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Best of<br />

ZaS<br />

Sept<br />

2010<br />

r e c H t S D e r c D U P o l i t i k 17<br />

Bei der CDU setzt man sich mit<br />

massiver Kritik aus dem konservativen<br />

Lager der Partei<br />

auseinander. Angestoßen durch Erika<br />

Steinbach, Präsidentin des Bundes der<br />

Vertriebenen, ist sogar die Diskussion<br />

entfacht worden, dass eine neue Partei<br />

rechts von der CDU gute Chancen<br />

hätte, die Fünf-Prozent-Hürde zu<br />

überspringen. Michael Zäh sprach mit<br />

Professor Dr. Ulrich Eith über ein solches<br />

Szenario. Der Politikwissenschaftler<br />

der Uni Freiburg ist Direktor<br />

des Studienhaus Wiesneck, Institut<br />

für politische Bildung<br />

Baden-Württemberg und Geschäftsführer<br />

der Arbeitsgruppe Wahlen<br />

Freiburg.<br />

Zeitung am Samstag: Es ist die<br />

Idee entfacht worden, dass sich eine<br />

neue Partei rechts von der CDU<br />

gründen könnte. Was halten Sie von<br />

dieser Diskussion?<br />

Ulrich eith: Parteigründungen<br />

rechts von der CDU hat es ja schon in<br />

der Vergangenheit gegeben. Da war<br />

die Ausdehnung der CSU auf ganz<br />

Deutschland, oder auch die Republikaner<br />

oder die Schill-Partei.<br />

ZaS: Nun sollen es aber Politiker aus<br />

den eigenen Reihen der CDU sein, die<br />

sich in ihrer Partei nicht mehr heimisch<br />

fühlen und zumindest mit dem<br />

Gedanken spielen, dass eine neue<br />

Partei ihre Vorstellungen besser verwirklichen<br />

könnte.<br />

eith: Es ist zu beobachten, dass es<br />

deutliche Turbulenzen und massiven<br />

Unmut innerhalb der CDU gibt. Eine<br />

Gruppe wird jetzt herausgehoben, die<br />

sogenannten Konservativen. Aber<br />

schon wird es begrifflich unscharf.<br />

Konservativ heißt übersetzt bewahren,<br />

erhalten. Heißt das<br />

jetzt, dass unser System<br />

der Rentenfinanzierung<br />

bewahrt werden<br />

soll? Wenn man es<br />

auf Themen herunterbricht,<br />

wird nicht immer<br />

klar, was konservativ<br />

bedeuten soll. Für<br />

die CDU greift am ehesten<br />

die Definition,<br />

dass konservativer Politik das christliche<br />

Menschenbild zugrunde liegt.<br />

ZaS: Sie sehen also inhaltlich kein<br />

Thema, das eine Neugründung dann<br />

auch tragen könnte?<br />

eith: Bei Neugründungen hatten die<br />

Parteien immer ein ganz bestimmtes<br />

Sachthema, das sie nach vorne gebracht<br />

hat. Bei den Republikanern<br />

war es die Asylproblematik, bei der<br />

Schill-Partei ging es um die Sicherheit<br />

in öffentlichen Räumen, also law<br />

and order. Ein solches zugespitztes<br />

Thema sehe ich im Moment nicht.<br />

Und es fehlt darüber hinaus auch eine<br />

mehr oder minder charismatische<br />

Führungspersönlichkeit, die man für<br />

eine Neugründung bräuchte.<br />

Zas: Ist die Diskussion aufgekommen,<br />

weil die CDU sich unter Angela<br />

Merkel immer mehr in Richtung<br />

Mitte orientiert?<br />

eith: Beide großen Volksparteien haben<br />

eigentlich das gleiche Problem,<br />

dass ein von der Führung in Gang gesetzter<br />

Modernisierungsprozess bei<br />

traditionellen Wählergruppen nicht<br />

Foto: Systemed<br />

Für eine Neugründung<br />

braucht es ein<br />

eigenes Milieu<br />

oder ein Thema<br />

„Turbulenzen in der<br />

CDU werden sichtbar“<br />

Professor Dr. Ulrich eith über die unwahrscheinliche Gründung<br />

einer neuen Partei rechts von der CDU und Merkels Führungsstil<br />

die notwendige Zustimmung findet.<br />

Bei der SPD war das der Agenda-<br />

Kurs, also eine wirtschaftliche Modernisierung<br />

unter Schröder, die in<br />

den Medien und einer<br />

breiten Öffentlichkeit<br />

viel Zustimmung<br />

erlangte, aber<br />

bei den traditionellen<br />

SPD-Wählern<br />

gerade nicht.<br />

