine Ansammlung von Solisten<br />

versteht, sondern jene Disziplin<br />

aufbringt, die van Gaal an die erste<br />

Stelle gesetzt hat.<br />

Dabei ist die verblüffendste<br />

Auswirkung des preußisch-holländischen<br />

Systems, dass dabei<br />

Spaß entsteht. Die klare Ordnung<br />

scheint nicht einzupferchen,<br />

sondern zu befreien.<br />

Der Fußball der Bayern wurde<br />

nicht seelenloser,<br />

sondern leidenschaftlicher.<br />

Und die Spieler<br />

strotzen nur so vor<br />

guter Laune.<br />

<br />

<br />

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<br />

Ganzheitlicher Ansatz<br />

<br />

<br />

Louis der Große<br />

Rumpelstilzchen<br />

„I EM Music“<br />

Fotos: Witters<br />

<br />

Neuer Name für das Emmendinger<br />

Sommer-Open-Air-Festival.<br />

Es kommen a-ha, Amy<br />

Mcdonald sowie Sweet, Slade<br />

und Smokie. Seite 13<br />

<br />

Robin Dutt hat bald Stroh zu Gold<br />

gesponnen. Wenn nämlich<br />

sein Team in Köln gewinnt und<br />

dann den Klassenerhalt feiert.<br />

Seite 7<br />

<br />

Prof. Dr. Hans Helge Bartsch<br />

über Strategien gegen den<br />

Brustkrebs und die Ängste<br />

der Patientinnen.<br />

Seite 3<br />

A<br />

ngela Merkel hat sich oft<br />

versteckt. Sie wollte ursprünglich<br />

keine Bank verstaatlichen,<br />

keine milliardenschwere<br />

Konjunkturspritze geben und zuletzt<br />

auch Griechenland nicht mit dem<br />

Geld deutscher Steuerzahler aus der<br />

Patsche helfen. Sie hat in allen<br />

diesen Fällen gezögert, um dann ins<br />

Gegenteil zu kippen. Und um dann<br />

immer denselben knappen Satz als<br />

Begründung anzuführen: „Das ist<br />

alternativlos.“<br />

An dieser Begründung haften<br />

viele Mängel. Denn erstens präsentiert<br />

sich die Bundeskanzlerin damit<br />

als Getriebene, die nur jeweils auf<br />

Situationen reagiert, statt selbst den<br />

Kurs vorzugeben. Zweitens wird<br />

dieser Eindruck einer Ohnmächtigen<br />

noch dadurch verstärkt, dass Merkel<br />

zuvor ja jeweils eher das Gegenteil<br />

tun wollte. Und drittens erwarten<br />

die Bürger von der Politik gerade<br />

jene Weitsicht, dass Alternativen<br />

geschaffen werden, bevor es zu spät<br />

dafür ist. Wenn die Kanzlerin aber<br />

missmutig zwischen zwei gegensätzlichen<br />

Positionen wankt, dann<br />

schwindet das eigene Profil und der<br />

Glaube der Wähler.<br />

Im jüngsten Fall der Griechenland-Hilfe<br />

sieht das Wanken der<br />

Kanzlerin ganz besonders schlecht<br />

aus, weil sich gleichzeitig Nicolas<br />

Sarkozy damit brüstete, der „Retter<br />

Griechenlands“ zu sein. Es heißt, er<br />

habe hinter den Kulissen die zunächst<br />

störrische deutsche Kanzlerin<br />

zum „Umdenken“ gebracht. Und<br />

das wiederum lässt Angela Merkel<br />

nicht eben souverän aussehen. Jetzt<br />

wird ihr vorgeworfen, sie habe<br />

durch ihre zögerliche Haltung die<br />

Krise in Griechenland verschärft.<br />

Der Konflikt, in dem sich die<br />

CDU-Politikerin befindet, ist klar<br />

umrissen: Als Ordnungspolitikerin<br />

hätte sie gerne verhindert, dass die<br />

Politik sich in die Wirtschaft einmischt.<br />

Als Machtpolitikerin kann<br />

sie politische Ambitionen nur<br />

durchsetzen, wenn Deutschland als<br />

treibende Kraft des Eurolandes von<br />

Gewicht ist. In diesem Zusammenhang<br />

wäre Deutschland allein zu<br />

klein, um bedeutend zu sein.<br />

Angesichts der tatsächlichen<br />

Situation in Griechenland ist Merkels<br />

innere Zerreißprobe leicht zu<br />

verstehen. Denn kaum ein Ökonom<br />

zweifelt daran, dass die jetzt von<br />

der EU und dem Internationalen<br />

Währungsfonds (IWF) gewährten<br />

Kredite (insgesamt 110 Milliarden<br />

bis 2012) von den Griechen nicht<br />

zurück gezahlt werden können.<br />

Ganz einfach, weil die Wirtschaft<br />

des Landes international längst<br />

nicht mehr wettbewerbsfähig ist<br />

und der jetzt verordnete strenge<br />

Sparkurs die Binnenwirtschaft noch<br />

weiter schwächen wird. Wenn es<br />

gehen könnte, so zu sparen und<br />

gleichzeitig neues Wachstum zu<br />

produzieren, dann hätte ja die<br />

Bundesregierung in Deutschland<br />

während der Finanzkrise alles falsch<br />

gemacht, als sie ein milliardenschweres<br />

Konjunkturprogramm<br />

auflegte.<br />

Die Griechenland-Hilfen verschaffen<br />

lediglich Zeit, mehr nicht.<br />

Und hätte die Kanzlerin offenbart,<br />

warum die Kredite „alternativlos“<br />

sind, dann hätte sie auch darlegen<br />

müssen, dass sich die Sc


2<br />

d i e w e l t<br />

p r o m i s<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Glossen<br />

2010<br />

der Globus ist auch<br />

nur eine Kugel<br />

Franz Beckenbauer ist ein weiser Mann. Als erster hat er<br />

mit seiner Alltagsschläue die Idee ins Spiel gebracht, dass<br />

man doch für die WM in Qyatar 2022 nicht extra Kühlarenen<br />

bauen muss, wo es dort in der Wüste doch im Winter<br />

so herrliche 28 Grad hat. Und wenn man es weiter bedenkt,<br />

dann wäre es doch auch für WM-Touristen aus europäischen<br />

Gefielden eine Extra-Verlockung, dem hier so<br />

tristen und kalten Winter durch einen Trip nach Qatar zu<br />

entgehen, um nicht nur der Welt beste Kicker zu bestaunen,<br />

sondern sich dabei auch noch entspannt zu bräunen. Und<br />

der klitzekleine Umstand, dass halt eine WM im Winter dazu<br />

führen müsste, dass hierzulande die althergebrachte Saison<br />

mal eben einen neuen Modus kriegen müsste, kann den<br />

weltweit denkenden Franz doch nicht irritieren. Sollen die<br />

doch den Spielplan umstellen und halt mehr im Sommer<br />

kicken, solange es bei uns noch keine 50 Grad hat und niemand<br />

ein Eisstadion dazu bauen muss! Recht hat er, der<br />

Kaiser, und als nächstes wird er vorschlagen, eine Bundesliga-Fußball-Saison<br />

von Februar bis Dezmeber<br />

durchzuziehen, wie es ja in Japan auch ist. Der Franz<br />

hat raumgreifende Gedanken, weil der Globus eben<br />

auch nur eine Kugel ist. Er<br />

schlug schon immer<br />

Pässe über 60 Meter,<br />

aus dem Fußgelenk.<br />

Also hat er es mit der<br />

Globalisierung des<br />

Fußball halt auch<br />

leichter als andere.<br />

miz<br />

Wie<br />

geht<br />

denn<br />

mit migräne kommt<br />

der spanische Akzent<br />

. ?<br />

sowas. .<br />

In London wurde jetzt ein Fall bekannt, der dem armen Mesut<br />

Özil vielleicht in seinem Exil in Madrid Hoffnung geben könnte.<br />

Eine Britin hat nach einem schweren Migräneanfall plötzlich<br />

einen französischen Akzent angenommen. In einem Fernsehinterview<br />

mit der BBC sprach die 49-jährige aus Südwestengland<br />

die Vokale so aus, dass angenommen werden konnte, sie sei<br />

Französin. Über den Akzent sei sie alles andere als begeistert,<br />

hieß es. Wenn man nun aber bedenkt, wie langwierig<br />

der Weg des Mesut Özil ist, bis er endlich Spanisch oder wenigstens<br />

Englisch gelernt hat, um überhaupt etwas davon<br />

zu verstehen, was sein Trainer Mourinho von ihm<br />

will, hilft also nur ein gerüttelt Maß an Kopfschmerz.<br />

Und sieht unser Özil nicht auch<br />

immer ein bisschen so aus, als habe er solche,<br />

besonders beim Torschuss? Und<br />

wenn es denn so sein soll, dass die Migräne<br />

nicht gleich in fließendes<br />

Spanisch mündet, so wäre<br />

ein deutlicher Akzent, sagen<br />

wir ein Ruhrpott-Spanisch,<br />

doch schon von Vorteil. miz<br />

Heidis anschaulicher<br />

liebesbeweis für ihren seal<br />

Was macht man, wenn man Sänger ist, womöglich Seal<br />

heißt, eine neue Single rausgebracht hat, die sich aber nur<br />

schleppend verkauft und das Video dazu obendrein gähnend<br />

langweilig ist? Man fragt seine aufregende Frau um<br />

Rat. Und wenn die dann Heidi Klum heißt, kennt sie die<br />

Antwort. Denn unsere Heidi, die kann alles verkaufen.<br />

Egal ob Haarspray, Lakritze, Parfüm, Birkenstock oder<br />

Gitarren.Und wie macht sie das? Na, sie zieht sich meistens<br />

aus. Fast ganz zumindest. Für ihren Mann geht sie<br />

da noch ein bisschen weiter und zieht sich ganz, ganz aus.<br />

Nackig also. Und damit sie nicht so alleine ist, zieht er sich<br />

gleich mit aus. Und weil sie ja Mann und Frau und obendrein<br />

verheiratet sind, legen sie sich dann ins<br />

Bett zusammen. Vor laufender Kamera natürlich.<br />

Und schwupps ist der Song<br />

„Secret“ mit dem neuen Video ein<br />

echter Hingucker. (Beim Hören<br />

sind wir nicht so ganz sicher.) Ein<br />

echter Liebesbeweis. Die Heidi,<br />

das sieht man, die gönnt ihrem<br />

Mann das nötige Kleingeld<br />

von Herzen. bb


Best of<br />

ZaS<br />

Glossen<br />

2010<br />

p r o m i s d i e w e l t 3<br />

James Bond von seiner<br />

knackigsten seite<br />

Als Sean Connery seinen Knackpopo den Kunststudenten<br />

hin hielt, war Akt zu stehen für ihn einfach ein Job, der ihn<br />

über Wasser halten sollte. Er war 21 und als Schauspieler<br />

noch völlig unbekannt. Auch der junge Maler Rab Webster<br />

hatte keine Ahnung, wen er da beim Zeichnen vor sich<br />

hatte, bis zu seinem Tod wusste er es wohl nicht. Umso<br />

mehr bekamen seine Erben jetzt beim Sichten des Nachlasses<br />

kleine Dollar-, pardon: Pfundzeichen in den Augen.<br />

Zu James Bond Zeiten, hat Connery seinen Po dann an die<br />

spanische Sonne gehalten, ohne Zuschauer. In Marbella<br />

hatte er sich am Strand ein Haus gekauft. Als ihm das ein<br />

bisschen zu klein wurde. ließ er es vergrößern. Der damalige<br />

Bürgermeister hatte kein Problem damit, Bebauungspläne<br />

entsprechend zu ändern. Wahrscheinlich auch<br />

deshalb nicht, weil der Mann mit dem schönen Vornamen<br />

Jesús selbst gerne am Strand bauen wollte. Als dessen<br />

Haus jedoch fünf Stockwerke hoch wurde,<br />

fühlte sich „Goldfinger“ Connery<br />

dann doch gestört. Er verkaufte seine<br />

Villa für sieben Millionen Euro. Jetzt will<br />

ein spanischer Richter bondgleich all<br />

diese Vorgänge aufrollen. Doch der inzwischen<br />

80-jährige Sean<br />

Connery hält seinen Popo<br />

inzwischen lieber in<br />

die Sonne der Bahamas.<br />

Nach Spanien<br />

zum Prozess ist er, obwohl<br />

geladen, nicht<br />

gekommen. bb<br />

Wie<br />

geht<br />

denn<br />

engel auf erden<br />

. ?<br />

sowas. .<br />

Heidi Klum hat die Flügel an den Nagel gehängt und wird<br />

sich ab sofort nicht mehr als Engel bezeichnen dürfen (dafür<br />

aber ihre Dessous ihrem Liebsten vorbehalten). Die Unterwäschenschau<br />

„Victoria`s Secret“, die nun also<br />

erstmals ohne Klum in Manhattan stattfand, ist ja<br />

auch eher jenen Kücken vorbehalten, die noch<br />

mit ihrer Keuschheit spielen wollen. Etwa Anne<br />

Vyalitsina, die eine gehäkelte Variante<br />

mit „keuschem Ledergürtel“ zeigte.<br />

Vielleicht wollte sie Leonardo Di-<br />

Caprio, mit dem ihr im Sommer 2009<br />

eine Affaire nachgesagt wurde, vor<br />

Augen führen, dass sie auf ihn wartet.<br />

Bis hoch im Himmel, wo alle Engel<br />

außer Flügeln sonst nichts tragen.<br />

Wenn der US-Sender CBS am<br />

30. November die Unterwäscheschau<br />

ausstrahlt, sorgt nicht Gott allein für<br />

die Einschaltquoten. Sondern lauter<br />

Männer, die bestimmt nicht in<br />

den Himmel kommen.<br />

miz<br />

Krach fördert<br />

die Konzentration<br />

bei norwegischen Kids<br />

Von wegen „in der Ruhe liegt die Kraft“. Wie nun endlich<br />

ein Forscherteam an norwegischen Kindern festgestellt<br />

hat, fördert Lärm und Krach die Konzentration.<br />

Die Kids konnten sich also bei Krach mehr Worte auswendig<br />

merken als ohne. Deswegen laufen ja auch<br />

so viele mit ihren iPods herum.<br />

Durch die quasi im<br />

Gehöhrgang angewachsenen<br />

weißen<br />

Ohrstöpsel holen sie<br />

sich das nötige<br />

Quantum Krach, um<br />

stets bereit zu sein, falls<br />

ein Lehrer sie Worte<br />

auswendig lernen lässt.<br />

Nun gut, vielleicht können<br />

sie nicht immer<br />

gleich verstehen, was<br />

man von ihnen will, weil<br />

der Krach lauter ist als<br />

die Worte, die sie auswendig<br />

lernen sollen.<br />

Aber auf jeden Fall wären<br />

sie konzentrierter,<br />

wenn sie denn hören<br />

könnten. Solange die<br />

Ohren halten. miz<br />

DER GUTMANN KANGOO JE T´AIME<br />

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w w w . r e n a u l t - g u t m a n n . d e


4<br />

P o l i t i k<br />

a f r i k a<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Januar<br />

2010<br />

Afrikas Probleme sind nicht unlösbar<br />

Die Entwicklungshilfe ist viel zu gering, um das zu kompensieren, was an Rohstoffen aus Afrika heraus geholt wird,<br />

meint die Afrika-Spezialistin Christine Hatzky im Gespräch. Von Barbara Breitsprecher und Michael Zäh<br />

Wie viel oder besser, wie wenig<br />

wissen wir über Afrika?<br />

Was sind beispielsweise<br />

die Hintergründe für den Anschlag<br />

auf die Fußballspieler aus Togo<br />

beim Afrika-Cup in Angola? Und was<br />

erwartet den Kontinent mit seiner ersten<br />

Fußball-Weltmeisterschaft in<br />

Südafrika? Wir befragten die Afrika-<br />

Spezialistin Christine Hatzky nach der<br />

sozialen Realität und den historischen<br />

Entwicklungen.<br />

Fotos: Witters<br />

Zeitung am Samstag: Können Sie uns<br />

etwas zu den Hintergründen des Anschlags<br />

in Angola sagen?<br />

Christine Hatzky: Der Anschlag wurde<br />

von einer Guerilla-Organisation,<br />

der Front de Libération de l’Enclave<br />

de Cabinda (FLEC) verübt, die seit den<br />

1970er Jahren in Cabinda operiert.<br />

Die Enklave Cabinda ist ein extraterritoriales<br />

Gebiet, das zwar zum angolanischen<br />

Staatsgebiet gehört, aber<br />

nicht direkt angrenzt, sondern eine<br />

Grenze zur Demokratischen Republik<br />

Kongo (ehemals „Belgisch Kongo“)<br />

und auf drei Seiten von der Republik<br />

Kongo (ehemals französische Kolonie)<br />

eingeschlossen ist. Cabinda war<br />

nach der Unabhängigkeit Angolas<br />

1975 besonders umkämpft, weil es<br />

vor der Küste riesige Ölreserven gibt,<br />

die seit Beginn der 1970er – noch unter<br />

der portugiesischen Kolonialherrschaft<br />

– gefördert werden.<br />

Die FLEC kämpfte nach der Unabhängigkeit<br />

Angolas von Portugal für<br />

eine Unabhängigkeit Cabindas von<br />

Angola. Sie ist dabei nicht durch besonders<br />

dezidierte politische oder soziale<br />

Forderungen hervorgetreten,<br />

sondern definierte sich ethnisch-kulturell<br />

in dem Sinne, als dass sie vorgab,<br />

die Interessen der französischsprachigen<br />

Bewohner der Enklave<br />

Cabinda zu vertreten. Aber vermutlich<br />

wurde sie von den nachkolonialen<br />

Machthabern der Nachbarländer<br />

(der beiden Kongos) finanziert, mit<br />

dem Ziel, Cabinda zu destabilisieren<br />

und sich die erdölreiche Enklave einzuverleiben.<br />

Nach der Unabhängigkeit hatte die<br />

MPLA-Regierung (Movimento Popular<br />

de Libertação de Angola) größte<br />

Schwierigkeiten die Enklave zu kontrollieren.<br />

Die MPLA hatte selbstverständlich<br />

ein Interesse an der Erdölförderung,<br />

die in Konzession an USamerikanische<br />

und europäische<br />

Erdölunternehmen vergeben wurde,<br />

da dies ihr Staatseinnahmen sicherte.<br />

Auch nach dem Ende des bewaffneten<br />

Konfliktes in Angola, nach dem<br />

Tod des die MPLA-Regierung bekämpfenden<br />

Anführers der UNITA<br />

(União Nacional de Independência<br />

Total de Angola), Jonas Savimbi im<br />

Jahre 2002, kämpfte die FLEC – oder<br />

Splittergruppen – in Cabinda weiter.<br />

Ich kann nicht sagen, ob sie tatsächlich<br />

über Anhänger in der Bevölkerung<br />

Cabindas verfügt, wenn ja,<br />

können es nicht viele sein.<br />

ZaS: Kann man sagen, dass es den<br />

Rebellen aus Cabinda damit gelungen<br />

ist, Aufmerksamkeit für ihr Anliegen<br />

zu erregen?<br />

Hatzky: Ich weiß nicht, ob die FLEC<br />

nach dem Anschlag mit irgendwelchen<br />

Forderungen an die Öffentlichkeit<br />

getreten ist – außer dass sie die<br />

„Seit 2002 erleben<br />

die Angolaner erstmals<br />

seit über 40<br />

Jahren, was Frieden<br />

bedeutet.“<br />

Unabhängigkeit Cabindas fordern.<br />

Was ihr auf jeden Fall gelungen ist,<br />

gegenüber der MPLA-Regierung zu<br />

demonstrieren, dass sie noch aktiv ist<br />

und vor Anschlägen nicht zurükkschreckt.<br />

Andererseits handelte die<br />

MPLA-Regierung vielleicht auch<br />

fahrlässig, indem der Austragungsort<br />

Cabinda gewählt wurde, in dem Bewusstsein,<br />

dass dort die FLEC operiert.<br />

Vielleicht war es auch keine<br />

Fahrlässigkeit, sondern ebenfalls eine<br />

Machtdemonstration gegenüber der<br />

FLEC? Wäre Luanda, die Hauptstadt<br />

Angolas, als Spielort gewählt worden,<br />

wäre ein solcher Anschlag sicherlich<br />

nicht passiert.<br />

ZaS: Wie ist dieser terroristische Akt<br />

in der afrikanischen Bevölkerung angekommen?<br />

Immerhin richtete sich<br />

die Gewalt gegen Idole.<br />

Hatzky: Die Bevölkerung Angolas ist<br />

völlig fußballbegeistert – ich war<br />

während des letzten Afrika-Cups<br />

2006 in Angola und habe das überall<br />

miterlebt. Ohne jetzt die Reaktionen<br />

auf den Anschlag direkt mitbekommen<br />

zu haben, kann ich mir vorstellen,<br />

dass das Entsetzen groß war. Sie<br />

müssen sich vorstellen, dass Angola<br />

im Prinzip von 1961 bis 1975 in einen<br />

Kolonialkrieg gegen die portugiesische<br />

Metropole verwickelt war,<br />

der nach der Unabhängigkeit in einen<br />

postkolonialen Konflikt ausartete.<br />

Dieser postkoloniale Konflikt war<br />

bis 1991 auch durch die Dynamik des<br />

Kalten Krieges bestimmt, denn die<br />

damals linksgerichtete MPLA wurde<br />

von Kuba militärisch und zivil unterstützt<br />

sowie militärisch und finanziell<br />

von der Sowjetunion. Während<br />

die UNITA vom südafrikanischen<br />

Apartheidregime und indirekt von<br />

den USA unterstützt wurde, um sie<br />

als anti-kommunistisches Bollwerk<br />

gegen die MPLA aufzurüsten.<br />

Der Konflikt, der seine Wurzeln eben<br />

nicht nur in der Blockkonfrontation<br />

hatte, konnte nach Ende des Kalten<br />

Krieges mit dem paktierten Rückzug<br />

der südafrikanischen Truppen aus<br />

Angola sowie dem der Kubaner nicht<br />

beigelegt werden. Die UNITA bekämpfte<br />

die MPLA vehement, anerkannte<br />

nicht einmal deren Wahlsieg<br />

1992. Der bis 2002 andauernde interne<br />

Krieg wurde mit ungeheurer Brutalität<br />

auf beiden Seiten geführt, die<br />

Infrastruktur des Landes komplett<br />

zerstört. Es hinterließ eine Million<br />

Flüchtlinge und intern Vertriebene,<br />

sehr viele Kriegsopfer und Waisenkinder.<br />

Die Angolaner leiden bis heute<br />

darunter, dass große Teile des Landes<br />

vermint sind. Von daher muss<br />

dieser Anschlag unweigerlich Erinnerungen<br />

an die Vergangenheit<br />

hervorrufen, denn seit 2002 erfuhren<br />

die Angolaner erstmals seit über 40<br />

Jahren, was Frieden, im Sinne von<br />

Abwesenheit eines bewaffneten<br />

Konfliktes, bedeutet.<br />

ZaS: Der südafrikanische WM-Cheforganisator<br />

Danny Jordaan behauptet,<br />

in Südafrika sei ein solcher Rebellenanschlag<br />

wie in Angola ausgeschlossen.<br />

Wie sehen Sie das?<br />

Hatzky: Auch wenn Südafrika eine<br />

sehr hohe Kriminalitätsrate aufzuweisen<br />

hat, besteht zwar die Gefahr<br />

von Raubüberfällen, aber einen terroristischen<br />

Anschlag halte ich doch<br />

für eher unwahrscheinlich.<br />

ZaS: Nimmt Angola, ein Land mit<br />

großem Ölreichtum und dennoch bitterer<br />

Armut, einen Sonderstatus unter<br />

Afrikas Ländern ein?<br />

Hatzky: Besonders ist sicherlich der<br />

Reichtum an Erdöl und Diamanten,<br />

aber solche oder andere lukrative<br />

Rohstoffe gibt es beispielsweise auch<br />

in Südafrika, der Demokratischen<br />

Republik Kongo oder Nigeria. Wie<br />

auch in diesen Ländern existiert in<br />

Angola ein Verteilungsproblem. Die<br />

Erlöse aus dem Erdöl- und Diamantengeschäft<br />

kommen vor allem dem<br />

angolanischen Präsidenten, seiner<br />

Familie und seiner Klientel zugute.<br />

Die staatliche Korruption ist ein Riesenproblem<br />

in Angola – unterscheidet<br />

das Land aber nicht von anderen<br />

afrikanischen Ländern bzw. anderen<br />

Ländern der Welt. Trotzdem wurden<br />

2 x in Freiburg


Best of<br />

ZaS<br />

Januar<br />

2010<br />

a f r i k a P o l i t i k 5<br />

nach 2002 große Anstrengungen<br />

unternommen, die Infrastruktur des<br />

Landes wieder aufzubauen. Auch<br />

mit Hilfe der chinesischen Regierung,<br />

etwa im Eisenbahnbau. Diese<br />

Anstrengungen haben aber noch<br />

nicht zu einem planvollen Wiederaufbau<br />

etwa der Agrarwirtschaft<br />

oder der industriellen Produktion geführt.<br />

Das Bildungssystem ist weiterhin<br />

marode, viele Menschen haben<br />

keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser<br />

oder zu medizinischer Basisversorgung.<br />

Der „Sonderstatus“ Angolas<br />

besteht vielleicht darin, dass<br />

die MPLA-Regierung über so viele<br />

Ressourcen verfügt, dass es nicht<br />

schwer fiele, die Entwicklung des<br />

Landes voranzutreiben und der Bevölkerungsmehrheit<br />

Zugang zu<br />

Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung,<br />

Bildung, Wohnung und<br />

Arbeit zu verhelfen.<br />

ZaS: Vergleicht man Reichtum/Armut,<br />

Gesundheitswesen, Bildung,<br />

politische Lebensform – was ist größer,<br />

Gemeinsamkeiten oder Unterschiede<br />

in den verschiedenen afrikanischen<br />

Ländern?<br />

Hatzky: Darüber könnte man Bücher<br />

verfassen. Ich denke, man muss die<br />

Situation jedes afrikanischen Landes,<br />

jeder Region für sich anschauen und<br />

sollte keine Pauschalurteile fällen,<br />

sondern ihre Entwicklung auch im<br />

Rückblick auf ihre Geschichte beurteilen.<br />

Dass die Lebenschancen für<br />

die Mehrheit der Afrikaner im Vergleich<br />

zu den Europäern schlechter<br />

sind, darüber besteht kein Zweifel –<br />

dennoch gibt es große Unterschiede<br />

zwischen den afrikanischen Ländern<br />

und innerhalb der Gesellschaften.<br />

Von Europa aus beurteilt man Afrika<br />

meist als einen homogenen Raum<br />

und macht sich selten die Mühe, sich<br />

die einzelnen Länder und Regionen<br />

spezifisch und genau anzusehen. Dazu<br />

tragen auch die Afrikabilder und<br />

oft sehr vereinfachenden Zuschreibungen<br />

in den Medien bei, auf denen<br />

ohne zu differenzieren, ein Kontinent<br />

der Unterentwicklung und der gewalttätigen<br />

Auseinandersetzungen<br />

evoziert wird.<br />

ZaS: Ist die Kriminalität in den afrikanischen<br />

Ländern eine Folge sozialer<br />

Ungerechtigkeit und Unruhen<br />

und damit auch Folge des politischen<br />

Führungsstils?<br />

Hatzky: Kriminalität ist wie überall<br />

auf der Welt eine Folge von sozialer<br />

Ungerechtigkeit, instabilen gesellschaftlichen<br />

Verhältnissen, ungleichen<br />

Chancen, Korruption, bzw. ist<br />

auf einen politischen Führungsstil<br />

zurückzuführen, der „Kriminalität“<br />

in großem Stil vorlebt.<br />

ZaS: Inwiefern kann man die soziale<br />

Ungerechtigkeit und die daraus folgenden<br />

Unruhen historisch erklären?<br />

Wirken sich einstige westliche Kolonialherrschaften<br />

indirekt bis heute<br />

auf afrikanische Länder aus?<br />

Hatzky: Soziale Ungerechtigkeit ist in<br />

allen ehemals kolonisierten Ländern<br />

Afrikas auf die Kolonialherrschaft<br />

zurückzuführen, unter der es kein<br />

Interesse an einer Förderung und<br />

Entwicklung der in den Kolonien lebenden<br />

Bevölkerung gab. Die Kolonialmächte<br />

waren an der maximalen<br />

Ausbeutung der Arbeitskraft, der<br />

Rohstoffe oder Plantagenprodukte<br />

interessiert. Nicht zu vergessen ist<br />

dabei der transatlantische Sklavenhandel,<br />

bei dem zwischen dem 16.<br />

und 19. Jahrhundert 10 oder 15<br />

Millionen von Afrikanern nach<br />

Nord- und Südamerika verschleppt<br />

worden sind. Dabei handelte es sich<br />

vor allem um junge Menschen, die so<br />

den afrikanischen Ökonomien verloren<br />

gingen. Ihr Verlust veränderte die<br />

Gesellschaften Afrikas tiefgreifend.<br />

Die Kolonialherrschaft europäischer<br />

Mächte in Afrika endete zwischen<br />

1960 und 1975. Das sind – historisch<br />

gesehen – relativ kurze Zeiträume<br />

Polizeischutz: Seit dem Anschlag auf die Fußballmannschaft von Togo<br />

zeigt die Polizei in Angola beim Afrika-Cup verstärkt Präsenz.<br />

von einer bis anderthalb Generationen,<br />

in denen ein radikaler Wandel<br />

der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse kaum zu<br />

erwarten sind. Nach der Entkolonisierung<br />

waren die unabhängigen<br />

Staaten Afrikas für die ehemaligen<br />

Kolonialmächte als Rohstofflieferanten<br />

ja trotzdem weiter interessant,<br />

so dass sich an den asymmetrischen<br />

Austauschverhältnissen auch<br />

nach der Entkolonisierung wenig<br />

änderte.<br />

Die Unabhängigkeit der afrikanischen<br />

Länder beinhaltete in der Regel<br />

politische Reformen, ging aber meist<br />

nicht mit einer tiefgreifenden sozialen<br />

Veränderung einher. Das heißt,<br />

„Man kann nicht<br />

Almosen geben und<br />

andererseits Handelsbeschränkungen<br />

auferlegen“<br />

die afrikanischen Eliten, die nach der<br />

Unabhängigkeit an die Macht kamen,<br />

waren genauso wie die europäischen<br />

Kolonialherren an Profiten,<br />

der Ausbeutung von Rohstoffen,<br />

interessiert und weniger am Wohlergehen<br />

ihrer Bevölkerung.<br />

Das ist sehr holzschnittartig schwarzweiß<br />

gezeichnet, aber diese Tendenz<br />

lässt sich am Beispiel Angolas verdeutlichen:<br />

Die MPLA strebte nach<br />

der Unabhängigkeit auf der Grundlage<br />

eines marxistisch inspirierten Programmes<br />

zwar soziale Gerechtigkeit<br />

an, nationalisierte Industrie- und<br />

Rohstoffsektor, führte ein nationales<br />

Bildungssystem ein etc., aber von<br />

diesen Ambitionen war zehn Jahre<br />

nach der Unabhängigkeit kaum noch<br />

etwas zu spüren, vielmehr grassierte<br />

in Regierungskreisen schon Mitte der<br />

1980er Jahre die Korruption. Sicherlich<br />

begünstigte der erwähnte postkoloniale<br />

Krieg diese Entwicklung,<br />

aber auch in anderen afrikanischen<br />

Ländern, in denen progressive Unabhängigkeitsbewegungen<br />

die Macht<br />

übernahmen, war häufig von den ursprünglichen<br />

gesellschaftspolitischen<br />

Ambitionen der nachkolonialen<br />

Regierungen nach einem Jahrzehnt<br />

nur noch wenig zu spüren. Der<br />

Ursprung von Korruption, Misswirtschaft,<br />

ungleicher Ressourcenverteilung,<br />

sozialer Ungleichheit etc. liegt<br />

sicherlich in der Kolonialherrschaft<br />

begründet, aber auch die Eliten, die<br />

nach der Unabhängigkeit an die<br />

Macht kamen, tragen Verantwortung<br />

für die Entwicklung ihrer Länder.<br />

ZaS: Inwieweit stehen Entwicklungshilfe<br />

und Missbrauch von Hilfsgeldern<br />

Ihrer Ansicht nach unter dem<br />

Diktat der wirtschaftlichen Zweckgemeinschaft<br />

und Abhängigkeit zwischen<br />

einflussreichen westlichen<br />

Staaten und korrupten afrikanischen<br />

Regierungen?<br />

Hatzky: Diese Frage ist zu groß, um<br />

sie einfach und pauschal erschöpfend<br />

beantworten zu können. Entwikklungshilfe<br />

westlicher Länder für<br />

Afrika ist ein Euphemismus, denn sie<br />

ist viel zu gering, um das zu kompensieren,<br />

was aus den Regionen<br />

Afrikas an Rohstoffen abgezogen<br />

wurde und wird. Sie ist zu gering, um<br />

die ungleiche Entwicklung und das<br />

Gefälle an Armut und Unterentwikklung<br />

im Vergleich zu den Industrieländern<br />

auch nur annähernd auszugleichen.<br />

Es bestehen Handelsschranken<br />

auf dem Weltmarkt, um<br />

europäische Märkte zu schützen,<br />

afrikanische Ökonomien haben dabei<br />

das Nachsehen. Entwicklungshilfe<br />

ist vor diesem Hintergrund deshalb<br />

auch ein falsches Signal – man kann<br />

nicht einerseits Almosen vergeben<br />

und andererseits die ökonomische<br />

Entwicklung durch Handelsbeschränkungen<br />

aktiv verhindern.<br />

Die Möglichkeit einer gleichberechtigten<br />

Partnerschaft könnte afrikanischen<br />

Ökonomien und Staaten stärken<br />

helfen. Regierungen und Unternehmen<br />

wären in die Pflicht<br />

genommen, verantwortungsvoller zu<br />

wirtschaften. Dies könnte verhindern<br />

helfen, dass korrupte Regierungen<br />

Entwicklungshilfegelder einstreichen,<br />

ohne sie ihrer Bestimmung zuzuführen.<br />

Ich will mit diesen Überlegungen<br />

nicht alle Ansätze von Entwicklungshilfe<br />

verurteilen, es gibt<br />

auch jede Menge vielversprechende<br />

Initiativen, die den Aufbau ökonomischer<br />

Strukturen auf lokaler Ebene<br />

unterstützen, z.B. Frauen helfen, sich<br />

wirtschaftlich unabhängig zu machen.<br />

ZaS: Kann die WM in Südafrika dem<br />

Kontinent eine Initialzündung für eine<br />

positive Entwicklung sein?<br />

Hatzky: Die WM in Südafrika kann sicherlich<br />

eine positive Entwicklung<br />

anstoßen. Zunächst einmal lenkt sie<br />

das Interesse der Weltöffentlichkeit<br />

auf den Kontinent und viele Besucher<br />

aus aller Welt werden nach Südafrika<br />

kommen. Dieses Interesse ermöglicht<br />

hoffentlich eine andere Perspektive<br />

auf Afrika, eine, die sich<br />

nicht nur in den altbekannten negativen<br />

Stereotypen bewegt, als seien<br />

die Probleme der Länder dieses Kontinents<br />

zu groß, um sie lösen zu können.<br />

Die Probleme vieler Länder Afrikas<br />

sind zweifellos riesig, aber nicht<br />

unlösbar. Ihre Zeitung geht da doch<br />

schon mal mit einem positiven Beispiel<br />

voraus.<br />

ZUR PERSON<br />

Dr. Christine Hatzky ist Historikerin<br />

und wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

am Lehrstuhl für außereuropäische<br />

Geschichte der Universität<br />

Duisburg-Essen. Ihre Schwerpunkte<br />

sind die Geschichte Lateinamerikas<br />

und der Karibik sowie die Geschichte<br />

Afrikas, insbesondere das portugiesischsprachige<br />

Afrika.


