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Gedenkschrift zur zweiten Stolpersteinverlegung in Bruchsal am 27. Juni 2016

in dieser Broschüre werden unter anderem die Schicksale Angehöriger der Bruchsaler Familien Bornhäuser, Prager, Bär, Kahn und Oppenheimer dokumentiert, allesamt Opfer des NS-Regimes.

in dieser Broschüre werden unter anderem die Schicksale Angehöriger der Bruchsaler Familien Bornhäuser, Prager, Bär, Kahn und Oppenheimer dokumentiert, allesamt Opfer des NS-Regimes.

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<strong>Gedenkschrift</strong><br />

<strong>zur</strong> <strong>zweiten</strong><br />

<strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

<strong>am</strong> <strong>27.</strong>6.<strong>2016</strong><br />

Stolperste<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>


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Inhaltsverzeichnis<br />

1 Grußwort der Oberbürgermeister<strong>in</strong> Cornelia Petzold-Schick<br />

3 E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Schülerprojekt Florian Jung<br />

Die Opferbiographien<br />

4 Oskar Bornhäuser (1899-1940) Niels Huber, Dennis Wagner, Kl. 8s<br />

6 Spurensuche nach Onkel Oskar Doris Bornhäuser<br />

8 Wilhelm Prager (1880-1942) Malte Rieseweber, Kl. 8w<br />

10 Charlotte Prager geb. Wiesbader (1886-1942) F<strong>in</strong>an Kluge, Kl. 8w<br />

11 Mathilde Prager (1912-1993) Moritz Haberland, Kl. 8w<br />

14 Übersicht F<strong>am</strong>ilien Prager und Wiesbader Florian Jung, Rolf Schmitt<br />

18 Die Suche nach der F<strong>am</strong>ilie Prager Rolf Schmitt<br />

20 Die Rechentafel von Wilhelm Prager Rolf Schmitt<br />

22 Fanny Bär geb. Kahn (1855-1941) Philipp Schl<strong>in</strong>dwe<strong>in</strong>, Eduard Gross, Kl. 8u<br />

24 Alfred Anselm Bär (1877-1942) Julian Schleicher, Kl. 8u<br />

25 Soie Bär (1884-1943) Marco Mosch<strong>in</strong>ski, Kl. 8u<br />

26 Übersicht F<strong>am</strong>ilie Bär Florian Jung<br />

28 Me<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerungen an die F<strong>am</strong>ilie Bär Edeltrude Schies<br />

32 Bertha Kahn geb. Hirsch (1856-1943) und Valerie Kurz und<br />

Johanna Kahn (1894-1943)<br />

Sarah Betz, Kl. 8u<br />

36 Übersicht F<strong>am</strong>ilie Kahn Florian Jung<br />

38 Hedwig Oppenheimer g. Wälder (1872-1942) Sascha Hermann, Muh<strong>am</strong>med Dana, Kl. 8t<br />

40 Berta Fröhlich g. Oppenheimer (1898-1941) Nicolas Konrad, Kl. 8t<br />

41 Übersicht F<strong>am</strong>ilie Oppenheimer Florian Jung, Rolf Schmitt<br />

Anhang<br />

42 C<strong>am</strong>p de Gurs – Reise <strong>in</strong> die Vergangenheit Valerie Kurz, Kl. 8u<br />

44 Im Generallandesarchiv Karlsruhe Malte Rieseweber, Moritz Haberland, Kl. 8w<br />

45 Die ersten <strong>Bruchsal</strong>er Stolperste<strong>in</strong>e: 19.4.2015 Rolf Schmitt<br />

Die Druckkosten dieser Broschüre wurden dankenswerterweise<br />

von der BürgerStitung <strong>Bruchsal</strong> übernommen.


Grußwort<br />

der Oberbürgermeister<strong>in</strong><br />

Es war e<strong>in</strong> bedeutungsvoller Tag für die Geschichtskultur<br />

und die Gedenkarbeit <strong>in</strong> unserer Stadt: Vor<br />

etwas mehr als e<strong>in</strong>em Jahr, <strong>am</strong> Sonntag, 19. April<br />

2015, wurden durch den Künstler Gunter Demnig<br />

erstmals <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t zehn Stolperste<strong>in</strong>e verlegt. Interesse<br />

und Anteilnahme an dieser Aktion waren<br />

groß, viele <strong>Bruchsal</strong>er haben sich zus<strong>am</strong>mengefunden<br />

und an den drei Verlegestellen der Opfer von<br />

Terror und Unterdrückung durch das NS-Regime<br />

gedacht.<br />

Me<strong>in</strong> Grußwort für die d<strong>am</strong>als erschienene Broschüre endete mit dem Wunsch,<br />

diese zehn kle<strong>in</strong>en Mahnmale, die Teil e<strong>in</strong>es weit größeren dezentralen Monumentes<br />

von zwischenzeitlich europäischer Dimension s<strong>in</strong>d, mögen erst der<br />

Anfang se<strong>in</strong> – und viele weitere sollten ihnen folgen. Heute, 14 Monate später,<br />

ist <strong>am</strong> <strong>27.</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2016</strong> der Augenblick der <strong>zweiten</strong> <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong> mit weiteren<br />

elf Er<strong>in</strong>nerungstafeln gekommen. Dies zeigt, wie groß das bürgerschaftliche<br />

und ehren<strong>am</strong>tliche Engagement <strong>in</strong> der Zwischenzeit wiederum war und<br />

weiterh<strong>in</strong> ist.<br />

D<strong>am</strong>als wie heute gilt me<strong>in</strong> Dank allen, die <strong>am</strong> Zustandekommen dieser Aktion<br />

<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> beteiligt waren – allen Spendern, allen Ideengebern, allen, die dieses<br />

Ereignis mit vorbereitet haben. Immer wieder dürfen wir es auch erleben,<br />

dass die heutigen Hausbesitzer an den Verlegestellen sich nicht nur zustimmend<br />

zu der Aktion äußern, sondern selbst aktiv nach dem Schicksal früherer<br />

Bewohner des Gebäudes fragen – e<strong>in</strong>e besondere Form der Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit Geschichte also. E<strong>in</strong>er Koord<strong>in</strong>ationsgruppe Stolperste<strong>in</strong>e gehören<br />

neben Vertretern der Stadt <strong>Bruchsal</strong> <strong>in</strong>sbesondere die BürgerStiftung <strong>Bruchsal</strong><br />

sowie die <strong>Bruchsal</strong>er Friedens<strong>in</strong>itiative an. Der BürgerStiftung b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> besonderem<br />

Maße dankbar, dass sie die Aufgabe übernommen hat, Mittel für das<br />

geme<strong>in</strong>nützige Projekt e<strong>in</strong>zuwerben. Darüber h<strong>in</strong>aus hat die Stiftung selbst die<br />

F<strong>in</strong>anzierung von <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t zehn Stolperste<strong>in</strong>en sowie die Drucklegung dieser<br />

Broschüre übernommen.<br />

E<strong>in</strong> besonderer Dank gilt für das jetzt laufende Projekt Herrn Florian Jung,<br />

Lehrer <strong>am</strong> Justus-Knecht-Gymnasium, und se<strong>in</strong>er Projektgruppe aus Schülern<br />

1


der 8. Klasse. Die Jugendlichen haben sich unter fachkundiger Anleitung und<br />

Betreuung <strong>in</strong>tensiv an die Recherche nach der Geschichte all jener NS-Opfer<br />

gemacht, für die im Rahmen der diesjährigen Stolperste<strong>in</strong>-Aktion e<strong>in</strong>e bleibende<br />

Er<strong>in</strong>nerung geschaffen wird. Dieses Engagement lässt das Projekt, über se<strong>in</strong>e<br />

grundsätzliche Bedeutung für die Gedenkarbeit <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> h<strong>in</strong>aus, noch mehr<br />

zu etwas wirklich Besonderem werden: Die Suche nach den N<strong>am</strong>en, den Lebenswegen,<br />

den Schicksalen von Menschen im Angesicht von Bedrohung und<br />

Gewalt hat die Jugendlichen über Monate h<strong>in</strong> beschäftigt. Aus dieser Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit Geschichte Lehren für das eigene Leben ziehen und historische<br />

Erfahrungen für sich selbst gew<strong>in</strong>nen zu können, ist vielleicht e<strong>in</strong>es der wichtigsten<br />

Resultate, die e<strong>in</strong> Schulprojekt dieser Art überhaupt erreichen kann.<br />

E<strong>in</strong> ebenfalls besonderer Dank gilt wiederum auch Herrn Rolf Schmitt, dem<br />

es als weiterer Motor der <strong>Bruchsal</strong>er Stolperste<strong>in</strong>-Aktion erneut gelungen ist,<br />

zahlreiche bisher unbekannte geschichtliche Fakten aufzuarbeiten und viele<br />

f<strong>am</strong>ilienkundliche Bezüge herzustellen. Insbesondere se<strong>in</strong>en Recherchen und<br />

Bemühungen haben wir es zu verdanken, dass – ähnlich der ersten Stolperste<strong>in</strong>-Aktion<br />

vom April 2015 – auch diesmal wieder Angehörige der gewürdigten<br />

NS-Opfer aus Amerika <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> zu Gast s<strong>in</strong>d, um an der Zeremonie<br />

teilzunehmen.<br />

Dies br<strong>in</strong>gt zugleich die Er<strong>in</strong>nerung an die E<strong>in</strong>weihung des Otto-Oppenheimer-Platzes<br />

im Mai 2011 <strong>zur</strong>ück, zu der wir die Nachfahren des n<strong>am</strong>ensgebenden<br />

<strong>Bruchsal</strong>er Liederdichters und Philanthropen begrüßen konnten. Unter<br />

ihnen war Walter Bernkopf, Enkel von Hedwig und Neffe von Bertel Oppenheimer,<br />

an deren Schicksal wir nun mit zwei Stolperste<strong>in</strong>en er<strong>in</strong>nern. Walter<br />

Bernkopf feiert <strong>am</strong> <strong>27.</strong> Juli, genau e<strong>in</strong>en Monat nach der <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong><br />

für Großmutter und Tante, se<strong>in</strong>en 90. Geburtstag. Leider war ihm e<strong>in</strong>e persönliche<br />

Teilnahme diesmal nicht möglich, daher gelten Herrn Bernkopf an dieser<br />

Stelle besonders herzliche Grüße und alle gute Wünsche aus <strong>Bruchsal</strong>!<br />

Kontakte und persönliche Verb<strong>in</strong>dungen wie diese s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drückliches Zeichen,<br />

wie Aufarbeitung und Versöhnung Hand <strong>in</strong> Hand gehen. Sie tragen dazu<br />

bei, durch e<strong>in</strong>en verantwortungsvollen Blick auf unsere Geschichte zugleich<br />

unser Bewusstse<strong>in</strong> dafür zu schärfen, was wir selbst für den Bestand e<strong>in</strong>er gerechten<br />

und friedlichen Welt <strong>in</strong> der Zukunft leisten können.<br />

Cornelia Petzold-Schick<br />

2


E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Schülerprojekt<br />

von Florian Jung, OStR <strong>am</strong> Justus-Knecht-Gymnasium <strong>Bruchsal</strong><br />

Klar ist: Die Aufklärung über die Verbrechen des Nationalsozialismus, im besonderen<br />

über die Ermordung von sechs Millionen Juden aus ganz Europa, diese Aufklärung<br />

gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Geschichtsunterrichts an deutschen Schulen.<br />

Klar ist auch: Die Vermittlung ist schwierig, vornehmlich aus drei Gründen: Zum e<strong>in</strong>en<br />

s<strong>in</strong>d die Graus<strong>am</strong>keiten des Holocaust so jenseits unseres Vorstellungsvermögens, dass<br />

sie selbst von Erwachsenen kaum erfassbar s<strong>in</strong>d, und man wird sich ausmalen können,<br />

dass dies im 45-M<strong>in</strong>uten-Takt des Schulunterrichts e<strong>in</strong>e große Herausforderung für Lehrer<br />

und – vor allem – für Schüler ist. Zweitens ist die unfassbare Zahl von „6 Millionen“<br />

so groß, dass sie unser aller Vorstellungsvermögen übersteigt. Drittens wird der zeitliche<br />

Abstand immer größer – es leben <strong>in</strong> den F<strong>am</strong>ilien der Schüler kaum mehr Angehörige,<br />

die den <strong>zweiten</strong> Weltkrieg überhaupt bewusst erlebt haben und somit wenigstens den<br />

Rahmen für e<strong>in</strong>e schulische Behandlung der Zeit geben können.<br />

Die Verknüpfung des Kunstprojekts „Stolperste<strong>in</strong>e“ von Gunter Demnig mit der Projektstunde<br />

für achte Klassen, so wie wir sie <strong>am</strong> Justus-Knecht-Gymnasium im Rahmen<br />

der Wiedere<strong>in</strong>führung des „G9“ anbieten können, ermöglicht <strong>in</strong> idealer Weise, allen<br />

drei Schwierigkeiten zu begegnen. Zum e<strong>in</strong>en können die Projektphasen flexibel über<br />

das ganze Schuljahr gelegt werden, Blöcke <strong>am</strong> Nachmittag oder Kle<strong>in</strong>gruppenrecherche<br />

s<strong>in</strong>d dabei selbstverständlich möglich. Zweitens erarbeiten sich die Schüler die Lebensumstände<br />

und die Leidensgeschichte an konkreten Opferbiographien, die Recherche <strong>in</strong><br />

Literatur und Archiv gehört mit dazu. Dann steht die ermordete, ehemalige <strong>Bruchsal</strong>er<br />

Mitbürger<strong>in</strong> stellvertretend für sechs Millionen andere, e<strong>in</strong> emotionaler Zugang wird<br />

ermöglicht. Drittens konnten Kontakte zu Angehörigen von allen <strong>in</strong> diesem Heft beschriebenen<br />

Opfern hergestellt werden, vier der fünf F<strong>am</strong>ilien werden <strong>am</strong> Tag der <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong><br />

<strong>am</strong> <strong>27.</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2016</strong> anwesend se<strong>in</strong>. Für die Schüler e<strong>in</strong> hervorragender<br />

Moment, längst Vergangenes mit ihrer Gegenwart zu verknüpfen.<br />

Sascha, Muh<strong>am</strong>med und Nicolas (von l<strong>in</strong>ks)<br />

h<strong>in</strong>ter dem Gurs-Schild beim <strong>Bruchsal</strong>er Bahnhof.<br />

Foto: F. Jung<br />

Marco, Eduard, Julian und Philipp (von l<strong>in</strong>ks)<br />

bei den Stolperste<strong>in</strong>en für die F<strong>am</strong>ilie Sicher<br />

vor der Bismarckstraße 18. Foto: F. Jung<br />

3


Biografie von Oskar Bornhäuser (1899-1940)<br />

von Niels Huber und Dennis Wagner, Klasse 8s<br />

Oskar Bornhäuser wurde <strong>am</strong> 16. Februar<br />

1899 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> geboren und<br />

war das älteste K<strong>in</strong>d von Ernst und<br />

Luise Bornhäuser. Die F<strong>am</strong>ilie hatte<br />

noch zwei Jungen und vier Mädchen<br />

und wohnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus <strong>in</strong> der<br />

Gutleutstraße 5 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Oskar<br />

besuchte seit 1909 die Oberrealschule<br />

<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, den Vorläufer des heutigen<br />

Justus-Knecht-Gymnasiums.<br />

In welche Schule er vorher g<strong>in</strong>g, ist<br />

nicht bekannt. 1917 wurde er aus der<br />

Klasse O 2 (Obersekunda, entspricht<br />

heute Klasse 11) „zum Heeresdienst<br />

entlassen“. Der Kriegsdienst begann<br />

mit der Ausbildung <strong>in</strong> Freiburg und<br />

F<strong>am</strong>ilie Bornhäuser im Jahr 1929: vorne, v. li.: Eltern<br />

Luise B. geb. Gromer (1873-1957), Ernst B. (1869-1939),<br />

Emma Lutz (1906-1986), Ernst B. (1905-1984)<br />

h<strong>in</strong>ten, v. li.: Friedl Müller, Fritz B. (1900-1943), Hilda B.<br />

(1903-1991), Frieda B. (1907-1993). Foto: D. Bornhäuser<br />

schließlich k<strong>am</strong> er nach Hatrize bei Metz und wurde dort zum Telefonisten und<br />

W<strong>in</strong>ker ausgebildet. Am 18.2.1918 wurde er e<strong>in</strong>er preußischen Infanterie-Geschütz-<br />

Abteilung zugeordnet. Er wurde bei der Schlacht von Reims <strong>am</strong> rechten Be<strong>in</strong> schwer<br />

verletzt und k<strong>am</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Lazarett <strong>in</strong> Nürnberg,<br />

später <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Lazarett <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Die Folge davon<br />

war, dass er <strong>am</strong> 15. April 1919 aus dem Militärdienst<br />

entlassen wurde.<br />

Haus der F<strong>am</strong>ilie Bornhäuser <strong>in</strong> der Gutleutstr.<br />

5, um 1910. Foto: D. Bornhäuser<br />

Nachdem er sich entschlossen hatte, Lehrer zu<br />

werden, machte er 1919 die Aufnahmeprüfung<br />

für den V. Kurs des Sem<strong>in</strong>ars II <strong>in</strong> Karlsruhe.<br />

Die Abgangsprüfung war an Ostern 1920. Se<strong>in</strong><br />

Zeugnis bek<strong>am</strong> er <strong>am</strong> 7. März 1921, die Beurkundung<br />

für die Aufnahme unter den badischen<br />

Volksschulkandidaten <strong>am</strong> 26. März 1921. Oskar<br />

Bornhäuser legte im März 1921 noch e<strong>in</strong>e weitere<br />

Prüfung mit der Note „h<strong>in</strong>länglich“ ab, die<br />

sogenannte „Befähigung <strong>zur</strong> Erteilung des Religionsunterrichts“.<br />

Die Urkunde zum „E<strong>in</strong>tritt<br />

<strong>in</strong> das Be<strong>am</strong>tenverhältnis“ hat er <strong>am</strong> 13. März<br />

1921 bekommen. Er sollte se<strong>in</strong>en Dienst sofort<br />

4


an der Volksschule <strong>in</strong> Gochsheim antreten. Bis<br />

er im <strong>Juni</strong> 1924 entlassen wurde, wurde er noch<br />

an 12 anderen Schulen landauf landab <strong>in</strong> Baden,<br />

manchmal nur für wenige Wochen an demselben<br />

Ort, e<strong>in</strong>gesetzt. Dann wohnte Oskar wieder<br />

bei se<strong>in</strong>en Eltern. Am 15. September 1924 wurde<br />

er <strong>in</strong> die psychiatrische Anstalt <strong>in</strong> Wiesloch e<strong>in</strong>gewiesen,<br />

weil er Selbstmordgedanken hatte und<br />

ständig davonlief.<br />

Im Erdgeschossfenster des Bildes S. 4:<br />

Ernst Bornhäuser, rechts. Ob der Junge<br />

l<strong>in</strong>ks Oskar ist oder e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Brüder?<br />

Zuerst war se<strong>in</strong> gesundheitlicher Zustand noch<br />

ganz <strong>in</strong> Ordnung, er wirkte <strong>in</strong>teressiert und orientiert.<br />

Da ke<strong>in</strong>e Therapie erfolgte, g<strong>in</strong>g es ihm mit den Jahren immer schlechter. In<br />

den 1930ern wird er zunehmend als autistisch und unansprechbar beschrieben, soll<br />

aber auch – laut Krankenakte – „oft blöd und zerfahren vor sich h<strong>in</strong>sprechen und<br />

lachen, brüllen, Fensterscheiben e<strong>in</strong>schlagen und se<strong>in</strong>e Kleidung zerreißen“. Über<br />

die ganzen Jahre besuchte ihn se<strong>in</strong>e Mutter regelmäßig. Am 20. <strong>Juni</strong> 1940 wurde er,<br />

wie es im m<strong>in</strong>isteriellen Schreiben heißt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e außerbadische Anstalt „verlegt“,<br />

das bedeutete die Ermordung <strong>in</strong> Grafeneck. Oskar Bornhäuser war e<strong>in</strong>er von 10.654<br />

Menschen, die dort im Jahr 1940 vergast wurden.<br />

Gutleutstraße 5, kurz vor dem Abriss,<br />

1991. Foto: R. Bornhäuser<br />

Nähere Angaben s<strong>in</strong>d zu f<strong>in</strong>den <strong>in</strong>:<br />

Bornhäuser, Doris: Oskar B. <strong>Bruchsal</strong> 1899 –<br />

Grafeneck 1940. E<strong>in</strong>e biografische Annäherung.<br />

Reutl<strong>in</strong>gen 2013. 67 Seiten.<br />

Grabste<strong>in</strong>, Friedhof <strong>Bruchsal</strong>.<br />

Foto: R. Bornhäuser<br />

5


Auf der Suche nach Spuren und Antworten –<br />

e<strong>in</strong>e biografische Annäherung<br />

an me<strong>in</strong>en Onkel Oskar Bornhäuser<br />

Lieber Onkel Oskar,<br />

von Doris Bornhäuser, Reutl<strong>in</strong>gen<br />

leider hatten wir von De<strong>in</strong>em Schicksal ke<strong>in</strong>e Ahnung, bis wir 1994 De<strong>in</strong>e Cous<strong>in</strong>en<br />

besuchten und sie uns erzählten, dass Du im Rahmen der „Euthanasie“-Verbrechen<br />

<strong>in</strong> Grafeneck ermordet wurdest.<br />

Unsere Eltern und Tanten haben nie darüber gesprochen, Du wurdest <strong>in</strong> den F<strong>am</strong>ilienerzählungen<br />

selten erwähnt, meist <strong>in</strong> Zus<strong>am</strong>menhang mit De<strong>in</strong>em Bruder Fritz,<br />

der im 2. Weltkrieg gefallen ist. Wir haben nie genauer nachgefragt und e<strong>in</strong> Foto<br />

von Dir gab es auch nicht. De<strong>in</strong> Tod war wohl e<strong>in</strong> Tabu, e<strong>in</strong> F<strong>am</strong>ilien-Geheimnis,<br />

das uns alle gelähmt hat. Es wurde erst aufgebrochen, als niemand mehr die Fragen<br />

beantworten konnte. Lähmung und Sprachlosigkeit hatten sich auch auf uns übertragen.<br />

