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Stolpersteine in Bruchsal

Gedenkschrift zur ersten Stolpersteinverlegung in Bruchsal. Link zum Filmbericht auf youtube auf der letzten Umschlagaußenseite.

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Fünf <strong>Stolperste<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> der Bismarckstraße<br />

Der Initiative des Osnabrückers Benno<br />

Aulkemeyer ist es zu verdanken, dass<br />

der <strong>Bruchsal</strong>er Geme<strong>in</strong>derat am 25.<br />

März 2014 diesen Beschluss fasste: „Der<br />

Geme<strong>in</strong>derat trägt mit 26 zu 1 Stimme<br />

bei zwei Enthaltungen die privaten Initiativen<br />

zur Verlegung von „<strong>Stolperste<strong>in</strong>e</strong>n“<br />

im öffentlichen Verkehrsraum und damit<br />

e<strong>in</strong>er dezentralen Gedenkstätte mit.“<br />

Warum es Benno Aulkemeyer so wichtig<br />

war, dass wie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Heimatstadt<br />

Osnabrück auch <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> mittels<br />

<strong>Stolperste<strong>in</strong>e</strong>n der Opfer des Nationalsozialismus<br />

gedacht wird, schildert er<br />

selbst so:<br />

„In <strong>Bruchsal</strong> wohnte <strong>in</strong> der Nazi-Zeit<br />

die Familie Sicher. Das waren Fritz und<br />

Recha Sicher, deren K<strong>in</strong>der Emmy und<br />

Vorne: Fritz und Recha Sicher, dah<strong>in</strong>ter Sohn Ernst<br />

Joachim und Tochter Emmy. Aufnahme um 1938.<br />

Foto: E. Sicher<br />

Ernst sowie Recha Sichers Schwester Adelheid Heß. Bis auf Ernst kamen alle im<br />

Holocaust um. Ernst konnte mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>dertransport aus Deutschland fliehen.<br />

Der Sohn von Ernst Sicher ist der <strong>in</strong> London geborene und jetzt <strong>in</strong> Be‘er Sheva <strong>in</strong> Israel<br />

lebende Professor Efraim Sicher, der Kollege und Freund me<strong>in</strong>er Frau ist. Beide<br />

forschen über russisch-jüdische Literatur.<br />

Nachdem Efraim vor nunmehr über zwei Jahren auf e<strong>in</strong>er Konferenz <strong>in</strong> Heidelberg<br />

gewesen war – eigentlich wollte er nie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leben deutschen Boden betreten<br />

– haben wir geme<strong>in</strong>sam mit me<strong>in</strong>em damals etwa e<strong>in</strong>jährigen Sohn Heidelberg besichtigt<br />

und s<strong>in</strong>d natürlich auch auf <strong>Stolperste<strong>in</strong>e</strong> gestoßen. Diese <strong>Stolperste<strong>in</strong>e</strong> waren<br />

der Anlass, auf Efraims Wunsch h<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Heimatstadt se<strong>in</strong>er Familie <strong>in</strong>s nahe<br />

<strong>Bruchsal</strong> zu fahren. Dort besuchten wir die Stelle, wo e<strong>in</strong>st die Synagoge stand sowie<br />

den Ort, an dem Efraims Vorfahren bis 1940 wohnten: die Bismarckstraße 18. Vor<br />

diesem Haus machte ich e<strong>in</strong> Foto von Efraim, wie er me<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Sohn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Armen wiegt. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich Pate von fünf <strong>Stolperste<strong>in</strong>e</strong>n<br />

werden möchte: Für die ermordeten Vorfahren von Efraim sowie dessen Vater,<br />

der nur durch se<strong>in</strong>e Flucht nach England dem gleichen Schicksal entg<strong>in</strong>g.“<br />

