ZIGARREN UND WhISKY bERND GOThE - Hindenburger die ...
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ILLUSTRATION: STEFAN VOELLER<br />
Totalausfall<br />
in der<br />
Wul� -<br />
schanze<br />
„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger.“<br />
Pünktlich zum 50. 50. Jahrestag <strong>die</strong>ses peinlichen, peinlichen, aber<br />
gefälschten, Zitats von von Bundespräsident Heinrich Heinrich<br />
Lübke Lübke haben wir endlich wieder einen Ersten Mann Mann<br />
im Staate, der sich auf dem großen Parkett der der Diplomatie<br />
auskennt wie wie kein Zweiter. Als Christian<br />
Wullf 2010 drohte, drohte, sich in <strong>die</strong> <strong>die</strong> Bundespolitik einzumischen<br />
und und – wie manch anderer Politiker – plötzlich<br />
als potenzieller Kanzlerkandidat gesehen wurde, fi el el<br />
auch er Merkels großer Wegbeförderungswelle zum<br />
Opfer und wurde Bundespräsident. Heute fragt sich<br />
<strong>die</strong> Kanzlerin, ob nicht auch ein hochbezahlter hochbezahlter EU-<br />
Posten gereicht hätte, um den den Mann endlich aus der<br />
Gefahrenzone zu scha� en. Aber nein, es musste ja<br />
gleich der beste und vermeintlich unau� älligste Job<br />
Deutschlands sein: Man verleiht Bundesver<strong>die</strong>nstkreuze,<br />
empfängt Sternsinger und lädt zu Geburtstagsessen<br />
im schönen Schloss Bellevue zu Ehren ver<strong>die</strong>nter<br />
Ex-Politiker, wie Klaus Kinkel, ein. Eigentlich<br />
kann man dabei nichts falsch machen, es sei denn,<br />
man hat unfähige und bestechliche Berater, <strong>die</strong> einem<br />
<strong>die</strong> Fettnäpfchen auf den roten Teppich stellen.<br />
Gleich zu Anfang seiner fragwürdigen Karriere sorgte<br />
Wul� s Mitgliedschaft im Verein „Pro Christ“ für<br />
viel zu leise mediale Aufmerksamkeit. Wie erklärt ein<br />
Bundespräsident seine Tätigkeit im Kuratorium eines<br />
am äußersten rechten Rand des Protestantismus<br />
stehenden Vereins, der Ehescheidungen und Abtreibungen<br />
rigoros ablehnt und Schwule als heilbar Kranke<br />
ansieht? Scheidungsopfer Wul� erklärt nichts und<br />
stellt seine Mitgliedschaft während der Amtszeit ruhend<br />
– wohlgemerkt: Auf einen Austritt und eine Distanzierung<br />
von solchen Grundrechtsgegnern wartet<br />
man bislang immer noch vergebens. Nun, meine sehr<br />
verehrten Damen und Herren, liebe Homosexuelle,<br />
schauen Sie sich doch einmal an, welche hochrangige<br />
Bundesprominenz <strong>die</strong>sem erzkonservativen Missionierungstrupp<br />
angehört. Da muss doch was Wahres<br />
dran sein.<br />
Als kleines Kind habe ich mich immer gefragt, ob<br />
Bundespräsident Walter Scheel seine Einkäufe im<br />
Supermarkt bezahlen muss, schließlich war er doch<br />
so etwas wie der König Westdeutschlands, und ein<br />
König zahlt nicht, er nimmt. Das kannte ich von meinen<br />
Märchenschallplatten. Ein paar Jahrzehnte später<br />
weiß ich: Meine Vermutung schien zu stimmen<br />
und bewahrheitet sich bis heute. Was soll <strong>die</strong>ses<br />
ganze neuzeitliche Gequatsche über unrechtmäßige<br />
Vorteilsnahme? Es ist doch völlig normal, dass<br />
ein Staatsoberhaupt bei Freunden übernachtet, im<br />
Flugzeug ein paar Reihen weiter nach vorne gebeten<br />
wird, günstige Kredite erhält und Werbekampagnen<br />
für seine Buchverö� entlichung bezahlt bekommt. So<br />
kennen wir es doch auch von anderen Staatsoberhäuptern<br />
oder denken Sie, dass der in scharfer Kritik<br />
stehende Emir von Kuwait seine Dienstfahrten korrekt<br />
abrechnet? Als Wul� im Dezember den umstrittenen<br />
Scheich in seinem Golf-Emirat besuchte, stellte<br />
sich jeder <strong>die</strong> Frage, ob man so einem korrupten<br />
Lügner überhaupt <strong>die</strong> Hand geben dürfe. Das fragte<br />
sich auch der Emir, tat es aber trotzdem.<br />
Der arme, in Kriegsmetaphorik bewanderte Leitwul�<br />
fühlt sich wie in Stahlgewittern, <strong>die</strong> von der Bild-Zeitung,<br />
<strong>die</strong> den Rubikon überschritten hat, auf ihn einprasseln.<br />
Da darf man als Bundespräsident schon<br />
Glosse<br />
9<br />
wo der Hammer hängt. Wie blöd muss man aber<br />
sein, so einen peinlichen Sermon auf einer Mailbox<br />
der Bild-Zeitung zu hinterlassen? Dann <strong>die</strong>ses unsägliche<br />
Fernsehinterview: Ein Milchbubi auf dem<br />
heißen Stuhl. Das hatte Deutschland noch nicht gesehen<br />
– der Präsident rechtfertigt sich scheibchenweise<br />
und bemüht sich um eine ähnlich rückhaltlose<br />
Aufklärung wie Ex-Schleimbeutel zu Guttenberg.<br />
Heraus kam dabei nur heißer Stuhl: Alten Freunden<br />
gibt man ein Küsschen, oder auch zwei, <strong>die</strong> eigene<br />
Patchwork-Familie wird von den bösen Me<strong>die</strong>n verunglimpft,<br />
bei Ziehvätern hat man höchstens Ehrenschulden<br />
und überhaupt ist das alles ja gar nicht so<br />
schlimm. Spätestens danach ist jede Rücktrittsforderung<br />
mehr als berechtigt, fragt sich nur, wie lange<br />
<strong>die</strong> Wul� schanze noch gehalten werden kann.<br />
Eins ist klar: Wenn Wullf so weiter macht und immer<br />
neue Fehltritte ans Tageslicht kommen, wenn er weiterhin<br />
Rückhalt aus der Politik bekommt und an seinem<br />
Stuhl klammert, schädigt er das Amt auf unerhörte<br />
Weise. Dann können wir uns irgendwann auch<br />
einen Horst Schlämmer („isch kandi<strong>die</strong>re“) als Bundespräsidenten<br />
leisten. Wenigstens wäre er ein Sympathieträger<br />
mit Bodenkontakt, der das Amt zum<br />
jetzigen Zeitpunkt deutlich besser ausfüllen würde.<br />
mal ausrasten und dem blöden Pressefuzzi zeigen, Text: Sascha Broich