Es brauchte noch e<strong>in</strong> paar Jahre, bis wir dies überwunden hatten. Ab 2002<br />

habe ich mich auf Spurensuche begeben, unterstützt von me<strong>in</strong>em Bruder. Ich wollte<br />

mich <strong>in</strong>tensiver mit De<strong>in</strong>em Leben befassen und das Ergebnis festhalten.<br />

Aus der Personalakte des Kultusm<strong>in</strong>isteriums und der Krankenakte von Wiesloch<br />

haben wir etwas mehr aus De<strong>in</strong>em Leben nach der Schulentlassung erfahren.<br />

Du sagst dem Arzt beim Aufnahmegespräch <strong>in</strong> Wiesloch, dass Du dich normal entwickelt<br />

hast und e<strong>in</strong> heiteres K<strong>in</strong>d gewesen bist. Lesen und Rechnen ist Dir nicht so<br />

leicht gefallen und doch bist Du dann <strong>in</strong> die Oberrealschule gegangen. Beim Arzt<br />

sagst Du auch, dass Du anfangs gerne Soldat warst, hast Krieg als Sport und Spielerei<br />

gesehen, warst aber dann von der Wirklichkeit entsetzt.<br />

In der Klassiker-Ausgabe von Schillers „Jungfrau von Orleans“ hast Du De<strong>in</strong>en N<strong>am</strong>en<br />

re<strong>in</strong>geschrieben und sehr viele Textstellen angestrichen. Das zeigte mir, dass<br />

Du Dich mit der Problematik doch sehr beschäftigt hast.<br />

Es war ke<strong>in</strong>e Spielerei mehr, Du musstest Dich mit dem Töten ause<strong>in</strong>andersetzen:<br />

„Sollt‘ ich ihn töten? Konnt‘ ich‘s, da ich ihm <strong>in</strong>s Auge sah?“ Du fasst es dann zus<strong>am</strong>men<br />

mit dem Zitat von Schiller, das Du ganz vorne <strong>in</strong>s Buch zu De<strong>in</strong>em N<strong>am</strong>en<br />

geschrieben hast:<br />

„E<strong>in</strong> Schlachten wars,<br />

nicht e<strong>in</strong>e Schlacht zu nennen.“<br />

Im Lazarett hattest Du wohl viel Zeit, über De<strong>in</strong>e Militärzeit und deren Problematik<br />

nachzudenken.<br />

6


Dann hast Du Dich entschlossen, Lehrer zu werden. Dem Arzt <strong>in</strong> Wiesloch hast<br />

Du auch den Grund dafür genannt. Du wolltest der Menschheit helfen – bei Pestalozzi<br />

hast Du gelesen, dass die Menschheit noch tief stehe und ihr geholfen werden<br />

müsse. Du warst erfüllt von e<strong>in</strong>em Sendungsbewusstse<strong>in</strong>, dem Ideal e<strong>in</strong>es Weltverbesserers,<br />

hast aber während De<strong>in</strong>er Zeit als Lehrer De<strong>in</strong>e Grenzen erfahren. Du<br />

hast es nicht e<strong>in</strong>fach gehabt. Schmerzhaft war für Dich, dass Du De<strong>in</strong>e Ideale nicht<br />

umsetzen konntest und Du dann aus dem Schuldienst entlassen wurdest.<br />

Und dann k<strong>am</strong> die E<strong>in</strong>weisung nach Wiesloch! Hattest Du anfangs noch Hoffnung<br />

auf Besserung gehabt und bist dann auch da von der Wirklichkeit entsetzt gewesen?<br />

Du hast Dich immer mehr <strong>zur</strong>ückgezogen. In der Krankenakte zeigte sich, dass<br />

die NS-Ideologie den Gedanken der Euthanasie übernommen hat, es wurden kaum<br />

noch E<strong>in</strong>träge vorgenommen. Hast Du gespürt, dass <strong>in</strong> den letzten Jahren zunehmend<br />

De<strong>in</strong> Leben weniger wert war und Du vielleicht auch als „unnützer Esser“<br />

abgestempelt wurdest?<br />

Du warst alle<strong>in</strong> und doch hat De<strong>in</strong>e Mutter zu Dir gehalten. Sie hat Dich alle zwei<br />

Wochen besucht. Sie hat es auf ihre bescheidene und freundliche Art gemacht. Wie<br />

schwer muss es ihr gefallen se<strong>in</strong>. Habt Ihr mite<strong>in</strong>ander reden können? Oder wollte<br />

sie Dir e<strong>in</strong>fach zeigen, dass sie für Dich da ist und Du ihr Sohn bist und bleibst.<br />

Wie hat sie De<strong>in</strong>e „Fortverlegung“ aufgenommen? Hat sie den Informationen im<br />

„Trostbrief “ geglaubt oder hat sie etwas geahnt?<br />

Es bleiben die Fragen!<br />

Aber Du bist nicht vergessen, Du hast hier wieder e<strong>in</strong>en Platz.<br />

Doris und Ra<strong>in</strong>er Bornhäuser erzählen den Schülern Dennis Wagner und Niels Huber<br />

von ihrem Onkel Oskar (von rechts). Foto: F. Jung<br />

7


Biografie von Wilhelm Prager (1880-1942)<br />

von Malte Rieseweber, Klasse 8w<br />

Wilhelm Prager wurde geboren <strong>am</strong> 9.12.1880 <strong>in</strong> Walldorf. Se<strong>in</strong>e Eltern, Moses Prager,<br />

e<strong>in</strong> Handelsmann <strong>in</strong> Walldorf, und Mathilde geb. Bär, aus Untergrombach st<strong>am</strong>mend,<br />

hatten sieben K<strong>in</strong>der, <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t vier Töchter und drei Söhne. Über se<strong>in</strong>e Jugend ist<br />

nichts weiter bekannt.<br />

Wilhelm sche<strong>in</strong>t der e<strong>in</strong>zige, der e<strong>in</strong>e gehobene Berufsausbildung, nämlich zum Volksschullehrer,<br />

machte. Am 13.8.1901 wurde er als Volksschulkandidat aufgenommen, die<br />

Militärzeit unterbrach für 18 Monate. Am 12.4.1904 hatte er se<strong>in</strong>en Dienstantritt als Unterlehrer,<br />

<strong>am</strong> 5.4.1910 die erste planmäßige Anstellung als Hauptlehrer. Er wurde etwa<br />

1905/07 Lehrer <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, an der Pestalozzischule <strong>am</strong> Friedrichsplatz. <strong>Bruchsal</strong> war<br />

ihm sicher gut bekannt, da mehrere nahe und entfernte Verwandte aus der Untergrombacher<br />

Bär-Sippe ebenfalls <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> lebten. Wahrsche<strong>in</strong>lich lernte er dort se<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong><br />

Charlotte Wiesbader kennen, die er 1912 heiratete. Die e<strong>in</strong>zige Tochter Mathilde<br />

k<strong>am</strong> 1913 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> <strong>zur</strong> Welt. E<strong>in</strong>gezogen wurde er im Mai 1915 <strong>in</strong> das Infanterie<br />

Regiment 40 und diente als „Geme<strong>in</strong>er“ im Tra<strong>in</strong> Abt. 14, wahrsche<strong>in</strong>lich bis 1918.<br />

Wie war Prager als Lehrer? „Anerkannt hervorragend“ urteilt August Gre<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der<br />

BNN <strong>am</strong> 17./18.4.2003, genauer wissen wir es nicht – nur ist überliefert, dass se<strong>in</strong>e Schüler<br />

wussten, dass er im 1. Weltkrieg wegen besonderer Tapferkeit mit dem „Eisernen<br />

Kreuz Erster Klasse“ ausgezeichnet worden war. Außerdem er<strong>in</strong>nerten sich die Schüler,<br />

dass er pädagogische Lernhilfen<br />

geschaffen hat, die nicht nur<br />

an se<strong>in</strong>er Schule, sondern auch<br />

<strong>in</strong> anderen <strong>Bruchsal</strong>er Schulen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt wurden. (Dazu mehr:<br />

S. 20f.)<br />

Handschrift Wilhelm Prager. Foto: GLA Karlsruhe 466-22/2798<br />

8<br />

Dann k<strong>am</strong> Hitlers Machtergreifung<br />

im Januar 1933 – wie g<strong>in</strong>g<br />

es dabei Prager? Sicher schlecht.<br />

Prager hatte sich <strong>in</strong> den Jahren<br />

1919/20, zus<strong>am</strong>men mit dem<br />

<strong>Bruchsal</strong>er Rabb<strong>in</strong>er Grzymisch,<br />

entschieden gegen antisemitische<br />

Hetze gewehrt. Diese Ause<strong>in</strong>andersetzung,<br />

die vom Leiter des<br />

völkischen „Schutz- und Trutzbunds“,<br />

Wilhelm Kugel, und dem


Gründer der <strong>Bruchsal</strong>er Volkshochschule, dem Lehrer He<strong>in</strong>rich Schweizer, begonnen wurde,<br />

wurde heftig über Flugblätter und die Zeitung ausgetragen. Später brüsteten sich diese<br />

Nazis mit diesen Ereignissen <strong>in</strong> der 1937/38 verfassten „K<strong>am</strong>pfgeschichte der <strong>Bruchsal</strong>er<br />

NSDAP“. Im Mai 1932 unterrichteten 35 jüdische Lehrer an den badischen Volksschulen.<br />

In <strong>Bruchsal</strong> gab es zwei jüdische Volkschullehrer und vier weitere jüdische Lehrer (Gymnasium,<br />

Musikschule, Handelsschule). Im April 1933 wurde Prager vorübergehend vom<br />

Dienst suspendiert. Er konnte jedoch aufgrund der Ausnahmeregelung als Frontkämpfer<br />

1933 vorerst noch im Amt bleiben. D<strong>am</strong>it war er e<strong>in</strong>er von sechs jüdischen Hauptlehrern<br />

<strong>in</strong> ganz Baden, die man vorläufig im Schuldienst beließ. Am 3.10.1935 ordnete das<br />

badische Kultusm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong> Karlsruhe aufgrund der „Nürnberger Gesetze“ die „Beurlaubung“<br />

Pragers an. Er war zu diesem Zeitpunkt der letzte jüdische Be<strong>am</strong>te im heutigen<br />

Landkreis Karlsruhe. Die Pensionierung erfolgte zum 31.12.1935, die Rente i. H. v. 436 RM<br />

monatlich wurde ab 1.1.1936 planmäßig<br />

ausbezahlt, e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derzahlung<br />

wurde von W. Prager im März<br />

1936 rekl<strong>am</strong>iert und dann nacherstattet.<br />

Vom 1.1.1939 bis 31.10.1940<br />

wurde die Rente auf 324 RM gekürzt.<br />

Am 13.10.1935 richtete das Badische<br />

Kreisschul<strong>am</strong>t <strong>Bruchsal</strong> <strong>in</strong> der<br />

Hebelschule e<strong>in</strong>e „Judenklasse“ e<strong>in</strong>,<br />

deren Leiter wurde Wilhelm Prager,<br />

unterstützt durch zwei oder<br />

drei Kollegen. Die Verdienstmöglichkeiten<br />

waren unzulänglich,<br />

aber immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> bescheidenes Styrumstr. 20 (früher Stirumstr. 5). Foto: F. Jung<br />

Auskommen möglich. Prager reiste auch im Oktober 1935 im Auftrag des Kreisschul<strong>am</strong>ts<br />

zu den Eltern auswärtiger Schüler <strong>in</strong> der Umgebung, um sie zum E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die<br />

Judenschule zu bewegen. Er berichtete über die Vorbehalte der Eltern: Bezahlung des<br />

Fahrgelds, Belästigung während der Fahrt. Am 1.9.1936 wurde die Leitung der Judenschule<br />

an Erna Kl<strong>in</strong>g aus Mannheim übertragen. Es gab, z. B. im Oktober 1936, dort 26<br />

Schüler <strong>in</strong> zwei Klassen (jahrgangsübergreifend). Mit dem Novemberpogrom 1938 k<strong>am</strong><br />

auch das Ende der jüdischen Schulabteilung an der <strong>Bruchsal</strong>er Hebelschule. Wilhelm<br />

Prager wurde mitten aus dem Unterricht herausgeholt und mit den anderen jüdischen<br />

Männern <strong>Bruchsal</strong>s nach Dachau verschleppt. Die Judenschule wurde <strong>am</strong> 7.12.1938 im<br />

Sitzungszimmer der jüdischen Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> der Huttenstraße wiedereröffnet – vermutlich<br />

nur durch Erna Kl<strong>in</strong>g, bis W. Prager (<strong>am</strong> 17.12.1938) und Kollege Herbert Kahn aus<br />

Dachau <strong>zur</strong>ückk<strong>am</strong>en. Die Jüdische Schulabteilung <strong>Bruchsal</strong> wurde Mitte 1939 endgültig<br />

geschlossen, die restlichen Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler nach Karlsruhe überwiesen.<br />

9


Die F<strong>am</strong>ilie Prager wohnte zunächst im Haus Moltkestr. 20 <strong>zur</strong> Miete. Das Haus Stirumstraße<br />

5 wurde nach dem Grundstückskauf 1927 noch <strong>in</strong> demselben Jahr als e<strong>in</strong>ziges<br />

Haus zwischen Brauereiweg und Reserveallee von Hauptlehrer Prager erbaut und von<br />

se<strong>in</strong>er F<strong>am</strong>ilie alle<strong>in</strong>e bewohnt. Nach 1933 hatten Pragers allerd<strong>in</strong>gs Mieter bei sich wohnen.<br />

Pragers Wohnung hatte vier Räume, die teuer e<strong>in</strong>gerichtet waren. Am 16.1.1939,<br />

also kurz nach Pragers Rückkehr aus Dachau, fand der Hausverkauf an den ehemaligen<br />

Kollegen der Pestalozzischule, Hauptlehrer August Rapp, statt. Prager soll gesagt haben:<br />

„Wenn ich schon verkaufen muss, dann an Dich.“ Im Kaufvertrag wurde sogar festgelegt,<br />

dass Pragers „bis zu ihrem Wegzug <strong>in</strong>s Ausland, ohne dass ihnen vorher gekündigt<br />

werden kann, <strong>in</strong> den bisher <strong>in</strong>negehabten Räumen gegen Zahlung von RM 45 als Mieter<br />

wohnen bleiben können“. Bis 1940 wurden allerd<strong>in</strong>gs die meisten Juden <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> zum<br />

Umzug <strong>in</strong> „Ghettohäuser“ gezwungen. Der Umzug <strong>in</strong> die Huttenstr. 2 (2-Zi.-Whg. im<br />

Rabb<strong>in</strong>atsgebäude mit Dienstwohnung des Rabb<strong>in</strong>ers) war „kurze Zeit vor der Deportierung“,<br />

dorth<strong>in</strong> zogen auch vier alle<strong>in</strong> stehende Frauen. Das restliche Mobiliar wurde<br />

<strong>in</strong> die Fabrikräume der Fa. Wolf (Huttenstr. 4) verbracht und später konfisziert. Pragers<br />

Deportation nach Gurs erfolgte <strong>am</strong> 22.10.1940 zus<strong>am</strong>men mit se<strong>in</strong>er Frau. Dort wurden<br />

sie letztmals genannt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief von Kantor Benj<strong>am</strong><strong>in</strong> Bravmann im Frühjahr 1941:<br />

„Wilhelm Prager und Frau s<strong>in</strong>d noch <strong>in</strong> Gurs“. Die Deportation nach Auschwitz erfolgte<br />

<strong>am</strong> 12.8.1942, zus<strong>am</strong>men mit se<strong>in</strong>er Frau über das S<strong>am</strong>mellager Drancy. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

wurden beide kurz nach der Ankunft ermordet.<br />

Biografie von Charlotte Prager<br />

geb. Wiesbader (1886-1942)<br />

von F<strong>in</strong>an Kluge, Klasse 8w<br />

Charlotte Prager wurde <strong>am</strong> 14.10.1886 <strong>in</strong> Heidelberg als jüngste Tochter von He<strong>in</strong>rich<br />

Wiesbader und dessen zweiter Frau Emma geb. Maier geboren. Ihr Vater, Inhaber<br />

der Firma „Wiesbader und Rothschild“, starb, als sie drei Jahre alt war. Vier ihrer<br />

älteren Halbbrüder wanderten schon vor 1900 <strong>in</strong> die USA aus, zwei ihrer Brüder<br />

lebten <strong>in</strong> Frankfurt. Ihre Mutter Emma zog nach dem Verkauf der Firma mehrmals<br />

(also sehr wahrsche<strong>in</strong>lich auch mit Charlotte) <strong>in</strong> Heidelberg um. Dort starb sie<br />

1921. Charlotte, genannt „Lotte“, besuchte wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e höhere Mädchenschule<br />

<strong>in</strong> Heidelberg. Nach dem Studienabschluss <strong>am</strong> Lehrersem<strong>in</strong>ar I <strong>in</strong> Karlsruhe<br />

<strong>am</strong> 5.8.1905 war sie zunächst <strong>in</strong> Heidelberg e<strong>in</strong>gesetzt. Am 7.6.1908 nahm sie Urlaub,<br />

um nach Paris zu fahren. Am 1.5.1909 wurde sie <strong>zur</strong> Unterlehrer<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

ernannt. Auf eigene Bitte ließ sich Charlotte Wiesbader wegen der bevorstehenden<br />

Eheschließung mit Wilhelm Prager <strong>am</strong> 31.12.1911 aus dem Be<strong>am</strong>tenverhältnis<br />

entlassen. Am 15.2.1912 fand die standes<strong>am</strong>tliche Trauung zwischen Wilhelm<br />

10


Prager und Charlotte <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> statt,<br />

ihre Mutter wohnte zu dieser Zeit ebenfalls<br />

<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Am 31.12.1913 gebar<br />

sie ihre e<strong>in</strong>zige Tochter Mathilde. Da an<br />

den <strong>Bruchsal</strong>er Volksschulen 1915 e<strong>in</strong><br />

verheerender Lehrermangel herrschte<br />

(23 von 40 Lehrkräften waren im<br />

Fronte<strong>in</strong>satz), wurde sie als Kriegshilfslehrer<strong>in</strong><br />

<strong>am</strong> 31.5.1915 wieder an der<br />

<strong>Bruchsal</strong>er Volksschule e<strong>in</strong>gestellt. Am<br />

15.7.1916 wurde sie – so verrät die Personalakte<br />

<strong>in</strong> dürren Worten – „wegen<br />

Zuckerh<strong>am</strong>stern vom Rektor entlassen“.<br />

Welche Geschichte mag sich dah<strong>in</strong>ter<br />

verbergen?<br />

Verbe<strong>am</strong>tungsurkunde für Charlotte Wiesbader.<br />

Foto: GLA Karlsruhe 235/31689<br />

Es gibt über ihr Leben als Hausfrau, Ehefrau und Mutter ke<strong>in</strong>e Informationen. Man<br />

weiß nur, dass es e<strong>in</strong> musikalischer Haushalt war: Seit 1920 waren Pragers im Besitz<br />

e<strong>in</strong>es Flügels, der das Klavier im Musikzimmer ersetzte. Außerdem gab es noch<br />

zwei Geigen und e<strong>in</strong>e Gitarre im Haus. Am 22.10.1940 wurde sie mit ihrem Mann<br />

nach Gurs und von dort aus über das S<strong>am</strong>mellager Drancy <strong>am</strong> 12.8.1942 nach Ausschwitz<br />

deportiert, wo beide wahrsche<strong>in</strong>lich sofort umgebracht wurden. Obwohl<br />

die Pragers die erforderlichen Mittel für e<strong>in</strong>e Flucht sowie viele Verwandte <strong>in</strong> den<br />

USA hatten, blieben sie <strong>in</strong> Deutschland. Es gibt ke<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf die Gründe.<br />

Biografie von Mathilde Prager (1912-1993)<br />

von Moritz Haberland, Klasse 8w<br />

Mathilde Prager (auch Tilde genannt) wurde <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

<strong>am</strong> 31. Dezember 1912 geboren. Ihre Eltern waren Wilhelm<br />

Prager und Charlotte Prager geborene Wiesbader. Mathilde<br />

war ihr e<strong>in</strong>ziges K<strong>in</strong>d. Sie lebten alle zus<strong>am</strong>men <strong>in</strong> der Stirumstraße<br />

5 (heute Styrumstraße 20).<br />

Mathilde trat <strong>am</strong> 25.4.1922 <strong>in</strong> die VII. Klasse (E<strong>in</strong>gangsklasse)<br />

der Höheren Mädchenschule <strong>Bruchsal</strong> e<strong>in</strong>. In der<br />

Klasse waren 40 Schüler<strong>in</strong>nen, davon sieben jüdisch. Ihre<br />

Klassenlehrer<strong>in</strong> war Dr. Jenny Dreifuß, ebenfalls Jüd<strong>in</strong>.<br />

Nur sechs Schüler<strong>in</strong>nen, darunter Tilde, k<strong>am</strong>en nach der<br />

Tilde Prager, 1932 <strong>in</strong><br />

<strong>Bruchsal</strong>. Foto: C. Ohler<br />

11


Klassenfoto der höheren Mädchenschule. Allen sechs dort abgebildeten jüdischen Schüler<strong>in</strong>nen<br />

gelang die Auswanderung. Vordere Reihe, sitzend 4. von l<strong>in</strong>ks: Tilde Prager,<br />

h<strong>in</strong>tere Reihe stehend 5. von l<strong>in</strong>ks: Liesel Herzog. Foto: Stadtarchiv <strong>Bruchsal</strong><br />

3. Volksschulklasse <strong>in</strong> die Höhere Schule, die restlichen Schüler<strong>in</strong>nen k<strong>am</strong>en regulär<br />

nach der 4. Klasse oder von außerhalb. In der VI. Klasse bek<strong>am</strong> Mathilde<br />

e<strong>in</strong> Lob – also e<strong>in</strong>e exzellente Schüler<strong>in</strong>, wenn man bedenkt, dass 11 Schüler<strong>in</strong>nen<br />

gefährdet waren. In der V. und IV. Klasse hatte sie weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> gutes Notenbild. In<br />

der II. Klasse s<strong>in</strong>d noch 17 Schüler<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> ihrer Klasse, davon s<strong>in</strong>d fünf jüdisch.<br />

