Wie schafft man heute eine friedliche Gesellschaft? - Luc Jochimsen
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Und jetzt komme ich zu den Fragen Medien und<br />
Frieden. Es ist natürlich leichter, über den äußeren<br />
Unfrieden und Medien zu diskutieren. Aber ich möchte<br />
darauf hinweisen, dass natürlich auch Journalisten<br />
in gesellschaftspolitischen Fragen zerrissen sind<br />
– auch <strong>eine</strong> Berichterstattung zu machen, die <strong>eine</strong>rseits<br />
diesen Wahrheitsanspruch verinnerlicht, und die<br />
andererseits nicht missbräuchlich mit der Übermacht<br />
des Instruments umgeht.<br />
Deswegen m<strong>eine</strong> erste Bemerkung: Wir stecken alle<br />
in Machtinteressen. Bei <strong>eine</strong>m existenziellen Konflikt,<br />
wie <strong>eine</strong>m Krieg, <strong>eine</strong>m Bürgerkrieg im Land oder<br />
sozialen revolutionären Veränderungen, werden die<br />
Machtinteressen mit weitaus mehr Aggression und<br />
Gewalt, sowohl Person zu Person, als auch Institution<br />
zu Institution, ausgelebt.<br />
Zweite Bemerkung: Auch wir Journalisten sind Teil dieser<br />
Machtinteressen, nicht nur wirtschaftlich, sondern<br />
auch als Personen, die wir uns in unserer jeweiligen<br />
journalistischen Gruppe wiederfinden: Zeitung, Fernsehen,<br />
privat, öffentlich etc.<br />
In m<strong>eine</strong>r dritten Bemerkung komme ich auf das Recht<br />
zurück: Es gibt k<strong>eine</strong>n rechtsfreien Raum und das gilt<br />
auch für uns Journalisten. So gesehen ist bei aller<br />
Nachdenklichkeit die Herausforderung gegeben, dass<br />
uns das Machtinteresse Politik <strong>man</strong>ipulieren möchte,<br />
nicht nur im Krieg, sondern bei jeder politischen<br />
Entscheidung, die sie mehrheitsfähig machen will. Das<br />
ist übrigens auch legitim. Denn hätte sie nicht diesen<br />
Machtwillen, wäre sie gar nicht berechtigt in dem<br />
Wettbewerb zu sein. Und wir müssen als Journalisten<br />
ein Gegengewicht setzen – so weit es geht.<br />
Und deswegen m<strong>eine</strong> letzte Bemerkung: Das Spannende<br />
in der freien <strong>Gesellschaft</strong> ist, dass bei alle dem,<br />
was uns Macht <strong>man</strong>ipulativ, durch Zensur antut, in<br />
dem Pluralismus der unterschiedlichen Sichtweisen<br />
ein Stück Aufklärung gelingt. Und da bin ich ein Fan<br />
der neuen Technologien. Wir haben es im Iran gesehen,<br />
wir sehen es auch im Irak, dass das Internet mehr<br />
Wahrheit ans Licht rückt, vor allem immer gegen den<br />
Willen der Zensur, als wir das früher mit den großen<br />
Kameras je gekonnt haben. Und das finde ich dann<br />
wieder sehr ermutigend. Egal wie <strong>man</strong>ipulativ <strong>man</strong><br />
sein will, früher oder später gibt es immer wieder den<br />
<strong>eine</strong>n oder anderen Menschen, der aufklären möchte.<br />
So gesehen bin ich sehr optimistisch, dass selbst in<br />
<strong>eine</strong>r Diktatur, aber erst recht in <strong>eine</strong>r freien <strong>Gesellschaft</strong>,<br />
der Auftrag der Wahrheitsfindung von <strong>eine</strong>m<br />
pluralen Journalismus <strong>eine</strong>n kl<strong>eine</strong>n Beitrag bekommt.<br />
<strong>Luc</strong> <strong>Jochimsen</strong><br />
Das ist zwar richtig, dass es bei der Wahrheit Interpretationen<br />
gibt, trotzdem gibt es, gerade im Zusammenhang<br />
mit Krieg und Kriegsbeginn, so etwas wie<br />
Wahrheit und Lüge. Es ist nicht mehr zu interpretieren,<br />
wenn je<strong>man</strong>d sagt: Wir müssen Krieg führen, weil<br />