6<br />

p o l i t i k<br />

N o B e l p r e i s f ü r o B a m a<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Januar<br />

2010<br />

Nach dem vereitelten Attentat<br />

auf ein US-Passagierflugzeug<br />

gerät der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger<br />

Barack Obama<br />

zunehmend unter Druck. Der Freiburger<br />

Politologe Christoph Besemer, Mitarbeiter<br />

der Werkstatt für Gewaltfreie<br />

Aktion Baden, zeigt sich im Gespräch<br />

mit Barbara Breitsprecher überzeugt,<br />

dass es falsch ist, Kriege zu rechtfertigen,<br />

und dass Frieden zu schaffen auch<br />

ohne Gewalt möglich ist.<br />

Zeitung am Samstag: Mit dem Friedensnobelpreis<br />

für Obama hatte niemand<br />

gerechnet.Sie wahrscheinlich<br />

am allerwenigsten.<br />

Christoph Besemer: Es gibt viele<br />

Gründe, Obama zu schätzen und ihn<br />

zu ermutigen. Mit diesem Preis ist das<br />

aber gründlich daneben gegangen.<br />

Obama ist in erster Linie Patriot, kein<br />

Kriegsgegner. Er hat immer wieder<br />

betont, dass er Krieg für wichtig hält,<br />

um sein Land zu beschützen.<br />

ZaS: Obama hält Krieg in bestimmten<br />

Fällen für gerechtfertigt. Wie sehen<br />

Sie das?<br />

Besemer: Das ist ein altes Argument<br />

und verbreitetes Denken. Wirklich<br />

neu ist dagegen die Haltung von<br />

Martin Luther King und Gandhi,<br />

nämlich dass man Frieden mit friedlichen<br />

Mitteln erreichen sollte. Seitdem<br />

ist in dieser Richtung schon viel<br />

passiert. Denken Sie nur an den Zusammenbruch<br />

des Warschauer<br />

Pakts, der ja zum großen Teil durch<br />

friedliche Revolutionen stattgefunden<br />

hat. Obwohl man zuvor immer<br />

gesagt hatte, es sei noch nie ein<br />

Weltreich ohne Krieg abgetreten.<br />

ZaS: Obama will eine<br />

friedliche Welt ohne<br />

Atomwaffen, gleichzeitig<br />

schickt er weitere<br />

Soldaten nach Afghanistan<br />

und rückt<br />

den Jemen in den Fokus<br />

der Anti-Terror-<br />

Bekämpfung. Ist das<br />

folgerichtig oder ein Widerspruch?<br />

Besemer: Obamas Absicht und Rhetorik<br />

ist sehr löblich, nur folgen da<br />

keine Taten, beziehungsweise sprechen<br />

die Taten eine andere Sprache.<br />

Die USA haben derzeit den größten<br />

Rüstungshaushalt ihrer Geschichte.<br />

Das spricht so offensichtlich gegen<br />

die Idee eines Friedensnobelpreises.<br />

Foto: Achim Keller<br />

„Obama ist in<br />

erster Linie<br />

Patriot, kein<br />

Kriegsgegner“<br />

„Es geht darum, Werte<br />

gewaltlos zu verteidigen“<br />

Der Politologe Christoph Besmer über Krieg und Gewaltlosigkeit<br />

ZaS: Wer hätte denn den Preis eher<br />

verdient?<br />

Besemer: Es wurde beispielsweise Zapatero,<br />

der spanische Ministerpräsident,<br />

genannt, der nach den Terroranschlägen<br />

in Spanien 2004 eine andere<br />

Politik betrieben hat, auf die<br />

islamischen Länder<br />

zugegangen ist und<br />

die spanischen Truppen<br />

aus dem Irak abgezogen<br />

hat. Aber<br />

auch Basisbewegungen,<br />

wie die Gruppe<br />

Avaaz hätten den<br />

Preis verdient, die via<br />

Internet sehr engagiert für eine gerechte,<br />

demokratische Welt ihre Stimme<br />

erhebt und Menschen mobilisiert.<br />

In Kopenhagen hat Avaaz Millionen<br />

von Unterschriften für ehrgeizigere<br />

Klimaziele überreicht.<br />

ZaS: Räumen Sie solch einer Initiative<br />

eine echte Chance auf einen Friedensnobelpreis<br />

ein?<br />

Besemer: Auch Gandhi hat nie den<br />

Friedensnobelpreis erhalten. Die Vergabe<br />

richtet sich stark danach, was<br />

ins Konzept der Nato passt.<br />

ZaS: Obama hat in seiner Rede zur<br />

Preisverleihung argumentiert, Hitler<br />

hätte ohne Gewalt und Krieg nie gestoppt<br />

werden können.<br />

Besemer: Es gibt viele Beispiele, wo<br />

offener, ziviler und gewaltloser<br />

Widerstand im nationalsozialistischen<br />

Deutschland Polizei und Soldaten<br />

gestoppt hat. Der französische Historiker<br />

Jacques Semelin nennt in seiner<br />

Studie „Ohne Waffen gegen<br />

Hitler“ über 40 Beispiele.<br />

ZaS: Glauben Sie, der Holocaust hätte<br />

gewaltfrei gestoppt werden können?<br />

Besemer: Es gab neben den Ländern,<br />

in denen Juden deportiert und ermordet<br />

wurden, auch Länder wie Dänemark,<br />

Finnland und Rumänien sowie<br />

Bulgarien, wo nahezu alle Juden gerettet<br />

wurden. Der Autor Gabriele Nissim<br />

hat in seinem Buch „Der Mann,<br />

der Hitler stoppte“ über die Zivilcourage<br />

in Bulgarien geschrieben, durch<br />

die die Deportation der Juden dort gestoppt<br />

und die antisemitische Gesetzgebung<br />

niedergeschlagen wurde. In<br />

Berlin konnten 2000 jüdische Männer<br />

durch den friedlichen Widerstand ihrer<br />

Ehefrauen gerettet<br />

werden, darüber berichtet<br />

auch der Historiker<br />

Nathan Stoltzfus<br />

in seinem Buch<br />

„Widerstand des Herzens“.<br />

Es war letztlich<br />

möglich, sich durch<br />

öffentliche Proteste<br />

dem Regime entgegen zu stellen.<br />

ZaS: Wann kann Gewaltlosigkeit stärker<br />

sein als Gewalt, wann nicht?<br />

Besemer: Man muss von dem Denken<br />

wegkommen, dass eine gewaltlose<br />

Menge sich einer bewaffneten Armee<br />

entgegenstellt. Es geht letztlich nicht<br />

darum Soldaten oder Panzer gewaltlos<br />

zu stoppen, sondern darum Werte<br />

„Es war<br />

möglich, sich<br />

Hitler entgegen<br />

zu stellen“<br />

zu erhalten und gewaltlos zu verteidigen.<br />

ZaS: Man hört und liest in der Regel<br />

jedoch mehr über den gewaltsamen<br />

als den gewaltlosen Widerstand.<br />

Besemer: Das ist richtig. Es gibt Gedenktage<br />

für die Hitler-Attentäter,<br />

nicht aber für die erfolgreichen gewaltlosen<br />

Aktionen.<br />

ZaS: Glauben Sie, dass in der Öffentlichkeit,<br />

bis hin zum Schulunterricht<br />

die Gewichtung zu stark auf die militärischen<br />

Operationen gelenkt ist?<br />

Besemer: Auf jeden Fall. Schulbücher<br />

und Gedenktage werden von der Regierung<br />

angeordnet, die in erster Linie<br />

die Armee als Verteidigungsinstanz<br />

ansieht. Die Militärs beziehen<br />

letztendlich ihre Legitimation auch<br />

aus der Niederschlagung des Hitler-<br />

Reichs. Würde man den Fokus stärker<br />

auf die gewaltlosen Aktionen richten,<br />

würde diese Legitimation anfangen<br />

zu bröckeln.<br />

ZaS: Wie sieht es beim Terrorismus<br />

aus? Die einen propagieren den<br />

Kampf gegen Terroristen, wenige andere<br />

den Dialog mit ihnen.<br />

Besemer: Man kann sich das ja ganz<br />

praktisch anschauen: Was hat der<br />

achtjährige Kampf gegen den Terrorismus<br />

gebracht? Weder sind die Anführer<br />

gefasst, noch ist der Terror zurück<br />

gegangen. Auch die Kriege sind<br />

nicht gewonnen. Der Gedankenfehler<br />

sowohl beim Kampf gegen Terrorismus<br />

als auch beim Krieg gegen Ungerechtigkeit<br />

ist, dass man nicht<br />

wirklich den Konflikt, der hinter der<br />

Gewalt steckt, angeht. Sattdessen<br />

versucht man den Gegner auszumerzen.<br />

Es ist immer das gleiche Denken,<br />

das sowohl Terroristen<br />

wie auch Amerikaner<br />

beherrscht: Nur mit<br />

Gewalt könne man<br />

sich durchsetzen. Es<br />

ist jedoch eine Illusion,<br />

dass man, nur<br />

weil man die besseren<br />

militärischen Mittel<br />

hat, siegen wird. In allen Bereichen<br />

wird versucht, über den anderen zu<br />

siegen, statt nach neuen Lösungen zu<br />

suchen.<br />

■ „Gewaltfrei gegen Hitler? Gewaltloser<br />

Widerstand gegen den Nationalsozialismus<br />

und seine Bedeutung für<br />

heute“, Hrsg. Christoph Besemer, 2007<br />

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Best of<br />

ZaS<br />

februar<br />

2010<br />

f i l m k u l t u r 7<br />

Foto: Derek Blanks<br />

Schön,<br />

nachdenklich<br />

und engagiert<br />

Boris Kodjoe kommt aus Gundelfingen und ist heute ein Hollywood-Star. Dabei wollte er eigentlich Tennis-Profi werden.<br />

Stattdessen steht er nun mit Bruce Willis oder Milla Jovovich vor der Kamera. Von Barbara Breitsprecher<br />

Die erstaunliche Geschichte,<br />

wie aus einem kleinen Jungen<br />

aus Gundelfingen ein<br />

Tenniscrack, dann begehrtes Model<br />

und schließlich ein Hollywoodstar<br />

wird. Der vorläufige Höhepunkt dieser<br />

Karriere, weitere werden<br />

zweifelsohne folgen, ist derzeit im<br />

Kino zu sehen: In „Surrogates“ hat<br />

Boris Kodjoe eine Hauptrolle, als<br />

Chef von Bruce Willis.<br />

„Bruce ist wirklich ein super Typ,<br />

ganz gelassen und cool“, erzählt der<br />

36-jährige Boris Kodjoe, und die<br />

mehr als zwölf Jahre USA haben<br />

seinem Deutsch eine leichte Färbung<br />

verliehen. „Wir haben viel<br />

Spaß miteinander gehabt.“ Keine<br />

alltägliche Sache, bei einem 100-<br />

Millionen-Film mitmachen zu können.<br />

Boris Kodjoe beschreibt „Surrogates“<br />

als einen Film, in dem sich die<br />

Menschen sehr weit von jeglicher<br />

natürlichen Kommunikation entfernt<br />

haben. Jeder hat einen Roboter<br />

als Double, der das alltägliche<br />

Leben für einen lebt. Alles ist Harmonie<br />

und Spaß, bis eines Tages<br />

doch ein Mord passiert.<br />

„Ein interessantes Konzept“, findet<br />

Boris Kodjoe, „da wir ja wirklich in<br />

einer Zeit leben, in der die Technologie<br />

beginnt, die Führung zu übernehmen.“<br />

In den USA, so berichtet<br />

er, hat ein Großteil der Menschen<br />

zwei bis drei Jobs gleichzeitig, damit<br />

das Geld ausreicht. Die Zeit für<br />

Kinder bleibt dabei auf der Strecke.<br />

„Es ist einfacher und billiger, die<br />

Kinder mit Videospielen und Fernsehen<br />

zu beschäftigen.“ Gesundheitssystem,<br />

Schulbildung und Sozialversorgung<br />

seien in den USA<br />

„unter aller Sau“.<br />

Umso wichtiger sind ihm, der<br />

als Sohn eines ghanaesischen Arztes<br />

und einer deutschen Psychologin<br />

in Wien geboren wurde und in<br />

Gundelfingen aufwuchs, die eigenen<br />

Wurzeln. Seine Mutter und<br />

auch seine 92-jährige Großmutter<br />

wohnen nach wie vor hier im Badischen.<br />

„Ich komme mindestens<br />

zweimal im Jahr mit meiner Familie<br />

nach Gundelfingen.“ Dann wird<br />

Marmorkuchen und Linzertorte gebacken<br />

und auf den Markt gegangen.<br />

„Meine Kinder lieben ihre Urgroßmutter<br />

über alles.“<br />

Boris Kodjoe spricht Deutsch<br />

mit seinen vier und drei Jahre alten<br />

Kindern. Die Kleinen wachsen sogar<br />

dreisprachig auf: Neben Englisch<br />

sprechen sie auch fließend<br />

Spanisch, Dank ihres aus Guatemala<br />

stammenden Kindermädchens.<br />

Tennis wurde für den überaus<br />

erfolgreichen Juniorenspieler schon<br />

bald zum Mittelpunkt seines Lebens.<br />

In seiner jeweiligen Altersklasse<br />

spielte er ganz oben. Viele<br />

Kontakte aus dieser Zeit, in der für<br />

ihn feststand, einmal Tennisprofi zu<br />

werden, haben bis heute gehalten.<br />

So auch zu Boris Becker, den er als<br />

Zehnjähriger im Trainingscenter<br />

für die badischen Besten in Leimen<br />

kennenlernte. Die beiden befreundeten<br />

Namensvettern haben sich<br />

gegenseitig zu ihren Hochzeiten<br />

eingeladen und sehen sich auch ansonsten<br />

mindestens einmal im Jahr.<br />

Ein anderer, der ihn früh und<br />

dauerhaft prägte, war sein erster<br />

Tennistrainer, Rüdiger van der<br />

Vliet. „Er war immer ein Vorbild für<br />

mich, auch im menschlichen und<br />

persönlichen Bereich. Einen Großteil<br />

meiner Persönlichkeit habe ich<br />

ihm zu verdanken. Er hat mich immer<br />

wieder bestärkt und unterstützt.“<br />

Doch der Traum von der<br />

Tenniskarriere platzte jäh. Boris<br />

Kodjoe zog sich eine schwere Rükkenverletzung<br />

zu und musste seine<br />

Tennisambitionen begraben. „Da ist<br />

für mich eine Welt zusammen gebrochen.“<br />

Sein ganzes Leben war<br />

aufTennis ausgerichtet gewesen.<br />

„Ich konnte mir nicht vorstellen, irgend<br />

etwas anderes zu machen.“<br />

Seine Mutter schlug dem<br />

frischgebackenen Abiturienten daraufhin<br />

vor, „mal ein bisschen in der<br />

Welt herum zu reisen.“ So kam Boris<br />

Kodjoe in die USA. Die University<br />

of Virginia bot ihm ein Stipendium<br />

an, dafür musste er ein<br />

bisschen für die dortige Tennismannschaft<br />

spielen. Er nahm das<br />

Angebot an, und machte in Richmond<br />

seinen Abschluss in Marketing.<br />

Eines Tages, als er seine Schwester<br />

in New York besuchte, wurde er<br />

auf der Straße von einer Agentin<br />

der berühmten Modelagentur Ford<br />

angesprochen und vom Fleck weg<br />

engagiert. Mehr als vier Jahre jettete<br />

er um die Welt und galt zeitweise<br />

als eines der bestbezahlten<br />

männlichen Models weltweit.<br />

Daher wohl auch dieser total<br />

durchtrainierte Körper. Doch Boris<br />

Kodjoe relativiert: „Das ist bei mir<br />

mehr eine Lebenseinstellung als ein<br />

konzentriertes Training.“ Seit seiner<br />

Kindheit gebe es für ihn keinen Tag<br />

ohne Bewegung. „Für mich gehören<br />

Kopf und Körper zusammen.<br />

Wenn eines von beiden vernachlässigt<br />

wird, dann kann ich nicht 100<br />

Prozent funktionieren.“<br />

Zudem erfordern die Dreharbeiten<br />

manchmal besondere Fitness<br />

und speziellen Körpereinsatz: Gerade<br />

hat Boris Kodjoe „Resident Evil<br />

4: Afterlife“ mit Milla Jovovich und<br />

vielen Kampfszenen abgedreht.<br />

„Ich versuche so viel wie möglich<br />

selbst zu machen. Bis die Versicherung<br />

‘Stopp’ schreit.“<br />

Bereits während der Zeit als Model<br />

nahm Boris Kodjoe Schauspielunterricht<br />

und, was noch viel wichtiger<br />

war, Sprechunterricht. Er hatte<br />

das ehrgeizige Ziel, akzentfreies<br />

amerikanisches Englisch sprechen<br />

zu lernen. Jahrelang wurde ihm das<br />

richtige Atmen beigebracht, die<br />

richtige Aussprache. „Wenn man eine<br />

fremde Sprache spricht, ist man<br />

unsicher und atmet automatisch<br />

oben in der Brust, statt aus dem<br />

Bauch. Und schon hört man sich<br />

ganz anders an.“ Mit eisernen Disziplin<br />

übte Boris Kodjoe jeden Tag<br />

drei, vier Stunden zu Hause und erreichte<br />

so das nahezu Unmögliche:<br />

Er spricht akzentfrei amerikanisches<br />

Englisch. Durch diese außergewöhnliche<br />

Leistung blieb Boris Kodjoe<br />

das Schicksal nahezu aller anderen<br />

deutschen Schauspieler in den<br />

USA oder in England erspart: die<br />

ewige Rolle des Nazis oder des Russen.<br />

Denn das sind die Rollen, auf<br />

die deutsche Schauspieler aufgrund<br />

ihres Akzents in den englischsprachigen<br />

Ländern normalerweise reduziert<br />

werden.<br />

Auf gut Glück zog er damals<br />

nach Los Angeles und schnappte<br />

sich dort tatsächlich eine Rolle. Die<br />

TV-Serie „Soul Food“ war in den<br />

USA ein Renner und Boris Kodjoe<br />

wurde berühmt: 2002 kürte ihn das<br />

US-Magazin People zu einem der<br />

„50 schönsten Menschen der Welt“.<br />

„Mein Hintergrund als fast<br />

schon professioneller Sportler hat<br />

mir sehr viel Disziplin und Kraft mitgegeben.“<br />

Die eine oder andere<br />

Niederlage musste er trotzdem wegstecken,<br />

aber auch das hat er im<br />

Sport gelernt. „Wichtig ist, dass man<br />

immer wieder aufsteht. Ich habe nie<br />

aufgegeben.“ Er ist überzeugt, dass<br />

dies überhaupt der Schlüssel zum<br />

Erfolg ist: Niederlagen hinnehmen,<br />

sich auf den nächsten Tag konzentrieren<br />

und wieder aufstehen.<br />

„Soul Food“ brachte noch eine<br />

weitere große Veränderung insein<br />

Leben: Am Set lernet er seine heutige<br />

Frau kennen, Nicole Ari Parker.<br />

„Wir haben ein Liebespaar gespielt<br />

und uns dabei ineinander verliebt.“<br />

Und während andere nach Kalifornien<br />

reisen, um zu heiraten, kamen<br />

die beiden 2005 für die Hochzeit<br />

nach Gundelfingen. „Wir haben in<br />

der gleichen Kirche geheiratet, in der<br />

auch schon meine Eltern getraut<br />

wurden.“ Das Fest fand bei der Oma<br />

im Garten statt, alle aus der Familie<br />

und die besten Freunde kamen, aus<br />

den USA, aus Ghana, aus Frankreich<br />

und Deutschland. „Es war wunderschön<br />

und sehr persönlich. Ein Tag,<br />

den ich nie vergessen werde.“<br />

Extrem hart war dagegen der<br />

Moment, als er und seine Frau erkennen<br />

mussten, dass ihre Tochter<br />

behindert sein würde. Spina bifida<br />

war die Diagnose, ein offener Wirbelspalt.<br />

Eine Fehlbildung in der<br />

ganz frühen embryonalen Entwicklung,<br />

die zu 70 Prozent auf fehlende<br />

Folsäure im Organismus der<br />

Mutter zurückzuführen ist. 2008<br />

haben die Kodjoes deshalb die Stiftung<br />

„Sophies Voice“ gegründet,<br />

um seiner kranken Tochter Sophie<br />

und den vielen anderen an Spina<br />

bifida erkrankten Kindern eine<br />

Stimme zu geben und Geld zu sammeln.<br />

Michelle Obama hat das engagierte<br />

Paar bereits empfangen<br />

und ihnen Unterstützung zugesagt,<br />

und zusammen mit der Regierung<br />

in Ghana planen die Kodjoes nun<br />

den Bau einer speziellen Klinik. Für<br />

Boris Kodjoe eine Notwendigkeit:<br />

„Wir müssen die Plattform unserer<br />

Bekanntheit und unserer Kontakte<br />

einfach nutzen.“


8<br />

p o l i t i k<br />

D e u t s c h e e x p o r t e<br />

Best of<br />

ZaS<br />

März<br />

2010<br />

Weltweiter Waffenhandel<br />

Nur durch Erhebungen eines renommierten Friedensforschungsinstituts wurde öffentlich, dass Deutschland der drittgrößte<br />

Waffenlieferant der Welt ist. Die Bundesregierung weiß das längst und blendet es wie selbstverständlich aus. Von Michael Zäh<br />

Gerhard Schröder, damals<br />

Bundeskanzler, wusste die<br />

große Mehrheit der Deutschen<br />

hinter sich, als er George W.<br />

Bush im März 2003 beim Irak-Krieg<br />

die militärische Gefolgschaft verweigerte.<br />

Da stand Schröder mannhaft<br />

da, weil er dem Zorn des amerikanischen<br />

Präsidenten stand hielt<br />

und sozusagen dem bösen Bush<br />

trotzte. Die deutschen Bürger dachten,<br />

dass ihr Land mit diesem Krieg<br />

nichts zu tun hätte.<br />

Doch das war nicht so. Auf dem<br />

sandigen Wüstenboden bewegten<br />

sich die britischen Panzerhaubitzen<br />

„AS 90“ auf Ketten der deutschen<br />

Firma Diehk Remscheid und kamen<br />

mit Getrieben der Zahnradfabrik<br />

Friedrichshafen gut voran. Die Infanteriesoldaten<br />

hielten vom deutschen<br />

Hersteller Heckler & Koch modernisierte<br />

Sturmgewehre des Modells<br />

„SA 80 A2“ in Händen. Die<br />

Zielerfassung amerikanischer F-15Eund<br />

F-16C/D-Kampfflugzeuge gelang<br />

unter Mitwirkung der Infrarot-<br />

Sensortechnik der Firma AEG Infrarotmodule<br />

GmbH. Elektronische<br />

Zünder von Junghans Feinwerktechnik<br />

und Treibladungen des Herstellers<br />

Nitrochemie sorgten dafür,<br />

dass diverse Munitionsarten der US-<br />

Streikräfte zuverlässig explodierten.<br />

Um nur einige Beispiele zu nennen.<br />

Und die Bundesregierung hat damals<br />

geduldet, dass die deutsche Rüstungsindustrie<br />

ihren Beitrag zum<br />

Irak-Krieg leistete. Die Zahl der direkten<br />

Opfer deutscher Wehrtechnik<br />

im Rahmen dieses Krieges wurde nie<br />

ermittelt.<br />

Seither ging viel Zeit ins Land<br />

und hat die Regierung ja schon zwei<br />

Mal gewechselt. Diese Zeit wurde genutzt,<br />

um Deutschland beim weltweiten<br />

Waffenhandel noch weiter<br />

voran zu bringen. Nach Erhebungen<br />

des renommierten Friedensforschungsinstituts<br />

Sipri (Stockholm<br />

International Peace Research Institute)<br />

haben sich deutsche Rüstungsexporte<br />

in den letzten fünf Jahren<br />

(2005 bis 2009) mehr als verdoppelt.<br />

Damit zog die deutsche Industrie an<br />

allen anderen europäischen Ländern<br />

vorbei und ist nach den USA und<br />

Russland an dritter Stelle bezüglich<br />

des Weltmarktanteils.<br />

Vor allem durch U-Boote und<br />

Panzerfahrzeuge Made in Germany<br />

wurde der Export angekurbelt. So<br />

unterzeichnete allein die Türkei<br />

2009 einen Vertrag zur Lizenzherstellung<br />

von sechs deutschen U-<br />

Booten der Klasse U214 im Wert von<br />

zwei Milliarden Euro. Wobei auch<br />

ein offenbar besonders gültiges Geschäftsprinzip<br />

offenbar wird: Weil<br />

die Türkei zu den besten Abnehmern<br />

gehört, bestellt auch das benachbarte<br />

Griechenland ähnlich umfangreiche<br />

und teure Kriegstechnik, als Abschreckung<br />

gegen den Nachbarn. So<br />

lassen sich quasi doppelt aufgeschaukelte<br />

Geschäfte machen.<br />

Und schaut man in die Liste der<br />

55 (!) Länder, die von Deutschland<br />

mit Waffen beliefert werden, findet<br />

man beispielsweise sowohl Israel<br />

wie auch den Iran darauf, zwei Länder<br />

also, zwischen denen ernst zu<br />

nehmende Spannungen herrschen.<br />

Auch ohne den moralischen Zeigefinger<br />

zu heben, zeigt dies doch,<br />

dass das große Geschäft mit den<br />

Waffenexporten nicht gerade einer<br />

politischen Linie folgt, wie sie von<br />

Bundeskanzlerin Merkel etwa in Bezug<br />

auf den Iran verlautbart wird.<br />

Weil keine Waffenlieferung rein<br />

privatwirtschaftlich, ohne Duldung<br />

der Bundesregierung abläuft, stellt<br />

sich also die Frage einer politischen<br />

Verantwortung. Nicht nur, weil die<br />

Waffen dann auch zum Töten verwendet<br />

werden, sondern auch in der<br />

Frage, inwiefern beispielsweise bei<br />

Abnehmern in afrikanischen Ländern<br />

die Ressourcen von armen Regionen<br />

komplett für den teuren Waffenkauf<br />

abgeschöpft werden, während<br />

dort der Bevölkerung das Nötigste<br />

fehlt. Oder auch im Falle Griechenland,<br />

das knapp vor dem<br />

Staatsbankrott steht und womöglich<br />

mit deutschen Steuergeldern subventioniert<br />

werden muss. In diesem<br />

Falle hätten deutsche Firmen mit ihren<br />

Waffen-Exporten viel verdient,<br />

aber die Allgemeinheit käme dann<br />

für das Problem auf, Griechenland<br />

finanziell zu stabilisieren.<br />

Die Tatsache, dass Deutschland<br />

weltweit der drittgrößte Waffenlieferant<br />

ist, wird kaum öffentlich debattiert.<br />

Weil es ausgeblendet wird.


Best of<br />

ZaS<br />

April<br />

2010<br />

p o p i ko n e k u l t u r 9<br />

Immer schon extremer als andere<br />

iggy pop ist unkonventionell und anders. Seine Bühnenpräsenz ist berühmt-berüchtigt, sein Stil kompromisslos.<br />

Mit seiner alten, legendären Band „The Stooges“ tritt er in Straßburg im Zénith auf. Von Barbara Breitsprecher<br />

Ein wahrer Wüterich, das enfant<br />

terrible. Kaum auf der Bühne<br />

reißt er sich das Hemd herunter.<br />

Seinen sehnigen Oberkörper malträtiert<br />

er mit dem Mikrofon und<br />

schlitzt sich schon mal mit Scherben<br />

die Brust auf. Er springt kopfüber in<br />

die tosenden Zuschauer hinein, um<br />

hart aufzuschlagen, wenn die Menge<br />

sich teilt und ihn nicht auffängt. Dann<br />

flucht er vor Schmerzen und verspricht<br />

sich, das war das letzte Mal. Aber<br />

wahrscheinlich macht er es beim<br />

nächsten Konzert wieder. Denn er ist<br />

Iggy Pop, ein Verrückter.<br />

„Er ist nicht einfach nur verrückt,<br />

wie man das mal so über jemanden<br />

sagt. Jim ist wirklich verrückt.“ Jim,<br />

das ist James Osterberg, der sich<br />

selbst den Namen Iggy Pop gab. Iggy<br />

nach seiner ersten Band „Iguanas“<br />

und Pop nach einem früheren<br />

Mitschüler. Und der das mit dem<br />

Verrücktsein über ihn sagte ist einer<br />

seiner besten Freunde, David<br />

Bowie.<br />

Und wäre der nicht gewesen,<br />

wäre Iggy Pop ohne großen Zweifel<br />

schnurstracks dem Schicksal von Janis<br />

Joplin oder Jimi Hendrix, nämlich<br />

dem eines frühen Drogentodes<br />

gefolgt. Doch Mitte der 70er Jahre<br />

begegnete Bowie, auch er im größten<br />

Drogensumpf, der Erkenntnis,<br />

dass er eine Wahl zu treffen hatte:<br />

Frühes Sterben oder komplettes Ändern<br />

des Lebens.<br />

Er schnappte sich seinen Freund<br />

Jim Osterberg alias Iggy Pop und zog<br />

mit ihm nach West-Berlin. Der Brite<br />

aus London und der Amerikaner aus<br />

Detroit. Bowie vermittelte einen<br />

Plattenvertrag für Iggy Pop und produzierte<br />

– neben eigenen Hits wie<br />

„Heroes“ – mit ihm zwei gelungene<br />

Solo-Alben: „The Idiot“ und „Lust for<br />

Life“. Daneben tauchten sie ein, in eine<br />

ihnen unbekannte, ummauerte<br />

Welt, mit fremder Sprache und fremden<br />

Gepflogenheiten. Ein heilsamer<br />

Effekt.<br />

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So heilsam, dass Iggy Pop in Kürze,<br />