Familie Sicher aus München<br />

Die Vorfahren von Fritz Sicher kamen aus dem tschechischen Janovice <strong>in</strong> der Nähe<br />

von Klattau. Er selbst wurde am 12. Juli 1882 <strong>in</strong> München als Sohn von David Sicher<br />

und Emilie Bloch geboren, die <strong>in</strong> München e<strong>in</strong>e Gerberei betrieben. Fritz Sicher<br />

absolvierte e<strong>in</strong>e kaufmännische Lehre, war im Ersten Weltkrieg <strong>in</strong> Mazedonien im<br />

E<strong>in</strong>satz und nach Kriegsende als Reisender <strong>in</strong> der Schuhbranche tätig.<br />

Fritz Sichers Brüder Richard und Ernst wurden im Holocaust ermordet, ebenso<br />

Elsa Pories, die Ehefrau von Ernst. Nur Rudolf, der vierte der Brüder, konnte den<br />

Holocaust <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Versteck <strong>in</strong> Frankreich überleben.<br />

Emanuel und Elise Heß aus Malsch bei Wiesloch<br />

Im <strong>Bruchsal</strong>er Adressbuch des Jahres 1888 ist der <strong>in</strong> Malsch geborene Metzgermeister<br />

Emanuel Heß mit der Anschrift Württemberger Straße 6 erfasst. Er war<br />

verheiratet mit Elise, geborene Mayer aus Nussloch. Ob die Familie tatsächlich <strong>in</strong><br />

<strong>Bruchsal</strong> wohnte lässt sich nicht nachvollziehen, es könnte e<strong>in</strong>e Zweitwohnung gewesen<br />

se<strong>in</strong>, um zu repräsentieren oder hier Geschäfte zu machen. Emanuel und<br />

Elise hatten sieben K<strong>in</strong>der, alle <strong>in</strong> Malsch geboren. Gustav und Isaak fielen 1915 als<br />

Soldaten im Ersten Weltkrieg, Alfred zog nach Speyer, wo sich se<strong>in</strong>e Spuren verloren.<br />

Er soll den Holocaust <strong>in</strong> der Schweiz überlebt haben. Die Töchter erhielten<br />

die Namen Recha, Adelheid, Guta und Lilli. Guta heiratete Friedrich Metzger aus<br />

Speyer, Nachfahren leben heute <strong>in</strong> den USA. Recha, Adelheid und Lilli lebten und<br />

arbeiteten <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>.<br />

Lilli Heß und Siegfried Ullmann<br />

Lilli Heß war <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> Inhaber<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Geschäftes für Kurz-, Weiß- und Wollwaren.<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich 1936 heiratete sie den Viehhändler Siegfried Ullmann aus<br />

Haigerloch. Das Geschäft <strong>in</strong> der Friedrichstraße wurde auf behördliche Anordnung<br />

im Dezember 1938 e<strong>in</strong>gestellt. Lilli und Siegfried Ullmann wurden am 1. Dezember<br />

1941 von Stuttgart aus <strong>in</strong>s Ghetto Riga deportiert und nach dem Krieg für tot erklärt.<br />

Recha und Adelheid Heß als Damenschneider<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

Recha Heß, geboren am 18. Februar 1888 <strong>in</strong> Malsch, betrieb seit 1907 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

e<strong>in</strong>e Damenschneiderei. Ab etwa 1919 war ihre am 17. Oktober 1891 <strong>in</strong> Malsch geborene<br />

Schwester Adelheid ebenfalls <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> als Damenschneider<strong>in</strong> tätig. Am<br />

23. August 1920 heirateten <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> Fritz Sicher und Recha Heß.<br />

Von der Parterrewohnung <strong>in</strong> der Schillerstraße <strong>in</strong> die Bismarckstraße 18, 3. Stock<br />

Recha und Fritz Sicher hatten zwei K<strong>in</strong>der. Am 7. Juni 1921 wurde die Tochter Emmy<br />

geboren, am 9. März 1924 Sohn Ernst Joachim, der <strong>in</strong> der Schillerstraße 1 (heute<br />

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