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NEUENDORF B. WILSTER

Eine Gemeinde unter dem Meeresspiegel

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ANKE ROHWEDDER<br />

<strong>NEUENDORF</strong> B. <strong>WILSTER</strong><br />

EINE GEMEINDE<br />

UNTER DEM<br />

MEERESSPIEGEL


ANKE ROHWEDDER<br />

<strong>NEUENDORF</strong> B. <strong>WILSTER</strong><br />

EINE GEMEINDE<br />

UNTER DEM<br />

MEERESSPIEGEL<br />

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Impressum<br />

Copyright 2001 by<br />

Anke Rohwedder, ltzehoe<br />

Herausgegeben von der<br />

Gemeinde Neuendorf b. Wilster<br />

Text- und Bildgestaltung:<br />

Anke Rohwedder, ltzehoe<br />

Korrektor:<br />

Sterntaler Korrektoral, Brügge<br />

Gesamtherstellung: Frank GmbH · Druckerei Verlag Werbeagentur · ltzehoe<br />

Druck: 2001<br />

Das Titelbild<br />

entwatf Dagmar<br />

Hein, geb. Reese<br />

aus Hackeboe -<br />

jetzt Kaiserslautern.<br />

Die Luftbilder im Vor- und Nachsalz entstanden im Auftrag des Amtes Wilstermarsch<br />

im Sommer 2000.<br />

Im Vorsalz sind Hackeboe, Vorder-Neuendorf und Teilbereiche von Averjleth abgebildet.<br />

Deutlich ist noch der ursprüngliche Verlauf der Wilster-Au in der unteren Hälfte<br />

des Bildes erkennbm:<br />

Die Aufnahme im Nachsalz zeigt die Ortsteile Achterhörn, Hinter-Neuendorf und<br />

Stadtmo01: Oben links verläufi der Nord-Ostsee-Kanal, miltig durchs Bild schlängelt<br />

sich die Wilster-Au.


. , :~.~!{.~~.mu ........................................................................................................................................................... ............................... ...... e}.<br />

VORWORT<br />

Liebe Leserinnen und Leser!<br />

Die heutige Zeit mit ihren immer<br />

schneller und größer werdenden<br />

Veränderungen - sie wirken natürlich<br />

auch in den dörflichen Lebensbereich<br />

hinein- fordert besonders<br />

dazu auf, einmal festzuhalten, wie<br />

sich das Leben in der Gemeinschaft<br />

hier bei uns insbesondere im letzten<br />

Jahrhundert entwickelt und gestaltet<br />

hat.<br />

Ei ne Dorf- und Gemeindegeschichte<br />

lässt sich nur so weil zurückverfolgen,<br />

wie auch Unterlagen und Dokumente<br />

vorhanden und auffindbar<br />

sind oder auch aus Erinnerungen<br />

erzählt werden kann. Es ist für mich<br />

daher eine besondere Freude, an<br />

dieser Stelle den Dank der Gemeinde<br />

an Klaus Rehder und Richard<br />

Meiforth zu richten, die in den<br />

letzten Jahren immer wieder eine<br />

Chronik ins Gespräch gebracht<br />

haben. "Wenn du noch maa l eene<br />

Chronik för de Gemeen erstelln<br />

wullt, denn musst du dat bald<br />

moken; noch sünd wi dor!"- so ihre<br />

Aussage.<br />

Es ist ein glücklicher Umstand, dass<br />

wir mit Frau Anke Rohwedder eine<br />

Chronistin gefunden haben, die sich<br />

mit viel Sachverstand und nicht<br />

nachlassendem Engagement dieser<br />

Aufgabe angenommen hat. Sie, liebe<br />

Leserinnen und Leser, werden mit<br />

mir einer Meinung sein, wenn Sie<br />

dieses Buch gelesen haben und<br />

feststellen, dass mit der Darstellung<br />

der Heimatgeschichte der Gemeinde<br />

Neuendorf bei Wilster eine<br />

Mischung aus informativen und<br />

unterhaltenden Texten, Abbildungen<br />

von Menschen, ihren Häusern und<br />

von Karten und Urkunden gelungen<br />

ist. Das Buch ist keine rein wissenschaftliche<br />

Abhandlung, sondern<br />

lebendig und lesbar- so wie wir es<br />

gern haben wollten. Dieses ist das<br />

Verdienst von Anke Rohwedder, die<br />

es verstanden hat, die Texte vielfältig<br />

und interessant zu verfassen.<br />

Die Chronik lebt von den Beiträgen,<br />

Geschichten und Erzählungen, die<br />

viele Menschen aus unserem Dorf<br />

an die Chronistirr weitergegeben<br />

haben. Mein besonderer Dank gilt<br />

deshalb neben Frau Rohwedder<br />

auch allen Damen und Herren, die<br />

mit viel Idealismus und Liebe zur<br />

Sache Wissenswertes aus der Vergangenheit<br />

unserer Gemeinde bis<br />

zur heutigen Zeit zusammengetragen<br />

und niedergeschrieben haben.<br />

Die Mitglieder des Arbeitskreises,<br />

die Gemeindevertretung, die Amtsverwaltung<br />

in Wilster - alle haben<br />

an einem Strang gezogen, um die<br />

Geschichte als bleibende Erinnerung<br />

für uns und vor allem für die nachkommenden<br />

Generationen in Schrift<br />

und Bild zu erhalten.<br />

Johannes Rehder, Bürgermeister<br />

Neuendorf, Mai 2001


-~ ······ ............................................................................................................................................................................ V~.>~BL\!.! , ~ .~L~ .~! .<br />

VORBEMERKUNG<br />

Um von vornhere in Missverständnissen<br />

vorzubeugen: Ich bin keine<br />

studierte Historikerin und komme<br />

als diplomierte Landsch aflsplanerin<br />

aus einem ganz anderen Bereich.<br />

Al s die Gemeinde mich jedoch vor<br />

etwa zwei Jahren fragte, ob ich<br />

nicht Lust hätte, die Geschichte<br />

Neuendorfs aufzuarbeiten, fand ich<br />

die Vors tellung äußerst verlockend<br />

und stellte mich dieser Aufgabe ­<br />

ohne zu wissen, was mich erwartete.<br />

Ich halle bis dahin keinerlei Erfahrungen<br />

mit Chroniken und Ortsgeschichten<br />

gesammelt. Von Vorteil<br />

war lediglich, dass ich von einem<br />

Bauernhof aus der benachbarten<br />

Gemeinde Nortorf stamme und<br />

somit gewisse Orts- und Personenkenntnisse<br />

einbringen konnte. Während<br />

meiner Arbeit wurde mir<br />

jedoch immer deutlicher bewusst,<br />

wie wenig ich meine Heimat eigentlich<br />

kannte. Deshalb war ich stark<br />

auf die Mithilfe des Arbeitskreises<br />

angewiesen. Dort und in vielen,<br />

vielen Einzelgesprächen haben wir<br />

die Geschichte Neuendorfs nachvollzogen<br />

. Somit ist die Entstehung<br />

d ieses Buches keineswegs mein<br />

Verdien st. Mein Auftrag war es, die<br />

Fülle an Ideen und Anregungen aus<br />

der Gemeinde zu sammenzutragen,<br />

in den verschiedenen Archiven<br />

nach weiterem Material zu forschen<br />

und die Informationen zusammenzuführen.<br />

Ich möchte deshalb die<br />

Gelegenheit nutzen, a ll jenen zu<br />

danken, die mir dabei geholfen<br />

haben: Zunächst bedanke ich mich<br />

bei der Gemeindevertretung für das<br />

entgegengebrachte Vertrauen. Das<br />

Amt Wils termarsch hat mich tatkräftig<br />

unterstützt, allen voran<br />

Hans-Werner Speerforck, der manchen<br />

Feierabend mit der Lektüre<br />

und Korrektur der einzelnen Kapitel<br />

zugebracht hat. Besonderer Dank<br />

gebührt dem Arbeitskreis für sein<br />

Engagement. Ohne die zahlreichen<br />

Beiträge und Auskünfte hätte dieses<br />

Gesamtwerk in seiner Vi elfal t - von<br />

Sachverstand geprägt und mit persönlichen<br />

Erlebnissen angereichert<br />

- nie ents tehen können.<br />

Ich habe bei der Erstellung dieses<br />

Buches viel über die Geschichte<br />

und vor allem über den Wandel<br />

während des letzten Jahrhunderts in<br />

fast allen Lebensbereichen erfahren<br />

können. Mein Bestreben war es,<br />

diese Erkenntnisse versländlich und<br />

anschaulich auch für nachfolge nde<br />

Generalionen wiederzugeben. Ich<br />

hoffe, dass es mir zumindestteilweise<br />

gelungen ist.<br />

Anke Rohwedder


.N:w.~.~r.~r~9.~~,~.N~Y"!:;~.P..9.-'F. .. l;!, .. W.Ue$.IT~ .......................................................................................................................................... k1.<br />

Der Neuendorfer Arbeitskreis im Mai 2001 (vordere Reihe von links): Hermann Beimgraben, Averfleth;<br />

Horst Reese, Hackeboe; Anke Rohwedder, Nortorf- jetzt ltzehoe; Anneliese Marler, Hackeboe; Hildegard<br />

Heins, Hackeboe; (mittlere Reihe von links) Hans Joachim Karstens, Vorder-Neuendorf; Richard Meiforth,<br />

Averjleth; Klaus Rehder, Averfleth -jetzt Wilster; Peter Marler, Hackeboe; Max Heins, Hackeboe; (hintere<br />

Reihe von links) Georg Bader, Sachsenbande; Jens Thießen, Achterhörn; Johannes Rehder, Averfleth;<br />

weitere Mitglieder des Arbeitskreises: Heinrich Brandt, Stadtmoor- jetzt Wilster; Johannes Brandt, Goldbogen<br />

-jetzt ltzehoe; Hans Fischer, Stadtmoor; Klaus Franzenburg, Achterhörn; Hans Haack, Hackeboe;<br />

Käthe Meiforth, Averfleth; Hugo Nagel, Vorder-Neuendorf; Karl-Otto Schütt, Vorder-Neuendorf; Annegrete<br />

Thießen, Achterhörn sowie Elke und Max Tiedemann, Averfleth


,..<br />

.~ !i. .................................................................. ........ .... ............................................................................................... .J.~. !. ! :\I."J~.\r_lgqq!~. !~.<br />

I NHALTSVERZEICHNIS 62 Flugzeugabsturz<br />

..................................... ..............................................<br />

am 31.Dezember 1944<br />

Entstehung und Entwässerung<br />

64 Kriegsgefangene und<br />

9 Entstehung der Zwangsarbeit<br />

Wils termarsch<br />

68 Entnazifizierung von Hans-<br />

13 Bedeutung der Ortsnamen Max Reese, Hackeboe<br />

und ihre erste Erwähnung<br />

70 Flüchtlinge<br />

17 Wilster-Au<br />

74 Von Hamsterfahrten und<br />

23 Die Organisation der Wil- Einheitsschweinen<br />

st.ermarschentwässerung<br />

76 Brot gab es nur auf Karte<br />

32 Hackeboer Wettern<br />

78 Schulspeisung<br />

34 Hochwasser<br />

Straßen und Wege, Einst und Heute<br />

79 Wir gedenken der gefallenen<br />

Soldaten des 2. Weltkrieges<br />

39 Die Wilster-Au als Verkehrs- Landwirtschaft im Wandel<br />

weg<br />

81 Ein Überblick<br />

42 Die Unterhaltung der Wege<br />

84 Richard Meiforth, Averjleth<br />

43 Der Ausbau der Straßen<br />

und Wege 90 Herrn. Beimgraben, Aver.fleth<br />

48 Flurnamen 102 Thorsten Heins, Hackeboe<br />

Bürgermeister und Gemeindevertreter /09 Waschdag in de 50er Jahren<br />

49 Landgemeinde Heuendorf Handwerk und Gewerbe<br />

52 Zusammenschluss der A'mter 111 Handwerks- und Gewerbe<br />

betriebe der alten Zeit<br />

54 Wahnsituation<br />

115 Schmiede<br />

Erinnerungen an den 2. Weltkrieg<br />

118 Kolonialwarenladen<br />

57 Neuendorfvor, während und Heinz Haack<br />

nach dem 2. Weltkrieg<br />

121 Malermeister Haack<br />

58 Hitler-Jugend<br />

125 Marschentöpferei<br />

60 Die Mobilmachung im<br />

Gemeindegebiet 127 Baumschule Schüll


. J. ~.I. ! , \!J."~~ -~!Q:.q~.-.!1.~1.~ ............................................................................................................................................................................ U..<br />

128<br />

130<br />

Viehhandel Behrens<br />

Gastwirtschaft<br />

"Zum Handelsho.f'<br />

178 Entwicklung der Schule<br />

Vorder-Neuendorf<br />

Vereine und Vereinigungen<br />

/33<br />

Dat Stachtfest to<br />

Wiehnachten<br />

181<br />

Freiwillige Feuerwehr<br />

Sachsenbande-Neuendorf<br />

Künstler der Gemeinde Neuendorf<br />

137 Wilhelm Nagel,<br />

Stadtmusikant<br />

140 Prof Dr. h. c.<br />

Eberhard Rech/in<br />

143 Talentierte Hobby-Künstler<br />

Tiefste Landstelle Deutschlands<br />

145 Die Tiefste Landstelle ganz<br />

groß<br />

146 Die Tiefste Landstelle liegt<br />

hier!<br />

147 Gut Ding will Weile haben<br />

152 Höhepunkte an tiefster Stelle<br />

Schulen in Neuendorf<br />

191<br />

193<br />

Feuerwehrkapelle<br />

Sachsenbande-Neuendorf<br />

Gemeindegilde<br />

Neuendorj:Sachsenbande<br />

(Notgemeinschaft)<br />

195 Pferde- Versicherungsverein<br />

197 Ringreiten<br />

204 HSV<br />

207 Landfrauenverein<br />

Wilstermarsch<br />

210 Die Neuendorfer Jagd<br />

Quellen und Literatur<br />

Abbildungsnachweis<br />

Anmerkungen<br />

155 Schulgeschichte<br />

161 Schuldistrikt Achterhörn<br />

163 Schulunterricht in den<br />

20er Jahren<br />

164 Aus der Schulchronik<br />

Averjleth<br />

166 Schule Hackeboe<br />

167 Protokollbuch der Schulkommune<br />

Hackeboe<br />

173 Schule Sachsenbande


- ~~.T.$.:IJm.I.!~.G .. !?. !';~ .. W.!!.,'!n;.~~~.W!~.!t ................................................................................................................................................. ~.<br />

ENTSTEHUNG DER<br />

Wll..STERMARSCH<br />

Die Wilstermarsch verdankt ihre<br />

Entstehung einer allgemeinen<br />

Absenkung der Durchschnittstemperatur<br />

auf 4° bis 11°C unter den<br />

gegenwärtigen Werten und der<br />

daraus resultierenden Vergletscherung<br />

von Skandinavien aus, die in<br />

drei große Eiszeiten unterschieden<br />

wird. Die Kaltzeiten endeten mit<br />

Erwärmungsperioden, in denen das<br />

Eis weitestgehend abschmolz. Für<br />

die Bildung der Wilstermarsch war<br />

hauptsächlich die jüngste Kaltzeit<br />

(Weichseleiszeit: 100.000 bis 10.000<br />

Jahre vor der Zeitenwende) und die<br />

darauf folgende, bis heute andauernde<br />

,Holozän-Warmzeit' von<br />

Bedeutung. Zwar drangen die Gletscher<br />

nur bis MiLLelholstein vor,<br />

ihre Schmelzwasser formten jedoch<br />

das heutige Elbtal und ließen den<br />

Meeresspiegel ansteigen, so dass<br />

während des Atlantikums (etwa<br />

4.000 v. Chr.) die Nordsee bis an<br />

den heutigen Geestrand herameichte<br />

und die derzeitigen Marsch- und<br />

Moorgebiete mit Schlick überlagerte.<br />

Dieses Vordringen des Meeres<br />

nennt man in der geol ogischen<br />

Fachsprache ,Transgression', deren<br />

Gegensatz die ,Regression' ist und<br />

damit den Rückzug des Meeres<br />

beschreibt. Zwischen den einzelnen<br />

Transgressionszeiträumen liegen<br />

Regressionsphasen. Die erste, unser<br />

Gebiet betreffende Transgressionsserie<br />

dauerte vom 7. bis zum Ende<br />

des 3. Jahrtausends v. Chr. Nach<br />

einer früheren Einteilung währte<br />

diese Phase sogar bis etwa<br />

200 v. Chr. und wurde als ,Flandrische<br />

Transgression' benannt.<br />

Mittlerweile hat man sich aber auf<br />

eine Systematik geeinigt, die in den<br />

Niederlanden entwickelt wurde und<br />

diese Transgressionsreihe als<br />

,Calais-Serie' bezeichnet. Die darauf<br />

folgende ,Dünkirchen-Transgression'<br />

dauerte von etwa 1.700 v. Chr. bis<br />

ca. 1.100 nach Chr. 1<br />

Nach einem zwischenzeitliehen<br />

Rückzug der Nordsee kam es in den<br />

Jahrhunderten um die Zeitenwende<br />

erneut zu Überflutungen, welche<br />

die Marsch unter gewaltigen<br />

Schlickmassen begruben. Hierbei<br />

setzten sich die gröberen Sande und<br />

Kiese bereits an den Flussrändern<br />

ab, wodurch es zur Herausbildung<br />

der höher gelegenen und damit<br />

siedlungsfähigen Uferwälle kam,<br />

während das feinere und tonige<br />

Material näher an den Geestrand<br />

gelangte. Im Schutz der Norderund<br />

Süderdonn, deren Haken bis<br />

etwa Kudensee reichten und deshalb<br />

das von der Elbmündung einströmende<br />

Meer abhielten, begann<br />

die Verlandungsphase. In den folgenden<br />

Jahrhunderten, bis in die<br />

heutige Zeit, kam es aufgrund des<br />

hohen Wassergehaltes zu starken<br />

Sackungen. 2 Die seit dem Mittelalter<br />

zunehmende Entwässerung begünstigte<br />

diese Entwicklung, der<br />

wir letztendlich die Tiefste Landstelle<br />

Deutschlands mit 3,54 Metern<br />

unter Normalnull in der hiesigen<br />

Gemeinde verdanken.<br />

Doch wie haben wir uns die Wilstermarsch<br />

in ihren Anfängen vorzustellen?<br />

Gab es um Christi Geburt<br />

schon Siedler, die auf den fetten<br />

Wiesen der Marsch ihr Vieh grasen<br />

ließen? Vereinzelt sicherlich, wenn<br />

auch die Lebensumstände als<br />

äußerst gefährlich und unwirtlich<br />

bezeichnet werden können. Etliche<br />

Flachseen bedeckten die Wilstermarsch<br />

und zahlreiche Priele und<br />

Flethe durchzogen selbige. Sie glich<br />

einer Moor- und Sumpflandschaft,<br />

aus der nur gelegentlich kleinere<br />

Inselchen herausragten. Gleichzeitig<br />

Normalnull (NN)<br />

ist die Bezeichnungfor<br />

einen<br />

f estgelegten Nullpunkt,<br />

um die<br />

relative Höhe<br />

beliebiger Punkte<br />

zum millleren<br />

Meeresniveau<br />

angeben zu können.<br />

ln Deutschland<br />

beziehen sich<br />

die Angaben auf<br />

den Nullpunkt des<br />

Amsterdamer<br />

Pegels, d. h. den<br />

mi/fieren Wasserstand<br />

der Nordsee<br />

bei Amsterdam.