am 21. April, seinen 63. Geburtstag<br />

feiern können wird. Dabei ist er<br />

athletisch-sehnig wie eh und je, hat<br />

immer noch diese riesigen blauen Augen,<br />

nur im Gesicht ist er ein gutes<br />

Stück abgehärmter. Und er ist immer<br />

noch ein sonderbarer Sonderling.<br />

Seine Heimat ist nun Florida.<br />

Aber weit weg von jedweder Schikkimicki<br />

Mischpoke: „Ich kann es einfach<br />

nicht ertragen, unter reichen<br />

Leuten zu leben, obwohl es mir selbst<br />

ja auch nicht schlecht geht. Aber die<br />

einzigen Menschen, die ich mag, sind<br />

arm. Was ein Problem ist, denn mit<br />

so vielen armen Freunden werde ich<br />

nie richtig reich.“<br />

Abgesehen davon, dass es Iggy<br />

Pop gelungen ist, zu überleben und<br />

er bis heute aus David Bowies „China<br />

Girl“ gute Tantiemen erhält – das<br />

Stück stammt nämlich aus seiner Feder<br />

(seine Version ist jedoch wesentlich<br />

rauer) – ist ihm noch ein Kunststück<br />

gelungen. 1967 hatte er die<br />

Band „The Stooges“ gegründet, sie<br />

galten als Godfathers des Punk lösten<br />

sich aber 1974 wieder auf. „The<br />

Stooges“ hatten nie dem breiten Musikgeschmack<br />

entsprochen, ihr Stil<br />

war extrem und gefärbt von Drogenund<br />

Alkoholexzessen. Und doch<br />

kam es 2002 zu einer Reunion. Derzeitiger<br />

Höhepunkt in dieser Bandgeschichte:<br />

Die Aufnahme in der legendären<br />

Rock and Roll Hall of Fame<br />

gerade jüngst, vergangenen<br />

März. Und beim Auftritt demnächst<br />

im Zénith in Straßburg werden „Iggy<br />

Pop & The Stooges“ wieder gemeinsam<br />

auf der Bühne stehen.<br />

Auch vor der Wiedervereinigung<br />

waren sie stets Freunde geblieben. Für<br />

Iggy Pop gibt es dafür einen klaren<br />

Grund: „In den 30 Jahren der Trennung<br />

hatte keiner von uns schlecht<br />

über die anderen geredet. Wir haben<br />

uns nie um Geld gestritten. Wir hatten<br />

auch keine verfeindeten Manager<br />

oder Anwälte, weil wir nie genug verdient<br />

haben, um morgens nicht mehr<br />

aufstehen zu müssen.“<br />

Und einer seiner Stooges-Bandkollegen<br />

– neben Scott Asheton und<br />

Mike Watt – James Williamson versichert:<br />

„Jim ist inzwischen extrem<br />

professionell. Früher in den 1970ern<br />

war er sehr unzuverlässig. Aber jetzt<br />

hat er ein wirklich gutes Unterstützerteam<br />

um sich herum und das<br />

macht es mir möglich wieder mit ihm<br />

zu spielen.“<br />

Der andere Band-Kompagnon<br />

und Freund, Ron Asheton, starb<br />

2009 an Herzversagen. Auf seinem<br />

aktuellen Album „Préliminaires" hat<br />

Iggy Pop im gleichen Jahr auf sensible<br />

Weise diesen Tod und Verlust verarbeitet.<br />

Denn auch das kann er, einfühlsam<br />

und gefühlvoll sein.<br />

Auch wenn der Inhalt der Texte<br />

beim genauen Hinhören dann doch<br />

manch einen „Durchschnittsmenschen“,<br />

wie Iggy Pop diese Spezies<br />

verächtlich nennt, wieder schockieren<br />

mögen. Ihm ging es nie darum, Extreme<br />

unter der Oberfläche zu halten,<br />

er hat stets alles heraus gelassen.<br />

„Vielleicht war ich deshalb auch nie<br />

wirklich gefährlich für andere“.<br />

Seine Rolle als Extremer und<br />

Sonderling führt Iggy Pop auch auf<br />

seine Kindheit zurück. Aufgewachsen<br />

ist er in einer Wohnwagensiedlung.<br />

Doch seine Eltern waren aber<br />

keineswegs mittellose Hippies, sondern<br />

ein Lehrer und eine Sekretärin,<br />

die ihren Sohn sehr verehrten und<br />

förderten.<br />

Seine Zeit als junger Erwachsener<br />

war geprägt vom Anderssein,<br />

von Drogen und Alkohol<br />

und diversen Aufenthalten<br />

in Psychiatrischen<br />

Kliniken sowie notorischem<br />

Geldmangel.<br />

Immer musste etwas<br />

passieren, und wenn<br />

nichts passierte, sorgte<br />

Iggy Pop selbst dafür, dass<br />

etwas passierte.<br />

Und heute? „Viel Sport, keine<br />

Drogen, viel Sex, viel Leben, keine<br />

Toleranz für Dummheit.“ Und fügt<br />

er hinzu: „Zum ersten Mal habe ich<br />

alles, was ich immer wollte: coole<br />

Autos, heißen Sex, eine gute Band,<br />

ordentliche Gigs. Und ich wache<br />

nicht auf und fühle mich krank.“<br />

n Iggy Pop & The Stooges, Straßburg,<br />

Le Zénith, Festival des Artefacts,<br />

Freitag, 16. April, 21.30 Uhr;<br />

Tel. 0033-388 237 237;<br />

www.festival. artefact. org


10<br />

k i r c h e<br />

M i s s B r A u c h<br />

Best of<br />

ZaS<br />

April<br />

2010<br />

Das alte<br />

Feindbild<br />

Auf die Krise der katholischen Kirche reagiert der Vatikan mit<br />

einem verblüffenden aber logischen Vorstoß: Die Homosexualität<br />

soll für den sexuellen Missbrauch von Kindern verantwortlich<br />

sein. Ja sind denn Priester schwul? Von Michael Zäh<br />

Die Krise der katholischen Kirche<br />

löst im Vatikan einen<br />

Reflex aus, der einem die<br />

Sprache verschlägt. Nach der Kultur<br />

des Wegschauens, des Leugnens und<br />

des Schweigens bezüglich der Flut<br />

von Missbrauchsfällen in kirchlichen<br />

Einrichtungen, gab jetzt der<br />

zweite Mann in Rom, Kardinal Tarcisio<br />

Bertone eine verblüffende Ansicht<br />

zu Protokoll: Es gebe nicht nur<br />

keine Verbindung zwischen Zölibat<br />

und Pädophilie. „Vielmehr haben<br />

viele andere bewiesen und mir das<br />

vor kurzem gesagt, dass es eine Verbindung<br />

zwischen Homosexualität<br />

und Pädophilie gibt.“<br />

Die Logik dieses Vorstoßes ist<br />

schnell ergründet: Homosexuelle<br />

und Lesben, so die konservative Lehre,<br />

lösen Naturkatastrophen aus und<br />

sind eine Gefahr für das Abendland.<br />

Für den Hurrikan Katrina machte der<br />

katholische Pfarrer Gerhard Maria<br />

Wagner, der 2009 fast Weihbischof<br />

von Linz geworden wäre, eine „geistige<br />

Umweltverschmutzung“ verantwortlich<br />

und verwies darauf, dass<br />

dass zwei Tage später in New Orleans<br />

(das ja vom Hurrikan verwüstet<br />

wurde) eine Schwulenparade stattfinden<br />

sollte.<br />

Schon in Römer 1, 24-27 heißt<br />

es: „Darum lieferte Gott sie durch die<br />

Begierden ihres Herzens der Unreinheit<br />

aus, so dass sie ihren Leib durch<br />

eigenes Tun entehrten: sie vertauschten<br />

die Wahrheit Gottes mit<br />

der Lüge, sie beteten das Geschöpf<br />

an und verehrten es anstelle des<br />

Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit.<br />

Darum lieferte Gott sie entehrenden<br />

Leidenschaften aus:<br />

ihre Frauen vertauschten den natürlichen<br />

Verkehr mit dem widernatürlichen;<br />

ebenso gaben die Männer<br />

den natürlichen Vekehr mit der Frau<br />

auf und entbrannten in Begierde zueinander;<br />

Männer trieben mit Männern<br />

Unzucht und erhielten den gebührenden<br />

Lohn für ihre Verwirrung.“<br />

Die Homosexualität gibt seit jeher<br />

ein wunderbares Beispiel für die<br />

katholische Kirche ab, an dem sie ihre<br />

Lehre vorführen kann. Das bekam<br />

ja auch Anne Will zu spüren, als in<br />

ihrer ARD-Talkshow der Essener Bischof<br />

Franz-Josef Overbeck der lesbischen<br />

Moderatorin (die selbst<br />

Mitglied der katholischen Kirche ist)<br />

ins Gesicht sagte, dass Homosexualität<br />

Sünde sei und der menschlichen<br />

Natur widerspreche.<br />

Was natürlich eine gewagte Behauptung<br />

ist, vor allem das mit der<br />

Natur. Denn die Kirche hat ja ihr gesamtes<br />

Regelwerk gegen die Unbillen<br />

der Natur in Stein gemeißelt.<br />

Nicht nur bei den zehn Geboten. Bei<br />

1 Timotheus 1, 9 heißt es: „Und bedenkt,<br />

dass das Gesetz nicht für die<br />

Gerechten bestimmt ist, sondern für<br />

Gesetzlose und Ungehorsame, für<br />

Gottlose und Sünder, für Menschen<br />

ohne Glauben und Ehrfurcht (...)“<br />

Hier führt ein direkter Weg zu<br />

den Missbrauchsfällen in den katholischen<br />

Einrichtungen. Es gibt<br />

mittlerweile zahlreiche Fälle von<br />

Gewaltanwendung gegenüber Kindern,<br />

die beispielsweise der Augsburger<br />

Bischof Walter Mixa nach<br />

den eidesstattlichen Erklärungen<br />

von Opfern (die der Süddeutschen<br />

Zeitung vorliegen) direkt verübt haben<br />

soll. Man braucht nicht viel<br />

Phantasie, um sich das vorstellen zu<br />

können, dass jene „Ungehorsamen“<br />

und „Sünder“, für die man zu erziehende<br />

Kinder im Zweifelsfall hielt,<br />

mit körperlichen und seelischen<br />

Strafen „erzogen“ wurden. In den<br />

50er und 60er Jahren herrschten<br />

völlig andere Vorstellungen bezüglich<br />

der Pädagogik und die Kirche<br />

hat ja noch dazu einen reichhaltigen<br />

Schatz an eigenen Richtlinien (wie<br />

etwa „Der Herr straft, wen er liebt“,<br />

siehe auch den beeindruckenden Erfahrungsbericht<br />

von Hermann Unterstöger,<br />

SZ vom 14.4.)<br />

Und dies macht eben auch der<br />

jüngste Vorstoß des Vatikans deutlich,<br />

wenn Bertone plötzlich die Homosexualität<br />

für den sexuellen<br />

Missbrauch an Kindern verantwortlich<br />

macht. Die kann Naturkatastrophen<br />

auslösen, also kann sie<br />

auch wie eine solche über die Klöster<br />

der katholischen Kirche hereingebrochen<br />

sein. Das ist aus Sicht des<br />

Vatikans immer noch besser, als etwa<br />

die ureigene Regelung des Zölibats<br />

als mitursächlich in Betracht zu<br />

ziehen. Nur Spötter „ohne Ehrfurcht“<br />

könnten sich fragen, ob Bertone<br />

sagen wollte, dass Priester homosexuell<br />

sind und dies hinter der<br />

Keuschheit des Zölibats verstecken.


Best of<br />

ZaS<br />

Mai<br />

2010<br />

r e g i e r u n g p o l i t i k 11<br />

Merkelland ist abgebrannt<br />

Die Bundeskanzlerin hat sich oft versteckt und wollte eigentlich das Gegenteil von dem machen,<br />

was sie dann als „alternativlos“ hinstellte. Die Griechenland-Hilfe hat sie viel Kredit gekostet,<br />

besonders in politischer Hinsicht. Von Michael Zäh<br />

Angela Merkel hat sich oft<br />

versteckt. Sie wollte ursprünglich<br />

keine Bank verstaatlichen,<br />

keine milliardenschwere<br />

Konjunkturspritze geben<br />

und zuletzt auch Griechenland<br />

nicht mit dem Geld deutscher Steuerzahler<br />

aus der Patsche helfen. Sie<br />

hat in allen diesen Fällen gezögert,<br />

um dann ins Gegenteil zu kippen.<br />

Und um dann immer denselben<br />

knappen Satz als Begründung anzuführen:<br />

„Das ist alternativlos.“<br />

An dieser Begründung haften<br />

viele Mängel. Denn erstens präsentiert<br />

sich die Bundeskanzlerin damit<br />

als Getriebene, die nur jeweils<br />

auf Situationen reagiert, statt selbst<br />

den Kurs vorzugeben. Zweitens<br />

wird dieser Eindruck einer Ohnmächtigen<br />

noch dadurch verstärkt,<br />

dass Merkel zuvor ja jeweils eher<br />

das Gegenteil tun wollte. Und drittens<br />

erwarten die Bürger von der<br />

Politik gerade jene Weitsicht, dass<br />

Alternativen geschaffen werden,<br />

bevor es zu spät dafür ist. Wenn die<br />

Kanzlerin aber missmutig zwischen<br />

zwei gegensätzlichen Positionen<br />

wankt, dann schwindet das<br />

eigene Profil und der Glaube der<br />

Wähler.<br />

Im jüngsten Fall der Griechenland-Hilfe<br />

sieht das Wanken der<br />

Kanzlerin ganz besonders schlecht<br />

aus, weil sich gleichzeitig Nicolas<br />

Sarkozy damit brüstete, der „Retter<br />

Griechenlands“ zu sein. Es<br />

heißt, er habe hinter den Kulissen<br />

die zunächst störrische deutsche<br />

Kanzlerin zum „Umdenken“ gebracht.<br />

Und das wiederum lässt<br />

Angela Merkel nicht eben souverän<br />

aussehen. Jetzt wird ihr vorgeworfen,<br />

sie habe durch ihre zögerliche<br />

Haltung die Krise in Griechenland<br />

verschärft.<br />

Der Konflikt, in dem sich die<br />

CDU-Politikerin befindet, ist klar<br />

umrissen: Als Ordnungspolitikerin<br />

hätte sie gerne verhindert, dass die<br />

Politik sich in die Wirtschaft einmischt.<br />

Als Machtpolitikerin kann<br />

sie politische Ambitionen nur<br />

durchsetzen, wenn Deutschland<br />

als treibende Kraft des Eurolandes<br />

von Gewicht ist. In diesem Zusammenhang<br />

wäre Deutschland<br />

allein zu klein, um bedeutend zu<br />

sein.<br />

Angesichts der tatsächlichen<br />

Situation in Griechenland ist Merkels<br />

innere Zerreißprobe leicht zu<br />

verstehen. Denn kaum ein Ökonom<br />

zweifelt daran, dass die jetzt<br />

von der EU und dem Internationalen<br />

Währungsfonds (IWF) gewährten<br />

Kredite (insgesamt 110 Milliarden<br />

bis 2012) von den Griechen<br />

nicht zurück gezahlt werden können.<br />

Ganz einfach, weil die Wirtschaft<br />

des Landes international<br />

längst nicht mehr wettbewerbsfähig<br />

ist und der jetzt verordnete<br />

strenge Sparkurs die Binnenwirtschaft<br />

noch weiter schwächen<br />

wird. Wenn es gehen könnte, so zu<br />

sparen und gleichzeitig neues<br />

Wachstum zu produzieren, dann<br />

hätte ja die Bundes regierung in<br />

Deutschland während der Finanzkrise<br />

alles falsch gemacht, als sie<br />

ein milliardenschweres Konjunkturprogramm<br />

auflegte.<br />

Die Griechenland-Hilfen verschaffen<br />

lediglich Zeit, mehr nicht.<br />

Und hätte die Kanzlerin offenbart,<br />

warum die Kredite „alternativlos“<br />

sind, dann hätte sie auch darlegen<br />

müssen, dass sich die Schulden der<br />

Griechen zum großen Teil in den<br />

Büchern deutscher und französischer<br />

Banken finden. Es ist von 30<br />

Milliarden bei deutschen Instituten<br />

(davon allein wieder 8 Milliarden<br />

bei der verstaatlichten Hypo Real<br />

Estate) und von 50 Milliarden in<br />

Frankreich die Rede. Ohne die Hilfe<br />

für Griechenland hätte der deutsche<br />

Steuerzahler wahrscheinlich<br />

dann wieder für die Schieflage dieser<br />

Banken aufkommen müssen.<br />

Es wäre ehrlich gewesen, dies<br />

deutlich zu sagen. Aber damit hätte<br />

man auch offenbart, dass es wieder<br />

die Finanzmärkte sind, die einem<br />

keine Alternative lassen. Und<br />

auch, dass man seit der Finanzkrise<br />

nicht in der Lage war, mehr Kontrolle<br />

über diese Märkte zu erlangen.<br />

Denn hier könnte eine entsprechend<br />

weitsichtige Politik ja dafür sorgen,<br />

dass der Staat nicht immer nur der<br />

Getriebene ist, dem dann gar nichts<br />

anderes bleibt, als zu zahlen.<br />

Bezüglich der Glaubwürdigkeit<br />

ist Merkelland abgebrannt.<br />

Erst recht, wenn jetzt bei Forschung<br />

und Bildung gespart werden<br />

soll.


12<br />

e n e R g i e<br />

Ö L k ata s t R o p h e<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Mai<br />

2010<br />

Weg von der globalen Wirtschaft<br />

Der kanadische Ökonom Jeff Rubin ist überzeugt, dass die wirtschaftliche Notwendigkeit uns den Weg zur<br />

lokalen Ökonomie und damit zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit zeigen wird. Von Barbara Breitsprecher<br />

Die Ölkatastrophe im Golf von<br />

Mexiko zeigt einmal mehr: Der<br />

Mensch geht in seinem Bestreben<br />

fossile Rohstoffe zur Energiegewinnung<br />

zu bergen, über seine<br />

Grenzen hinaus und gefährdet damit<br />

sich und die Umwelt maßlos. Kyoto hin,<br />

Kopenhagen her, bislang ist kein echtes<br />

großes Umdenken und Handeln<br />

zum Klima- und Umweltschutz erkennbar.<br />

Der kanadische Ökonom Jeff<br />

Rubin (Foto), einer der anerkanntesten<br />

Experten zum Thema Energiewirtschaft,<br />

zeigt sich im Gespräch mit Barbara<br />

Breitsprecher überzeugt, dass erst<br />

volkswirtschaftliche Notwendigkeit zu<br />

einem Umdenken führen wird.<br />

Die Ölquellen, die überall auf der Welt<br />

angezapft werden, produzieren jedes<br />

Jahr weniger, die Methoden, um dennoch<br />

an den wertvollen Rohstoff zu<br />

kommen, werden immer aufwändiger<br />

und riskanter. Es ist absehbar, dass<br />

die Ölpreise steigen werden. Gerade<br />

bereitet der US-Kongress als Reaktion<br />

auf die aktuelle Ölkatastrophe zudem<br />

eine vierfache Erhöhung der Ölsteuer<br />

um 32 Cent pro Barrel vor. Dieses<br />

Geld soll in einen Fond für Reinigungsarbeiten<br />

in Gewässern fließen.<br />

Entsprechend unserem derzeitig globalen<br />

Wirtschaftsdenken sind wir jedoch<br />

noch auf das Öl angewiesen, ist<br />

Jeff Rubin überzeugt:<br />

Seit 2005 ist der Ölabbau nicht<br />

mehr gewachsen, und wird es wahrscheinlich<br />

auch nicht mehr tun. Deshalb<br />

sind wir abhängig von Bohrungen<br />

in Meerestiefen von über 1000 Metern.<br />

Es wäre sonst sehr schwer, die täglich<br />

benötigten Mengen an Millionen Tonnen<br />

Öl, die wir verbrauchen, zu gewinnen.<br />

Aber eigentlich können wir uns das<br />

schon bald nicht mehr leisten.<br />

Was die Katastrophe im Golf von<br />

Mexiko angeht, befürchtet Jeff Rubin<br />

das Schlimmste. Und er ist sich nicht<br />

sicher, ob BP dieses Fiasko als Firma<br />

überleben wird. Er zieht da durchaus<br />

einen Vergleich zum Unfall im US-<br />

Kermkraftwerk Three Mile Island bei<br />

Harrisburg, wo es 1979 zu einer Kernschmelze<br />

kam.<br />

Damals nach dem Unfall veränderte<br />

sich die Akzeptanz der amerikanischen<br />

Bevölkerung gegenüber der<br />

Atomkraft grundlegend. Die nächsten<br />

40 Jahre wurden keine Atomkraftwerke<br />

mehr in den USA gebaut. Ähnliches<br />

könnte nun auch in Bezug auf die Tiefseebohrungen<br />

passieren.<br />

Zwar gibt es noch andere große<br />

Ölvorkommen, beispielsweise im kanadischen<br />

Alberta oder in Orinoco in<br />

Venezuela, doch hier steckt das Öl im<br />

Sand. Die Ölsandvorräte könnten<br />

rund zwei Drittel der weltweiten Öl-<br />

Ressourcen ausmachen – wäre der<br />

Abbau nicht so sagenhaft aufwändig<br />

und damit extrem teuer. Für Jeff Rubin<br />

ist die Rechnung klar:<br />

Es ist also nicht so, dass uns im<br />

geologischen Sinne das Öl ausgehen<br />

Foto: Greenpeace<br />

Foto: Greenpeace Foto: Speakers’ Spotlight<br />

Das Wappentier von Louisiana: Ein ölverschmierter Pelikan wird<br />

nach der Katastrophe im Golf von Mexiko von Helfern gereinigt.<br />

würde, aber uns geht das Öl aus, das<br />

wir uns zum Verbrennen leisten können.<br />

Aus ökonomischen Gründen ebenso<br />

wie aus ökologischen, wie wir an der<br />

Katastrophe im Golf von Mexiko sehen<br />

können.<br />

Den Höhepunkt bei den Ölpreisen<br />

werden wir auch beim Bruttoinlandsprodukt<br />

spüren. Es gibt nun<br />

Menschen, die sehen eine Regression<br />

voraus oder die Apokalypse, gar das<br />

Ende der Zivilisation. Jeff Rubin gehört<br />

nicht dazu. Dazu versteht sich<br />

der Verfasser des aktuellen Buches<br />

„Warum die Welt immer kleiner<br />

wird“ zu sehr als Ökonom.<br />

Ich glaube, die Menschen reagieren<br />

auf Krisen, auch im ökonomischen<br />

Sinne. Der dreistellige Ölpreis wird eine<br />

Bewegung weg vom Modell der globalen<br />

Wirtschaft und hin zur regionalen<br />

und lokalen Wirtschaft bedeuten.<br />

Das wird nicht verhindern, dass Öl einen<br />

immensen Preis kosten wird. Aber<br />

es wird den Einfluss verringern, den<br />

das Öl haben wird, auf unsere Wirtschaft<br />

und damit auf unser Leben.<br />

Die Geschichte lehrt, dass Knappheit<br />

die Mutter der Erfindung ist. So<br />

ist sich Jeff Rubin sicher, dass in zehn<br />

bis 15 Jahren der dreistellige Ölpreis<br />

auch die Entwicklung neuer Technologien<br />

zur Energiegewinnung fördern<br />

wird. Allerdings, so prognostiziert er,<br />

werden wir die Verteuerung des Öls<br />

nicht erst in diesen zehn bis 15 Jahren<br />

zu spüren bekommen, sondern in<br />

zehn bis zwölf Monaten. Sein Fazit:<br />

Wir müssen die Technologie nutzen ,<br />

die wir haben.<br />

Die Lösung muss lauten: Wie können<br />

wir die Kosten für Energie senken,<br />

ohne dass es zu Lasten unserer Wirtschaft<br />

geht.Und wieder heißt die Antwort,<br />

weg von der globalen, hin zur lokalen<br />

Ökonomie. Denn die globale<br />

Wirtschaft, die die Produkte um die<br />

Welt herum bewegt, ist ein sehr energieintensiver<br />

Vorgang, der besonders viel<br />

Öl benötigt .<br />

Lokale Wirtschaft, das bedeutet<br />

für Jeff Rubin, dass man mit den<br />

Nachbarn Handel treibt. Und dass<br />

man auch in einer gewissen Weise<br />

selbstgenügsamer wird. Seine Vision:<br />

Deutschland wird beispielsweise<br />

wieder Stahl produzieren, statt es von<br />

weit entfernten Ländern wie China einzukaufen.<br />

Einfach weil es ökonomisch<br />

mehr Sinn machen wird. Bislang waren<br />

es die billigeren Löhne der chinesischen<br />

Arbeiter, die den Transportweg<br />

um die halbe Weg lohnend gemacht haben.<br />

Im Vergleich zu den Kosten für den<br />

verbrannten Kraftstoff auf den langen<br />

Transportwegen wird sich das künftig<br />

aber nicht mehr rechnen.<br />

Um Stahl zu produzieren, muss<br />

China zunächst einmal die notwendigen<br />

Rohstoffe aus Brasilien über<br />

den Ozean herbeischaffen. Dann wird<br />

daraus Stahl gefertigt und dieser wiederum<br />

in die USA oder nach Europa<br />

geschickt. Jeff Rubin ist überzeugt,<br />

berechnet man künftig die Kosten für<br />

die Transportwege, wird Stahl aus<br />

Deutschland wieder billiger sein als<br />

der aus China.<br />

Die USA importiert bislang Unmengen<br />

Früchte und andere Lebensmittel<br />

aus China. Alles, von Äpfeln bis<br />

zu Hühnerteilen, wie gefrorene Chikken-Wings.<br />

Auch das wird künftig zu<br />

teuer werden, in dem Sinne, dass für einen<br />

solch langen Transport zu viel<br />

Kraftstoff verbrannt werden muss. Neben<br />

Stahl wird auch die Eigenproduktion<br />

von Agragrprodukten in Deutschland<br />

wieder deutlich zunehmen.<br />

Ölkatastrophe: Mit den Ölbohrungen in mehr als<br />

1000 Meter Meerestiefe ist der Mensch über die<br />

Grenzen des für ihn Machbaren hinaus gegangen.<br />

Wir werden also unser Handeln<br />

und Verhalten nicht aus ökologischer<br />

Vernunft ändern, ist Jeff Rubin<br />

überzeugt, sondern weil wir keine<br />

andere Wahl haben. Und die Nachhaltigkeit<br />

wird gewährleistet sein,<br />

wenn wir zur lokalen Wirtschaft zurück<br />

kehren. Denn die globale Wirtschaft<br />

wird keinen ökonomischen<br />

Sinn mehr machen, wenn der Ölpreis<br />

erst einmal dreistellig ist. Und das, so<br />

prophezeit er, wird Nordamerika<br />

ebenso betreffen wie Europa oder<br />

China.<br />

Die Menschen werden merken,<br />

dass die regionale Wirtschaft viele<br />

Vorteile gegenüber der globalen hat.<br />

Einer der Vorteile wird sein, dass wir<br />

eine wesentlich „grünere“ Wirtschaft<br />

haben werden als zuvor.<br />

Der wirtschaftliche Druck, die<br />

Notwendigkeit, das Geld anderweitig<br />

zu investieren, wird also, so die These<br />

von Jeff Rubin, letztlich mehr bewirken<br />

als alle theoretisch gefassten<br />

Vorhaben zugunsten des Umweltschutzes<br />

zuvor.<br />

Dreistellige Ölpreise werden in<br />

den USA, Kanada und Europa mehr<br />

für den Klimaschutz bewirken als alle<br />

Kyoto- und Kopenhagen-Vereinbarungen.<br />

Denn es wird keine Frage<br />

mehr der philosophischen Wahl sein<br />

oder der persönlichen Moralität, sondern<br />

der ökonomischen Notwendigkeit.<br />

Und ironischerweise wird es so<br />

sein, dass die Knappheit der fossilen<br />

Brennstoffe und der dreistellige Ölpreis<br />

uns ökologisch-freundliche, grüne<br />

Orte bescheren wird.<br />

n Jeff Rubin, Warum die Welt immer<br />

kleiner wird. Öl und das Ende<br />

der Globalisierung, Hanser-Verlag,<br />

März 2010


Best of<br />

ZaS<br />

Juni<br />

2010<br />

f i fa i n a f R i k a W i R t s c h a f t 13<br />

Jenseits von Afrika<br />

Die Fifa streicht bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika fast drei Milliarden Dollar ein. Sie hat die Emotionen<br />

rund um den Sport zu barer Münze vermarktet und ungeniert afrikanische Gebräuche ausgebootet. Von Michael Zäh<br />

Der Fußball erobert die Herzen, die<br />

Fifa sahnt ab. Und der Rahm, den<br />

sie da abschöpft, ist zu Geld gewordene<br />

Emotion. Knapp drei Milliarden<br />

Gewinn werden es wohl sein, den die Fußball-Weltmeisterschaft<br />

in Südafrika dem<br />

Fußballverband einbringt. Um dann Afrika<br />

wieder den Rücken zu kehren.<br />

Es ist ein Imperialismus der ganz speziellen<br />

Art, der hier schamlos vor aller Augen<br />

der Weltöffentlichkeit betrieben wird.<br />

Ausgebeutet wird im Grunde jeder Fußballfan,<br />

weil dessen Hingabe an den Sport<br />

die Quelle aller Fifa-Einnahmen ist. Allein<br />

die Übertragungsrechte an 113 Sender in<br />

der ganzen Welt bringen Milliarden ein.<br />

Und woher beispielsweise ARD und ZDF<br />

das Geld nehmen, ist ja bekannt und wird<br />

sogar stolz verkündet: „Dank Ihrer Gebühren“,<br />

heißt es auf Werbeanzeigen der<br />

deutschen Sender.<br />

Fußball ist ein Sport, der die Massen<br />

rund um den Erdball begeistert. Überall<br />

wird er gespielt, an den Stränden der Copacabana<br />

ebenso wie auf den staubigen<br />

Sandplätzen südafrikanischer Townships.<br />

Oft wird mit ihm die Hoffnung verbunden,<br />

dass er ein Ausweg aus sozialem Elend ist,<br />

und nicht selten soll er die Vorurteile und<br />

Ressentiments verschiedener Völker und<br />

Rassen überwinden. Und überall gilt die<br />

springende Kugel als eine Art Spiegel des<br />

gesellschaftlichen Lebens. Der Zufall, das<br />

Können, das Spielerische – all diese Elemente<br />

sind es, die Kids und Kicker rund um<br />

den Erdball so sehr faszinieren.<br />

Im Unterschied zu Eishockey, Tennis<br />

oder Formel eins wird Fußball zuerst überall<br />

gespielt, bevor er dann auch geguckt<br />

wird. Es braucht nicht viel dafür, manchmal<br />

noch nicht einmal richtige Bälle oder<br />

Schuhe.<br />

So wird die Emotion Fußball tatsächlich<br />

gelebt und nicht nur virtuell auf den<br />

Bildschirm gebracht. Sie liegt umso tiefer<br />

als sie eben nicht nur aus dem Treiben der<br />

Stars bei einer Weltmeisterschaft besteht.<br />

Eine ideale Vorraussetzung, Kasse zu machen.<br />

Fußball ist also auch eine gigantische<br />

Geldmaschine. Und wer hat`s erfunden?<br />

Da landen Sehnsüchte auf einem Nummernkonto<br />

in der Schweiz.<br />

Verwunderlich ist nur, wie es passieren<br />

konnte, dass es seit Gründung der Fifa<br />

1904 in Paris immer beim Monopol dieser<br />

Vermarktungsidee blieb. Die Fifa hat<br />

geschafft, was es sonst in der freien Wirtschaft<br />

nie gibt: Sie ist allein und ohne Konkurrenz<br />

der Herrscher über die Fußball-<br />

Welt. Vielleicht kommt es daher, dass sie<br />

völlig ungeniert zu den Mitteln der Diktatur<br />

greift. Sie knebelt alle, die mit Fußball<br />

etwas zu tun haben. Sie setzt sogar natio-<br />

nales Recht außer Kraft, indem sie „Hausrecht“<br />

bei einer WM hat. Sie ist also Herr<br />

im Hause Südafrika.<br />

War es 2006 in Deutschland noch<br />

kompatibel zu den Gebräuchen in einem<br />

reichen Industriestaat, dass eben Geld aus<br />

dem Sport gepresst wird, so fällt bei der<br />

ersten WM auf dem afrikanischen Kontinent<br />

der Fifa-Imperialismus besonders<br />

auf. Denn das Gastgeberland musste Milliarden<br />

in die Infrastruktur stecken, trug<br />

alle Risiken allein, während die Fifa nur<br />

die Hände aufhielt.<br />

Der besondere Trick ist dabei, dass damit<br />

ein Kontinent zur Vermarktung erschlossen<br />

wurde, der zuvor noch nicht dabei<br />

war. „Seht her, ihr dürft euch der ganzen<br />

Welt präsentieren, wenn ihr es<br />

bezahlen könnt“, lautet die Idee. Und jeder<br />

neu euphorisierte Afrikaner ist ein guter<br />

Afrikaner. Man kann ihn melken. Der<br />

Marktplatz wird dadurch größer, die Gewinne<br />

steigen.<br />

Weil die Fifa mit ihrer Vermarktungsmaschine<br />

ins Land einfiel, fällt die Diskrepanz<br />

auf, zwischen afrikanischen Gebräuchen,<br />

etwa den unzähligen Straßenhändlern,<br />

die alle ausgebootet wurden,<br />

und dem Moloch aus der Schweiz, der alles<br />

einsaugen aber nichts zurückgeben<br />

will.<br />

Viele arme Händler hatten gehofft, ein<br />

bisschen von dem großen Geschäft profitieren<br />

zu können. Aber die offiziellen Fanartikel<br />

der Fifa werden aus Asien importiert,<br />

wo sie billig hergestellt werden. Die<br />

traditionellen Kleinhändler, die ihre Familien<br />

damit ernähren, Schlachtenbummlern<br />

Speise, Getränke und Fanartikel<br />

zu verkaufen, wurden rund um die<br />

Stadien verbannt. Die Fifa hat sozusagen<br />

alles mitgebracht, weshalb die heimische<br />

Ware sogar von einer „Markenpolizei“<br />

verboten wurde.<br />

Was nach der WM in Südafrika bei vielen<br />

dort lebenden Menschen zurückbleibt,<br />

ist die Erinnerung, wie ein moderner Heuschreckenschwarm<br />

ins Land eingefallen ist<br />

und vollgefressen wieder abzog. Dabei sollen<br />

die Betroffenen aber auch noch gute<br />

Laune verbreiten, um ihrer Rolle als Gastgeber<br />

gerecht zu werden. Schließlich geht<br />

es darum, der Welt einen möglichst schönen<br />

Eindruck zu vermitteln.<br />

Dabei ist es eine Schande. Wie sportlich<br />

auf dem Platz, wo der afrikanische<br />

Fußball viele Hoffnungen begraben musste,<br />

so auch beim Profit: Afrika muss warten.<br />

Wenn die Fifa wenigstens von ihren<br />

Milliardengewinnen all die staubigen<br />

Kickplätze im Lande sanieren würde. Tut<br />

sie aber nicht. Sie ist ja schon jenseits von<br />

Afrika. 2014 in Brasilien.