Unter ihnen: Liese Herzog, deren Schwester später die Oma von Bruce und Deborah<br />

Boehm wurde. Am Ende des Jahres, im März 1928, wechselte Tilde zus<strong>am</strong>men<br />

mit zwei Klassenk<strong>am</strong>erad<strong>in</strong>nen an die Oberrealschule <strong>Bruchsal</strong>. 1930 trat sie<br />

<strong>in</strong> der Obersekunda aus unbekannten Gründen wieder aus. Ihre Klassenk<strong>am</strong>eraden<br />

legten 1932 das Abitur ab.<br />

Mathilde gab 1957 an, den Beruf der K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong> erlernt zu haben. Außerdem<br />

war sie schon d<strong>am</strong>als e<strong>in</strong>e gute Pianist<strong>in</strong>. Ansonsten liegen ihre Jahre bis 1937 im<br />

Tilde und Walter Maier, August 1981. Foto: B. Boehm<br />

Aus „Aufbau“, 19.11.82. Foto: A. Calzareth<br />

12


Dunkeln. Es gelang Mathilde, aus Deutschland<br />

zu fliehen und von H<strong>am</strong>burg aus <strong>in</strong> die Vere<strong>in</strong>igten<br />

Staaten auszuwandern. In New York k<strong>am</strong> sie<br />

schließlich <strong>am</strong> 13.08.1937 an. Mit ihr geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong><br />

reiste die ebenfalls aus <strong>Bruchsal</strong> st<strong>am</strong>mende Alw<strong>in</strong>e<br />

Odenheimer, 57 Jahre alt. Tildes Eltern waren<br />

leider nicht <strong>in</strong> der Lage, sie zu begleiten und<br />

blieben <strong>in</strong> Deutschland gefangen. Beide wurden<br />

nach Gurs und später Auschwitz deportiert und<br />

dort im August 1942 ermordet. Wie Tilde aber<br />

später schrieb, konnte sie wöchentlich über e<strong>in</strong>en<br />

Mittelsmann <strong>in</strong> Lissabon Lebensmittelpakete an<br />

ihre Eltern <strong>in</strong> Gurs übermitteln.<br />

Tilde Maier geb. Prager,<br />

<strong>Juni</strong> 1987. Foto: B. Boehm<br />

Mathilde Prager (l<strong>in</strong>ks) und<br />

Cous<strong>in</strong>e Marguerite Metzger um 1965<br />

<strong>in</strong> Straßburg. Foto: N. Franck<br />

Als erste Anlaufstelle <strong>in</strong> der „Neuen Welt“ diente<br />

ihr Onkel Isidor Wiesbader. Mathilde arbeitete<br />

mehrere Jahre als K<strong>in</strong>dermädchen und Haushälter<strong>in</strong><br />

für F<strong>am</strong>ilien, die <strong>in</strong> Scarsdale, New York und <strong>in</strong><br />

der Umgebung lebten. Dann arbeitete sie als Buchhalter<strong>in</strong>.<br />

Mathilde heiratete ihren Mann, Walter S.<br />

Maier, im Jahr 1957. Das Paar bek<strong>am</strong> jedoch ke<strong>in</strong>e<br />

K<strong>in</strong>der. Trotzdem waren sie beide sehr glücklich.<br />

Tilde war sehr herzlich zu K<strong>in</strong>dern, vergaß nie die<br />

Geburtstage der Großneffen und -nichten. Sie lebten<br />

bis 1968 <strong>in</strong> Bronx (NY) und zogen dann nach<br />

Glen Rock (NJ). In ihrem Haus war immer etwas<br />

los, weil beide sehr kontaktfreudig, gesprächig und<br />

warmherzig waren. Mathildes Sauerbraten, Kartoffel<br />

und Gurkensalat waren sehr beliebt. Aus den<br />

Erträgen ihres Hausgartens kochten sie gerne Marmelade.<br />

Außerdem reisten sie weit, z. B. zu Tildes<br />

Cous<strong>in</strong>e Marguerite Metzger nach Straßburg, liebten Theater, Oper und Klassische<br />

Musik. Sie selbst spielte bis <strong>in</strong>s Alter sehr gut Klavier. Beide engagierten sich <strong>in</strong><br />

jüdischen geme<strong>in</strong>nützigen Organisationen, leisteten soziale Arbeit und spendeten.<br />

Nach dem ihr Mann gestorben war, lebte<br />

sie weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrem Haus. Jedoch wurde<br />

es ihr irgendwann zu viel und sie g<strong>in</strong>g<br />

für ihre letzten Monate <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Altersheim.<br />

Mathilde starb <strong>in</strong> Glen Rock, New Jersey,<br />

<strong>am</strong> 1. Dezember 1993.<br />

Unterschrift Mathilde Prager. Foto: GLA 480/6537<br />

13


F<strong>am</strong>ilie Wilhelm und Charlotte Prager<br />

Wilhelm Prager * 09.12.1880 Walldorf † 1942/45 Auschwitz<br />

(Sohn von Moses Prager und Mathilde Bär, Walldorf, siehe unten und Seite 15)<br />

1905/07 bis 1935 Hauptlehrer <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, dann Leiter der jüdischen Schulabteilung <strong>Bruchsal</strong>; wohnhaft<br />

seit 1927 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Stirumstr. 5; Deportation 22.10.1940 Gurs, später Drancy und Auschwitz<br />

verh. 15.02.1912 <strong>Bruchsal</strong><br />

Charlotte „Lotte“ Wiesbader * 14.10.1886 Heidelberg † 1942/45 Auschwitz<br />

(Tochter von He<strong>in</strong>rich Wiesbader und Emma Maier, siehe Seite 16)<br />

Studium <strong>am</strong> Lehrersem<strong>in</strong>ar I <strong>in</strong> Karlsruhe, 1905-11 und 1915-16 Lehrer<strong>in</strong>, seit 1909 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

1 K<strong>in</strong>d:<br />

1. Mathilde „Tilde“ Prager * 31.12.1912 <strong>Bruchsal</strong> † 01.12.1993 Glen Rock, NJ, USA<br />

Besuch der Volksschule <strong>Bruchsal</strong> (3 Jahre), der Höheren Mädchenschule <strong>Bruchsal</strong> (1922-1928)<br />

und der Oberrealschule <strong>Bruchsal</strong> (bis 1930), Auswanderung 1937 nach New York/USA, 1940:<br />

e<strong>in</strong>ige Jahre K<strong>in</strong>dermädchen bei F<strong>am</strong>. Grunebaum, New York, dann Buchhalter<strong>in</strong><br />

verh. 1957<br />

Walter Seligmann Maier * 21.12.1900 Mannheim † 03.11.1982 Glen Rock, NJ, USA<br />

(Sohn von Max Maier und Flora Kahn; Schwester: Rudolf<strong>in</strong>e Boehm geb. Maier, Großmutter<br />

von Bruce und Deborah Boehm)<br />

1925/30 nach USA ausgewandert, Elektro-Ingenieur bei „Consolidated Edison Company“, NY.<br />

k<strong>in</strong>derlos<br />

L<strong>in</strong>ks Grabste<strong>in</strong> von Moses Prager, rechts von Mathilde Prager<br />

geb. Bär, auf dem jüdischen Friedhof <strong>in</strong> Walldorf. Fotos: F. Jung<br />

14


F<strong>am</strong>ilie Moses u. Mathilde Prager (Eltern von Wilhelm Prager)<br />

Moses Prager * 06.02.1847 Walldorf † 23.04.1924 Walldorf<br />

(Sohn von Salomon Prager (1813-1886), aus Tairnbach, Handelsmann <strong>in</strong> Walldorf, und Sara<br />

Frank (1819-1884), aus Walldorf, 3 K<strong>in</strong>der), Handelsmann <strong>in</strong> Walldorf<br />

verh. 18.02.1874 Walldorf<br />

Mathilde Bär<br />

* 21.08.1853 Untergromb. † 11.07.1904 Walldorf<br />

(Tochter v. Max Bär (1805-1899), Untergrombach, u. Sarah Prager (1819-1893), aus Tairnbach, 10 Ki.)<br />

7 K<strong>in</strong>der:<br />

1. Henriette Prager * 25.01.1875 Walldorf † 04.03.1958 New York, USA<br />

wohnhaft <strong>in</strong> München; Auswanderung 15.05.1939 nach New York; wohnte dort bei ihrer Tochter<br />

verh. 05.11.1899 Walldorf<br />

Josef Kolb * 08.11.1867 Sche<strong>in</strong>feld † nach 1940 USA<br />

Sergeant und Regimentsschreiber, wohnhaft <strong>in</strong> Ingolstadt, später München; Auswanderung<br />

15.05.1939 nach New York, wohnte dort bei der Tochter<br />

K<strong>in</strong>d:<br />

Setty Kolb (1902-2005); 1932 nach USA; vh. 1936 Herbert Sostmann (1905-1988)<br />

2. Isidor Prager * 08.09.1876 Walldorf † 26.02.1925 Mannheim<br />

verh. 07.01.1901 Leutershausen<br />

Bertha Eppste<strong>in</strong>er * 25.06.1878 Leutershausen † nach 1940 USA<br />

1936 <strong>in</strong> Stuttgart; Auswanderung <strong>am</strong> 23.02.1938 <strong>in</strong> USA zu Tochter Else; zuvor <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

2 K<strong>in</strong>der:<br />

Else Prager (*1901 MA) vh. Erich Cohn (*1898); nach USA ausgewandert<br />

Selma Prager vh. Kaufmann; nach USA ausgewandert<br />

3. Klara Prager * 09.01.1878 Walldorf † 31.10.1916 Walldorf<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

4. Bertha Prager * 07.08.1879 Walldorf † Okt. 1942 Trebl<strong>in</strong>ka<br />

wohnhaft <strong>in</strong> Friedberg, deportiert ab Darmstadt <strong>am</strong> 30.09.1942<br />

verh. 1910 (nicht <strong>in</strong> Friedberg)<br />

Willy Kahn * 04.12.1883 Friedberg † 18.06.1938 Friedberg<br />

1938 Althändler <strong>in</strong> Friedberg<br />

K<strong>in</strong>der?<br />

5. Wilhelm Prager * 09.12.1880 Walldorf siehe Seite 14<br />

vh. Charlotte Wiesbader *14.10.1886 Heidelberg<br />

6. Herm<strong>in</strong>a Prager * 28.02.1883 Walldorf † 19.10.1939 Frankfurt/Ma<strong>in</strong><br />

zuletzt wohnhaft <strong>in</strong> Friedberg, verstorben im jüdischen Krankenhaus Frankfurt/M.<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

7. Bernhard Prager * 04.12.1884 Walldorf † 10.05.1918, gefallen<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

15


F<strong>am</strong>ilie He<strong>in</strong>rich Wiesbader (Vater von Charlotte Prager)<br />

Herz „He<strong>in</strong>rich“ Wiesbader * 24.04.1842 Michelstadt † 09.05.1889 Heidelberg<br />

(Sohn v. Jacob Wiesbader (1810-vor 1881) u. Johanette Kaufmann († vor 1881), Michelstadt, 3 Ki.)<br />

1868: Bürger von Hoffenheim und wohnhaft <strong>in</strong> Heidelberg; 1888: Kaufmann und Inhaber der<br />

Firma Wiesbader & Rothschild, Manufaktur- und Modewarenhandlung, Hauptstr. 87, HD<br />

verh. ca. 1866 <strong>in</strong> 1. Ehe (m<strong>in</strong>d. 6 K<strong>in</strong>der)<br />

Bertha Oppenheimer * 05.12.1844 † 13.01.1881 Heidelberg<br />

verh. 09.06.1881 Heidelberg <strong>in</strong> 2. Ehe (m<strong>in</strong>d. 3 K<strong>in</strong>der)<br />

Emma Maier * 14.05.1850 Baiertal (?) † 08.04.1921 Heidelberg<br />

(Tochter von Marx (Mordechai) Maier (1801-1856) und Fanny (Frumes) Bär (1811-1899) <strong>in</strong><br />

Baiertal; gleichzeitig Eltern von Seligmann Maier, Großeltern von Max Maier und Urgroßeltern<br />

von Walter S. Maier (1900-1982), Ehemann der Mathilde Prager, siehe Seite 14)<br />

wohnhaft <strong>in</strong> Heidelberg, zuletzt Häusserstr. 2; (1920: Tel.-Nr. 1773)<br />

8 K<strong>in</strong>der:<br />

1. Julius Wiesbader * 26.11.1868 Heidelberg † 08.12.1932 Frankfurt/Ma<strong>in</strong><br />

ca. 1895 bis 1932: Kaufmann <strong>in</strong> Frankfurt<br />

verh. Mathilde Herf * ca. 1875 Ma<strong>in</strong>z † 22.09.1939 Manhattan, NY, USA<br />

Frankfurt/M.; wand. <strong>am</strong> 23.02.1939 zus. mit ihrer Mutter Rosalie (85 J.) nach New York aus.<br />

3 K<strong>in</strong>der:<br />

Dr. med. Paul Wiesbader (ca. 1897-1922), gestorben <strong>in</strong> Frankfurt<br />

Dr. med. Hans Wiesbader (* ca. 1900), 1934 nach New York ausgewandert<br />

Kaufmann Kurt Wiesbader (* ca. 1901), 1933 nach New York ausgewandert<br />

2. Isidor Wiesbader * 26.03.1870 Heidelberg † 07.07.1963 Manhattan, NY, USA<br />

1887 nach USA ausgewandert; 1892 E<strong>in</strong>bürgerung; Kaufmann <strong>in</strong> New York; 1902 Europareise<br />

verh. 1899 Rosa Re<strong>in</strong>hardt * ca. 1874 New York City † 24.06.1901 Bronx, NY, USA<br />

wohl k<strong>in</strong>derlos<br />

3. Carl Wiesbader * 25.06.1872 Heidelberg † 07.11.1929 Detroit, USA<br />

1897 nach USA ausgewandert; 1903 E<strong>in</strong>bürgerung als Jurastudent<br />

verh. 1905 Della Pouker * ca. 1881 Yasse/Rum.; gesch.; 2. Ehe 1916 Alexander Felman<br />

wohl k<strong>in</strong>derlos<br />

4. Sally Wiesbader * 02.12.1873 Heidelberg † 13.04.1927 Manhattan, NY, USA<br />

1889 nach USA ausgewandert; lebte 1889 bis 1927 <strong>in</strong> New York; Kaufmann; 1924 Europareise<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

16


5. Fritz „Frederick“ Wiesbader * 04.07.1876 Heidelberg † 31.10.1943 Manhattan, NY, USA<br />

1893 nach USA ausgewandert; 1898 e<strong>in</strong>gebürgert; Kaufmann; 1920 Europareise<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

6. Johanna Wiesbader * 23.10.1878 Heidelberg † 11.10.1890 Heidelberg<br />

7. Max Wiesbader * 07.08.1882 Heidelberg † 16.08.1940 Manhattan, NY, USA<br />

bis 1939/1940 <strong>in</strong> Frankfurt/Ma<strong>in</strong>; 25.03.1940 von London aus nach New York ausgewandert<br />

verh. 1926 Liesel Sommer * 10.04.1902 Frankfurt † 24.05.1936 Frankfurt/M.<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich k<strong>in</strong>derlos<br />

8. Diana Wiesbader * 02.10.1884 Heidelberg † 09.08.1938 Straßburg<br />

verh. Alfred Jacob * 01.05.1881 Reichshoffen/Els. † 20.11.1943 Auschwitz<br />

Eisenhändler <strong>in</strong> Straßburg, 1940 nach Limoges, dort <strong>am</strong> 09.11.1943 verhaftet<br />

2 K<strong>in</strong>der:<br />

Gretel (Marguerite) Jacob (1912-1968), vh. Lazare Metzger (1891-1988), 2 Töchter<br />

Hanna Jacob (1913-1943), ermordet <strong>in</strong> Auschwitz<br />

9. Charlotte Wiesbader * 14.10.1886 Heidelberg † 1942/45 Auschwitz<br />

verh. Wilhelm Prager * 09.12.1880 Walldorf siehe Seite 14<br />

Charlotte Pragers Brüder Sally Wiesbader (l<strong>in</strong>ks, 1924) und Fritz Wiesbader (2. v. l. , 1920) <strong>in</strong> ihren<br />

Passanträgen für ihre Europareisen sowie die Schwester Diana Jacob geb. Wiesbader (3. v. l., um 1920).<br />

Der älteste Bruder, Isidor Wiesbader (ohne Bild), hatte 1904 e<strong>in</strong> Patent <strong>in</strong> der Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie angemeldet<br />

und war wohl zu Geld gekommen, da er 1940 zwei Hausangestellte beschäftigen konnte und bei<br />

se<strong>in</strong>em Tod die „Isidor Wiesbader Foundation“ <strong>in</strong> Rockaway gründete. Er holte <strong>in</strong> den 1930ern mehrere<br />

Angehörige <strong>in</strong> die USA, darunter auch die Nichte Mathilde Prager.<br />

Paul<strong>in</strong>e Maier (rechts), geboren 1877 <strong>in</strong> Baiertal als Tochter des Raphael Maier, ist die Cous<strong>in</strong>e von Charlotte<br />

Prager. Paul<strong>in</strong>e Maier war seit 1922 Ober<strong>in</strong> des jüdischen Krankenhauses Mannheim und gleichzeitig<br />

Seele des Hauses. 1940 begleitete sie ihre Schützl<strong>in</strong>ge freiwillig nach Gurs und zwei Jahre später, nach<br />

aufopferungsvollem Dienst <strong>am</strong> Nächsten, ebenfalls freiwillig nach Auschwitz <strong>in</strong> den Tod. Seit 1964 trägt<br />

das städtische Alters- und Pflegeheim <strong>in</strong> Mannheim ihren N<strong>am</strong>en. In Baiertal er<strong>in</strong>nern die Paul<strong>in</strong>e-Maier-<br />

Straße, das nach ihr benannte Altenpflegeheim sowie e<strong>in</strong> Denkmal <strong>in</strong> der Nähe ihres Geburtshauses an sie.<br />

Fotos von l<strong>in</strong>ks: www.f<strong>am</strong>ilysearch.com (1-2); N. Franck (3); www.wikipedia.org (4)<br />

17


„Ich b<strong>in</strong> der Sohn von Dorette Herzog“<br />

von Rolf Schmitt<br />

Die Verlegung der Stolperste<strong>in</strong>e steht <strong>am</strong> Ende e<strong>in</strong>es langen Prozesses. Am Anfang dieses<br />

Prozesses gilt es, das Leben (und Sterben) derer zu recherchieren, für die Stolperste<strong>in</strong>e<br />

verlegt werden sollen. Wer die „<strong>Gedenkschrift</strong> <strong>zur</strong> ersten <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Bruchsal</strong>“ kennt, weiß aus dem Beitrag „Auf der Suche nach e<strong>in</strong>em – zunächst – Unbekannten“,<br />

wie schwierig sich dies manchmal gestalten kann.<br />

Eigentlich war zu erwarten, dass sich die Recherchen <strong>zur</strong> F<strong>am</strong>ilie Prager als unproblematisch<br />

erweisen würden, waren doch Wilhelm Prager und Ehefrau Charlotte im<br />

<strong>Bruchsal</strong>er Schuldienst, sowohl im Buch von Alexia Kira Haus „<strong>Bruchsal</strong> und der Nationalsozialismus“<br />

als auch <strong>in</strong> der profunden Veröffentlichung von Jürgen Stude „Geschichte<br />

der Juden <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>“ wird Wilhelm Prager öfters erwähnt. Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es im<br />

Generallandesarchiv Karlsruhe zu ehemaligen Be<strong>am</strong>ten ausführliche Akten.<br />

Doch als ganz so e<strong>in</strong>fach sollte sich dies dann eben doch nicht erweisen. Zwar wird<br />

bei Haus e<strong>in</strong>e Tochter n<strong>am</strong>ens Mathilde erwähnt, ebenso das Schicksal der F<strong>am</strong>ilie, die<br />

„1940 nach Gurs/Südfrankreich deportiert“ wurde. Die ganze F<strong>am</strong>ilie? Das bei Jürgen<br />

Stude auf Seite 332 veröffentlichte <strong>am</strong>tliche „Verzeichnis der <strong>am</strong> 22. Oktober aus Baden<br />

ausgewiesenen Juden“ mit den nach Gurs Deportierten nennt allerd<strong>in</strong>gs nur die Eltern,<br />

nicht die Tochter. Im Gedenkbuch des Bundesarchivs (https://www.bundesarchiv.de/<br />

gedenkbuch/) gibt es ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>trag zu Mathilde Prager – sie könnte überlebt haben.<br />

E<strong>in</strong>e Recherche im Archiv von Yad Vashem (http://www.yadvashem.org/yv/de/<strong>in</strong>dex.<br />

asp) ergab, dass Mathilde Prager tatsächlich überlebte. Im August 1977 reichte sie Gedenkblätter<br />

für ihre Eltern bei der Holocaust Gedenkstätte e<strong>in</strong>, unterzeichnet mit „Tilde<br />

Prager Maier“ und ihrer Adresse „142 Hillman Ave, Glen Rock, NJ, USA“. Wenig später<br />

wurde dies durch E<strong>in</strong>träge <strong>in</strong> der im GLA sich bef<strong>in</strong>denden Personalakte von Wilhelm<br />

Prager bestätigt. Dort ist auch e<strong>in</strong> Heiratsdatum von Mathilde verzeichnet: 1957.<br />

Wenn Mathilde Prager <strong>in</strong> den USA überlebte, könnte es dann vielleicht K<strong>in</strong>der oder<br />

gar Enkelk<strong>in</strong>der von ihr geben, die <strong>zur</strong> Biografie der F<strong>am</strong>ilie Prager beitragen könnten?<br />

E-Mails an die jüdische Geme<strong>in</strong>de von Glen Rock <strong>in</strong> New Jersey blieben leider unbeantwortet.<br />

