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6<br />

p o l i t i k<br />

N o B e l p r e i s f ü r o B a m a<br />

Best of<br />

ZaS<br />

Januar<br />

2010<br />

Nach dem vereitelten Attentat<br />

auf ein US-Passagierflugzeug<br />

gerät der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger<br />

Barack Obama<br />

zunehmend unter Druck. Der Freiburger<br />

Politologe Christoph Besemer, Mitarbeiter<br />

der Werkstatt für Gewaltfreie<br />

Aktion Baden, zeigt sich im Gespräch<br />

mit Barbara Breitsprecher überzeugt,<br />

dass es falsch ist, Kriege zu rechtfertigen,<br />

und dass Frieden zu schaffen auch<br />

ohne Gewalt möglich ist.<br />

Zeitung am Samstag: Mit dem Friedensnobelpreis<br />

für Obama hatte niemand<br />

gerechnet.Sie wahrscheinlich<br />

am allerwenigsten.<br />

Christoph Besemer: Es gibt viele<br />

Gründe, Obama zu schätzen und ihn<br />

zu ermutigen. Mit diesem Preis ist das<br />

aber gründlich daneben gegangen.<br />

Obama ist in erster Linie Patriot, kein<br />

Kriegsgegner. Er hat immer wieder<br />

betont, dass er Krieg für wichtig hält,<br />

um sein Land zu beschützen.<br />

ZaS: Obama hält Krieg in bestimmten<br />

Fällen für gerechtfertigt. Wie sehen<br />

Sie das?<br />

Besemer: Das ist ein altes Argument<br />

und verbreitetes Denken. Wirklich<br />

neu ist dagegen die Haltung von<br />

Martin Luther King und Gandhi,<br />

nämlich dass man Frieden mit friedlichen<br />

Mitteln erreichen sollte. Seitdem<br />

ist in dieser Richtung schon viel<br />

passiert. Denken Sie nur an den Zusammenbruch<br />

des Warschauer<br />

Pakts, der ja zum großen Teil durch<br />

friedliche Revolutionen stattgefunden<br />

hat. Obwohl man zuvor immer<br />

gesagt hatte, es sei noch nie ein<br />

Weltreich ohne Krieg abgetreten.<br />

ZaS: Obama will eine<br />

friedliche Welt ohne<br />

Atomwaffen, gleichzeitig<br />

schickt er weitere<br />

Soldaten nach Afghanistan<br />

und rückt<br />

den Jemen in den Fokus<br />

der Anti-Terror-<br />

Bekämpfung. Ist das<br />

folgerichtig oder ein Widerspruch?<br />

Besemer: Obamas Absicht und Rhetorik<br />

ist sehr löblich, nur folgen da<br />

keine Taten, beziehungsweise sprechen<br />

die Taten eine andere Sprache.<br />

Die USA haben derzeit den größten<br />

Rüstungshaushalt ihrer Geschichte.<br />

Das spricht so offensichtlich gegen<br />

die Idee eines Friedensnobelpreises.<br />

Foto: Achim Keller<br />

„Obama ist in<br />

erster Linie<br />

Patriot, kein<br />

Kriegsgegner“<br />

„Es geht darum, Werte<br />

gewaltlos zu verteidigen“<br />

Der Politologe Christoph Besmer über Krieg und Gewaltlosigkeit<br />

ZaS: Wer hätte denn den Preis eher<br />

verdient?<br />

Besemer: Es wurde beispielsweise Zapatero,<br />

der spanische Ministerpräsident,<br />

genannt, der nach den Terroranschlägen<br />

in Spanien 2004 eine andere<br />

Politik betrieben hat, auf die<br />

islamischen Länder<br />

zugegangen ist und<br />

die spanischen Truppen<br />

aus dem Irak abgezogen<br />

hat. Aber<br />

auch Basisbewegungen,<br />

wie die Gruppe<br />

Avaaz hätten den<br />

Preis verdient, die via<br />

Internet sehr engagiert für eine gerechte,<br />

demokratische Welt ihre Stimme<br />

erhebt und Menschen mobilisiert.<br />

In Kopenhagen hat Avaaz Millionen<br />

von Unterschriften für ehrgeizigere<br />

Klimaziele überreicht.<br />

ZaS: Räumen Sie solch einer Initiative<br />

eine echte Chance auf einen Friedensnobelpreis<br />

ein?<br />

Besemer: Auch Gandhi hat nie den<br />

Friedensnobelpreis erhalten. Die Vergabe<br />

richtet sich stark danach, was<br />

ins Konzept der Nato passt.<br />

ZaS: Obama hat in seiner Rede zur<br />

Preisverleihung argumentiert, Hitler<br />

hätte ohne Gewalt und Krieg nie gestoppt<br />

werden können.<br />

Besemer: Es gibt viele Beispiele, wo<br />