14<br />

M e d i e n<br />

G e s e l l s c h a f t<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Juli<br />

2010<br />

Die Wahrheit auf dem Platz<br />

Während der Fußball-WM scheint die Welt stillzustehen. Und doch spiegelt sich im Umgang mit den kickenden Repräsentanten<br />

dann wieder die politische Kultur der teilnehmenden Länder. Italien gähnt, Frankreich lärmt und Spanien spinnt. Von Michael Zäh<br />

Fußball bezaubert. Seit dem 11.<br />

Juni, an dem die WM in Südafrika<br />

begann, scheint nichts<br />

Bedeutendes in der Welt geschehen<br />

zu sein. Die Erde dreht sich so rund<br />

wie sonst nie. Die Gespräche kreisen<br />

um die Kugel, die so den Lauf aller<br />

Gedanken bestimmt. Überall auf<br />

dem Erdball wurden in den letzten<br />

Wochen Siege, Niederlagen, Teams,<br />

Aufstellungen und Fehler diskutiert.<br />

Dagegen sind blutige Unruhen in<br />

Kirgisien eher Nebensache, auch<br />

wenn Russland einen Militäreinsatz<br />

in Erwägung zieht.<br />

Fußball lenkt ab. Aber er taugt<br />

nicht unbedingt als „Opium fürs<br />

Volk“. Das musste auch der „geliebte<br />

Führer“ Kim Jong-Il aus Nordkorea<br />

erleben, als sich das arme Land<br />

eine Liveübertragung des WM-<br />

Spiels gegen Portugal gönnte. Ab<br />

dem 0:4 soll der nordkoreanische<br />

Sprecher geschwiegen haben, bis<br />

zum bitteren 0:7, bevor die Übertragung<br />

kommentarlos beendet wurde.<br />

Die Chose schon zuvor zu unterbrechen,<br />

hätte die sonst herrschende<br />

Zensur offensichtlich gemacht. Dass<br />

die vom Führer direkt an den Trainer<br />

übermittelten taktischen Anweisungen<br />

eine große Weisheit in sich getragen<br />

hätten, konnte aber in Anbetracht<br />

der Live-Bilder nun auch wieder<br />

keiner behaupten.<br />

Es liegt tatsächlich eine Wahrheit<br />

auf dem Platz, die gar nicht so<br />

leicht zu manipulieren ist (außer von<br />

der Fifa natürlich). Weil die teilnehmenden<br />

Teams aus aller Welt demselben<br />

Regelwerk und sogar derselben<br />

Kleiderordnung (Trikot, Hose,<br />

Stutzen) unterworfen sind, hat es<br />

den Anschein eines fairen Kräftemessens<br />

der Kulturen. Dabei sollen<br />

originäre Mentalitäten der Völker in<br />

Wettstreit treten. Die kraftvollen<br />

Afrikaner, die beweglichen Asiaten,<br />

die verspielten Südamerikaner, die<br />

kollektivgläubigen Nordamerikaner,<br />

die neuseeländischen Haudegen,<br />

die bulligen Engländer, die gut organisierten<br />

Deutschen. In der Tat ist<br />

die jeweilige Art, Fußball zu spielen,<br />

mit Spurenelementen von gesellschaftlicher<br />

Herkunft versehen.<br />

Und dies gilt in diesen Tagen<br />

auch für den Umgang der Nationen<br />

und ihrer politischen Führung mit<br />

den Ergebnissen kickender Repräsentanten.<br />

Hier spiegelt sich die<br />

Welt, die ja stillzustehen scheint,<br />

über den Fußball wieder zurück in<br />

die Wahrnehmung. Etwa wenn Nigerias<br />

Präsident Goodluck Jonathan<br />

die Nationalmannschaft seines Landes<br />

nicht mehr auftreten lassen will.<br />

Oder wenn eine französische Sportministerin<br />

sich an den Ort der<br />

Schande begibt, sich sogar Sarkozy<br />

einschaltet und es eine staatstragende<br />

Anhörung geben soll. Umgekehrt<br />

zum französischen Tamtam<br />

machen es die Italiener so wie mit<br />

Berlusconi: Was nicht zu Strandgesprächen<br />

beiträgt, taugt auch nichts.<br />

Zur Rückkehr ihrer gescheiterten<br />

Kicker kam keiner an den Flugplatz.<br />

Den besonders trickreichen Doppelpass<br />

lieben die Spanier. Da man<br />

ganz ungewohnt gegen die Schweiz<br />

ein Spiel verlor, hat sich der Presseverband<br />

in Madrid zu dem hochtrabenden<br />

Vorwurf hinreißen lassen,<br />

dass Sara Carbonero gegen „arbeitsethische<br />

Grundsätze“ verstoßen habe.<br />

Die Journalistin (Foto) arbeitet<br />

für den spanischen Fernsehsender<br />

Telecinco, ist aber auch die Freundin<br />

von Iker Casillas, dem Nationalkeeper.<br />

Ach so, denkt man da gleich in<br />

deutscher Korrektheit – die Spanier<br />

wollen keine verfälschte Berichterstattung.<br />

Aber mitnichten: Der Vorwurf<br />

an Sara Carbonero lautete, dass<br />

sie beim Siegtor der Schweiz direkt<br />

hinter Casillas Tor stand und ihn so<br />

womöglich abgelenkt hat.<br />

Das sind Probleme, die Angela<br />

Merkel gerne mal hätte. Trotz ihrer<br />

adretten Jubler beim Sieg über Argentinien<br />

sind ihre Umfragewerte<br />

nach dem Wulff-Desaster im Keller.


Best of<br />

ZaS<br />

Juli<br />

2010<br />

f u s s B a l l - W M s p o r t 15<br />

WM 2010<br />

Am Vorbild gescheitert<br />

halbfinale. Joachim Löw war nach der Niederlage gegen Spanien gelassen, weil er ermessen konnte, dass<br />

sein junges Team ein deutlich besseres Turnier gespielt hatte als noch vor zwei Jahren. Die Tendenz stimmt.<br />

Von Michael Zäh<br />

Es ist kein Geheimnis, dass Joachim Löw nach<br />

der Finalniederlage bei der Europameisterschaft<br />

2008 den Plan hegte, sich den Fußball<br />

der Spanier zum Vorbild zu nehmen. Und es ist nicht<br />

übertrieben zu behaupten, dass der (noch) amtierende<br />

Bundestrainer nun zwei Jahre später bei der<br />

WM in Südafrika eine deutsche Mannschaft präsentierte,<br />

die in drei von sechs Partien genau jene<br />

dominanten und spielstarken Auftritte hinlegte, die<br />

dem Vorbild sehr nahe kamen und die es 2008 gar<br />

nicht gab. Die großartigen und torreichen Siege gegen<br />

Australien (4:0), England (4:1) und Argentinien<br />

(4:0) verleiteten so manchen Fan oder Medienbeobachter<br />

sogar dazu, das junge Team zu allem<br />

fähig zu halten. Doch im direkten Duell<br />

mit dem Vorbild zeigte sich, dass ein Hype<br />

aus sieben Wochen nicht mit der eingespielten<br />

Konstanz von Jahren mithalten<br />

kann. Gegen Spanien kam das Aus<br />

im Kampf um den Weltmeistertitel, weil<br />

die neu formierte Mannschaft von Joachim<br />

Löw noch nicht das Selbstbewusstsein<br />

von Xavi und Co. haben konnte. Denn dieses<br />

ist im Nationalteam wie auch im europäischen<br />

Spitzenklub Barcelona von Jahr zu Jahr und Woche<br />

zu Woche gewachsen. Wie lange dieser Weg<br />

war, zeigt sich auch daran, dass Spanien zum ersten<br />

Mal überhaupt im Finale einer Weltmeisterschaft<br />

steht.<br />

Joachim Löw selbst zeigte sich nach dem 0:1<br />

im Halbfinale gegen in fast allen Belangen überlegene<br />

Spanier auch entsprechend gelassen. Er<br />

hätte sich zwar wie alle deutschen Fans mehr Mut<br />

und mehr spielerische Akzente gewünscht. Aber<br />

er konnte den Unterschied zu 2008 erkennen, der<br />

eindeutig einen Fortschritt markierte. Nicht in dem<br />

einen Spiel, in dem sein Team chancenlos war wie<br />

damals, aber im Gesamtauftritt während des Turniers.<br />

Das Potenzial hatte sich gezeigt, die noch<br />

nicht gefestigte Siegermentalität der Multikulti-<br />

Ballkünstler in den Partien gegen Serbien, Ghana<br />

und eben Spanien auch. Das ist für einen wie Joachim<br />

Löw aber nur ein Ansporn, die nun kommenden<br />

Jahre zur Vollendung des neuen Stils zu<br />

nutzen. Denn die heute noch grünen Jungs seines<br />

Teams sind erst am Anfang ihrer fußballerischen<br />

Erfahrung, während Xavi, Iniesta und Co. den Zenit<br />

erreicht haben. Der Weg von Löw ist der richtige,<br />

auch wenn es keine Garantie gibt, dass etwa<br />

2014 in Brasilien wieder die Chance auf die Endspielteilnahme<br />

blüht. Doch auch das Vorbild musste<br />

lange warten, bis es sich mit seinem Fußball<br />

durchsetzte.<br />

Falls Joachim Löw bleibt. Die größte Vakanz<br />

liegt darin, dass der biedere Visionär den dann doch<br />

ungeliebten Verhaltensmustern des DFB den Rükken<br />

kehrt. Vielleicht gibt es für ihn ja auch ganz andere<br />

Herausforderungen als sich mit den Indiskretionen<br />

eines Theo Zwanziger auseinander zu setzen.<br />

Er hat den von ihm selbst oft als Traumjob<br />

bezeichneten Beruf. Aber er hat auch eben jene<br />

Visionen, die ihn mit Freunden zu einer, natürlich<br />

wohl organisierten Anden-Tour verleiten<br />

können. Ohne Löw jedenfalls würde das in<br />

Südafrika mit ersten Konturen ausgezeichnete<br />

Projekt des neuen deutschen Fußballs<br />

einen Rückschritt erleiden. Weil Sammer<br />

Schlager hört und Bushido ein Fremder<br />

bleibt, dem man zuallererst mal deutsche<br />

Tugenden beibringen muss.<br />

Philipp Lahm, der nunmal kleingewachsene<br />

neue Kapitän der deutschen Nationalmannschaft,<br />

hat nach dem 0:1 gegen Spanien<br />

bittere Tränen in den Augen gehabt. Es war natürlich<br />

sein gekränktes Ego, das sich da Bahnen<br />

brach. Aber im Spiel selbst waren keine Siegesimpulse<br />

von ihm ausgegangen wie etwa auf der<br />

Gegenseite von Xavi oder Iniesta, die ebenfalls<br />

kleinwüchsig, aber halt umso größere Fußballer<br />

sind. Lahm hält es lieber mit trotzigen Kampfansagen<br />

gegenüber dem verletzten Michael Ballack,<br />

dem er via Boulevardpresse ausrichten ließ, dass er<br />

die Kapitänsbinde nicht mehr hergeben wolle. Wer<br />

aber zur Unzeit, vor dem Halbfinale gegen Spanien,<br />

solche Ansagen macht, der sollte dann ein bisschen<br />

mehr bewegen als er dies tatsächlich tat. Oder er<br />

könnte auch einfach seine vorlaute Klappe halten.<br />

Keiner weiß, ob es mit Ballack noch optimaler<br />

gelaufen wäre, bei der WM in Südafrika. Aber jeder<br />

spürt, dass es zu früh ist, um zu prahlen. Und<br />

wenn einer wie Lahm vor lauter Gekränktheit vor<br />

laufenden Kameras sagt, dass ihm der dritte Platz<br />

am Samstag gegen Uruguay völlig schnuppe sei,<br />

immerhin als Kapitän der deutschen Mannschaft,<br />

dann ist das genau diese Unreife, die das Manko<br />

des fußballerischen Aufbruchs bezeichnet. Einer<br />

wie Xavi hätte wahrscheinlich gesagt, dass er um<br />

diesen dritten Platz kämpfen wolle. Aus Demut.


16<br />

l e B e n<br />

M e D i Z i n<br />

Best of<br />

ZaS<br />

August<br />

2010<br />

Gesund durch Stress. Wer reizvoll<br />

lebt, bleibt länger jung“,<br />

lautet der provokante Titel des<br />

Buches von Hans-Jürgen Richter und<br />

Peter Heilmeyer (Systemed Verlag).<br />

Der Mediziner Dr. Peter Heilmeyer ist<br />

Leitender Arzt der Reha-Klinik Überruh.<br />

Barbara Breitsprecher sprach mit<br />

ihm über Stress als Freund sowie Gesundheitspropbleme<br />

durch Schonung.<br />

Zeitung am Samstag: Für viele<br />

Menschen beginnen jetzt die Ferien,<br />

und sie freuen sich darauf, stressfrei<br />

zu entspannen. Und nun kommen Sie<br />

und propagieren den gesunden<br />

Stress!<br />

Peter Heilmeyer: Sie können nur<br />

erfolgreich entspannen, wenn Sie vorher<br />

Stress hatten. In der Ferienzeit<br />

können die Schäden, die der Stress angerichtet<br />

hat, wieder repariert werden.<br />

ZaS: Jetzt sagen Sie ja selbst, dass<br />

Stress Schäden anrichtet?<br />

Heilmeyer: Ja, aber er ist trotzdem<br />

nützlich. Unser Körper erneuert sich in<br />

unglaublichem Tempo. Die Art und<br />

Weise wie neue Zellen gebildet werden<br />

oder wie der Stoffaustausch<br />

funktioniert, hängt davon ab, wie<br />

groß die Belastung ist. Wenn man sich<br />

nicht belastet überaltern Zellen. Wir<br />

brauchen also die Belastung, um die<br />

Erneuerung anzuschieben.<br />

ZaS: Also ein Höchstmaß an Stress im<br />

Alltag und dann ein gründliches Ausspannen?<br />

Heilmeyer: Genau. Das richtige<br />

Wechselspiel zwischen Belastung, die<br />

auch Körperschädigung bedeutet, und<br />

Regeneration ist wichtig.<br />

Zas: Was passiert, wenn unser Körper<br />

dieses Wechselspiel nicht erfährt?<br />

Heilmeyer: Dann wird unser Körper<br />

schwach, und viele Teile werden nicht<br />

erneuert. Das kann man sehr gut an<br />

dem Experiment der Schwerelosigkeit<br />

sehen. Wenn Menschen von jeglicher<br />

körperlicher Arbeit befreit sind,<br />

kommt es zu sehr schnellem Abbau<br />

der Muskulatur, der Knochen und<br />

auch der inneren Organe. Die ersten<br />

Kosmonauten kamen nach 14 Tagen<br />

ohne Training und Körperbelastung in<br />

der Umlaufbahn total geschwächt auf<br />

die Erde zurück. Etwa 20 Prozent der<br />

Muskulatur waren bei ihnen verloren<br />

gegangen.<br />

ZaS: Nun heißt es aber, dass es Stress<br />

Foto: Systemed<br />

„Es gibt keinen<br />

schlechten Stress“<br />

Der Mediziner Peter Heilmeyer über heilsamen Stress,<br />

schädliches Schonen und das richtige Wechselspiel dazwischen.<br />

gibt, der auch Krankheiten verursachen<br />

kann, wie beispielsweise das<br />

Burnout-Syndrom.<br />

Heilmeyer: Es gibt keinen schlechten<br />

Stress per se. Jede Form von Stress<br />

kann nützlich sein, wenn eine entsprechende<br />

Regenerationsphase angeschlossen<br />

wird.<br />

ZaS: Viele Wissenschaftler teilen<br />

Stress aber inzwischen in den positiven<br />

Eustress und negativen Disstress<br />

auf.<br />

Heilmeyer: Es gibt nur ausreichend<br />

oder zu wenig Regeneration.<br />

ZaS: Wieviel Regeneration bedarf es<br />

denn bei wieviel Stress?<br />

Heilmeyer: Einzelne Systeme im<br />

Körper regenerieren sehr schnell, andere<br />

sehr langsam. Entsprechend<br />

hängt es von der Form und der Dauer<br />

des Stresses ab. Wenn man eine<br />

Stunde spazieren geht, was man<br />

sinnvollerweise jeden Tag machen<br />

kann, kommt die Regeneration über<br />

Nacht. Wenn man intensives Krafttraining<br />

an Geräten betreibt, braucht<br />

man mindestens zwei bis drei Tage<br />

Pause zwischen den Belastungen, damit<br />

der Körper sich wieder aufbauen<br />

kann.<br />

ZaS: Und wie sieht es mit psychischem,<br />

mit emotionalem Stress oder<br />

Arbeitsstress aus? Wären wir nicht<br />

besser ohne den dran?<br />

Heilmeyer: Nein, auch den brauchen<br />

wir. Angstneurosen gab es im KZ<br />

nicht. In einer Zeit, in der man abgesichert<br />

lebt, treten vermehrt Angstzustände<br />

auf. Psychosomatische Kliniken<br />

arbeiten zum Teil mit Hochseilgärten,<br />

um künstliche Angsterlebnisse<br />

zu erzeugen. Damit die Menschen die<br />

Bewältigung der Angst trainieren<br />

können.<br />

ZaS: Reicht denn ein großer Jahresurlaub,<br />

wenn der Alltag und der Beruf<br />

viel Stress bringen?<br />

Heilmeyer: Häufigere Unterbrechungen<br />

gerade bei anstrengenden<br />

Tätigkeiten sind wichtig. Wie diese<br />

Unterbrechungen dann aussehen, ist<br />

individuell verschieden.<br />

ZaS: Neue Untersuchungen an Mäusen<br />

zeigen, dass die Tiere in einem abwechslungsreichen<br />

Käfig, mit Aufgaben,<br />

die zu bewältigen sind, resistenter<br />

gegen Krebs waren als Mäuse in<br />

einem langweiligen Käfig ohne Aufgaben.<br />

Heilmeyer: Das ist genau so auf den<br />

Menschen übertragbar. Es gibt auch<br />

Untersuchungen zu körperlichem<br />

Training während einer Chemotherapie,<br />

die zeigen, dass es den Patienten<br />

dann besser geht und sie bessere Überlebenschancen<br />

haben.<br />

ZaS: Gilt das auch fürs Alter? Viele ältere<br />

Menschen sind mit Rollatoren<br />

oder Gehhilfen unterwegs.<br />

Heilmeyer: Wenn man diese Hilfsmittel<br />

einsetzt, obwohl es eigentlich<br />

noch anders ginge, führt das zum Verlust<br />

von Fähigkeiten. Das ganze Leben<br />

besteht ja im Ausprobieren was geht.<br />

Sobald man sich freiwillig in einem<br />

Bereich einschränkt, gehen die entsprechenden<br />

Fähigkeiten verloren,<br />

körperlich wie geistig. Wenn ich Fähigkeiten<br />

erhalten will, muss ich sie<br />

trainieren, und üben bedeutet Stress<br />

und Belastung.<br />

ZaS: Nun gibt es ja aber einen euphorisierenden<br />

und einen eher zermürbenden<br />

Stress.<br />

Heilmeyer: Zermürbender Stress ist<br />

Dauerstress, dem man nicht entkommen<br />

kann. Das kann krank machen<br />

weil die Regeneration fehlt. Euphorisierend<br />

ist ein kurzer, intensiver<br />

Stress, mit einer anschließenden Belohnung<br />

und Regenerationsphase.<br />

ZaS: Könnte man Ihrer Ansicht nach<br />

diese Erkenntnisse noch mehr in die<br />

moderne Medizin einbinden?<br />

Heilmeyer: Unbedingt. Bei akuten<br />

Krankheiten, beispielsweise einer<br />

Lungenentzündung, ist Schonung<br />

richtig. Aber bei chronischen Krankheiten<br />

bedeutet Schonung den Verlust<br />

von Fähigkeiten und damit Verschlechterung<br />

des Zustandes.<br />

ZaS: Glauben Sie, man kann Krankheiten<br />

durch diese Erkenntnise verhindern<br />

oder gar heilen?<br />

Heilmeyer: Sicher. Unsere Fähigkeiten,<br />

mit Schädigungen fertig zu werden,<br />

müssen wir ständig trainieren.<br />

Unser System hat sich im Laufe der<br />

Evolution unter ständigen Belastungen<br />

von außen entwickelt. Gleichzeitig<br />

ist unser System aber auch sehr<br />

ökonomisch. Es stellt nur bereit, was<br />

gebraucht wird.<br />

ZaS: Können Sie einem Büromenschen<br />

Tipps für die richtige Dosis<br />

Stress geben?<br />

Heilmeyer: Mindestens zehn Minuten<br />

am Tag Gymnastik, mindestens eine<br />

halbe Stunde täglich zu Fuß unterwegs<br />

sein und das Wochenende nutzen<br />

für Freizeitaktivitäten. Man sollte<br />

sich Hitze und Kälte aussetzen, auch<br />

diese Fähigkeiten wollen geübt sein.<br />

Sogar Radioaktivität in sehr kleinen<br />

Dosen kann nützlich sein. Die Reperaturmechanismen<br />

für die DNA werden<br />

dadurch angeregt. Auch hier gilt also,<br />

die Nulllösung ist nicht die beste.<br />

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Best of<br />

ZaS<br />

Sept<br />

2010<br />

r e c H t S D e r c D U P o l i t i k 17<br />

Bei der CDU setzt man sich mit<br />

massiver Kritik aus dem konservativen<br />

Lager der Partei<br />

auseinander. Angestoßen durch Erika<br />

Steinbach, Präsidentin des Bundes der<br />

Vertriebenen, ist sogar die Diskussion<br />

entfacht worden, dass eine neue Partei<br />

rechts von der CDU gute Chancen<br />

hätte, die Fünf-Prozent-Hürde zu<br />

überspringen. Michael Zäh sprach mit<br />

Professor Dr. Ulrich Eith über ein solches<br />

Szenario. Der Politikwissenschaftler<br />

der Uni Freiburg ist Direktor<br />

des Studienhaus Wiesneck, Institut<br />

für politische Bildung<br />

Baden-Württemberg und Geschäftsführer<br />

der Arbeitsgruppe Wahlen<br />

Freiburg.<br />

Zeitung am Samstag: Es ist die<br />

Idee entfacht worden, dass sich eine<br />

neue Partei rechts von der CDU<br />

gründen könnte. Was halten Sie von<br />

dieser Diskussion?<br />

Ulrich eith: Parteigründungen<br />

rechts von der CDU hat es ja schon in<br />

der Vergangenheit gegeben. Da war<br />

die Ausdehnung der CSU auf ganz<br />

Deutschland, oder auch die Republikaner<br />

oder die Schill-Partei.<br />

ZaS: Nun sollen es aber Politiker aus<br />

den eigenen Reihen der CDU sein, die<br />

sich in ihrer Partei nicht mehr heimisch<br />

fühlen und zumindest mit dem<br />

Gedanken spielen, dass eine neue<br />

Partei ihre Vorstellungen besser verwirklichen<br />

könnte.<br />

eith: Es ist zu beobachten, dass es<br />

deutliche Turbulenzen und massiven<br />

Unmut innerhalb der CDU gibt. Eine<br />

Gruppe wird jetzt herausgehoben, die<br />

sogenannten Konservativen. Aber<br />

schon wird es begrifflich unscharf.<br />

Konservativ heißt übersetzt bewahren,<br />

erhalten. Heißt das<br />

jetzt, dass unser System<br />

der Rentenfinanzierung<br />

bewahrt werden<br />

soll? Wenn man es<br />

auf Themen herunterbricht,<br />

wird nicht immer<br />

klar, was konservativ<br />

bedeuten soll. Für<br />

die CDU greift am ehesten<br />

die Definition,<br />

dass konservativer Politik das christliche<br />

Menschenbild zugrunde liegt.<br />

ZaS: Sie sehen also inhaltlich kein<br />

Thema, das eine Neugründung dann<br />

auch tragen könnte?<br />

eith: Bei Neugründungen hatten die<br />

Parteien immer ein ganz bestimmtes<br />

Sachthema, das sie nach vorne gebracht<br />

hat. Bei den Republikanern<br />

war es die Asylproblematik, bei der<br />

Schill-Partei ging es um die Sicherheit<br />

in öffentlichen Räumen, also law<br />

and order. Ein solches zugespitztes<br />

Thema sehe ich im Moment nicht.<br />

Und es fehlt darüber hinaus auch eine<br />

mehr oder minder charismatische<br />

Führungspersönlichkeit, die man für<br />

eine Neugründung bräuchte.<br />

Zas: Ist die Diskussion aufgekommen,<br />

weil die CDU sich unter Angela<br />

Merkel immer mehr in Richtung<br />

Mitte orientiert?<br />

eith: Beide großen Volksparteien haben<br />

eigentlich das gleiche Problem,<br />

dass ein von der Führung in Gang gesetzter<br />

Modernisierungsprozess bei<br />

traditionellen Wählergruppen nicht<br />

Foto: Systemed<br />

Für eine Neugründung<br />

braucht es ein<br />

eigenes Milieu<br />

oder ein Thema<br />

„Turbulenzen in der<br />

CDU werden sichtbar“<br />

Professor Dr. Ulrich eith über die unwahrscheinliche Gründung<br />

einer neuen Partei rechts von der CDU und Merkels Führungsstil<br />

die notwendige Zustimmung findet.<br />

Bei der SPD war das der Agenda-<br />

Kurs, also eine wirtschaftliche Modernisierung<br />

unter Schröder, die in<br />

den Medien und einer<br />

breiten Öffentlichkeit<br />

viel Zustimmung<br />

erlangte, aber<br />

bei den traditionellen<br />

SPD-Wählern<br />

gerade nicht.<br />

ZaS: Da kam es ja<br />

auch zur quasi Neugründung<br />

der „Linken“.<br />

eith: Ja, da stand die für diese Wählergruppe<br />

charismatische Figur Lafontaine<br />

zur Verfügung und der organisatorische<br />

Background der PDS.<br />

Hinzu kam, dass Lafontaine als früherer<br />

Parteivorsitzender und Minister<br />

genau jenen Teil der SPD hinter<br />

sich versammeln konnte, der in ihm<br />

den wahren SPD-Chef sah.<br />

ZaS: Ist die heutige Situation der<br />

CDU mit diesen Vorgängen bei der<br />

SPD vergleichbar?<br />

eith: Jedenfalls kann man auch hier<br />

einen von der Spitze ausgelösten Modernisierungskurs<br />

beobachten, beispielsweise<br />

in der Familienpolitik.<br />

Und wiederum sind es bestimmte traditionelle<br />

Wählergruppen, die diesen<br />

Kurs nicht mitgehen wollen. Für diese<br />

grenzt der Ausbau der Kinderbetreuung<br />

an eine Kulturrevolution,<br />

weil damit traditionelle Wertvorstellungen<br />

der Familie zur Disposition<br />

stehen. So hat der Kurs von Angela<br />

Merkel auf der einen Seite der CDU<br />

neue Wählergruppen ersclossen, eher<br />

jüngere Leute in städtischen Gebieten,<br />

wo man früher<br />

chancenlos war. Die<br />

andere Seite ist, dass<br />

traditionelle Wählergruppen<br />

sich in der<br />

CDU nicht mehr heimisch<br />

fühlen.<br />

ZaS: Wieso melden<br />

sich solche Gruppen<br />

erst jetzt unter der<br />

schwarz-gelben Koalition<br />

zu Wort?<br />

eith: Zu Zeiten der großen Koalition<br />

war es für Angela Merkel von der Regierungstechnik<br />

her gesehen einfacher.<br />

Man konnte die Traditionswähler<br />

ja immer damit beruhigen,<br />

dass man ihre Wünsche ja gerne umsetzen<br />

wolle, dies aber aufgrund des<br />

Koalitionspartners nicht könne. Aber<br />

dann hat die Wunschkoalition die<br />

Wahlen gewonnen. Und dadurch<br />

sind die Erwartungen gestiegen, die<br />

eigene Programatik möglichst unverfälscht<br />

durchzusetzen. Von Merkel<br />

wird mehr politische Führung,<br />

Diskussionsbereitschaft und Überzeugungskraft<br />

erwartet. Ihr Führungsstil<br />

der Moderation aus Zeiten<br />

der großen Koalition reicht nicht<br />

mehr aus.<br />

ZaS: Spielt beim momentanen Unmut<br />

nicht auch das Verhalten der<br />

FDP eine Rolle?<br />

eith: Es gibt Gründe, dass die<br />

schwarz-gelbe Regierung lange<br />

brauchte, um überhaupt in Tritt zu<br />

kommen. Viele strittige Themen sind<br />

im Koalitionsvertrag nicht exakt genug<br />

geregelt worden. Westerwelle hat<br />

in seine neue Rolle als Außenminister<br />

nie richtig reingefunden, und im<br />

Kanzleramt gab es Abstimmungsprobleme.<br />

ZaS: Sie glauben aber nicht, dass es<br />

zu einer Neugründung rechts von der<br />

CDU kommt?<br />

eith: Dazu braucht es entweder ein<br />

ganz eigenes Milieu, wie damals bei<br />

den Grünen. Oder zumindest ein polarisierendes<br />

Thema, wie es etwa die<br />

Linken mit der sozialen Gerechtigkeit<br />

haben. Ich sehe weder ein eigenständiges<br />

Milieu noch ein Thema, das eine<br />

Neugründung tragen würde. Zudem<br />

fehlt eine populäre Persönlichkeit,<br />

die eine Protesthaltung dann<br />

auch wirklich glaubhaft verkörpern<br />

kann.<br />

ZaS: Bleibt somit<br />

Frau Merkels Führungsanspruch<br />

völ-<br />

Frau, keine<br />

Kinder, aus<br />

lig unangefochten?<br />

eith: Zu Frau Merkel<br />

gibt es zur Zeit<br />

Ostdeutschland,<br />

keine Alternative.<br />

protestantisch - Dennoch ist sie als<br />

das ist suspekt<br />

Person den westdeutschen<br />

konservativen<br />

Kreisen schon<br />

immer suspekt. Diese Kreise tun sich<br />

sehr schwer mit den folgenden Eigenschaften:<br />

Frau, keine Kinder, aus<br />

Ostdeutschland, protestantisch.


18<br />

p O l i t i k<br />

at O m k r a f t<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Oktober<br />

2010<br />

Eine strahlende Zukunft<br />

Die schwarz-gelbe Regierung ist mit der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ihres konservativen Profils wieder<br />

habhaft geworden: Strauß und Kohl lassen grüßen. Das provoziert umso mehr Widerstand. Von Michael Zäh<br />

Nun hat also die CDU lange<br />

darum gerungen, wie sie<br />

ihres konservativen Profils<br />

wieder habhaft werden kann. Es war<br />

und ist ja schon die Rede von all den<br />

heimatlosen Politikern und Wählern,<br />

die womöglich eine Partei<br />

rechts von Merkel und Co. gründen<br />

könnten. Und jetzt, mit einem<br />

Schlag, ist die Tradition von Strauß<br />

über Filbinger und Kohl wieder zu<br />

ihrem Recht gekommen: Die<br />

schwarz-gelbe Regierung hat den<br />

Ausstieg aus dem Austieg von der<br />

Atomenergie beschlossen.<br />

Wenn nun also „konservativ“<br />

übersetzt „bewahren“ meint, dann<br />

wird hier etwas bewahrt, das über<br />

seine Zeit hinaus ist und noch während<br />

der neu vereinbarten Laufzeit<br />

marode zu werden droht. Dabei hatte<br />

Bundesumweltminister Norbert<br />

Röttgen (CDU) vor nicht allzu langer<br />

Zeit in einem Interview mit der<br />

Süddeutschen Zeitung noch erklärt,<br />

dass die Kernkraftwerke in Deutschland<br />

auf eine Laufzeit von 40 Jahren<br />

ausgelegt seien, und nicht für<br />

länger. Jetzt werden es bis zu 50<br />

Jahren und mehr sein.<br />

Und weil noch nie irgendwo auf<br />

der Welt ausprobiert wurde, was da<br />

alles passieren kann, sehen uns die<br />

Gegner der Atomkraftwerke schon<br />

am Rande des GAU. Allein schon<br />

der Versuch, überaltete Anlagen so<br />

lange zu betreiben, bis sie bersten,<br />

wird der Protestbewegung einen<br />

ungeheuren Aufwind geben. Denn<br />

das zuletzt von Wirtschaftsminister<br />

Brüderle (FDP) bemühte Märchen,<br />

dass Atomkraftwerke hierzulande<br />

zu den sichersten der Welt gehören<br />

sollen, glaubt längst keiner mehr.<br />

Wie der Stern schrieb, „ähneln diese<br />

in Wahrheit altersschwachen<br />

Autos ohne ABS, Airbag und ESP.<br />

Würden sie heute noch einmal so<br />

gebaut, der TÜV würde sie nicht zulassen“<br />

(stern, 23.9.2010). Es drohen<br />

Unfälle, die sich zu noch nie dagewesenen<br />

Katastrophen auswachsen<br />

können. Ganze Landstriche könnten<br />

unbewohnbar werden.<br />

Und es gibt keine wirklich<br />

nachvollziehbaren Gründe, warum<br />

ein solches Risiko eingegangen<br />

wird. Weder würde in Deutschland<br />

eine Versorgungslücke entstehen,<br />

wenn die Atomkraftwerke nach<br />

dem bisher bestehenden Ausstiegsplan<br />

vom Netz gingen (im Gegenteil<br />

haben sich die erneuerbaren<br />

Energien mit ungeheurer Dynamik<br />

besser entwickelt als ursprünglich<br />

geplant), noch eignet sich die<br />

Atomkraft als eine „Brückentechnologie“,<br />

da sie eindeutig die Entwicklung<br />

alternativer Techniken<br />

bremst. Tatsache ist, dass der Atomstrom<br />

die Netze verstopft und somit<br />

Investitionen lokaler Anbieter behindert.<br />

Schon jetzt werden Windkrafträder<br />

bei gutem Wind auf still<br />

gedreht, weil zu viel Strom durch<br />

die Atomkraftwerke da ist. Wie sollen<br />

dann die riesigen Windpark-<br />

Projekte in Nord- und Ostsee realisiert<br />

werden, die etwa die Leistung<br />

von 20 Atomkraftwerken ersetzen<br />

könnten, aber auch viel Geld kosten.<br />

Solange das Netz zu 80 Prozent<br />

vom Atomstrom ausgelastet<br />

ist, werden Investoren sich hier zurückhalten.<br />

Nun also noch weitere<br />

14 Jahre. Eine technisch weltweit<br />

führende deutsche Elite wird in einem<br />

Wachstumsmarkt ausgebremst.<br />

Das ist konservativ.<br />

Womöglich trifft dies auch auf<br />

das Zustandekommen des großen<br />

Deals zu. Es hat den Ruch von Käuflichkeit,<br />

wenn die großen Konzerne<br />

einige Milliarden von dem abgeben,<br />

was sie durch die Laufzeitverlängerung<br />

verdienen. Und nun<br />

womöglich bald einen Vertrag in<br />

der Tasche haben, der von einer<br />

späteren Regierung nicht ohne Einwilligung<br />

der Konzerne wieder<br />

kassiert werden kann. Schnaps ist<br />

Schnaps und Vertrag ist Vertrag.<br />

Der bisherige, der den Ausstieg festschrieb,<br />

konnte ja auch nur gekippt<br />

werden, weil beide Seiten (also auch<br />

die Bundesregierung) dies „einvernehmlich“<br />

beschlossen. Der Atomausstieg<br />

galt als unumkehrbar. Der<br />

Ausstieg vom Ausstieg wird es sein.<br />

Für 14 lange Jahre.<br />

Was einstmals in Wyhl seinen<br />

Anfang nahm, wird wohl nun seine<br />

Fortsetzung finden: Widerstand.<br />

Doch der ist nicht wie 1975 nur eine<br />

Bewegung, aus der später die<br />

Grünen hervorgingen. Er ist jetzt in<br />

der Mitte der Gesellschaft. Genau<br />

da, wo die CDU nicht mehr ist.


