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22<br />

p o l i T i k<br />

r e p o r Ta g e<br />

Best of<br />

ZaS<br />

November<br />

2010<br />

Foto: B. Breitsprecher<br />

Der Chinese<br />

chinesisch-französisches Treffen in Nizza. Scharfschützen<br />

auf dem Dach des Hotel Negresco, eine einsame<br />

chinesische Fahne an der Promenade, abgesperrte<br />

Straßen und tausende bis an die Zähne bewaffneter Polizisten:<br />

Die Stadt an der Côte d’Azur wird zum Treffpunkt<br />

des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy mit<br />

dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao.<br />

Von Barbara Breitsprecher<br />

Mesdames, Messieurs“, gewohnt<br />

höflich aber bestimmt<br />

schiebt sich die Reihe<br />

der Polizisten unbarmherzig vorwärts<br />

und fordert die Menschen auf,<br />

ihr Plätze zu räumen. Die machen das<br />

nicht gerne, denn hier an der Promenade<br />

von Nizza sitzt es sich gut auf<br />

weißen Bänken und blauen Stühlen, in<br />

der Sonne, mit Blick auf das glitzernde<br />

Meer. Hier sitzen immerzu, tagtäglich<br />

Menschen einmütig nebeneinander,<br />

lesen, telefonieren, plaudern oder<br />

sinnieren hinter großen Sonnenbrillen.<br />

Aber nicht heute. Denn „der Chinese“<br />

kommt.<br />

Gemeint ist Hu Jintao, der chinesische<br />

Präsident, den die US-Zeitschrift<br />

Forbes gerade zum mächtigsten<br />

Mann der Welt erkoren hat. Für ihn<br />

wird die Promenade des Anglais mit<br />

Gittern abgesperrt, positionieren sich<br />

endlose Reihen von martialisch gekleideten<br />

Polizisten und lassen von<br />

nun an weder Fußgänger noch Autos<br />

durch.<br />

Lange hat der französische<br />

Staatschef Nicolas Sarkozy gebraucht,<br />

um an frühere Kontakte mit<br />

China anzuknüpfen, nachdem er<br />

sich vor zwei Jahren mit seiner Sympathiebekundung<br />

für den Dalai Lama<br />

bei der chinesischen Führung in<br />

Misskredit gebracht hatte. Aber was<br />

heißt schon lange, was sind schon<br />

zwei Jahre, wenn die gefühlvolle<br />

französische Diplomatiemassage<br />

letztlich einen solchen Erfolg hervorbringt:<br />

Verträge, die Frankreich<br />

über 14 Milliarden Euro in die Kassen<br />

spülen. Dazu gehören: 102 verkaufte<br />

Airbus-Flugzeuge, Aufträge<br />

für eine Wiederaufbereitungsanlage<br />

wie in La Hague, die der Atomkonzern<br />

Areva in China bauen wird sowie<br />

über 20 000 Tonnen Uran, die an<br />

China geliefert werden, außerdem<br />

wird Total eine petrochemische Fabrik<br />

in China bauen.<br />

Drei Bedingungen hatte der chinesische<br />

Präsident vor seiner Anreise<br />

gestellt: 1. keine Pressekonferenz,<br />

2. die Menschenrechte dürfen kein<br />

Thema sein und 3. möchte er außerdem<br />

nach Nizza. Nizza? Sarkozy hatte<br />

geplant seinem Gast das prächtige<br />

Versailles zu zeigen. Aber nein, Hu<br />

Jintao besteht auf der Côte d’Azur.<br />

Also wird die Königssuite im legendären<br />

Hotel Negresco vorbereitet, ein<br />

neuer roter Teppich ausgelegt und<br />

emsig gebürstet, und die Portiers<br />

müssen zu ihrer ohnehin schon ein<br />

wenig lächerlichen, bunten Knickerbocker-Uniform<br />

noch einen Federbüschel<br />

auf dem Kopf tragen.<br />

Während einige ältere Damen am<br />

Rande der Absperrung erregt auf geduldig-wohlerzogene<br />

Polizisten einreden,<br />

läuft unten am Strand das Leben<br />

des Südens weiter, als sei nichts<br />

passiert. In den Cafés werden die ersten<br />