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.rr~~r;;'~~---=------ -- ____ .........<br />

/ . --- ]"'[oor JtrAll<br />

Abb. 1: Verkleinerter<br />

Ausschnitt<br />

aus der 'Historischen<br />

Karte der<br />

Wilstermarsch ';<br />

gezeichnet nach<br />

den Angaben von<br />

Dt: Jensen aus<br />

St. Margarethen.<br />

lebten die Bewohner in ständiger<br />

Angst vor der nächsten großen<br />

Überflutung. Es ist zu vermuten,<br />

wie Funde bestätigen, dass die<br />

Bewohner bereits seit der mittleren<br />

Steinzeit vom Fischfang lebten,<br />

während sie auf den höher gelegenen<br />

Gebieten (Uferwälle der Stör<br />

und Elbe, Geestrand) siedelten. Im<br />

Oberlauf der Wilster-Au in der Nähe<br />

vom Oberstenwehr ist beispielsweise<br />

1878 ei n Einbaum gefunden<br />

worden, der auf die Zeitenwende<br />

datiert wird und bei einer Länge<br />

von knapp 13 Metern 11 Ruderern<br />

Platz bot. 3 Diese ersten Siedler<br />

kamen von der Geest, ebenso als die<br />

Marsch in den Jahrhunderten vor<br />

und nach Christi Geburt erneut<br />

besiedelt wurde. Die zweite Besiedlung<br />

resultierte aus dem Bevölkerungszuwachs<br />

in der damaligen<br />

Zeit. Nachdem nicht mehr genügend<br />

Geestackerflächen zur Verfügung<br />

standen, wagten sich einige<br />

Sachsen in die Wilstermarsch vor.<br />

Diese Siedlungstätigkeit wurde<br />

jedoch erneut unterbrochen, als der<br />

Meeres- und Grundwasserspiegel<br />

abermals anstieg. Anfänglich begegneten<br />

die Bewohner dieser Entwicklung,<br />

indem sie ihre ursprünglich<br />

als Flachsiedlungen angelegten<br />

Plätze zu Wurten aufschütteten.<br />

Nachdem das Wasser aber immer<br />

weiter anstieg und die Überflutungen<br />

ihre Felder ,versalzten'<br />

und damit für die Bewirtschaftung<br />

unbrauchbar machten, verließen sie<br />

ihre Wohnstätten endgültig.<br />

In den fo lgenden 400 Jahren war die<br />

Wilstermarsch somit quasi unbewohnt.<br />

Die nächste Nachricht<br />

stammt erst aus dem 9. Jahrhundert<br />

nach Christus und es ist anzunehmen,<br />

dass eine erneute Besiedlung<br />

n ur unwesentlich vor diesem<br />

Zeitpunkt stattfand. Diese erneute<br />

Siedlungstätigkeit steht im engeren<br />

Zusammenhang mit der Eroberungspolitik<br />

des Fränkischen Reiches<br />

unter Karl dem Großen im 8./9.<br />

Jahrhundert und der damit verbundenen<br />

Christianisierung, gegen die<br />

die hier ansässigen Sachsen hefti-


. J;;~:r.~ :n~.'. ! .~ . i'!-.~! .. !?.f:!'!-.. W.! b'!"Xr.~~ ~~.R~Pt .................................... .......................................................................................................... Jil.<br />

gen Widerstand leisteten. Die fränkische<br />

Kolonisation erfolgte über<br />

die Flüsse, über die sie in das zu<br />

erobernde Land aufwärts zogen.<br />

Daher wird vermutet, dass die Sachsen<br />

bereits in der Störmündung mit<br />

ihrem Widerstand begannen. Trotz<br />

dieser Gegenwehr wurden die Sachsen<br />

gewaltsam dem Fränkischen<br />

Reich eingegliedert und christianisiert.<br />

Bereits 834 wird in Heiligenstedten<br />

eine Kirche errichtet. Nach<br />

dem Tod Karls des Großen kam es<br />

zu ersten Auflösungserscheinungen<br />

des Fränkischen Reiches, weswegen<br />

in der folgenden Zeit wiederholt die<br />

Dänen und Wenden versuchten, die<br />

fränkischen Grenzbefestigungen<br />

(u. a. bei Itzehoe) einzunehmen.<br />

Unter diesen Überfällen hatten auch<br />

die Bewohner des Klosters Neumünster<br />

zu leiden, so dass dessen<br />

Bewohner wiederholt Schutz in der<br />

unwegsamen Marsch suchten. Hierdurch<br />

entstanden die ersten Kontakte<br />

mit den Bewohnern der<br />

Wilstermarsch, was für die spätere<br />

niederländische Koloni sation sicherlich<br />

von Bedeutung war.<br />

Beeindruckt von den Kultivierungserfolgen<br />

der Niederländer im sogenannten<br />

,Hollerland' bei Bremen,<br />

warb der Landesherr Graf Adolf li.<br />

im Jahre 1142 niederländische<br />

Kolonisten zur Ansiedlung in Ostbolstein<br />

an. Gleichzeitig bemühten<br />

sich der Abt Vicelin und das Kloster<br />

Neumünster um die Ku ltivierung<br />

der Elbmarschen, mit der die kirchlichen<br />

Einkünfte aus diesem Gebiet<br />

gesteigert werden sollten. Unterstützt<br />

wurde er durch den Bremer<br />

Erzbischof, indem dieser ih m den<br />

,Zehnt' weiter Teile vor allem der<br />

Haseldorfer, Seestermüber und<br />

Wilstermarsch übertrug. Mit ,Zehnt'<br />

ist eine jährliche Abgabe an die<br />

Kirche bzw. an den jeweiligen<br />

Grundeigentümer gemeint, die 10<br />

Prozent des Gesamtertrages betrug.<br />

Attraktiv waren für die Moorkolonisten<br />

aus der Utrechter Tiefebene<br />

die vergleichsweise geringen<br />

Abgaben und Pflichten und die<br />

verhältnismäßig großen Höfe mitsamt<br />

der zugehörigen Flurstücke.<br />

Die Neusiedler ließen sich vor allem<br />

in den bisher unbesiedelten Gebieten<br />

nieder und zwar auf den bis<br />

dato unbewohnten Uferwällen der<br />

Wilster-Au sowie der ins Land<br />

reichenden Priele und begannen mit<br />

den Kultivierungsarbeiten. In diese<br />

Zeit fällt somit die erste Anlage und<br />

planmäßige Entwässerung der<br />

Niederungen durch lange, parallele<br />

Gräben und Wetterungen. Zuvor<br />

war ausschließlich über natürliche<br />

Wasserläufe, Priele und Flethe,<br />

entwässert worden. 4 Auf das 12./13.<br />

Jahrhundert gehen die ersten<br />

geschl ossenen Deichlinien zurück,<br />

wobei sowohl bestehende Deiche<br />

als auch Wurten und erhöhte Flussufer<br />

ausgenutzt wurden. Diese<br />

Deiche waren zunächst als Sommerdeiche<br />

angelegt, um vor den<br />

sommerlichen Überflutungen zu<br />

schützen, wurden aber schon bald<br />

zu winterfesten Deichen erhöht. Sie<br />

schützten nicht nur vor Überflutungen<br />

seitens der Eibe, sondern<br />

auch vor dem Geest- und vor allem<br />

schädlichen Moorwasser. 5 Nach<br />

dem Deichbau zeichnete sich der<br />

Sackungsprozess in der Wilster-<br />

Wenn im<br />

Zusammenhang<br />

mit der Besiedlung<br />

der Marsch von<br />

den 'Sachsen '<br />

gesprochen wird,<br />

ist die Rede von<br />

einem westgermanischen<br />

Stamm,<br />

der seit Mitte des<br />

2. Jahrtausends v.<br />

Chr. zusammen<br />

mit den Angeln<br />

und Friesen im<br />

Nordseeraum<br />

siedelte.<br />

Abb. 2: Schematische<br />

Darstellung<br />

des Entwässerungswesens.<br />

Graben


.~~?2 ... ................................................................................................... ..... ......................... .... ~.~:r~:nm EJ:"i~! .. P..~'-~ - .W.~.~ ~5If:~M.;\~~.9 ! .<br />

Abb. 3: Ausschnitt<br />

aus der Karte<br />

,. Newe Landtcarte<br />

Von dem Ampte<br />

Steinborg Der<br />

Kremper Undt<br />

Wilstermarsch.<br />

Anno 1651. "25<br />

marsch deutlicher ab, da das<br />

weitere Aufspülen durch Überflutungen<br />

fehlte. 6<br />

Ein weiterer Bevölkerungszuwachs<br />

im späten 16. Jahrhundert und eine<br />

Zuwanderung aus den Geestgebieten<br />

sowie eine erneute niederländische<br />

Einwanderungswelle, die<br />

durch politische und religiöse Verfolgung<br />

in deren Heimat ausgelöst<br />

worden ist, hatten hier wiederum<br />

Siedlungsneugründungen zur Folge.<br />

Den Abschluss bildeten die Siedlungserweiterungen<br />

an und in den<br />

Mooren, die durch die Moorkultivierung<br />

und den Abbau des Torfs<br />

als Brennstoff im 18./19. Jahrhundert<br />

hervorgerufen wurden. 7<br />

Bis heute ist die Einzelsiedlung im<br />

Gegensatz zur Geest sehr verbreitet<br />

in der Wilstermarsch. Dies mag in<br />

der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit<br />

des Marschbodens begründet<br />

liegen. Für die Anwohner war es<br />

deshalb günstiger inmitten der für<br />

ihren Unterhalt erforderlichen<br />

Ländereien zu wohnen. Ansonsten<br />

war die Reihensiedlung, die in<br />

Verbindung mit der kultivierungsbedingten<br />

Streifenhufenflur ,Marschhufendorf'<br />

genannt wird,<br />

vorherrschend.


. ß.~.l1.rD1 !~.G..!?.fi~.. Q!U~.~ t~ .. ~.~!! .....\ 1 N!?..H!.l~f; .. l ,.. t.:.~Wi~! .l. ~~!!:'.G ... ..................................................................................................ll.eJ.<br />

ßEDEUTIJNG DER<br />

ORTSNAMEN UND<br />

illRE 1. ERWÄHNUNG<br />

Die sehr frühen Siedlungsepochen<br />

haben wohl mehr auf den hohen<br />

Uferwällen der Eibe und der Stör<br />

stattgefunden, als im heutigen Gebiet<br />

der Gemeinde Neuendorf. Die<br />

ersten Nachrichten aus Neuendorf<br />

stammen aus dem 13. Jahrhundert<br />

nach Christi Geburt. Auch wenn der<br />

Zeitraum zu der Annahme verleitet,<br />

muss nicht zwangsläufig die Besiedlung<br />

durch Holländer erfolgt sein.<br />

Denn bereits ab der 2. Hälfte des<br />

13. Jahrhunderts wurden die holländischen<br />

Kultivierungsarbeiten von<br />

den Sachsen nachgeahmt. Somit<br />

können die ersten Siedler sowohl<br />

Holländer als auch Sachsen gewesen<br />

sein. Im Bereich Vorder-Neuendorf/Hackeboe<br />

deutet beispielsweise<br />

die Bezeichnung der Straße nach<br />

Vorder-Neuendorf auf holländische<br />

Siedler hin (,Hollerstückenweg').<br />

Jedoch gibt es hier auch anderslautende<br />

Erzählungen über die<br />

Bedeutung des Namens. So soll der<br />

Schmied ,Holler' gegenüber der<br />

Straßenmündung ein Stück Land<br />

besessen haben, fo lglich hieß es:<br />

"Der Weg beim Holler-S tück". 8<br />

Schwierig ist es, die ,Geburtsstunde'<br />

Neuendorfs zu bestimmen, da die<br />

Gemeinde Neuendorf aus mehreren<br />

Ortsteilen besteht, die zu unterschiedlichen<br />

Zeiten besiedelt wurden.<br />

Angewiesen sind wir hierbei<br />

auf schriftliche Quellen, in denen<br />

die Orte erstmals erwähnt werden.<br />

Vorder- und Hinter-Neuendorf<br />

Sowohl Vorder- als auch Hinter­<br />

Neuendorf gehörten früher zur<br />

ehemaligen Vogtei Sachsenbande<br />

(einem Klosterbezirk des Klosters<br />

Neumünster, später Bordesholm).<br />

Deshalb ist ihre Geschichte eng mit<br />

der von Sachsenbande verwoben.<br />

Erstmals erwähnt wird dieses Gebiet<br />

in einer Schenkungsurkunde von<br />

1227. Darin bestätigt Graf Adolf IV.,<br />

dass Bruder Wylrich seine Güter im<br />

später nach ihm benannten<br />

,Wilrikesmoor' an das Kloster Neumünster<br />

überträgl. 9 Ob es sich da<br />

bereits um eine Siedlung gehandelt<br />

hat, ist ungeklärt. Jedoch spätestens<br />

1349 wird im Gebiet von Yarder­<br />

Neuendarf ein großer Hof ( curia<br />

magna) des Klosters Bordesholm<br />

erwähnt. Dieser Hof wurde später<br />

parzelliert und verpachtet. 1448<br />

konnten die Pächter das Land für<br />

400 Reichstaler zum freien Besitz<br />

kaufen. 10 ,Hinter-Neuendorf' bzw.<br />

nur ,Neuendorf' wird jedoch erst<br />

1652 erwähnt. 11 Ob dieses Gebiet in<br />

den 200 Jahren zuvor schon besiedelt<br />

war, konnte bisher noch<br />

nicht nachgewiesen werden. Noch<br />

verwirrender wird es, wenn wir uns<br />

den anderen Ortsteilen zuwenden.<br />

Achterhörn<br />

Achlerhörn leitet sich aus der plattdeutschen<br />

Umschreibung ,achter de<br />

(dat) Hörn' ab und bedeutet soviel<br />

wie ,hinter dem Vorsprung/der<br />

Ecke/dem Winkel'. ,Hörn' bezeichnete<br />

hier vermutlich ein zwischen<br />

Moor und Wasser eingekeiltes<br />

Landstück. Denn früher war Achterhörn<br />

mit Ausnahme des schmalen<br />

Austriebs ein weites Hochmoor,<br />

welches ,Gorriesmoor' genannt<br />

wurde. Einst bildete Achterhörn<br />

den hinteren, spitzzulaufenden<br />

(hornartigen) Landstrich der Averflether<br />

Ducht. Heinrich Brandt als<br />

ehemaliger Neuendorfer sieht vor<br />

diesem Hintergrund insofern einen<br />

Neben 'unserem '<br />

Neuend01j gibt es<br />

noch eine Menge<br />

von Ortschaften<br />

und Gemeinden<br />

gleichen Namens<br />

in ganz Europa.<br />

Die Kirmesgesellschaft<br />

'St. Peter<br />

Neuendorf' bei<br />

Koblenz hatte im<br />

Jahre 1992 46<br />

Gemeinden mit<br />

dem Namen<br />

'Neuendorf'<br />

ausfindig gemacht<br />

und dabei Neuendorf<br />

in allen neuen<br />

Bundesländern, in<br />

der Elfe/, in<br />

Bayern, in Österreich,<br />

in der<br />

Schweiz sowie in<br />

Polen entdeckt.


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Bedeutungszusammenhang, als dass<br />

sich der Name auch aus der Lagebeschreibung<br />

ergeben haben könnte.<br />

In alten Quellen findet man Achterhörn<br />

auch unter der Bezeichnung<br />

,Brodesende', um den Übergang<br />

vom ackerfähigen Kleiland zum<br />

Hochmoor zu beschreiben (nach<br />

Jensen: "Ende des die Au begleitenden<br />

Kleilandes, auf dem das Brotkorn<br />

gebaut wird" 12 ) . Es konnte<br />

jedoch nicht abschließend geklärt<br />

werden, ob mit ,Brodesende' und<br />

,Diekende' ein und dieselbe Stelle<br />

gemeint war. Detlefsen 13 vermutet,<br />

dass sich ,Brodesende' auf der rechten<br />

Auseile befand, d. h. auf<br />

aebtissinwischer Gebiet, während<br />

Diekende diesseits der Au gelegen<br />

war. Auf jeden Fall wurde mit<br />

,Diekende' jene Stelle umschrieben,<br />

bis wohin die Wilster-Au bedeicht<br />

war, um die benachbarten Ländereien<br />

vor Überschwemmungen zu<br />

schützen. Diese Vorsichtsmaßnahme<br />

galt vor allem dem schädlichen<br />

Moorwasser. 1576 wurde erstmals<br />

die Lage Achterhörns in einer<br />

Skizze festgehalten. 14<br />

Stadtmoor<br />

Stadtmoor grenzt an Achterhörn<br />

und war lange Zeit im Besitz der<br />

Stadt Wilster. Hier konnten die<br />

Bürger aus Wilster gegen Bezahlung<br />

Torf stechen. Jedoch quälten die<br />

Stadt schon damals Geldnöte, weshalb<br />

sie 1531 einen Teil des Stadtmoores<br />

verkaufen musste. Käufer<br />

waren einige Bauern aus Bokhorst. 15<br />

Zwar kaufte die Stadt eine Fläche<br />

zu Beginn des 17. Jahrhunderts<br />

zurück, dennoch ragt sogar in<br />

heutiger Zeit die Gemeinde<br />

Bokhorst des Amtes Scheuefeld mit<br />

einem Zipfel ins ehemalige Stadtmoor.<br />

In den folgenden Jahrhunderlen<br />

bezog die Stadt Wilster<br />

Einnahmen aus der Verpachtung<br />

der Fläche. Seit dem 12. März 1877<br />

gehört Stadtmoorper königlichen<br />

Erlass des Landrats zur Gemeinde<br />

Neuendorf. 16 Ob sich die Ländereien<br />

damals schon im Privatbesitz befunden<br />

haben, ist unklar. Noch in<br />

der Nachkriegszeit wurde hier der<br />

Torf abgebaut.<br />

Averfleth<br />

Averfleth bedeutet dem Sinn nach<br />

,über das Fleth hinüber'. Als ,Fleth'<br />

wurden die ehemaligen Priele der<br />

Marsch bezeichnet. Einige Averflether<br />

Altbürger führen den Namen<br />

auf einen Steg zurück, den früher<br />

die Kirchengäuger der benachbarten<br />

Orte benutzten, um auf dem<br />

Kirchensteig nach Wilster zu gelangen.<br />

Am plausibelsten erschien<br />

jedoch die Erklärung von Hermann<br />

Beimgraben, wonach der Name<br />

Averfleth auf ein altes Fleth zurückgeht,<br />

welches von Krützfleth<br />

kommend auf Höhe der alten Averflether<br />

Schule in die Wilster-Au<br />

mündete. Dieses Fleth ist heute<br />

nicht mehr vorhanden. Lediglich<br />

die Ortsnamen Krützfleth und Averfleth<br />

bezeugen noch dessen Existenz.<br />

Bei gerrauer Betrachtung vor<br />

Ort werden diese Vermutungen<br />

bestätigt. Die Straße nach Krützfleth<br />

befindet sich auf dem ,Olde Dweerdiek'<br />

(vor 1600). In früherer Zeit<br />

war dies die einzige Wegeverbindung<br />

nach Sachsenbande. Die<br />

benachbarten Ackerstücke liegen<br />

zunächst etwas tiefer, bis sich das<br />

Geländeniveau wieder anhebt. In<br />

dieser Senke verlief ein breites<br />

Fleth. Vermutlich ist es mit Anlage<br />

der Hackeboer Wettern verschlickt<br />

und gänzlich verschwunden. Um<br />

nun die Siedlung ,Averfleth' zu


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, Wilstra' bzw. seit<br />

1141 , Wilstera' ist<br />

der alte Name der<br />

Wilster-Au. Diese<br />

Bezeichnung<br />

scheint alt-niederdeutsch<br />

zu sein,<br />

deren Bedeutung<br />

ist hingegen<br />

bislang unklar.<br />

Falsch istjedoch<br />

die Annahme, dies<br />

sei eine Verkürzung<br />

von , wilde<br />

Stör '. 45<br />

erreichen, musste man von Wilster<br />

kommend über dieses Fleth hinüber.17<br />

Erstmals wird Averfleth 1371<br />

als ,Ouerflete' erwähnt. 18<br />

Goldbogen<br />

Von Goldbogen stammen die ersten<br />

Nachrichten bereits aus dem<br />

13. Jahrhundert. Ein Rittergeschlecht,<br />

welches einige Male<br />

erwähnt wird, hatte seinen Namen<br />

dieser Siedlung entliehen. So wird<br />

zwischen den Jahren 1251 und 1288<br />

von den Herren Hartwig, Johannes,<br />

Otto und Heinrich berichtet, die<br />

mal Goldenbo, bald Goldenhoch<br />

und Goldenbu sowie Goldenbog<br />

genannt werden . 19 Nachforschungen<br />

erhärten die Vermutung von<br />

Hermann Beimgraben, wonach<br />

dieses Rittergeschlecht nach<br />

Mecklenburg umgesiedelt sein soll. 20<br />

So gibt es nahe Boizenburg, südwestlich<br />

von Schwerin, in der<br />

Gemeinde Friedrichsruhe einen<br />

Ortsteil mit dem Namen<br />

,Goldenbow'. Dieser Ort geht auf<br />

das Rittergeschlecht von Goldenbow<br />

zurück, die den dortigen Besitz aber<br />

bereits im 14. Jahrhundert an die<br />

Familie Lützows verkauften oder in<br />

weiblicher Linie vererbten. 1230<br />

wird das Dorf im Ratzeburger<br />

X. Register erstmals erwähnt. Damit<br />

unterstützen Name und erstmalige<br />

Nennung zumindest die Annahme,<br />

dass es sich vermutlich um dieselbe<br />

Ritterfamilie handelt, auch wenn<br />

die Vermutung nicht wissenschaftlich<br />

belegt ist.<br />

Hackeboe<br />

Die Bedeutung des Namens<br />

Hackeboe könnte man in etwa so<br />

übersetzen: "Wiesengelände in einer<br />

Flussbiegung, wo Habichte sind." 21<br />

Mit der Flussbiegung wird wohl der<br />

alte Lauf der Wilster-Au (,Alte<br />

Wilster') gemeint sein, an dem sich<br />

Hackeboe entlang zieht. Wobei<br />

Elfriede Reese 22 im Rahmen einer<br />

Halbjahresarbeit für die Schule<br />

gerade in dieser alten Auschleife die<br />

Form eines Habichtschnabels entdeckt<br />

haben wi ll und darauf die<br />

Namensgebung zurückführt.<br />

Ein paar Höfe in Hackeboe sowie<br />

die beiden Gehöfte ,Auf der Hove'<br />

sind vermutlich von der Geest aus<br />

besiedelt worden. Dies erklärt auch<br />

die Form einzelner Flurstücke.<br />

Hinter dem Dückerstieg beispielsweise<br />

befinden sich zwei quadratische<br />

Flurstücke von etwa einem<br />

Hektar Größe. Bevor die Niederländer<br />

den Wendepflug einführten,<br />

mussten die Sachsen ihre Fe I der<br />

noch kreuz und quer mit dem<br />

Hakenpflug bearbeiten. Dies war auf<br />

einem quadratischen Feld einfacher.<br />

Es wird sogar vermutet, dass diese<br />

Höfe bereits vorhanden waren, als<br />

Wilster gegründet wurde. Lange Zeit<br />

waren diese nämlich nach Hohenaspe<br />

zehntpflichtig, d. h. sie hallen<br />

10 Prozent ihrer Ernte an die Kirche<br />

in Hohenaspe abzugeben, obwohl<br />

sie im Kirchspiel Wilster lagen. Die<br />

Kirche zu Wilster wird erstmals<br />

1163 genannt. Dennoch findet sich<br />

die erste namentliche Erwähnung<br />

Hackeboe's erst aus dem Jahre 1349,<br />

wonach es zunächst ,Hauekeby'<br />

hieß. Spätere Namensformen waren<br />

,Hakebüw' und ,tho Hackeby'. 23<br />

In Hackeboe treffen verschiedene<br />

politische Gemeinden aufeinander,<br />

so dass Hackeboe in Teilen sowohl<br />

zur Gemeinde Neuendorf, als auch<br />

zur Gemeinde Landrecht, Nortorf<br />

und Sachsenbande gehört. Gerrau<br />

zwischen den beiden Höfen ,Hove'<br />

verläuft die Gemeindegrenze zur<br />

Gemeinde Landrecht. Ursprünglich


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gehörten diese Höfe wohl zusammen.<br />

Wie ihr Name a nzudeuten<br />

scheint, waren sie die erste eigentliche<br />

Hufe in dieser Gegend. 24<br />

Früher untergliederte man Hackeboe<br />

in Groß- und Klein-Hackeboe.<br />

Somit ist euendorf im Ourchschnill<br />

500 bis 600 Jahre alt, da s ich<br />

die Besiedlung im Grunde über ein<br />

halbes Jahrlausend hinzog. Diese<br />

große Zeitspanne erklärt s ich aus<br />

der Vorgehensweise bei der Kultivierung.<br />

Die ersten Siedler ließen<br />

sich zunächst auf den erhöhte n<br />

Uferrändern und dergleichen nieder,<br />

um von dort die Urbarmachung<br />

des Sielblandes in Angriff zu<br />

nehmen. So entstanden letztlich<br />

Vorder-und Hinler-Neuendorf ni cht<br />

nur räumlich sondern auch zeitli ch<br />

gelrennt voneinander. Als Geburtsjahr<br />

für anstehende Jubiläumsfeiern<br />

wird jedoch das Jahr 1652 zugrunde<br />

gelegt, in dem ' euendorf' an sich<br />

erstmals urkundlich erwähnt<br />

wurde.''<br />

WUSTER-AU<br />

Vor Urzeiten war die Wilster-Au<br />

vermullich nur ein Flelh von vielen<br />

in der Elbmarsch. Dass sich dieses<br />

Gewässer zu einer Au mil eigener<br />

Quelle auf der Geest e ntw ickelte,<br />

verdankt die Wil ster-Au der Dünenbildung<br />

vor dem Norder- und<br />

Süderdonn in Dithmarschen. Hier<br />

lag nämlich ursprünglich die Mündung<br />

der Wallburgau - die heutige<br />

Burger Au - , in welch er die<br />

Holslenau ihre Fortsetzung fand,<br />

um durch den Kudensee gradewegs<br />

in die Elbe zu entwässern. Als<br />

jedoch die Dünenreihe diese Ableitung<br />

versperrte, staute sich das<br />

Wasser im Kudensee und überflutete<br />

die anliegenden Niederungen. Oie<br />

Wal lburgau musste sich einen<br />

neuen Abfluss suchen und fand<br />

diesen in der Wilster-Au.<br />

Angesichts dieser Veränderung hatte<br />

die Wilster-Au nun ihren Ursprung<br />

auf der Geesl. Nach einer historischen<br />

Karte halte s ie sogar 2 Quellflüsse<br />

und zwar den Schapbek<br />

Abb. 4: Die<br />

Wilster-A u in<br />

Ave1jleth um 1920.<br />

Im Hintelgrund<br />

befindet sich das<br />

heutige Anwesen<br />

der Familie Koch.