Best of<br />

ZaS<br />

Oktober<br />

2010<br />

r O c k - l e g e n d e k u l t u r 19<br />

Die kraftvolle Ruhe<br />

nach dem Sturm<br />

Gut sieht er aus. Das Gesicht,<br />

das einst von Alkohol- und<br />

Drogenexzessen gezeichnet<br />

war, wirkt entspannt. Joe Cocker ist<br />

wieder da. Obwohl: Richtig weg war er<br />

nie, seit über 40 Jahren ist er im Musikgeschäft.<br />

Der 66-Jährige geht wieder<br />

auf Tournee, kommt auch nach<br />

Freiburg, und gerade ist seine neue CD<br />

„Hard Knocks“ erschienen.<br />

Der legendäre Sänger mit der markanten,<br />

unverwechselbaren Stimme<br />

hat sich einem gewissen Relaunch<br />

unterzogen, ohne sich indessen auch<br />

nur im geringsten zu verbiegen oder<br />

seine Persönlichkeit zu verraten.<br />

Weiterhin trägt er seine Jeans hochgeschnitten,<br />

über dem Gürtel wölbt<br />

sich der Bauch. Seine Songs knurren<br />

wie eh und je, da ist Cockers berühmt-berüchtigte<br />

Stimme, die aus<br />

der Tiefe kommen kann, dann kurze<br />

Momente sanft zu schweben scheint,<br />

um gleich darauf ins Tiefe, Kraftvolle<br />

herunter- und auszubrechen.<br />

Für diese Stimme tut er nichts:<br />

„Nichts zu tun ist das Beste. Als ich<br />

jünger war, habe ich 40 Zigaretten<br />

am Tag geraucht. Vor 20 Jahren habe<br />

ich dann zu rauchen aufgehört.“<br />

Für seine Songs hat er dagegen einiges<br />

getan. So hat er sich für seine<br />

neue CD einen Produzenten gesucht<br />

und in Matt Serletic gefunden, der<br />

ihm eine modernere Richtung geben<br />

würde, „ohne dabei zu verrückt-modern<br />

zu werden“. Auch seine Plattenfirma<br />

Sony hatte Cocker Mut gemacht,<br />

sich wieder auf kraftvollere<br />

Songs zu besinnen.<br />

Vom Ergebnis ist Joe Cocker sehr<br />

angetan: „Es war eine richtig gute Zusammenarbeit.<br />

Ein bisschen anders<br />

als sonst.“ Neu ist auch die Auswahl<br />

der Songs. Auf dem Album „Hard<br />

Knocks“ gibt es nur eine einzige Coverversion,<br />

alles andere sind Songs,<br />

die Cocker geschrieben hat oder die<br />

speziell für ihn geschrieben wurden.<br />

Ungwöhnlich für jemanden, dessen<br />

größte Hits nahezu alle keine Originale<br />

aus eigener Feder waren, wie<br />

„With a Little Help of my Friends“<br />

(Beatles) oder „You Can Leave Your<br />

Hat On“ (Randy Newman).<br />

Neben Powersongs haben auf<br />

„Hard Knocks“ aber auch eine<br />

schwere, gefühlvolle Ballade und ein<br />

Gospelsong ihren Platz gefunden.<br />

Ebenso hat eine Reise nach Nashville<br />

zu namhaften Country-Sängern<br />

bei Cocker einen Einfluss hinterlassen.<br />

Cocker hofft mit seinen neuen<br />

Songs auch wieder im Radio gespielt<br />

Joe cocker kommt nach Freiburg<br />

und bringt seine neue CD „Hard Knocks“ mit.<br />

40 Jahre Musikgeschäft und harte Schläge haben<br />

ihn nicht in die Knie zwingen können.<br />

Von Barbara Breitsprecher<br />

zu werden, „da war ich eine ganze<br />

Weile nicht mehr zu hören.“ Und er<br />

freut sich auf die Tour im Oktober, die<br />

ihn am Sonntag, 31. Oktober auch<br />

nach Freiburg in die Rothaus Arena<br />

bringen wird. „Ich habe meine Fans<br />

schon länger nicht mehr gesehen“,<br />

sagt er mit feinem Lächeln.<br />

„Hard Knocks“, das sind übersetzt<br />

„harte Schläge“. Ein bezeichnender<br />

Titel. Auch Joe Cocker hat<br />

solche einstecken müssen. Nach seinem<br />

Himmelsstürmer-Start auf dem<br />

legendären Woodstock-Konzert<br />

1969, wo der gelernte Gasinstallateur<br />

sich auch durch seine epileptisch anmutenden<br />

Zuckungen auf der Bühne<br />

unvergesslich machte, fing Cocker<br />

an, sich mit Drogen vollzupumpen<br />

und soff sich fast zu Tode. Schon<br />

bald war er kaum mehr in der Lage,<br />

in einem Studio Songs aufzunehmen,<br />

die Verkaufszahlen für seine<br />

Alben liefen nur noch schleppend.<br />

Um sich finanziell überhaupt<br />

über Wasser halten zu können, war<br />

Joe Cocker damals pausenlos auf<br />

Tour, wo er verschwitzt und ausgelaugt<br />

auf den Bühnen stand. Erst in<br />

den 80er Jahren ging es wieder bergauf.<br />

Etliche Hits sowie Aufträge für<br />

Film-Titelsongs folgten. Für „Up<br />

Where We Belong“, den Song des<br />

Films „Ein Offizier und Gentleman“,<br />

erhielt Cocker schließlich einen<br />

Oscar.<br />

1987 heiratete der Brite die<br />

Amerikanerin Pam Baker, eine Erzieherin.<br />

Beide wohnen zusammen<br />

in den Bergen von Colorado in den<br />

USA, auf der abgeschiedenen „Mad<br />

Dog Ranch“. Hier hat er seinen Frieden<br />

gefunden, und weiß doch: „Ich<br />

habe wahrscheinlich mehr Zeit auf<br />

der Straße verbracht, als dass ich erzogen<br />

oder ausgebildet worden wäre.“<br />

Dabei würde es ihm nie einfallen,<br />

seine Staatsbürgerschaft aufzugeben<br />

und die der USA anzunehmen. Dafür<br />

ist er durch und durch zu britisch.<br />

In seiner Wahlheimat ist er ein „resident<br />

alien“, ein Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung.<br />

Die englische<br />

Queen hat ihm diese Treue gedankt:<br />

2007 wurde Joe Cocker von Elizabeth<br />

II. zum „Officer of the Order of the<br />

British Empire“ (OBE) ernannt.<br />

n Joe Cocker, „Hard Knocks“-Tour,<br />

Sonntag, 31. Oktober, 20 Uhr, Freiburg,<br />

Rothaus Arena, Tickets: Tel.<br />

07531/908844 oder www.koko.de<br />

n Joe Cocker bei „Wetten, dass…?“,<br />

ZDF, Samstag, 2. Oktober, 20.15 Uhr


Best of<br />

ZaS<br />

Oktober<br />

2010<br />

I n t e g r at I O n p O l I t I k 21<br />

Alarmsignale für die Politik<br />

Eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung belegt, dass Ausländerfeindlichkeit in Deutschland erheblich zunimmt.<br />

Die populistischen Ansätze von Sarrazin, Seehofer und Kristina Schröder helfen da nicht wirklich weiter. Von Michael Zäh<br />

Die Lage ist ernst. Wie eine<br />

jetzt in Berlin vorgestellte<br />

Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

ergab, hat die<br />

Ausländerfeindlichkeit in Deutschland<br />

erheblich zugenommen. Gut<br />

ein Viertel der Bevölkerung schließt<br />

sich fremdenfeindlichen Aussagen<br />

an und mehr als 30 Prozent stimmen<br />

der Einschätzung zu, dass Ausländer<br />

nur kämen, um den Sozialstaat auszunutzen.<br />

Ebensoviele meinen, man<br />

„solle die Ausländer wieder nach<br />

Hause schicken.“ Die Feindseligkeit<br />

gegenüber dem Islam ist besonders<br />

ausgeprägt, wie die Studie belegt.<br />

Mehr als jeder Zehnte sehnt sich sogar<br />

nach einem „Führer“, der<br />

„Deutschland zum Wohle aller mit<br />

harter Hand regiert.“<br />

Die Autoren der Studie werteten<br />

die Ergenisse als „Alarmsignal<br />

für Politik und Gesellschaft.“ Es bestehe<br />

die Gefahr, dass Rechtspopulisten<br />

versuchen, aus der Situation<br />

„politisch Kapital zu schlagen“, warnen<br />

die Wissenschaftler. Da ist es<br />

nicht wirklich ein Trost, dass es besonders<br />

Ungebildete und Alte seien,<br />

die für Ausländerfeindlichkeit anfällig<br />

sind.<br />

CSU-Chef Horst Seehofer hat ja<br />

bereits kräftig in die populistische<br />

Kerbe gehauen, als er kürzlich einen<br />

Zuwanderungsstopp „aus anderen<br />

Kulturkreisen“ forderte. Und zwar<br />

wohl wissend, falls er nicht zu den<br />

Ungebildeten und Alten gehört,<br />

dass derzeit mehr Leute aus<br />

Deutschland auswandern als umgekehrt.<br />

Und zwar auch türkische Mitbürger.<br />

Auch die Familienministerin<br />

Kristina Schröder hatte dazu eine<br />

feinsinnige Idee, als sie in einem Interview<br />

in der FAS das Pferd von der<br />

falschen Seite aufzäumte, indem sie<br />

kundgab, dass es schließlich auch<br />

„Deutschenfeindlichkeit“ gebe und<br />

man sie selbst mitunter als „deutsche<br />

Schlampe“ beschimpft habe. Da<br />

müsse man, na klar, die „Rechtslage<br />

überdenken.“ Schröder im O-Ton:<br />

„Fremdenfeindlichkeit geht häufig<br />

einher mit den sogenannten legitimierenden<br />

Männlichkeitsnormen.<br />

Und die finden wir überproportional<br />

bei türkisch- und arabischstämmigen<br />

Jugendlichen.“ Na hoppla, das<br />

nennen wir echte Integrationspolitik,<br />

so ganz ohne Vorurteile.<br />

Mesut Özil darf sich freuen,<br />

nach Spanien ausgewandert zu<br />

sein. Der gehypte Vorzeigemensch<br />

für gelungene Integration, der Frau<br />

Merkel bei jeder Gelegenheit die<br />

Hand schütteln muss, gäbe ja tatsächlich<br />

ein gutes Beispiel ab, wie es<br />

laufen könnte. Wenn man die Vorurteile<br />

mal beiseite ließe (wie steht<br />

es mit der Männlichkeitsnorm von<br />

Özil?) und den Tatsachen ins Auge<br />

sehen würde. Der heutige Star hat<br />

nur einen Bolzplatz, einen Ball und<br />

ein paar kickende Kollegen in Gelsenkirchen<br />

gebraucht, um sich zur<br />

Hoffnung der deutschen Nationalelf<br />

zu mausern. Wie wäre es wohl um<br />

sein Leben in Deutschland bestellt,<br />

wenn er nicht so gut kicken könnte?<br />

Dann würde ihm Sarrazin garantiert<br />

an die Gene und deren<br />

Brauchbarkeit gehen.<br />

Andere nette Jungs, die wie Özil<br />

den Erfolg suchen, brauchen etwas<br />

mehr Unterstützung, um nicht minder<br />

wertvoll zu sein. Da wären Bildungsangebote,<br />

Respekt und vorurteilslose<br />

Freiheiten, sagen wir im offensiven<br />

Mittelfeld, um auf anderen<br />

Feldern einen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

Deutschlands zu<br />

bringen. Denn die Wahrheit ist doch,<br />

dass in den nächsten Jahrzehnten<br />

der Wohlstand des Landes auch davon<br />

abhängt, dass Integration und<br />

eine Vielfalt der Kulturen gelingt.<br />

Nicht nur auf dem Sportplatz, sondern<br />

überall. Wullf, der Bundespräsident,<br />

hat das zart ins Auge gefasst.


22<br />

p o l i T i k<br />

r e p o r Ta g e<br />

Best of<br />

ZaS<br />

November<br />

2010<br />

Foto: B. Breitsprecher<br />

Der Chinese<br />

chinesisch-französisches Treffen in Nizza. Scharfschützen<br />

auf dem Dach des Hotel Negresco, eine einsame<br />

chinesische Fahne an der Promenade, abgesperrte<br />

Straßen und tausende bis an die Zähne bewaffneter Polizisten:<br />

Die Stadt an der Côte d’Azur wird zum Treffpunkt<br />

des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy mit<br />

dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao.<br />

Von Barbara Breitsprecher<br />

Mesdames, Messieurs“, gewohnt<br />

höflich aber bestimmt<br />

schiebt sich die Reihe<br />

der Polizisten unbarmherzig vorwärts<br />

und fordert die Menschen auf,<br />

ihr Plätze zu räumen. Die machen das<br />

nicht gerne, denn hier an der Promenade<br />

von Nizza sitzt es sich gut auf<br />

weißen Bänken und blauen Stühlen, in<br />

der Sonne, mit Blick auf das glitzernde<br />

Meer. Hier sitzen immerzu, tagtäglich<br />

Menschen einmütig nebeneinander,<br />

lesen, telefonieren, plaudern oder<br />

sinnieren hinter großen Sonnenbrillen.<br />

Aber nicht heute. Denn „der Chinese“<br />

kommt.<br />

Gemeint ist Hu Jintao, der chinesische<br />

Präsident, den die US-Zeitschrift<br />

Forbes gerade zum mächtigsten<br />

Mann der Welt erkoren hat. Für ihn<br />

wird die Promenade des Anglais mit<br />

Gittern abgesperrt, positionieren sich<br />

endlose Reihen von martialisch gekleideten<br />

Polizisten und lassen von<br />

nun an weder Fußgänger noch Autos<br />

durch.<br />

Lange hat der französische<br />

Staatschef Nicolas Sarkozy gebraucht,<br />

um an frühere Kontakte mit<br />

China anzuknüpfen, nachdem er<br />

sich vor zwei Jahren mit seiner Sympathiebekundung<br />

für den Dalai Lama<br />

bei der chinesischen Führung in<br />

Misskredit gebracht hatte. Aber was<br />

heißt schon lange, was sind schon<br />

zwei Jahre, wenn die gefühlvolle<br />

französische Diplomatiemassage<br />

letztlich einen solchen Erfolg hervorbringt:<br />

Verträge, die Frankreich<br />

über 14 Milliarden Euro in die Kassen<br />

spülen. Dazu gehören: 102 verkaufte<br />

Airbus-Flugzeuge, Aufträge<br />

für eine Wiederaufbereitungsanlage<br />

wie in La Hague, die der Atomkonzern<br />

Areva in China bauen wird sowie<br />

über 20 000 Tonnen Uran, die an<br />

China geliefert werden, außerdem<br />

wird Total eine petrochemische Fabrik<br />

in China bauen.<br />

Drei Bedingungen hatte der chinesische<br />

Präsident vor seiner Anreise<br />

gestellt: 1. keine Pressekonferenz,<br />

2. die Menschenrechte dürfen kein<br />

Thema sein und 3. möchte er außerdem<br />

nach Nizza. Nizza? Sarkozy hatte<br />

geplant seinem Gast das prächtige<br />

Versailles zu zeigen. Aber nein, Hu<br />

Jintao besteht auf der Côte d’Azur.<br />

Also wird die Königssuite im legendären<br />

Hotel Negresco vorbereitet, ein<br />

neuer roter Teppich ausgelegt und<br />

emsig gebürstet, und die Portiers<br />

müssen zu ihrer ohnehin schon ein<br />

wenig lächerlichen, bunten Knickerbocker-Uniform<br />

noch einen Federbüschel<br />

auf dem Kopf tragen.<br />

Während einige ältere Damen am<br />

Rande der Absperrung erregt auf geduldig-wohlerzogene<br />

Polizisten einreden,<br />

läuft unten am Strand das Leben<br />

des Südens weiter, als sei nichts<br />

passiert. In den Cafés werden die ersten<br />

Aperitifs serviert, einige Entschlossene<br />

baden, etliche liegen auf<br />

den Steinen in der Sonne. Wären da<br />

nicht die Scharfschützen, die sich auf<br />

dem Dach des Hotels positioniert hätten<br />

sowie die plötzlich verdächtig<br />

leicht geöffneten Läden an der Balkontüre<br />

der leeren Wohnung im Haus<br />

nebenan, dort wo das Schild „A vendre“<br />

hängt.<br />

An einem der geöffneten Fenster<br />

des Hotel Negresco taucht eine elegante<br />

Chinesin in knallrotem Kleid<br />

auf. Hoch über dem nicht enden wollenden<br />

Aufgebot an schwarzen Polizisten<br />

erteilt sie per Telefon letzte Anweisungen.<br />

Kurz darauf werden ein<br />

knappes Dutzend junger chinesischer<br />

Frauen und Männer durch die Absperrung<br />

gelassen. Sie dürfen als einzige<br />

„Passanten“ gegenüber dem<br />

Hotel den chinesischen Präsidenten<br />

ganz nah erwarten. Die Claqueure<br />

entrollen brav chinesische Flaggen.<br />

Wenn am Abend in den Nachrichten<br />

zunächst das winkende Paar<br />

Hu Jintao und Nicolas Sarkozy zu sehen<br />

ist und die Kamera dann zu den<br />

aufgeregten Menschen hinüberschwenkt,<br />

dann wird der Fernsehzuschauer<br />

im engen Fokus des Ausschnitts<br />

nicht erkennen können, dass<br />

es sich hier nur um das ausgewählte<br />

Grüppchen von bezahlten chinesischen<br />

Funktionärsanwärtern handelt,<br />

die da freudig winken.<br />

geheimdienst auf Journalisten gehetzt?<br />

N i c o l a s s a r k o z y i N B e d r ä N g N i s<br />

Wozu soll ein Geheimdienst gut sein, wenn<br />

nicht eben dafür, Dinge geheim zu regeln? So<br />

mag sich das Frankreichs Präsident Nicolas<br />

Sarkozy denken, der auf seltsame Diebstähle bei<br />

Journalisten angesprochen, meinte: „Ich sehe<br />

nicht, was mich das angeht.“<br />

Doch ganz so sicher kann sich da Sarkozy inzwischen<br />

nicht mehr sein, weil fast alle Franzosen<br />

glauben, was die Zeitung „Le Canard enchaîné“,<br />

bekannt für ihre Enthüllungsgeschichten, in der<br />

Woche vor dem hohen Besuch aus China berichtete:<br />

Der Präsident persönlich hetze den Geheimdienst<br />

auf Journalisten, die ihm unangenehme<br />

Recherchen betreiben. Dem Chef des<br />

französischen Inlandsgeheimdienstes, Bernard<br />

Squarcini, seien solche Anliegen des Nicolas<br />

Sarkozy zwar lästig, weil er genug mit der Terrorabwehr<br />

zu tun habe, doch er gehorche und<br />

habe sogar eine Sondereinheit geschaffen, um<br />

Journalisten zu bespitzeln, schreibt die Zeitung.<br />

Und dabei beruft sich „Le Canard“ auf Quellen<br />

aus Geheimdienst-Kreisen, natürlich ohne die<br />

Identität der geheimen Mitarbeiter preis zu<br />

geben. Das wiederum könnte den Geheimdienst<br />

veranlassen, nach den geheimen Informanten<br />

aus den eigenen Reihen zu<br />

fahnden. Jedenfalls ist nicht mehr geheim,<br />

dass mehreren Journalisten, die im „Falle Bettencourt“<br />

recherchierten, von unbekannten Einbrechern<br />

ihre Laptops geklaut wurden, auf denen<br />

sie geheime Informationen gespeichert hatten.<br />

Liliane Bettencourt, die reichste Frau<br />

Frankreichs, soll Sarkozy mit illegalen Spenden<br />

unterstützt und dafür Steuervorteile erhalten<br />

haben. Der Pariser Star-Anwalt Olivier Metzner<br />

hat nun öffentlich die Frage gestellt: „Ist es in<br />

unserer Demokratie akzeptabel, Geheimagenten<br />

loszuschicken, um die Computer von Journalisten<br />

zu stehlen?“<br />

miz


Best of<br />

ZaS<br />

November<br />

2010<br />

r e p o r Ta g e p o l i T i k 23<br />

Eine Fabrikbesichtigung etwas<br />

außerhalb von Nizza steht auf dem<br />

Tagesprogramm. Hu Jintao wird die<br />

neue Hybrid-Technologie von Peugeot<br />

Citroën präsentiert. Das wird<br />

ihm gefallen, denn zum Bau eines<br />

Hybridmotors sind spezielle Rohstoffe<br />

wie Neodym, Praseodym, Dysprosium<br />

und Terbium nötig. Diese sogenannten<br />

Seltenen Erden gibt es nahezu<br />

ausschließlich in China, und<br />

dort in großen Mengen. Da Seltene<br />

Erden auch zum Bau von Solarzellen,<br />

Touch-Screens und Lithium-Ionen-<br />

Batterien notwendig sind, kann China<br />

die Geschäftsbedingungen hier<br />

weitgehend diktieren.<br />

Abends in Nizza ist Essengehen<br />

in dem kleinen Edelrestaurant „La Petite<br />

Maison“ in der Rue St. François<br />

de Paule angesagt. Dafür wird dann<br />

auch die halbe Altstadt abgesperrt,<br />

werden die letzten verbliebenen Autos<br />

abgeschleppt und Motorroller geknackt.<br />

Das Restaurant ist eine Empfehlung<br />

des Bürgermeisters von Nizza,<br />

Christian Estrosi, der gleichzeitig<br />

auch der Industrieminister Frankreichs<br />

und ein persönlicher Freund<br />

Sarkozys ist. Der französische Staatspräsident<br />

nutzt den Moment, da er<br />

auf seinen Gast wartet, und beantwortet<br />

Journalisten vor dem Restaurant<br />

einige Fragen. Nein, Tabus gebe<br />

es nicht, versichert er. Sein Freund<br />

Estrosi im Hintergrund lächelt wissend.<br />

Am nächsten Tag ist in französischen<br />

Zeitungen zu lesen, dass Sarkozy<br />

eine franko-chinesische „Front“<br />

vorschwebt, durchaus auch gegen die<br />

USA.<br />

Das Essen dauert exakt eine<br />

Stunde. Die Kritik der Wirtin ist nicht<br />

zu überhören, als sie erzählt, wie würdevoll<br />

gelassen der chinesische Präsident<br />

gegessen, während Sarkozy in<br />

offensichtlicher Eile hektisch seine<br />

Mahlzeit hinunter geschlungen habe.<br />

Die Straßen von Nizza sind an<br />

diesem Abend und auch am folgenden<br />

Tag nicht wieder zu erkennen.<br />

Selbst auf den abends sonst so belebten<br />

Plätzen, in einem der gut besuchten<br />

Straßencafés, weit weg von<br />

Sarkozy und seinem Gast, beschleicht<br />

einen das Gefühl, hier stimmt etwas<br />

nicht. An jeder Ecke große Polizeibusse,<br />

alle blauen Mietfahrräder, die<br />

vélos bleus, wurden entfernt, an den<br />

leeren Radständern lehnen wachsame<br />

Polizisten. Der Gedanke an eine<br />

mögliche Bombendrohung schleicht<br />

sich ins Gehirn. Wie gefährdet sind<br />

hu Jintao und Nicolas sarkozy sind zufrieden: Der Chinese war in<br />

Nizza und bekommt Uran sowie Flugzeuge, der Franzose jede Menge Geld.<br />

Nizza, seine Bewohner und seine Besucher<br />

an diesen Tagen? Der Wein am<br />

kleinen Bistrotischchen will plötzlich<br />

nicht mehr so recht schmecken.<br />

Auf dem Weg zurück in die Unterkunft<br />

in der Nähe des Negresco,<br />

werden die letzten hundert Meter zu<br />

einem gespenstisch-futuristischen<br />

Trip. Dort wo sich normalerweise in<br />

engen Straßen Auto an Auto reihen,<br />

Als einzige Zivilisten<br />

unterwegs auf einem<br />

Polizeiplaneten in<br />

einer abgesperrten<br />

Straße von Nizza<br />

stehen jetzt riesige Polizeitransporter.<br />

Alles ist abgesperrt, kein Durchgang<br />

mehr für Passanten. In den großen<br />

Einsatzfahrzeugen sitzen schwarz<br />

uniformierte, bis an die Zähne bewaffnete<br />

Einsatzkräfte und warten<br />

auf weitere Befehle. Jeder, der durch<br />

die Absperrung hindurch will, wird<br />

kritisch befragt, der Ausweis muss<br />

vorgezeigt, die Hausnummer genannt<br />

werden. Dann begleiten zwei<br />

Uniformierte uns Heimkehrer durch<br />

diesen fremden Polizeiplaneten, zu<br />

dem die kleine Straße geworden ist,<br />

auf dem wir die einzigen Zivilisten<br />

sind, jeder Schritt argwöhnisch verfolgt<br />

von hundert Paar Augen. Bis zur<br />

Haustüre, bis aufgeschlossen wurde,<br />

erst dann lassen sie uns Gehen. Tiefes<br />

Durchatmen im Innern des Hauses.<br />

Und gleichzeitig die halb belustigte,<br />

halb bange Frage, wieviel Polizisten<br />

wohl vor uns hier waren und<br />

die Räume durchkämmt und Computer<br />

gefilzt haben?<br />

Auch am nächsten Tag noch keine<br />

Entwarnung. Aber die Polizisten<br />

wirken entspannter als am Abend<br />

zuvor. Sogar ein kleiner Plausch vom<br />

Fenstersims aus ist möglich. Der nette<br />

Polizist mag die Berge viel mehr<br />

als das Meer, ist das zu glauben? Eigentlich,<br />

so verrät er, sei geplant gewesen,<br />

dass der chinesische Präsident<br />

um elf Uhr wieder abfliegt, nach<br />

Lissabon. Aber es scheint dem Chinesen<br />

hier zu gefallen, es ist Mittagszeit<br />

und Hu Jintao ist immer<br />

noch in Nizza. Die Polizisten bekommen<br />

ihr Mittagessen<br />

geliefert, als Dessert<br />

gibt es Bananen. Die armen<br />

Portugiesen müssen<br />

warten, die Niçoise, die Polizisten<br />

und wir auch. Die Arbeiter der<br />

Stadtverwaltung kommen und räumen<br />

die Gitter weg, ihnen ist egal ob<br />

der Präsident noch da ist, elf Uhr war<br />

abgemacht. Da müssen sich sogar<br />

die Polizisten beugen, die nun mit ihren<br />

Körpern die Straßen weiter absperren.<br />

Und dann ist er doch plötzlich<br />

weg, der Chinese. Ein einziges<br />

Kommando und die Straßen sind wie<br />

leergefegt. Aber nur für wenige Minuten,<br />

dann sieht alles aus wie immer<br />

in Nizza: Stoßstange an Stoßstange<br />

reihen sich die Autos in den<br />

Nebenstraßen, auf der Promenade<br />

joggen und flanieren die Menschen<br />

und blinzeln in die Sonne, wo hoch<br />

über ihren Köpfen gerade ein Flugzeug<br />

nach Portugal fliegt.<br />

c h i N a u N T e r h u J i N T a o<br />

die drei gesichter: geschickt,<br />

rabiat und achtungslos<br />

Manche Probleme, wie sie Frankreich<br />

beispielsweise wegen Geheimdienstaktivitäten<br />

gegen Journalisten<br />

oder mit Streiks wegen einer längeren<br />

Lebensarbeitszeit hat, kennt die<br />

chinesische Führung gar nicht. Der<br />

Geheimdienst ist sowieso immer<br />

und überall aktiv, unliebsame Journalisten<br />

dagegen ohnehin nie lange.<br />

Und schuften müssen chinesische<br />

Arbeiter sowieso bis ans Ende ihrer<br />

Kräfte – oder bis sie krank werden.<br />

Wie beispielsweise die Minenarbeiter,<br />

die ohne Schutzmaßnahmen die<br />

weltweit begehrten Seltenen Erden<br />

fördern und dabei giftigen Staub<br />

einatmen. Sie waschen die geförderte<br />

Erde und kommen dabei mit<br />

gefährlichen chemischen und radioaktiven<br />

Stoffen in Berührung. Das<br />

Abwasser wird ungefiltert in Seen<br />

und Flüsse geleitet, vergiftet die<br />

Reisfelder und die Menschen, die<br />

dort leben.<br />

Wenn es darauf ankommt, beweist<br />

die chinesische Führung in diplomatischen<br />

Geschäften immer wieder<br />

ein gutes Händchen. Kleine Deals<br />

wie die mit Sarkozy eben geschlossenen<br />

Verträge gehören ebenso<br />

dazu wie die ganz großen Würfe.<br />

Zum Beispiel in Afrika.<br />

Auch dort liegen tief in<br />

der Erde wertvolle Ressourcen, wie<br />

Erdöl, Gas und Erze. Statt sich nun<br />

wie die USA militärisch den Handelsweg<br />

mit den Rohstoffen freizuschießen<br />

und sich damit viele andere<br />

Probleme aufzuhalsen, gehen die<br />

Chinsesen einen wesentlich geschickteren<br />

Weg. Sie bauen den<br />

afrikanischen Ländern wie Sudan,<br />

Nigeria, Südafrika, Angola, Nigeria<br />

und Ägypten, darunter also auch sogenannten<br />

„Schurkenstaaten“, Flughäfen<br />

und Straßen, gewähren Militärhilfe<br />

und Schuldenerlass. Im Gegenzug<br />

bekommt China die Schürfrechte<br />

für die Bodenschätze. Der<br />

politischen Führung der afrikanischen<br />

Länder gefällt der Deal: China<br />

mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten<br />

ein, und es hat keine<br />

koloniale Vergangenheit in Afrika,<br />

die das Verhältnis beschweren<br />

könnte. Zudem ist der afrikanischen<br />

Elite das Thema Entwicklungshilfe<br />

und Armutsbekämpfung nie so<br />

wichtig gewesen wie die wirtschaftliche<br />

Entwicklung und der Infrastrukturausbau<br />

im eigenen Land.<br />

Chinas Staatschef Hu Jintao gilt als<br />

der mächtigste Mann der Welt. Und<br />

das nicht nur, weil er mehr Menschen<br />

regiert als jeder andere auf<br />

der Erde, nämlich 1,3 Milliarden<br />

Chinesen, ein Fünftel der Menschheit.<br />

„Im Gegensatz zu seinen westlichen<br />

Amtskollegen kann Hu Flüsse<br />

umleiten, Städte bauen,<br />

Kritiker<br />

einsperren und<br />

das Internet zensieren,<br />

ohne von nervtötenden<br />

Bürokraten oder Gerichten<br />

aufgehalten zu werden“, argumentiert<br />

das US-Magazin Forbes, das<br />

traditionell das Ranking betreibt.<br />

China hat auch wirtschaftlich aufgeholt,<br />

hat Japan hinter sich gelassen<br />

und steht jetzt als zweitstärkste<br />

Volkswirtschaft direkt hinter<br />

den USA.<br />

Hu Jintao wirkt im Vergleich zu<br />

seinen Vorgängern recht jung<br />

und ist doch auch bereits 68 Jahre<br />

alt. Wer die Hoffnung hatte, mit<br />

ihm würde China weniger diktatorisch,<br />

ist einem Irrtum erlegen: So<br />

schlau es die Regierung in wirtschaftlichen<br />

Dingen anstellt, so rabiat<br />

ist sie gegen Regimekritiker<br />

und so achtungslos gegenüber Umwelt<br />

und Natur und den Schäden,<br />

die sie hier anrichtet. bb


24<br />

k u l t u r<br />

B r i t i s C h<br />

Best of<br />

ZaS<br />

November<br />

2010<br />

Jede Faser ist Musik<br />

Jamie Cullum kommt nach Freiburg. Berührungsängste zwischen Jazz, Pop und Rock kennt der britische Musiker nicht. Strotzend<br />

vor Vitalität und Lässigkeit wird das musikalische Multitalent auf der Bühne zum Feuerwerkskörper. Von Barbara Breitsprecher<br />

