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10<br />

k i r c h e<br />

M i s s B r A u c h<br />

Best of<br />

ZaS<br />

April<br />

2010<br />

Das alte<br />

Feindbild<br />

Auf die Krise der katholischen Kirche reagiert der Vatikan mit<br />

einem verblüffenden aber logischen Vorstoß: Die Homosexualität<br />

soll für den sexuellen Missbrauch von Kindern verantwortlich<br />

sein. Ja sind denn Priester schwul? Von Michael Zäh<br />

Die Krise der katholischen Kirche<br />

löst im Vatikan einen<br />

Reflex aus, der einem die<br />

Sprache verschlägt. Nach der Kultur<br />

des Wegschauens, des Leugnens und<br />

des Schweigens bezüglich der Flut<br />

von Missbrauchsfällen in kirchlichen<br />

Einrichtungen, gab jetzt der<br />

zweite Mann in Rom, Kardinal Tarcisio<br />

Bertone eine verblüffende Ansicht<br />

zu Protokoll: Es gebe nicht nur<br />

keine Verbindung zwischen Zölibat<br />

und Pädophilie. „Vielmehr haben<br />

viele andere bewiesen und mir das<br />

vor kurzem gesagt, dass es eine Verbindung<br />

zwischen Homosexualität<br />

und Pädophilie gibt.“<br />

Die Logik dieses Vorstoßes ist<br />

schnell ergründet: Homosexuelle<br />

und Lesben, so die konservative Lehre,<br />

lösen Naturkatastrophen aus und<br />

sind eine Gefahr für das Abendland.<br />

Für den Hurrikan Katrina machte der<br />

katholische Pfarrer Gerhard Maria<br />

Wagner, der 2009 fast Weihbischof<br />

von Linz geworden wäre, eine „geistige<br />

Umweltverschmutzung“ verantwortlich<br />

und verwies darauf, dass<br />

dass zwei Tage später in New Orleans<br />

(das ja vom Hurrikan verwüstet<br />

wurde) eine Schwulenparade stattfinden<br />

sollte.<br />

Schon in Römer 1, 24-27 heißt<br />

es: „Darum lieferte Gott sie durch die<br />

Begierden ihres Herzens der Unreinheit<br />

aus, so dass sie ihren Leib durch<br />

eigenes Tun entehrten: sie vertauschten<br />

die Wahrheit Gottes mit<br />

der Lüge, sie beteten das Geschöpf<br />

an und verehrten es anstelle des<br />

Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit.<br />

Darum lieferte Gott sie entehrenden<br />

Leidenschaften aus:<br />

ihre Frauen vertauschten den natürlichen<br />

Verkehr mit dem widernatürlichen;<br />

ebenso gaben die Männer<br />

den natürlichen Vekehr mit der Frau<br />

auf und entbrannten in Begierde zueinander;<br />

Männer trieben mit Männern<br />

Unzucht und erhielten den gebührenden<br />

Lohn für ihre Verwirrung.“<br />

Die Homosexualität gibt seit jeher<br />

ein wunderbares Beispiel für die<br />

katholische Kirche ab, an dem sie ihre<br />

Lehre vorführen kann. Das bekam<br />

ja auch Anne Will zu spüren, als in<br />

ihrer ARD-Talkshow der Essener Bischof<br />

Franz-Josef Overbeck der lesbischen<br />

Moderatorin (die selbst<br />

Mitglied der katholischen Kirche ist)<br />

ins Gesicht sagte, dass Homosexualität<br />

Sünde sei und der menschlichen<br />

Natur widerspreche.<br />

Was natürlich eine gewagte Behauptung<br />

ist, vor allem das mit der<br />

Natur. Denn die Kirche hat ja ihr gesamtes<br />

Regelwerk gegen die Unbillen<br />

der Natur in Stein gemeißelt.<br />

Nicht nur bei den zehn Geboten. Bei<br />

1 Timotheus 1, 9 heißt es: „Und bedenkt,<br />

dass das Gesetz nicht für die<br />

Gerechten bestimmt ist, sondern für<br />

Gesetzlose und Ungehorsame, für<br />

Gottlose und Sünder, für Menschen<br />

ohne Glauben und Ehrfurcht (...)“<br />

Hier führt ein direkter Weg zu<br />

den Missbrauchsfällen in den katholischen<br />

Einrichtungen. Es gibt<br />

mittlerweile zahlreiche Fälle von<br />

Gewaltanwendung gegenüber Kindern,<br />

die beispielsweise der Augsburger<br />

Bischof Walter Mixa nach<br />

den eidesstattlichen Erklärungen<br />

von Opfern (die der Süddeutschen<br />

Zeitung vorliegen) direkt verübt haben<br />

soll. Man braucht nicht viel<br />

Phantasie, um sich das vorstellen zu<br />

können, dass jene „Ungehorsamen“<br />

und „Sünder“, für die man zu erziehende<br />

Kinder im Zweifelsfall hielt,<br />

mit körperlichen und seelischen<br />

Strafen „erzogen“ wurden. In den<br />

50er und 60er Jahren herrschten<br />

völlig andere Vorstellungen bezüglich<br />

der Pädagogik und die Kirche<br />

hat ja noch dazu einen reichhaltigen<br />

Schatz an eigenen Richtlinien (wie<br />

etwa „Der Herr straft, wen er liebt“,<br />

siehe auch den beeindruckenden Erfahrungsbericht<br />

von Hermann Unterstöger,<br />

SZ vom 14.4.)<br />

Und dies macht eben auch der<br />

jüngste Vorstoß des Vatikans deutlich,<br />

wenn Bertone plötzlich die Homosexualität<br />

für den sexuellen<br />

Missbrauch an Kindern verantwortlich<br />

macht. Die kann Naturkatastrophen<br />

auslösen, also kann sie<br />

auch wie eine solche über die Klöster<br />

der katholischen Kirche hereingebrochen<br />

sein. Das ist aus Sicht des<br />

Vatikans immer noch besser, als etwa<br />

die ureigene Regelung des Zölibats<br />

als mitursächlich in Betracht zu<br />

ziehen. Nur Spötter „ohne Ehrfurcht“<br />

könnten sich fragen, ob Bertone<br />

sagen wollte, dass Priester homosexuell<br />

sind und dies hinter der<br />

Keuschheit des Zölibats verstecken.

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