Versuche, über Facebook Kontakt zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>de Glen Rock<br />

lebenden F<strong>am</strong>ilie mit N<strong>am</strong>en Maier aufzunehmen blieben erfolglos.<br />

Recherchen <strong>in</strong> im Internet e<strong>in</strong>sehbaren Dokumenten ergaben, dass Mathilde bereits kurz<br />

nach ihrer Ankunft <strong>in</strong> den USA bei der F<strong>am</strong>ilie Doris und Ludwig Grunebaum als Haushaltshilfe<br />

beschäftigt war. Dem Archivar des Leo-Baeck-Instituts, Michael Simonson,<br />

e<strong>in</strong>igen <strong>Bruchsal</strong>ern noch als Gast bei der E<strong>in</strong>weihung des Otto-Oppenheimer-Platzes<br />

bekannt, gelang es, e<strong>in</strong>e Tochter der Grunebaums ausf<strong>in</strong>dig zu machen, die mittlerweile<br />

85-jährige Louise Gross. Über e<strong>in</strong> Telefonat mit Louise berichtete er: „Gerade eben tele-<br />

18


fonierte ich mit Louise Gross, das ist die Louisa, die als kle<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>d zus<strong>am</strong>men mit Tilde<br />

Prager wohnte. Sie er<strong>in</strong>nert sich zwar an sie, weiß aber nicht, was aus ihr geworden ist. […]<br />

Tilde arbeitete e<strong>in</strong> paar Jahre als Haushaltshilfe bei ihnen. Louise er<strong>in</strong>nert sich noch, dass<br />

Tilde ihre Haare geflochten trug, aber mehr weiß sie nicht mehr. Nichts über die Heirat,<br />

nichts darüber, was Tilde im späteren Leben gemacht hat.“ Wieder e<strong>in</strong> Versuch, der nicht<br />

das gewünschte Ergebnis zeitigte.<br />

Während Florian Jung mit se<strong>in</strong>en Schülern Kontakt zu dem Ahnenforscher Alex Calzarath<br />

aufnahm, veröffentlichte Michael Simonson über den Facebook-Zugang des Leo-Baeck-<br />

Institutes e<strong>in</strong>en Aufruf: „ [...] Wir würden uns freuen, wenn sich jemand melden würde, der<br />

Informationen, Kenntnisse oder Er<strong>in</strong>nerungen zu Mathilde / Tilde Maier, geborene Prager<br />

hat, oder ob es irgendwelche Verwandte gibt. Die Stadt <strong>Bruchsal</strong> arbeitet aktiv an e<strong>in</strong>em<br />

Projekt zu dem Schicksal der F<strong>am</strong>ilie und würde sich über jegliche Information freuen […]“.<br />

Ob nun der Kontakt von Florian Jung zu dem Ahnenforscher Alex Calzareth den Ausschlag<br />

gab oder dieser Facebook-Beitrag von Michael Simonson? Am 25. März schickte<br />

e<strong>in</strong> Bruce Boehm über die E-Mail-Adresse <strong>in</strong>fo@stolperste<strong>in</strong>e-bruchsal.de diese Nachricht<br />

nach <strong>Bruchsal</strong>: „Wie ich erfahren habe, sollen <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> Stolperste<strong>in</strong>e verlegt werden.<br />

Ich b<strong>in</strong> der Sohn von Dorette Herzog, die <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> lebte und 1938 <strong>in</strong> die USA<br />

emigrierte. Ich b<strong>in</strong> auch der Großneffe väterlicherseits von Tilde Prager, die ebenfalls <strong>in</strong><br />

<strong>Bruchsal</strong> lebte und etwa <strong>zur</strong> gleichen Zeit <strong>in</strong> die USA flüchtete. Beide Seiten me<strong>in</strong>er F<strong>am</strong>ilie<br />

s<strong>in</strong>d jüdisch. Bitte teilen Sie mir mit, ob ich Ihnen weitere Informationen geben kann, die<br />

für das Stolperste<strong>in</strong>projekt <strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d.“<br />

Das Eis war gebrochen. Es war e<strong>in</strong> Kontakt zu Verwandten von Tilde Prager hergestellt.<br />

Bruce Boehm und se<strong>in</strong>e Schwester Deborah konnten tatsächlich Fotos von Tilde <strong>zur</strong><br />

Verfügung stellen. Fotos von Wilhelm und Charlotte Prager fanden sich allerd<strong>in</strong>gs im<br />

Nachlass von Tilde nicht. Deborah Boehm wird an der <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong> für Charlotte,<br />

Wilhelm und Mathilde Prager teilnehmen.<br />

Kurz vor Drucklegung dieser Broschüre wurde bei Recherchen e<strong>in</strong>e Todesanzeige im<br />

Stadtarchiv Heidelberg für die Mutter von Charlotte Prager, Emma Wiesbader, aufgespürt.<br />

Unter den Kondolierenden auch „Alfred Jacob u. Frau Diana, geb. Wiesbader“.<br />

Von Diana war bisher bekannt, dass sie mit der Heirat die französische Staatsbürgerschaft<br />

angenommen hatte, nicht jedoch, wen sie heiratete. Sollte man die Recherchen<br />

nach Frankreich ausdehnen? Tatsächlich konnte <strong>in</strong> Straßburg die Tochter e<strong>in</strong>er direkten<br />

Cous<strong>in</strong>e von Mathilde Prager ausf<strong>in</strong>dig gemacht werden. An der diesjährigen <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong><br />

wird Nicole Franck, die nie den Kontakt zu ihrer Großtante Tilde Prager<br />

verlor, zus<strong>am</strong>men mit ihrer Schwester Denise Dzialoszynski ebenfalls teilnehmen.<br />

(Die englischen Texte aus E-Mails und Facebook-Beiträgen wurden für diesen Beitrag <strong>in</strong>s Deutsche übersetzt).<br />

19


Muss die Geschichte der Mathematik und<br />

Informatik neu geschrieben werden?<br />

von Rolf Schmitt<br />

Recherchen br<strong>in</strong>gen manchmal völlig Unerwartetes zu Tage. So auch die Nachforschungen<br />

<strong>zur</strong> F<strong>am</strong>ilie Prager. Bruce Boehm, e<strong>in</strong> entfernter Verwandter von Mathilde<br />

(Tilde) Prager, dem e<strong>in</strong>zigen K<strong>in</strong>d von Charlotte und Wilhelm Prager, schickte<br />

e<strong>in</strong> Foto über den Ozean und schrieb, dieses „<strong>in</strong>terest<strong>in</strong>g device“ h<strong>in</strong>ge an e<strong>in</strong>er<br />

Wand <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Haus. Es sei e<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung von Wilhelm Prager, e<strong>in</strong>e Hilfe für<br />

Schüler, um das Rechnen zu lernen. Und ich solle unbed<strong>in</strong>gt das Schildchen <strong>in</strong> der<br />

oberen l<strong>in</strong>ken Ecke beachten. E<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung von Wilhelm Prager, dem <strong>Bruchsal</strong>er<br />

Haupt(Volksschul-)lehrer? Und tatsächlich. In der oberen l<strong>in</strong>ken Ecke des hölzernen<br />

Utensils bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> wohl papiernes Etikett mit der Aufschrift: „Pragers<br />

Rechenübungstafel | Schweizer Patent“.<br />

Auf Rückfrage schilderte Bruce, wie er zu dieser Rechenübungstafel k<strong>am</strong>. Danach<br />

bek<strong>am</strong>en se<strong>in</strong>e Eltern diese Rechenübungstafel aus dem Nachlass von Tilde, der<br />

Tochter des Erf<strong>in</strong>ders. Vor nunmehr über 15 Jahren schenkten ihm se<strong>in</strong>e Eltern<br />

diese Arbeitshilfe für den Rechenunterricht, da er, so die Eltern, schon immer e<strong>in</strong><br />

Faible für Mathematik und Arithmetik hatte. Jedoch mehr, als dass diese Rechenübungstafel<br />

von Tildes Vater erfunden wurde, um Schülern die Grundrechenarten<br />

beizubr<strong>in</strong>gen, wussten die Eltern von Bruce nicht zu sagen.<br />

Anfragen bei verschiedenen Museen<br />

wie beispielsweise dem TECH-<br />

NOSEUM <strong>in</strong> Mannheim, dem Badischen<br />

Landesmuseum <strong>in</strong> Karlsruhe,<br />

dem Badischen Schulmuseum<br />

Karlsruhe oder auch dem<br />

Technikmuseum <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ergaben<br />

lediglich, dass diese Rechenübungstafel<br />

dort absolut unbekannt<br />

ist.<br />

Erst der Autor des Standardwerkes<br />

„Meilenste<strong>in</strong>e der Rechentechnik<br />

– Zur Geschichte der Mathematik<br />

und der Informatik“, Herbert<br />

Bruderer, Dozent i. R. <strong>am</strong> Depar-<br />

Bruce Boehm mit Wilhelm Pragers Rechenübungstafel.<br />

Foto: B. Boehm<br />

20


tement für Informatik der<br />

Eidgenössischen Technischen<br />

Hochschule (ETH)<br />

Zürich, konnte weiter helfen,<br />

trotzdem auch er die<br />

Rechenübungstafel bisher<br />

nicht kannte. Mit se<strong>in</strong>er<br />

Hilfe konnte recherchiert<br />

werden, dass diese Erf<strong>in</strong>dung<br />

tatsächlich mit Patentschrift<br />

vom 1.4.1927<br />

des „Eidgenössischen Amtes<br />

für geistiges Eigentum“<br />

als „Hauptpatent – Wilhelm<br />

PRAGER, <strong>Bruchsal</strong><br />

(Deutschland) – Hilfsmittel<br />

für Übungen im Rechnen“<br />

e<strong>in</strong>getragen wurde.<br />

Hilsmittel für Übungen im Rechnen. Foto: R. Schmitt<br />

Wilhelm Pragers Generalvertreter <strong>in</strong> der Schweiz, die Firma Alfred Pfister-Moser<br />

<strong>in</strong> Wallisellen-Zürich, versuchte, die Prager‘sche Übungstafel <strong>in</strong> den Schweizer<br />

Kantonen <strong>in</strong> den Unterricht e<strong>in</strong>zuführen, wobei dies wohl auch teilweise gelungen<br />

ist, soll doch die Tafel „bei der ges<strong>am</strong>ten Lehrerschaft des Kantons Luzern […]<br />

begeisterte Aufnahme“ gefunden haben. Der Preis für die Rechenübungstafel war<br />

30,-- Franken plus Porto und Verpackung – viel Geld se<strong>in</strong>erzeit. Unterlagen aus<br />

dem Kanton Aargau legen nahe, dass die Rechenübungstafel jedoch nicht landesweit<br />

e<strong>in</strong>geführt werden konnte, obwohl diese Rechen-Übungshilfe von der „Kanzlei<br />

des Erziehungs-Rates des Kantons Luzern“ <strong>am</strong> 10. Dezember 1929 „als ganz besonders<br />

wertvoll […] für mehrklassige Schulen, wo die Schüler oft still beschäftigt werden<br />

müssen“, empfohlen wurde. Wie sich aus den vorliegenden Dokumenten aus dem<br />

Staatsarchiv Aargau ergibt, wurde im Kanton Aargau die Rechenübungstafel unter<br />

anderem aus dem Grund nicht e<strong>in</strong>geführt, da es anderen Anbietern gegenüber<br />

„ungerecht“ wäre, „wollte man Pragers Lehrmittel e<strong>in</strong>e besondere Vorzugsstellung gewähren“.<br />

Die Geschichte der Mathematik und der Informatik wird durch dieses e<strong>in</strong>malige<br />

Fundstück wohl sicher nicht neu geschrieben werden müssen. Um e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes,<br />

bisher unbekanntes Artefakt, das zudem se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> hat und dessen<br />

geistiger Urheber e<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>er Volksschullehrer war, handelt es sich jedoch<br />

allemal.<br />

21


Biografie von Fanny Bär geb. Kahn (1855-1941)<br />

von Philipp Schl<strong>in</strong>dwe<strong>in</strong> und Eduard Gross, Klasse 8u<br />

Fanny Bär geb. Kahn k<strong>am</strong> <strong>am</strong> 26.10.1855 <strong>in</strong> Gemm<strong>in</strong>gen als Tochter des Anschel<br />

Kahnhut und se<strong>in</strong>er Frau Karol<strong>in</strong>a, geb. Bär <strong>zur</strong> Welt. Der Vater war Viehhändler <strong>in</strong><br />

Gemm<strong>in</strong>gen und Fanny war das zwölfte von 13 K<strong>in</strong>dern. Mit 18 Jahren heiratete sie<br />

dann <strong>am</strong> 05.12.1873 Leopold Bär aus Untergrombach. 1875 bek<strong>am</strong> sie schließlich<br />

ihr erstes K<strong>in</strong>d n<strong>am</strong>ens Bertha, das leider nicht sehr lange überlebte. Bis 1891 bek<strong>am</strong>en<br />

Fanny und Leopold Bär noch 12 weitere K<strong>in</strong>der. Fanny war also zwischen ihrem<br />

20. Lebensjahr und ihrem 36. Lebensjahr fast jedes Jahr schwanger. Die K<strong>in</strong>der<br />

Isidor, Johanna, Max, Friedrich, Ernst und Ludwig starben meist <strong>in</strong>nerhalb der ersten<br />

e<strong>in</strong> oder zwei Lebensjahre. Die beiden jüngsten müssen wohl e<strong>in</strong>e ansteckende<br />

K<strong>in</strong>derkrankheit gehabt haben, denn sie starben im Dezember 1893 <strong>in</strong>nerhalb von<br />

vier Tagen. Nur die Hälfte der K<strong>in</strong>der erreichte das Erwachsenenalter: Siegfried,<br />

Anselm, Albert, Sofie, Bernhard und Simon.<br />

Der Ehemann Leopold Bär gründete 1876 unter dem N<strong>am</strong>en „Lehmann Bär<br />

Sohn“ e<strong>in</strong>e Hopfen- und Kraftmittelgroßhandlung. D<strong>am</strong>als wohnte die F<strong>am</strong>ilie<br />

<strong>in</strong> der Huttenstraße 2 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. F<strong>in</strong>anziell stand die F<strong>am</strong>ilie wohl ganz gut<br />

da, denn man konnte sich schon <strong>in</strong> den 1880er Jahren e<strong>in</strong> Dienstmädchen leis-<br />

F<strong>am</strong>ilie Bär um 1910. Von l<strong>in</strong>ks sitzend: Sofie Bär, Mutter Fanny Bär. Von l<strong>in</strong>ks stehend:<br />

Siegfried Bär, Anselm Bär, Albert Bär, Bernhard Bär, Simon Bär. Foto: F. Jung<br />

22


Friedrichstr. 8, vor 1945. Foto: StA <strong>Bruchsal</strong><br />

Der Sohn Anselm und die Tochter Sofie blieben<br />

bei der Mutter <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Zum Haushalt der<br />

Bärs gehörte über Jahrzehnte außerdem noch<br />

Luise Heck. Sie war Köch<strong>in</strong> und Dienstmädchen<br />

zugleich. Im April 1938 musste Fanny Bär<br />

ihr Haus <strong>in</strong> der Friedrichstraße 8 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

aufgeben.<br />

ten. Als Fanny 39 Jahre alt war, starb ihr Mann<br />

Leopold im Jahr 1894. Zwei Monate zuvor<br />

hatte er se<strong>in</strong>en 50. Geburtstag gefeiert. Die<br />

K<strong>in</strong>der waren zu diesem Zeitpunkt zwischen<br />

7 und 18 Jahren alt. Fanny wurde Inhaber<strong>in</strong><br />

der Firma und der älteste Sohn Siegfried übernahm<br />

die Leitung der Firma.<br />

In den Jahren zwischen Leopolds Tod und<br />

1900 kaufte Fanny das Haus Friedrichstraße<br />

8 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Vier von Fannys fünf<br />

Söhnen wurden Soldat für das deutsche<br />

Vaterland im 1. Weltkrieg. Glücklicherweise<br />

haben sie alle überlebt. Nach dem<br />

1. Weltkrieg verließen die meisten erwachsenen<br />

K<strong>in</strong>der das Haus: Siegfried verlegte das<br />

Geschäft nach Mannheim, Albert verheiratete<br />

sich nach Karlsruhe und Bernhard wanderte<br />

nach Holland aus. Alle drei waren <strong>in</strong> derselben<br />

Branche wie der Vater tätig, im Großhandel<br />

mit Getreide und Futtermittel. Nur der jüngste<br />

Sohn, Simon, absolvierte e<strong>in</strong> Bau<strong>in</strong>genieur-<br />

Studium und wurde e<strong>in</strong> hoher Be<strong>am</strong>ter bei der<br />

Reichsbahn <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />

Sie zog zunächst zu ihrem Sohn Albert nach<br />

Karlsruhe. Im Januar 1939 wanderte sie nach<br />

Holland zu ihrem Sohn Bernhard aus. Bei der<br />

Passbeantragung gab sie an, dass sie nur noch<br />

schwer gehen kann und das Haus kaum verlassen<br />

kann. Beim Sohn Bernhard <strong>in</strong> Rotterd<strong>am</strong><br />

verstarb Fanny Bär <strong>am</strong> 7. Januar 1941 im Alter<br />

von 86 Jahren.<br />

Fanny Bär <strong>in</strong> ihrem Passantrag 1938.<br />

Foto: GLA Karlsruhe 330/47<br />

23


Biografie von Alfred Anselm Bär (1877-1942)<br />

von Julian Schleicher, Klasse 8u<br />

Am 8.10.1877 wurde Alfred Anselm <strong>in</strong><br />

<strong>Bruchsal</strong> als drittes K<strong>in</strong>d von Leopold<br />

und Fanny Bär geboren. Er lebte bei se<strong>in</strong>er<br />

Mutter Fanny Bär, se<strong>in</strong> Vater Leopold<br />

starb schon Ende 1894. Im 1. Weltkrieg<br />

war er seit 1915 als Soldat dem Füsilier-<br />

Regiment Nr. 40 zugeteilt und soll im<br />

Krieg verwundet gewesen se<strong>in</strong>. Verheiratet<br />

war Anselm Bär nicht, auch hatte er<br />

ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der.<br />

Als er 1938 nach Karlsruhe k<strong>am</strong>, gab er<br />

an, nach der Volksschule die Realschule<br />

besucht und e<strong>in</strong>e kaufmännische Lehre<br />

absolviert zu haben. Zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den<br />

1930er Jahren g<strong>in</strong>g er aber ke<strong>in</strong>er regulären<br />

Arbeit nach. Für ihn wurde nach<br />

dem Krieg ke<strong>in</strong>e Wiedergutmachungsakte<br />

angelegt, was bedeuten kann, dass<br />

er ke<strong>in</strong>erlei Vermögenswerte besaß. Wie<br />

gesagt wird, soll Anselm e<strong>in</strong> freundliches<br />

Wesen gehabt haben, allerd<strong>in</strong>gs war er<br />

wohl nicht so clever wie se<strong>in</strong>e Brüder.<br />

Anselm Bär wurde mit der Auflösung<br />

des Haushalts <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> beauftragt und<br />

verließ als letzter der F<strong>am</strong>ilie die Heimatstadt<br />

<strong>Bruchsal</strong>. Er wohnte zunächst <strong>in</strong><br />

Karlsruhe <strong>zur</strong> Untermiete. Als im Januar<br />

1939 se<strong>in</strong>e Mutter Fanny <strong>in</strong> die Niederlande<br />

auswanderte, zog er zu se<strong>in</strong>em<br />

drei Jahre jüngeren Bruder Albert <strong>in</strong> die<br />

Klauprechtstraße <strong>in</strong> Karlsruhe.<br />

Brüder Bär 1916 als Soldaten im 1. Weltkrieg.<br />

Von l<strong>in</strong>ks: Bernhard, Anselm, Simon, Albert.<br />

Simon brachte es beim Eisenbahn-Batallion <strong>in</strong><br />

München bis zum Oberleutnant. Foto: F. Jung<br />

Rückseite des obigen Fotos. Foto: F. Jung<br />

Am 22. Oktober 1940 wurde er, wie auch der Rest se<strong>in</strong>er F<strong>am</strong>ilie und alle anderen<br />

Karlsruher Juden, von den Nationalsozialisten <strong>in</strong> das Gefangenenlager nach<br />

Gurs <strong>in</strong> Frankreich deportiert. Von dort wurde die F<strong>am</strong>ilie se<strong>in</strong>es Bruders Albert<br />

24


dann <strong>am</strong> 11. März 1941 <strong>in</strong> das Lager von Rivesaltes (bei Perpignan)<br />

gebracht. Anselm musste wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> Gurs bleiben.<br />

Über Drancy wurde er, mit e<strong>in</strong>igen anderen Überlebenden, <strong>am</strong><br />

10.08.1942 mit dem Transport Nr. 17 nach Auschwitz deportiert.<br />

Höchstwahrsche<strong>in</strong>lich selektierte man ihn dort, direkt<br />

nachdem der Transport dort ank<strong>am</strong>, <strong>zur</strong> Ermordung. E<strong>in</strong> genaues<br />

Todesdatum ist aber nicht überliefert.<br />

Alfred Anselm Bär <strong>in</strong> der Judenkartei Karlsruhe 1938.<br />

Foto: Stadtarchiv Karlsruhe, 1/AEST 1237<br />

Biografie von Sofie Bär (1884-1943)<br />

von Marco Mosch<strong>in</strong>ski, Klasse 8u<br />

Sofie Bär war geboren <strong>am</strong> 5. Januar 1884 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Sie war die e<strong>in</strong>zige erwachsene<br />

Tochter des Kaufmanns Leopold Bär und se<strong>in</strong>er Frau Fanny Bär geb. Kahn. Die<br />

F<strong>am</strong>ilie wohnte <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, 1894 noch im Gebäude der alten Synagoge, Huttenstraße<br />

2, 1901 bereits im eigenen Haus gleich um die Ecke, Friedrichstraße 8. Die<br />

Brüder Siegfried, Albert, Bernhard und Simon verließen nach und nach <strong>Bruchsal</strong>.<br />