ZaS: Da kam es ja<br />

auch zur quasi Neugründung<br />

der „Linken“.<br />

eith: Ja, da stand die für diese Wählergruppe<br />

charismatische Figur Lafontaine<br />

zur Verfügung und der organisatorische<br />

Background der PDS.<br />

Hinzu kam, dass Lafontaine als früherer<br />

Parteivorsitzender und Minister<br />

genau jenen Teil der SPD hinter<br />

sich versammeln konnte, der in ihm<br />

den wahren SPD-Chef sah.<br />

ZaS: Ist die heutige Situation der<br />

CDU mit diesen Vorgängen bei der<br />

SPD vergleichbar?<br />

eith: Jedenfalls kann man auch hier<br />

einen von der Spitze ausgelösten Modernisierungskurs<br />

beobachten, beispielsweise<br />

in der Familienpolitik.<br />

Und wiederum sind es bestimmte traditionelle<br />

Wählergruppen, die diesen<br />

Kurs nicht mitgehen wollen. Für diese<br />

grenzt der Ausbau der Kinderbetreuung<br />

an eine Kulturrevolution,<br />

weil damit traditionelle Wertvorstellungen<br />

der Familie zur Disposition<br />

stehen. So hat der Kurs von Angela<br />

Merkel auf der einen Seite der CDU<br />

neue Wählergruppen ersclossen, eher<br />

jüngere Leute in städtischen Gebieten,<br />

wo man früher<br />

chancenlos war. Die<br />

andere Seite ist, dass<br />

traditionelle Wählergruppen<br />

sich in der<br />

CDU nicht mehr heimisch<br />

fühlen.<br />

ZaS: Wieso melden<br />

sich solche Gruppen<br />

erst jetzt unter der<br />

schwarz-gelben Koalition<br />

zu Wort?<br />

eith: Zu Zeiten der großen Koalition<br />

war es für Angela Merkel von der Regierungstechnik<br />

her gesehen einfacher.<br />

Man konnte die Traditionswähler<br />

ja immer damit beruhigen,<br />

dass man ihre Wünsche ja gerne umsetzen<br />

wolle, dies aber aufgrund des<br />

Koalitionspartners nicht könne. Aber<br />

dann hat die Wunschkoalition die<br />

Wahlen gewonnen. Und dadurch<br />

sind die Erwartungen gestiegen, die<br />

eigene Programatik möglichst unverfälscht<br />

durchzusetzen. Von Merkel<br />

wird mehr politische Führung,<br />

Diskussionsbereitschaft und Überzeugungskraft<br />

erwartet. Ihr Führungsstil<br />

der Moderation aus Zeiten<br />

der großen Koalition reicht nicht<br />

mehr aus.<br />

ZaS: Spielt beim momentanen Unmut<br />

nicht auch das Verhalten der<br />

FDP eine Rolle?<br />

eith: Es gibt Gründe, dass die<br />

schwarz-gelbe Regierung lange<br />

brauchte, um überhaupt in Tritt zu<br />

kommen. Viele strittige Themen sind<br />

im Koalitionsvertrag nicht exakt genug<br />

geregelt worden. Westerwelle hat<br />

in seine neue Rolle als Außenminister<br />

nie richtig reingefunden, und im<br />

Kanzleramt gab es Abstimmungsprobleme.<br />

ZaS: Sie glauben aber nicht, dass es<br />

zu einer Neugründung rechts von der<br />

CDU kommt?<br />

eith: Dazu braucht es entweder ein<br />

ganz eigenes Milieu, wie damals bei<br />

den Grünen. Oder zumindest ein polarisierendes<br />

Thema, wie es etwa die<br />

Linken mit der sozialen Gerechtigkeit<br />

haben. Ich sehe weder ein eigenständiges<br />

Milieu noch ein Thema, das eine<br />

Neugründung tragen würde. Zudem<br />

fehlt eine populäre Persönlichkeit,<br />

die eine Protesthaltung dann<br />

auch wirklich glaubhaft verkörpern<br />

kann.<br />

ZaS: Bleibt somit<br />

Frau Merkels Führungsanspruch<br />

völ-<br />

Frau, keine<br />

Kinder, aus<br />

lig unangefochten?<br />

eith: Zu Frau Merkel<br />

gibt es zur Zeit<br />

Ostdeutschland,<br />

keine Alternative.<br />

protestantisch - Dennoch ist sie als<br />

das ist suspekt<br />

Person den westdeutschen<br />

konservativen<br />

Kreisen schon<br />

immer suspekt. Diese Kreise tun sich<br />

sehr schwer mit den folgenden Eigenschaften:<br />

Frau, keine Kinder, aus<br />

Ostdeutschland, protestantisch.

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