.~ .............. ......................................................................................................................................... ................................... W.I.! ~~T.P~.: A.., :.<br />

Bisweilen beherbergt<br />

die Wifster­<br />

Au auch<br />

außergewöhnliche ·<br />

Gäste. So erinnert<br />

sich Max Tiedemann<br />

aus Averfleth<br />

an drei<br />

Tümmler, die sich<br />

in den 40er Jahren<br />

in dieses Gewässer<br />

verirrt hatten.<br />

Anfang der 90er<br />

Jahre hatten wir<br />

einen Seehund zu<br />

Besuch.<br />

aus der Gegend von Schafstedt und<br />

den Mackenbek aus der Umgebung<br />

von Großenbornholdt. Diese trafen<br />

bei Hohenhörn aufeinander und<br />

flossen von dort vereint durch die<br />

Randmoore. Bis zum Eintritt in die<br />

Wilstermarsch tragen sie den<br />

Namen ,Holstenau'.<br />

Damit entwässerten sowohl die<br />

Geest- und Moorgebiete als auch der<br />

Kudensee über die Wilster-Au und<br />

führten ihr reichlich Wasser zu.<br />

Zwangsläufig kam es zu<br />

Überschwemmungen, woraufhin<br />

man begann die Au einzudeichen.<br />

Dazu wurden zunächst die Stördeiche<br />

von 'Wilstermünde', dem<br />

heutigen Kasenort - damals befand<br />

sich dort noch keine Schleuse-, bis<br />

zur alten Schleuse bei der Brennerkate26<br />

auf beiden Seiten weitergeführt.<br />

In der Zeit war die Wilster-Au<br />

noch ein von der Eibe und Stör aus<br />

offenes Fahrwasser, auf dem auch<br />

größere Schiffe die ,Seestadt'<br />

Wilster erreichen konnten. Die<br />

Deiche der Au hatten die gleiche<br />

Höhe wie die Stördeiche. Oberhalb<br />

von Wilster konnten sie entsprechend<br />

niedriger sein, da sie hier<br />

lediglich das Überfließen des Moorwassers<br />

zu verhindern hatten.<br />

Im Zusammenhang mit dem Spadelandbrief<br />

von 1438 wird die Regulierung<br />

der Wilster-Au oberhalb von<br />

Wilster vermutet. Durch einen<br />

schnurgeraden, 1 1 /z Kilometer langen<br />

Graben wurde ihr Lauf verkürzt.<br />

Das alte Bett der Au<br />

schlängelte sich über Goldbogen,<br />

Dückerstieg und Hackeboe und<br />

mündete beim Rumflether Deich<br />

wieder in selbige. Fragmentarisch<br />

ist es als Entwässerungsgraben noch<br />

vorhanden und durch die Bezeichnung<br />

,Alte Wilster' belegt.<br />

Trotz dieser Eingriffe war die Entwässerung<br />

nicht zufriedenstellend<br />

geregelt, weshalb weitere Maßnahmen<br />

ergriffen wurden. Um die<br />

Deiche der Wilster-Au besser vor<br />

den eindringenden Wassermassen<br />

von der Geest schützen zu können,<br />

wurde auf der Höhe von Diekende<br />

ein Wehr als Stauvorrichtung angefertigt<br />

(Oberstenwehr). Dieses ist im<br />

Sommer 1626 erstmals aufwärts<br />

verlegt worden und wenig später<br />

abermals "nach der Geest=Leuten<br />

ihre Seite" 27 verlegt worden. Es ist<br />

also im Laufe der Zeit zweimal<br />

weiter aufwärts vorgeschoben worden.<br />

Auf der linken Auseile wurde ein<br />

Wehrdamm angelegt, der in den<br />

Moordeich überging. Wenn sich<br />

nun der Wasserdrang seitens der<br />

Geest vermehrte, schloss man das<br />

Wehr. Dadurch hatten jedoch die<br />

Holsterrau und die Burger Au mitsamt<br />

des Kudensees keinen Abfluss<br />

mehr, so dass sich das Wasser in<br />

den hinterliegenden Flächen<br />

anstaute, bis es die Schutzdämme<br />

überströmte und zuweilen trotzdem<br />

die benachbarte Marsch<br />

überschwemmt wurde. 28 Mit der<br />

Anlage des Büttler Kanals 1764<br />

hatte das Wehr seine Bedeutung<br />

verloren, da der Kudensee von nun<br />

an wieder direkt in die Elbe entwässern<br />

konnte. 29<br />

Die letzte einschneidende Veränderung<br />

erfuhr die Au durch den Bau<br />

des Nord-Ostsee-Kanals (1887-<br />

1895), da dieser ihren Oberlauf<br />

zweimal durchschneidet und sie<br />

damit ihrer Frischwasserzufuhr<br />

beraubt. Zwar regulierte anfangs<br />

eine Schleuse bei Bebek den<br />

Wasserstand, jedoch ist dies im<br />

Vergleich zur reinigenden Spülkraft<br />

eines Fließgewässers kaum von<br />

Bedeutung. Die Wilster-Au bekam<br />

den Charakter eines vor sich hindümpelnden<br />

Gewässers, welches


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lediglich im Unterlauf, bedingt<br />

durch den Tideeinfluss, eine etwas<br />

stärkere Durchmischung erfährt.<br />

Dieser Ausgleich reichte aber zum<br />

Beispiel nicht aus, um den Abzug<br />

der gesundheitsschädlichen Abwässer<br />

der Gerbereien und weiterer<br />

Fabriken zu gewährleisten, woraufhin<br />

die Einwohner von Wilster<br />

heftigsl protestierten. Aus dem<br />

Grunde legte die Stadt Wilsler<br />

bereits 1914 eine Wasserleitung<br />

nach Kleve um sich mit besserem<br />

Geestwasser zu versorgen.<br />

Auch die mit dem Neubau der<br />

Schleuse zu Kasenort (1925) verknüpften<br />

Erwartungen brachte n<br />

nicht die erhofften Verbesserungen.<br />

lnfolge der geringen Fließgeschwindigkeit<br />

konnten sich leic hter Sinkstoffe<br />

absetzen, wodurch die Au<br />

allmählich verschlämmte. Dies<br />

halle wiederum Auswirkungen auf<br />

die Schifffah rt, die gerade oberhalb<br />

von Wilsler an Bedeutung verlor.<br />

Allerdings dürfen bei dieser<br />

Betrachtung andere Fa kla ren wie<br />

der verbesserte Ausbau des Wegeund<br />

Straßennetzes und die wachsende<br />

Motorisierung nicht außer<br />

Acht gelassen werden.<br />

Um die Entwässerung der Moorländereien<br />

in Stadtmoor zu verbessern<br />

und den Wassersland der Wilster-Au<br />

regulieren zu können, wurde<br />

1949/50 ein elektrisches Schöpfwerk<br />

zu Beginn der Wilster-Au am<br />

Nord-Ostsee-Kanal errichtet. Dies<br />

ermöglichte einen kontinuierlichen<br />

Wassersland auf der Wilsler-Au,<br />

ohne den Unterschöpfwerken der<br />

anliegenden Sielverbände Beschränku<br />

ngen auferlegen zu müssen. Bis<br />

dahin entwässerte die Au lediglich<br />

dem Gefälle folgend in die Stör.<br />

Dies führte jedoch zu Komplikationen,<br />

sobald das Wasser in der<br />

Stör selbst hoch anstand und deshalb<br />

eine natürliche Entwässerung<br />

nicht möglich war. Um die Ländereien<br />

trotzdem schnellstmöglich<br />

vom Wasser befreien zu können,<br />

ohne den Wasserstand der Au<br />

wesentlich verändern zu müssen,<br />

konnte von nun an ergänzend in<br />

den Nord-Ostsee-Kanal gepumpt<br />

Abb. 5: Die zugefrorene<br />

Au im<br />

Winter 1925 in<br />

Achterhörn. Im<br />

Hintergrund das<br />

Gehöft der Familie<br />

Christiansen,<br />

heute Familie<br />

Hermann Beimgraben<br />

aus Averjleth.<br />

Die drei<br />

Wagemutigen auf<br />

dem Eis sind:<br />

Kathrin Christiansen,<br />

Berta Heutmann<br />

und<br />

Hermann Gustav<br />

Schliiter aus<br />

Hinter-Neuendorf


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Abb. 6: Interessen­<br />

Mühle einiger<br />

Averjlether und<br />

Nortorfer Bauern<br />

am Sielhagener<br />

Weg in der<br />

Gemeinde Nortorf<br />

Hiermit wurde<br />

noch bis 1936<br />

Wasser gemahlen.<br />

werden. Dies verursacht natürlich<br />

Pumpkosten, weshalb, soweit es<br />

möglich ist, die natürliche Entwässerung<br />

in die Stör bevorzugt wird.<br />

Im Bedarfsfall kann jedoch auch das<br />

Schöpfwerkam Nord-Ostsee-Kanal<br />

zugeschaltet werden.<br />

In heutiger Zeit sind die Nutzungsansprüche<br />

ganz andere als noch vor<br />

100 Jahren. Beispielsweise ist der<br />

Transport von Gütern völlig weggefallen.<br />

Hingegen hat die Au weiterhin<br />

die Funktion als Hauptvorfluter.<br />

So entwässert sie ein Gebiet von<br />

rund 3.500 ha, welches in vier<br />

Sielverbände aufgeteilt ist, u. a. den<br />

Sielverband Neuendorf-Sachsenbande<br />

mit ca. 1.500 ha und den<br />

Sielverband Hackeboe mit knapp<br />

1000 ha Fläche.<br />

Daneben hat sich eine vollkommen<br />

neue Nutzungsform etabliert und<br />

zwar die freizeitliche Nutzung.<br />

Gemeint sind die Angler, Kanuten<br />

und Bootsfahrer. Seit etwa 3 Jahren<br />

werden regelmäßige Fahrten von<br />

der Schleuse Kasenort bis zur<br />

ehemaligen Gaststätte ,Dukunder'<br />

mit dem Fahrgastschiff ,Aukieker'<br />

angeboten, die sowohl von Touristen<br />

als auch Einheimischen genutzt<br />

werden.<br />

Auf Initiative des Fördervereins<br />

,Wilster-Au und Schleuse e. V.'<br />

wurde im letzten Jahr die nicht<br />

mehr funktionstüchtige Binnenschleuse<br />

von Kasenort für ein<br />

Gesamtvolumen von gut einer<br />

Million Mark saniert. Im Jahr 2000<br />

konnte sie wieder in Betrieb genommen<br />

werden.<br />

Spadelandbrief 1438<br />

Bei der Allerheiligenflut im Jahre<br />

1436 wurde die Wilstermarsch<br />

schwer verwüstet. Die größten<br />

Schäden waren durch das Eindringen<br />

der Sturmflut von der Stör her<br />

entstanden. Um sich vor der<br />

Wiederholung einer solchen Katastrophe<br />

zu schützen, berieten die<br />

Bauern des Kirchspiels Wilster zu<br />

beiden Seiten der Wilster-Au über<br />

Lösungsmöglichkeilen. Diese Beratungen<br />

mündeten in den Spadelandbrief<br />

von 1438, der die erste<br />

umfassende Regelung des Deichund<br />

Entwässerungswesens der<br />

Wilstermarsch beinhaltet. So sollte<br />

die Mündung der Wilster-Au überdeicht<br />

werden und schon in Kasenort<br />

sollten eine kleine und eine<br />

große Schleuse gebaut werden. An<br />

den Kosten wollten sich die Einwohner<br />

der Marsch nach Morgenzahl<br />

beteiligen. Dabei war ein<br />

Morgen gleich dem anderen, egal ob<br />

es sich um bestes Ackerland oder<br />

feuchte Weidengründe handelte.<br />

Ebenso wurden beide Seiten der Au<br />

zur Unterhaltung derselben und<br />

ihrer Deiche herangezogen. Die<br />

Audeiche reichten damals von<br />

Kasenort bis Diekende. Erst viel<br />

später sind diese Deiche aufwärts<br />

fortgeführt worden.


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Abb. 8:<br />

Zwei Generationen<br />

von Wasserschöpfan/agen:<br />

Die sogenannte<br />

'Bockmühle' und<br />

ein Windmotor.<br />

Abb. 9: Die Achtkantmüh/e<br />

in<br />

Averjleth zu<br />

Beginn des<br />

20. Jahrhunderts.<br />

Der Entwässerungsgraben<br />

stellt<br />

die Verbindung<br />

von der Hackeboer<br />

Wettern zur<br />

Wilster-Au her.<br />

Der Hoflinks<br />

gehörte zu j ener<br />

Zeit dem Reichstagsabgeordneten<br />

Jakob Meiforth<br />

(1853-1936),<br />

heute der Familie<br />

Gerd Hachmann,<br />

Nortorf<br />

Gründung der Wilstermarsch Windmühlengilde,<br />

die im Gründungsjahr<br />

284 Entwässerungsmühlen versicherte.<br />

Jedoch nahm deren Zahl<br />

rasch ab, so dass sich die Gilde<br />

bereits 1929 wieder auflöste. In dem<br />

Jahr verschwand auch in der<br />

Gemeinde Neuendorf die letzte<br />

'Bockmühle'.<br />

Vielfach wurden die Mühlen durch<br />

stählerne Windmotoren ersetzt, die<br />

sich schon selbst nach dem Wind<br />

drehten. Mit dem Bau der Dampfschöpfwerke<br />

wurden jedoch auch<br />

diese überflüssig. Trotz der anfänglich<br />

erheblich höheren Kosten setzte<br />

sich die neuere Technik durch.<br />

Mittlerweile gibt es nur noch elektrisch<br />

betriebene Schöpfwerke.<br />

Gründe für den Siegeszug der Technik<br />

gab es mehrere: Zum einen<br />

konnten die Dampfschöpfwerke<br />

wetterunabhängig arbeiten, da sie<br />

nicht mehr auf den Wind angewiesen<br />

waren. Des Weiteren war ihr<br />

Betrieb mit wesentlich weniger<br />

Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden.<br />

Zudem arbeiteten sie wesentlich<br />

effektiver. Lehrer Peters<br />

schreibt in dem Zusammenhang:<br />

"Die Dampfentwässerung [Dampfschöpfwerk<br />

bei Averfleth] bewährt<br />

sich scheinbar gut. Nach Aussage<br />

der Einwohner ist das Land auf<br />

dieser Seite vom Klinkersteig [ehemaliger<br />

Fußsteig auf dem alten<br />

Damm von Hackeboe nach Vorder­<br />

Neuendorf] sonst immer stärker<br />

unter Wasser gewesen als auf der<br />

anderen Seite. In diesem fahr war es<br />

umgekehrt." ·10 Auch der Vorsteher<br />

der Hackeboer Wassergenossenschaft,<br />

Johannes Huusmann, hebt in<br />

seiner Jubiläumsschrift von 1938<br />

deren Erfolge hervor. So konnte<br />

dank der Kraftentwässerungsanlage<br />

dort Kultur- und Bauland geschaffen<br />

werden, wo zuvor Überschwemmungen<br />

keine Seltenheit waren;<br />

Wetterwälle wurden in Ackerland<br />

umgewandelt und zahlreiche Brücken<br />

über die Hackeboer Wettern<br />

konnten durch feste Dämme ersetzt<br />

werden.


.P.!!i .. O~~! !~~!IiS!:!~.?i':l. .. t:?~'.~ . .W.!.V.•:! :fl~M-':\~.~9.!!!~J.W.~~:m!~E~9. ..................................... ......................................................... ...... ~.<br />

Brodesender Ducht<br />

Abb. 10: Die alte<br />

Duchteinteilung<br />

nach Angaben von<br />

Hermann Beimgraben.<br />

Have Ducht<br />

DIE ÜRGANISATION<br />

DER <strong>WILSTER</strong>MARSCH­<br />

ENTWÄSSERUNG<br />

Da Teile der Marsch natürlich,<br />

andere hingegen künstlich entwässert<br />

werden, entwickelten sich<br />

zweierlei Organisationen. Nun mag<br />

manch einer sich vielleicht fragen:<br />

Welcher Orga nisation bedarf die<br />

natürliche Entwässerung, wo doch<br />

das Wasser dem Gesetz der Schwerkra<br />

ft folgt? Wie nebenstehend erläutert,<br />

wird auch bei einem künstlich<br />

angelegten Graben noch von natürlicher<br />

Entwässerung gesprochen,<br />

wenn er ein stetiges Gefälle aufweist.<br />

Als man nun begann die<br />

riesigen Ödländer zu kultivieren,<br />

musste ein Entwässerungssystem<br />

angelegt werden, welches den<br />

natürlichen Abfluss des Wassers<br />

gewährleistete. Diese Organisation<br />

übernahmen die Schleusenkommunen.<br />

Sie waren für den Bau und<br />

Erhalt der Schleusen und zugehörigen<br />

Wettern zuständig. 1470 wird<br />

Neuendorfer Ducht<br />

. .<br />

• ••<br />

. ,.•<br />

: ..<br />

Groß-Hackeboer Ducht<br />

in dem Zusammenhang erstmals<br />

eine Schleusenkommune erwähnt. 31<br />

Um die Schleusenkommunen besser<br />

verwalten zu können, wurden sie in<br />

Duchten untergliedert. Für unser<br />

Gebiet bestanden die nachfolgenden<br />

Duchten: Die Brodesender Ducht<br />

(verkürzt auch Erosinder Ducht<br />

genannt), die Achterhörner Ducht,<br />

die Averflether Ducht, die Have<br />

Ducht, die Neuendoder Ducht, die<br />

Nestducht, die Groß-Hackeboer<br />

Ducht sowie die Groß- und Klein­<br />

Sachsenbander Duchten. Jede Ducht<br />

stellte einen Geschworenen, der den<br />

Ältermann bei den halbjährlichen<br />

Schauen unterstützte. Bei diesen<br />

Schauen wurde beispielsweise<br />

kontrolliert, ob die WeLtern gereinigt<br />

wurden und sich in einem guten<br />

Zustand befanden. Des Weiteren<br />

gab es Gevollmächtigte und Achts­<br />

Ieule (Beisitzer). Ursprünglich war<br />

der Einfluss der Letztgenannten<br />

sehr groß, so dass man nur die<br />

erfahrensten und verständigsten<br />

Leute dafür aussuchte. Oberstes<br />

Organ der Schleusenkommune war<br />

Jn der Entwässerung<br />

wird zwischen<br />

natürlicher<br />

und künstlicher<br />

Entwässerung<br />

unterschieden. Bei<br />

der natürlichen<br />

Entwässerung<br />

folgt das Wasser<br />

einem Gefälle.<br />

Hierbei ist es<br />

unerheblich, ob es<br />

sich um einen<br />

Quellfluss handelt<br />

oder ob der<br />

Wassergraben von<br />

Menschenhand<br />

geschaffen wurde.<br />

Im Gegensatz dazu<br />

muss bei der<br />

künstlichen Entwässerung<br />

das<br />

Wasser ,künstlich'<br />

in einen Wasserlauf<br />

geschöpft<br />

werden, da hier<br />

das Gefälle für<br />

den natürlichen<br />

Abfluss nicht mehr<br />

ausreicht.