Wenn es eine Inkarnation<br />

der Musik im Heute, im<br />

absoluten Jetzt gibt, dann<br />

ist es Jamie Cullum. Sein Herz ist der<br />

Jazz, aber ohne Scheu, ja furchtlos vor<br />

Genreüberschreitungen, hat er mit jeder<br />

anderen Faser seines Körpers alles<br />

in seinen Songs verarbeitet, was sich<br />

ihm in den Weg gestellt hat: Rock,<br />

Pop, Blues, Swing einfach alles. Mit<br />

unverschämter Lässigkeit bewegt er<br />

seinen jungen Körper auf der Bühne,<br />

singt und spielt mühelos jedes Instrument,<br />

als wäre es eine Kleinigkeit ein<br />

begnadeter Pianist zu sein, gleichzeitig<br />

aber auch unbeschwert Gitarre<br />

oder Schlagzeug zu spielen, so als wäre<br />

man mit diesem Instrument auf die<br />

Welt gekommen.<br />

Diese Lässigkeit gepaart mit ungebremster<br />

Energie, wie sie nur aus<br />

unkontrollierter, feuriger Leidenschaft<br />

zu entstehen vermag, erzeugt<br />

einen Rausch – bei Publikum und<br />

Star gleichermaßen. Mit leicht nasaler,<br />

tief-wohlklingender Stimme<br />

singt der 31-Jährige, dessen Gesicht<br />

wohl ewig jung bleiben wird. Ein<br />

Hobbit ist der englische gerade mal<br />

1,63 Meter große Bühnen-Derwisch<br />

mit den strubbeligen, dunklen Haaren,<br />

ein Magier, ein Besessener, ein<br />

Bummler zwischen Musikwelten, all<br />

das ist er.<br />

Musik, die Töne das ist für ihn<br />

die Sprache, nicht immer braucht es<br />

da Worte. Und diese Töne entstehen<br />

durch Muskeln, die direkt Emotionen<br />

und das Ureigenste einer Person auf<br />

Tasten oder Saiten übertragen. Das<br />

Denken, der Intellekt ist dabei zunächst<br />

ausgeschaltet. Es würde nur<br />

behindern, was sich da zwischen<br />

Fingern und Instrument unmittelbar<br />

abspielt.<br />

Bei seinen Konzerten gibt es keine<br />

Setlist, nicht mal seine hochklassigen<br />

Musiker wissen genau was an<br />

einem Abend gespielt wird. Ohne Improvisation<br />

geht bei Jamie Cullum<br />

gar nichts.<br />

Den Song eines anderen nicht<br />

auf seine eigene Weise zu spielen,<br />

käme Jamie Cullum nicht in den<br />

Sinn. Das würde nicht passen, und<br />

Jamie Cullum macht nichts, was<br />

nicht passt. Auch wenn es auf den<br />

ersten Blick nicht immer so scheint.<br />

Jahrzehntelang war Jazz auf der<br />

Bühne etwas Gediegenes, fürs Auge<br />

eher langweilig. Jamie Cullum<br />

hat das revolutioniert. Er tobt stehend<br />

am Klavier, springt schon mal<br />

auf den Flügel und wieder hinunter.<br />

Er drängt sich durch die Zuschauerreihen<br />

fernab der Bühne und singt<br />

ohne Mikro in die Ränge hinauf. Er<br />

dirigiert das Publikum, feuert es an,<br />

während er selbst wie ein Feuerwerkskörper<br />

auf der Bühne herumjagt.<br />

Seine Vitalität kennt keine<br />

Grenzen.<br />

Wenn Sophie Dahl an seiner Seite<br />

steht, die Frau, mit der Jamie Cullum<br />

seit Beginn dieses Jahres verheiratet<br />

ist und die nun ein Kind von ihm<br />

erwartet, dann wirkt auch das auf den<br />

ersten Blick nicht unbedingt passend.<br />

Die Enkelin des Schriftstellers Roald<br />

Dahl, die früher Model für XXL-Größen<br />

war, inzwischen aber super<br />

schlank ist, überragt ihren Ehemann<br />

um 20 Zentimeter. Für den Sänger und<br />

Komponisten war es Liebe auf den ersten<br />

Blick, nur dass er sich zunächst<br />

nicht vorstellen konnte, dass sie auch<br />

an ihm interessiert sein würde.<br />

Der Sohn einer Burmesin und<br />

eines aus Israel stammenden Engländers<br />

wuchs mit Musik auf. Die Eltern<br />

spielten in einer Band, Klein-Jamie<br />

immer mit dabei. Klavier-, Gesangsund<br />

Gitarrenunterricht folgten.<br />

Während seine Schulkameraden<br />

mit 17 ihr Geld im Supermarkt<br />

verdienten,<br />

trat Jamie Cullum in<br />

Hotelbars und Clubs<br />

auf. Er verdiente gut,<br />

die Atmosphäre gefiel<br />

ihm, die Begeisterung<br />

der reiferen Frauen<br />

ebenfalls. Sein erstes<br />

Album finanzierte er<br />

selbst und verkaufte es auf<br />

Konzerten. Erst dann wurden<br />

Plattenproduzenten auf ihn aufmerksam.<br />

Seitdem kann er auf mehr<br />

als vier Millionen verkaufte Alben<br />

und diverse Preise zurückblicken,<br />

darunter eine Golden Globe Nominierung<br />

für seinen Titelsong zu Clint<br />

Eastwoods Film „Gran Torino“.<br />

Dennoch machte Cullum zunächst<br />

seinen Uniabschluss in Film<br />

und Englischer Literatur, bevor er sich<br />

ganz der Musik hingab. In seinem<br />

Londoner Zuhause hat er heute eine<br />

Unmenge Keyboards und Pianos versammelt.<br />

Ständig ist er am Ausprobieren,<br />

auf der Suche nach Klängen<br />

und Akkorden. Zu den Musikern, die<br />

er am meisten bewundert gehören<br />

Miles Davis und Tom Waits. Unermüdlich<br />

machen sie ganz verschiedene<br />

Alben, wandeln und entwickeln<br />

sich mit den Jahren und bleiben doch<br />

immer sie selbst. Für einen Musiker<br />

gibt es kein Ziel, kein Ankommen.<br />

Das Üben, das Besserwerden ist ein lebenslanger,<br />

nie abgeschlossener Prozess.<br />

Eigentlich ist es sogar so, dass die<br />

Reise das Gegenteil eines Ziels ist.<br />

„The Pursuit“, das Streben, heißt denn<br />

auch das jüngste Album und die<br />

Tournee von Jamie Cullum. Und spätestens<br />

jetzt muss klar sein, warum<br />

musikalische Genres keine Grenzen<br />

für solch einen Menschen sind.<br />

n Jamie Cullum, The Pursuit Tour<br />

2010, Donnerstag, 2. Dezember,<br />

20 Uhr, Konzerthaus Freiburg;<br />

Tickets: Tel. 07531/908844<br />

oder www.koko.de


Best of<br />

ZaS<br />

November<br />

2010<br />

D e u t s C h k u l t u r 25<br />

Musik muss berühren<br />

Christopher von Deylen ist schiller. Mit seiner elektronischen Musik<br />

kommt er am 23. Januar ins Konzerthaus. Im Interview spricht er über Grenzen<br />

der Virtuosität, das Bedürfnis nach Reisen und Freiheit als Verantwortung.<br />

Foto: PHILIP GLASER<br />

Schiller – das ist Christopher von<br />

Deylen, ein Musiker der mit seiner<br />

klangvollen elektronischen<br />

Musik die Konzerthallen füllt. Barbara<br />

Breitsprecher sprach mit dem 40-Jährigen<br />

Norddeutschen, der im Januar<br />

nach Freiburg ins Konzerthaus kommt.<br />

Zeitung am samstag: Sie arbeiten<br />

immer wieder mit interessanten Menschen<br />

zusammen: Synchronsprechern,<br />

Schauspielerinnen wie Anna<br />

Maria Mühe, Sängerinnen oder dem<br />

Pianostar Lang Lang. Wie kommen<br />

die Kontakte zustande?<br />

Christopher von Deylen: Bei jedem<br />

neuen Projekt versuche ich mir<br />

eine gewisse Freiheit zurück zu erobern,<br />

die im Alltag verloren zu gehen<br />

droht. Ich gestatte mir durch die musikalische<br />

Welt zu mäandern, durch<br />

verschiedene Genres lustzuwandeln.<br />

Dabei stoße ich auf interessante<br />

Stimmen, interessante Künstler, die<br />

im ersten Moment gar nicht mit<br />

Schiller assoziiert werden würden.<br />

Aber oft liegt genau in der Reibung<br />

das, was mich fasziniert, und ich nehme<br />

Kontakt auf.<br />

Zas: Heißt das, Sie hören den ganzen<br />

Tag Musik?<br />

von Deylen: Das gelingt mir phasenweise,<br />

meistens wenn einer meiner<br />

Zyklen abgeschlossen und auserzählt<br />

ist. Dann kommt eine Phase, in<br />

der ich mich ganz viel mit anderer<br />

Musik beschäftige. Ich habe noch nie<br />

Genre-Schranken gehabt. Musik hat<br />

mich schon immer als Berührung, als<br />

musikalische Emotion interessiert.<br />

Ein klassisches Stück kann mich genauso<br />

berühren wie ein Pop- oder<br />

Rockstück.<br />

Zas: Wieso haben Sie die elektronische<br />

Musik gewählt, um sich auszudrücken?<br />

von Deylen: Ich hatte zwar als Kind<br />

Klavierunterricht, aber meine Virtuosität<br />

auf diesem Instrument hält sich<br />

in Grenzen. Die elektronische Musik<br />

bietet mir die Möglichkeit, mich<br />

trotzdem mit Musik auszudrücken.<br />

Ein Pianist kann einen bestimmten<br />

Ausdruck erzielen, aber am Ende ist<br />

ein Klavier eben doch immer ein Klavier.<br />

Durch die elektronische Musik<br />

kann ich Instrumenten nahe kommen<br />

oder ganz andere Klänge erzeugen.<br />

Die Gefühlserzeugung durch Klänge<br />

finde ich spannend, und es ist für<br />

mich die einzige Art und Weise in der<br />

ich mich musikalisch artikulieren<br />

kann.<br />

Zas: Hatten Sie je überlegt, zu ihren<br />

Stücken auch selbst zu singen?<br />

von Deylen: Das habe ich tatsächlich<br />

noch nie überlegt, weil ich weiß, dass<br />

ich es nicht kann. Es gibt zwar mittlerweile<br />

technische Hilfsmittel, mit<br />

denen man Defizite in der Gesangstechnik<br />

ausgleichen kann, aber das<br />

kann und möchte ich nicht. Außerdem<br />

habe ich immer noch ein sehr gespanntes<br />

Verhältnis zu meiner eigenen<br />

Stimme, genauso wie zu meinem<br />

eigenen Bild. Ich mag mich nicht gerne<br />

sehen und auch nicht gerne hören.<br />

Zas: Letztlich ist es also die fehlende<br />

musikalische Fingerfertigkeit, die<br />

Sie zur elektronischen Musik gebracht<br />

hat?<br />

von Deylen: Für mich setzt eine gefühlsbetonte<br />

Musik keine Virtuosität<br />

voraus. Manchmal können auch ganz<br />

einfache Melodien sehr berühren,<br />

manchmal sogar deutlich mehr als eine<br />

total auskomponierte Symphonie.<br />

Das ist für mich eine wohltuende Beschränkung<br />

der Mittel. Es gibt Sänger,<br />

die treffen jeden Ton, beherrschen<br />

spielend drei Oktaven, aber was an<br />

Gefühl entsteht, entspricht nicht drei<br />

Oktaven. Und es gibt andere Sänger,<br />

die vielleicht nur den vernünftigen<br />

Umfang einer halben Oktave haben,<br />

die aber so prägnant sitzt und so viel<br />

rüber bringt. Popmusik ist die Kunst<br />

des Weglassens, in der Beschränkung,<br />

im Minimalismus liegt die Stärke.<br />

Zas: Nun könnte man der elektronischen<br />

Musik ja nachsagen, es sei reine<br />

kalte Maschinenmusik…<br />

von Deylen: Der Computer kann ja<br />

nur das machen, was man ihm sagt.<br />

Für mich ist der Computer im Prinzip<br />

das, was die Schreibmaschine für den<br />

Schriftsteller ist. Ein Hilfsmittel, um<br />

Ideen umzusetzen und festzuhalten.<br />

Das Gefühl muss aus demjenigen<br />

kommen, der davor sitzt.<br />

Zas: Sie sind nach Peking gereist,<br />

nach Kalkutta und vor kurzem mit einem<br />

Forschungsschiff in die Arktis.<br />

Was bedeutet Ihnen das Reisen und<br />

wie wichtig ist es für Ihre musikalische<br />

Arbeit?<br />

von Deylen: Eine gute Frage. Das<br />

Reisen öffnet Horizonte. Das digitale<br />

Leben mit all den Informationsmöglichkeiten<br />

suggeriert, dass man von<br />

zu Hause aus das gesamte Weltgeschehen<br />

Tag und Nacht abrufen<br />

kann. Aber um die Welt, das Leben zu<br />

erleben, muss man hinfahren. Nur so<br />

kann man sich einen Eindruck verschaffen,<br />

was das Leben auf der Welt<br />

überhaupt bedeutet. Im Grunde ist es<br />

Neugier. Auf eine Art ein Getriebensein.<br />

Ich versuche so viel wie möglich<br />

mit dem Leben zu machen, so viele<br />

Eindrücke wie möglich in der Lebenszeit<br />

zu verankern. Es ist aber<br />

auch der Versuch, mir ein Bild von der<br />

Welt zu machen, auf unbequeme<br />

Weise. Es ist ja keine Erholung, mit<br />

Strandliegen. Der Weg ist das Ziel. Es<br />

geht darum etwas zu erfahren, im<br />

wahrsten Sinn des Wortes. Ich hoffe,<br />

dass mich das selbst auch in Bewegung<br />

hält.<br />

Zas: Kann das Erlebte einen Einfluss<br />

auf das Leben im Alltag haben?<br />

von Deylen: Ich glaube fest daran,<br />

dass solche Reisen und Erlebnisse den<br />

Menschen verändern, und dass man<br />

ein anderer ist, als wenn man diese<br />

Reise nicht gemacht hätte. Man<br />

wünscht sich, dass man gewisse Emotionen<br />

konservieren könnte.<br />

Zas: Nun können Sie Empfindungen<br />

ja in Klänge transferieren…<br />

von Deylen: Ja, und das ist entscheidend.<br />

Es geht mir nicht darum<br />

als ein Klangimperialist durch die<br />

Welt zu ziehen und Klänge als Souvenirs<br />

mitzunehmen. Musik ist ja sehr<br />

abhängig von der persönlichen emotionalen<br />

Verfassung – es hat etwas<br />

länger gedauert, bis ich mir das selbst<br />

zugestehen konnte – weshalb man<br />

diese auch pflegen muss. Pflegen<br />

heißt aber auch, dass man sie manchmal<br />

gezielt in Unruhe versetzen, gezielt<br />

stören muss.<br />

Zas: Um kreativ sein zu können?<br />

von Deylen: Ja, es ist wie bei einem<br />

See, in dessen glatter Oberfläche sich<br />

die Landschaft spiegelt. Wirft man einen<br />

Stein hinein, kommt alles in Bewegung,<br />

und die sich spiegelnden<br />

Bäume sehen plötzlich ganz anders<br />

aus. Das ist nötig, um sich selbst und<br />

das eigene Tun jedesmal wieder neu<br />

zu erfinden.<br />

Zas: Ich mache jetzt einen Anfang,<br />

machen Sie weiter?<br />

von Deylen: Oha, ich versuche mein<br />

Bestes.<br />

Zas: „Fest gemauert in der<br />

Erden/Steht die Form, aus Lehm gebrannt…“<br />

von Deylen: Es ist natürlich Schillers<br />

Gedicht der Glocke. In der Schule<br />

wurde das aufgeteilt, die einen mussten<br />

„Die Glocke“, wir „Die Bürgschaft“<br />

lernen, die ich aber auch nicht<br />

mehr kann.<br />

Zas: Aber eine Affinität zu Schiller<br />

haben Sie offensichtlich. Welche?<br />

von Deylen: Mein Bezug zu Schiller<br />

ist nicht mit einem konkreten Werk<br />

verbunden. Es geht um den Freigeist.<br />

Schillers Thema war die Freiheit. Er<br />

führte ja ein etwas anderes Leben, als<br />

beispielsweise Goethe. Ich habe mir<br />

diesen Namen mit sehr viel Respekt<br />

geliehen. Es geht um das Streben<br />

nach Freiheit. Ich möchte mich nicht<br />

festlegen lassen, auch mich selbst<br />

nicht. Ich möchte immer wieder versuchen,<br />

etwas anders zu machen, jedesmal<br />

neue Wege finden. Freiheit ist<br />

auch anstrengend.<br />

Zas: Birgt sie nicht auch eine Neigung<br />

zur Verantwortungslosigkeit?<br />

von Deylen: Wenn einem Freiheit<br />

wichtig ist, muss sie auch definiert<br />

werden. Man hat die Verantwortung<br />

aus der Freiheit etwas zu machen, sich<br />

nicht einfach darin zu gefallen.<br />

n Schiller Klangwelten, Sonntag, 23.<br />

Januar 2011, 20 Uhr, Konzerthaus Freiburg,<br />

Tickethotline: Tel. 07000-99 66<br />

333; www.karo-events.de


26<br />

f u s s B a l l<br />

e s s ay<br />

Best of<br />

ZaS<br />

November<br />

2010<br />

Foto: Achim Keller<br />

Im<br />

Wandel<br />

der Zeit<br />

Foto: Witters<br />

Wie sich Konstellationen beim sC freiburg wiederholen. Im Erfolg wachsen Begehrlichkeiten von etablierten Vereinen und den<br />

Medien. Die sportliche Entwicklung hängt von den Rahmenbedingungen ab. Und von den handelnden Personen . Von Michael Zäh<br />

Mit dem Erfolg kommen die<br />

Begehrlichkeiten. Und mit<br />

ihnen tauchen Fragen auf:<br />

Soll der SC Freiburg Papiss Demba<br />

Cissé, seinen Toptorjäger, vergolden?<br />

Kann er es überhaupt verhindern?<br />

Und wie sieht es mit Talenten wie<br />

Felix Bastians, Julian Schuster oder<br />

Ömer Toprak aus? Wird man diese<br />

langfristig halten können? Woher soll<br />

das Geld kommen, um etwa bei den<br />

Spielergehältern mit den größeren<br />

Vereinen mithalten zu können?<br />

Braucht man deshalb nicht dringend<br />

ein neues Stadion, das den Verein<br />

konkurrenzfähig macht? Alle diese<br />

Fragen sind nicht neu und tauchen<br />

auf, weil Robin Dutt fast punktgenau<br />

jene Erfolgsgeschichte wiederholt, die<br />

Volker Finke von 1993 an schrieb.<br />

Aber es gibt auch Unterschiede.<br />

Es mutet ja fast gespenstisch an,<br />

welche Parallelen die sportliche<br />

Entwicklung im Wandel der Zeit<br />

aufweist: Finke verpasst in seinem<br />

ersten Jahr 1991 nur knapp den<br />

Aufstieg in die Bundesliga, Dutt<br />

2007/08 ebenfalls. Finke steigt im<br />

zweiten Jahr ganz souverän auf (ab<br />

dem siebten Spieltag Tabellenführer<br />

in einer zweiten Liga, die damals 24<br />

Teams umfasst), Dutt gelingt dies<br />

2009 in seinem zweiten Jahr ebenfalls<br />

(inklusive der erstmaligen Entgegennahme<br />

der neuen „Meisterschale“),<br />

Finke kann den Abstieg im<br />

ersten Bundesliga-Jahr nur knapp<br />

vermeiden, Dutt ebenfalls, nur einen<br />

Spieltag früher, Finke führt den SC<br />

in der Saison darauf 1994/95 zur<br />

Winterpause auf Platz vier und am<br />

Saisonende auf Platz drei (der erstmals<br />

die Qualifikation zum UEFA-<br />

Cup bedeutet), Dutt ist in seinem<br />

zweiten Bundesliga-Jahr auf dem<br />

besten Weg, in ähnlichen Höhen zu<br />

überwintern. Und selbst manche<br />

Details stimmen überein. Etwa dass<br />

damals ein „ewiges Talent“ namens<br />

Maxi Heidenreich aus Hannover<br />

verpflichtet worden war, und nun<br />

vom selben Verein ein mit selbigen<br />

Attributen ausgestatteter Rosenthal.<br />

Das Duo Volker Finke und<br />

Achim Stocker drängte in der ersten<br />

Blütezeit des Vereins ebenso auf ein<br />

neues Stadion, wie dies nun Dutt,<br />

Dufner und Vorstand Keller tun. Damals<br />

war das Rieselfeld im Gespräch<br />

und der Bauplatz, wo heute die neue<br />

Messe steht. Als sich das Vorhaben<br />

nicht realisieren ließ, wurde das<br />

Dreisamstadion ausgebaut. Vor denselben<br />

Alternativen stehen die Verantwortlichen<br />

auch heute, und sehen<br />

dringenden Handlungsbedarf.<br />

Denn der Kreislauf ist im Grunde<br />

über die Jahrzehnte derselbe geblieben:<br />

Wenn die anderen Bundesliga-<br />

Clubs allesamt deutlich bessere Rahmenbedingungen<br />

für ihre Ticketeinnahmen<br />

und für die Sponsoren-<br />

Vermarktung haben, droht ein Aderlass<br />

beim begabten kickenden Personal<br />

und muss dann sportlich immer<br />

wieder bei Null angefangen<br />

werden. Auch nach der so überragenden<br />

Saison 94/95 war Torjäger<br />

und Spielmacher Rodolfo Esteban<br />

Cardoso (16 Treffer) nicht mehr zu<br />

halten (ging für sechs Millionen<br />

Mark nach Bremen), wie dies jetzt<br />

mit Cissé blühen könnte. Auch den<br />

Außenbahnspieler Jörg Heinrich,<br />

jung und talentiert, zog es nach dem<br />

überragenden Jahr zu anderen<br />

Pfründen (nach Dortmund), wie dies<br />

aktuell bei so manchem SC-Talent<br />

droht, falls der Erfolg weiter anhält<br />

und zu entsprechenden Auffälligkeiten<br />

in der Leistung einzelner<br />

Spieler führt.<br />

Hier tut sich allerdings ein erster<br />

großer Unterschied im Wandel der<br />

SC-Zeiten auf. In den Jahren 1993<br />

bis 1995 war fast noch gar nichts<br />

von dem da, was heute bestehende<br />

Infrastruktur ist. Sowohl die Tribüne<br />

auf der Gegengeraden wie auch<br />

die Südtribüne mussten erst mal<br />

noch gebaut werden, die Trainingsplätze<br />

waren im Winter morastige<br />

Löcher (und hatten nicht wie heute<br />

eine Rasenheizung), und die Freiburger<br />

Fußballschule, Finkes Vision<br />

von größtmöglicher Unabhängigkeit,<br />

war damals gerade erst in ihrer<br />

Geburtsstunde. Sie trägt seither bis<br />

heute regelmäßig Früchte, ohne die<br />

der SC wohl kaum überleben könnte<br />

(egal ob durch die zahlreichen<br />

Transfereinnahmen von den Eigengewächsen,<br />

oder durch deren Beitrag<br />

zur Wettbewerbsfähigkeit in der<br />

Bundesliga, wie jetzt gerade Oliver<br />

Baumann zeigt). Was in der ersten<br />

Blütezeit mit viel Kraftanstrengung<br />

und guten Ideen auf den Weg gebracht<br />

wurde, markiert jetzt die<br />

Nachhaltigkeit des SC Freiburg.<br />

„Es ist im Grunde aus heiterem<br />

Himmel dazu gekommen, dass wir<br />

in die Erste Bundesliga aufgestiegen<br />

sind. Dafür hatte der Verein ja kein<br />

Konzept entwickelt. Das Umfeld, die<br />

Infrastruktur und die Rahmenbedingungen<br />

mussten also nachträglich<br />

geschaffen werden, angefangen<br />

vom Bau der Fangzäune, damit<br />

nicht gleich alle Bälle in der Dreisam<br />

landen“, sagte Finke damals (im<br />

Hattrick Fußballmagazin, Februar<br />

1995). Und dass er all dies neben<br />

dem Job als Erfolgstrainer voran<br />

trieb, hat ihm auch etliche Feinde<br />

eingebracht. Beispielsweise weil er<br />

die Vermarktung des SC in dessen<br />

eigenen Händen wissen wollte und<br />

einer Agentur gekündigt wurde, die<br />

zuvor alle Rechte an dieser hatte. Alte<br />

Seilschaften wurden also abgeschnitten<br />

und Finke war den dadurch<br />

Benachteiligten ein Dorn im<br />

Auge. Heute hat der SC Freiburg dafür<br />

seine eigene, funktionierende<br />

Marketingabteilung, die von Hanno<br />

Franke geleitet wird, den Finke damals<br />

als Jungspund mit Wuschelkopf<br />

zum SC holte. Außerdem gibt<br />

es einen Sportdirektor Dufner und<br />

dazu einen „Verwaltungsdirektor“<br />

Romeiko; für das Merchandising ist<br />

ein Mann mit Namen Jochen Wahl<br />

zuständig, für die „Mitgliederbetreuung“<br />

eine Frau, die Annette<br />

Schäfer heißt. Im Jahr des ersten<br />

Aufstiegs 1993 saß Finke manchmal<br />

noch selbst im kärglich eingerichteten<br />

„Geschäftszimmer“ (das in<br />

Wirklichkeit ein Container war) und<br />

nahm schon auch das Telefon ab,<br />

um dier Kartenanfragen von Fans<br />

zu beantworten, während Präsident<br />

Achim Stocker (oft wütend ob der


Best of<br />

ZaS<br />

November<br />

2010<br />

e s s ay f u s s B a l l 27<br />

„grünen Politik dieser Stadt“) sich<br />

persönlich um die chaotische Parksituation<br />

auf den Dreisamwiesen<br />

kümmerte.<br />

So wurde also im Laufe der Zeit<br />

ein richtiger Bundesliga-Verein aus<br />

dem SC Freiburg und musste Robin<br />

Dutt sich ab seinem Amtsantritt<br />

kaum um andere Dinge kümmern<br />

als den sportlichen Erfolg, was ja<br />

nun auch keine Kleinigkeit ist. Im<br />

Gegenteil liegt eindeutig der größte<br />

gemeinsame Nenner von Finke und<br />

Dutt darin, dass beide ganz außergewöhnliche<br />

Fähigkeiten besitzen,<br />

aus sehr wenig finanziellem Spielraum<br />

sehr viel Fußball-Kunst zu<br />

machen. War Finke spätestens ab<br />

1995 mit seiner Spielidee der kurzen<br />

Wege stilprägend (weil das seither<br />

alle machen), so ist Robin Dutt die<br />

spielerische Weiterentwicklung in<br />

eben gerade den Zeiten, in denen die<br />

Innovationen eingeschränkt sind,<br />

zuzuschreiben. „Bei einem Etat von<br />

14,5 Millionen Euro für die Profis<br />

machen wir vieles richtig“, sagte<br />

Dutt kürzlich im „Kicker“. Und die<br />

Wahrheit ist wohl, dass dies nicht<br />

vielen Trainern gelingen würde. Der<br />

Satz hätte übrigens genausogut<br />

von Finke 1995 stammen können.<br />

Die Außendarstellung des SC-<br />

Trainers ist inzwischen von einer<br />

guten Mischung aus Zurückhaltung,<br />

Witz und souveränem Selbstbewusstsein<br />

geprägt. Dass er dabei<br />

stets gnadenlos sachlich bleibt, ist in<br />

der heutigen Medienlandschaft gar<br />

nicht so einfach und verdient Respekt.<br />

Robin Dutt kann und will es<br />

nicht ändern, dass der SC Freiburg<br />

in der allgemeinen, überregionalen<br />

Wahrnehmung zu kurz kommt. Das<br />

liegt ja auch nicht an ihm, sondern<br />

an der Entwicklung eben jener<br />

Berichterstattung, die Finke schon<br />

früh attackierte: „Sat1 kotzt mich<br />

an“, provozierte er schon 1993, und<br />

politisierte damit gleich nach seinem<br />

ersten Bundesliga-Aufstieg.<br />

Denn die damals neue kommerzielle<br />

Ausrichtung des Privatsenders<br />

Foto: Witters<br />

schien Finke ein Stück Niedergang<br />

der Fußball-Kultur zu sein. „So wie<br />

die Medien sich den Fußball inzwischen<br />

gegriffen haben, verbrauchen<br />

wir uns rasend. (...) Ein paar Jahre<br />

sind okay, dann kann man unsere<br />

Fresse nicht mehr sehen – egal wie<br />

gut die Arbeit ist, die wir machen“,<br />

machte Finke Dampf gegen den<br />

Sender, der die Vereine bezahlte.<br />

Heute hat Dutt es mit mindestens<br />

zwei Live-Sendern (Sky und „Liga<br />

Total“ von Telekom) zu tun, die zwar<br />

alle Spiele live übertragen, sich aber<br />

meist in den Kommentaren vor Unsachverstand<br />

fast überschlagen.<br />

Und die damals von Volker Finke attackierten<br />

Leute (wie Beckmann)<br />

machen heute die ARD-Sportschau.<br />

Keine Chance für Robin Dutt und<br />

Kollegen. Sollte er 2010 den Erfolg<br />

von 1995 wiederholen, werden sich<br />

die Sender etwas einfallen lassen<br />

müssen, um den SC Freiburg irgendwie<br />

sexy zu machen. Es wird<br />

keine Story über redliche Arbeit sei.<br />

Das war bei Finke mit dem Brilli im<br />

Ohr nicht anders.<br />

Robin Dutt warnt derweil, dass<br />

der SC bei einem Abstieg aus der<br />

Bundesliga den Weg nach oben vielleicht<br />

nie mehr schafft. Weil auch in<br />

Liga zwei die Konkurrenz aufgrund<br />

deren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

dem SC überlegen ist. Er<br />

selbst wird, wie Finke damals auch,<br />

Angebote der etablierten Vereine<br />

haben. Und wird vielleicht gehen,<br />

wo Finke blieb.<br />

Ich bin Heimat.<br />

Ich bin Bobbele.


Der einzigartige HALLENSPIELPLATZ in Freiburg!<br />

Professionell und fair zum Ziel.<br />

Ob als Mannschaft oder einzelner Leistungsträger: Die Hans Leutenegger GmbH vermittelt teamorientierte Spezialisten<br />

mit Ausdauer und ehrgeizigen Zielen, die den Wettkampf um beste Arbeitsergebnisse professionell und fair angehen.<br />

Besuchen Sie einen unserer Standorte in Ihrer Nähe oder informieren Sie sich im Internet.<br />

Ihr Team aus Eschbach<br />

Tel. 07634 504 99 77 | www.hansleutenegger.de


Best of<br />

ZaS<br />

Oktober<br />

2010<br />

F i r M e n P O r t r a i t M a r k t 29<br />

Der Chef weiß wie’s geht:<br />

Raumausstatter-Meister<br />

Meinrad Mayer ist der Profi<br />

fürs Verlegen von Fußböden<br />

jeglicher Art.<br />

Herbstbraune<br />

Deco-Point Mayer bietet eine große<br />

Auswahl an Fußböden und sorgt<br />

fürs fachgerechte Verlegen oder den<br />

richtigen Abschliff von altem Parkett.<br />

Ausführliche und kompetente<br />

Beratung, eine eigene Nähwerkstatt<br />

und Polsterei sowie eine Fülle an<br />

Stoffen und Wohnaccessoires sorgen<br />

für einen Rundum-Service.<br />

Die kuschelige Jahreszeit hat<br />

begonnen. Das eigene Heim so<br />

zu gestalten, dass kalte Böen,<br />

tropfender Regen und verhangener<br />

Himmel uns nichts ausmachen, das ist<br />

jetzt die Kunst. Deco-Point Mayer aus<br />

Gutach-Bleibach ist da der ideale Partner.<br />

Allein bei den Fußböden, die von<br />

dem Meisterbetrieb fachgerecht verlegt<br />

werden, bietet Deco-Point Mayer<br />

eine riesige Auswahl. Natürlich und<br />

warm, voller lebendiger Schönheit<br />

wird das Zuhause beispielsweise mit<br />

einer Vielzahl an Holzarten, Strukturen<br />

und Mustern.<br />

Im Handumdrehen entsteht so<br />

eine komfortable und exklusive<br />

Wohnatmosphäre. Die Fachkräfte<br />

von Deco-Point Mayer sind auch<br />

dann zur Stelle, wenn „altes" Parkett<br />

eine Auffrischung nötig hat. Fachgerecht<br />

werden die Böden dann abgeschliffen<br />

und versiegelt odergeölt.<br />

Im großzügigen Ausstellungsraum<br />

bei Deco-Point Mayer kann<br />

man sich aber auch von den Qualitäten<br />

anderer Bodenbeläge überzeuge.<br />

Linoleum und Kautschuk beispielsweise,<br />

ganz natürliche und<br />

strapazierfähige Böden. Oder behaglicher<br />

und und pflegeleichter<br />

Korkboden. Trendig sind auch<br />

Kunststoff-Designbeläge, die eine innovative<br />

und kreative Ausstrahlung<br />

Böden<br />

haben. Hart im Nehmen sind Laminatböden,<br />

während Teppichböden<br />

nach wie vor unschlagbar warm und<br />

weich sind, wobei Nadelfilz und Kugelgarn<br />

besonders robust und<br />

langlebig sind.<br />

Das Fachteam von Deco-Point<br />

Mayer, von denen etliche bereits im<br />

eigenen Betrieb ausgebildet wurden,<br />

hat sich mit der Ausstattung von Häusern<br />

und Wohnungen ebenso wie im<br />

gewerblichen Bereich, in Schulen und<br />

Krankenhäusern überregional einen<br />

Namen gemacht. Das Motto der Inhaber<br />

Gerlinde und Meinrad Mayer (Foto<br />

rechts oben) – der Chef ist Raumausstatter-Meister,<br />

der Profi im Verlegen<br />

von Böden – lautet entsprechend:<br />

„Wir schaffen Lebensräume- und erfüllen<br />

ihre Wohnträume“.<br />

Ob Untergrundsanierung im Altbau,<br />

Schnell-und Trockenestrichsysteme<br />

oder eine individuelle Oberflächengestaltung<br />

von Holz-Steinund<br />

Kunststoffböden, das bestens<br />

geschulte Boden-Team ist stets motiviert<br />

bei der Sache.<br />

Und wer nach einer weitergehenden<br />

Aus- oder Umgestaltung der<br />

eigenen Wohnung, des Büros oder<br />

Betriebs sucht, wird bei Deco-Point<br />

Mayer gleich mit fündig. Eine überwältigende<br />

Auswahl an Stoffen,<br />

Farben und Gestaltungselementen<br />

sowie Dekorationsstücken laden ge-<br />

dazu ein, Räume neu zu gestalten<br />

und eigene Akzente zu setzen.<br />

Auch hierbei wird der Kunde und<br />

die Kundin bei Deco-Point Mayer mit<br />

tatkräftigem Fachwissen unterstützt.<br />

Direkt im Betrieb in derhauseigenen<br />

Nähwerkstatt wird individuell maßgenau<br />

genäht und gepolstert. Mit viel<br />

Liebe zum Detail entstehen Gardinen<br />

und Vorhänge, Tischdecken und Kissen,<br />

Hussen und Plaids sowie Bankund<br />

Stuhlpolster, Sessel-und Sofabezüge.<br />

Fantasie und Vorstellungen<br />

sind hier keinerlei Grenzen gesetzt.<br />

Aber auch alte Liebhaberstücke<br />

werden hier behutsam und fachgerecht<br />

neu gepolstert und bezogen, so<br />

dass der bequeme Lieblingssessel für<br />

die gemütlichen Winterabende wieder<br />

einladend bereit steht.<br />

Deco-Point Mayer ist ein Traditionsunternehmen.<br />

Im Jahr 1900 in<br />

Elzach als Sattlerei gegründet, ist das<br />

Handwerksunternehmen heute 110<br />

Jahre später zu einem modernen leistungsstarken<br />

Betrieb mit 24 bestens<br />

geschulten Mitarbeitern angewachsen.<br />

Seit 1998 präsentiert sich das<br />

Unternehmen auf 1600 Quadratmetern<br />

in Gutach-Bleibach direkt an<br />

der B 294.<br />

Seit Oktober hat Deco-Point<br />

Mayer nun auch wieder sonntags geöffnet.<br />

Dieser Tag (ohne Beratung<br />

und Verkauf) bietet sich an, um in<br />

Ruhe durch die Ausstellung zu<br />

schlendern und sich von den neuesten<br />

Wohntrends, Stoffen und Fußböden<br />

inspirieren zu lassen.<br />

Barbara Breitsprecher<br />

n Deco-Point Mayer Raumausstattung,<br />

Am Stollen 10, Gutach/Bleibach,<br />

Tel. 07685/910580; geöffnet Mo. bis<br />

Fr. 9.30 - 18.30 Uhr, Sa. 9.30 - 16 Uhr,<br />

So. 14 - 17 Uhr (ohne Beratung).<br />

www.deco-point-mayer.de<br />

Bodenbeläge sind bei<br />

Deco-Point Mayer in großer<br />

Auswahl ausgestellt.