In <strong>Bruchsal</strong> blieben nur die „M<strong>am</strong>a“ Fanny Bär, der Bruder Anselm und eben Sofie<br />

<strong>zur</strong>ück. Sofie Bär war nicht verheiratet und hatte ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der. Sofie soll e<strong>in</strong>e kontaktfreudige<br />

Person gewesen se<strong>in</strong>, denn sie war ständig unterwegs, um Bekannte zu<br />

besuchen. E<strong>in</strong>en Beruf übte sie nicht aus.<br />

1939 begleitete sie ihre Mutter<br />

Fanny Bär bei deren Auswanderung<br />

nach Holland, jedoch ist<br />

nicht sicher, ob sie nicht schon<br />

e<strong>in</strong>ige Jahre bei ihrem Bruder gelebt<br />

hat und nur nach Deutschland<br />

<strong>zur</strong>ückk<strong>am</strong>, um ihre Mutter<br />

abzuholen. Zuletzt wohnte sie <strong>in</strong><br />

Holland <strong>in</strong> Blaricum, ca. 25 km<br />

östlich von Amsterd<strong>am</strong>. Am<br />

8.5.1942 wurde Sofie als Patient<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> die jüdische psychiatrische<br />

Kl<strong>in</strong>ik „Apeldoornsche Bosch“<br />

aufgenommen. Das Haus wurde<br />

Postkarte von Sofie Bär aus Rotterd<strong>am</strong>, 1931, an<br />

Elisabeth Hotz (später Holoch), Schwester von<br />

Edeltrude Hotz (später Schies). Foto: F. Jung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dr<strong>am</strong>atischen Nachtaktion <strong>am</strong> 23. Januar 1943 geräumt. Alle Patienten wurden<br />

nach Auschwitz deportiert und dort <strong>am</strong> 25.01.1943, <strong>am</strong> Ankunftstag, ermordet.<br />

25


F<strong>am</strong>ilie Leopold und Fanny Bär<br />

Leopold Bär * 30.10.1844 Untergrombach † 02.12.1894 <strong>Bruchsal</strong><br />

(Sohn von Lehmann Bär, Handelsmann <strong>in</strong> Untergrombach, und Helana (Johanna) geb. Bär <strong>in</strong><br />

Untergrombach, 8 K<strong>in</strong>der)<br />

wohnhaft <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Huttenstraße 2; 1876 Gründung der Firma „Lehmann Bär Sohn“, Hopfenund<br />

Futtermittelgroßhandlung<br />

verh. 05.12.1873<br />

Fanny Kahn (bzw. Kahnhut) * 26.10.1855 Gemm<strong>in</strong>gen † 07.01.1941 Rotterd<strong>am</strong><br />

(Tochter von Anschel Kahnhut, Viehhändler <strong>in</strong> Gemm<strong>in</strong>gen, und Karol<strong>in</strong>a (Kala) geb. Bär, 13 Ki.)<br />

wohnhaft <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Huttenstraße 2, ab 1894/1901 bis 1938 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Friedrichstraße 8; April<br />

1938 Umzug nach Karlsruhe und im Januar 1939 Flucht nach Rotterd<strong>am</strong>/Holland<br />

13 K<strong>in</strong>der:<br />

1. Bertha Bär * 08.08.1875 <strong>Bruchsal</strong> † 26.11.1875 <strong>Bruchsal</strong><br />

2. Siegfried Bär * 14.07.1876 <strong>Bruchsal</strong> † 1942/45 Auschwitz<br />

Leiter der väterlichen Firma nach dessen Tod; seit 1917 Kaufmann <strong>in</strong> Mannheim (Großhandel<br />

für Getreide und Futtermittel); von Mannheim deportiert <strong>am</strong> 22.10.1940 nach Gurs; von dort<br />

<strong>am</strong> 12.08.1942 über das S<strong>am</strong>mellager Drancy nach Auschwitz<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

3. Alfred Anselm Bär * 08.10.1877 <strong>Bruchsal</strong> † 1942/45 Auschwitz<br />

Mitarbeiter <strong>in</strong> der väterlichen Firma; <strong>in</strong> den 1930ern ohne reguläres E<strong>in</strong>kommen; wohnhaft <strong>in</strong><br />

<strong>Bruchsal</strong>, Friedrichstraße 8 bei der Mutter; Umzug 1938 nach Karlsruhe; von Karlsruhe deportiert<br />

<strong>am</strong> 22.10.1940 nach Gurs; <strong>am</strong> 10.08.1942 über das S<strong>am</strong>mellager Drancy nach Auschwitz<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

4. Isidor Bär * 24.01.1879 <strong>Bruchsal</strong> † <strong>27.</strong>02.1880 <strong>Bruchsal</strong><br />

5. Albert Bär * 02.04.1880 <strong>Bruchsal</strong> † 1942/45 Auschwitz<br />

zunächst bis 1926 Teilhaber der väterlichen Firma; dann Kaufmann <strong>in</strong> Karlsruhe (Kraftfuttermittel<br />

bzw. Artikel für Gewerbe- und Industriebedarf); von Karlsruhe deportiert <strong>am</strong> 22.10.1940<br />

nach Gurs; von dort <strong>am</strong> 11.03.1941 nach Rivesaltes und <strong>am</strong> 10.08.1942 über das S<strong>am</strong>mellager<br />

Drancy nach Auschwitz<br />

Weitere Info bei W. Strauß: Biografie zu Albert Bär und F<strong>am</strong>ilie – www.gedenkbuch.<strong>in</strong>formedia.de<br />

verh. 07.02.1923 Vill<strong>in</strong>gen<br />

Jenny Bloch * 26.08.1891 Vill<strong>in</strong>gen † 1942/45 Auschwitz<br />

2 K<strong>in</strong>der:<br />

Johanna „Hanni“ Bär * 04.02.1924 Karlsruhe † 10.06.2007 Florida vh. Karo, 5 Ki.<br />

Leopold-Albert „Leon” Bär * 01.09.1925 Karlsruhe † 22.12.2004 New York, vh.; 2 Ki.<br />

26


6. Johanna Bär * 21.07.1881 <strong>Bruchsal</strong> † 16.06.1896 <strong>Bruchsal</strong><br />

7. Max Bär * 15.10.1882 <strong>Bruchsal</strong> † 28.12.1882 <strong>Bruchsal</strong><br />

8. Sofie Bär * 05.01.1884 <strong>Bruchsal</strong> † 25.01.1943 Auschwitz<br />

wohnhaft <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Friedrichstraße 8 bei der Mutter; Flucht nach Holland 1938/39, zuletzt<br />

wohnhaft <strong>in</strong> Blaricum/Holland; von dort <strong>am</strong> 08.08.1942 als Patient<strong>in</strong> <strong>in</strong> die psychiatrische<br />

Anstalt „Apeldoornsche Bosch“; <strong>am</strong> 23.01.1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

9. Bernhard Bär * <strong>27.</strong>07.1885 <strong>Bruchsal</strong> † 30.04.1943 Sobibor<br />

Auswanderung 1919 nach Holland; Kaufmann <strong>in</strong> Rotterd<strong>am</strong> (Großhandel mit Getreide und<br />

Futtermitteln); zuletzt wohnhaft <strong>in</strong> Rotterd<strong>am</strong>; von dort <strong>in</strong>s S<strong>am</strong>mellager Westerbork und<br />

vom <strong>27.</strong>-30.04.1943 nach Sobibor deportiert.<br />

verh. Saartje Walg * 31.12.1896 Leerd<strong>am</strong> † 30.04.1943 Sobibor<br />

1 K<strong>in</strong>d:<br />

Käthe Bär * 20.07.1929 Rotterd<strong>am</strong> † 30.04.1943 Sobibor<br />

10. Simon Bär * 30.01.1887 <strong>Bruchsal</strong> † 01.05.1967 Forest Hills, NY, USA<br />

Bau<strong>in</strong>genieur-Studium; Regierungs-Baumeister <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>; reiste 1937 alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> die USA und<br />

wanderte <strong>am</strong> 06.04.1939 zus<strong>am</strong>men mit se<strong>in</strong>er Frau von Duisburg aus <strong>in</strong> die USA aus.<br />

verh. 10.04.1928 Offenburg<br />

Dr. med. Berta Kahn * 30.12.1898 Offenburg † 01.07.1972 Forest Hills, NY, USA<br />

hatte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Arztpraxis, lebte später <strong>in</strong> Queens, NY, USA<br />

k<strong>in</strong>derlos<br />

11. Friedrich Bär * 16.05.1889 <strong>Bruchsal</strong> † 17.07.1889 <strong>Bruchsal</strong><br />

12. Ernst Bär * 24.06.1890 <strong>Bruchsal</strong> † 28.12.1893 <strong>Bruchsal</strong><br />

13. Ludwig Bär * 24.09.1891 <strong>Bruchsal</strong> † 31.12.1893 <strong>Bruchsal</strong><br />

Leon Bär mit Ehefrau und Töchtern, l<strong>in</strong>ks Yvette, rechts Jenny, um 1985 <strong>in</strong> New York. Foto: Y. Baer<br />

27


Me<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerungen an die F<strong>am</strong>ilie Bär<br />

von Edeltrude Schies geb. Hotz, Jahrgang 1919<br />

Me<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerung reicht nun fast 100 Jahre <strong>zur</strong>ück, und doch ist der Beg<strong>in</strong>n der<br />

Beziehungen zwischen me<strong>in</strong>er F<strong>am</strong>ilie und der F<strong>am</strong>ilie Bär <strong>in</strong> der Friedrichstraße 8<br />

noch zwei Generationen älter. Es muss so um 1880 gewesen se<strong>in</strong>, als me<strong>in</strong>e Großmutter<br />

Elisabeth Wäckerle, aus Münzesheim st<strong>am</strong>mend, als junge Frau bei den<br />

Bärs als Köch<strong>in</strong> und Dienstmädchen begonnen hat. Bestimmt war sie dabei auch<br />

„Mädchen für alles“, <strong>in</strong> der Küche und auch <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>derbetreuung, denn Bärs<br />

hatten viele K<strong>in</strong>der, so wie die Orgelpfeifen. Jedenfalls ist überliefert, dass der junge<br />

Bauernsohn Johann Walter, der bei Bärs täglich frische Milch ablieferte, mit me<strong>in</strong>er<br />

Großmutter anbandelte. Die beiden heirateten 1885 und d<strong>am</strong>it war klar, dass me<strong>in</strong>e<br />

Großmutter, genannt „Lisette“, zunächst nicht mehr regelmäßig bei Bärs arbeitete –<br />

drei eigene K<strong>in</strong>der k<strong>am</strong>en und der eigene Haushalt wollte versorgt se<strong>in</strong>.<br />

Luise Heck (stehend, 2. von l<strong>in</strong>ks) zu Besuch bei Lisette Walter<br />

(vorne sitzend) und deren F<strong>am</strong>ilie, um 1931. Mit dabei deren Enkel<strong>in</strong><br />

Edeltrude Hotz (stehend, 2. von rechts). Foto: F. Jung<br />

Zunächst brauchten Bärs<br />

also 1885 e<strong>in</strong>e neue Haushaltshilfe.<br />

Die neue hieß<br />

Luise Heck aus Karlsdorf<br />

oder e<strong>in</strong>em der Dörfer<br />

drumrum, und da sie<br />

nie heiratete, blieb sie<br />

bei Bärs bis 1938. Unsere<br />

Großmutter arbeitete bis<br />

zum Beg<strong>in</strong>n der 1920er<br />

Jahre dann wieder regelmäßig<br />

bei Bärs, um Luise<br />

beim Kochen als Zubereiter<strong>in</strong><br />

bzw. 2. Köch<strong>in</strong> zu<br />

unterstützen. Auch später<br />

noch half Großmutter,<br />

trotz ihres Alters, wenn<br />

Bärs Gäste oder größere<br />

Gesellschaften hatten,<br />

und das k<strong>am</strong> schon öfter<br />

mal vor. Dabei war selbstverständlich, dass immer koscher gekocht wurde und<br />

auch, dass ab Freitagabend die Sabbatruhe e<strong>in</strong>gehalten wurde. Übrigens hatten Bärs<br />

d<strong>am</strong>als schon ganz exklusive Speisen. E<strong>in</strong>mal, so er<strong>in</strong>nere ich mich noch, haben wir<br />

von ihnen e<strong>in</strong>e frische Ananas geschenkt bekommen – und wir, als e<strong>in</strong>fache Leute,<br />

wussten nicht, wie man die essen oder zubereiten sollte!<br />

28


Wenn bei uns e<strong>in</strong> größeres F<strong>am</strong>ilienfest anstand, hat uns Frau Bär umgekehrt dann<br />

die Luise „ausgeliehen“. Me<strong>in</strong>e Großmutter war bis zu ihrem Tod (1935) mit „s‘<br />

Bäre Luis“, wie Luise Heck bei uns genannt wurde, enger befreundet, und oft besuchte<br />

sie me<strong>in</strong>e Großmutter und uns <strong>in</strong> unserem Haus <strong>in</strong> der Württemberger Str.<br />

47 (das mit dem Türmle). Natürlich s<strong>in</strong>d wir schon als K<strong>in</strong>der zus<strong>am</strong>men mit unserer<br />

Großmutter, unserer Mutter oder unserer Tante auch häufiger mal bei „s’Bärs“<br />

<strong>in</strong> der Friedrichstraße vorbeigekommen. Man g<strong>in</strong>g da durch die große Tore<strong>in</strong>fahrt<br />

und von h<strong>in</strong>ten re<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Küche, wo sich Luise stets über unseren Besuch freute.<br />

Wenn die Gelegenheit passend war, s<strong>in</strong>d wir dann von dort weiter <strong>in</strong>s Wohnzimmer<br />

geführt worden, wo uns Frau Bär empf<strong>in</strong>g. Frau Fanny Bär war – zum<strong>in</strong>dest für uns<br />

d<strong>am</strong>als – e<strong>in</strong>e sehr alte Frau, und das lag vor allem daran, dass sie nur noch schwer<br />

gehen konnte und daher praktisch immer <strong>in</strong> ihrem Sessel saß. Die Bewegungslosigkeit<br />

hatte sie korpulent werden lassen – vielleicht war es auch umgekehrt. Zu<br />

uns K<strong>in</strong>dern war sie jedenfalls sehr freundlich, ja gütig – genauso, wie sie unsere<br />

Großmutter, die doch nur Angestellte war, stets achtete, nie schikanierte und nie<br />

herablassend behandelte.<br />

Ich er<strong>in</strong>nere mich sogar noch an e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung bei Bärs: Als ich so ungefähr vier Jahre<br />

alt war, war ich zus<strong>am</strong>men mit me<strong>in</strong>er fünf Jahre älteren Schwester Elisabeth und<br />

unserer Mutter ganz offiziell zu Kaffee und Kuchen e<strong>in</strong>geladen. Frau Bär und unsere<br />

Mutter unterhielten sich – ich aber brachte vor Aufregung (ich sollte mich ja ordentlich<br />

benehmen) und Staunen über die elegante E<strong>in</strong>richtung ke<strong>in</strong>en Bissen runter.<br />

Die alte Frau Bär bewohnte das Haus zus<strong>am</strong>men mit ihren beiden unverheirateten<br />

K<strong>in</strong>dern Sofie und Anselm, die wir natürlich auch gut kannten. Sofie war das e<strong>in</strong>zige<br />

Mädchen unter fünf Buben und wurde wohl <strong>in</strong> ihrer Jugend recht verwöhnt – wenn<br />

sie sich beispielsweise weigerte, im Auftrag der Mutter die Socken zu stopfen, so<br />

ließ man sie gewähren. Sofie Bär war auch als 50-jährige noch e<strong>in</strong>e gutaussehende,<br />

elegante D<strong>am</strong>e, kontaktfreudig und impulsiv – mit Hang <strong>zur</strong> Theatralik. Es wurde<br />

die Geschichte erzählt, dass sie e<strong>in</strong>em Verehrer gar mal die Rosen vom Balkon aus<br />

h<strong>in</strong>terherwarf. Vor e<strong>in</strong>igen Jahren hatte me<strong>in</strong>e Schwester von ihrer jüdischen Schulfreund<strong>in</strong>,<br />

der nach England emigrierten Anni Erle, gehört, dass die anderen <strong>Bruchsal</strong>er<br />

Juden sagten, „die Sofie lebt auf der Straß“ – <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne, dass sie häufig <strong>in</strong><br />

der Stadt unterwegs war – und ich glaube, das trifft’s ganz gut.<br />

E<strong>in</strong> Ausspruch der alten Frau Bär, der <strong>in</strong> unserer F<strong>am</strong>ilie zum geflügelten Wort<br />

wurde, lautete: „Wie Du willsch, Sofie“. Immer dann, wenn Sofie von ihrer Mutter<br />

– sie nannte sie „M<strong>am</strong>aa“ (mit kurzem, ersten „a“ und betontem, langen <strong>zweiten</strong><br />

„a“) – e<strong>in</strong>e Entscheidung hören wollte, hat Frau Bär wohl mit dieser Redewendung<br />

29


Kommunion von Edeltrude Hotz im Jahr 1930. Das kle<strong>in</strong>e Mädchen l<strong>in</strong>ks von Trude ist die Bär-Enkel<strong>in</strong><br />

Hanni Bär aus Karlsruhe, rechts von Trude steht die Großmutter Lisette Walter. Foto: E. Schies<br />

sowohl Zustimmung als auch Resignation signalisiert. So wie wir immer mal wieder<br />

bei Bärs waren, so hat uns auch Sofie Bär ab und zu besucht. Ich er<strong>in</strong>nere mich<br />

beispielsweise daran, wie sie vor me<strong>in</strong>er Kommunion vorbeik<strong>am</strong> und e<strong>in</strong> Geschenk<br />

brachte: E<strong>in</strong> ganz vornehmes Silbertäschchen mit R<strong>in</strong>gelchen und Bändchen oben,<br />

das mir immer so gut gefiel und das ich bis heute habe. Zu anderer Gelegenheit<br />

bek<strong>am</strong> ich e<strong>in</strong> silbernes Zuckerzängchen von ihr. Außerdem habe ich noch e<strong>in</strong>en<br />

Schal aufbewahrt, den me<strong>in</strong>e Großmutter Lisette 1934 zu ihrem 80. Geburtstag von<br />

Bärs erhielt. Der wirkte so vornehm, dass sich für me<strong>in</strong>e Großmutter allerd<strong>in</strong>gs nie<br />

die Gelegenheit fand ihn zu tragen.<br />

Sofies Bruder Anselm Bär war e<strong>in</strong> ruhiger, sympathischer und stets freundlicher<br />

Mann. Während die anderen vier Brüder schon vor me<strong>in</strong>er Zeit <strong>Bruchsal</strong> verlassen<br />

hatten, zum Beispiel um den Firmensitz nach Mannheim und Karlsruhe zu<br />

verlegen, blieb Anselm bei se<strong>in</strong>er Mutter und Schwester <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Mir ist nicht<br />

ganz klar, ob und wie Anselm Geld verdiente, ob er die Geschäfte der Brüder von<br />

<strong>Bruchsal</strong> aus unterstützte oder ob er ke<strong>in</strong>er geregelten Arbeit nachg<strong>in</strong>g – er war<br />

eben derjenige der Brüder, der stets etwas <strong>zur</strong>ückgesetzt wurde, vielleicht auch, weil<br />

die anderen Brüder cleverer und erfolgreicher waren. Besonders vom jüngsten, Simon,<br />

der gar im Ingenieurwesen studiert hatte und bei der Reichsbahn <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e herausgehobene Stellung bekleidete, wurde immer mit Stolz und Hochachtung<br />

gesprochen. Uns k<strong>am</strong> es so vor, als ob die vier auswärtigen Brüder zus<strong>am</strong>menlegten,<br />

um den drei <strong>Bruchsal</strong>er Angehörigen e<strong>in</strong> standesgemäßes Leben zu ermöglichen.<br />

Jedenfalls – Anselm war, wenn man h<strong>in</strong>k<strong>am</strong>, auch mal mit Instandhaltungen <strong>am</strong><br />

30


Haus beschäftigt oder wurde auf Botengänge <strong>zur</strong> Post oder auch mal zu uns geschickt.<br />

Das letzte Mal habe ich ihn getroffen, als er <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> unterwegs war und den<br />

Haushalt auflöste. Er sagte mir, dass er schon das meiste verteilt habe, aber er bat<br />

mich, doch mit e<strong>in</strong>em Wägelchen zu ihm zu kommen. Die Wohnung war schon so<br />

gut wie leer. Er gab mir e<strong>in</strong> rundes Tischchen, bei dem man die Platte teilweise wegklappen<br />

konnte, mit. Das war so ungefähr 1938, Sofie war schon <strong>in</strong> Holland beim<br />

Bruder Bernhard und die Mutter zunächst <strong>in</strong> Karlsruhe beim Bruder Albert, sie<br />

wurde später nach Holland nachgeholt. Die Haushaltshilfe Luise Heck musste d<strong>am</strong>als<br />

auch entlassen werden, sie zog zu ihrer Nichte <strong>in</strong> ihren Heimatort. Als letzter<br />

der Bärs verließ Anselm <strong>Bruchsal</strong>, auch er zog nach Karlsruhe und wohnte zuletzt<br />

beim Bruder Albert.<br />

Nachdem alle Bärs <strong>Bruchsal</strong> verlassen hatten, schickte mich me<strong>in</strong>e Mutter zwei<br />

oder drei Mal zu Albert Bär und se<strong>in</strong>er F<strong>am</strong>ilie nach Karlsruhe, ich sollte wohl<br />

Lebensmittel usw. dort abgeben. Das muss <strong>in</strong> den Jahren 1939 oder 1940 gewesen<br />

se<strong>in</strong>. Albert Bär und se<strong>in</strong>e Frau Jenny waren sehr liebe Leute, die sich überaus herzlich<br />

zeigten und über den Besuch aus <strong>Bruchsal</strong> sehr freuten. Auch deren K<strong>in</strong>der,<br />

besonders die Tochter Hanni, kannte ich ja von früher her – Hanni war z. B. auch<br />

bei me<strong>in</strong>er Kommunion e<strong>in</strong>geladen (siehe Bild l<strong>in</strong>ks). Albert und se<strong>in</strong>e Frau haben<br />

mich, obwohl sie doch selbst wenig hatten, bewirtet – und sie hatten e<strong>in</strong>e Sorge, die<br />

ich d<strong>am</strong>als nicht recht verstand: „Wenn Du gehst, schau ja, dass niemand bemerkt,<br />

dass Du uns besucht hast – Du könntest Ärger bekommen“. Bei me<strong>in</strong>em letzten<br />