-~~................................................................................................... .P.!.1-'..Q!~~! :\~.I.~.. ~r!9.~ ..!?.~!~.. W.t. !~I!-i~.~-'- .\~~(.I. !.I.'.-Y!'.~~-Y~.').I.,~t.. ~.~!<br />

Die Windmotoren<br />

wurden 1876 in<br />

Amerika erfunden<br />

und seit 1890 in<br />

Europa nachgebaut.<br />

Somit sind<br />

sie keine Abkömmlinge<br />

der sogenannten<br />

'Bockmühlen '. Ein<br />

bedeutendes<br />

Unternehmen, das<br />

sich auf den Bau<br />

dieser Windräder<br />

spezialisiert hatte,<br />

war die Firma<br />

Köster in Heide. 46<br />

Sie wurden deshalb<br />

auch 'Köstermühlen<br />

'genannt.<br />

die Kommuneversammlung, zu der<br />

alle Mitglieder erscheinen mussten.<br />

Unentschuldigtes Fehlen zog in<br />

früherer Zeit empfindliche Strafen<br />

nach sich.<br />

Bei den Abstimmungen hatte jedes<br />

Mitglied nur eine Slimme, unabhängig<br />

von seinem Landbesitz innerhalb<br />

der Schleusenkommune. Die<br />

Lasten wurden hingegen auf die<br />

einzelnen Mitglieder entsprechend<br />

ihres Flächenanteils umgelegt.<br />

Dabei wurde ein ,Morgen' Land<br />

gleich dem anderen beh.andelt, d. h.<br />

die Höhe der Beiträge richtete sich<br />

nach der Größe der Fläche, ohne zu<br />

berücksichtigen, welchen Nu tzen<br />

derjenige aus der Entwässerung<br />

hatte. Die Gemeinde Neuendorf<br />

gehörte gleich zu zwei Schleusenkommunen<br />

und zwar zur Wil ster­<br />

Au-Schleusenkommune, die über<br />

die Wilster-Au und die Schleuse in<br />

Kasenort entwässert sowie zur<br />

Kasenorter Feldschleusenkommune.<br />

Mit fortschreitender Absenkung des<br />

Bodens gestaltete sich die natürliche<br />

Entwässerung jedoch immer<br />

schwieriger, so dass bereits im<br />

16. Jahrhundert die ersten Windwassermühlen<br />

errichtet wurden. Die<br />

anfänglichen Widerstände seitens<br />

der Schleusenkommunen schwanden<br />

angesichts der Notwenigkeil<br />

einer künstlichen Entwässerung.<br />

Zunächst bedurfte es hierfür noch<br />

keiner speziellen Organisation,<br />

konnte sich doch bei Bedarf jeder<br />

Landbesitzer seine eigene Mühle<br />

aufstellen. In niedrigen Gegenden<br />

der Marsch entbrannte jedoch in<br />

Zeiten großen Wasserandrangs ein<br />

regelrechter Wettkampf, um möglichst<br />

die eigenen Flächen zuerst<br />

von der Wasserlast zu befreien.<br />

Deshalb wurden die ersten Vereinbarungen<br />

notwendig. Diese beschränkten<br />

sich zunächst darauf,<br />

dass die Windwassermühlen vor<br />

einem bestimmten Termin nicht in<br />

Bewegung gesetzt werden durften.<br />

Die nächste Vereinbarung regelte,<br />

bis zu welcher Höhe das Wasser in<br />

den Wettern ansteigen durfte. Dazu<br />

wurden in den Wettern sogenannte<br />

Flutpfähle angebracht, die genau<br />

einnivelliert und von Zeit zu Zeit<br />

auf ihre Richtigkeit geprüft wurden.<br />

Die Flutpfahlmüller, das waren<br />

diejenigen Mühlenbesitzer, deren<br />

Mühle von allen Seiten gut sichtbar<br />

war, drehten als Zeichen, dass das<br />

Ma hlen eingestellt werden musste,<br />

die Flügel so, dass ein Flügel senkrecht<br />

in die Höhe ragte. Zudem<br />

wurde von diesem Flügel das Segel<br />

herunter gemacht. Befolgte einer der<br />

anderen Mühlenbesitzer diese Vereinbarung<br />

nicht bzw. zu spät, wurde<br />

dieser hart bestraft.<br />

Schon bald reichten die einzelnen<br />

Windwassermühlen nicht mehr a us<br />

und so schlossen sich die Mühlenbesitzer<br />

zusammen und bauten<br />

größere Entlastungsmühlen, die<br />

sogenannten Pu mpmühlen oder<br />

Achtkantmühlen, welche das<br />

Wasser der Kleinmühlen (Vierkantmühlen)<br />

nochmals erfasste n, um es<br />

in die höher gelegenen Wellern zu<br />

schöpfen.<br />

Mit Aufkommen der neueren Technik<br />

entstanden die Entwässerungsgenossenschaften,<br />

die gemeinsam<br />

ein Dampfschöpfwerk oder ein elektrisches<br />

Schöpfwerk betrieben.<br />

Diese Genossenschaften orientierten<br />

sich entgegen den bisherigen Entwässerungsorganisationen<br />

am Leistungsprinzip,<br />

d. h. derjenige, dem<br />

das Schöpfwerk den größten Nutzen<br />

brachte, halte auch die meisten<br />

Lasten zu tragen. Zum Ausgleich<br />

dafür hatte seine Stimme bei Entscheidungsprozessen<br />

aber auch<br />

entsprechendes Gewicht. Bereits


. P.!t .P.~~!,) .~,,~M:!Q;~ ... q~.~ . .W. ,J .5I!\~M.M~.~.~ . ,. !!~ );J.W.;\~~'' ·'·~E~~ ... ..... ............................................................................................ '?.e1.<br />

Wasser- und Bodenverband<br />

Vaalermoor<br />

,~,1<br />

" / ...... ....._ 1,_ 'i<br />

. ,__ , ..... ...... ...... ....._<br />

Sielverband<br />

~~<br />

Neuendort-Sachsenbande ' \<br />

\<br />

\<br />

\<br />

\<br />

Sielverband \<br />

Hackeboe<br />

\<br />

' ' '<br />

Abb. II: Drei<br />

Entwässerungsverbände<br />

sind fiir die<br />

Entwässerung des<br />

Gemeindegebietes<br />

zuständig.<br />

1906 wurde die ,Neuendorf­<br />

Sachsenbander Ent- und Bewässerungsgenossenschaff<br />

gegründet und<br />

das dazugehörige Dampfschöpfwerk<br />

in Averfleth gebaut. 1913 folgte mit<br />

einem Schöpfwerk nahe der Vereinsslraße<br />

die ,Genossenschaft zur<br />

künstlichen Entwässerung der<br />

Hackeboer und Alte-Wilster-Niederung'.<br />

Zusammen entwässerten sie<br />

mit über 2.000 ha das gesamte<br />

Gebiet der Gemeinde Sachsenbande,<br />

weile Teile der Gemeinde<br />

Neuendorf und Teilbere iche der<br />

Stadt Wilster.<br />

Nachdem 1937 die Erste Wasserverbandsverordnung<br />

erlassen wurde,<br />

stellte der Kreisbaudirektor Könecke<br />

1941 e inen Gesamtplan für die<br />

Wilstermarsch auf, der die wasserwirtschaftliche<br />

und organisatorische<br />

Entwässerungssituation vereinheitli<br />

chte. Dazu wurden zum 1. April<br />

1942 die 38 bestehenden Deichund<br />

Entwässerungsverbände der<br />

Wilslermarsch aufgelöst, um einen<br />

De ich- und Hauptsielverband<br />

Wilstermarsch mit Unterverbänden<br />

zu gründen. Betroffen von dieser<br />

Verfügung waren sowohl die örtlichen<br />

Schleusenkommunen als<br />

auc h die hiesigen Entwässerungsgenossensch<br />

aften. Deren Aufgaben<br />

wurden von den neu gebildeten<br />

Sielverbänden übernommen. Seitdem<br />

gibt es h ier den Sielverband<br />

Neuendor~Sac h senbande , der<br />

gebietsmäßig weitgehend mit der<br />

bisherigen Neuendorf-Sachsenbander<br />

Ent- und Bewässerungsgenossenschaft<br />

übereinstimmt und<br />

den Sielverband Hackeboe, der sich<br />

ebenfalls annähernd an den bisherigen<br />

Grenzen orientierte.<br />

Diese Sielverbände sind weiter<br />

untergliedert in verschiedene Duchten.<br />

Die Größe und Anzahl der<br />

Duchten ergibt sich in der Regel aus<br />

den einzelnen Ortsteilen des Verbandsgebietes.<br />

So ist Hackeboe in 4<br />

Duchten (Groß Hackeboe, Klein<br />

Hackeboe, Nest und Bischof) 32<br />

untergliedert und Neuendorf-Sachsenbande<br />

in 5 (Vorder-Neuendorf,<br />

Hinter-Neuendorf, Sachsenbande,


-~i)................................................................................................... P.!!.~. Q~~!t\~.•.5 .. ~D.~~;~ .. P.J.~ .. W..t !,~'.l:r.t~~-1 ~\~~r.•. ! -~-~ :n~ :\~!5.1,_!{~..:-;.~ ! .<br />

Abb. 12: Schöpf:<br />

Werkswärter­<br />

Ehepaar<br />

Margarethe und<br />

Johann Kramhöft<br />

vor dem Dampl<br />

schöpfwerk in<br />

Averjleth im Jahre<br />

1925.<br />

Averfleth und Achterhörn). Wie<br />

schon bei den Duchten der<br />

Schleu senkommunen entsendet<br />

jede Ducht ein Mitglied in den<br />

Vorsland und wählt zu sätzlich, je<br />

nach Größe, 1 bis 2 Mitgli eder in<br />

den Ausschuss.<br />

Auch hinsichtlich der Aufgaben hat<br />

sich nichts verändert. Weiterhin<br />

werden die Gewässer und ihre Ufer<br />

jährlich auf ihren ordnungsgemäßen<br />

Zu stand überprüft. Dies geschieht<br />

mittels der Schauen, die im<br />

Anschluss an die herbstliche<br />

Grabenreinigung durchgeführt<br />

werden. Die Angelegenheiten des<br />

Hochwasserschutzes regelt der<br />

Hauptverband. Vorsteh er des Deichund<br />

Hauptsielverbandes isl der<br />

Oberdeichgraf, der von der Deichversammlung<br />

auf 5 Jahre gewählt<br />

wird. Die Deichversammlung setzt<br />

sich aus den Vorstehern der einzelnen<br />

Sielverbände und einem Vertreter<br />

der Stadt Wilster zusammen. 31<br />

Sielverband<br />

Neuendor~Sachsenbande<br />

Mit Gründung der Neuendorf-Sachsenbander<br />

Ent- und Bewässerungsgenossenschaft<br />

im Juni 1906 wurde<br />

das Ende der knapp 50 Windwassermühlen<br />

eingeleitet, die bis dahin<br />

das 1.400 ha große Gebiet entwässert<br />

hatten. Auslöser war e in<br />

Gewitter im vorangegangenen Jahr,<br />

bei dem die Achtkantmühle in<br />

Averfleth abbrannte. Bei diesem<br />

Feuer soll sich die Bremse gelöst<br />

und die brennende Mühle in Bewegung<br />

gesetzt haben. So erzählte<br />

es zumindest der Großvater von<br />

Hermann Beimgraben.<br />

An der Gründungsversammlung<br />

beteiligten sich 83 Mitglieder. Zum<br />

Vorsteher wurde der Hofbesitzer<br />

Henning Rehder aus Averfl eth<br />

gewählt. Des Weiteren war jedes<br />

Dorf mit einem Beisitzer im Vorstand<br />

vertreten. Für eventuelle


~-~n~' -'m.~:'!-.P ... N!J . .L~J!_q_t~l :§.~< , !.I.~D.l!~::"!.t.?!: ............................................ ..... .... ...................................................... .. ................... ?.li..<br />

Abb. 13: Das<br />

Hauptschöpfwerk<br />

in Ave1jleth im<br />

Sommer 2000.<br />

Streitigke iten wurden 4 Schiedsrichter<br />

aus den Nachbargemeinden<br />

bestimmt.<br />

Der Bau des Dampfschöpfwerkes<br />

wu rde von Gustav Karslens so<br />

anscha ulich beschrieben, dass seine<br />

Erläuterungen an dieser Stelle<br />

wiedergegeben werden sollen: Im<br />

Herbst 1906 wurde die 4 m tiefe<br />

Baugrube für die Maschinenanlage<br />

am Aueleich ausgeschachtet und mi t<br />

130 Pfählen a 15 m Länge ausgerammt<br />

Im zeitigen Frühjahr 1907<br />

gingen die Arbeiten mit Hochdruc k<br />

weiter. Das Kesselhaus für 2 Dampfkessel<br />

von je 4 0 PS Stärke wurde<br />

erstellt, des Weiteren ein Kohlenschuppen,<br />

ein Maschinen- und<br />

Pumpenhaus sowie eine Dynamoa<br />

nlage zur Stromerzeugung für das<br />

Licht und die Kraftanlage des<br />

Zubringerschöpfwerkes in Krützfl<br />

eth. Ei ne Arbeit besonderer Art<br />

war der Anlransport der wohl 15 m<br />

langen und über 2 m hohen Heizkessel<br />

über den Fe ldweg vom<br />

,Dückersti eg' zum Pumpenha us.<br />

Über drei Tage brauchte man für die<br />

ca. 2 km lange Strecke, da es nur<br />

Schritt für Schrill vorwärts ging.<br />

Gleichzeitig wurde der Ausbau der<br />

En t wässcru ngsgräben vora ngetrieben.<br />

Ocr HauptvorAutor musste<br />

völlig neu gegraben werden. Dazu<br />

waren Fremdarbeiter aus Ga lizien<br />

a ngeworben worden, die in einer<br />

großen Baracke mit Schlafräumen,<br />

Essraum und Kantine untergebracht<br />

waren. Mit dem Grabenaushub, der<br />

überwiegend aus Dark 14 und Moorerde<br />

bestand, wurden zunächst die<br />

Mergelkuhlen verfüllt. Der Rest<br />

wurde auf e iner Weideparzelle<br />

ausgebracht, die zu diesem Zweck<br />

von Andreas Beimgraben erworben<br />

wurde. In den Hauptgräben erfolgte<br />

der Transport auf Feldbahngleisen<br />

mit Loren, die von Dampfloks gezogen<br />

wurden.<br />

Zuletzt wurde das Zubringwerk fü r<br />

die ca. 300 ha besonders niedrig<br />

gelegenen Ländereien am Krützflether<br />

Weg gebaut. Es wurde mit<br />

einer Unterwasser-Thrbinenpumpe<br />

ausgestaltet, die in der Lage war, bis<br />

zu 300 I in der Sekunde zu pumpen.<br />

Der Antrieb erfolgte durch<br />

einen Elektro-Motor von 40 PS. Den<br />

Strom hierfür erzeugte das Haupt-<br />

'Mergeln' ist das<br />

Herausholen des<br />

einst im Flussbett<br />

abgelagerten<br />

Kleis, um diesen<br />

auf den Ländern<br />

zu verteilen und so<br />

zur Verbesserung<br />

der Ländereien<br />

beizutragen. 47


-~· - · · · ··· · · · · · · · · · · · ···· · · · · · · · · ········· · · · ·· · · · ······························· · ································ · ···············$~.m,YJ:'.'mi~N.J..? .. N.~\V~~-\Iim~~-'-'.:Si.\q!.~.l:\~.~-~!'i !?.f:.<br />

Die Länge der<br />

Verbandsvorfluter<br />

im Sielverband<br />

Neuendorf-Sachsenbande<br />

beträgt<br />

über 33 km, genau<br />

33.125 Meter.<br />

pumpwerk an der Au.<br />

Im Herbst 1907 kam der große<br />

Augenblick, als die Kessel unter<br />

Druck gesetzt wurden. Zwei Überwasser-Turbinen-Pumpen<br />

mit je<br />

800 Liter pro Sekunde Leistung<br />

drückten das Wasser in die Wilster­<br />

Au. Der Kohlenverbrauch lag bei<br />

etwa 5 Tonnen je Kessel täglich. Die<br />

Kosten für dieses Großprojekt beliefen<br />

sich auf 313.000 Mark.<br />

1945 wurde das Hauptwerk auf<br />

elektrischen Betrieb umgestellt. Der<br />

Kamin blieb zunächst noch stehen,<br />

wurde dann aber wegen möglich er<br />

Einsturzgefahr abgebrochen. Wegen<br />

Altersschwäche wurde bereits 1952<br />

der Neubau des Hauptwerkes beim<br />

Hauptsielverband beantragt. Hiermit<br />

konnte jedoch erst 1959 begonnen<br />

werden. Nach dessen Fertigstellung<br />

wurde alsdann das alte Hauptschöpfwerk<br />

und ehemalige Dampfschöpfwerk<br />

abgebrochen. Das<br />

Wohnhaus des Schöpfwerkswärters<br />

ist hingegen noch vorhanden. Zur<br />

Zeit wohnt hier die Familie Voß, die<br />

gleichzeitig das Schöpfwerk betreut.<br />

Zwischenzeitlich war 1956/57<br />

schon mal das Zubringerschöpfwerk<br />

in Krützfleth für 25.000 DM er-<br />

Verbands- bzw. Genossenschaftsvorsteher<br />

des Sielverbandes<br />

Sachsenbande-Neuendorf<br />

....................................................................................<br />

Dauer Vorsteher<br />

1906 - 1916 Henning Rehder<br />

1916- 1920 Jürgen Blöcken<br />

1920 - 1923 Heinrich Voß<br />

1923 - 1945 Gusrav Huusmann<br />

1945 - 1950 Johann Hanndorf<br />

1950 - 1956 erneut G. Huusmann<br />

(Ehrenvorsitzender)<br />

1956- 1970 Gusrav Karsrens<br />

(Ehrenvorsitzender)<br />

1970- 1992 Heinz Heeckt<br />

1992 - 2000 Hans-J. Karsrens<br />

2000 - Peter B ~ imgraben<br />

neuert worden. Die Kosten hierfür<br />

wurden von den Mitgliedern selbst<br />

aufgebracht, da dieses Schöpfwerk<br />

in der Rahmenplanung nicht vorgesehen<br />

war. Anfang der 60er Jahre<br />

wurde ei n weiteres Schöpfwerk in<br />

Achterhörn errichtet.<br />

Aufgaben eines Schöpfwerkswärters<br />

Andreas Beimgraben aus Averfleth<br />

war im ersten Jahr der Maschinenmeister<br />

des Averflether Dampfschöpfwerkes.<br />

In den privaten<br />

Sammlungen seines Enkels Hermann<br />

Beimgraben befindet sich<br />

eine Abschrift des Anstellungsvertrages.<br />

Im folgenden werden die<br />

Vertragsbedingungen in Auszügen<br />

wiedergegeben: "Der Maschinenmeister<br />

muß unter allen Umständen<br />

völlig nüchtern, solide und durchaus<br />

zuverlässig sein und hat den Anordnungen<br />

des Genossenschaftsvorstehers<br />

und der Aufsichtsbehörde<br />

unbedingt folge z u leisten . ...<br />

Das Gehalt, welches vorläufig auf<br />

monatlich 70 Mark festgesetzt ist,<br />

soll monatlich postnumerando<br />

[nachträglich] durch die Genassenschaftskasse<br />

gezahlt werden.<br />

Der anzustellende Maschinenmeister<br />

hat vom Beginn der Monlage der<br />

Kessel und Maschinen mit dabei zu<br />

sein und sich vom Monteur die<br />

Zusammensetzung, den Zweck und<br />

die Funktionen der einzelnen<br />

Maschinenteile erklären zu lassen,<br />

damit er später iiber den Gang des<br />

Schöpfwerkes in allen Teilen unterrichtet<br />

ist. Fiir diese Zeit sollen ihm<br />

2 Mark pro Tag gewährt werden.<br />

Der Maschinenmeister hat die im<br />

Kesselhause ausgehängten Vorschriften<br />

fi.ir Kesselwärter genau zu beachten<br />

und Unbeikommenden<br />

[Unbefugten] den Zutritt z um<br />

Schöpfwerk zu verweigern.