30<br />

F i r m e n<br />

A n z e i g e<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Portrait<br />

2010<br />

Weltpremiere in Herbolzheim<br />

am 10.10.2010 beim Tag der offenen Tür<br />

Franz Herbstritt gmbH und Vaillant präsentieren die Zeolith Wärmepumpe, die mit Mineralkügelchen arbeitet. Das traditionsreiche<br />

Unternehmen geht innovative Wege, um den Kunden individuelle Lösungen bei Heizung, Sanitär und Lüftung anzubieten<br />

HHeiko Geffers schaut vor allem<br />

in die Zukunft. Zusammen<br />

mit Nicola Russo leitet er<br />

die Franz Herbstritt GmbH. Heiko Geffers<br />

als staatlich geprüfter Versorgungstechniker<br />

und Nicolo Russo als<br />

Handwerksmeister sind ein eingespieltes<br />

Team und ergänzen sich in ihren<br />

Aufgaben.<br />

WIR SUCHEN...<br />

zur Unterstützung unseres Teams einen KUNDEN-<br />

DIENSTMONTEUR für den Bereich Heizung und<br />

freuen uns über interessante Bewerbungen.<br />

Die Firma Franz Herbstritt war bereits<br />

seit vier Generationen in Familienbesitz<br />

als H. Geffers und N. Russo die<br />

Firma 2002 übernahmen. Sie behielten<br />

die vertraute, familiäre Führung<br />

bei und beschreiten nun neue Wege.<br />

Die Firma hat ihre Schwerpunkte<br />

in den Bereichen Heizung, Sanitär,<br />

Lüftung sowie Baublechnerei und<br />

beschäftigt derzeit 28 Mitarbeiter.<br />

Durch die lange Tradition gerade<br />

im Bereich der Baublechnerei arbeitet<br />

die Firma Herbstritt bereits<br />

Jahrzehnte mit dem Europa Park zusammen.<br />

Die Zwiebeltürme im russischen<br />

Bereich, sowie die Effekte im<br />

Magic Cinema 4D zählen hier zu den<br />

nennenswerten Referenzen. Durch<br />

einzigartige Neuentwicklungen<br />

führte die Firma Herbstritt 2006 auch<br />

Arbeiten in einem Freizeitpark in<br />

Südkorea aus.<br />

nicola russo Geschäftsführer und Handwerksmeister<br />

„Wir bieten mehr als Standard“,<br />

erläutert Heiko Geffers. „Wir suchen<br />

stets nach individuellen Lösungen<br />

und können durch kontinuierliche<br />

Weiterbildung unsere Kunden<br />

in den Bereichen Heizung, Bäder,<br />

Baublechnerei und Lüftung/Kühlung<br />

kompetent<br />

und zuverlässig beraten.“<br />

Neben einigen Großprojekten<br />

wurde im Sommer 2010 auch die<br />

firmeneigene Ausstellung vergrößert<br />

und aktualisiert. Ein weiterer<br />

Schritt zur innovativen Ausrichtung<br />

der Franz Herbstritt GmbH.<br />

Auch bei der Kundenberatung setzen<br />

Heiko Geffers und Nicola Russo<br />

auf Innovation: Durch eine spezielle<br />

Software gelingt es Ihnen, den<br />

Kunden individuelle, passende Lösungen<br />

für Modernisierung oder<br />

Neubau zu bieten. In angenehmer<br />

Atmosphäre in einem eigens dafür<br />

konzipierten Raum werden die<br />

Kunden beraten.<br />

„Kompetente Beratung findet<br />

nicht mehr im Keller statt, sondern<br />

beginnt beim Kennenlernen des<br />

Kunden, der Bedarfseinschätzung,<br />

Kosten-Nutzen-Abwägung und Ressourcenplanung.<br />

Durch das neue System<br />

können wir dem Kunden zudem<br />

Heiko geffers Geschäftsführer und Versorgungstechniker<br />

das Ausschöpfen aller möglichen<br />

Förderungen zu den jeweiligen Heizungsvarianten<br />

garantieren“ erklärt<br />

Heiko Geffers. „Wer mit der Zeit geht,<br />

muss mit dem Fortschritt Schritt halten<br />

können.“<br />

Nach der Eröffnung des neuen<br />

Firmengeländes im Sommer 2006<br />

gab es nun wieder etwas zu feiern:<br />

Eine Weltpremiere gab es am Tag der<br />

offenen Tür am 10.10.2010 in der<br />

Hauptniederlassung Herbolzheim -<br />

die neue Zeolith-Gas-Wärmepumpe<br />

von Vaillant. Das griechische Wort<br />

Zeolith bedeutet „Siedestein“. Der<br />

extrem poröse Kristall hat nämlich<br />

die Eigenschaft, Wasser anzusaugen<br />

und dabei Wärme abzugeben. Damit<br />

Sie diese natürliche Wärmeerzeugung<br />

nutzen können, hat Vaillant<br />

die Zeolith-Gas-Wärmepumpe zeo-<br />

THERM entwickelt: das weltweit effizienteste<br />

Gas-Heizgerät für Einfamilienhäuser.<br />

Besuchen Sie uns und<br />

lernen dieses einzigartige System<br />

kennen.<br />

n Franz Herbstritt GmbH<br />

Niederwaldstraße 2,<br />

79336 Herbolzheim.<br />

Telefon: 07643-382<br />

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Starkes Team: Mit 28 Leuten arbeitet die Firma Herbstritt GmbH in den Bereichen Heizung, Lüftung, Sanitär, Baublechnerei. Von der Planung bis zur kompletten Durchführung<br />

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Best of<br />

ZaS<br />

Portrait<br />

2010<br />

g o l F c l u B P o r T r A i T 31<br />

Wellness in sattem Grün<br />

S o l A r - A n l A g e<br />

Wenn die Sonne sich über dem<br />

Grün des Golfclubs Tuniberg<br />

senkt, hat dies symbolischen<br />

Charakter. Nach längerer Planungs-<br />

und Bauphase hat der<br />

Golfclub Tuniberg auf dem Dach<br />

seiner neu errichteten Halle zur<br />

Unterbringung der Geräte, die<br />

wiederum zur Pflege der idyllischen<br />

Anlage dienen, eine große<br />

Solaranlage installieren lassen.<br />

„Natürlich ist der Golfsport mit<br />

seiner Naturverbundenheit und<br />

dem Bewegen auf dem Grün dafür<br />

prädistiniert, ökologisch einen<br />

Beitrag zu leisten“, erklärt Klaus<br />

Pfannkuch, der Geschäftsführer<br />

des Golfclubs Tuniberg. Die rund<br />

1000 Mitglieder des Golfclubs<br />

wurden in die Entscheidungsfindung<br />

mit einbezogen und standen<br />

dem Vorhaben positiv gegenüber.<br />

Die Solaranlage ist Teil des erfolgreichen<br />

Bürgerbeteiligungsprojektes<br />

„regiomix 2030“, das Wind,<br />

Wasser und Sonne in einem Vorhaben<br />

vereint. Der durch die Solaranlage<br />

gewonnene Strom wird<br />

ins Netz eingespeist und die Gewinnung<br />

auf einer Tafel jeweils aktuell<br />

angezeigt. „Generell<br />

reicht die Gewinnung<br />

schon mindestens zur<br />

Versorgung eines<br />

Mehrfamilienhauses“,<br />

so Pfannkuch. Für den Geschäftsführer<br />

des Golfclubs war<br />

klar, dass die süd-südwest-Lage<br />

der neuen Halle optimal zur Anbringung<br />

einer Solaranlage geeignet<br />

ist. „Da der Golfclub ökologisch<br />

und umweltbewusst orientiert<br />

ist, lag es nahe, dies zu<br />

nutzen“, so Klaus Pfannkuch.<br />

Seit gut 20 Jahren gibt es den Golfclub Tuniberg schon, der sich ständig<br />

weiter entwickelt. Golf fasziniert immer mehr Leute<br />

Den Golfclub Tuniberg gibt es<br />

schon seit gut 20 Jahren. Er<br />

hat sich in dieser Zeit immer<br />

weiter entwickelt, insbesondere was<br />

die Dienstleistungsvoraussetzungen<br />

angeht. „Meine Philosophie ist, dass<br />

wir vergleichbar mit einem Hotel ein<br />

Dienstleister sind. Wir haben einen<br />

Empfang, eine Rezeption, einen Shop,<br />

eine Gastronomie und einen großen<br />

Wellnessbereich – der Golfplatz“, erläutert<br />

Klaus Pfannkuch, Geschäftsführer<br />

und Clubmanager. Die Kunden<br />

sind die Mitglieder und Gäste. Und<br />

Mitglieder hat der Club immerhin<br />

schon rund Eintausend.<br />

Entsprechend dieser Philosophie<br />

steht der Golfclub Tuniberg auch<br />

neuen Kunden stets offen gegenüber.<br />

„Ein Golfclub ist immer für interessierte<br />

Leute offen. Denn das Schöne<br />

am Golf ist ja gerade, dass er ein<br />

Lifetime-Sport ist, den man in jedem<br />

Alter beginnen kann, wo schon die<br />

Kleinsten großen Spaß haben, aber<br />

ebenso ältere Menschen viel Entspannung<br />

finden“, so Pfannkuch.<br />

Manchmal ergeben sich im Urlaub<br />

die ersten Berührungspunkte mit<br />

dem grünen Sport, da viele Hotels<br />

dies mittlerweile anbieten. Wieder zu<br />

Hause will man weiter ausprobieren,<br />

mal ein Schnupperkurs machen,<br />

dann kommt die Platzreife dran, und<br />

irgendwann will man vielleicht<br />

auch Mitglied werden.<br />

Was ist die große Faszination<br />

am Golfen? „Es ist toll, wenn der<br />

Ball fliegt. Dann das Naturerlebnis<br />

dazu – das ist schon klasse. Aber<br />

man muss es wirklich mal erleben,<br />

um das zu spüren“, weiß Klaus<br />

Pfannkuch. Dazu hat die Sportart<br />

Golf einige spezifische Besonderheiten:<br />

Es gibt kaum eine andere<br />

Sportart, die man ebenso alleine<br />

spielen kann wie auch mit anderen<br />

zusammen. Ebenso können Partner<br />

zusammen spielen, die sich auf ganz<br />

unterschiedlichem Leistungsniveau<br />

bewegen, da einfach jeder gegen<br />

sein persönliches Handicap spielt.<br />

Hinzu kommt, dass man bis ins<br />

höchste Alter golfen kann. „Wir haben<br />

einige Mitglieder, die über 80<br />

Jahre alt sind. Das bieten wenige<br />

Sportarten, vor allem dass dabei<br />

auch ein Ball und Spaß dabei ist, das<br />

gibt es für ältere Leute sonst nicht“,<br />

so Pfannkuch. „Und die Tatsache,<br />

dass man auch alleine seine Runde<br />

drehen kann, wird ebenfalls von<br />

sehr vielen Leuten wahrgenommen.<br />

Manche kommen früh am Morgen,<br />

schon um halbsieben Uhr, spielen<br />

neun Loch, gehen dann frühstücken.<br />

und starten so in den Tag. Oder aber<br />

am späteren Abend drehen Leute<br />

noch ihre Runde, zur Entspannung<br />

nach einem langen Tag im Büro“,<br />

weiß der Clubmanager.<br />

Golf vereint Natur, Technik und<br />

Lebensfreude. Der Sport fördert<br />

Kraft, Koordination, Konzentration<br />

und Beweglichkeit. Und nicht zuletzt<br />

bietet der Golf-Sport auch viel<br />

Raum für Kommunikation. Das<br />

kann für Freunde und Partner in eine<br />

gute Gelegenheit zum Austausch<br />

sein, aber auch für Geschäftspartner<br />

gelten. Wenn man eine komplette<br />

Runde spielt, ist man viereinhalb<br />

Stunden zusammen unterwegs. „Da<br />

hat man irgendwann übers Wetter<br />

genug gesprochen und wählt dann<br />

auch andere Themen. Das kann man<br />

durchaus mit der Konzentration aufs<br />

Spiel verbinden“, erläutert Klaus<br />

Pfannkuch. Dies dazu in der tollen<br />

Atmosphäre des weitläufigen Wellness-Bereiches<br />

in sattem Grün.<br />

n Golfclub Tuniberg e.V.,<br />

Großer Brühl 1,<br />

79112 Freiburg-Munzingen<br />

Tel 07664-930610<br />

info@golfclub-tuniberg.de<br />

www.golfclub-tuniberg.de<br />

T i P P S<br />

Hundert Tage<br />

Schnuppergolf<br />

Der Golfclub Tuniberg bietet nach<br />

dem ersten Kennelernen, etwa<br />

über den Erlebnistag oder nach<br />

dem Mitmachen bei der bundesweiten<br />

Aktion „play golf - have<br />

fun“ einen weiteren Baustein an,<br />

um über einen längeren Zeitraum<br />

von drei Monaten den Golfsport<br />

weiter auszuprobieren. Für eine<br />

Pauschale von 300 Euro kann der<br />

Interessierte die Übungsanlage<br />

des Clubs benutzen, inklusive<br />

Leihschläger und drei Trainerstunden.<br />

„Innerhalb von drei Monaten<br />

lernt man ja nicht nur den Golfsport<br />

kennen, sondern auch den<br />

Club und die Mitglieder. Man<br />

kann in dieser Zeit auch die Platzreife<br />

machen“, erläutert Klaus<br />

Pfannkuch, Geschäftsführer und<br />

Clubmanager des Golfclub Tuniberg.<br />

Ausblick auf die<br />

mittwochs-Trophy<br />

Einmal im Monat findet beim<br />

Golfclub Tuniberg die „Mittwochs-Trophy“<br />

statt, eine seit<br />

Jahren etablierte und sportlich<br />

ausgerichtete Veranstaltung. Es<br />

ist ein generell offenes Turnier, bei<br />

dem Mitglieder und Gäste um ihr<br />

Handicap spielen. Die Beteiligung<br />

ist meist sehr gut, manchmal<br />

mit Gästegruppen<br />

auch aus der<br />

Schweiz. Teilnehmer müssen<br />

dabei mindestens ein<br />

Handicap von 36 vorweisen<br />

können.


32<br />

M e d i Z i n<br />

DIm Freiburger St. Josefskrankenhaus<br />

wurde die<br />

bisherige Chefärztin der<br />

Abteilung für Frauenheilkunde,<br />

Dr. Irmgard Posch (65) im Rahmen<br />

einer Feierstunde in den Ruhestand<br />

verabschiedet und für ihr<br />

erfolgreiches Wirken gewürdigt.<br />

Als Nachfolger wird Dr. Christoph<br />

Jäger (39) der Abteilung vorstehen,<br />

während Chefarzt Dr. Ulrich<br />

Lattermann (56) weiterhin die<br />

Geburtshilfe und Perinatologie<br />

leiten wird.<br />

Ko M p et e n Z<br />

Hoffnung bei<br />

Bluthochdruck<br />

Herz-Zentrum Bad Krozingen bietet neues Therapieverfahren an:<br />

Überaktive Nierennerven werden per Katheder „ausgeschaltet“<br />

Bei Bluthochdruck ist die egulierung<br />

des sympathischen<br />

Nervensystems gestört. Für<br />

Patienten, bei denen unterschiedliche<br />

blutdrucksenkende Medikamente<br />

bisher nur unzureichend geholfen haben,<br />

besteht jetzt die Möglichkeit mit<br />

dem Verfahren der sogenannten<br />

Hochfrequenzablation die überaktiven<br />

Nierennerven, die den Bluthochdruck<br />

mitverursachen, per Katheter<br />

auszuschalten.<br />

Hoher Blutdruck ist die Volkskrankheit<br />

schlechthin und häufigste<br />

Todesursache in Deutschland. Viele<br />

Betroffene kennen ihr erhöhtes Risiko<br />

nicht und kommen oft erst<br />

dann zum Hausarzt oder in ein<br />

Krankenhaus, wenn schon Gesundheitsschäden<br />

bestehen. So geht man<br />

davon aus, dass nur ca. 50% der<br />

Bluthochdruckfälle entdeckt und<br />

nur ca. 20 % der Bluthochdruckfälle<br />

adäquat behandelt werden.<br />

IN MEDIZIN<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Medizin<br />

2010<br />

Chefarztwechsel<br />

St.Josefskrankenhaus. Dr. Christoph Jäger folgt der in den Ruhestand<br />

gehenden Chefärztin Dr. Irmgard Posch in der Frauenheilkunde<br />

Nach dem Studium der Medizin in<br />

Tübingen, Würzburg und München<br />

absolvierte Dr. Jäger seine Facharztausbildung<br />

an der Universitätsfrauenklinik<br />

Ulm, wo er später auch viele<br />

Jahre als Oberarzt tätig war. Bereits<br />

vor seiner Ernennung zum<br />

Chefarzt im Regionalverbund kirchlicher<br />

Krankenhäuser (RkK) arbeitete<br />

Dr. Jäger als Belegarzt am ebenfalls<br />

zum Klinikverbund gehörenden<br />

Freiburger St. Elisabeth-Krankenhaus.<br />

Prof. Dr. Rolf Kreienberg,<br />

Ärztlicher Direktor der Universitätsfrauenklinik<br />

Ulm und Präsident der<br />

Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie<br />

und Geburtshilfe e. V. ließ es<br />

sich nicht nehmen, der Feierstunde<br />

persönlich beizuwohnen und die<br />

herausragende, in zehn Jahren gemeinsamer<br />

Zusammenarbeit erworbene,<br />

fachliche Qualifikation hervorzuheben.<br />

Im Hinblick auf den für<br />

Patienten sich bietenden Nutzen betonte<br />

Helmut Schillinger, Geschäftsführer<br />

der RkK gGmbH: „Mit der Erfahrung<br />

aus 10-jähriger verantwortlicher<br />

Tätigkeit bei einem<br />

Maximalversorger und dem erfolgreichen<br />

Aufbau einer eigenen gynäkologischen<br />

Praxis<br />

bringt Dr. Jäger optimale<br />

Voraussetzung eine noch<br />

intensivere Vernetzung<br />

ambulanter und stationärer<br />

Bereiche mit“. Dazu gehöre<br />

auch ein kooperatives<br />

Miteinander von<br />

Haupt- und Belegabteilungen.<br />

Die Regionalverbund<br />

kirchlicher Krankenhäuser<br />

(RkK) gGmbH ist mit jährlich<br />

über 25.000 stationären Patienten<br />

der größte außeruniversitäre Gesundheitsdienstleister<br />

in Südbaden.<br />

Zum Verbund gehören das St. Josefskrankenhaus,<br />

das Loretto-Krankenhaus<br />

und das St. Elisabeth-Krankenhaus<br />

in Freiburg sowie das Bruder-Klaus-Krankenhaus<br />

in<br />

Waldkirch. Ergänzt wird das Angebot<br />

durch das stationäre Hospiz Karl<br />

Josef gGmbH in Freiburg. Der RkK<br />

steht für eine von christlichen Werten<br />

getragene Erhaltung und<br />

Wiederherstellung der Gesundheit in<br />

Verbindung mit höchstem medizinischem<br />

und pflegerischem Anspruch.<br />

Für Patienten mit einem Blutdruck<br />

über 160 mmHg (bzw. einem Blutdruck<br />

von über 150 mmHg mit Diabetes<br />

mellitus Typ 2), bei denen sich<br />

trotz Einsatzes von drei Blutdruck senkenden<br />

Medikamenten keine Besserung<br />

erzielen lässt, steht das neue Therapieverfahren<br />

zur Verfügung. In einem<br />

30 bis 60 Minuten dauernden<br />

Kathetereingriff in örtlicher Betäubung<br />

durch die Leistenarterie kann der<br />

Blutdruck nachhaltig gesenkt werden.<br />

Der Eingriff erfolgt in beiden Nierenarterien.<br />

Vor dem Hintergrund, dass<br />

die Betroffenen bisher häufig fünf oder<br />

mehr verschiedene Präparate täglich<br />

ohne ausreichenden Erfolg einnehmen<br />

müssen, betont der Chefarzt der Angiologischen<br />

Abteilung, Professor Dr.<br />

Thomas Zeller: „Die Blutdruckeinstellung<br />

lässt sich durch dieses Verfahren<br />

langfristig deutlich verbessern und dadurch<br />

potentiell auch die Anzahl der<br />

Medikamente senken“.<br />

"Ich war richtig fertig, hatte Schlafstörungen,<br />

starke Kopfschmerzen,<br />

innere Unruhe und war kaum noch<br />

belastbar. Bis zu sieben unterschiedliche<br />

Medikamente waren<br />

verordnet und die Blutdruckwerte<br />

lagen oft bei 220", beschreibt ein betroffener<br />

Patient die Situation vor<br />

der neuen Therapie. Heute, drei Monate<br />

nach der Ausschaltung der<br />

überaktiven Nerven, fühlt er sich<br />

sehr gut, schläft wieder besser, hat<br />

keine Kopfschmerzen mehr, die innere<br />

Unruhe ist weg und die Blutdruckwerte<br />

liegen bei 128 zu 79<br />

mmHg. Vom Eingriff selbst hat er<br />

wenig gemerkt. Durch Zufall wurde<br />

festgestellt, dass diese Methode sich<br />

auch positiv auf Stoffwechselstörungen,<br />

wie Diabetes mellitus, auswirken<br />

kann. Somit hofft man, eine<br />

neue Behandlungsmöglichkeit bei<br />

Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus<br />

oder Niereninsuffizienz gefunden zu<br />

haben.<br />

n www.herzzentrum.de<br />

Das Schulterzentrum<br />

geht an den Start<br />

Freiburg. Oberarzt Dr. med. Jörg Halbgewachs<br />

baut im Freiburger Loretto-Krankenhaus ein<br />

Schulterzentrum auf<br />

Mit dem als Oberarzt eingetretenen<br />

Schulterspezialisten<br />

Dr. med. Jörg Halbgewachs<br />

baut der Regionalverbund<br />

kirchlicher Krankenhäuser (RkK) die<br />

Kompetenz für Schultererkrankungen<br />

in der von Chefarzt Dr. Marcel<br />

Ruẗschi geleiteten Orthopädischen<br />

Chirurgie im Loretto-Krankenhaus<br />

weiter aus. Zuvor war Dr. Halbgewachs<br />

in der Schweiz bei Dr. E. Buess,<br />

einem international anerkannten<br />

Spezialisten für Schulterchirurgie in<br />

Bern sowie der Schulthess Klinik in<br />

Zürich, eines der größten orthopädischen<br />

Zentren in der Schweiz, tätig.<br />

Der Aufbau des Schulterzentrums<br />

im Freiburger Loretto-Krankenhaus<br />

trägt der Tatsache Rechnung, dass<br />

die Häufigkeit chronischer Schulterschmerzen<br />

in den vergangenen<br />

Jahren deutlich zugenommen und<br />

sich gleichzeitig das Wissen um die<br />

Schädigungen der Schulter sehr<br />

rasch vermehrt mehr. So können<br />

heute dank der Magnetresonanztomografie<br />

(MRI) auch Weichteilstrukturen<br />

sehr gut dargestellt werden.<br />

Ein großer Schritt vorwärts<br />

konnte auch durch die Arthroskopie<br />

(= Gelenkspiegelung) als sog. minimal-invasive<br />

Behandlungsmethode<br />

erzielt werden. Die meisten Schultereingriffe<br />

lassen sich heute arthroskopisch<br />

durchführen, was für<br />

den Patienten weniger Schmerzen,<br />

kleinere Operationsnarben und eine<br />

schnellere Heilung bedeutet.<br />

Oberarzt Dr. med. Jörg Halbgewachs<br />

gibt der auch überregional<br />

anerkannten Kompetenz des Loretto-Krankenhauses<br />

im Bereich der<br />

arthroskopischen Schulterchirurgie<br />

und Endoprothetik ein Gesicht. Da<br />

es sich bei Schulterschmerzen häufig<br />

um quälende, stark einschränkende<br />

und lang anhaltende Beschwerden<br />

handelt, empfiehlt der<br />

Schulterspezialist auch erstmalige<br />

auftretende Beschwerden Ernst zu<br />

nehmen: „Viele Erkrankungen der<br />

Schulter können im Frühstadium effektiv<br />

und langwirksam behandelt<br />

werden“.<br />

Das Schultergelenk gehört zu<br />

den komplexesten Gebilden des<br />

menschlichen Körpers und funktioniert<br />

durch ein äußerst komplexes<br />

Zusammenspiel von Gelenken, Sehnen,<br />

Muskeln und Bändern. Die außerordentlich<br />

große Bewegungsumfang<br />

geht dabei auf Kosten der<br />

Stabilität. Dies erklärt auch, warum<br />

ein großer Teil der Erkrankungen<br />

der Schulter sich in den Weichteilen<br />

abspielt. Erkrankungen oder Verletzungen<br />

an den knöchernen Strukturen<br />

führen zwangsläufig zu Veränderungen<br />

am Weichteilmantel<br />

und umgekehrt. Insbesondere chronische<br />

Schulterschmerzen zeigen<br />

oft ihr anatomisches Korrelat in Erkrankungen<br />

der Weichteilführung.


Best of<br />

ZaS<br />

Medizin<br />

2010<br />

Ko M p et e n Z M e d i Z i n 33<br />

Das Herz-Zentrum Bad Krozingen<br />

wurde als familienbewusstes<br />

Krankenhaus ausgezeichnet.<br />

Das von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung<br />

durchgeführte Audit<br />

„Beruf und Familie“ bestätigt, dass das<br />

Herz-Zentrum großen Wert auf die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie legt.<br />

Insgesamt wurden im Rahmen eines<br />

Audits 26 Ziele definiert, die mit 58 Einzelmaßnahmen<br />

umgesetzt und überprüft<br />

werden sollen<br />

Das Herz-Zentrum Bad Krozingen<br />

möchte durch dieses Audit die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie weiter<br />

fördern und durch einen stetigen Verbesserungsprozess<br />

weiterentwickeln.<br />

„Durch ergänzende betriebliche Maßnahmen<br />

können wir einen oftmals entscheidenden<br />

Beitrag leisten, um Familien<br />

spürbar zu entlasten“, betont Verwaltungsdirektor<br />

Bernd Sahner und<br />

ergänzt: „Ziel ist es, Beschäftigten mit<br />

Kindern aber auch mit zu pflegenden<br />

Angehörigen sinnvoll durch verschiedene<br />

Maßnahmen zu entlasten.“<br />

Familienbewusst<br />

prof. dr. Franz-Josef neumann<br />

Geschäftsführender ärztlicher<br />

Direktor<br />

Herz-Zentrum Bad Krozingen erhält Zertifikat<br />

zum Audit „Beruf und Familie“<br />

Mitarbeiter aus den unterschiedlichen<br />

Arbeitsbereichen konnten im Rahmen<br />

eines Workshops ihre Wünsche und<br />

Ideen vorbringen. Diese wurden dann<br />

in Abstimmung mit der Geschäftsleitung<br />

in Zielvereinbarungen zu verschiedenen<br />

Handlungsfeldern umgesetzt.<br />

Im Bereich Flexibilisierung der<br />

Arbeitszeit möchte das Herz-Zentrum<br />

durch Ausweitung der Gleitzeit, erweiterten<br />

Teilzeitmöglichkeiten und<br />

familienfreundlichere Schichtbeginnund<br />

Schichtendzeiten die nächsten<br />

Schritte gehen. Im Rahmen der Unterstützung<br />

bei der Kinderbetreuung<br />

sollen auf Basis einer Bedarfsermittlung<br />

unter den Mitarbeitern, in Koo-<br />

peration mit bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />

eine optimale<br />

Fürsorge sichergestellt werden. Die<br />

Fortführung und Weiterentwicklung<br />

von Ferienbetreuungsangeboten sind<br />

weitere Handlungsfelder, die angepackt<br />

werden.<br />

n Weiterführende Informationen:<br />

www.herzzentrum.de<br />

H o M e p a g e<br />

Auszeichnung für www.herzzentrum.de<br />

Herz-Zentrum Bad Krozingen unter den<br />

Top 2 Klinik-Webseiten in Deutschland<br />

Die Jury des KlinikAwards 2010, der wichtigsten<br />

Auszeichnung im Bereich Klinikmarketing,<br />

hat jetzt die Homepage<br />

des Herz-Zentrums Bad Krozingen als eine der<br />

zwei besten Klinik-Webseiten in Deutschland<br />

ausgezeichnet.<br />

Patienten auch in der Online Welt abzuholen<br />

und das Internet als Kommunikationsplattform<br />

zu begreifen, sind wesentliche Merkmale einer<br />

sich von der Krankenversorgung zur Gesundheitsdienstleistung<br />

wandelnden Ausrichtung<br />

eines Krankenhauses. Die Jury hat mit der Auszeichnung<br />

honoriert, dass die Homepage des<br />

Herz-Zentrums Bad Krozingen heute im Zentrum<br />

aller kommunikativen Aktivitäten steht<br />

und, dank Angeboten wie einer Mediathek, als<br />

Erlebnisplattform wahrgenommen wird.<br />

In die Bewertung eingeflossen ist auch die Tatsache,<br />

dass sich die Zugriffszahlen der in vier<br />

Sprachversionen zur Verfügung stehenden<br />

Homepage seit dem letzten Relaunch verdoppelt<br />

haben und Bad Krozingen bei Google heute<br />

das weltweit mit Abstand am höchsten platzierte<br />

Herz-Zentrum ist. Der KlinikAward honoriert<br />

hervorragende Leistungen im Bereich<br />

Klinikmarketing und schafft Anreize für mehr<br />

Transparenz und Wettbewerb im Krankenhausmarkt.<br />

Seit 2006 wird die Auszeichnung<br />

jährlich von der rotthaus medical gmbh im<br />

Rahmen des Kongresses für Klinikmarketing<br />

verliehen.


34<br />

M e D I z I n<br />

ko M p et e n z<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Medizin<br />

2010<br />

Ohne Bauchschnitt<br />

Nahe am Menschen<br />

Diakoniekrankenhaus. Dank neuartiger Therapie ESD sind Schleimhauttumoren<br />

in Speiseröhre, Magen und Darm endoskopisch therapierbar<br />

Eigentlich erfolgte die Aufnahme<br />

des 75-jährigen Patienten<br />

im Evangelischen Diakoniekrankenhaus<br />

lediglich zur Abklärung<br />

einer Blutarmut. Zur Diagnostik wurde<br />

eine Magenspiegelung durchgeführt<br />

– dabei fiel ein Magengeschwür<br />

als wahrscheinlichste Blutungsquelle<br />

auf. Die bei der Spiegelung entnommenen<br />

Gewebeproben ergaben den<br />

Befund eines Magenfrühkarzinoms,<br />

das heißt eines noch auf die Magenschleimhaut<br />

beschränkten Magenkrebses.<br />

Innovation: Hybrid knife<br />

Glücklicherweise wurde der Tumor<br />

bereits in diesem frühen Stadium<br />

entdeckt, denn so konnte eine<br />

neuartige Therapie angewendet werden:<br />

die „endoskopische Submukosadissektion“<br />

(ESD). Bei diesem erst<br />

in wenigen Kliniken etablierten Verfahren<br />

können Tumoren vollständig<br />

über ein flexibles Endoskop entfernt<br />

werden, ohne dass hierfür ein Bauchdeckenschnitt<br />

erforderlich ist. Möglich<br />

wurde dies durch die Erfindung<br />

des „hybrid knife“, einer Kombination<br />

aus elektrischem Miniaturmesser<br />

und Wasserstrahldüse, durch die<br />

Schwäbische Tüftlerfirma Erbe. Die<br />

technische Innovation besteht darin,<br />

dass zentral aus der Messerspitze ein<br />

Wasserstrahl austritt, dessen Druck<br />

exakt so berechnet ist, dass die<br />

Schleimhaut zwar durchdrungen<br />

aber die tiefer liegende festere Muskelschicht<br />

nicht verletzt wird. Dadurch<br />

wird das zwischen diesen beiden<br />

Schichten liegende Gewebe<br />

(„Submukosa“) aufgespritzt.<br />

Das kranke Gewebe (insbesondere<br />

Schleimhauttumore, z.B. der<br />

Speiseröhre, des Magens und des<br />

Dickdarms) wird so auf eine Art Kissen<br />

aus Kochsalzlösung angehoben<br />

und kann sicher entfernt werden. Der<br />

endoskopische Eingriff wird durch<br />

modernste Technik (HDTV, NBI, etc.)<br />

unterstützt, um den Arzt bei diesem<br />

anspruchsvollen Eingriff optimal zu<br />

unterstützen. Für den Pathologen hat<br />

die ESD den Vorteil, dass er nur ein<br />

einziges Gewebepräparat erhält.<br />

Dem 75-jährigen Patienten blieb<br />

durch den erfolgreichen Einsatz des<br />

„hybrid knife“ eine Operation erspart.<br />

Bei der Kontrolluntersuchung<br />

zeigte sich, dass das krankhafte Gewebe<br />

vollständig entfernt werden<br />

konnte.<br />

n Evangelisches Diakoniekrankenhaus,<br />

Wirthstraße 11, 79110 Freiburg<br />

www.diakoniekrankenhaus-freiburg.de<br />

INNOVATIVE MEDIZIN UND EINFÜHLS<strong>AM</strong>E PFLEGE<br />

Viszeralmedizinisches Zentrum –<br />

Kompetenz für Magen-Darm-Erkrankungen<br />

Gastroenterologie und<br />

Viszeralchirurgie<br />

Die Kliniken für Innere Medizin<br />

und Allgemein-/Viszeralchirurgie<br />

bilden zusammen unser Viszeralmedizinisches<br />

Zentrum, in dem<br />

Bauchspezialisten eng zusammenarbeiten.<br />

Die enge Zusammenarbeit<br />

von spezialisierten Gastroenterologen<br />

und Viszeralchirurgen<br />

ermöglicht eine optimale Diagnose<br />

und Therapie sämtlicher Erkrankungen<br />

des Magen-Darm-Trakts<br />

inklusive der Bauchspeicheldrüse,<br />

der Leber sowie der Gallenblase<br />

und -wege.<br />

Den hocherfahrenen Ärzten stehen<br />

hierbei modernste technische<br />

Verfahren (z.B. HDTV/NBI) zur<br />

Verfügung. Die Patienten werden<br />

von einem konstanten Behandlungs-<br />

und Pflegeteam betreut.<br />

Innovation: "hybrid knife"<br />

Das Evangelische Diakoniekrankenhaus<br />

setzt als erstes Krankenhaus<br />

in Südbaden und als eine der<br />

ersten Kliniken bundesweit das<br />

innovative und hochmoderne<br />

„hybrid knife“-Verfahren ein. Mit<br />

diesem hochspezialisierten Verfahren<br />

können auch größere flache<br />

Läsionen bis hin zu Frühformen<br />

des Schleimhautkrebses komplett<br />

endoskopisch therapiert werden.<br />

Evangelisches Diakoniekrankenhaus • Wirthstraße 11 • 79110 Freiburg<br />

www.diakoniekrankenhaus-freiburg.de<br />

Gemeinsam erreichen wir mehr für Sie!<br />

Bei Störungen des Bewegungsaparates, Arthrose<br />

oder Osteoporose sind wir Ihr erster Ansprechpartner.<br />

Wir informieren Sie!<br />

Dr. Norman Biebow, Dr. Ansgar Böhm, Dr. Jörg Bosch, Dr. Joachim<br />

Bugger, Dr. Rolf Busenkell, Dr. Hubertus Drescher, Dr. Florian Drumm,<br />

Dr. Ralf Eckard, Dr. Frank Eger, Dr. Georg Eggensperger, Dr. Volkert Exner,<br />

Dr. Volker Fass, Dr. Edwin Feil, Dr. Bernd Friedrich, Dr. Hilmar Guderian,<br />

Dr. Joachim John, Dr. Michael Grolik, Dr. Frank Hackländer, Dr. Edgar Kaiser,<br />

Prof. Dr. Achim König, Dr. Claus Kolberg, Dr. Achim Lüth, Dr. Malte Natalis,<br />

Dr. Peter Ogon, Dr. Alexander Portnow, Dr. Karl Raeder, Dr. Hanno<br />

Saltenberger, Dr. Martin Schäper, Dr. Wolfgang Schareck, Dr. Helge Schmitz,<br />

Dr. Dr. Ekkehard Schreiber, Dr. Christian Schröter, Dr. Matthias Schürholz,<br />

Priv. Doz. Konrad Seller, Dr. Uwe Speck, Dr. Dieter Veith, Dr. Klaus Wätzig<br />

Wir kooperieren und setzen uns ein<br />

zum Nutzen unserer Patienten<br />

- damit Sie weiterhin optimal<br />

und wohnortnah versorgt werden können<br />

- um unsere gesammelte Kompetenz<br />

zum Wohl unserer Patienten zu bündeln<br />

-um Ihnen Arzttermine schnellstmöglich<br />

zur Verfügung zu stellen<br />

- damit Sie Zugang zu Spezialisten<br />

und qualifizierten Zweitmeinungen erhalten<br />

-damit Sie Zugang zu den neuesten<br />

Behandlungs- und Diagnosemethoden haben<br />

Sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen weiter.


