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Best of<br />

ZaS<br />

Juli<br />

2010<br />

f u s s B a l l - W M s p o r t 15<br />

WM 2010<br />

Am Vorbild gescheitert<br />

halbfinale. Joachim Löw war nach der Niederlage gegen Spanien gelassen, weil er ermessen konnte, dass<br />

sein junges Team ein deutlich besseres Turnier gespielt hatte als noch vor zwei Jahren. Die Tendenz stimmt.<br />

Von Michael Zäh<br />

Es ist kein Geheimnis, dass Joachim Löw nach<br />

der Finalniederlage bei der Europameisterschaft<br />

2008 den Plan hegte, sich den Fußball<br />

der Spanier zum Vorbild zu nehmen. Und es ist nicht<br />

übertrieben zu behaupten, dass der (noch) amtierende<br />

Bundestrainer nun zwei Jahre später bei der<br />

WM in Südafrika eine deutsche Mannschaft präsentierte,<br />

die in drei von sechs Partien genau jene<br />

dominanten und spielstarken Auftritte hinlegte, die<br />

dem Vorbild sehr nahe kamen und die es 2008 gar<br />

nicht gab. Die großartigen und torreichen Siege gegen<br />

Australien (4:0), England (4:1) und Argentinien<br />

(4:0) verleiteten so manchen Fan oder Medienbeobachter<br />

sogar dazu, das junge Team zu allem<br />

fähig zu halten. Doch im direkten Duell<br />

mit dem Vorbild zeigte sich, dass ein Hype<br />

aus sieben Wochen nicht mit der eingespielten<br />

Konstanz von Jahren mithalten<br />

kann. Gegen Spanien kam das Aus<br />

im Kampf um den Weltmeistertitel, weil<br />

die neu formierte Mannschaft von Joachim<br />

Löw noch nicht das Selbstbewusstsein<br />

von Xavi und Co. haben konnte. Denn dieses<br />

ist im Nationalteam wie auch im europäischen<br />

Spitzenklub Barcelona von Jahr zu Jahr und Woche<br />

zu Woche gewachsen. Wie lange dieser Weg<br />

war, zeigt sich auch daran, dass Spanien zum ersten<br />

Mal überhaupt im Finale einer Weltmeisterschaft<br />

steht.<br />

Joachim Löw selbst zeigte sich nach dem 0:1<br />

im Halbfinale gegen in fast allen Belangen überlegene<br />

Spanier auch entsprechend gelassen. Er<br />

hätte sich zwar wie alle deutschen Fans mehr Mut<br />

und mehr spielerische Akzente gewünscht. Aber<br />

er konnte den Unterschied zu 2008 erkennen, der<br />

eindeutig einen Fortschritt markierte. Nicht in dem<br />

einen Spiel, in dem sein Team chancenlos war wie<br />

damals, aber im Gesamtauftritt während des Turniers.<br />

Das Potenzial hatte sich gezeigt, die noch<br />

nicht gefestigte Siegermentalität der Multikulti-<br />

Ballkünstler in den Partien gegen Serbien, Ghana<br />

und eben Spanien auch. Das ist für einen wie Joachim<br />

Löw aber nur ein Ansporn, die nun kommenden<br />

Jahre zur Vollendung des neuen Stils zu<br />

nutzen. Denn die heute noch grünen Jungs seines<br />

Teams sind erst am Anfang ihrer fußballerischen<br />

Erfahrung, während Xavi, Iniesta und Co. den Zenit<br />

erreicht haben. Der Weg von Löw ist der richtige,<br />

auch wenn es keine Garantie gibt, dass etwa<br />

2014 in Brasilien wieder die Chance auf die Endspielteilnahme<br />

blüht. Doch auch das Vorbild musste<br />

lange warten, bis es sich mit seinem Fußball<br />

durchsetzte.<br />

Falls Joachim Löw bleibt. Die größte Vakanz<br />

liegt darin, dass der biedere Visionär den dann doch<br />

ungeliebten Verhaltensmustern des DFB den Rükken<br />

kehrt. Vielleicht gibt es für ihn ja auch ganz andere<br />

Herausforderungen als sich mit den Indiskretionen<br />

eines Theo Zwanziger auseinander zu setzen.<br />

Er hat den von ihm selbst oft als Traumjob<br />

bezeichneten Beruf. Aber er hat auch eben jene<br />

Visionen, die ihn mit Freunden zu einer, natürlich<br />

wohl organisierten Anden-Tour verleiten<br />

können. Ohne Löw jedenfalls würde das in<br />

Südafrika mit ersten Konturen ausgezeichnete<br />

Projekt des neuen deutschen Fußballs<br />

einen Rückschritt erleiden. Weil Sammer<br />

Schlager hört und Bushido ein Fremder<br />

bleibt, dem man zuallererst mal deutsche<br />

Tugenden beibringen muss.<br />

Philipp Lahm, der nunmal kleingewachsene<br />

neue Kapitän der deutschen Nationalmannschaft,<br />

hat nach dem 0:1 gegen Spanien<br />

bittere Tränen in den Augen gehabt. Es war natürlich<br />

sein gekränktes Ego, das sich da Bahnen<br />

brach. Aber im Spiel selbst waren keine Siegesimpulse<br />

von ihm ausgegangen wie etwa auf der<br />

Gegenseite von Xavi oder Iniesta, die ebenfalls<br />

kleinwüchsig, aber halt umso größere Fußballer<br />

sind. Lahm hält es lieber mit trotzigen Kampfansagen<br />

gegenüber dem verletzten Michael Ballack,<br />

dem er via Boulevardpresse ausrichten ließ, dass er<br />

die Kapitänsbinde nicht mehr hergeben wolle. Wer<br />

aber zur Unzeit, vor dem Halbfinale gegen Spanien,<br />

solche Ansagen macht, der sollte dann ein bisschen<br />

mehr bewegen als er dies tatsächlich tat. Oder er<br />

könnte auch einfach seine vorlaute Klappe halten.<br />

Keiner weiß, ob es mit Ballack noch optimaler<br />

gelaufen wäre, bei der WM in Südafrika. Aber jeder<br />

spürt, dass es zu früh ist, um zu prahlen. Und<br />

wenn einer wie Lahm vor lauter Gekränktheit vor<br />

laufenden Kameras sagt, dass ihm der dritte Platz<br />

am Samstag gegen Uruguay völlig schnuppe sei,<br />

immerhin als Kapitän der deutschen Mannschaft,<br />

dann ist das genau diese Unreife, die das Manko<br />

des fußballerischen Aufbruchs bezeichnet. Einer<br />

wie Xavi hätte wahrscheinlich gesagt, dass er um<br />

diesen dritten Platz kämpfen wolle. Aus Demut.

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