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in göttingen

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FINANZEN + RECHT [ GESETZLICHE UNFALLVERSICHERUNG ]<br />

„Mir wurde unterstellt,<br />

ich würde simulieren“<br />

Bereits kle<strong>in</strong>e Arbeitsunfälle können schwere Folgen haben. Dies musste auch Steffen Abel erfahren. Für Fälle<br />

wie ihn gibt es eigentlich die gesetzliche Unfallversicherung. Doch gerade wenn es um die Frage e<strong>in</strong>er Rentenzahlung<br />

geht, hilft oft nur der Klageweg. Hierbei steht zum Beispiel der VdK Betroffenen hilfreich zur Seite.<br />

„E<strong>in</strong>zig me<strong>in</strong> Sohn und me<strong>in</strong>e Lebenspartner<strong>in</strong><br />

motivieren mich, jeden Morgen<br />

aufzustehen“, sagt der ehemalige<br />

begeisterte Handballer Steffen Abel.<br />

Mit der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland die Folgen beruflich<br />

bed<strong>in</strong>gter gesundheitlicher Schäden<br />

abgesichert. Egal ob die Schäden durch<br />

e<strong>in</strong>e über Jahre dauernde Berufskrankheit<br />

oder e<strong>in</strong>en plötzlichen Unfall bei der<br />

Arbeit oder auf dem Weg dorth<strong>in</strong> verursacht<br />

wurden: Die gesetzliche Unfallversicherung<br />

muss gemäß ihrem gesetzlichen<br />

Auftrag dafür sorgen, dass <strong>in</strong> diesen<br />

Fällen die Gesundheit und berufliche<br />

Leistungsfähigkeit des Versicherten soweit<br />

wie möglich wiederhergestellt wird.<br />

Bleibt e<strong>in</strong>e dauerhafte M<strong>in</strong>derung der<br />

Erwerbsfähigkeit zurück, zahlt sie den<br />

Betroffenen e<strong>in</strong>e Rente, die sogenannte<br />

Unfallrente.<br />

„Die sogenannte MdE, das als Abkürzung<br />

für die M<strong>in</strong>derung der Erwerbsfähigkeit<br />

steht, wird <strong>in</strong> Prozent angeben“,<br />

erläutert Rechtsanwalt Toralf Schmitt, der<br />

als Rechtsschutzleiter des VdK-Kreisverbandes<br />

Gött<strong>in</strong>gen regelmäßig Widerspruchs-<br />

und Klageverfahren im Auftrag<br />

von VdK-Mitgliedern führt, wenn sich<br />

die gesetzliche Unfallversicherung trotz<br />

entsprechender E<strong>in</strong>schränkungen der<br />

Versicherten weigert, e<strong>in</strong>e Unfallrente zu<br />

zahlen. „Denn erst ab e<strong>in</strong>er MdE von 20<br />

Prozent muss die gesetzliche Unfallversicherung<br />

Rentenzahlungen leisten. Bei<br />

vielen der von uns geführten Verfahren<br />

geht es daher darum, für unsere Mandanten<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e MdE von 20 Prozent<br />

durchzusetzen.“<br />

So auch bei dem Verfahren, das er<br />

für den aus Gött<strong>in</strong>gen stammenden<br />

Steffen Abel, der heute <strong>in</strong> Vienenburg<br />

lebt, führte.<br />

2009 rutschte der damals Ende Dreißigjährige<br />

gelernte Dachdecker auf<br />

e<strong>in</strong>er Baustelle aus und zog sich e<strong>in</strong>en<br />

Kreuzbandriss zu. Zunächst diagnostizierte<br />

der behandelnde Arzt jedoch<br />

lediglich e<strong>in</strong>e Zerrung und verordnete<br />

Krankengymnastik. „Die Physiotherapeut<strong>in</strong><br />

und ich waren uns jedoch schon<br />

bald e<strong>in</strong>ig, dass es sich um mehr als e<strong>in</strong>e<br />