Best of<br />

ZaS<br />

Medizin<br />

2010<br />

f I rFIRMENPORTRAIT M e n p o r t r a I t GESUNDHEIT<br />

M e D I z I n 35 19<br />

Behandlung aus einer Hand<br />

Zentrum für ambulante Diagnostik und Chirurgie. In der Freiburger Praxisklinik haben sich vier Fachärzte für Chirurgie<br />

und zwei Anästhesisten zusammengeschlossen. Synergien werden so erfolgreich genutzt.Von Barbara Breitsprecher<br />

Seit 17 Jahren gibt es die „Stühlinger-Klinik“,<br />

das Zentrum für<br />

ambulante Diagnostik und<br />

Chirurgie (ZADC) in der Stühlinger<br />

Straße 24. Vier Chirurgen, spezialisiert<br />

auf Hand- und Fußchirurgie,<br />

Unfallchirurgie, Venenchirurgie und<br />

Hernienchirurgie sowie auf kinderchirurgische<br />

Operationen, haben sich<br />

hier mit zwei Anästhesisten zu einer<br />

Praxisgemeinschaft zusammengeschlossen.<br />

Fotos: privat<br />

Wir wünschen unseren Patienten und ärztlichen<br />

Kollegen ein fröhliches Weihnachtsfest<br />

und einen gesunden Start ins neue Jahr<br />

Großzügiger Eingangsbereich: Die Praxisklinik im Stühlinger steht allen<br />

Kassen- und Privatpatienten offen. Vier Fachärzte für Chirurgie und zwei<br />

Anästhesisten arbeiten hier als festes Team konstruktiv zusammen.<br />

Stationäre Privatklinik: Wenn eine Operation einen stationären Aufenthalt<br />

erfordert, gibt es Betten für Privatpatienten oder bei integrierter Versorgung<br />

Hinzu kommen eine ganze Reihe<br />

von Fachärzten, die regelmäßig im<br />

ZADC operieren, darunter mehrere<br />

Orthopäden, ein Spezialist für Hals-<br />

Nasen- und Ohrenheilkunde, ein<br />

Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg<br />

sowie Fachärzte für Urologie, Gynäkologie<br />

und Plastische Chirurgie. In<br />

der Regel wird ambulant operiert,<br />

wobei die Praxisklinik allen Kassenund<br />

Privatpatienten offen steht. Es<br />

stehen aber auch vier stationäre Betten<br />

zur Verfügung, für Privatpatienten<br />

und bei einer integrierten Versorgung,<br />

die einige Krankenkassen<br />

anbieten.<br />

Das Spektrum der Praxisklinik<br />

umfasst nahezu alle Operationen und<br />

bietet dabei den großen Vorteil, dass<br />

der Patient eine Behandlung komplett<br />

aus einer Hand erfährt. „Der Facharzt<br />

oder die Fachärztin sieht seine Patienten<br />

am ersten und am letzten<br />

Tag“, beschreibt Geschäftsführerin<br />

Christiane Engstfeld den vertrauensvollen<br />

Umgang im Stühlinger Zentrum<br />

für ambulante Diagnostik und<br />

Chirurgie, „und übernimmt selbst die<br />

Operation.“ Auch für die Nachbehandlung<br />

steht der vertraute Facharzt<br />

zur Verfügung.<br />

Die Praxisklinik bietet Klinikstandard<br />

mit modernsten Geräten und<br />

verfügt über ein zertifiziertes Qualitätmanagment.<br />

Nahezu alle Operationen<br />

können hier übernommen<br />

werden. Gerade in der Handchirurgie<br />

hat sich das ZADC einen herausragenden<br />

Ruf erworben, wird hier doch<br />

seit Jahren routiniert und erfahren<br />

operiert. Darunter fällt beispielsweise<br />

häufig das sogenannte Springfinger-<br />

Syndrom oder die Karpaltunnel-OP.<br />

Täglich wird in der „Stühlinger-<br />

Klinik“ operiert, fünf Tage pro Woche.<br />

Sehr häufig Leistenbrüche, Frakturen<br />

und kinderchirurgische Operationen,<br />

aber auch Implantationen<br />

von künstlichen Finger- und Handgelenken.<br />

Auch Fuß-OPs stehen dabei<br />

ebenfalls auf der Tagesordnung.<br />

So sind die Experten des ZADCs beispielsweise<br />

auf den Hallux Valgus<br />

spezialisiert, der sogenannten Schiefzehe.<br />

Eine Spezialisierung hat sich die<br />

Praxisklinik auch bei Operationen<br />

von Säuglingen erworben. Nicht selten<br />

kommt es bereits unmittelbar<br />

nach der Geburt zu eingeklemmten<br />

Leistenbrüchen. Und auch notwendige<br />

Hodenoperationen werden innerhalb<br />

des ersten Lebensjahres vorgenommen,<br />

damit es später nicht zu<br />

Fruchtbarkeitsstörungen kommt. Bei<br />

all diesen Operationen wie auch beim<br />

Eingriff bei Vorhautverengung, können<br />

Eltern ihre Kinder bis zur Einleitung<br />

der Narkose begleiten. Unmittelbar<br />

nach der OP sind sie dann<br />

wieder bei ihnen im Aufwachraum.<br />

Stehen mehrere Operationen an,<br />

werden diese auch gerne zusammengelegt,<br />

um dem Kind eine zusätzliche<br />

Narkose zu ersparen.<br />

Eindeutig gibt es einen Trend zu<br />

ambulanten Operationen. Wenngleich<br />

in Deutschland der Anteil mit<br />

36 Prozent noch relativ gering ist im<br />

Vergleich zu den USA oder Skandinavien,<br />

wo bereits mehr als 80 Prozent<br />

aller Operationen ambulant erfolgen.<br />

Gerade ältere Menschen und<br />

Kinder erholen sich nachweislich<br />

schneller in häuslicher Umgebung.<br />

Und ein weiterer Faktor spricht für<br />

ambulante Operationen: Die Infektionsgefahr<br />

ist wesentlich geringer<br />

als bei stationären Klinikaufenthalten.<br />

Typische Krankenhausviren sind<br />

in ambulanten Praxiskliniken kein<br />

Thema. Das Zentrum für ambulante<br />

Diagnostik und Chirurgie betreibt regelmäßige<br />

Studien zur Selbstkontrolle,<br />

was mögliche Wundinfektionen<br />

nach einer OP angeht. Demnach betrug<br />

die Infektionsrate im ZADC in<br />

den vergangenen fünf Jahren weit<br />

unter einem Prozent.<br />

Häufig wird nach Unfällen in<br />

Kindergärten oder Schulen die Stühlinger<br />

Praxisklinik angesteuert. Jeden<br />

Tag in der Woche steht einer der<br />

Fachärzte ausschließlich für Notfälle<br />

zur Verfügung. Es gibt durchaus Zeiten,<br />

so Christiane Engstfeld, an denen<br />

es fünf Platzwunden, mehrere Frakturen<br />

und Schnittverletzungen<br />

hintereinander zu versorgen gilt.<br />

Insgsamt werden in der Praxisklinik<br />

über 6000 Operationen im Jahr vorgenommen,<br />

30 bis 40 pro Tag.<br />

Als die Praxisklinik vor 17 Jahren<br />

ihre Arbeit aufnahm, waren hier 14<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt.<br />

Heute sind es 55. Hierzu<br />

gehören auch derzeit neun Azubis,<br />

die in dem Ausbildungsbetrieb zu<br />

medizinischen Fachangestellten ausgebildet<br />

werden. Außerdem sind immer<br />

mehrere Ärzte in Weiterbildung<br />

tätig. Das Zentrum für ambulante Diagnostik<br />

und Chirurgie verteilt sich<br />

über drei Stockwerke: Im Erdgeschoss<br />

befindet sich die Ambulanz,<br />

im Untergeschoss sind fünf OP-Räume<br />

sowie 20 Aufwachbetten und im<br />

ersten Obergeschoss Verwaltung und<br />

Privatklinik mit stationärem Bereich.<br />

Durch Tiefgarage und Parkdeck verfügt<br />

das ZADC über ausreichend eigene<br />

Parkplätze am Haus.<br />

Für den Fall, dass ein Patient<br />

nach einer als ambulant geplanten<br />

Operation doch noch nicht gleich<br />

nach Hause entlassen werden kann,<br />

arbeitet das ZADC in enger Kooperation<br />

mit dem Regionalverbund<br />

Kirchlicher Krankenhäuser. Solch ein<br />

Patient wird dann beispielsweise stationär<br />

ins Josefskrankenhaus verlegt.<br />

■ Zentrum für ambulante Diagnostik<br />

und Chirurgie, Stühlingerstr. 24,<br />

79106 Freiburg, Tel. 0761/388000;<br />

www.zadc.de<br />

Von Anfang an<br />

mit dabei:<br />

ZADC-Geschäftsführerin<br />

Christiane<br />

Engstfeld<br />

DAS ÄRZTE-TE<strong>AM</strong><br />

Dr. med. Christoph Jaschke:<br />

Facharzt für Chirurgie und Facharzt<br />

für Unfallchirurgie; Fußchirurgie<br />

sowie Sport- und Tauchmedizin<br />

Dr. med. Hans-Joachim Krüger:<br />

Facharzt für Chirurgie; Handchirurgie,<br />

Fußchirurgie, Proktologie<br />

und Sportmedizin<br />

Dr. med. Klaus Lowka: Facharzt<br />

für Chirurgie, Handchirurgie<br />

Dr. med. Anja Mörder: Fachärztin<br />

für Chirurgie und Fachärztin<br />

für Viszeralchirurgie; Hernienchirurgie,<br />

Venenchirurgie, Proktologie<br />

und kinderchirurgische Operationen<br />

Dr. med. Jürgen Lambert: Facharzt<br />

für Anästhesiologie; Notfallmedizin<br />

Dr. med. Stefan Thomas Lorenz:<br />

Facharzt für Anästhesiologie;<br />

Notfallmedizin und spezielle<br />

Schmerztherapie


36<br />

M e d i z i n<br />

a n z e i g e n<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Medizin<br />

2010<br />

M o d e r n e M e d i z i n<br />

Hyperbare Sauerstofftherapie hilft vielfältig<br />

Bei Hörstörungen, Knochenerkrankungen<br />

und nicht heilenden<br />

Wunden kann die hyperbare<br />

Sauerstofftherapie helfen.<br />

Die hyperbare Sauerstofftherapie<br />

(HBO) hat ihre Ursprünge in der<br />

Tauchmedizin, wo sie schon seit<br />

Jahrzehnten weltweit Standard bei<br />

Tauchunfällen ist; ebenso in der<br />

Notfallmedizin bei Rauchgasvergiftungen.<br />

Mit ihrer nachhaltigen Wirkungsweise<br />

auf den ganzen Körper<br />

eröffnet sie heute indes neue Chancen<br />

bei vielen anderen Indikationen.<br />

Morbus Ahlbäck, nicht heilende, offene<br />

Wunden, z.B. beim Diabetiker, Bestrahlungsspätfolgen,<br />

z.B. Strahlenzystitis<br />

und Strahlenproktitis, Fazialisparese,<br />

Migräne, Retinitis<br />

pigmentosa – experimentell: chronische<br />

Borreliose.<br />

Druckkammerzentrum Freiburg<br />

GmbH und HBO2-Tagesklinik –<br />

Habsburgerstr.116, 79104 Freiburg<br />

061/38 20 18 · 24-h-Hotline<br />

0170/20 26 111 ·<br />

www.hbo-freiburg.de<br />

Sauerstoff als Medikament: Was ist<br />

das Neue an der hyperbaren Sauerstofftherapie?<br />

Normobarer Sauerstoff, also die Atmung<br />

von Sauerstoff unter normalen<br />

Bedingungen, wird hauptsächlich zur<br />

Beatmung bzw. zur Sicherung der<br />

Atemvorgänge eingesetzt. Der Körper<br />

erhält so geringfügig mehr Sauerstoff<br />

als ohnehin. Bei der HBO dagegen<br />

wird Sauerstoff unter Überdruckbedingungen,<br />

also „hyperbar“, in einer<br />

Therapiedruckkammer eingeatmet.<br />

Dadurch löst er sich um ein vielfaches<br />

im Blut. Das entstehende Überangebot<br />

an Sauerstoff im Körper wirkt sich<br />

positiv auf Sinnes- und Knochenzellen,<br />

Gewebe und Kapillaren aus und<br />

führt so zu ihrer Regeneration. Unter<br />

allen Sauerstofftherapien erzeugt<br />

ausschließlich die HBO diese Wirkung.<br />

Bis zum heutigen Tage wurden international<br />

etwa 3.500 Studien zu dieser<br />

Behandlungsmethode durchgeführt.<br />

Die vielseitigen Vorteile der<br />

HBO sind damit sehr genau bekannt<br />

und belegt. Es gibt wenige Therapien<br />

mit einem vergleichbaren Behandlungsspektrum,<br />

beispielsweise Hörstörungen,<br />

wie Schalltrauma, Hörsturz<br />

oder akuter Tinnitus, Knocheninfektionen,<br />

z.B. Kieferosteomyelitis,<br />

Knochenmarködemsyndrome an<br />

Schulter, Hüfte, Knie, Fuß, etwa bei<br />

HBO im Blick<br />

Hyperbare Sauerstofftherapie -<br />

Hilfe bei:<br />

– akutem / subakutem Hörsturz<br />

– akutem Tinnitus<br />

– chronischer Wunde,<br />

diabetischem Fußsyndrom<br />

– Knochennekrose,<br />

Knochenmarködem<br />

– Strahlenfolgen,<br />

Cystitis, Proktitis<br />

Sauerstofftherapie:<br />

mit Druck erfolgreich<br />

Druckkammerzentrum Freiburg GmbH<br />

Habsburgerstr. 116, 79104 Freiburg<br />

0761/382018<br />

www.hbo-freiburg.de<br />

Silvester 2010 / 2011<br />

Haben Sie schon geplant?<br />

Nein?!<br />

Dann verbringen Sie doch eine Silvesterwoche bei uns im schönen Allgäu vom 27.12.2010 bis zum 2.1.2011<br />

Folgende Leistungen sind enthalten:<br />

• Unterbringung in Doppel- oder Einzelzimmer mit<br />

Dusche und WC, Vollpension<br />

• Besuch unserer Saunalandschaft (1 freier Eintritt)<br />

• Freier Eintritt im Schwimmbad<br />

• Wassergymnastik 2 x<br />

• Hydrojet 1 x<br />

• Entspannungsgymnastik 4 x<br />

• Weitere Therapien sind gegen Bezahlung möglich.<br />

Und als festliches Rahmenprogramm<br />

bieten wir Ihnen:<br />

• Festbuffet am Silvesterabend<br />

• Silvesterball 2008<br />

• Feuerwerk<br />

Beratung und Buchung: Tel.: 07562-75155<br />

Email: u.benk@rehaklinik-ueberruh.de<br />

Unterbringung im Doppelzimmer € 449 (pro Person)<br />

Einzelzimmerzuschlag € 50 (pro Person)<br />

Verlängerungswoche € 400 (pro Person)<br />

Unterbringung im Appartement € 499 (pro Person)<br />

Rehaklinik Überruh<br />

88316 Isny / Bolsternang<br />

www.rehaklinik-ueberruh.de


Best of<br />

ZaS<br />

Medizin<br />

2010<br />

ko M p et e n z M e d i z i n 37<br />

Große Investitionen<br />

Kreiskrankenhaus<br />

Emmendingen<br />

Das Gesundheitszentrum für die Region<br />

Wir informieren Sie gerne und kompetent<br />

bei allen Fragen zu unseren Abteilungen:<br />

• Innere Medizin<br />

• Allgemein- und Bauchchirurgie<br />

• Unfallchirurgie- und Orthopädie<br />

• Gynäkologie und Geburtshilfe<br />

• Anästhesie, Intensivmedizin<br />

und Schmerztherapie<br />

•Röntgendiagnostik<br />

•Urologie<br />

• Phlebologie (Krampfaderleiden)<br />

•HNO<br />

Gartenstraße 44, 79312 Emmendingen, Telefon 07641/454-2201,<br />

Telefax 07641/454-2520, info@krankenhaus-emmendingen.de<br />

www.krankenhaus-emmendingen.de<br />

Kreiskrankenhaus Emmendingen investiert in Ausbau und Modernisierung<br />

Der erste Schritt der Erweiterung<br />

und Modernisierung<br />

des<br />

Kreiskrankenhauses Emmendingen<br />

ist bereits abgeschlossen:<br />

Am 19. Januar 2010<br />

konnten drei neue Räume in<br />

der Intensivstation eingeweiht<br />

werden. Sie sind die erste<br />

Etappe eines umfangreichen<br />

baulichen Gesamtkonzeptes,<br />

mit dem das Kreiskrankenhaus<br />

Emmendingen seine Stellung<br />

als Gesundheitszentrum für die<br />

Region ausbauen will. In den<br />

nächsten beiden Jahren soll<br />

außerdem der Kreißsaalbereich<br />

völlig neu gestaltet und als<br />

größtes Projekt ein Anbau gemeinsam<br />

mit dem Zentrum für<br />

Psychiatrie Emmendingen<br />

(ZPE) realisiert werden.<br />

Das Kreiskrankenhaus, dessen Träger<br />

der Landkreis Emmendingen ist, wurde<br />

1977 in Betrieb genommen. Auf<br />

Grund der stark gestiegenen Patientenzahlen<br />

besteht ein erheblicher<br />

räumlicher Erweiterungsbedarf. Deshalb<br />

wurde ein bauliches Investitionspaket<br />

von 20 Millionen Euro geschnürt.<br />

Das Sozialministerium hat<br />

eine Förderung von rund neun Millionen<br />

Euro zugesagt.<br />

Foto: Landratsamt Emmendingen – Ulrich Spitzmüller<br />

EINWEIHUNG DER INTENSIVSTATION. (von links nach<br />

rechts): Helmut Schillinger (Geschäftsführer des<br />

Kreiskrankenhauses Emmendingen), Prof. Dr. Peter<br />

Schmieg (PEG-Planungsgesellschaft, ), die Kreistagsfraktionsvorsitzenden<br />

Fritz Schlotter (Freie Wähler),<br />

Hermann Jäger (SPD) und Karl-Heinz Beck (CDU),<br />

Landrat Hanno Hurth, SPD-Kreisrat Matthias<br />

Hirschbolz, Dr. Bernd Nebel (Chefarzt der Abteilung<br />

für Intensivmedizin und Anästhesie) und Regierungspräsident<br />

Julian Würtenberger.<br />

Da die Bauarbeiten während des<br />

laufenden Krankenhausbetriebes erfolgen,<br />

wurde ein ausgeklügeltes<br />

Konzept entwickelt, um die Beeinträchtigung<br />

für die Patienten und das<br />

Personal zu minimieren.<br />

Auf der Geburtenstation werden<br />

bis Herbst drei neue Kreißsäle gebaut<br />

und danach die Wöchnerinnenstation<br />

umgestaltet. Dadurch entsteht mehr<br />

Platz und erheblich mehr Komfort für<br />

die werdenden Eltern. Das Kreiskrankenhaus<br />

verfügt über die<br />

einzige Geburtenstation<br />

im Landkreis Emmendingen.<br />

Jährlich kommen dort<br />

rund 700 Kinder auf die<br />

Welt.<br />

Im Sommer 2010 erfolgt<br />

der Spatenstich für<br />

das größte Investitionsprojekt:<br />

Gemeinsam mit dem<br />

Zentrum für Psychiatrie<br />

Emmendingen (ZPE) entsteht<br />

ein fünfgeschossiger<br />

Neubau. Das Kreiskrankenhaus<br />

richtet darin zwei<br />

neue Stationen mit 48 Betten<br />

ein, das ZPE betreibt<br />

dort künftig die Abteilung<br />

für Psychotherapeutische<br />

Medizin mit 18 Betten. Das<br />

Bauprojekt soll Ende 2011<br />

fertig gestellt sein.<br />

Im Kreiskrankenhaus mit seinen<br />

278 Betten werden jährlich rund<br />

12.000 Patienten stationär aufgenommen<br />

und 20.000 Patienten ambulant<br />

behandelt. Mit seinen 600 Beschäftigten<br />

– davon 250 Pflegekräfte<br />

und 70 Ärzte – zählt die Einrichtung<br />

zu den größten Arbeitgebern im<br />

Landkreis Emmendingen. Das Kreiskrankenhaus<br />

ist akademisches Lehrkrankenhaus<br />

der Albert-Ludwigs-<br />

Universität in Freiburg.


38<br />

M E d i Z i n<br />

F i r M E n p o r T r a i T<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Medizin<br />

2010<br />

Zirkon macht glücklich<br />

Wolf Zahntechnik, die Spezialisten für höchste Zahnästhetik. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeiten Kronen,<br />

Brücken und Implantate, die durch ihre Schönheit Selbstbewusstsein und Wohlbefinden steigern. Von Barbara Breitsprecher<br />

Ein eingespieltes Team, das gerne zusammen arbeitet: Von den 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Wolf Zahntechnik sind etliche schon seit über 20 Jahren im Betrieb tätig.<br />

Hinter der auffallenden Fassade im Gewerbegebiet Haid verbirgt sich<br />

das moderne Dentallabor Wolf Zahntechnik.<br />

Virtuelles Können am Computer und handwerkliche Fertigkeiten<br />

gehören heute zu den Anforderungen an den Zahntechnikermeister.<br />

Verstehen sich gut: Vater Ulrich Wolf und Sohn Stefan Wolf, beide Zahntechnikermeister,<br />

sind Geschäftsführer und Inhaber von Wolf Zahntechnik.<br />

Schaut man sich Fotos aus früheren<br />

Zeiten an, dann fehlt in<br />

den Gesichtern der Menschen<br />

zumeist das Lächeln. Schuld waren<br />

nicht unbedingt entbehrungsreiche<br />

Zeiten, sondern einfach die schlechten<br />

Zähne, die man nicht zeigen wollte.<br />

Das ist heute glücklicherweise anders.<br />

Grundsätzlich kann inzwischen jeder<br />

ansprechend schöne Zähne haben, für<br />

ein sympathisches Lächeln und einen<br />

selbstbewussten Auftritt.<br />

Dafür sorgen auch Zahntechniker<br />

wie Stefan und Ulrich Wolf, zusammen<br />

mit ihren 23 zumeist langjährigen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.<br />

Zunächst ist da der<br />

Zahnarzt, das Bindeglied zwischen<br />

Patient und Zahnlabor. Er vergibt die<br />

zahntechnischen Arbeiten. Zwischen<br />

Wolf Zahntechnik und zahlreichen<br />

Zahnärzten in einem großen Gebiet<br />

von Bad Bellingen über Freiburg, Baden-Baden,<br />

bis nach Sindelfingen<br />

und Stuttgart, besteht ein zuverlässiges<br />

Netzwerk.<br />

Vom modernen Zahntechniker<br />

wird sowohl handwerkliches Geschick<br />

als auch Können am Computer<br />

gefordert. Gerade die Arbeit mit<br />

dem neuen CAD/C<strong>AM</strong>-Gerät erfordert<br />

spezielles Geschick, verschafft<br />

den Zahntechnikern aber gleichzeitig<br />

mehr Zeit für den entscheidenden<br />

Feinschliff am künstlichen Zahn.<br />

Jede Arbeit, die im Labor und der<br />

Werkstatt von Wolf Zahntechnik<br />

entsteht, ist ein Unikat. Wahre Künstler<br />

sind hier am Werk. Von Hand<br />

wird schichtweise die Keramik aufgetragen<br />

und individuell farblich den<br />

natürlichen Zähnen angepasst.<br />

Eine ausführliche, persönliche<br />

Beratung wird bei Wolf Zahntechnik<br />

ganz groß geschrieben. Die Patienten<br />

können ins Labor auf der Haid kommen<br />

und sich über die verschiedenen<br />

Optionen und Materialien informieren.<br />

Je mehr Informationen umgekehrt<br />

der Zahntechniker hat, desto<br />

persönlicher und passender kann er<br />

den Zahnersatz schaffen. Fand zuvor<br />

eine Begegnung von Gesicht zu Gesicht<br />

statt, sagt Zahntechnikermeister<br />

Stefan Wolf , wird das Ergebnis<br />

am stimmigsten.<br />

Zusammen mit seinem Vater Ulrich<br />

Wolf, der sich nach langjähriger<br />

Tätigkeit als Laborchef 1988 selbstständig<br />

machte, leitet Stefan Wolf<br />

heute den Betrieb. „Wir verstehen<br />

uns gut“, sagt Stefan Wolf, und die<br />

entspannte Atmosphäre im Zahnlabor<br />

bestätigt das. Beide sind Zahntechnikermeister,<br />

beide haben den<br />

Blick zur Werkbank nicht verloren.<br />

Nach wie vor sind sie Teil des Teams,<br />

auch wenn es sich ums Fertigen von<br />

Zahnersatz handelt. „So geht uns der<br />

Zugang zur eigentlichen Arbeit nicht<br />

verloren“, weiß Stefan Wolf, der auch<br />

am Bildschirm Kronen und Brükkengerüste<br />

virtuell konstruiert. Die<br />

fertigen Daten werden an die neue<br />

Fräsmaschine geschickt, die die Kronen<br />

und Brückengerüste entsprechend<br />

der Computerdaten herausfräst,<br />

bevor sich dann die Zahntechniker<br />

mit ihrer Kunstfertigkeit und<br />

Erfahrung damit beschäftigen.<br />

Einer der Schwerpunkte von<br />

Wolf Zahntechnik sind Implantate.<br />

Hierbei schwört Stefan Wolf auf die<br />

Kombination aus Titan und Zirkon<br />

als Oberstoff. Beide Stoffe reagieren<br />

nicht miteinander und sind komplett<br />

bio-verträglich. Überhaupt ist dieses<br />

Zirkonoxid fast schon ein Wunderstoff.<br />

Diese Hochleistungskeramik,<br />

auch „keramischer Stahl“ genannt,<br />

findet wegen ihrer hohen Belastbarkeit<br />

sogar in der Raumfahrt ihre Anwendung.<br />

Es ist eines der ältesten<br />

Mineralien in der Erdkruste und entspricht<br />

am ehesten dem natürlichen<br />

Knochenmaterial.<br />

Zirkon ist absolut gewebeverträglich,<br />

löst keine Allergien aus und<br />

ist elektrisch nicht leitend. Als weitere<br />

äußerst positive Eigenschaft<br />

zeigt ein Zirkonzahn eine hohe<br />

Lichtdurchlässigkeit und ist individuell<br />

in der übrigen Zahnfarbe der<br />

Patienten einfärbbar. So entsteht ein<br />

natürlicher und höchst ästhetisch-<br />

Modernste Geräte: Mit der neuen<br />

CAD/C<strong>AM</strong> werden vollautomatisch<br />

Kronen und Brücken hergestellt.<br />

schöner Eindruck. Da die Zähne aus<br />

Zirkon absolut metallfrei sind, gibt es<br />

auch keine dunklen Ränder.<br />

Für Stefan Wolf hat ein solches<br />

Gebiss eine hohe Wertigkeit. Mit der<br />

hervorragenden Ästhetik wird das<br />

Selbstbewusstsein gesteigert, ebenso<br />

aber auch das allgemeine Wohlbefinden,<br />

nicht zuletzt durch den unbekümmerten<br />

Essensgenuss, der damit<br />

wieder möglich wird.<br />

n Wolf Zahntechnik, Burk heimer<br />

Straße 2, Freiburg, Gewerbegebiet<br />

Haid, Tel. 0761/455380;<br />

www.zahn-wolf.de<br />

Künstlerische Handarbeit: Die<br />

Kronen werden vom Zahntechniker<br />

mit Keramik von Hand verblendet.


ü C K B l i C K r E C H T 39<br />

i M p r E S S U M<br />

Juristischer Rückblick<br />

auf das Jahre 2010<br />

die rechtsanwälte Dr. Einhaus und Partner haben in allen Fachbereichen<br />

ein interessantes und erfreuliches Jahr 2010 erlebt. Besonders auffällig ist die<br />

weitere Europäisierung in allen Rechtsgebieten. Von Dr. David Einhaus<br />

Das Jahr 2010 brachte dem<br />

Fachanwalt für Handels- und<br />

Gesellschaftsrecht, Dr. David<br />

Einhaus, die ersten vollstreckbaren Europäischen<br />

Leistungsbefehle, beruhend<br />

auf dem bereits Ende 2008 in<br />

Kraft getretenen Europäischen Mahnverfahren.<br />

Den Leistungsbefehlen<br />

wurde erstaunlicherweise vom<br />

Schuldner bislang nie widersprochen<br />

und sie wurden im Ausland vorbehaltslos<br />

vollstreckt.<br />

behördliche Entscheidungen auch in<br />

Deutschland vollstreckt werden,<br />

wenn sie aus anderen Staaten stammen.<br />

In sogenannten Bagatellverfahren<br />

konnten von verschiedenen Anwälten<br />

der Kanzlei anhand der neuen<br />

Small-Claims-EU-Verordnung die<br />

ersten Urteile problemlos erwirkt<br />

werden, wobei die Vollstreckung nun<br />

für 2011 ansteht.<br />

Rechtsanwältin Dr. Julia Maurer,<br />

frisch gebackene Fachanwältin für<br />

Miet- und Wohnungseigentumsrecht,<br />

berichtet von einem praxisrelevanten<br />

Urteil des Bundesgerichtshofs,<br />

nachdem Vermieter vor einer<br />

eigenmächtigen Räumung ohne<br />

Räumungsurteil und Gerichtsvollzieher<br />

gewarnt werden müssen, weil<br />

hohe Schadensersatzansprüche des<br />

Mieters drohen. Hier ist die Beweislast<br />

zugunsten des Mieters umgekehrt<br />

worden.<br />

Rechtsanwältin Dr. Maurer hat in ihrem<br />

Referat auch durch die Reform<br />

des Urheberrechtsrechts mit einem<br />

erheblichen Anstieg von File-Sharing-Fällen<br />

zu tun. Diese Streitigkeiten<br />

können in der Regel durch positive<br />

Vergleiche außergerichtlich erledigt<br />

werden.<br />

Rechtsanwältin Catherine Stutz berichtet<br />

aus ihrem Referat Arbeitsrecht<br />

von besonders praxisrelevanten<br />

Gerichtsurteilen: Hervorzuheben<br />

ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs,<br />

mit dem das deutsche<br />

Kündigungsschutzgesetz insoweit<br />

als rechtswidrig beurteilt wurde, als<br />

dass die Dauer einer Betriebszugehörigkeiten<br />

vor dem 25. Lebensjahr<br />

bei den Kündigungsfristen nicht berücksichtigt<br />

wurde.<br />

In der Rechtsprechung gab es außerdem<br />

eine Kehrtwende zur Zulässigrechtsanwalt<br />

Dr. David Einhaus<br />

Rechtsanwalt Emiliano Santeusanio<br />

berichtet aus dem Verkehrsrecht: Im<br />

Jahre 2010 konnte vermehrt von der<br />

Rechtsprechung und einer Europäischen<br />

Richtlinie geschaffenen Möglichkeit<br />

Gebrauch gemacht werden,<br />

die ausländische Versicherung am<br />

Wohnsitz des Geschädigten (in<br />

Deutschland) zu verklagen, obgleich<br />

der Unfall sich im Ausland ereignet<br />

hatte.<br />

Am 28.10.2010 ist das Gesetz zur europaweiten<br />

Vollstreckung von Geldstrafen<br />

und Geldbußen in Kraft getreten.<br />

Nun können gerichtliche und<br />

rechtsanwalt<br />

Emiliano Santeusanio<br />

keit der Tarifpluralität, was bedeutet,<br />

dass in einem Betrieb mehrere Tarifverträge<br />

Anwendung finden können.<br />

Seniorpartner Rechtsanwalt Bernd<br />

Einhaus, Fachanwalt für Familienrecht<br />

und für Erbrecht sowie zertifizierter<br />

Testamentsvollstrecker, weist<br />

rechtsanwältin<br />

<br />

Catherine Stutz<br />

<br />

schließlich im Rückblick auf eine<br />

deutliche Klarstellung im Recht des<br />

Elternunterhalts durch den Bundesgerichtshof<br />

hin, der zufolge die Berechnung<br />

der Unterhaltszahlungsverpflichtung<br />

der volljährigen Kinder<br />

gegenüber ihren Eltern deutlich<br />

erleichtert wurde.<br />

Warum<br />

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