Aperitifs serviert, einige Entschlossene<br />

baden, etliche liegen auf<br />

den Steinen in der Sonne. Wären da<br />

nicht die Scharfschützen, die sich auf<br />

dem Dach des Hotels positioniert hätten<br />

sowie die plötzlich verdächtig<br />

leicht geöffneten Läden an der Balkontüre<br />

der leeren Wohnung im Haus<br />

nebenan, dort wo das Schild „A vendre“<br />

hängt.<br />

An einem der geöffneten Fenster<br />

des Hotel Negresco taucht eine elegante<br />

Chinesin in knallrotem Kleid<br />

auf. Hoch über dem nicht enden wollenden<br />

Aufgebot an schwarzen Polizisten<br />

erteilt sie per Telefon letzte Anweisungen.<br />

Kurz darauf werden ein<br />

knappes Dutzend junger chinesischer<br />

Frauen und Männer durch die Absperrung<br />

gelassen. Sie dürfen als einzige<br />

„Passanten“ gegenüber dem<br />

Hotel den chinesischen Präsidenten<br />

ganz nah erwarten. Die Claqueure<br />

entrollen brav chinesische Flaggen.<br />

Wenn am Abend in den Nachrichten<br />

zunächst das winkende Paar<br />

Hu Jintao und Nicolas Sarkozy zu sehen<br />

ist und die Kamera dann zu den<br />

aufgeregten Menschen hinüberschwenkt,<br />

dann wird der Fernsehzuschauer<br />

im engen Fokus des Ausschnitts<br />

nicht erkennen können, dass<br />

es sich hier nur um das ausgewählte<br />

Grüppchen von bezahlten chinesischen<br />

Funktionärsanwärtern handelt,<br />

die da freudig winken.<br />

geheimdienst auf Journalisten gehetzt?<br />

N i c o l a s s a r k o z y i N B e d r ä N g N i s<br />

Wozu soll ein Geheimdienst gut sein, wenn<br />

nicht eben dafür, Dinge geheim zu regeln? So<br />

mag sich das Frankreichs Präsident Nicolas<br />

Sarkozy denken, der auf seltsame Diebstähle bei<br />

Journalisten angesprochen, meinte: „Ich sehe<br />

nicht, was mich das angeht.“<br />

Doch ganz so sicher kann sich da Sarkozy inzwischen<br />

nicht mehr sein, weil fast alle Franzosen<br />

glauben, was die Zeitung „Le Canard enchaîné“,<br />

bekannt für ihre Enthüllungsgeschichten, in der<br />

Woche vor dem hohen Besuch aus China berichtete:<br />

Der Präsident persönlich hetze den Geheimdienst<br />

auf Journalisten, die ihm unangenehme<br />

Recherchen betreiben. Dem Chef des<br />

französischen Inlandsgeheimdienstes, Bernard<br />

Squarcini, seien solche Anliegen des Nicolas<br />

Sarkozy zwar lästig, weil er genug mit der Terrorabwehr<br />

zu tun habe, doch er gehorche und<br />

habe sogar eine Sondereinheit geschaffen, um<br />

Journalisten zu bespitzeln, schreibt die Zeitung.<br />

Und dabei beruft sich „Le Canard“ auf Quellen<br />

aus Geheimdienst-Kreisen, natürlich ohne die<br />

Identität der geheimen Mitarbeiter preis zu<br />

geben. Das wiederum könnte den Geheimdienst<br />

veranlassen, nach den geheimen Informanten<br />

aus den eigenen Reihen zu<br />

fahnden. Jedenfalls ist nicht mehr geheim,<br />

dass mehreren Journalisten, die im „Falle Bettencourt“<br />

recherchierten, von unbekannten Einbrechern<br />

ihre Laptops geklaut wurden, auf denen<br />

sie geheime Informationen gespeichert hatten.<br />

Liliane Bettencourt, die reichste Frau<br />

Frankreichs, soll Sarkozy mit illegalen Spenden<br />

unterstützt und dafür Steuervorteile erhalten<br />

haben. Der Pariser Star-Anwalt Olivier Metzner<br />

hat nun öffentlich die Frage gestellt: „Ist es in<br />

unserer Demokratie akzeptabel, Geheimagenten<br />

loszuschicken, um die Computer von Journalisten<br />

zu stehlen?“<br />

miz

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