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Stolpersteine in Bruchsal

Gedenkschrift zur ersten Stolpersteinverlegung in Bruchsal. Link zum Filmbericht auf youtube auf der letzten Umschlagaußenseite.

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„Zu den Akten, die auszuscheiden s<strong>in</strong>d“<br />

(Biografie Familie Dreifuß)<br />

Prof. Julius Dreifuß<br />

Mathilde Dreifuß<br />

Gustav Leopold Dreifuß<br />

Am 14. Oktober 1955 vermerkte e<strong>in</strong> Landesbediensteter des Regierungspräsidiums<br />

Nordbaden unter dem Aktenzeichen „Nr. II 2 a 6“ <strong>in</strong> der Besoldungsakte von<br />

„Dreifuß Julius, Prof. a. D.“, dem ehemaligen Lehrer am <strong>Bruchsal</strong>er humanistischen<br />

Gymnasium (heute Schönborngymnasium):<br />

versteht er den Unterricht anregend zu gestalten“, so e<strong>in</strong> Aktene<strong>in</strong>trag. Dreifuß wird<br />

<strong>in</strong> den Akten aber auch als „e<strong>in</strong>e sehr <strong>in</strong> sich selbst zurückziehende Gelehrtennatur“<br />

beschrieben, „so dass man fast wünschen möchte, er käme mehr <strong>in</strong> die Öffentlichkeit<br />

und nähme etwas an dem gesellschaftlichen Leben der Stadt teil“. Möglicherweise<br />

trugen se<strong>in</strong>e Krankheiten und se<strong>in</strong> starkes H<strong>in</strong>ken zu se<strong>in</strong>er Zurückhaltung und<br />

se<strong>in</strong>em von manchen als schroff wahrgenommenen Wesen bei.<br />

Am 12. April 1918 heirateten Julius Dreifuß und die am 26. Mai 1887 <strong>in</strong> Rastatt<br />

geborene Mathilde Nachmann. Ob Julius Dreifuß während se<strong>in</strong>er Tätigkeit am<br />

Rastatter Gymnasium Mathilde kennen lernte, oder ob die Ehe durch damals übliche<br />

Heiratsvermittlung zustande kam, ist nicht bekannt. Mathilde war das dritte<br />

von vier K<strong>in</strong>dern von Leopold Nachmann und Bella Rosenfeld. Die Rastatter jüdische<br />

Familie Nachmann war <strong>in</strong> ihrem Heimatort gut bekannt und angesehen.<br />

Mit der Heirat gab Julius Dreifuß se<strong>in</strong>e Bleibe <strong>in</strong> der Schlossstraße 9 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> auf<br />

und bezog zusammen mit se<strong>in</strong>er Frau e<strong>in</strong>e Wohnung <strong>in</strong> der Wilderichstraße 23. E<strong>in</strong>ige<br />

Jahre später, am 21. Januar 1921, wurde Mathilde Dreifuß von Gustav Leopold<br />

entbunden. Er sollte das e<strong>in</strong>zige K<strong>in</strong>d der Eheleute bleiben.<br />

I. Der Obengenannte wurde am 1.9.1942 nach dem Osten evakuiert. Versorgungsbezüge<br />

werden von hier nicht bezahlt.<br />

II. Karteikarte zur Abtl. A. [Archiv - Anm. d. Verf.]<br />

III. Z. d. A. die auszuscheiden s<strong>in</strong>d.<br />

Mit diesen dürren Worten zogen Bürokraten 1955 e<strong>in</strong>en Schlussstrich unter zwei<br />

Menschenleben, die ihr Ende im Holocaust gefunden hatten.<br />

Julius Dreifuß aus Lörrach und Mathilde Nachmann aus Rastatt<br />

Julius Dreifuß wurde am 16. September 1876 <strong>in</strong> Lörrach als Sohn des Breisacher Religionslehrers<br />

Jacob Dreifuß und der aus Worms stammenden Augusta Friedmann<br />

geboren. In Lörrach besuchte er das Gymnasium und bestand die Abiturprüfung<br />

mit der Note „sehr gut“.<br />

Wie der frühere Ordnungsamtsleiter Hubert Ihle bei der heutigen Auswertung der<br />

Akten des Generallandesarchives <strong>in</strong> Karlsruhe weiter herausfand, studierte Dreifuß<br />

<strong>in</strong> Heidelberg klassische Philologie, war ab April 1900 als Lehramtspraktikant<br />

am dortigen Gymnasium beschäftigt und ab 1901 <strong>in</strong> Rastatt. Im Juni 1905 erhielt<br />

er se<strong>in</strong>e erste planmäßige Anstellung als Professor am <strong>Bruchsal</strong>er Gymnasium. Er<br />

unterrichtete Griechisch, Late<strong>in</strong> und Deutsch. Als „gründlicher Kenner der Sprache<br />

Lehrerkollegium des <strong>Bruchsal</strong>er Gymnasiums 1930. H<strong>in</strong>tere Reihe 3. v. l. Dr. Ludwig Marx,<br />

4. v. r. Prof. Julius Dreifuß. Foto: Stadtarchiv <strong>Bruchsal</strong><br />

Julius Dreifuß war politisch engagiert. Er war Mitglied der Eisernen Front, e<strong>in</strong>er<br />

Kampfvere<strong>in</strong>igung von Sozialdemokraten und Gewerkschaften, die das Ziel hatte,<br />

die Weimarer Republik und die Demokratie gegen Angriffe von Nationalsozialisten,<br />

Kommunisten sowie der konservativen „Adelskamarilla“ zu verteidigen.<br />

E<strong>in</strong> Besuch bei der Tante <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

E<strong>in</strong>e heute <strong>in</strong> Israel lebende Nichte von Mathilde Dreifuß erzählte kürzlich von e<strong>in</strong>em<br />

Besuch bei ihrer Tante <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> während der Schulferien <strong>in</strong> den frühen<br />

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