der, gegen den wir Krieg führen müssen, im Besitz<br />
von Massenvernichtungswaffen ist. Und dann stellt<br />
sich heraus, dass dieses <strong>eine</strong> pure Lüge ist. Es gibt<br />
offensichtlich <strong>eine</strong>n Zusammenhang zwischen der Tatsache,<br />
dass Kriege geführt werden und dem Umgang<br />
der Machthabenden mit Information und Medien. Sie<br />
werden anders eingesetzt als in zivilen Zeiten, wo es<br />
mehr Wettbewerbsmöglichkeiten gibt. Das heißt also,<br />
Kriege und Kriegsführung haben <strong>eine</strong> starke Auswirkung<br />
auf die Medien.<br />
Aber noch einmal zum Internet: Die Machthabenden<br />
können Informationen zurückhalten oder verdrehen.<br />
Aber es gibt dieses milliardengroße Publikum von<br />
Beobachtern, die ihre Erkenntnis ins Netz stellen können.<br />
Aber mit welchem Effekt?<br />
Klaus-Dieter Böhm<br />
Bei der heutigen Vielfalt der Medienmöglichkeiten und<br />
Zugänge, sollten wir pädagogische Orientierung und<br />
Medienkompetenz vermitteln und sagen: Teste das<br />
Medium und überprüfe, ob das, was wir sagen, richtig<br />
ist. Und wenn wir was falsch gemacht haben, dann<br />
gib uns <strong>eine</strong>n Hinweis und wir können es korrigieren.<br />
Also ein offener Prozess. Das Wesentliche ist, dass<br />
Herrschaft mit den Medien gemacht wird. Die Medien<br />
sind ja nicht unabhängig. Man hat ja schon langfristig<br />
und vorbereitend für Kriege Artikel lanciert, Wissenschaftler<br />
beauftragt Aufsätze zu schreiben, große<br />
Diskussionen anzuzetteln, dass es jetzt notwendig ist,<br />
den Irakkrieg zu führen und möglicherweise auch zu<br />
verschleiern, warum <strong>man</strong> den eigentlich führen will.<br />
Im Internet gibt es noch etwas ganz Witziges: WikiLeaks<br />
– <strong>eine</strong> Art Wikipedia für geheime Informationen.<br />
Leute stellen das, was sie irgendwo erfahren, anonymisiert<br />
ins Netz. Das verändert auch die Welt, macht<br />
den Herrschenden richtig Angst. Das ist okay. Die<br />
Ordnung liegt letztendlich in der Unordnung und im<br />
Chaos. Und diejenigen, die das betreiben, müssen<br />
sich schützen, weil sie gegebenenfalls sogar strafrechtlich<br />
verfolgt werden. Das zeigt ja <strong>eine</strong> Qualität<br />
von Medien heutzutage. Nie<strong>man</strong>d ist mehr sicher,<br />
dass das, was da hinter dem Rücken ausgemauschelt<br />
wird, nicht doch an die Öffentlichkeit kommt. Und<br />
das ist die Wirkung. Ich glaube, dass es irgendwann<br />
genügend Leute gibt, professionelle Journalisten und<br />
andere Personen, die an diesem großen Thema der<br />
Wahrheit arbeiten.<br />
Prof. Heinz Glässgen<br />
Unsere öffentlich-rechtliche Medienwelt wurde nach<br />
dem Krieg geordnet und diese Basis gibt es noch<br />
<strong>heute</strong>, obwohl sich der mediale Kontext und die<br />
gesellschaftliche Situation total geändert haben.<br />
Ich rede nicht davon, dass jetzt erst <strong>eine</strong> Ordnung<br />
geschaffen werden muss. Ich plädiere aber dafür,<br />
dass wir, 60 Jahre nachdem diese Ordnung erlassen<br />
worden ist, <strong>heute</strong> neu darüber nachdenken, dass wir<br />
Mediengesetze haben, die in diese Zeit passen. Das<br />
duale System, das Internet und die Digitalisierung<br />
sind gekommen und wir tun immer noch so, als hätten<br />
wir die Zeit von 1948.<br />
Vielleicht noch <strong>eine</strong>n Satz zum Internet: Diese Freiheit,<br />
durch die sich die Wahrheit durchsetzen soll,<br />
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