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ZaS<br />

Juni<br />

2010<br />

f i fa i n a f R i k a W i R t s c h a f t 13<br />

Jenseits von Afrika<br />

Die Fifa streicht bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika fast drei Milliarden Dollar ein. Sie hat die Emotionen<br />

rund um den Sport zu barer Münze vermarktet und ungeniert afrikanische Gebräuche ausgebootet. Von Michael Zäh<br />

Der Fußball erobert die Herzen, die<br />

Fifa sahnt ab. Und der Rahm, den<br />

sie da abschöpft, ist zu Geld gewordene<br />

Emotion. Knapp drei Milliarden<br />

Gewinn werden es wohl sein, den die Fußball-Weltmeisterschaft<br />

in Südafrika dem<br />

Fußballverband einbringt. Um dann Afrika<br />

wieder den Rücken zu kehren.<br />

Es ist ein Imperialismus der ganz speziellen<br />

Art, der hier schamlos vor aller Augen<br />

der Weltöffentlichkeit betrieben wird.<br />

Ausgebeutet wird im Grunde jeder Fußballfan,<br />

weil dessen Hingabe an den Sport<br />

die Quelle aller Fifa-Einnahmen ist. Allein<br />

die Übertragungsrechte an 113 Sender in<br />

der ganzen Welt bringen Milliarden ein.<br />

Und woher beispielsweise ARD und ZDF<br />

das Geld nehmen, ist ja bekannt und wird<br />

sogar stolz verkündet: „Dank Ihrer Gebühren“,<br />

heißt es auf Werbeanzeigen der<br />

deutschen Sender.<br />

Fußball ist ein Sport, der die Massen<br />

rund um den Erdball begeistert. Überall<br />

wird er gespielt, an den Stränden der Copacabana<br />

ebenso wie auf den staubigen<br />

Sandplätzen südafrikanischer Townships.<br />

Oft wird mit ihm die Hoffnung verbunden,<br />

dass er ein Ausweg aus sozialem Elend ist,<br />

und nicht selten soll er die Vorurteile und<br />

Ressentiments verschiedener Völker und<br />

Rassen überwinden. Und überall gilt die<br />

springende Kugel als eine Art Spiegel des<br />

gesellschaftlichen Lebens. Der Zufall, das<br />

Können, das Spielerische – all diese Elemente<br />

sind es, die Kids und Kicker rund um<br />

den Erdball so sehr faszinieren.<br />

Im Unterschied zu Eishockey, Tennis<br />

oder Formel eins wird Fußball zuerst überall<br />

gespielt, bevor er dann auch geguckt<br />

wird. Es braucht nicht viel dafür, manchmal<br />

noch nicht einmal richtige Bälle oder<br />

Schuhe.<br />

So wird die Emotion Fußball tatsächlich<br />

gelebt und nicht nur virtuell auf den<br />

Bildschirm gebracht. Sie liegt umso tiefer<br />

als sie eben nicht nur aus dem Treiben der<br />

Stars bei einer Weltmeisterschaft besteht.<br />

Eine ideale Vorraussetzung, Kasse zu machen.<br />

Fußball ist also auch eine gigantische<br />

Geldmaschine. Und wer hat`s erfunden?<br />

Da landen Sehnsüchte auf einem Nummernkonto<br />

in der Schweiz.<br />

Verwunderlich ist nur, wie es passieren<br />

konnte, dass es seit Gründung der Fifa<br />

1904 in Paris immer beim Monopol dieser<br />

Vermarktungsidee blieb. Die Fifa hat<br />

geschafft, was es sonst in der freien Wirtschaft<br />

nie gibt: Sie ist allein und ohne Konkurrenz<br />

der Herrscher über die Fußball-<br />

Welt. Vielleicht kommt es daher, dass sie<br />

völlig ungeniert zu den Mitteln der Diktatur<br />

greift. Sie knebelt alle, die mit Fußball<br />

etwas zu tun haben. Sie setzt sogar natio-<br />

nales Recht außer Kraft, indem sie „Hausrecht“<br />

bei einer WM hat. Sie ist also Herr<br />

im Hause Südafrika.<br />

War es 2006 in Deutschland noch<br />

kompatibel zu den Gebräuchen in einem<br />

reichen Industriestaat, dass eben Geld aus<br />

dem Sport gepresst wird, so fällt bei der<br />

ersten WM auf dem afrikanischen Kontinent<br />

der Fifa-Imperialismus besonders<br />

auf. Denn das Gastgeberland musste Milliarden<br />

in die Infrastruktur stecken, trug<br />

alle Risiken allein, während die Fifa nur<br />

die Hände aufhielt.<br />

Der besondere Trick ist dabei, dass damit<br />

ein Kontinent zur Vermarktung erschlossen<br />

wurde, der zuvor noch nicht dabei<br />

war. „Seht her, ihr dürft euch der ganzen<br />

Welt präsentieren, wenn ihr es<br />

bezahlen könnt“, lautet die Idee. Und jeder<br />

neu euphorisierte Afrikaner ist ein guter<br />

Afrikaner. Man kann ihn melken. Der<br />

Marktplatz wird dadurch größer, die Gewinne<br />

steigen.<br />

Weil die Fifa mit ihrer Vermarktungsmaschine<br />

ins Land einfiel, fällt die Diskrepanz<br />

auf, zwischen afrikanischen Gebräuchen,<br />

etwa den unzähligen Straßenhändlern,<br />

die alle ausgebootet wurden,<br />

und dem Moloch aus der Schweiz, der alles<br />

einsaugen aber nichts zurückgeben<br />

will.<br />

Viele arme Händler hatten gehofft, ein<br />

bisschen von dem großen Geschäft profitieren<br />

zu können. Aber die offiziellen Fanartikel<br />

der Fifa werden aus Asien importiert,<br />

wo sie billig hergestellt werden. Die<br />

traditionellen Kleinhändler, die ihre Familien<br />

damit ernähren, Schlachtenbummlern<br />

Speise, Getränke und Fanartikel<br />

zu verkaufen, wurden rund um die<br />

Stadien verbannt. Die Fifa hat sozusagen<br />

alles mitgebracht, weshalb die heimische<br />

Ware sogar von einer „Markenpolizei“<br />

verboten wurde.<br />

Was nach der WM in Südafrika bei vielen<br />

dort lebenden Menschen zurückbleibt,<br />

ist die Erinnerung, wie ein moderner Heuschreckenschwarm<br />

ins Land eingefallen ist<br />

und vollgefressen wieder abzog. Dabei sollen<br />

die Betroffenen aber auch noch gute<br />

Laune verbreiten, um ihrer Rolle als Gastgeber<br />

gerecht zu werden. Schließlich geht<br />

es darum, der Welt einen möglichst schönen<br />

Eindruck zu vermitteln.<br />

Dabei ist es eine Schande. Wie sportlich<br />

auf dem Platz, wo der afrikanische<br />

Fußball viele Hoffnungen begraben musste,<br />

so auch beim Profit: Afrika muss warten.<br />

Wenn die Fifa wenigstens von ihren<br />

Milliardengewinnen all die staubigen<br />

Kickplätze im Lande sanieren würde. Tut<br />

sie aber nicht. Sie ist ja schon jenseits von<br />

Afrika. 2014 in Brasilien.

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