offener, ziviler und gewaltloser<br />

Widerstand im nationalsozialistischen<br />

Deutschland Polizei und Soldaten<br />

gestoppt hat. Der französische Historiker<br />

Jacques Semelin nennt in seiner<br />

Studie „Ohne Waffen gegen<br />

Hitler“ über 40 Beispiele.<br />

ZaS: Glauben Sie, der Holocaust hätte<br />

gewaltfrei gestoppt werden können?<br />

Besemer: Es gab neben den Ländern,<br />

in denen Juden deportiert und ermordet<br />

wurden, auch Länder wie Dänemark,<br />

Finnland und Rumänien sowie<br />

Bulgarien, wo nahezu alle Juden gerettet<br />

wurden. Der Autor Gabriele Nissim<br />

hat in seinem Buch „Der Mann,<br />

der Hitler stoppte“ über die Zivilcourage<br />

in Bulgarien geschrieben, durch<br />

die die Deportation der Juden dort gestoppt<br />

und die antisemitische Gesetzgebung<br />

niedergeschlagen wurde. In<br />

Berlin konnten 2000 jüdische Männer<br />

durch den friedlichen Widerstand ihrer<br />

Ehefrauen gerettet<br />

werden, darüber berichtet<br />

auch der Historiker<br />

Nathan Stoltzfus<br />

in seinem Buch<br />

„Widerstand des Herzens“.<br />

Es war letztlich<br />

möglich, sich durch<br />

öffentliche Proteste<br />

dem Regime entgegen zu stellen.<br />

ZaS: Wann kann Gewaltlosigkeit stärker<br />

sein als Gewalt, wann nicht?<br />

Besemer: Man muss von dem Denken<br />

wegkommen, dass eine gewaltlose<br />

Menge sich einer bewaffneten Armee<br />

entgegenstellt. Es geht letztlich nicht<br />

darum Soldaten oder Panzer gewaltlos<br />

zu stoppen, sondern darum Werte<br />

„Es war<br />

möglich, sich<br />

Hitler entgegen<br />

zu stellen“<br />

zu erhalten und gewaltlos zu verteidigen.<br />

ZaS: Man hört und liest in der Regel<br />

jedoch mehr über den gewaltsamen<br />

als den gewaltlosen Widerstand.<br />

Besemer: Das ist richtig. Es gibt Gedenktage<br />

für die Hitler-Attentäter,<br />

nicht aber für die erfolgreichen gewaltlosen<br />

Aktionen.<br />

ZaS: Glauben Sie, dass in der Öffentlichkeit,<br />

bis hin zum Schulunterricht<br />

die Gewichtung zu stark auf die militärischen<br />

Operationen gelenkt ist?<br />

Besemer: Auf jeden Fall. Schulbücher<br />

und Gedenktage werden von der Regierung<br />

angeordnet, die in erster Linie<br />

die Armee als Verteidigungsinstanz<br />

ansieht. Die Militärs beziehen<br />

letztendlich ihre Legitimation auch<br />

aus der Niederschlagung des Hitler-<br />

Reichs. Würde man den Fokus stärker<br />

auf die gewaltlosen Aktionen richten,<br />

würde diese Legitimation anfangen<br />

zu bröckeln.<br />

ZaS: Wie sieht es beim Terrorismus<br />

aus? Die einen propagieren den<br />

Kampf gegen Terroristen, wenige andere<br />

den Dialog mit ihnen.<br />

Besemer: Man kann sich das ja ganz<br />

praktisch anschauen: Was hat der<br />

achtjährige Kampf gegen den Terrorismus<br />

gebracht? Weder sind die Anführer<br />

gefasst, noch ist der Terror zurück<br />

gegangen. Auch die Kriege sind<br />

nicht gewonnen. Der Gedankenfehler<br />

sowohl beim Kampf gegen Terrorismus<br />

als auch beim Krieg gegen Ungerechtigkeit<br />

ist, dass man nicht<br />

wirklich den Konflikt, der hinter der<br />

Gewalt steckt, angeht. Sattdessen<br />

versucht man den Gegner auszumerzen.<br />

Es ist immer das gleiche Denken,<br />

das sowohl Terroristen<br />

wie auch Amerikaner<br />

beherrscht: Nur mit<br />

Gewalt könne man<br />

sich durchsetzen. Es<br />

ist jedoch eine Illusion,<br />

dass man, nur<br />

weil man die besseren<br />

militärischen Mittel<br />

hat, siegen wird. In allen Bereichen<br />

wird versucht, über den anderen zu<br />

siegen, statt nach neuen Lösungen zu<br />

suchen.<br />

■ „Gewaltfrei gegen Hitler? Gewaltloser<br />

Widerstand gegen den Nationalsozialismus<br />

und seine Bedeutung für<br />

heute“, Hrsg. Christoph Besemer, 2007<br />

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