Besuch nahm Albert Bär im Flur e<strong>in</strong> Bild von der Wand und schenkte es mir. Ob er<br />

wohl ahnte, dass er bald ke<strong>in</strong>e Verwendung mehr dafür haben würde?<br />

Jahrzehntelang wussten wir nicht genau, was aus<br />

„unseren“ Bärs geworden war. Irgendwann wurde<br />

aus der Vermutung traurige Gewissheit, dass Sofie<br />

und Anselm, auch Albert und se<strong>in</strong>e Frau <strong>in</strong> Auschwitz<br />

ermordet wurden. Aber es gab auch e<strong>in</strong>e gute<br />

Nachricht: Die K<strong>in</strong>der von Albert, Hanni und Leo,<br />

hatten überlebt! Ich freue mich sehr, dass ich Leos<br />

Tochter Jenny bei der <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong> im <strong>Juni</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> treffen werde, um ihr etwas von ihren<br />

Großeltern und ihrer Uroma zu erzählen, die sie<br />

selbst nie kennen lernen konnte. Ob sie sich wohl<br />

darüber freut, wenn ich ihr me<strong>in</strong> Silbertäschchen<br />

und den Schal me<strong>in</strong>er Großmutter nach Amerika<br />

mitgebe?<br />

Edeltrude Schies. Foto: F. Jung<br />

31


Biografien von Bertha Kahn geb. Hirsch<br />

(1856-1943) und Johanna Kahn (1894-1943)<br />

Bertha Kahn geb. Hirsch<br />

wurde <strong>am</strong> 18. Januar 1856<br />

<strong>in</strong> We<strong>in</strong>garten geboren.<br />

Ihre Eltern waren der Handelsmann<br />

Raphael Hirsch<br />

und dessen Ehefrau Sophia<br />

Salomon. Raphael st<strong>am</strong>mte<br />

aus der alte<strong>in</strong>gesessenen<br />

jüdischen F<strong>am</strong>ilie Hirsch,<br />

die schon vor 1680 <strong>in</strong> We<strong>in</strong>garten<br />

wohnte. Mutter Sophia<br />

st<strong>am</strong>mte aus Kochendorf<br />

bei Heilbronn. Die<br />

Eltern bek<strong>am</strong>en <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t<br />

zwölf K<strong>in</strong>der, wobei Bertha<br />

von Valerie Kurz und Sarah Betz, Klasse 8u<br />

Emil und Bertha Kahn, um 1877. Foto: G. Alexander<br />

Auszug aus dem Geburtsbuch von We<strong>in</strong>garten mit<br />

der Geburtsurkunde von Bertha Hirsch, 1856.<br />

das achte K<strong>in</strong>d war. Fünf starben als<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der. Wahrsche<strong>in</strong>lich lebte ke<strong>in</strong>es<br />

der restlichen sechs Geschwister<br />

<strong>in</strong> We<strong>in</strong>garten: Die Brüder Benj<strong>am</strong><strong>in</strong><br />

(1848-1931) und Adolf (Albert) Hirsch<br />

(1850-1933) wohnten <strong>in</strong> Karlsruhe, der<br />

Bruder He<strong>in</strong>rich (1868-1943) <strong>in</strong> München.<br />

Die Schwester Sarah (1854-1912)<br />

verheiratete sich mit Neu <strong>in</strong> We<strong>in</strong>heim,<br />

die Schwester Herm<strong>in</strong>e (1852-?) heiratete<br />

e<strong>in</strong>en Jesaias Beis<strong>in</strong>ger und lebte <strong>in</strong><br />

Gondelsheim. Über die älteste Schwester,<br />

Mathilde (geb. 1847), ist nichts weiter<br />

bekannt.<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich im Jahr 1877 heiratete<br />

Bertha den Handelsmann Emil Kahn,<br />

welcher <strong>am</strong> 1. September 1850 <strong>in</strong> Bad<br />

32


Wimpfen geboren wurde. Zus<strong>am</strong>men wohnten sie zunächst <strong>in</strong> We<strong>in</strong>garten, wo Bertha<br />

Kahn 1878 im Alter von 21 Jahren ihr erstes K<strong>in</strong>d, Julius Kahn, <strong>zur</strong> Welt brachte.<br />

Zwischen den Jahren 1878 und 1880 zog die F<strong>am</strong>ilie nach <strong>Bruchsal</strong> um. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

sah Emil Kahn dort e<strong>in</strong>e bessere Chance für se<strong>in</strong>en Laden. In <strong>Bruchsal</strong> gebar<br />

Bertha weitere sieben K<strong>in</strong>der, darunter auch Johanna Kahn, die <strong>am</strong> 18. <strong>Juni</strong> 1894<br />

um 4 Uhr morgens <strong>zur</strong> Welt k<strong>am</strong>. Beim jüngsten K<strong>in</strong>d war Bertha Kahn 40 Jahre alt.<br />

In der Mitte der 1880er wurde Emil Kahns Geschäft von der Marktstraße 97 <strong>in</strong> die<br />

Kaiserstraße 36 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

verlegt. Dort blieb es über<br />

35 Jahre. Emil Kahn verkaufte<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Kolonialwarenhandlung<br />

Delikatessen,<br />

Fisch, Geflügel, aber auch<br />

Kohle. D<strong>am</strong>it war er wohl<br />

sehr erfolgreich. Dies sieht<br />

Auszug aus dem <strong>Bruchsal</strong>er Adressbuch von 1904. Foto: F. Jung<br />

man daran, dass er e<strong>in</strong>er der wenigen war, der 1904 schon e<strong>in</strong>en Telefonanschluss<br />

sowie 1920 schon e<strong>in</strong> Postscheckkonto besaß.<br />

Bertha Kahn zog ihre K<strong>in</strong>der nicht <strong>in</strong> strengem Glauben auf. Doch er<strong>in</strong>nert sich<br />

ihre Enkeltochter Charlotte bis heute daran, dass ihre Großmutter die jüdische Religion<br />

noch viel strenger als ihre K<strong>in</strong>der ausübte. So g<strong>in</strong>g Bertha wöchentlich <strong>in</strong> die<br />

Synagoge und kochte koscher.<br />

Berthas K<strong>in</strong>der verließen nache<strong>in</strong>ander <strong>Bruchsal</strong>. So war ihr ältester Sohn Julius<br />

1909 bereits Kaufmann <strong>in</strong> London und wurde britischer Staatsbürger. In den<br />

1920ern zog er nach Amsterd<strong>am</strong>, wo er e<strong>in</strong>e F<strong>am</strong>ilie gründete. Die älteste Tochter<br />

Sofie verheiratete sich 1909 nach Koblenz und später <strong>in</strong> zweiter Ehe nach Würzburg.<br />

Hedwig heiratete 1920 nach Stuttgart, wo ihr Mann zus<strong>am</strong>men mit ihrem Bruder<br />

Richard e<strong>in</strong> Korsett-Geschäft betrieb. Die Söhne Ernst und Karl g<strong>in</strong>gen auch jung<br />

aus <strong>Bruchsal</strong> weg, Ernst nach New York, Karl wahrsche<strong>in</strong>lich nach Süd<strong>am</strong>erika. Der<br />

Zeitpunkt ist unbekannt, da aber Karl <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> als Teilnehmer des 1. Weltkriegs<br />

verzeichnet ist, Ernst aber nicht, so ist anzunehmen, dass der Ältere, Ernst, schon<br />

vor 1914 <strong>in</strong> den USA war und Karl, der Jüngste, nach dem Krieg auswanderte.<br />

Als 1921 der Vater, Emil Kahn, 71-jährig starb, lebte nur noch die unverheiratete<br />

Tochter Johanna bei der Mutter Bertha <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Bertha war zu diesem Zeitpunkt<br />

65 Jahre alt, ihre Tochter Johanna war 27-jährig. Emil wurde auf dem jüdischen<br />

Friedhof <strong>Bruchsal</strong> bestattet und Mutter und Tochter führten das Geschäft<br />

noch e<strong>in</strong>ige Zeit weiter.<br />

33


Schillerstr. 1, heute Franz-Bläsi-Str. 1,<br />

<strong>Bruchsal</strong>. Foto: E. Habermann<br />

Vor 1925 zogen Johanna und ihre Mutter <strong>in</strong> die<br />

Schillerstraße 1 (heute Franz-Bläsi-Straße) <strong>zur</strong> Miete.<br />

Es muss e<strong>in</strong> größeres Mietshaus gewesen se<strong>in</strong>,<br />

denn hier lebten sie mit m<strong>in</strong>destens 13 weiteren<br />

erwachsenen Personen zus<strong>am</strong>men, darunter zum<br />

Beispiel auch die Juden Adelheid Heß, Recha und<br />

Fritz Sicher (Stolperste<strong>in</strong>e für die F<strong>am</strong>ilie Sicher-<br />

Heß wurden <strong>am</strong> 19.4.2015 <strong>in</strong> der Bismarckstraße<br />

verlegt).<br />

Es bestand enger Kontakt zu den K<strong>in</strong>dern auswärts,<br />

besonders zu den <strong>in</strong> Stuttgart lebenden K<strong>in</strong>dern Richard<br />

und Hedwig, und es gab regelmäßige Besuche<br />

auch der Enkelk<strong>in</strong>der <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Die Enkel<strong>in</strong><br />

Charlotte er<strong>in</strong>nert sich auch stark an Berthas Koch-<br />

und Backkünste: im Speziellen an die hervorragende L<strong>in</strong>zertorte, die immer <strong>in</strong> den<br />

höchsten Tönen gelobt wurde – und auch daran, dass Bertha den bei ihren Stuttgarter<br />

Enkeln so beliebten Sauerbraten nie kochte, da <strong>in</strong> die Soße Sahne k<strong>am</strong> – und<br />

dies erlaubten die jüdischen Speiseregeln nicht. Ob Bertha und Johanna e<strong>in</strong>e Rente<br />

bezogen, ist unbekannt, wahrsche<strong>in</strong>lich ist e<strong>in</strong>e (Mit-)F<strong>in</strong>anzierung durch die auswärts<br />

lebenden K<strong>in</strong>der. Besonders Julius soll sie <strong>in</strong> den späteren Jahren von Holland<br />

aus f<strong>in</strong>anziell unterstützt haben.<br />

Zwischen 1936 und 1938 zogen sie <strong>in</strong> die Kaiserstraße 15. Dieses Haus gehörte der<br />

F<strong>am</strong>ilie des jüdischen Fabrikanten Wilhelm Kirchheimer, welcher e<strong>in</strong> entfernter<br />

Verwandter von Berthas Schwiegersohn Ludwig Kirchheimer war. Die heute <strong>in</strong> den<br />

USA lebenden Enkel<strong>in</strong>nen Ruth und Charlotte<br />

er<strong>in</strong>nern sie noch, dass die Wohnung von Bertha<br />

und Johanna im Erdgeschoss lag.<br />

Ab der Mitte der 1930er wurde es immer<br />

schwerer für Juden <strong>in</strong> Deutschland zu leben.<br />

Die älteste Tochter Sofie war <strong>in</strong> der Lage,<br />

1938/39 nach Südafrika auszuwandern, wo ihr<br />

Sohn Franz bereits seit 1934 lebte. Die zwei <strong>in</strong><br />

Stuttgart wohnenden K<strong>in</strong>der von Bertha, Richard<br />

Kahn und Hedwig Alexander geb. Kahn,<br />

konnten geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong> mit ihren F<strong>am</strong>ilien <strong>am</strong><br />

1.1.1939 von Rotterd<strong>am</strong> aus mit dem Schiff<br />

nach New York entkommen. Wie die Enkelk<strong>in</strong>der<br />

berichten, brach es Hedwig Alexander<br />

Bertha Kahn mit Enkeln, um 1925.<br />

Foto: G. Alexander<br />

34


das Herz, die Mutter <strong>zur</strong>ücklassen<br />

zu müssen. Bertha Kahn, dann<br />

83-jährig, beschloss zus<strong>am</strong>men<br />

mit ihrer 45-jährigen Tochter Johanna,<br />

Deutschland ebenfalls zu<br />

verlassen. Bestimmt fiel ihnen das<br />

schwer, hatten sie doch ihr ges<strong>am</strong>tes<br />

Leben <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> verbracht.<br />

Am 19. April 1939 flohen sie von<br />

Stuttgart aus nach Amsterd<strong>am</strong>, um<br />

beim Sohn und Bruder Julius Kahn<br />

zu bleiben – wie gut, dass sie e<strong>in</strong>en<br />

so nahen Verwandten im europäischen<br />

Ausland hatten! Trotzdem war Amsterd<strong>am</strong> nicht weit genug weg und so marschierten<br />

im Mai 1940 die Nazis <strong>in</strong> die Niederlande sowie nach Belgien und Frankreich<br />

e<strong>in</strong>. Julius floh mit se<strong>in</strong>er F<strong>am</strong>ilie nach England. Da er britischer Staatsbürger<br />

war, brauchte er für sich, se<strong>in</strong>e Frau und se<strong>in</strong>e beiden Töchter ke<strong>in</strong> Visum. Doch<br />

Bertha und Johanna brauchten<br />

dieses, aber leider bek<strong>am</strong>en sie das<br />

Visum nicht. Sie konnten sich bis<br />

Anfang 1943 <strong>in</strong> Amsterd<strong>am</strong> verstecken,<br />

zuletzt wohnten sie, völlig<br />

mittellos geworden, <strong>in</strong> der Amotel<br />

Kade <strong>in</strong> Amsterd<strong>am</strong>.<br />

Kaiserstr. 15, <strong>Bruchsal</strong>. Bertha und Johanna Kahn wohnten<br />

im Erdgeschoss l<strong>in</strong>ks – dort, wo die Mädchen mit den<br />

weißen Schürzen stehen. Foto: E. Habermann<br />

Bertha mit ihren K<strong>in</strong>dern (von l<strong>in</strong>ks) Sofie,<br />

Johanna, Richard und Hedwig <strong>am</strong> 19. <strong>Juni</strong> 1938.<br />

Foto: G. Alexander<br />

Beide wurden <strong>am</strong> 4. Mai 1943<br />

<strong>in</strong>haftiert. Nun trennten sich<br />

die Wege, denn Bertha k<strong>am</strong> für<br />

fünf Tage <strong>in</strong>s Konzentrationslager<br />

nach Vught-Hertogenbosch<br />

(Niederlande) und Johanna nach<br />

Westerbork <strong>in</strong> das große niederländische<br />

S<strong>am</strong>mellager. Beide<br />

k<strong>am</strong>en zwar <strong>in</strong> dasselbe Vernichtungslager<br />

Sobibor (Polen), doch wahrsche<strong>in</strong>lich sahen sie sich nie<br />

wieder, da Bertha Kahn nach nur zweitägigem Aufenthalt <strong>in</strong> Westerbork <strong>am</strong><br />

11. Mai nach Sobibor deportiert wurde. Johanna blieb e<strong>in</strong>en Monat lang <strong>in</strong> Westerbork<br />

und wurde <strong>am</strong> 8. <strong>Juni</strong> direkt von Westerbork nach Sobibor deportiert.<br />

Bertha Kahn wurde im Alter von 87 Jahren <strong>am</strong> 14. Mai 1943 ermordet. Ihre Tochter<br />

Johanna Kahn wurde <strong>am</strong> 11. <strong>Juni</strong> 1943 im Alter von 49 Jahren ermordet.<br />

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F<strong>am</strong>ilie Emil und Bertha Kahn<br />

Emil Kahn<br />

* 01.09.1850 Bad Wimpfen † 07.09.1921 <strong>Bruchsal</strong><br />

wohnhaft 1880er bis 1921 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Kaiserstraße 36; Kaufmann (1882), Spezereihandlung<br />

(1888), Kolonialwaren- und Kohlenhändler (1904), Kolonialwaren und Fe<strong>in</strong>kost (1920);<br />

hatte schon 1904 Telefonanschluss (Nr. 147) und 1920 e<strong>in</strong> Postscheckkonto<br />

verh. um 1877<br />

Bertha Hirsch * 18.01.1856 We<strong>in</strong>garten † 14.05.1943 KZ Sobibor<br />

(Tochter von Raphael Hirsch (1808-1887), Handelsmann <strong>in</strong> We<strong>in</strong>garten, und Sophia Salomon von<br />

Kochendorf; 10 K<strong>in</strong>der),<br />

wohnhaft <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Schillerstr. 1 (1925 und 1933/36), zuletzt (1938) Kaiserstraße 15; dann kurzzeitig<br />

Stuttgart; <strong>am</strong> 19.04.1939 nach Holland emigriert; 04.05. bis 09.05.1943 im KZ Vught-Hertogenbosch<br />

<strong>in</strong>terniert, dann <strong>am</strong> 11.05.1943 ab Internierungslager Westerbork nach Sobibor deportiert.<br />

8 K<strong>in</strong>der:<br />

1. Julius Kahn * 08.11.1878 We<strong>in</strong>garten † nach 1956 England<br />

1909 Kaufmann <strong>in</strong> London; 1921 Kaufmann <strong>in</strong> Amsterd<strong>am</strong> bis 1940; 1940 Emigration nach<br />

England mit F<strong>am</strong>ilie; britischer Staatsbürger; reiste 1956 zus. mit se<strong>in</strong>er Frau nach New York;<br />

Adresse 1956: W. H<strong>am</strong>psted bei London, 100 Cholmley Garden<br />

vh. 18.07.1923 Amsterd<strong>am</strong><br />

Agnes Schre<strong>in</strong>er * 19.08.1896 München † 1956 England<br />

2 K<strong>in</strong>der:<br />

Hilda Kahn * wohnte <strong>in</strong> England<br />

Claire Kahn * wohnte <strong>in</strong> England<br />

2. Bruno Kahn * 04.03.1882 <strong>Bruchsal</strong> † 25.02.1889 <strong>Bruchsal</strong><br />

3. Sofie Kahn * 05.10.1885 <strong>Bruchsal</strong> † nach 1938 Südafrika (?)<br />

nach <strong>Juni</strong> 1938 ausgewandert nach Südafrika<br />

verh. <strong>in</strong> 1. Ehe: 30.08.1909 <strong>Bruchsal</strong><br />

Ludwig Kirchheimer * 26.04.1880 Kirchardt-Berwangen † 23.07.1913 Koblenz<br />

1909 Kaufmann <strong>in</strong> Koblenz<br />

verh. <strong>in</strong> 2. Ehe: 24.08.1920 <strong>Bruchsal</strong><br />

Josef Frießner * 22.03.1878 B<strong>am</strong>berg †<br />

1920 Kaufmann <strong>in</strong> Würzburg (Teilh. der Sektkellerei Siligmüller & Co.), wohl ausgewandert<br />

1 K<strong>in</strong>d aus 1. Ehe:<br />

Franz Josef Kirchheimer * 07.06.1910 Koblenz wurde als Franz Frießner adoptiert<br />

wohnhaft bis 1934 <strong>in</strong> Würzburg, wanderte <strong>am</strong> 20.11.1934 über Amsterd<strong>am</strong> nach Südafrika aus<br />

4. Salomon Ernst Kahn * 24.08.1887 <strong>Bruchsal</strong> †<br />

ausgewandert nach New York/USA<br />

verheiratet? K<strong>in</strong>der?<br />

36


5. Hedwig Kahn * 01.08.1889 <strong>Bruchsal</strong> † 06.06.1990 M<strong>am</strong>aroneck, NY, USA<br />

wohnhaft <strong>in</strong> Stuttgart; <strong>am</strong> 01.01.1939 von Rotterd<strong>am</strong> aus <strong>in</strong> die USA ausgewandert<br />

verh. 15.11.1920 <strong>Bruchsal</strong><br />

Ingo Alexander * 03.01.1885 H<strong>am</strong>burg † 1962 USA<br />

1920 Kaufmann <strong>in</strong> Stuttgart; Inhaber e<strong>in</strong>es Korsett-Geschäfts zus<strong>am</strong>men mit Schwager Richard<br />

Kahn; <strong>am</strong> 01.01.1939 von Rotterd<strong>am</strong> aus <strong>in</strong> die USA ausgewandert<br />

4 K<strong>in</strong>der:<br />

Erich Alexander * um 1921 Stuttgart † um 1930 Stuttgart<br />

Charlotte Alexander * 1923 Stuttgart vh. Agree, lebt bei NY City/USA<br />

Warner Alexander * 1928 Stuttgart † 2014 bei Wash<strong>in</strong>gton D.C./USA<br />

George Alexander * 1930 Stuttgart lebt bei Detroit/USA<br />

6. Richard Kahn * 28.04.1891 <strong>Bruchsal</strong> † 01.05.1981 USA<br />

Inhaber e<strong>in</strong>es Korsett-Geschäfts <strong>in</strong> Stuttgart zus<strong>am</strong>men mit Schwager Ingo Alexander; <strong>am</strong><br />

01.01.1939 von Rotterd<strong>am</strong> aus <strong>in</strong> die USA ausgewandert<br />

verheiratet<br />

Frieda „Friedel“ Erlanger * ca. 1898 Stuttgart † USA<br />

1 K<strong>in</strong>d:<br />

Ruth Kahn * 06.12.1929 verh. Graves, lebt <strong>in</strong> Michigan/USA<br />

7. Johanna Kahn * 18.06.1894 <strong>Bruchsal</strong> † 11.06.1943 KZ Sobibor<br />

wohnhaft <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> bei der Mutter, <strong>am</strong> 19.04.1939 nach Holland emigriert; 04.05. bis<br />

08.06.1943 im Internierungslager Westerbork <strong>in</strong>haftiert und <strong>am</strong> 11.05.1943 nach Sobibor<br />

deportiert.<br />

unverheiratet und k<strong>in</strong>derlos<br />

8. Karl Friedrich Kahn * 07.09.1896 <strong>Bruchsal</strong> †<br />

Fritz Kahn wurde im Sept. 1917 als 20-jähriger Soldat im 1. Weltkrieg; wohl schon lange vor<br />