.S.!! : D .f~~:~\!?.. N'"!..tl").!?g.~f: 7S. .. ~q.I.~~~.!tt~ .r.?~................................................................................................................................'W.<br />

Die Interessen der Genossenschaft in<br />

Bezug auf Kohlenverbrauch und<br />

möglichste Ersparniß des Schmiermalerials<br />

sind in jeder Weise wahrzunehmen<br />

und die<br />

Maschinenanlagen im tadellos sauberem<br />

Zustande zu erhalten.<br />

Mit dem Betrieb der Maschinen soll<br />

sich nach der jeweiligen Wasserzuführung<br />

der Gräben gerichtel werden<br />

und hat der Maschinenmeister nach<br />

jedem stärkeren Niederschlag sich<br />

nach dem Wasserslande in den<br />

Gräben, sowie in der Niederung vor<br />

dem Nebenschöpfwerk zu überzeugen,<br />

ob eine oder beide<br />

Maschinen in Betrieb gesetzt werden<br />

müssen.<br />

In der Regel soll nur eine Maschine<br />

in Betrieb sein. Es soll aber beim<br />

Pumpen mit einer Maschine mit den<br />

Anlagen gerechnet werden und zwar<br />

so, daß, wenn eine Maschine und<br />

der z ugehörige Kessel einige Zeit<br />

gearbeitet haben und einige Tage<br />

ausgesetzt werden kann, alsdann die<br />

andere Anlage in Tätigkeit tritt,<br />

damit man stets davon überzeugt ist,<br />

daß beide Anlagen funktionieren.<br />

Vor Beginn des Pumpens sind die<br />

Verschlußklappen vor dem Druckrohre<br />

so hoch zu heben, daß der<br />

Rohrquerschnitt frei ist und der<br />

Rohrabfluß nicht gehindert wird. Die<br />

Krautgitter sind stets frei zu halten.<br />

Es ist so lange zu pumpen bis ein<br />

noch anzubringendes Markzeichen<br />

erreicht ist, welches auch nach<br />

Ausschaltung der Pumpen nicht<br />

unter \1\bsser kommen darf ...<br />

Der Maschinenmeister hat ein Register<br />

zu führen, darüber, wie viele<br />

Stunden im fahr gepumpt wird, die<br />

Formulare hierzu werden ihm geliefert.<br />

a) Der Außenwassersland der<br />

Wilsteraue.<br />

b) Binnenwasserstand vor dem<br />

Abb. 14: Innenraum<br />

der Pumpe<br />

in Avetfleth.


.W ...... ........................... ............ .................... .. .... ............................................. ~H; ! ,X!5.~f~:~.N.P .. N.m .rr~.I.N ~I:~.M.:_l. !.~.t~.'-~·~;SQ !;.<br />

Schöpfwerk von Zeit zu Zeit und am<br />

Schlusse des Pumpens, bei größeren<br />

Schwankungen in jeder Stunde. (:Die<br />

Wasserstände sind an anzubringende<br />

Pegel abzulesen:]<br />

c] Der Kohlenverbrauch bei jedesmaligem<br />

Pumpen<br />

dj Wann die elektrische Anlage in<br />

Betrieb und wann dieselbe außer<br />

Betrieb gesetzt worden ist.<br />

Der Maschinenmeister hat den Gang<br />

der Maschinen stets aufs Sorgfältigste<br />

zu überwachen und kleinere<br />

Reparaturen selbst vorzunehmen." 35<br />

Dieser Vereinbarung, die abschnittsweise<br />

sogar Arbeitsanleitungen<br />

enthält, stehen heutzutage standardisierte<br />

Dienstverträge gegenüber,<br />

die allgemein die Pflege und Wartung<br />

des jeweiligen Schöpfwerkes<br />

regeln. Ausdrücklich erwähnt wird<br />

lediglich die Treibseibeseitigung<br />

und Dokumentation der Betriebsstunden<br />

und Pegelstände.<br />

s<br />

ielverband Hackeboe<br />

In einer Festrede anlässlich des<br />

25-jährigen Bestehens der Hackeboer<br />

Genossenschaft hat der damalige<br />

Genossenschaftsvorsteher<br />

Johannes Huusmann aus Wilster<br />

1938 ihre Entstehungsgeschichte<br />

anband von Protokollen sowie<br />

eigenen Erinnerungen niedergeschrieben.<br />

Demnach wurde auf sein<br />

Betreiben hin - inspiriert durch die<br />

Wassergenossenschaft Sachsenbande-Neuendorf<br />

- im November<br />

1913 die erste Mitgliederversammlung<br />

einberufen, um über den<br />

Bau einer Kraftentwässerungsanlage<br />

zu beschließen. Da jedoch die kalkulierten<br />

Kosten, die auf die einzelnen<br />

Mitglieder zukommen sollten,<br />

als zu hoch erachtet wurden, ist die<br />

Entscheidung zunächst verschoben<br />

worden. In der Zwischenzeit<br />

bemühte sich der Vorsland um eine<br />

Erhöhung der Beihilfen. Das Kanalbauamt<br />

in Brunsbüttelkoog hatte<br />

damals die Verlegung der Marschbahn<br />

auszuarbeiten. Mit der Durchführung<br />

einer genossenschaftlichen<br />

Kraftentwässerungsanlage entstanden<br />

der Kanalverwallung erhebliche<br />

Ersparnisse und Vorteile durch den<br />

Wegfall von zwei Brücken über die<br />

Hackeboer Wettern und verschiedenen<br />

Durchlässen durch den neu<br />

anzulegenden Bahnkörper. In einer<br />

Absprache wurde auf die vorgenannten<br />

Bauwerke verzichtet, wofür<br />

das Kanalbauamt im Gegenzug<br />

70.000 Reichsmark Beihilfe zusicherte.<br />

Unter diesen Vorgaben<br />

stimmten die Mitglieder auf einer<br />

zweiten Versammlung am 4. Fe bruar<br />

1914 für den Bau der Anlage.<br />

Sogleich wurde mit den praktischen<br />

Arbeiten begonnen. Zuerst wurden<br />

die Hauplabzugs- und Nebengräben<br />

in einer Länge von 9.205 Metern<br />

ausgehoben. Für das große Schöpfwerk<br />

nahe der Vereinsstraße wurde<br />

ein 75 PS starker Dieselmotor ausgewählt,<br />

um die Kreiselpumpe mit<br />

einer Leistung von 10.000 Liter<br />

Wasser pro Sekunde anzutreiben.<br />

Diese konnte im Frühjahr 1915 in<br />

Betrieb gesetzt werden. In Vorder­<br />

Neuendorf war ein elektrisches<br />

Nebenwerk vorgesehen, welches<br />

vom Hauptwerk aus belrieben werden<br />

sollte. Da mitten in die Bauarbeiten<br />

die Mobilmachung für den<br />

1. Weltkrieg fiel und das Kupfer der<br />

elektrischen Zuleitung beschlagnahmt<br />

wurde, konnte dieses Nebenwerk<br />

nicht in Betrieb genommen<br />

werden. Deshalb wurde es durch<br />

einen Windmotor ersetzt, der später<br />

zur Windturbine umgebaut wurde.<br />

Die Kosten für die gesamte Anlage


.S•t•' r.~~ .. \:'-.!? .. H\~ , ~f~.q.r .................................................................................................................................................................. Jil.<br />

beliefen sich auf 22 0.000 Reichsmark,<br />

dene n Beihilfen seitens des<br />

Kanalbauamtes, des Kreises und des<br />

Staates von 90.000 Reichsmark<br />

gegenüberstanden.<br />

Vor Gründung der Genossenschaft<br />

standen hier knapp 30 Windwassermühlen.<br />

Die Hackeboer Niederung<br />

entwässerte damals noch über die<br />

Hackeboer Wettern in die Stör. Die<br />

Alte-Wilster-Niederung nutzte die<br />

abgetrennte Auschleife, um am<br />

Südwestende des Rumflether­<br />

Deiches durch einen sogenannten<br />

Dü cker in die Wilster-Au zu entwässern.<br />

1926 wurde zusätzlich ein Deutzer<br />

Dieselmotor von 60 PS mit einer<br />

Vakuumpumpe der Firma Wolf als<br />

Reserveanlage in das Hauptschöpfwerk<br />

eingebaut. Schon 1941 wurde<br />

laut dem Protokollbuch des Sielverbandes<br />

der Betrieb auf elektrischen<br />

Strom umgestell t. 1952 musste d ie<br />

Wi ndturbine in Yarder-Neuendarf<br />

ersetzt werden, da sie nicht mehr<br />

genügend Leistung erbrachte, um<br />

di e 85 ha nördlich der Hackeboer<br />

Wettern zu entwässern . Die Höfe<br />

Rohwedder und Balls in Vorder-<br />

Neuendorf entwässerten zwischenzeitli<br />

ch über den Sielverband<br />

Neuendorf-Sachsenbande. 36 Anstelle<br />

der Windturbine wurde auf deren<br />

Sockel das kleine Zubringerschöpfwerk<br />

errich tet, welches mit einer<br />

Pumpe der Firma Köster ausgestattet<br />

is t. Die Kosten für di esen Umbau<br />

betrugen 7.800 DM.<br />

1961 wurde eine der Pumpen im<br />

Hauptschöpfwerk zum Preis von<br />

20.245 DM ausgetauscht. Im Jahr<br />

1999 wurde für eine drille Pumpe<br />

mit einer Leistung von 500 Liter pro<br />

Sekunde ein Extrabauwerk neben<br />

dem Hauptschöpfwerk errichtet.<br />

Hierfür mussten 100.000 DM aufgewendet<br />

werden. Zukünftige Planungen<br />

sehen die Sanierung des<br />

Hauptschöpfwerkes vor, da sich das<br />

Gebäude in einem schlechten baulichen<br />

Zustand befindet.<br />

Mit der Rahmenplanung von 1953<br />

wurde dem Sielverband Hackeboe<br />

noch das Gebiet Bischof - welches<br />

bi s dahin dem Sielverband Moorhusen-Stördorf-Honigfl<br />

eth angehörte<br />

-angeschlossen, da beide Gebiete<br />

auf die Wilster-Au pumpten und<br />

somit eine Interessengemeinschaft<br />

Abb. 15: Festsitzung<br />

anläßtich des<br />

25-jährigen Jubiläums<br />

der Entwässerungsgenossenschaft<br />

Hackeboe<br />

am 13. November<br />

1938. Die Feier<br />

f and in Wilster, in<br />

der Gastwirtschaji<br />

'Zur Linde' (/nh.<br />

Peter Brand!}<br />

statt.<br />

Diese Gastwirtschaft<br />

existiert<br />

nicht mehr; heute<br />

befindet sich an<br />

der Stelle das<br />

Amtsgebäude des<br />

Amtes Wilstermarsch.


io)"?)<br />

.~ .................................................................................................................................................................. S.Q\l.~,;:~~P. .. l:JA~~.~Q~.<br />

Abb. 16: Der alte<br />

Motor (DEUT­<br />

ZER; 60-PS­<br />

Dieselmotorenanlage<br />

mit einer<br />

Leistung von 3/4<br />

m 3 /s) im Hauptschöpfwerk<br />

des<br />

Hackeboer Sielverbandes<br />

wurde<br />

seit Ende des<br />

2. Weltkrieges<br />

nicht mehr betrieben.<br />

Jedoch erst<br />

kürzlich (Mitte der<br />

90er Jahre) wurde<br />

er verkauft.<br />

bildeten. Damit vergrößerte sich das<br />

Gebiet von ehemals 800 Hektar auf<br />

etwa 970 ha. Im Zuge der Bauarbeiten<br />

zur Umgehungsstraße Wilster<br />

im Jahre 1974 musste jedoch die<br />

Entwässerung in der Bisehafer<br />

Ducht geändert werden. Deshalb<br />

wurde ein neues Schöpfwerk mit<br />

zwei Pumpen (Leistung insgesamt<br />

200 Liter pro Sekunde) erstellt,<br />

welches nun zwar auf die Moorhusener<br />

Feldwettern pumpte, dennoch<br />

weiterhin zum Sielverband<br />

Hackeboe gehörte.<br />

Da auch Teilbereiche der Stadt<br />

Wilster über diesen Verband entwässern,<br />

bildet er mit seinen 824<br />

Mitgliedern den mitgliederstärksten<br />

Verband des Deich- und Hauptsielverbandes<br />

Wilstermarsch. 37<br />

Verbands- bzw. Genossenschaftsvorsteher des<br />

Sielverbandes Hackeboe 38<br />

Dauer<br />

1913- 1945<br />

1945- 1949<br />

1950- 1977<br />

1977- 1986<br />

1986- 2000<br />

2000-<br />

Vorsteher<br />

Johannes Huusmann, Wilster<br />

Richard Brandt, Goldbogen<br />

Hans-Max Reese, Hackeboe<br />

Heinrich Auhage sen., Landrecht<br />

Gerd Rohwedder, Vorder-Neuendorf<br />

Heinrich Auha e 'un., Landrecht<br />

IIACKEBOER<br />

WETTERN<br />

Im Zusammenhang mit dem Spadelandbrief<br />

ist auf der ,Alten Seite' die<br />

Einrichtung eines Wasserganges von<br />

Kasenort bis Brodesende mit eigener<br />

Schleuse in die Stör angeordnet<br />

worden, "damit der schlechteste<br />

Acker mit dem guten entwässern<br />

könne, und alles Woltwasser wehren,<br />

nach Morgenzahl" 39 • Damit kann nur<br />

die Anlage der Hackeboer Wettern<br />

gemeint sein, die nah beim Moordeich<br />

begann und neben dem linken<br />

Auufer herlief. Dies lässt die<br />

Annahme zu, dass sich bereits im<br />

15. Jahrhundert ein Großteil der<br />

umliegenden Ländereien unterhalb<br />

des Wasserspiegels der Wilster-Au<br />

befanden, weshalb eine natürliche<br />

Entwässerung in selbige nur noch<br />

wenigen möglich war.<br />

Ihre Anlage ermöglichte den Ausbau<br />

weiter Teile des Gemeindegebietes,<br />

insbesondere Vorder- und<br />

Hinter-Neuendorf. Nach weiteren<br />

Sackungen musste jedoch auch hier<br />

eine Eindeichung erfolgen und das<br />

Wasser mittels Mühlen in die höhere<br />

Wettern gehoben werden. 40


....................................................................................................................................................................................................................<br />

H.\C KEßOE.R WElTER'\<br />

-;~':'l<br />

~.<br />

Kurz vor ihrem Einlauf in die Stör<br />

fließt die Hackeboer Wettern mit der<br />

Moorhusener und der Steindammer<br />

(früher Honigflether) Weltern<br />

zusammen.<br />

Mit Gründung der Entwässerungsgenossenschaften<br />

hatte diese<br />

Wettern jedoch weitestgehend ihre<br />

Funktion eingebüßt. Mit Beschluss<br />

der Gemeindevertretung vom<br />

27. März 1908 wurde deshalb die<br />

Wetternstrecke vom Dücker in<br />

Hackeboe bis Achterhörn als öffentliches<br />

Gewässer aufgehoben und<br />

zumeist zugeschüttet.<br />

A bb. 17: Skizze<br />

der Hackeboer<br />

Wettern von<br />

August Haack aus<br />

dem Jahre 1915.


.~ ........................................................................................................................................................................................ ft.Q.~UW!\.5.~.~-R .<br />

Abb. 18: Seite an<br />

Seite standen einst<br />

die sogenannten<br />

'Bockmühlen ' an<br />

der Hackeboer<br />

Wettern.<br />

HOCHWASSER<br />

Dass Entwässerungsmaßnahmen<br />

zum Erhalt der Wilstermarsch unerlässlich<br />

sind, verdeutlichen Berichte<br />

von Überschwemmungen des letzten<br />

Jahrhunderts. Beispielsweise<br />

hatte der Lehrer Rüllmann in der<br />

Schulchronik Vorder-Neuendorf am<br />

16. Januar 1916 folgendes festgehalten:<br />

"Nun kommt in diesem Winter eine<br />

große Überschwemmung der Ländereien<br />

hinzu. Die Leute wissen sich<br />

nicht zu erinnern , daß hier je soviel<br />

Wasser gewesen ist. Und dabei hat<br />

zum großen Glück unsere liebe<br />

Gemeinde noch verhältnismäßig<br />

wenig zu leiden. Viel m ehr leiden die<br />

Einwohner in Sachsenbande, Vaalermoor<br />

(Königsmoor, Stadtmoor). Seit<br />

ungefähr 6 Wochen läuft das Wasser<br />

stellenweise ununterbrochen über<br />

die Straße in Sachsenbande. In<br />

Vaalermoor kann die Straße stellenweise<br />

nicht befahren werden. Fast<br />

ausschließlich ist das Wasser in<br />

Vaalermoor in die Häuser gedrungen.<br />

Der Verkehr geschieht auf Kähnen.<br />

Viel Vieh steht andauernd im<br />

Wasser. Sehr viel Vieh ist rechtzeitig<br />

in Sicherheil gebracht. Einige Häuser<br />

mussten verlassen werden. Die<br />

Gehöfte der Witwen des gefallenen<br />

Kriegers Reese, Voß und Roßmann,<br />

Sachsenbande, bilden richtige Wasserburgen.<br />

Die Ursachen sind viele.<br />

Zunächst können wir außergewöhnliche<br />

Niederschläge verzeichnen.<br />

Dann haben wir andauernden Westwind,<br />

sodaß das Wasser in der Stör<br />

und der Eibe immer hoch steht und<br />

darum die Au nicht abwässern kann.<br />

Dazu kommt noch ein Drittes. In<br />

Friedenszeiten wurde viel Wasser<br />

Vaalermoors in den Kanal geleitet.<br />

Der ließ das Wasser dann durch<br />

Öffnen der Schleusen in die Eibe


.HQ.f,I.!:W~~~mt ............................................................................................................................................................................. .......... ~.<br />

abfließen. jetzt in der Kriegszeit muß<br />

aber der Kanal immer seinen<br />

Höchststand bewahren, und es darf<br />

nichts hineingeleitet werden. Dieses<br />

Hochwasser ist natürlich ein sehr<br />

bedauernswerter Zustand, dem erst<br />

abgeholfen wird, wenn die Niederschläge<br />

nachlassen und wir anderen<br />

WI'nd bekommen."<br />

Bereits 2 Jahre später wurde diese<br />

Überschwemmung noch übertroffen,<br />

denn Lehrer Rüllmann notierte<br />

im Februar 1918: ,,Alte Leute wissen<br />

nicht zu erinnern, je so viel Wasser<br />

in unserer Gegend gesehen zu<br />

haben. Von Neuendorf bis Hackeboe<br />

ist ein blanker See. Bei uns ist in den<br />

Häusern von Brandt und Göttsche<br />

seit Januar Wasser in den Häusern.<br />

Nach Sachsenbande kann man nicht<br />

kommen. In Vaalermoor sind m ehrere<br />

Familien mit dem Vieh ausgezogen.<br />

Zurückzuführen ist die<br />

Überschwemmung auf den Kohlenmangel.<br />

Das Wasserwerk in Averfleth<br />

steht wegen Kohlenmangels still. Viel<br />

Korn ist vernichtet. Die Not ist in<br />

unserer Gegend groß." 41<br />

Trotz Kriegsende hatte sich die<br />

Situation 1920 nicht wesentlich<br />

verbessert: "Große Strecken unserer<br />

Marsch, besonders Neuendorf-Sachsenbande<br />

sind überschwemmt, weil<br />

die Dampfentwässerung keine Kohlen<br />

hat, das Wasser wegzupumpen.<br />

Einige Gehöfte sind hierdurch von<br />

jeglichem Verkehr abgeschlossen." 42<br />

Im Winter 1944/45 vermerkte Lehrer<br />

Franzenburg in der Schulchronik<br />

Vorder-\!euendorf: "Info/ge Kohlenmangels<br />

steht seit November ein<br />

großer Teil unserer Gemarkungen<br />

unter Wlsser. Hauptsächlich die<br />

Gemarkungen in Ht.-Neuendorf sind<br />

davon stark betroffen, so daß verschiedene<br />

Häuser geräumt werden<br />

mussten."<br />

Zur selben Überschwemmung<br />

schrieb der Lehrer Drewes aus<br />

Sachsenbande: "Im November<br />

Abb. /9: Frau<br />

Jüttner, geb.<br />

Feldmann, musste<br />

während der<br />

Überschwemmung<br />

im Winter 1944/45<br />

mit der Jauchetonne<br />

ins Dorf<br />

schippern, um<br />

Brot zu holen.