Zerrung handeln musste“, erzählt Abel.<br />

Auf se<strong>in</strong> massives Drängen h<strong>in</strong> wurde er<br />

schließlich erneut untersucht und nach<br />

der nun richtigen Diagnose Bänderriss<br />

im Februar 2010 operiert. Doch zu Beg<strong>in</strong>n<br />

der sich anschließenden Rehamaßnahme<br />

wurde den ihn betreuenden Physiotherapeuten<br />

und Mediz<strong>in</strong>ern schnell<br />

klar, dass etwas nicht stimmte. Abel litt<br />

unter ungewöhnlich starken Schmerzen.<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>er aufwendigen Untersuchung<br />

wurde daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> sogenanntes<br />

CRPS, e<strong>in</strong> komplexes regionales<br />

Schmerzsyndrom diagnostiziert. Diese<br />

äußerst schmerzhafte Erkrankung, die<br />

als Folge e<strong>in</strong>er Verletzung wie e<strong>in</strong>em<br />

Kreuzbandriss auftreten kann, ist bis<br />

heute nicht erfolgreich therapierbar.<br />

Während Abel mit immer stärker werdenden<br />

Schmerzen kämpfte, musste er<br />

sich gleichzeitig gegenüber der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung für se<strong>in</strong>e Arbeitsunfähigkeit<br />

rechtfertigen. „In mehreren<br />

sogenannten Rehasprechstunden<br />

TEXT: ROBIN KREIDE<br />

der Versicherung wurde mir von deren<br />

Vertretern unterstellt, ich sei e<strong>in</strong> Simulant.“<br />

Auch se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutigen mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Diagnosen und die Tatsache,<br />

dass er bis zu se<strong>in</strong>em Unfall fast ke<strong>in</strong>en<br />

Tag krank war, halfen nicht. Schließlich<br />

wurde er aufgefordert, sich beim Berufsförderungswerk<br />

<strong>in</strong> Goslar dah<strong>in</strong>gehend<br />

überprüfen zu lassen, ob er noch<br />

für den freien Arbeitsmarkt tauglich sei.<br />

Unglücklicherweise rutsche Abel bei<br />

genau diesem Besuch im Jahr 2011 erneut<br />

aus. Die Folgen waren neben e<strong>in</strong>er<br />

Überdrehung des bereits geschädigten<br />

Knies e<strong>in</strong> gebrochener Schienbe<strong>in</strong>kopf<br />

und e<strong>in</strong> Muskelriss. Die Beschwerden,<br />

die Abel mit dem Knie ohneh<strong>in</strong> hatte,<br />

nahmen noch mehr zu. Er unterzog sich<br />

mehreren stationären Schmerzbehandlungen,<br />

die jedoch nur vorübergehend<br />

L<strong>in</strong>derung brachten. Auch psychisch<br />

setzte ihm die Situation mehr und mehr<br />

zu. „Nur die Geburt se<strong>in</strong>es Sohnes bewahrte<br />

mich davor, komplett aufzugeben“,<br />

sagt Abel. „Dennoch wurde mir<br />

auch zu diesem Zeitpunkt seitens der<br />

gesetzlichen Unfallversicherung immer<br />

noch unterstellt, ich würde simulieren<br />

und sei eigentlich arbeitsfähig.“<br />

Diese E<strong>in</strong>schätzung gab es für Abel<br />

dann auch schriftlich, als se<strong>in</strong> Antrag<br />

auf M<strong>in</strong>derung der Erwerbsfähigkeit<br />

2012 mit e<strong>in</strong>er MdE von null Prozent<br />

beschieden wurde.<br />

Zu diesem Zeitpunkt endeten außerdem<br />

alle Zahlungen, die bis dah<strong>in</strong> von der<br />

gesetzlichen Unfallversicherung und der<br />

Krankenkasse geleistet worden waren.<br />

Die Folge: Abel stand vor dem f<strong>in</strong>anziellen<br />

Aus. Arbeitslosengeld bekam er nicht,<br />

da er sich nicht arbeitslos melden konnte.<br />

Der Grund: Die Arbeitsagentur stufte ihn<br />

aufgrund se<strong>in</strong>er gesundheitlichen E<strong>in</strong>schränkungen<br />

als nicht vermittelbar e<strong>in</strong>.<br />

Auch Abels Antrag auf Sozialhilfe wurde<br />

abgelehnt, da se<strong>in</strong>e Lebensgefährt<strong>in</strong> über<br />

40 <strong>in</strong>

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