1933 nach Süd<strong>am</strong>erika (?) ausgewandert<br />

verheiratet? K<strong>in</strong>der?<br />

37<br />

Von l<strong>in</strong>ks: George und Hedwig<br />

Alexander mit Ruth und Friedel<br />

Kahn, im Juli 1938.<br />

Foto: G. Alexander


Hedwig Oppenheimer geb. Wälder (1872-1942)<br />

von Sascha Hermann und Muh<strong>am</strong>med Dana, Klasse 8t<br />

Jacob und Hedwig Oppenheimer,<br />

um 1906. Foto: H. Ettl<strong>in</strong>ger<br />

Hedwig Oppenheimer geb. Wälder wurde <strong>am</strong><br />

4. Dezember 1872 <strong>in</strong> Rottweil geboren. Ihr Vater<br />

Leopold Wälder war e<strong>in</strong> wohlhabender Kaufmann<br />

<strong>in</strong> Rottweil und später <strong>in</strong> Stuttgart. Sie hatte zwei<br />

Geschwister, e<strong>in</strong>en Bruder n<strong>am</strong>ens Max und e<strong>in</strong>e<br />

Schwester n<strong>am</strong>ens Emma. Ihr Bruder wurde später<br />

e<strong>in</strong> erfolgreicher Arzt <strong>in</strong> Stuttgart und emigrierte<br />

zus<strong>am</strong>men mit Frau und Tochter <strong>in</strong> die USA. Am<br />

7.5.1894 heiratete Hedwig den Kaufmann Jacob<br />

Oppenheimer <strong>in</strong> Rottweil und zog mit ihm nach<br />

<strong>Bruchsal</strong>. Zwei Töchter wurden geboren: Gertrude<br />

1895 und Berta 1898. Hedwigs Schwester Emma<br />

Wälder heiratete 1901 Jacobs Bruder Otto Oppenheimer und diese hatten ebenfalls<br />

zwei Töchter: Suse und Anni, 1903 und 1906 geboren. Sie wohnten alle zus<strong>am</strong>men<br />

<strong>in</strong> dem im Jahr 1900 von Jacob Oppenheimer<br />

gekauften Haus <strong>in</strong> der Bahnhofstraße 4<br />

<strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Es muss e<strong>in</strong> F<strong>am</strong>ilienidyll gewesen<br />

se<strong>in</strong>: Im Erdgeschoss des Hauses lag der von<br />

Jacob und Otto geführte Tuchgroßhandel, im<br />

1. Obergeschoss wohnten Jacob und Hedwig<br />

und im 2. Obergeschoss Otto und Emma, jeweils<br />

mit ihren Töchtern. Der Firmengründer<br />

und Schwiegervater Louis Oppenheimer k<strong>am</strong><br />

täglich bei Hedwig vorbei, aß dort vormittags<br />

Obst und erledigte auch <strong>in</strong> der Firma gewisse<br />

Aufgaben. Der große Garten versprach Erholung<br />

für die Großf<strong>am</strong>ilie.<br />

Hedwigs Tochter Gertrude heiratete 1919<br />

Siegfried Bernkopf, der Bankdirektor <strong>in</strong> Heidelberg<br />

und Worms war. Sie hatten geme<strong>in</strong>-<br />

Bahnhofstraße 4 (heute 16a). Foto: H. Ansell<br />

s<strong>am</strong> e<strong>in</strong>en Sohn Walter, der heute noch <strong>in</strong> den USA lebt. Er war der e<strong>in</strong>zige Enkel<br />

von Hedwig. Berta heiratete 1925 den aus Berl<strong>in</strong> st<strong>am</strong>menden Gerhard Günther<br />

Fröhlich und zog nach Berl<strong>in</strong>. Doch die Ehe hielt nicht lange, denn sie ließen sich<br />

schon nach zwei Jahren scheiden. Berta zog daraufh<strong>in</strong> wieder zu ihren Eltern nach<br />

<strong>Bruchsal</strong>. Wie sich der Enkel Walter er<strong>in</strong>nert, war die Ehe se<strong>in</strong>er Großeltern Jacob<br />

und Hedwig glücklich. Jacob engagierte sich stark im öffentlichen Leben <strong>Bruchsal</strong>s,<br />

38


Jette Wälder (Mutter, l<strong>in</strong>ks) und Hedwig Oppenheimer,<br />

um 1925. Foto: H. Ettl<strong>in</strong>ger<br />

Doch im Jahr 1933 änderte sich<br />

alles: Im September starb plötzlich<br />

Jacob Oppenheimer an e<strong>in</strong>em<br />

Herzanfall. Bei se<strong>in</strong>er Beerdigung<br />

nahm die ganze christliche und<br />

jüdische <strong>Bruchsal</strong>er Öffentlichkeit<br />

ehrenvoll Abschied. Grund für<br />

das Nazihetzblatt „Der Führer“,<br />

<strong>Bruchsal</strong> heftig zu kritisieren. Nun<br />

leitete Otto alle<strong>in</strong>e den Tuchgroßhandel.<br />

Es wurde immer mühs<strong>am</strong>er<br />

für ihn. Die ges<strong>am</strong>te F<strong>am</strong>ilie<br />

verließ nach und nach Deutschland,<br />

bis im Oktober 1938 nur noch<br />

Dankschreiben 1933 von Hedwig Oppenheimer. Foto: StA <strong>Bruchsal</strong><br />

war Stadtverordneter und führend<br />

<strong>in</strong> mehreren caritativen und<br />

kulturellen Vere<strong>in</strong>igungen tätig.<br />

Hedwig begleitete wohl ke<strong>in</strong>e öffentlichen<br />

Aufgaben und hat sich<br />

ums Häusliche gekümmert. Enkel<br />

Walter schreibt: „Oma war oft<br />

<strong>in</strong> der Küche, wo ich zuschaute,<br />

wie sie die D<strong>in</strong>ge zubereitete, die<br />

ich gerne aß, wie W<strong>in</strong>dbeutel und<br />

Kar<strong>am</strong>elcreme“. Sie genoss aber<br />

sicher die Anerkennung, die ihr<br />

Mann <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> erlebte.<br />

V. li.: Siegfried Bernkopf, Bertel Fröhlich, Gertrude Bernkopf<br />

und Hedwig Oppenheimer, um 1925. Foto: H. Ettl<strong>in</strong>ger<br />

Hedwig und ihre kranke Tochter<br />

Bertel <strong>in</strong> Deutschland blieben.<br />

Sie zogen nach Frankfurt,<br />

um sich <strong>in</strong> der Großstadt zu<br />

verbergen. Das letzte Lebenszeichen<br />

von Hedwig war, als sie<br />

<strong>am</strong> 9.8.1942 e<strong>in</strong>e Karte an Otto<br />

und Emma <strong>in</strong> die USA schickte.<br />

Doch schon <strong>am</strong> 1.9.1942 wurde<br />

sie von Frankfurt <strong>in</strong>s Ghetto<br />

Theresienstadt deportiert. Dort<br />

starb sie nach wenigen Wochen<br />

<strong>am</strong> 11. Oktober 1942.<br />

39


Biographie von Berta Fröhlich<br />

geb. Oppenheimer (1898-1941)<br />

Berta Fröhlich geb. Oppenheimer<br />

wurde <strong>am</strong> <strong>27.</strong>11.1898 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

geboren. Bertas Eltern waren Jacob<br />

Oppenheimer und Hedwig<br />

Waelder. Sie wurde oft auch Bertel<br />

genannt. Ihr Wohnort war die<br />

Bahnhofstraße 4 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Dort<br />

wuchs sie zus<strong>am</strong>men mit ihrer älteren<br />

Schwester und ihren beiden<br />

jüngeren Cous<strong>in</strong>en auf. Sie war der<br />

Liebl<strong>in</strong>g der Fräule<strong>in</strong> Wolff (Haushälter<strong>in</strong><br />

des Großvaters Louis Oppenheimer)<br />

und d<strong>am</strong>it auch se<strong>in</strong>er.<br />

Vom 15.9.1908 bis <strong>27.</strong>7.1915 besuchte<br />

sie die „Höhere Mädchenschule“<br />

(Vorgängerschule des heutigen<br />

JKG). In ihrer Klasse gab es<br />

von Nicolas Konrad, Klasse 8t<br />

Berta Oppenheimer (l<strong>in</strong>ks) mit ihrem Großvater Louis<br />

Oppenheimer. Dazwischen ihre Schwester Trude (h<strong>in</strong>ten)<br />

und die Cous<strong>in</strong>e Suse (um 1905). Foto: H. Ettl<strong>in</strong>ger<br />

13 Schüler<strong>in</strong>nen, sechs davon waren jüdisch, e<strong>in</strong>e katholisch und sechs evangelisch.<br />

Sie wurde vom Gesangsunterricht befreit und war e<strong>in</strong>e eher mittelmäßige Schüler<strong>in</strong>.<br />

Ihre Klassenlehrer waren Prof. Köllenberger und Prof. Roegele. Am 30.11.1925<br />

heiratete sie <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> Gerhard Günther Fröhlich, sie wohnte mit ihm kurzzeitig<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Mit ihm bek<strong>am</strong> sie ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der. Sie ließ sich nach etwa zwei Jahren scheiden<br />

und dann zog sie nach <strong>Bruchsal</strong> zu ihren Eltern <strong>zur</strong>ück. Gerhard war Kaufmann<br />

und ist 1938 mit se<strong>in</strong>er <strong>zweiten</strong> Frau Auguste <strong>in</strong> die USA ausgewandert.<br />

Nach Er<strong>in</strong>nerungen des Neffen Walter Bernkopf litt Bertel an<br />

e<strong>in</strong>er schweren Schilddrüsenerkrankung und war arbeitsunfähig<br />

und häufig bettlägerig. Außerdem war sie Kettenraucher<strong>in</strong><br />

– das wiederum war e<strong>in</strong> Vorteil für den Neffen Walter: Sie gab<br />

ihm nämlich e<strong>in</strong>e Menge hoch<strong>in</strong>teressanter Zigarettenbilder,<br />

zum Beispiel von Zeppel<strong>in</strong>-Weltfahrten. Sie hat allerd<strong>in</strong>gs wohl<br />

zum<strong>in</strong>dest 1934 kurzzeitig <strong>in</strong> der Firma ihrer F<strong>am</strong>ilie mitgearbeitet,<br />

da sie auf e<strong>in</strong>em Foto der Firmenbelegschaft mit abgebildet<br />

ist. 1938 zog sie zus<strong>am</strong>men mit ihrer Mutter nach Frankfurt.<br />

Schließlich wurde sie <strong>am</strong> 20.10.1941 nach Lodz (Litzmannstadt)<br />

deportiert und dort zwei Tage nach ihrer Ankunft erschossen.<br />

Berta Fröhlich 1934.<br />

Foto: H. Ettl<strong>in</strong>ger<br />

40


F<strong>am</strong>ilie Jacob und Hedwig Oppenheimer<br />

Jacob Oppenheimer * 15.02.1862 <strong>Bruchsal</strong> † 04.09.1933 <strong>Bruchsal</strong><br />

(Sohn von Louis Oppenheimer (1831-1907), Tuchgroßhändler <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, und Bertha Bär (1839-<br />

1883), 6 K<strong>in</strong>der)<br />

Tuchgroßhändler <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, außerdem Stadtverordneter <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, Vorsitzender der „Badischen<br />

Heimat“, Vorstandsmitglied <strong>in</strong> mehreren caritativen Vere<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>.<br />

verh. 07.05.1894 Rottweil<br />

Hedwig Wälder * 04.12.1872 Rottweil † 13.10.1942 Theresienstadt<br />

(Tochter von Leopold S. Wälder (1840-1902), Kaufmann <strong>in</strong> Rottweil und Stuttgart, und Jette<br />

Nathan (1850-nach 1930), 3 K<strong>in</strong>der)<br />

wohnhaft <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, seit 1900 <strong>in</strong> Bahnhofsstr. 4, Ende 1938 zus<strong>am</strong>men mit ihrer Tochter unfreiwillig<br />

nach Frankfurt verzogen, deportiert nach Theresienstadt <strong>am</strong> 01.09.1942.<br />

2 K<strong>in</strong>der:<br />

1. Gertrude Oppenheimer * 23.03.1895 <strong>Bruchsal</strong> † <strong>27.</strong>01.1993 Bridgeport, USA<br />

wohnte nach Hochzeit <strong>in</strong> Heidelberg und Worms, 1940 nach USA ausgewandert<br />

verh. 22.07.1919 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

Siegfried Bernkopf * 06.06.1879 Fürth/By. † 03.09.1954 Denver, USA<br />

Bankdirektor <strong>in</strong> Heidelberg und Worms, zuerst nach Kuba, 1940 nach USA ausgewandert<br />

1 K<strong>in</strong>d:<br />

Walter Bernkopf * <strong>27.</strong>07.1926 Heidelberg<br />

1938 nach USA ausgewandert, vh. 1961 Luise Hess (1930-2010), lebt <strong>in</strong> Simsbury, USA<br />

2. Berta Oppenheimer * <strong>27.</strong>11.1898 <strong>Bruchsal</strong> † Ende 10.1941 Lodz/Polen<br />

wohnte <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> bis zu ihrer Hochzeit, dann kurzzeitig <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und nach der Scheidung<br />

wieder bei den Eltern <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>. Ende 1938 zus<strong>am</strong>men mit ihrer Mutter unfreiwillig nach<br />

Frankfurt verzogen, von dort <strong>am</strong> 20.10.1941 <strong>in</strong>s Ghetto Lodz deportiert.<br />

verh. 30.11.1925 <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong>, geschieden ca. 1927<br />

Gerhard Günter Fröhlich * 01.02.1895 Berl<strong>in</strong> † 01.04.1981 V<strong>in</strong>eland, NJ, USA<br />

Kaufmann <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, 1930er nach Paläst<strong>in</strong>a ausgewandert, dort 2. Ehe 1937 mit Auguste Hirsch<br />

aus Franfurt/M. (1903-1983), Emigration 1938 <strong>in</strong> USA, Umbenennung <strong>in</strong> George Frey<br />

Besondere Beachtung fand <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> <strong>in</strong> neuester Zeit Otto Oppenheimer (1875-1951), der<br />

mit Emma Wälder (1878-1970) verheiratet war. Beide waren die jüngeren Geschwister von<br />

Jacob und Hedwig. Nach Otto wurde 2011 e<strong>in</strong> Platz <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> umbenannt, se<strong>in</strong>e Enkel Hanne<br />

Ansell und H. Ettl<strong>in</strong>ger sowie der Großneffe Walter Bernkopf waren d<strong>am</strong>als anwesend.<br />

Ausführliche Informationen <strong>zur</strong> F<strong>am</strong>ilie:<br />

Ad<strong>am</strong>/Moos/Schmitt (Hg.): Oppenheimer – E<strong>in</strong>e jüdische F<strong>am</strong>ilie aus <strong>Bruchsal</strong>. Spuren –<br />

Geschichten – Begegnungen. Verlag Regionalkultur. <strong>Bruchsal</strong> 2012. 327 Seiten.<br />

41


C<strong>am</strong>p de Gurs – e<strong>in</strong>e Reise<br />

<strong>in</strong> die schreckliche Vergangenheit<br />

von Valerie Kurz, Klasse 8u<br />

Paul Niedermann und Valerie Kurz<br />

<strong>in</strong> der Baracke von Gurs. Foto: F. Jung<br />

Gurs ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es schönes Dorf<br />

mit ca. 400 E<strong>in</strong>wohnern, und trotzdem<br />

verb<strong>in</strong>det jeder mit Gurs e<strong>in</strong><br />

riesiges Konzentrationslager. Ca.<br />

600 ha für 60 000 Menschen, die<br />

auf die würdeloseste Art und Weise<br />

dort <strong>in</strong>terniert waren oder gar sterben<br />

mussten. Nur wenige überlebten<br />

und nur wenige können heute<br />

noch von den Torturen erzählen,<br />

die sie dort erleben mussten. E<strong>in</strong>er<br />

dieser Menschen ist Paul Niedermann,<br />

welcher mich mit se<strong>in</strong>er Art und Weise zu erzählen fasz<strong>in</strong>iert. Ohne e<strong>in</strong><br />

Schwanken <strong>in</strong> der Stimme oder e<strong>in</strong>e Träne zu vergießen erzählte er uns se<strong>in</strong>e Geschichte.<br />

„Ihr könnt es euch nicht vorstellen...“ (oft gesagtes Zitat von Paul Niedermann)<br />

„...<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em stickigen, überfüllten, dreckigen Zug zu sitzen und das drei Tage und vier<br />

Nächte. Ohne zu wissen, wo ihr h<strong>in</strong>gebracht werdet, das e<strong>in</strong>zige, was ihr wisst, ist, dass<br />

ihr nie wieder <strong>zur</strong>ück kommen werdet.“<br />

„C<strong>am</strong>p de Gurs“ - anfangs noch e<strong>in</strong> guter Gedanke: Bevor es zu e<strong>in</strong>em KZ wurde, war<br />

es gebaut <strong>zur</strong> Aufnahme von spanischen Flüchtl<strong>in</strong>gen, die den weiten Weg über die Pyrenäen<br />

geflohen waren. Doch als das Vichy-Regime an die Macht k<strong>am</strong>, wurde e<strong>in</strong>fach<br />

Stacheldraht um das Lager gemacht und fertig war das perfekte Konzentrationslager. Die<br />

Spanier wurden schnell noch als Kommunisten bezeichnet und dann musste man nicht<br />

mal mehr diese aus Gurs wegbr<strong>in</strong>gen.<br />

Doch für die Juden, die <strong>in</strong> das Lager k<strong>am</strong>en, war es e<strong>in</strong> Segen, dass die Spanier da waren.<br />

Ohne sie wären alle <strong>in</strong> den ersten Tagen verhungert oder verdurstet, weil ke<strong>in</strong>er<br />

Schüsseln oder Becher hatte, um e<strong>in</strong> bisschen der klaren Brühe zu bekommen. Wenn<br />

man dann etwas davon bek<strong>am</strong>, konnte man froh se<strong>in</strong>, wenn mal e<strong>in</strong> Stück Gemüse oder<br />

sogar Fleisch dar<strong>in</strong> schw<strong>am</strong>m. Paul Niedermann erzählte jedoch nicht nur vom Essen,<br />

das er bis heute verabscheut, sondern auch von den Baracken, <strong>in</strong> denen manchmal bis zu<br />

200 Personen leben mussten, obwohl nur 60 Personen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Baracke gehörten. Wie sie<br />

übere<strong>in</strong>ander liegen mussten, weil sie sonst ke<strong>in</strong>en Platz hatten. Und wenn man aus der<br />

Baracke raus k<strong>am</strong>, um nur auf die Toilette zu gehen, stand man schon bis zu den Knien<br />

42


im Schl<strong>am</strong>m und Morast. Seuchen wie die Ruhr hat man sich dort schnell e<strong>in</strong>gefangen.<br />

Man konnte froh se<strong>in</strong>, wenn man diese überlebte. Doch das alles waren doch die alltäglichen<br />

D<strong>in</strong>ge. Paul Niedermann erzählte auch über se<strong>in</strong>e F<strong>am</strong>ilie. Wie er <strong>in</strong> den ersten<br />

Monaten bei se<strong>in</strong>er Mutter <strong>in</strong> der Baracke unterk<strong>am</strong>, obwohl nach Frauen und Männern<br />

getrennt wurde. Wie sich se<strong>in</strong>e Eltern nur beim Tod se<strong>in</strong>er Tante auf dem Friedhof <strong>in</strong><br />

Gurs sehen konnten und wie das alles für Paul Niedermann sehr schrecklich war. Doch<br />

trotzdem kommt er jedes Jahr nach Gurs und erzählt se<strong>in</strong>e schlimmen Erlebnisse. Teilt<br />

sie mit uns und gibt uns e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die graus<strong>am</strong>e Vergangenheit, obwohl es ihm<br />

schwer fällt, auf das Gelände zu gehen und sich an die schlimmen Bilder zu er<strong>in</strong>nern.<br />

Paul Niedermann ist für mich <strong>in</strong> den zwei Tagen e<strong>in</strong>e unglaublich <strong>in</strong>teressante und spannende<br />

Begegnung gewesen, die mir geholfen hat, mich wenigstens e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Stück <strong>in</strong><br />

die Lage der Menschen von d<strong>am</strong>als zu versetzen.<br />

Auch die Ausmaße des Lagers s<strong>in</strong>d größer als ich je gedacht hatte, denn wenn man dort<br />

ist, sieht man nur e<strong>in</strong> langes Stück Wald – und <strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong> Weg – die 2 km lange,<br />

ehemalige Lager-Hauptstraße – eigentlich e<strong>in</strong> Spaziergang. Doch wenn man die Strecke<br />

auf sich wirken lässt, kommt es e<strong>in</strong>em ewig vor und es fällt e<strong>in</strong>em schwer, glauben zu<br />

können, wie man so viele Menschen e<strong>in</strong>sperren konnte. Ohne, dass man sie kannte.<br />

Ohne, dass man sich mit ihrer Religion ause<strong>in</strong>ander gesetzt hatte. Das alles geschah nur,<br />

weil e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Mensch die Macht bek<strong>am</strong> und tun konnte, was ihm passte. Ich werde es<br />

nie verstehen, doch Paul Niedermann sagte: „Es ist wichtig, dass die jungen Leute me<strong>in</strong>e<br />

Geschichte hören“ und das denke ich auch. Denn irgendwann ist niemand mehr da,<br />

der erzählen kann, der e<strong>in</strong>em die Augen öffnet über die schreckliche Vergangenheit, die<br />

h<strong>in</strong>ter uns liegt. Und man muss es weiter erzählen und sagen, dass dies nicht nochmal<br />

passieren darf, denn wir müssen aus unseren Fehlern lernen. Denn dieses Thema ist<br />

auch heute noch sehr aktuell und <strong>in</strong> vielen Ländern kommt es zu Konflikten, die durch<br />