.~U .......................... .............. ..... ... ... ....................................... ........... ........ ......................... ............... ...... .................. tl.9.~ ! .1.)\~~:~.'i.~'.R .<br />

[1944, Anm. d. Verf.] setzte, weil das<br />

Schöpfwerk des Sielverbandes<br />

Neuendorf, Sachsenbande wegen<br />

Kohlenmangels nicht mehr arbeiten<br />

konnte, bei regnerischem Wetter eine<br />

Überflutung des hiesigen Gebietes<br />

ein. Infolgedessen kam Mitte Dezember<br />

beinahe nur noch ein Drittel der<br />

Kinder zur Schule. Einige Gehöfte<br />

wurden geräumt. Die von der Überschwemmung<br />

betroffenen Gehöfte<br />

hielten, sofern des Viehes wegen<br />

nicht geräumt worden war, einen<br />

Verkehr auf selbst gezim merten<br />

Flößen und mit geliehenen Booten<br />

aufrecht. Als dann um Weihnacht<br />

herum das Eis hielt, konnte der<br />

Verkehr über Eis gehen. Eben vor<br />

Weihnacht bekam, nachdem das<br />

Gebiet vom Landrat, dem stellvertretenden<br />

Kreisleiter, dem Kreisbauernführer<br />

und anderen Herren<br />

besichügt worden war, das Schöpfwerk<br />

wieder Kohlen und konnte<br />

pumpen. Auch wurde eine kleinere<br />

Pumpe mit elektrischem Antrieb in<br />

Tätigkeit gesetzt. Das Wasser verschwindet<br />

allmählich unter der<br />

Eisdecke, soweit es in den Gräben<br />

abfließen kann. Arbeiten zur Anlegung<br />

einer größeren elektrischen<br />

Pumpe sind im Gange." 43<br />

Albert Karstens 44 aus Sachsenbande<br />

erinnert sich in dem Zusammenhang,<br />

dass er die Auffahrt mit langen<br />

Knüppeln markiert hatte, um<br />

mit dem Pferd nicht vom Weg abzukommen.<br />

Die Fluten drangen jedoch<br />

auch in die Häuser, so dass man das<br />

Wasser unter dem Fußboden plätschern<br />

hören konnte. Stellenweise<br />

brauchte man sich zum Händewaschen<br />

sogar nur zu Boden bücken.<br />

Einige Höfe mussten geräumt werden.<br />

Neben der Familie Rösch aus<br />

Krützfleth musste auch die Familie<br />

Johannes Schütt ihren Hof verlassen.<br />

Di.e Kühe waren bereits auf die<br />

Nachbarhöfe verteilt worden. Wegen<br />

ihres kleinen Pferdes, einem Schimmel,<br />

hatten sie den Hof zunächst<br />

nicht verlassen wollen. Als es dafür<br />

dann zu spät war, hörten sie in der<br />

Ferne ein beständiges Klopfen und<br />

Schlagen. Da sagte Hannes Schüll<br />

zu seiner Frau: "Höörst du wat, se<br />

klütert dor, se wüllt uns holen" ­<br />

Telefon und dergleichen gab es<br />

damals noch nicht. Und tatsächlich<br />

holten die Nachbarn sie mit einem<br />

selbstgebauten Floß. Dieses Floß hat<br />

später noch lange Zeit in Krützfl eth<br />

gelegen .<br />

Als dann am 24. Dezember das Eis<br />

hielt, konnte es für die Kinder kei n<br />

schöneres Weihnachtsgeschenk<br />

geben. Da gleichzeitig schulfrei war,<br />

tollten sie den ganzen Tag auf dem<br />

Eis herum und liefen Schlillschuh.<br />

Denn ganz Hinter-Neuendorf bis<br />

nach Krützfleth war eine einzige<br />

Eisfläche und kein Weidezaun versperrte<br />

den Weg. Die Landwirte<br />

litten jedoch noch lange unter diesen<br />

gewaltigen Wassermassen. Da<br />

die Felder bis ins späte Frühjahr<br />

unter Wasser standen, fiel die erste<br />

Heuernte entsprechend gering aus.<br />

Vielfach wurden die Tiere in<br />

anderen Gemeinden (Büttel, Kudensee,<br />

Landscheide) untergebracht,<br />

weil einfach nicht genügend Gras<br />

zur Verfügung stand.<br />

1947 gab es bereits die nächste<br />

Überschwemmung. Der Winter<br />

brachte viel Schnee und der Nord­<br />

Ostsee-Kanal war zugefroren . Da in<br />

den Städten die Feuerung knapp<br />

war, wurden die Kohlenwaggons<br />

geplündert. Zwar war das Schöpfwerk<br />

in Averfleth mittlerweile vom<br />

Kohlenantrieb auf elektrisch umgebaut,<br />

jedoch konnte man ohne<br />

Kohlen keinen Strom erzeugen. Auf<br />

Höhe des Bauernmoorweges stand


.H~~~$.-!';~ ............................................... ......................................................................................................................................... W..<br />

die Burger Straße unter Wasser.<br />

Diesen Umstand nutzte ein Flüchtling,<br />

der bei Familie Karstens untergebracht<br />

war, um sich ein paar<br />

Groschen zu verdienen. In einem<br />

geliehenen Boot half er Fußgängern<br />

und Radfahrern über die überflutete<br />

Straße. Erfinderisch war auch ein<br />

gewisser Emil Trapp, der als Flüchtling<br />

bei Klaus Holm wohnte. Er<br />

schritt auf selbstgezimmerten<br />

Stelzen durchs Wasser.<br />

All diese Erzählungen- und bei<br />

weitem sind damit längst noch<br />

nicht alle Überschwemmungen in<br />

diesem Gebiet erwähnt- dokumentieren<br />

die Notwendigkeit von künstlichen<br />

Entwässerungsmaßnahmen.<br />

Gäbe es diese nicht, wäre hier kein<br />

Leben und Wirtschaften möglich.<br />

Zwar waren in den letzten Jahrhunderten<br />

weniger Deichbrüche für die<br />

Überschwemmungen in diesem<br />

Gebiet verantwortlich, dennoch<br />

sollte die Bedrohung seitens des<br />

Meeres nicht unterschätzt werden.<br />

Für Neuendorf waren es aber eher<br />

die Dauerniederschläge und Starkregenereignisse,<br />

die im vorigen Jahrhundert<br />

Überschwemmungen<br />

verursachten, wie wir sie auch erst<br />

jüngst wieder hatten. Sicherlich ist<br />

den meisten noch in Erinnerung,<br />

wie 1998 innerhalb kürzester Zeit<br />

große Wasserflächen weite Teile der<br />

Marsch bedeckten, wenn auch<br />

glücklicherweise nur von kurzer<br />

Dauer. Aber bei solchen Wassermengen<br />

haben selbst die heutigen,<br />

leistungsstarken Schöpfwerke ihre<br />

Mühe und Not.<br />

Geschehnisse wie diese lassen einen<br />

vielleicht erahnen, wie die Marsch<br />

ohne künstliche Entwässerung und<br />

menschliches Zutun aussehen<br />

würde. Denn die Marsch ist eine<br />

unter Menschenhand entstandene<br />

Kulturlandschaft, die in dieser<br />

Gestalt nur durch permanenten<br />

technischen Einsatz erhalten werden<br />

kann.<br />

Abb. 20: Überschwemmung<br />

im<br />

Oktober 1998.


.~ ...... ............ .. ............ ........................... .............. .................. ............. ... ....... .......................................... ................. ».~.~~~~m~ ..<br />

Abb. 21: Überschwemmung im Oktober 1998 an der 'TiefSten Landstel/e'.<br />

Abb. 22: Der Bau des Pumpgrabens zum Schöpfwerk in Achterhörn Anfang der 60er Jahre war noch mühselige<br />

Handarbeit. Mit Schaufel und Schubkarre wurde der Vorfluter über mehrere Etappen zwei Mann tief<br />

ausgehoben.


. P.!~ .. W.!~r~.~~A!.! .. M.~ . .Y~.~g!.l.w.!~G ........................................................................................................................................... ~.<br />

DIE <strong>WILSTER</strong>-Au<br />

ALS VERKEHRSWEG<br />

In aller Zeit nutzte man für den<br />

Güterverkehr vorwiegend die natürlichen<br />

Wasserläufe, da die Wege,<br />

sofern überhaupt vorhanden, in den<br />

Wintermonaten selten passierbar<br />

waren. Gerade in der Gemeinde<br />

Neuendorf, wo die Wilster-Au über<br />

10 km eine natürliche Gemeindegrenze<br />

bildet, bediente man sich<br />

derselben als Haupttransportweg.<br />

Nahezu alle Waren wurden hierüber<br />

nach Wilster geschifft, bzw. von<br />

Wilster mitgebracht. Auf Kähnen<br />

holten die Schiffer den Torf aus<br />

Vaalermoor und verkauften ihn bis<br />

nach Hamburg. Zurück nahmen sie<br />

Dünger oder andere Waren mit, die<br />

bei den Müllern und Bauern verkauft<br />

wurden.<br />

Wenn der Wind günstig stand,<br />

wurden sogar die Segel gesetzt.<br />

Ansonsten mussten die Schleppkähne<br />

an einem langen Tau gezogen<br />

werden. Am Ende des Taus befestigte<br />

man einen breiten Lederriemen,<br />

den sich kräftige Männer quer<br />

über die Brust hängten. In Averfleth<br />

konnten sie jedoch aufgrund der<br />

Bäume und Sträucher, die zu beiden<br />

Seiten standen, weder ziehen<br />

noch segeln. Dieses Stück mussten<br />

sie schieben, weswegen man diesen<br />

Abschnitt auch ,Schufrack' nannte.<br />

Wenn im Winter kein Wagenverkehr<br />

mehr möglich war, mussten bisweilen<br />

gar die Leichen der Verstorbenen<br />

per Boot zum Kirchhof in<br />

Wilster geschafft werden. War die<br />

Au zusätzlich auch noch zugefroren,<br />

konnte beispielsweise das<br />

Korn nur auf Schlitten nach Wilster<br />

transportiert werden. Dazu hatten<br />

die MännerEisnägel unter den<br />

Stiefeln. Auf dem Rückweg<br />

spannten sie sich dann Schlittschuhe<br />

unter. Die etwas wohlhabenderen<br />

Bauern besaßen einen<br />

,Rüütsch', d. h. einen kunstvoll<br />

beschlagenen Schlitten, mit dem sie<br />

ihre Frau übers Eis nach Wilster<br />

zogen.<br />

Bei den kleinen Häusern auf dem<br />

Au-Deich in Averfleth, deren Besitzer<br />

oftmals weder Pferd noch<br />

Wagen besaßen, gibt es teilweise<br />

auch heute noch künstliche Au­<br />

Arme, in denen die Eigentümer ihre<br />

Boote vertäuen.<br />

Früher fohrten<br />

meist gewölbte<br />

Brücken über die<br />

Au, heute sind<br />

dagegen fast alle<br />

flach gelegt. Bei<br />

hohem Wasserstand<br />

kam es _nicht<br />

selten vor. dass<br />

sich größere<br />

Schiffe unter<br />

diesen Brücken<br />

festfuhren. In<br />

einem solchen<br />

Fall versuchte<br />

man mit 'Dumpen'<br />

das Schiff wieder<br />

'flott ' zu machen,<br />

d. h. man lud<br />

Menschenfracht,<br />

damit das Schiff<br />

tiefer einsank und<br />

so von der Brücke<br />

freikam. Dabei<br />

legte man sich auf<br />

den Rücken und<br />

arbeitete mit den<br />

Füßen gegen die<br />

Brücke, um das<br />

Schiff unterdurch<br />

zu schieben.<br />

Abb. 23: Als die<br />

Wilster-A u noch<br />

einer der Haupierschließungswege<br />

war. herrschte hier<br />

reger Verkehr.<br />

..... _______ _<br />

...... ·------


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Abb. 24: Diese<br />

Kartengrundlage<br />

basiert auf der<br />

Königlich Preußischen<br />

Landesauf<br />

nahme in den<br />

Jahren 1878180.<br />

Das Gemeindegebiet<br />

wird durch die<br />

rot gestrichelte<br />

Linie abgegrenzt.<br />

Klaus Rehder und<br />

Hermann Beimgraben<br />

haben die<br />

alten Wege<br />

zusammengetragen:<br />

Die alten Schulsteige,<br />

die von den<br />

Schulkommunen<br />

zu unterhalten<br />

waren, sind durch<br />

hellgrüne Linien<br />

gekennzeichnet.<br />

Mit einem dunkelgrünen<br />

Farbton<br />

wurden alte Wegstrecken<br />

dargestellt,<br />

die in dieser<br />

Form nicht mehr<br />

existieren. Die<br />

dunkelgrün gestrichelte<br />

Linie bildet<br />

dabei eine uralte<br />

Wegeverbindung<br />

('Oldenburgsweg ')<br />

zwischen dem<br />

j etzigen Itzehoe<br />

und der einstigen<br />

Bökelnburg.<br />

Der alte Kirchensteig<br />

(gelbe Linie)<br />

verlief zumeist auf<br />

dem Audeich.<br />

Mit Hilfe der<br />

blauen Linie<br />

wurde der Verlauf<br />

der Hackeboer<br />

Wettern nachgezeichnet;<br />

die<br />

braunen Punkte<br />

bezeichnen die<br />

Lage der Schöpf<br />

mühlen.


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Das , Hohe Steg'<br />

führte in Averjleth<br />

über die Wilster­<br />

Au und stellte mit<br />

dem Kirchensteig<br />

über Kuskoppermoor<br />

die kürzeste<br />

fußläufige Verbindung<br />

zur Stadt<br />

Wilster her.<br />

Die Brücke wurde<br />

1909 abgerissen. 52<br />

Mit Hilfe von<br />

Schlagbäumen<br />

wurden auch die<br />

Frachtfuhrleute zu<br />

den Unterhaltungskosten<br />

herangezogen,<br />

indem<br />

Beiträge nach<br />

Anzahl der<br />

Frachtwagenpferde<br />

erhoben<br />

wurden. So wurde<br />

beispielsweise<br />

auch an der<br />

Brücke zu Averfleth<br />

durch die<br />

Familie Meiforth<br />

Brückengeld erhoben.<br />

in der<br />

'Newe Landtcarte<br />

Von dem Ampte<br />

Steinborg' von<br />

1651 wird diese<br />

Brücke auch als<br />

'Rickenbrugge'<br />

bezeichnet.<br />

DIE UNTERHALTUNG<br />

DER WEGE<br />

Von alters her war das Wegewesen<br />

eng mit dem Entwässerungswesen<br />

verbunden . Die Unterhaltung der<br />

Wetterungen und Gräben sowie der<br />

Wege, Brücken und Stege eines<br />

Dorfes wurde gleich bei deren Anlage<br />

den einzelnen Hofbesitzern nach<br />

Verhältnis ihres Besitzes zugeteilt.<br />

Diese Lasten hingen unablöslich mit<br />

dem Grundbesitz zusammen.<br />

Somit wurden Jahrhundertelang<br />

insbesondere die Landbesitzer als<br />

größte Nutznießer zur Unterhaltung<br />

der Wege herangezogen. Irgendwann<br />

häuften sich jedoch die Klagen<br />

über die ungerech te Verteilung<br />

der Wegelasten, so dass am 15. Mai<br />

1739 erstmals eine Wegeverordnung<br />

für die Wilstermarsch erlassen<br />

wurde, der 100 Jahre später, im<br />

März 1842, eine allgemeine Wegeverordnung<br />

für die Herzogtümer<br />

Schleswig und Holstein folgte.<br />

Diese, lediglich die öffentlichen<br />

Fahrwege und Fußsteige betreffende<br />

Vorschrift, benannte den jeweiligen<br />

Träger und das Material zu m Ausbau<br />

und zur Unterhaltung der<br />

Haupt- und Nebenlandstraßen<br />

sowie Nebenwege. Unter die letzte<br />

Kategorie fielen alle Wege und<br />

Fußsteige, welche die Dörfer und<br />

einzelnen Gehöfte untereinander<br />

und mit den Haupt- und Nebenlandstraßen<br />

sowie mit Kirchen,<br />

Schulen, Mühlen und dergleichen<br />

verbanden. Hierfür waren die Wegekommunen<br />

- das Gebiet der<br />

Gemeinde Neuendorf gehörte zur<br />

Wegekommune ,Kirchspiel Wil ster<br />

Alte Seite' - als kleinste Einheit<br />

zuständig.<br />

Knapp 40 Jahre später, am<br />

26. Februar 1879, wurde in der nun<br />

preußischen Provinz Schleswig-<br />

Holstein ein neues Wegegesetz<br />

verabschiedet. Hiernach wurden die<br />

bisherigen Wegekommunen zugunsten<br />

kleinerer Wegeverbände auf<br />

Basis der einzelnen politischen<br />

Gemeinden aufgehoben. Dadurch<br />

wurde eine Neuverteilung der<br />

öffentlichen Wege innerhalb der<br />

Gemeinde Neuendorf notwendig,<br />

weshalb die Gemeindeversammlung<br />

eine Wegekommission mit der Ausarbeitung<br />

eines Verteiler-Schlüssels<br />

beauftragte.<br />

Die Fahrwege sollten je zur Hälfte<br />

nach der Grundsteuer und dem<br />

Landareal verteilt werden. Die Verteilung<br />

der Fu ßsteige ergab sich zu<br />

1/5 nach der Gebäudesteuer, 1/5<br />

nach dem Landareal und 3/5 nach<br />

der Grundsteuer. Auf Grundlage<br />

dieser Norm wurde fü r jeden Einzelnen<br />

die zu unterhaltende Wegstrecke<br />

bis auf den Zentimeter<br />

genau ermittelt und zugewiesen.<br />

Beispielsweise musste der Hofbesitzer<br />

Hinrich Hellerich vom<br />

Goldbogen aufgrund seiner Abgaben<br />

und seines Landbesitzes für<br />

418,60 m Fahrweg ab der Grenze<br />

zur Gemeinde Nortorf die Wartung<br />

und Instandsetzung übernehmen.<br />

Gleichfalls wurde ihm die Unterhaltung<br />

für 694,42 m Fußsteig zugewiesen.<br />

Insgesamt hatte die Gemeinde Neuendorf<br />

zur jener Zeit 19.044,22 m<br />

Fu ßsteige und 12.505,09 m Nebenwege<br />

zu unterhalten. 48<br />

Seil 1959 wird die Unterhaltung der<br />

Gemeindewege vom Wegeunterhaltungsverband<br />

Steinburg wahrgenommen,<br />

dem die Gemeinde<br />

Neuendorf im selben Jahr beigetreten<br />

war. Die Unterhaltung<br />

beschränkt sich jedoch lediglich auf<br />

die Schwarzdecken der Straßen und<br />

Wege bzw. die Betonflächen der<br />

Spurbahnen. Untergrundschäden,


. P.!~ .. ~:~II.'.~1.!M.J1 .. ~~; ... J.:!!).~ .. W.!i~!~ ..................................................................................................................................................... 4Jet.<br />

Bankette, Abwässer und Verkehrszeichen<br />

unterliegen weilerhin der<br />

Unterhaltung der Gemeinde.<br />

Aktuell stellt sich die Wegesituation<br />

der Gemeinde w ie folgt dar:<br />

Zwei Landesstraßen durchqueren<br />

das Gemeindegebiet und zwar die L<br />

135 (Burger Straße, bzw. Hackeboe),<br />

und die L 235 (Vorder-Neuendorf).<br />

Des Weiteren befind en sich hier vier<br />

Kreisstraßen, nämlich die K 16<br />

(Averfleth über Goldbogen nach<br />

Wils ter), K 17 (Nortorf, Averfleth,<br />

Krützflelh, Hinter-Neuendorf), K 18<br />

(Hollerslückenweg) sowie die K 40<br />

(Achlerhörn bis nach Ecklakerhörn).<br />

Und zu guter Letzt unterhält die<br />

Gemeinde acht Schwarzdecken­<br />

Fa hrbahnen mit einer Länge von<br />

insgesamt 5.603 m und 5 Betonspurbahnen<br />

mit einer Gesamtlänge<br />

von 4.058,3 m . 49<br />

Die früher zahlreichen Fu ßsteige<br />

wurden in den 60er Jahren nach<br />

und nach aus der Unterhaltung<br />

genommen und an die Anlieger<br />

verkauft, da sie n icht mehr benutzt<br />

w ur de n .~<br />

D ER A USBAU DER<br />

STRASSEN UND WEGE<br />

Um eine Vorstellung von der Beschaffenheit<br />

der Wege in früherer<br />

Zeit zu bekommen , möchte ich an<br />

dieser Stelle den Lehrer Peters von<br />

der Schule Vorder-Neuendorf zitieren<br />

, der in seiner Schulchronik<br />

1910 rückblickend den Zustand der<br />

Marschwege beschreibt: "Im Sommer<br />

bei großer Trockenheil war er<br />

[der Weg] wunderschön, aber weh e,<br />

wenn der Herbst mit seinen Regengüssen<br />

kam. Da war die obere Kleischicht<br />

bald durchgeweicht, und wer<br />

Moorboden kennt, der weiß, wie<br />

schön weich der ist. In der Regel war<br />

im Herbst und Winter bei Regen und<br />

Tauwetter in Neuendorf an Fahren<br />

nicht zu denken. VV'ie mir Einwohner<br />

erzählten, ist es öfter vorgekommen,<br />

dass bei Beerdigungen der Sarg<br />

ganze Strecken getragen werden<br />

m usste, weil ein Wagen nicht fahren<br />

konnte."<br />

Waren die Wege in der feuchten<br />

Jahreszeit zu matschig, benutzte<br />

man anstelle der Wagen zuweilen<br />

au ch sogenannte ,Slöpen'. Das<br />

waren niedrige Schlitten mit langen<br />

Abb. 25: Am<br />

Achtsfelder Weg<br />

wurden Mitte der<br />

90er Jahre in<br />

einer Gemeinschaftsaktion<br />

124<br />

Bäume (Kastanie,<br />

Esche, Ahorn,<br />

Eiche) gepflanzt.<br />

An den Pflanzarbeiten<br />

beteiligten<br />

sich (von links):<br />

Petja Besselin,<br />

Erwin Buse, Klaus<br />

Franzenburg,<br />

Rainer Besselin,<br />

Hermann Beimgraben,<br />

Hugo<br />

Nagel, Johannes<br />

Rehder, Jens<br />

Thiessen, Max<br />

Heins, Henning<br />

Rehder und Wanja<br />

Besselin. Mittags<br />

gab es zur Stärkung<br />

Gulaschsuppe.


