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Wie schafft man heute eine friedliche Gesellschaft? - Luc Jochimsen

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Es gibt in der jüdischen Tradition <strong>eine</strong> bemerkenswerte<br />

Einsicht. Da heißt es nämlich: Man soll <strong>eine</strong>r<br />

Gebotserfüllung nicht nachjagen, sondern sie dann<br />

tun, wenn sie sich ergibt. Nur beim Frieden ist das<br />

anders. Dem Frieden solle <strong>man</strong> nachjagen. Und ich<br />

frage mich, was das für das Judentum heißt? Hier ist<br />

mir die Einsicht sehr wichtig, dass das Judentum <strong>eine</strong><br />

Religion ist, die nicht missioniert, die nicht glaubt,<br />

den anderen überzeugen zu müssen von der Wahrheit<br />

der eigenen Einsicht. Und das ist ein guter Anfang<br />

Frieden zu halten. Das gilt auch dem Nichtgläubigen<br />

gegenüber. Die Lehre von den Noachidischen Geboten<br />

besagt, dass es für die Beurteilung des Anderen<br />

wichtig ist, wie er sich ethisch und moralisch verhält,<br />

und dass dafür der Glaube an Gott nicht erforderlich<br />

ist. Und das ist für mich der Schlüssel zur wirklichen<br />

Versöhnung, Brüderlichkeit und Geschwisterlichkeit.<br />

Ai<strong>man</strong> Mazyek<br />

12<br />

1969 in Aachen geboren;<br />

Studium der<br />

Arabistik in Kairo;<br />

Studium der Philosophie,<br />

Ökonomie und<br />

Politischen Wissenschaften<br />

in Aachen,<br />

außerdem <strong>eine</strong> Reihe<br />

von Islamstudien; 1996<br />

Gründung der Internetpräsenz<br />

www.islam.<br />

de; 2000 Direktor des<br />

ersten Islampavillon<br />

auf <strong>eine</strong>r Expo-Weltausstellung; seit 1994 Mitglied<br />

der Vollversammlung des Zentralrates der Muslime<br />

in Deutschland; 2001 – 2004 hauptamtlicher<br />

Pressesprecher des Zentralrats; seit 2006 ist er<br />

dessen ehrenamtlicher Generalsekretär, seit 2010<br />

Vorsitzender des Zentralrates, arbeitet als freier<br />

Publizist und Medienberater<br />

Es gibt <strong>eine</strong>n interessanten Koranvers, da heißt es ungefähr:<br />

Wenn Gott gewollt hätte, hätte er euch Christen,<br />

Juden, Muslime zu <strong>eine</strong>r einzigen Gemeinschaft<br />

gemacht. Aber er will euch prüfen. Das ist durchaus<br />

etwas, was an der Schöpfung im<strong>man</strong>ent ist, dass es<br />

verschiedene Rassen, Gruppen, Religionen gibt, und<br />

dass wir nicht zusammengekommen sind, um uns die<br />

Köpfe einzuschlagen, sondern wett zu eifern in guten<br />

Dingen, und dass wir allesamt zu Gott zurückgeführt<br />

werden und er uns offenbart, was wir da getan und<br />

da unterlassen haben. Und ich wünsche mir, dass wir<br />

Muslime diesen Vers noch mehr verinnerlichen und er<br />

uns dazu treibt, den Dialog mit unseren christlichen<br />

und jüdischen Freunden wesentlich gelassener zu führen.<br />

Das ist etwas, was mir der Koran auferlegt und ab<br />

und an ist es nötig, dass wir da mehr reinschauen und<br />

dann verstehen.<br />

Ordinariatsrat Winfried Weinrich<br />

1954 in Heiligenstadt geboren;<br />

Chemiestudium<br />

an der Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena;<br />

Arbeit als Chemiker; ab<br />

1980 Kirchlicher Dienst<br />

in der Gemeindepastoral;<br />

Theologiestudium<br />

am Philosophisch-<br />

Theologischen Studium<br />

Erfurt; 1987 – 1990<br />

Referent an der Studienstelle<br />

der Berliner<br />

Bischofskonferenz; 1991 Referent und seit 1992<br />

Leiter des Katholischen Büros Erfurt; 1995 Ernennung<br />

zum Ordinariatsrat im Bistum Erfurt<br />

Der Friedenskuss am Tor dieses Schlosses ist ja <strong>eine</strong><br />

bildhafte Darstellung des 85. Psalms und da heißt es<br />

im Vers 11: „Es begegnen einander Huld und Treue,<br />

Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ So ja auf dem<br />

Bild auch erkennbar. Und ich fand diese Thematik und<br />

bildliche Einführung sehr schön, weil sie <strong>eine</strong>n ganz<br />

wichtigen Zusammenhang deutlich macht – nämlich<br />

den Zusammenhang von Gerechtigkeit und Frieden.<br />

Gerechtigkeit als <strong>eine</strong> Voraussetzung, um Frieden zu<br />

schaffen. Und diesen Ansatz aus dem Psalm halte ich<br />

für sehr wichtig. Nicht umsonst haben die deutschen<br />

Bischöfe 2000 <strong>eine</strong> friedensethische Schrift auf den<br />

Weg gebracht, unter dem Titel „Gerechter Friede“.<br />

Und ein grundsätzlicher Ansatz ist für mich natürlich<br />

die Bibel, das Hauptgebot der Gottes- und Nächstenliebe.<br />

Wenn wir diese Koordinate im Blick behalten,<br />

die Gottesliebe, aber auch die Nächstenliebe im Sinne<br />

der Bergpredigt leben, selig die k<strong>eine</strong> Gewalt anwenden,<br />

selig die Frieden stiften, dann sind wir miteinander<br />

auf <strong>eine</strong>m guten Weg.<br />

<strong>Luc</strong> <strong>Jochimsen</strong><br />

<strong>Wie</strong> weit leben wir das, was Sie uns hier auf<br />

den Weg mitgeben? <strong>Wie</strong> weit ist das Bestandteil<br />

unserer Lebenserfahrung? Und wenn wir finden, dass<br />

es da <strong>eine</strong> Diskrepanz gibt, was können und müssen<br />

dann die Religionen eigentlich tun, dass wir diesen<br />

klaffenden Unterschied zwischen unserer Realitätserfahrung<br />

und den Postulaten, dem was Sie uns sagen,<br />

zueinander bringen?<br />

Ai<strong>man</strong> Mazyek<br />

Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir diese<br />

sogenannte klaffende Lücke zwischen Realität und<br />

dem, was wir unserer Religion vorgegeben haben,<br />

nicht künstlich übertreiben. Hätten wir diese klaffende<br />

Differenz zwischen dem, was die Theorie darstellt<br />

und dessen, was in der Praxis läuft, dann müssten wir<br />

in jeder Stadt und in unserer <strong>Gesellschaft</strong> Mord und<br />

Totschlag vorfinden.

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