Religion oder durch verschiedene Kulturen ausgelöst werden.<br />

Oberbürgermeister<strong>in</strong> Cornelia Petzold-Schick, Valerie Kurz, Paul Niedermann,<br />

Sarah Betz und Florian Jung auf dem Lagerfriedhof von Gurs <strong>am</strong> 17.4.<strong>2016</strong>. Foto: F. Jung<br />

43


Im Generallandesarchiv Karlsruhe<br />

von Malte Rieseweber und Moritz Haberland, Klasse 8w<br />

Am 22.2.<strong>2016</strong> besuchten wir (Moritz, F<strong>in</strong>an, Malte und Herr Jung) das Generallandesarchiv<br />

<strong>in</strong> Karlsruhe. Wir wollten mehr über die F<strong>am</strong>ilie Prager <strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen.<br />

Nach der ersten Schulstunde machten wir uns auf den Weg. Auf der H<strong>in</strong>fahrt besprachen<br />

wir nochmal, was wir schon herausgefunden hatten und was wir im Archiv<br />

zu f<strong>in</strong>den hofften. Dabei fiel uns auf, dass sich auch mehrere Differenzen <strong>in</strong> unseren<br />

Informationen befanden. Besonders bei der Liste des Standesbe<strong>am</strong>ten Dreher waren<br />

e<strong>in</strong>ige Fehler aufzuf<strong>in</strong>den. Zum Beispiel das Geburtsdatum von Mathilde Prager.<br />

Als wir <strong>in</strong> Karlsruhe ank<strong>am</strong>en, suchten wir uns e<strong>in</strong>en Parkplatz und g<strong>in</strong>gen dann<br />

zum Landesarchiv. Dort mussten wir erst unsere ganzen Jacken und Taschen ablegen,<br />

d<strong>am</strong>it wir auch nichts heraus „schmuggeln“ konnten. So von unseren Lasten befreit<br />

g<strong>in</strong>gen wir <strong>in</strong> den reservierten Arbeitsraum.<br />

Im Archiv wurden uns letztendlich fünf Akten ausgehändigt, die Herr Jung für uns<br />

reserviert hatte. Es handelte sich dabei um Lehrer-Personalakten von Frau Prager,<br />

um Akten zum Hausverkauf <strong>in</strong> der Stirumstraße und vor allem um Wiedergutmachungsakten,<br />

da die Tochter Mathilde Prager nach dem 2. Weltkrieg Ansprüche auf<br />

Entschädigungen hatte.<br />

Wir teilten die fünf Akten unter uns auf, d<strong>am</strong>it wir schneller voran kommen konnten.<br />

Wir hatten oft Probleme mit der Handschrift, <strong>in</strong> der die Akten verfasst waren. Vieles<br />

war auch mit der Schreibmasch<strong>in</strong>e geschrieben. E<strong>in</strong>ige Informationen widersprachen<br />

sich, jedoch war letztlich alles logisch zus<strong>am</strong>menzuführen. Manche <strong>in</strong>teressanten Details<br />

konnten wir f<strong>in</strong>den, z. B. e<strong>in</strong>e Liste mit e<strong>in</strong>er genauen Beschreibung der Wohnungse<strong>in</strong>richtung<br />

oder wie man Herrn Prager immer mehr die Rente kürzte. Mit Papierstreifen<br />

markierten<br />

wir die wichtigen<br />

Stellen, die danach<br />

von Herr Jung fotografiert<br />

wurden. Als<br />

jeder se<strong>in</strong>e Akten<br />

durchgelesen hatte,<br />

machten wir uns auf<br />

den Rückweg. Herr<br />

Jung setzte uns <strong>am</strong><br />

Durlacher Bahnhof<br />

ab. Von dort aus nahmen<br />

wir die Bahn <strong>zur</strong>ück<br />

nach Hause. Bild im GLA: Malte, Moritz und F<strong>in</strong>an beim Aktenstudium. Foto: F. Jung<br />

44


Die ersten <strong>Bruchsal</strong>er Stolperste<strong>in</strong>e<br />

19. April 2015<br />

Rückblick | Reaktionen | Ausblick<br />

von Rolf Schmitt<br />

Die Gedenkfeier<br />

Die erste <strong>Bruchsal</strong>er <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong> begann mit e<strong>in</strong>er bewegenden Gedenkfeier<br />

im <strong>Bruchsal</strong>er Rathaus. <strong>Bruchsal</strong>s Oberbürgermeister<strong>in</strong> Cornelia Petzold-Schick betonte<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ergreifenden Ansprache die Wichtigkeit des Gedenkens an die Gräueltaten<br />

unserer noch nicht mal allzu fernen Vergangenheit und daran, dass wir nicht vergessen<br />

dürfen, uns unserer früheren Mitbürger<strong>in</strong>nen und Mitbürger zu er<strong>in</strong>nern, die gewalts<strong>am</strong><br />

aus unserer Geme<strong>in</strong>schaft gerissen wurden. „Der Schrecken erhält e<strong>in</strong>en N<strong>am</strong>en und e<strong>in</strong>en<br />

konkreten Ort“, unterstrich die Oberbürgermeister<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer Ansprache die Intention<br />

von Stolperste<strong>in</strong>en. Mit Blick auf weitere Verlegungen von Stolperste<strong>in</strong>en <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong><br />

betonte sie, dass für diese Art des Er<strong>in</strong>nerns auch weiterh<strong>in</strong> ehren<strong>am</strong>tliche Arbeit nötig<br />

sei. Mit den Worten „Wenn es die junge Generation verstanden hat und dies begleitet, dann<br />

ist es mir mit unser Bildungs- und Gedenkarbeit nicht bange <strong>in</strong> unserer Stadt“ nahm sie die<br />

jungen Menschen <strong>in</strong> die Pflicht, drückte aber auch ihr Vertrauen <strong>in</strong> unsere Jugend aus.<br />

Als erster Nachfahre e<strong>in</strong>es <strong>Bruchsal</strong>er Holocaust-<br />

Opfers ergriff der <strong>in</strong> Israel lebende und an der Ben-<br />

Gurion-Universität lehrende Professor für Literatur,<br />

Efraim Sicher, das Wort, der mit Verwandten aus<br />

England anreiste. Von se<strong>in</strong>er <strong>Bruchsal</strong>er F<strong>am</strong>ilie<br />

überlebte lediglich se<strong>in</strong> Vater, so Efraim Sicher, der<br />

als 15-Jähriger mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>dertransport der drohenden<br />

Ermordung entkommen konnte. In e<strong>in</strong>drucksvollen<br />

Worten schilderte der Hochschullehrer<br />

und Buchautor das Schicksal se<strong>in</strong>er F<strong>am</strong>ilie und<br />

legte ausdrücklich Wert auf die Feststellung, dass es<br />

nur das Er<strong>in</strong>nern für zukünftige Generationen geben<br />

könne, jedoch ke<strong>in</strong> Vergeben und Vergessen.<br />

Professor Efraim Sicher. Foto: J. Schoner<br />

Der von se<strong>in</strong>er 10-jährigen Tochter Liv begleitete Larry Jordan aus dem an der <strong>am</strong>erikanischen<br />

Westküste gelegenen Denver/Colorado bedankte sich bei den <strong>Bruchsal</strong>ern – „entschuldigen<br />

Sie me<strong>in</strong> Deutsch, aber ich lerne es gerade“ – für deren Engagement. Er freue<br />

sich, „dass Sie me<strong>in</strong>en Großonkel und me<strong>in</strong>e Großtante <strong>in</strong> guter Er<strong>in</strong>nerung behalten haben“.<br />

Die <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong>en<br />

Die <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong>en wurden umrahmt von Vorträgen von Schüler<strong>in</strong>nen des<br />

Justus-Knecht-Gymnasiums. Diese schilderten wichtige Stationen aus den Biografien<br />

45


derer, für die Stolperste<strong>in</strong>e verlegt wurden. Bei der Verlegung der Stolperste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der<br />

Bismarckstraße 18 begleitete Efraim Sicher die Zeremonie durch e<strong>in</strong> traditionelles jüdisches<br />

Gebet im Gedenken an die Verstorbenen; e<strong>in</strong> Gebet und Segenswünsche für se<strong>in</strong>e<br />

Großeltern, se<strong>in</strong>e Tante und se<strong>in</strong>en Vater.<br />

Der Eigentümer des Hauses <strong>in</strong> der<br />

Wilderichstraße 23, vor dem Stolperste<strong>in</strong>e<br />

für die Dreifuß-F<strong>am</strong>ilie verlegt<br />

wurden, begleitete zus<strong>am</strong>men mit<br />

se<strong>in</strong>er Tochter die Zeremonie musikalisch.<br />

Er sagte, es hätte ihn sehr<br />

überrascht als er erfuhr, dass an dieser<br />

Stelle früher e<strong>in</strong>e jüdische F<strong>am</strong>ilie<br />

wohnte, die zwangsweise weg musste.<br />

Er ergänzte jedoch: „Ich glaube<br />

schon lange nicht mehr an Zufälle. Als<br />

ich festgestellt habe, dass der Mann der<br />

F<strong>am</strong>ilie wie ich auch Altphilologe war,<br />

hat sich das für mich nicht mehr als Die Hausbewohner der Wilderichstraße zus<strong>am</strong>men mit der<br />

Oberbürgermeister<strong>in</strong>. Foto: J. Schoner<br />

re<strong>in</strong>er Zufall darstellen lassen.“ Zumal<br />

auch e<strong>in</strong>e weitere Verb<strong>in</strong>dung besteht; die Ehefrau des Hauseigentümers ist Israelit<strong>in</strong>.<br />

An der dritten Stolperste<strong>in</strong>stelle <strong>in</strong> der Württemberger Straße 34 ehrte Ottmar Rapp<br />

von der Friedens<strong>in</strong>itiative <strong>Bruchsal</strong> die Ermordeten durch das S<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en alten<br />

Melodie und erbat für die ermordeten Lotte und Walter Jordan „Schalom“, also Frieden.<br />

Larry Jordan aus Denver und se<strong>in</strong>e Tochter Liv saßen noch lange bei den Stolperste<strong>in</strong>en<br />

für Lotte und Walter Jordan (siehe Foto auf der Rückumschlagseite). Larry Jordan versuchte<br />

se<strong>in</strong>er Tochter den Holocaust zu erklären. Ob er das Geschehene se<strong>in</strong>er Tochter<br />

begreiflich machen konnte? Wohl kaum. Den Holocaust kann man nicht verstehen. Niemand<br />

kann nachfühlen, was die Opfer erlitten haben.<br />

E<strong>in</strong> Besuch im Herbst 2015<br />

Zu dem Term<strong>in</strong> der ersten <strong>Bruchsal</strong>er <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong> konnten Verwandte der F<strong>am</strong>ilie<br />

Dreifuß leider nicht aus den USA nach Deutschland reisen. Dies holten sie aber<br />

im Spätjahr des vergangenen Jahres nach. Ende Oktober 2015 trafen <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> fünf<br />

Gäste aus der <strong>am</strong>erikanischen Großstadt Denver <strong>in</strong> Colorado e<strong>in</strong>. Darunter Judy Wolfe<br />

und Miri<strong>am</strong> Groll, Enkeltöchter e<strong>in</strong>es Bruders von Mathilde Dreifuß, sowie Jay K.<br />

Epperson, e<strong>in</strong> Urenkel. Die Gäste überbrachten der <strong>Bruchsal</strong>er Oberbürgermeister<strong>in</strong><br />

die besten Glückwünsche von ihrer Mutter Gertrude (Trudy), e<strong>in</strong>er Nichte von Mat-<br />

46


hilde Dreifuß. Trudy, die im<br />

Frühjahr 2015 ihren 100sten<br />

Geburtstag feiern konnte,<br />

wäre gerne mit nach <strong>Bruchsal</strong><br />

gekommen, ihre Gesundheit<br />

ließ dies jedoch nicht mehr zu.<br />

Auf den Spuren ihrer Ahnen<br />

besuchten die Gäste <strong>Bruchsal</strong>s<br />

die Stolperste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der<br />

Wilderichstraße sowie den<br />

jüdischen Friedhof h<strong>in</strong>ter der<br />

Peterskirche.<br />

V. li.: R. Schmitt, J. Strauss Wolfe, C. Petzold-Schick, J. Epperson, M.<br />

Groll, e<strong>in</strong> Freund aus den USA, Mr. Wolfe. Foto: pa Stadt <strong>Bruchsal</strong><br />

E<strong>in</strong> Telefonanruf aus Oberöwisheim<br />

Kurz nachdem die erste Stolperste<strong>in</strong>broschüre herausgegeben war, meldete sich beim<br />

<strong>Bruchsal</strong>er Stadtarchiv e<strong>in</strong>e D<strong>am</strong>e aus Oberöwisheim. Sie habe die Broschüre gelesen<br />

und sie habe ihr sehr gut gefallen, besonders der Bericht über Gustav Leopold Dreifuß.<br />

Sie sei die Tochter der aus Ettl<strong>in</strong>gen st<strong>am</strong>menden Maria Gerstenlauer, die Ende 1925<br />

bei der F<strong>am</strong>ilie Dreifuß als Haushälter<strong>in</strong> und K<strong>in</strong>dermädchen zu arbeiten begann. Und<br />

sie hätte noch e<strong>in</strong> paar Fotos und Briefe aus dem Nachlass ihrer Mutter. Bei Kaffee und<br />

Kuchen übergab Frau Neißl diese bisher nicht bekannten Fotos, auf denen die Eheleute<br />

Dreifuß und Leo abgelichtet s<strong>in</strong>d, dem Autor dieses Beitrages für das Stadtarchiv, aber<br />

auch Briefe, die Leo an se<strong>in</strong>e „Liebe Maria!“ schrieb, die seit 1931 e<strong>in</strong>e neue Anstellung <strong>in</strong><br />

H<strong>am</strong>burg hatte. Das Verhältnis zwischen Leo und Maria sche<strong>in</strong>t wirklich herzlich gewesen<br />

zu se<strong>in</strong>. In e<strong>in</strong>em Arbeitszeugnis betonte<br />

Leos Mutter ausdrücklich, Maria „wusste auf<br />

besonders schöne Art und Weise mit me<strong>in</strong>em<br />

jetzt 10 jährigen Sohne umzugehen“.<br />

Die Tochter von Maria Gerstenlauer mit<br />

Fotos und e<strong>in</strong>er Urkunde aus dem Nachlass<br />

ihrer Mutter. Foto: R. Schmitt<br />

Frau Neißl berichtete auch von e<strong>in</strong>er Episode,<br />

von der ihre Mutter oft erzählte. Danach k<strong>am</strong><br />

kurz nach dem Krieg e<strong>in</strong> junger Mann nach<br />

Oberöwisheim, der viele Dorfbewohner nach<br />

Maria Gerstenlauer fragte. Doch niemand<br />

kannte e<strong>in</strong>e Maria Gerstenlauer – trug diese<br />

doch aufgrund ihrer Ehe mittlerweile e<strong>in</strong>en anderen<br />

Nachn<strong>am</strong>en. Unverrichteter D<strong>in</strong>ge kehrte<br />

Leo Dreifuß, um den es sich handelte, nach<br />

England <strong>zur</strong>ück. Ob sich Maria und Leo jemals<br />

wiedersahen? Es ist zu befürchten, dass nicht.<br />

47


Ausblick<br />

Die Vorbehalte gegen Stolperste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> waren zunächst<br />

groß. Es wurden immense Kosten genannt, die auf<br />

die Stadt zukommen könnten. Von bis zu 120.000 Euro war<br />

die Rede. Ebenso wurde auf die vage Idee e<strong>in</strong>es noch zu planenden,<br />

noch zu bauenden und vor allem aber noch zu f<strong>in</strong>anzierenden<br />

<strong>in</strong>nerstädtischen Großdenkmals zum Thema<br />

Holocaust verwiesen. Diskutiert wurden auch eventuell zu<br />

erwartende Vorbehalte der Hausbesitzer – gibt es doch auch<br />

andernorts die Kritik, Stolperste<strong>in</strong>e könnten den Wert e<strong>in</strong>er<br />

Immobilie beträchtlich und dauerhaft m<strong>in</strong>dern. Letztendlich<br />

stimmte der <strong>Bruchsal</strong>er Geme<strong>in</strong>derat nach e<strong>in</strong>er positiv<br />

geführten Diskussion der Verlegung von Stolperste<strong>in</strong>en zu.<br />

Und das war auch gut so.<br />

„Me<strong>in</strong>er lieben Maria –<br />

Leopold Dreifuß.“ Foto: R. Schmitt<br />

Mittlerweile s<strong>in</strong>d die Stolperste<strong>in</strong>e von den <strong>Bruchsal</strong>ern angenommen<br />

worden. Wie <strong>in</strong> anderen Kommunen erfüllen <strong>in</strong>zwischen<br />

auch <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> die Stolperste<strong>in</strong>e ihren S<strong>in</strong>n, „mit<br />

dem Kopf und mit dem Herzen“ darüber zu stolpern, wie der<br />

ausführende Bildhauer Gunter Demnig bei der Gedenkfeier<br />

<strong>am</strong> 19. April des vergangenen Jahres im <strong>Bruchsal</strong>er Rathaus Stolperste<strong>in</strong>e erklärte. Der<br />

Künstler hat die Bürger dieser Stadt richtig e<strong>in</strong>geschätzt und betonte nach den Zeremonien<br />

sichtlich bewegt, e<strong>in</strong>e solche Zugewandtheit wie <strong>in</strong> <strong>Bruchsal</strong> habe er nur selten erlebt -<br />

er war merklich angetan von dem Engagement und der Offenheit der <strong>Bruchsal</strong>er. Ebenso<br />

durchweg aufgeschlossen und zugewandt waren die Reaktionen der Hauseigentümer, vor<br />

deren Anwesen die Gedenkste<strong>in</strong>e verlegt wurden.<br />

E<strong>in</strong> Brief von Leo an die „Liebe Maria“.<br />

Foto: R. Schmitt<br />

Lehrkräfte nutzten bisher vielfach die Gelegenheit, anhand<br />

der <strong>Bruchsal</strong>er Stolperste<strong>in</strong>e den Schülern den<br />

Holocaust zu erklären bzw. e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> dieses<br />

schwierige Thema für den Schulunterricht zu f<strong>in</strong>den.<br />

Der Präsident des Zentralrates der Juden <strong>in</strong><br />

Deutschland, Dr. Josef Schuster, betonte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Rede: „Die kle<strong>in</strong>en Mess<strong>in</strong>gste<strong>in</strong>e lassen uns immer<br />

wieder mitten im Alltag <strong>in</strong>nehalten: Wir beugen<br />

uns h<strong>in</strong>unter, um die N<strong>am</strong>en lesen zu können. Wir<br />

verbeugen uns vor den Menschen, die den Nationalsozialisten<br />

zum Opfer fielen. Und uns wird bewusst:<br />

Sie lebten hier, mitten unter uns. Es waren<br />

Nachbarn. Und auch wenn es heute ke<strong>in</strong>e Angehörigen<br />

mehr gibt: Sie s<strong>in</strong>d nicht vergessen!“<br />

Dem ist nichts h<strong>in</strong>zuzufügen.<br />

48


Die <strong>am</strong> <strong>27.</strong>06.<strong>2016</strong> verlegten Stolperste<strong>in</strong>e wurden gespendet<br />

von: für: Ort:<br />

Doris Bornhäuser, Reutl<strong>in</strong>gen Oskar Bornhäuser Gutleutstraße 5<br />

BürgerStitung <strong>Bruchsal</strong> Wilhelm Prager Styrumstraße 20<br />

Anonymer Spender, <strong>Bruchsal</strong><br />

Charlotte Prager<br />

Anna Hopfgarten-Weber und<br />

Mathilde Prager<br />

Dr. Johann-Christoph Weber, <strong>Bruchsal</strong><br />

Annette Hardock, <strong>Bruchsal</strong> Fanny Bär Friedrichstraße 8<br />

Annette Hardock, <strong>Bruchsal</strong><br />

Alfred Anselm Bär<br />

BürgerStitung <strong>Bruchsal</strong><br />

Soie Bär<br />

Gerard Alexander, Wash<strong>in</strong>gton D. C. Bertha Kahn Kaiserstraße 15<br />

Gerard Alexander, Wash<strong>in</strong>gton D. C. Johanna Kahn<br />

Michael Vettermann, <strong>Bruchsal</strong><br />

Doris Bornhäuser, Reutl<strong>in</strong>gen und<br />

Hans Jürgen Rettig, Kraichtal<br />

Die BürgerStitung <strong>Bruchsal</strong> hat die<br />

wichtige Aufgabe übernommen, auch<br />

küntig Mittel für weitere Stolperste<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>zuwerben. Jeder Ste<strong>in</strong> kostet 120 Euro –<br />

dieser Betrag kann jederzeit zweckgebunden<br />

an die BürgerStitung <strong>Bruchsal</strong><br />

gespendet werden und wird <strong>in</strong> vollem<br />

Umfang für dieses Projekt e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Jeder Spender erhält e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung<br />

<strong>zur</strong> nächsten <strong>Stolperste<strong>in</strong>verlegung</strong>, daher<br />

bitte auch die postalische Adresse beim<br />

Verwendungszweck vermerken.<br />

Impressum<br />

Herausgeber: Stadtverwaltung <strong>Bruchsal</strong><br />

Aulage: 500 Stück, 1. Aulage <strong>Juni</strong> <strong>2016</strong><br />

Redaktion: Florian Jung und Rolf Schmitt, <strong>Bruchsal</strong><br />

Layout & Druck: KAROLUS Media, <strong>Bruchsal</strong><br />

Die Rechte für die Beiträge liegen bei den jeweiligen Autoren.<br />

Hedwig Oppenheimer Bahnhofstraße 16a<br />

Berta Fröhlich<br />

Sparkasse Kraichgau, IBAN DE 7566 3500 3600 0777 7777<br />

Volksbank <strong>Bruchsal</strong>-Bretten, IBAN DE 5666 3912 0000 0080 0600


Larry und Liv Jordan vor den Stolperste<strong>in</strong>en<br />

für Lotte und Walter Jordan, 19.04.2015.<br />

Foto: J. Schoner

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