.~ ................................... ..................................................... .............................................. P.f~ . .A.P~.~~.IJ . .P..f~ .. S:mM~N . J!NP...W.~~~.<br />

Abb. 26: Die<br />

Wilster/Burger­<br />

Chaussee wurde<br />

1993 im Aquarell<br />

festgehalten<br />

Bis vor wenigen<br />

Jahrzehnten<br />

bestand von der<br />

Ecklaker bis zur<br />

Averjlether Brücke<br />

entlang der Wilster-Au<br />

ein Fahrweg.<br />

Dieser wurde<br />

jedoch mit Ausbau<br />

des Achtsfelder<br />

Weges entlang der<br />

ehemaligen<br />

Hackeboer Wettern<br />

bedeutungslos.<br />

Kufen, auf denen beispielsweise<br />

auch die Milch zur festen Straße<br />

transportiert wurde.<br />

Etwa 1870 wurde die Wilster/Burger-Chaussee<br />

zu einer Grantstraße<br />

ausgebaut. Im Zuge dieses Ausbaus<br />

wurde 1876 die alte sogenannte<br />

Schenkelbrücke über die Wilster-Au<br />

abgerissen 5 ' und 600 Meter weiter<br />

nördlich neu errichtet.<br />

In den Jahren 1908 bis 1910 trat mit<br />

Ausbau der Hauptstrecken eine<br />

deutliche Verbesserung der Wegesituation<br />

ein. Folgende Strecken<br />

wurden in dieser Zeit ausgebaut:<br />

Sachsenbande- Vorder-Neuendorf­<br />

Moorhusen als Nebenlandstraße,<br />

die Verbindung Duckunder/Averfleth<br />

über Krützfleth nach Hinter­<br />

Neuendorf als Nebenweg I. Klasse<br />

sowie Achterhörn und die Strecke<br />

Averfleth - Goldbogen - Rumfleth<br />

als Nebenwege II. Klasse. Etwas<br />

später folgte der Ausbau des Hollerstückenweges.<br />

Dabei wurde die<br />

heutige K 17 (Averfleth- Krützfleth<br />

- Hinter-Neuendorf} schon mit einer<br />

Klinkerdecke versehen, während die<br />

restlichen Straßen noch als Grant-<br />

j<br />

straßen ausgebaut wurden. Zur<br />

Unterhaltung dieser Grantchausseen<br />

hatte die Gemeinde eigens einen<br />

Chausseewärter angestellt, der das<br />

ganze Jahr über damit beschäftigt<br />

war, die Straßenschäden auszubessern.<br />

Der Achtsfelder Weg, Spritzenhausweg<br />

und Oberreihe in<br />

Vorder-Neuendorf blieben vorerst<br />

Klei- bzw. Moorwege. Den Bauernmoorweg<br />

mussten die Bauern aus<br />

der Gemeinde jeden Sommer wegen<br />

des moorigen Untergrundes erneut<br />

mit Sand verfüllen. Den Sand dafür<br />

holten sie aus Vaale.<br />

1952 wird die K 16 (Goldbogen) mit<br />

einer Schwarzdecke versehen. Etwa<br />

zur selben Zeit war die Wilster/Burger-Chaussee<br />

geteert worden. 1959<br />

wurde der Bauernmoorweg mit<br />

Mitteln des ,Grünen Planes' als<br />

Wirtschaftsweg ausgebaut. Parallel<br />

dazu begann der Ausbau der K 40<br />

(Achterhörn). Im Rahmen dieses<br />

Ausbaus wurde die Ecklaker Aubrücke<br />

abgerissen und wenige<br />

Meter südlich neu errichtet. Auf die<br />

K 17 (Averfleth - Hinter-Neuendorf)<br />

wurde erst Anfang der 70er Jahre<br />

eine Schwarzdecke aufgebracht. Im<br />

gleichen Zeitraum wurden der<br />

ehemalige Spritzenhausweg und die<br />

Oberreihe mit einer Schwarzdecke<br />

versehen. Ursprünglich sollte der<br />

Spritzenhausweg komplett aufgehoben<br />

werden, da ihm nicht die nötige<br />

Verkehrsbedeutung zugemessen<br />

wurde (6.1 .1969). Auf Einwendungen<br />

der damaligen Firma<br />

Johannsen & Krohn in Hackeboe<br />

und deren Arbeitnehmer Walter<br />

Blosat aus Averfleth sowie nach<br />

Anhörung des Gemeindewehrführers<br />

konnte jedoch eine "gewisse<br />

Verkehrsbedeutung des Weges nicht<br />

bestritten werden" (19.5.1969). Im<br />

Rahmen der weiteren Beratung<br />

wurde aber zumindest die Ein-


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ziehung einer Teilstrecke beschlossen<br />

(15.12.1971). Der Weg führte<br />

fortan über die Ländereien von<br />

Hermann Beimgraben, wodurch die<br />

Ausbaustrecke um 250 Meter verkürzt<br />

wurde (27.9.1971). Im Jahr<br />

1999 erfolgte eine weitere Änderung<br />

der Streckenführung. Der ehemalige<br />

Spritzenhausweg-in ,GIK 41'<br />

umbenannt - verläuft nun auf dem<br />

Wall der einstigen Hackeboer Wettern<br />

geradewegs auf die Wilster/Burger-Chaussee<br />

zu.<br />

Abb. 27: Der<br />

Gefahren, die ein<br />

Geestrandhochmoor<br />

wie das<br />

'Herrenmoor 'bei<br />

Kleve in sich birgt,<br />

sollte man stets<br />

gewahr sein. Da<br />

es einem ansonsten<br />

wie diesem<br />

Bagger<br />

ergehen könnte,<br />

der letzten Herbst<br />

(2000) bei<br />

Baggerarbeiten in<br />

Vorder-Neuendorf<br />

im Moor versank.<br />

Abb. 28: Auf den ersten Blick die gleiche<br />

Situation, doch dieses Schauspiel ereignete<br />

sich bereits vor gut 20 Jahren<br />

annähernd an derselben Stelle. Dabei<br />

sollte man meinen, aus Schaden wird<br />

man klug. ..<br />

Währendjedoch der Bagger im letzten<br />

Herbst geborgen werden konnte, versank<br />

dieser Bagger gänzlich im Moor.


Kus~<br />

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ermoor<br />

Sachsen-<br />

Hollerstückenw<br />

( K 18) · .. ::"',,,, ..<br />

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FLURNAMEN<br />

Gegenüber vom<br />

'Elendstück' befindet<br />

sich der<br />

'Wassergang',<br />

dessen Name sich<br />

auf einen alten<br />

Laufgraben<br />

bezieht.<br />

Neben den Ortsnamen existieren für<br />

einzelne Flächen Flurnamen, deren<br />

Bedeutung im Rahmen einer<br />

Heimatkundearbeit 53 erläutert<br />

wurde. An dieser Stelle sollen die<br />

Erklärungsansätze wiedergegeben<br />

werden:<br />

Achtsfelder Weg<br />

Die hinterste Flur von Averfleth<br />

nannte man einst das 'achterste<br />

Feld'. Durch dieses Stück Land<br />

führte ein Weg, der auch heute noch<br />

'Achtsfelder Weg' genannt wird.<br />

Elendstück<br />

Das 'Elendstück' liegt arn Achtsfelder<br />

Weg. Der Sage nach sollen<br />

sich dort in früherer Zeit zwei Jungen<br />

mit Schlittschuhen totgeschlagen<br />

haben.<br />

Einzelne Flurstücke in Averfleth,<br />

Hackeboe und Sachsenbande werden<br />

als Loit bezeichnet. Da sie sich<br />

allesamt im Gebiet des ehemaliegen<br />

Sladensees befinden, dessen Name<br />

aus dem angelsächsischen stammt,<br />

vermutet Hermann Beimgraben hier<br />

ebenfalls einen Zusammenhang.<br />

Früher, wenn die Wettern zuviel<br />

Wasser führten, wurden die niedrigen<br />

Felder als Flutpolder genutzt.<br />

Poggendiek<br />

Einst bildete der Poggendiek die<br />

östliche Begrenzung des Sladensees.<br />

Seitlich neben dem Deich verläuft<br />

ein Graben auf der Grenze zur<br />

Gemeinde Moorhusen.<br />

Die Unterhaltung und Ausbesserung<br />

des niedrigen Schutzdeiches wurde<br />

bereits im Jahre 1247 für 5 Mark auf<br />

Bojo und seine Erben - vermutlich<br />

ein Einwohner Moorhusens- übertragen.<br />

Zuvor waren die Mönche<br />

des Klosters Neumünster gehalten,<br />

den Deich des Bojo zu wahren. 54<br />

Abb. 30: Die Gemeindevertretung Neuendorf b. Wilster im Frühjahr 2001 (von links):<br />

Hermann Beimgraben, Jens Thiessen, Peter Marler, Erwin Buse, Johannes Rehder, Norbert Egge,<br />

Hans Martin Fischer, Friedhelm Hüsch, Wolfhardt Pieper


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LANDGEMEINDE<br />

<strong>NEUENDORF</strong><br />

Das Herzogtum Holstein war vor<br />

seiner Einverleibung in den preußischen<br />

Staat (1866) lange Zeit Teil<br />

des dänischen Gesamtstaates gewesen.<br />

1867 legte man die bisherigen<br />

Ämter, Städte und Güterdistrikte in<br />

Kreise zusammen. Aus den ehemaligen<br />

Kirchspielen und Dorfschaften<br />

(Duchten) wurden nach der preußischen<br />

Gemeindeordnung politische<br />

Gemeinden.<br />

Das Gebiet der Gemeinde Neueudorf<br />

umfasst mehrere ehemalige<br />

Duchten mit den Ortsteilen Vorderund<br />

Hinter-Neuendorf, Groß-Hackeboe,<br />

zum Teil Averfleth (des Kirchspiels<br />

Wilster, Alte-Seite) und<br />

Achterhörn.<br />

Mit Gründung der Gemeindeoffiziell<br />

wurde die Gründung der<br />

"Landgemeinde Neuendorf" im<br />

Amtsblatt der Königlichen Regierung<br />

zu Schleswig am 19. Dezember<br />

1871, S. 397f bekannt gegebenveränderte<br />

sich die Rolle der Darfschaften<br />

in der Selbstverwaltung.<br />

Bisher hatten jeweils die Genossen<br />

einer Ducht, geführt von einem<br />

Ältermann und Geschworenen, alle<br />

sie und ihre Dorfscharten betreffenden<br />

Angelegenheilen selbst geregelt.<br />

Dazu gehörten anfangs vor allem<br />

Deich- und Entwässerungsangelegenheiten,<br />

später auch Wege-,<br />

Schul-, Kirchen- und andere Belange.<br />

Nach der Landgemeindeverfassung<br />

von 1867 war nun eine ,Gemeindeversammlung'<br />

aller stimmberechtigten<br />

Gemeindemitglieder vorgesehen.<br />

Stimmberechtigt waren nur die<br />

männlichen Gemeindemitglieder,<br />

die das 24. Lebensjahr vollendet<br />

hatten, sich im Vollbesitz der bürgerlichen<br />

Ehrenrechte befanden,<br />

einen eigenen Hausstand besaßen,<br />

innerhalb der Gemeinde mit einem<br />

Wohnhaus angesessen waren und<br />

außerdem eine jährliche Klassensteuer<br />

von mindestens 2 Talern<br />

Abb. 3/: Schuhmachermeister<br />

Claus Heutmann<br />

aus Hackeboe<br />

zusammen mit<br />

seiner Frau. Claus<br />

Heutmann war<br />

lange Jahre in der<br />

Gemeindevertretung<br />

aktiv. /893<br />

wurde er zum<br />

stellvertretenden<br />

Gemeindevorsteher<br />

bestimmt.<br />

Von / 906 bis zu<br />

seinem Tode im<br />

Jahre 1921 stand<br />

er selbst der<br />

Gemeinde vor.<br />

Das Gebiet der<br />

Gemeinde Neuendorf<br />

umfasst /335<br />

Hektar.<br />

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Abb. 32: Hofbesitzer<br />

Heinrich Mohr<br />

von der Hove.<br />

Zusammen mit<br />

Claus Heutmann<br />

war Heinrich<br />

Mohr bereits 1893<br />

in der ersten<br />

Gemeindevertretung.<br />

1900 übernahm<br />

er dann das<br />

Amt des Gemeindevorstehers<br />

von<br />

seinem Vorgänger<br />

Andreas Fink.<br />

bezahlten.<br />

Diese Stimmberechtigten waren<br />

nach ihrem Steueraufkommen in 3<br />

Wahlklassen eingeteilt. Die 1. Klasse<br />

der am höchsten Besteuerten erhielten<br />

3 Stimmen, die 3. Klasse nur<br />

noch 1 Stimme.<br />

Laut den Gemeindeprotokollen, die<br />

seit 1873 vorliegen (mit Ausnahme<br />

der Zeit zwischen 1939 bis 1949),<br />

war der überwiegende Anteil der<br />

Stimmberechtigten in der 3. Klasse<br />

mit jeweils einer Stimme eingruppiert.<br />

Nur wenige hatten aufgrund<br />

ihres Steueraufkommens 2 Stimmen<br />

und Stimmberechtigte mit 3 Stimmen<br />

gab es in der Gemeinde Neueudorf<br />

scheinbar gar nicht, da solche<br />

nie in der Liste verzeichnet wurden.<br />

Der langjährige Gemeindevorsteher<br />

Andreas Fink hatte ebenfalls nur<br />

eine Stimme.<br />

1875 waren von den 720 Einwohnern<br />

lediglich 67 politisch stimmberechtigt.<br />

Diese bildeten die<br />

Gemeindeversammlung. Beschlüsse<br />

konnten nur gefasst werden, wenn<br />

mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten<br />

zugegen war. Eine Ausnahmeregelung<br />

griff, wenn die<br />

Gemeindeversammlung zum zweiten<br />

Mal über denselben Gegenstand<br />

beriet und wiederum nicht in ausreichender<br />

Zahl erschienen war. In<br />

einem solchen Fall genügten die<br />

Anwesenden für rechtskräftige<br />

Beschlüsse. Wie das Studium der<br />

Gemeindeprotokollbücher zeigt, war<br />

diese Ausnahme jedoch eher die<br />

Regel.<br />

Dies änderte sich erst, als am<br />

6. April 1893 eine ,Gemeindevertretung'<br />

gewählt wurde, welche die<br />

,Gemeindeversammlung' ablöste.<br />

Die erste Gemeindevertretung setzte<br />

sich aus dem Gemeindevorsteher<br />

Andreas Fink, dessen Stellvertreter<br />

Schuhmachermeister Claus Heulmann<br />

und sechs weiteren Verordneten<br />

zusammen: Hofbesitzer<br />

Heinrich Mohr, Hove; Hofbesitzer<br />

Marx Krohn in Hackeboe, Hofbesitzer<br />

Asmus Schlüter in Hinter­<br />

Neuendorf, Rentner Peter Fink in<br />

Hinter-Neuendorf, H. J. Haack in<br />

Averfleth und Landmann Johann<br />

Engel in Hinter-Neuendorf.<br />

Nach Kriegsende 1945 wurde Hans<br />

Max Reese, aufgrund seiner Funktion<br />

als Ortsgruppenleiter der<br />

NSDAP, im Sommer 1945 seines<br />

Amtes als Bürgermeister enthoben.<br />

Um die umfangreichen Aufgaben<br />

jener Zeit fortzuführen, wurde<br />

Richard Brandt von der britischen


. k.\,~!?.0f.~. !l !.~P.~ .. N."'J!."'.NP.q!lf. ........................................ ..................................................................................................... ............... ffih.<br />

Militärregierung zu seinem Nachfolger<br />

bestimmt. Gleichzeitig hat die<br />

britische Militärregierung 13<br />

weitere Personen aus der Gemeinde<br />

Neuendorf zu Mitgliedern der<br />

Gemeindevertretung ernannt:<br />

"1. Lange, Averfleth; 2. Ostrowski,<br />

Hackeboe; 3. Egge, Erna, geb. Wiebensohn,<br />

Hackeboe; 4. Kuhrt, Paul,<br />

Hackeboe; 5. Prelle, Hermann,<br />

Hackeboe; 6. Möller, Hackeboe;<br />

7. Gripp, Hinrieb, Hackeboe; 8. Feil,<br />

Gustav, Goldbogen; 9. Kneesch,<br />

Heinrich, Hinter-Neuendorf;<br />

10. Balls, Johannes, Vorder­<br />

Neuendorf; 11. Reimers, Johannes,<br />

Achterhörn; 12. Janzen, Rudolf,<br />

Vorder-Neuendorf; 13. Rehder,<br />

Hermann, Vorder-Neuendorf" 55<br />

Oie SPD stellte lediglich Ende der<br />

40er/Anfang der 50er Jahre die<br />

stärkste Fraktion in der Gemeindevertretung<br />

und somit den Bürgermeister<br />

Willi Reckmann aus<br />

Hackeboe.<br />

Seitdem kam der Bürgermeister<br />

kontinuierlich aus den Reihen der<br />

COU-Partei, anfangs noch über die<br />

Kommunale Wählervereinigung<br />

gewählt.<br />

In der Kommunalen Wählervereinigung<br />

hatten sich Angehörige verschiedener<br />

Parleien wie<br />

beispielsweise COU, FDP und dergleichen<br />

sowie parteilose Mitglieder<br />

zusammengeschlossen, um gemeinsam<br />

bei den Gemeindewahlen anzutreten.<br />

1970 hatte Hans Max Reese jedoch<br />

auf Drängen der oberen Parteiorganisation<br />

die meisten der zuvor<br />

parteilosen Gemeindevertreter zur<br />

Mitgliedschaft in der CDU bewegen<br />

können, so dass die CDU in dem<br />

Jahr erstmals als Partei bei der Kommunalwahl<br />

angetreten war und<br />

prompt 8 der möglichen 9 Gemeinderatssitze<br />

erlangte.<br />

Abb. 33: Der alte<br />

Hans Max Reese<br />

(rechts im Bild) -<br />

mit Rufnamen<br />

lediglich Max<br />

Reese - lebte noch<br />

gar nicht lange in<br />

der Gemeinde<br />

Neuendorf (seit<br />

1907), als er 1921<br />

zum Nachfolger<br />

von Claus Heutmann<br />

gewählt<br />

wurde. Hier sieht<br />

man ihn Mitte der<br />

50er Jahre zusammen<br />

mit dem alten<br />

Otto Prüß (Vater<br />

des heutigen<br />

Gastwirts Ernst­<br />

Otto Prüß) und<br />

einem Kellner in<br />

der Gastwirtschaft<br />

'Zum Dückerstieg<br />

'. Er war 20<br />

Jahre lang Bürgermeister<br />

der<br />

Gemeinde Nettendorf,<br />

bis er 1941<br />

das Amt an seinen<br />

Sohn, Hans Max<br />

Reese, weitergab.


.~J .... .............. ....................... ........................... ............ .................. ......................... .... ... ... ... l.! !~t\~.~-~~~~ ~~-~! .1} !~~ . .!?.'-'.R . A~n.t.:. !~ .<br />

Abb. 34: Dieser<br />

Mann übertraf die<br />

Amtszeit seines<br />

Vaters und Vorgängers<br />

noch um<br />

weitere I 0 Jahre.<br />

Da Hans Max<br />

Reese während<br />

des Dritten Reiches<br />

der NSDAP<br />

angehört hatte,<br />

musste er sein Amt<br />

als Bürgermeister<br />

im Sommer 1945<br />

niederlegen.<br />

Nach eJfolgter<br />

Entnazifizierung<br />

stellte er sich mit<br />

der Kommunalen<br />

Wählervereinigung<br />

j edoch<br />

bereits 1951<br />

erneut zur Wahl<br />

und setzte sich mit<br />

großer Mehrheit<br />

gegenüber seinem<br />

Vorgänger Willi<br />

Reckmann durch.<br />

Bis :::u seinem Tod<br />

- er wurde Opfer<br />

eines tragischen<br />

Verkehrsunfalls -<br />

blieb er über 7<br />

Legislaturperioden<br />

im Amt.<br />

Parallel war er in<br />

zahlreichen Ausschüssen,<br />

Vereinen<br />

und Verbänden<br />

vertreten.<br />

Von 1966 bis 1970<br />

war er Vorsteher<br />

des Amtes Wilster­<br />

Land und im<br />

Anschluss daran<br />

noch weitere 4<br />

Jahre des Amtes<br />

Wilstermarsch.<br />

Zudem gehörte er<br />

II Jahre als<br />

Abgeordneter dem<br />

Kreistag des<br />

Kreises Steinburg<br />

an.<br />

ZUSAMMENSCHLUSS<br />

DERAMTER<br />

In den Jahren 1888/89 entstanden<br />

die sogenannten Amtsbezirke. Die<br />

Gemeinde Neuendorf bildete<br />

zusammen mit den Gemeinden<br />

Aebtissinwisch, Ecklak und Sachsenbande<br />

den Amtsbezirk<br />

,Aebtissinwisch'.<br />

Aufgrund der Fülle von Problemen<br />

und Schwierigkeiten, welche die<br />

achkriegsjahre bestimmten<br />

(Flüchtlinge, Wohnungen , Brennstoffversorgung<br />

und Lebensmitlelversorgung)<br />

und ehrenamtlich nic ht<br />

mehr zu bewältigen waren , wurde<br />

1948 das Amt ,Wilster-Land' mit den<br />

Gemeinden Aebtissinwisch , Dammfleth,<br />

Landrecht, Neuendorf.


