Wie schafft man heute eine friedliche Gesellschaft? - Luc Jochimsen
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Vorbemerkung<br />
Herzlich willkommen zur vierten Ausgabe unserer<br />
Reihe „Kultur neu denken“ in Thüringen. Nach den<br />
Diskussionen über MACHT, KUNST, FREIHEIT 2006 im<br />
Panorama-Museum in Bad Frankenhausen, RELIGION,<br />
MACHT, FREIHEIT 2008 in der Synagoge, dem Augustinerkloster<br />
und der Brunnenkirche in Erfurt und<br />
DEMOKRATIE, FREIHEIT, MACHT 2009 im Deutschen<br />
Nationaltheater Weimar geht es nun <strong>heute</strong> – wieder<br />
an <strong>eine</strong>m besonderen und überaus symbolträchtigen<br />
Ort – auf Schloss Friedenstein in Gotha um<br />
FRIEDEN, MACHT, FREIHEIT.<br />
Birgit Klaubert und <strong>Luc</strong> <strong>Jochimsen</strong><br />
Ausgangspunkt bilden dabei zwei herausragende<br />
Persönlichkeiten aus der Gothaer Geschichte: Herzog<br />
Ernst I. von Sachsen Gotha, der nach den Schrecken<br />
des Dreißigjährigen Krieges dieses Schloss als Symbol<br />
für <strong>eine</strong>n <strong>friedliche</strong>n zivilen Staat errichten ließ.<br />
Regierungsmotto: k<strong>eine</strong> Beteiligung an Kriegen mehr,<br />
stattdessen Bildung, Kultur und <strong>eine</strong> gute Verwaltung.<br />
Die zweite wichtige Person ist der Stadtkom<strong>man</strong>dant<br />
Ritter von Gadolla, der im April 1945 den Führerbefehl<br />
verweigerte, Gotha weiß beflaggen ließ, um es kampflos<br />
den Amerikanern zu übergeben. Er wurde vors<br />
Wehrmachtsgericht gestellt, zu Tode verurteilt und<br />
hingerichtet – Gotha war gerettet.<br />
Diese historischen Beispiele, Kräfte für den Frieden<br />
zu entwickeln, möchten wir in sechs Gesprächsrunden<br />
in unsere heutige Zeit übersetzen und darüber<br />
diskutieren, wie <strong>eine</strong> <strong>Gesellschaft</strong> friedlich sein und<br />
bleiben kann. Wir wollen „Fantasien für den Frieden“<br />
entwickeln. Diesen Titel hat uns Margot Käß<strong>man</strong>n in<br />
ihrer Neujahrspredigt 2010 gewissermaßen geschenkt.<br />
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Sie sagte damals: “Auch wenn es in den Ohren derer,<br />
die der Gewalt als Antwort auf Gewalt vertrauen naiv<br />
klingen mag, ich bleibe dabei, wir brauchen mehr<br />
Fantasie für den Frieden. Für ganz andere Formen,<br />
Konflikte zu bewältigen.“<br />
Die Friedensfrage war übrigens auch ein Thema der<br />
Reformation. Und weil wir hier in <strong>eine</strong>r Kirche der Reformation<br />
sind, soll auch das an dieser Stelle gesagt<br />
sein. Philipp Melanchthon, der vor 450 Jahren gestorbene<br />
Reformator, gehörte ebenfalls zu den vermeintlich<br />
naiven Träumern. Bildung für alle war s<strong>eine</strong> Vision,<br />
die damals viele belächelten. Bildung bedeutete<br />
für Melanchthon immer auch Erziehung zum Frieden.<br />
Die verstand er als Befähigung dazu, mit Vernunft zu<br />
<strong>eine</strong>r Verständigung in Konflikten zu kommen.<br />
Und ein weiteres Motiv möchten wir dieser Veranstaltung<br />
voranstellen und richten unseren Blick – auf die<br />
Landesebene bezogen – auf die Thüringer Verfassung.<br />
Denn es wird <strong>heute</strong> auch darum gehen, Fantasien für<br />
den Frieden vor dem Hintergrund von Verfassungsanspruch<br />
und Verfassungswirklichkeit zu diskutieren.<br />
In der Präambel der Thüringer Verfassung heißt es:<br />
„In dem Bewusstsein des kulturellen Reichtums und<br />
der Schönheit des Landes, in dem Willen Freiheit und<br />
Würde des Einzelnen zu achten, das Gemeinschaftsleben<br />
in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen, Natur und<br />
Umwelt zu bewahren und zu schützen, der Verantwortung<br />
für zukünftige Generationen gerecht zu werden,<br />
inneren wie äußeren Frieden zu fördern, die demokratisch<br />
verfasste Rechtsordnung zu erhalten, und trennendes<br />
in Europa und der Welt zu überwinden.“ So<br />
steht es in der Thüringer Verfassung, die den Auswirkungen<br />
der <strong>friedliche</strong>n Revolution des Herbstes 1989<br />
folgt und die es uns ermöglicht, in dieser Gemeinsamkeit<br />
<strong>heute</strong> diese Veranstaltung mit Ihnen zu gestalten.<br />
Dr. Lukrezia <strong>Jochimsen</strong><br />
Mitglied des Deutschen Bundestages; Kulturpolitische<br />
Sprecherin Fraktion DIE LINKE<br />
Dr. Birgit Klaubert<br />
Vizepräsidentin des Thüringer Landtages; Kulturpolitische<br />
Sprecherin Fraktion DIE LINKE