'. . .. . ~ '2l<br />

-~" -~...\ .~!,~th~.~.Q.!!J~.~ .. PP~ .. A,~!. IT.~ ...................................................................................................................................................... ~.<br />

Nortorf, Sachsenbande und Stördorf<br />

gebildet<br />

Erster Amtsvorsteher des alten<br />

Amtes Wilster-Land war unser<br />

damaliger Amtsvorsteher Richard<br />

Brandt vom Goldbogen.<br />

1970 wurden dann im Rahmen der<br />

Ämterreform im Land Schleswig­<br />

Holstein die Ämter Sankt Margarethen,<br />

Wewelsfl eth und<br />

Wilster-Land zum neu gebildeten<br />

,Amt Wilstermarsch ' mit Sitz in<br />

Wilster zusammengelegt Die erste<br />

Amtszeit übernahm unser langjä<br />

hriger Bürgermeister Ha ns-Max<br />

Reese aus Hackeboe, der bereits von<br />

1966 bis 1970 das ,Amt Wilster­<br />

Land' in gleich er Funktion geführt<br />

ha tte.<br />

Amtsvorsteher des<br />

Amtbezirks Aebtissinwisch<br />

- 56<br />

----<br />

.................... Zeitraum ... ...........................................................<br />

Name<br />

Um 1900 Peter Henning Egge,<br />

Sachsenbande<br />

1915-1923 Henning Rehder,<br />

Averfleth<br />

? -194 1 Max Reese,<br />

Hackeboe<br />

1941-1945 Nikolaus Meiforth,<br />

Averfleth<br />

1945-1948 R.ichard Brandt,<br />

Goldbogen<br />

Abb. 35: Richard<br />

Brand! wurde<br />

1945 von der<br />

britischen Militärregierung<br />

zum<br />

Bürgermeister<br />

ernannt. Gleichzeitig<br />

wurde er als<br />

Amtsvorsteher des<br />

Amtes Aebtissinwisch<br />

eingesetzt.<br />

Er bereitete den<br />

Zusammenschluss<br />

der A'mter vor und<br />

war in der ersten<br />

Amtszeit Amtsvorsteher<br />

des Amtes<br />

Wilster-Land.<br />

Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister<br />

der Gemeinde Neuendorf<br />

....................................................................................<br />

Zeitraum Name<br />

1873-1900 A. Fink<br />

1900-1 906 H ofbesitzer<br />

H . Mohr, Hove<br />

1906-1921 Schuster<br />

C l. Heutmann<br />

1921- 1941 H ofbesitzer<br />

H . M . Rcese (sen.)<br />

1941- 1945 H ofbesitzer<br />

H .-M . Reese (j un.)<br />

1945-1947 Hofbesitzer<br />

R. Brandt, Goldbogen<br />

1947-1948 Hofbesitzer<br />

Joh. Solls, Vd.-N.dorf<br />

1948-195 1 Arbeiter<br />

W. Reckmann<br />

1951- 1977 H ofbesitzer<br />

H .-M . Reese (jun.)<br />

1977- 1990 H ofbesitzer<br />

R. Meiforrh, Averfleth<br />

1990- H ofbesitzer<br />

J. Reh der, Averflerh


L~ ,:.l Wou:-.~srn xno:\<br />

.~.J ............................................................................ ......................................................................................................................... , ............ .<br />

Abb. 36 (s.o.): Johannes Balls aus Vorder-Neuendorfwar von<br />

1947 bis 1948 Biirgermeiste1~ Nach ihm folgte Willi Reckmann<br />

(Abb. 37, s. u.) aus Hackeboe, Neuendorfs erster und bislang<br />

einziger sozialdemokratischer Bürgermeistet:<br />

WOHNSITUATION<br />

Eine Zählung aus dem Jahr 1860<br />

ergab für Neuendorf einen Bestand<br />

von 66 Höfen, 58 Kätnerstellen<br />

sowie 12 weitere Gebäude, in denen<br />

sich beispielsweise die Schulen,<br />

Schmiede, Mühle und dergleichen<br />

befanden. Durchschnittlich lebten<br />

in einem Gebäude 5-6 Personen. Ein<br />

Hof in Goldbogen beherbergte zum<br />

Beispiel mit dem Elternpaar, 7 Kindern<br />

und einem Dienstmädchen<br />

insgesamt 10 Personen. In der Regel<br />

setzte sich ein Familienhaushalt<br />

jedoch aus durchschnittlich 5<br />

Personen zusammen. 57<br />

Knapp 130 Jahre später beherbergt<br />

Neuendorf zwar nur noch gut die<br />

Hälfte der Einwohnerzahl, die Zahl<br />

der Gebäude hat sich hingegen<br />

kaum verändert. Ein Durchschnittshaushalt<br />

setzt sich in der heutigen<br />

Zeit aus lediglich 2-3 Personen<br />

zusammen. 5 8


.Gr~lf:.I. ::i.r:> .f:.' :PH~.'ß. 1 .i'!~~ .. ~.qr. . ~ .949. ................................................................................................................................................ ~.<br />

Die Gemeindevertreter seit 1949 59<br />

Gemeinde- Pa.rteizu-<br />

.... ........ :V.~~r.~~.~.r........... S.~.~.~r.~~!7.~~ +· .. ·''+~··.. +·'' .. c<br />

Beimgraben, Hermann CDU<br />

Bolls, Johannes FDP<br />

Brande R.ichard FDP<br />

Brande, Martin KWV<br />

Bucowicki, Bruno SPD<br />

Buse, Erwin<br />

CDU<br />

Egge, Norbert CDU<br />

Engel, Uwe<br />

CDU<br />

Fischer, H ans CDUil<br />

Fischer, Hans Manin CDU<br />

Haack, Heinrich FDP<br />

H aack, Uwe<br />

KWV<br />

Halmschlag, Willi CDU<br />

Heins, Max<br />

KWV<br />

Hüsch, Friedhelm KWV<br />

Janzen, Rudolf FDP<br />

Junge, Georg<br />

FDP<br />

Karstens, Gustav KWV<br />

Kowalewski, lrma SPD<br />

Kraushaar, Paul SPD<br />

Maaß, Ütto<br />

CDU<br />

Markstein, Sander SPD<br />

Marler, Peter<br />

SPD<br />

Meiforth, Richard CDU 21<br />

Meinke, Silke SPD<br />

Nagel, Hermann FDP<br />

Nagel, Hugo KWV<br />

Nagel, Wilhelm CDU<br />

Pieper, Wolfharde SPD<br />

Reckmann, Willi SPD<br />

Reese, Hans Max CDU<br />

Rehder, Johannes CDU<br />

Rehder, KJaus CDU 31<br />

Reimers, Johannes FDP<br />

Rohwedder, Gerd CDU 41<br />

Rohwedder, Gustav CDU<br />

Rose, Kurr<br />

CDU<br />

Schmidt, Nikolaus SPD<br />

Süß, Fritz<br />

BHE<br />

Thießen, Pranz CDU<br />

Thiessen, Jens KWV<br />

Timmermann, Heinz SPD<br />

Trapp, Emil<br />

BHE<br />

Wodtke, H erbere BHE<br />

Anzahl der Vertreter:<br />

Gemeindewahlen<br />

Abkürzungen:<br />

BHE=Block der<br />

Heimatvertriebenen<br />

und<br />

Entrechteten<br />

CDU= Christlich­<br />

Demokratische<br />

Union<br />

D= Deutsche<br />

Partei<br />

FDP=Freie<br />

Demokratische<br />

Partei<br />

KWV=Kommunale<br />

Wählervereinigung<br />

SPD=Sozialdemokratische<br />

Partei Deutschlands<br />

D Gemeindevertreter<br />

• stellvertr.<br />

Bürgermeister<br />

• Bürgermeister<br />

*) Überhangmandat<br />

1) Hans Fischer<br />

war zuerst in der<br />

FDP, wechselte<br />

jedoch später in<br />

die CDU.<br />

2) Richard Meiforth<br />

ist erst seit<br />

1955 Parteimitglied<br />

der CDU,<br />

zuvor war er<br />

Mitglied in der<br />

Deutschen Partei.<br />

3) Klaus Rehder<br />

trat erst zur<br />

Gemeindewahl<br />

1970 der CDU<br />

bei, zuvor war er<br />

in der Kommunalen<br />

Wählervereinigung.<br />

Fortsetzung siehe<br />

Textspalte auf der<br />

folgenden Seite.


.W. ......... ............................................... .... ......... ............... .......... ............................... ............ .... G.f:~).~!NP.~~Yf,RTl.tof;If:.R .. ~I!T . l9.49 .<br />

Abb. 38 (oben):<br />

Richard Meiforth<br />

aus Averjleth war<br />

in der Zeit von<br />

1977-1990 Bürgermeister<br />

von<br />

Neuendorf Sein<br />

Nachfolger wurde<br />

unser derzeitiger<br />

Bürgermeister<br />

Johannes Rehder,<br />

ebenfalls aus<br />

Averjleth kommend<br />

(Abb. 39).<br />

Fortsetzung:<br />

4) Gerd Rohwedder trat 1994 aus der<br />

CDU aus, blieb der Gemeindevertretung<br />

jedoch als parteiloses Mitglied erhalten.<br />

5) Johannes Balls verstarb I 949.<br />

6) Uwe Engel rückte I 972 for den verstorbenen<br />

Willi Halmschlag nach.<br />

7) 1987 schied Uwe Engel aus dem<br />

Gemeinderat aus.<br />

8) Für Rudolf Janzen folgte 1954 Hans<br />

Fischer.<br />

9) Heinrich Haack rückte 1950 für den<br />

verstorbenen Johannes Balls nach.<br />

10) Willi Halmschlag verstarb 1972.<br />

11) 1954 ist Rudo/f Janzen außerhalb des<br />

Gemeindegebietes verzogen.<br />

12) Georg Junge war der Nachfolger von<br />

Johannes Reimers.<br />

13) Peter Marter rückte for den ausgeschiedenen<br />

Willi Reckmann nach.<br />

14) Richard Meiforth wurde 1972 stellvertretender<br />

Bürgermeisterfür den<br />

verstorbenen Willi Halmschlag<br />

I 5) 1977 übernahm Richard Meiforth<br />

das Amt des Bürgermeisters von dem<br />

verstorbenen Hans Max Reese.<br />

16) Willi Reckmann wurde 1953 Nachfolger<br />

von Heinz Timmermann.<br />

17) 1974 schied Willi Reckmann aus dem<br />

Gemeinderat aus.<br />

I 8) 1977 kam Hans Max Reese bei einem<br />

tragischen Verkehrsunfallums Leben.<br />

19) Johannes Rehder rückte jiir den<br />

verstorbenen Franz Thiessen nach.<br />

20) 1977 wurde Klaus Rehder anstelle<br />

von Richard Me(forth stellvertretender<br />

Biirgermeistet:<br />

21) / 950 ist Johannes Reimers umgezogen.<br />

22) Gerd Rohwedder war der Nachfolger<br />

for den ausgeschiedenen Uwe Engel.<br />

23) Fritz Süß siedelte 1952 um.<br />

24) Franz Thiessen verstarb 1972.<br />

25) Heinz Timmermann war nach Nortotj<br />

umgezogen.<br />

26) Herber/ Wodtke war der Nachfolger<br />

von Fritz Süß. Als H erber! Wodtke<br />

jedoch 1954 ebenfalls verzog, gab es<br />

keine weiteren Listenbewerber des BHE,<br />

so dass die Gemeindevertretung 1954<br />

nur noch aus 10 Mitgliedern bestand.


N ECE:\'"DORF \'OR WÄHREND UND NACH DEM 2. WELTKRIEG ~ 71<br />

·································· '········· · ······ ······· ····· · · ·· · ··· · ···· · ······· · ·· · · · · · · · ······· · ··· · ···· · · · · · ··· · ··· · ············· · · ·· ··············· · ······· ···· ············ ········· ········· ···· · · ······ · ··~ -<br />

<strong>NEUENDORF</strong> VOR,<br />

WÄHREND UND NACH<br />

DEM 2. WELTKRIEG<br />

Die 30er und 40er Jahre stellen<br />

historisch betrachtet ein schwieriges<br />

Kapitel der deutschen Geschi chte<br />

dar. Auch in der Gemeinde<br />

Neuendorf ist dieser Abschnitt<br />

nicht unumstritten. Schon bald<br />

wurde mir bewusst, dass ich bei der<br />

Aufarbeitung dieses Zeitraumes<br />

äußerst behutsam vorgehen musste.<br />

Auf meine Fragen wurde mir<br />

wiederholt erklärt, dass die Menschen,<br />

vor allem die Bauern, nicht<br />

umhin konnten, die NSDAP zu<br />

unterstützen. Der Landwirtschaft<br />

ging es zu jener Zeit sehr schlecht,<br />

für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse<br />

gab es kaum Geld, Zwangsversteigerungen<br />

waren an der<br />

Tagesordnung. Immer weniger Menschen<br />

fanden Arbeit. War es da<br />

nicht verständlich, nach jedem<br />

Strohhalm zu greifen, der Rettung<br />

versprach? Ich weiß es nicht. Einerseits<br />

erscheint mir die Erklärung<br />

sehr plausibel, andererseits zu<br />

einfach, denn schon früh gab es<br />

Mahner, die vor dem Hitler-Regime<br />

warnten. Aber die Vorteile, die man<br />

erfuhr, sobald man sich nationalsozialistischen<br />

Gruppen oder der<br />

Partei anschloss, waren zu verlockend<br />

als dass man auf die ewigen<br />

Kritiker hören wollte. Und im<br />

Gegensatz zu heute hat man damals<br />

nicht gewusst, wohin das führen<br />

kann. So wurden beispielsweise die<br />

Parteimitglieder bei der Vergabe von<br />

Land in den neuen Kögen in Dithmarschen<br />

bevorzugt. Bestimmte<br />

Schlägertrupps kamen in den<br />

Genuss eines Automobils. Wer<br />

wollte da nicht gern zum Kreis der<br />

Auserwählten gehören? Und die<br />

ersten Monate und Jahre nach der<br />

Machtergreifung gaben ihnen ja<br />

auch scheinbar Recht. Über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen<br />

wurden<br />

die Menschen von der Straße<br />

geholt, viele Höfe wurden entschuldet<br />

und die Preise für landwirtschaftliche<br />

Erzeugnisse stiegen<br />

wieder. Verblendet von den nationalsozialistischen<br />

Parolen feierten<br />

alle den Anschluss Österreichs an<br />

das Deutsche Reich. Die Begeisterung<br />

hielt auch noch an, als Hitler<br />

in Polen einmarschierte und nach<br />

und nach weite Teile Europas<br />

besetzte. Erst mit der Niederlage vor<br />

Stalingrad setzte Ernüchterung ein.<br />

Viele sehnten das Kriegsende herbei<br />

und den meisten war bewusst, das<br />

Deutschland diesen Krieg verlieren<br />

würde. Doch durften sie dies nicht<br />

äußern. Das Nazi-Regime- anfangs<br />

von vielen begrüßt, da es Ordnung<br />

nach den Wirren der Weimarer Zeit<br />

versprach - hatte sich verselbstständigt.<br />

Jeder war auf der Hut, denn<br />

das rigorose Vorgehen gegen<br />

Andersdenkende war allgemein<br />

bekannt. So wandelte sich die<br />

Anfangseuphorie in Ernüchterung.<br />

Der Krieg verlangte viele Opfer von<br />

der Zivilbevölkerung, sowohl im<br />

öffentlichen Leben wie auch im<br />

privaten Bereich. Doch für Betroffenheit<br />

war es zu spät, die Zeit ließ<br />

sich nicht mehr zurückdrehen.<br />

Nach Kriegsende wollten viele<br />

nichts mehr damit zu tun haben<br />

und die meisten verdrängten diese<br />

Zeit, anstatt sich mit der Vergangenheit<br />

auseinander zu setzen. Deshalb<br />

können sie auch nur hilflos mit den<br />

Schultern zucken und auf die<br />

schlechten Zeiten verweisen, wenn<br />

die heutigen Generationen fragen,<br />

wie es dazu kommen konnte. Nach<br />

den vielen Gesprächen, die ich<br />

geführt habe, kann ich das durchaus<br />

verstehen, denn auch nach so<br />

Bevölkerungsenrwicklung<br />

seit<br />

1867<br />

J ahr Wohnbe-<br />

................. Y~.\~.~-~-~!~S" ..<br />

1867 750<br />

1871 770<br />

1875 720<br />

1880 684<br />

1885 647<br />

1890 654<br />

1895 716<br />

1900 75 1<br />

1905 678<br />

1910 681<br />

1919 71 3<br />

1925 640<br />

1933 626<br />

1939 680<br />

1946 1397<br />

1950 1162<br />

1956 658<br />

1961 586<br />

1970 494<br />

1980 441<br />

1990 390<br />

2000 393<br />

~<br />

~<br />

~<br />

~<br />

~<br />

~<br />

~<br />

~<br />

~<br />

§)<br />

~<br />

~<br />

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~<br />

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L~ ~~~<br />

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Der Begriff<br />

, Hitler-Jugend'<br />

bezeichnet sowohl<br />

die Jugendorganisation<br />

der Nationalsozialisten<br />

im<br />

Allgemeinen als<br />

auch die Gruppe<br />

der 14- bis<br />

18-jährigen Jungen.<br />

Abb. 40: Hans<br />

Meier, Knecht auf<br />

dem Hofder<br />

Familie Brandtin<br />

Goldbogen, hatte<br />

sich 193 7 von<br />

seinem Ersparten<br />

ein Motorrad<br />

gekauft. Hier<br />

macht er gerade<br />

eine Spritztour mit<br />

Richard Brandt.<br />

langer Zeit ist der Nationalsozialismus<br />

nicht auf eine einfache Formel<br />

reduzierbar. Zu emotional wird<br />

dieser Abschnitt der deutschen<br />

Geschichte betrachtet, als dass eine<br />

objektive Auseinandersetzung möglich<br />

wäre. Sehr leicht ist es aus<br />

heutiger Sicht, die vielschichtigen<br />

Beweggründe für das damalige<br />

Handeln zu verurteilen. Doch der<br />

Nationalsozialismus ist ein Kind<br />

jener gesellschaftspolitischen<br />

Umstände. Anstalt anzuklagen,<br />

sollten unsere und künftige Generationen<br />

vielmehr alles dafür tun,<br />

dass solche Verbrechen nie wieder<br />

vorkommen, nicht hier in Deutschland,<br />

aber auch nirgendwo anders<br />

auf der Welt.<br />

.............. ~~!.~~~-~J.~~~~~ ---····· ··· ...<br />

Schon früh setzten die Nationalsozialisten<br />

auf die Jugend und schufen<br />

mit der Hitler-Jugend (HJ) eine<br />

Organisation, in der die 10- bis 18-<br />

jährigen im nationalsozialistischen<br />

Sinn erzogen werden sollten.<br />

Bereits 1926 als ,Bund deutscher<br />

Arbeiterjugend' gegründet, veranstaltete<br />

diese Jugendorganisation -<br />

ebenso wie andere Jugendverbände<br />

auch - Fahrten, Zeltlager, Geländespiele<br />

und Heimabende. Nach der<br />

Machtergreifung 1933 wurden die<br />

anderen Jugendverbände jedoch,<br />

sofern sie nicht in der HJ aufgingen,<br />

verboten. 1936 wurde die HJ dann<br />

perGesetzzur Staatsjugend<br />

gemacht, wodurch die Mitgliedschaft<br />

zur Pflicht wurde. Die Jungen<br />

waren vom 10.-14. Lebensjahr im<br />

,Deutschen Jungvolk' und danach in<br />

der ,Hitler-Jugend'. Die 10-14-jährigen<br />

Mädchen bildeten den ,Jungmädelbund'<br />

und anschließend den<br />

,Bund Deutscher Mädel' (BDM),<br />

dessen Abkürzung Alma Schlüter<br />

scherzhaft mit "Bubi, drück mich"<br />

übersetzte.<br />

Die Jugendlichen der Gemeinde<br />

Neuendorf gehörten zum Fähnlein<br />

11418. Anfangs war die Elternschaft<br />

Neuendorfs nicht sehr angetan von<br />

dem Gedanken, dass ihre Kinder<br />

zweimal wöchentlich zum ,Dienst'<br />

nach Wilster sollten. Deshalb<br />

stimmten sie auf der Werbeveranstaltung<br />

vom 20. November 1935<br />

noch dagegen, ihre Kinder in die HJ<br />

zu geben. 60 Doch das Prinzip<br />

,Jugend muss durch Jugend geführt<br />

werden' sprach viele junge<br />

Menschen in ihrem Streben nach<br />

Selbstständigkeit und Selbstverwirklichung<br />

an und so trafen sich<br />

die Jungen jeweils Mittwoch und<br />

Sonnabend Nachmittag im


............... IIIIU:K-jl .................................................................................................................................................................................................. GE.'\"l><br />

...J!f::l.. _:-: _o\<br />

Abb. 41: Die S-Frauenschaft Neuendorf-Sachsenbande im Sommer 1938.<br />

Hintere Reihe (von links): Gretchen Schuld!, Magda Johannßen, Kata~·ine Dohrn,<br />

Emma Brand!, Grete Stockjleth, Erna Mölle1; Tine Behrens, ?, Frieda Hahn, Rosa<br />

Feldmann, Karo/ine Halmschlag, Line Möller, Amanda Lau, Marta Mohr<br />

Mifflere Reihe (von links): Berta Stuht; Anne Oehlers, Anna Holler, Dora Carstens,<br />

Anna Schwardt, Marta Wilstermann, Rosa Göftsche, Margarete Hanndo1f<br />

Untere Reihe (von links): Käte Sigura, Marta Möller, Louise Lau, ? Emma Reese, Elli<br />

Ramm, Marie Hinz<br />

Abb. 42: In dieser<br />

Tischdecke hat<br />

sich jedes Mitglied<br />

der NS-Frauenschaft<br />

über die<br />

Jahre mit einem<br />

selbstgestickten<br />

Motiv verewigt.<br />

,Dietrich-Klagges-Haus', dem<br />

Jugendheim der Nationalsozialisten<br />

in Wilster. Dort wurden Lieder<br />

gesungen und Spiele gespielt. In<br />

Kleve veranstalteten sie Geländespiele.<br />

Später in der Hitler-Jugend<br />

kamen lange Märsche und Wettkämpfe<br />

als vormilitärische Übungen<br />

hinzu. Das Gemeinschaftsgefühl<br />

und der Hauch von Abenteuer<br />

begeisterte die Heranwachsenden<br />

und die Erinnerung daran lässt<br />

noch heute die Augen einstiger<br />

Jugendlicher aufleuchten.


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DIE MOBILMACHUNG<br />

IM GEMEINDEGEBIET<br />

Bereits seit 1938 wurde Neuendorf<br />

für den Krieg gerüstet. An mehreren<br />

Stellen in der Gemeinde wurden<br />

Scheinwerfer installiert und Horchbatterien<br />

aufgestellt. Vom Erschein<br />

ungsbild den heutigen<br />

Satellitenschüsseln ähnlich, nur<br />

wesentlich größer, dienten sie dem<br />

Zweck, feindliche Flugzeuge au fzuspüren<br />

und am nächtlichen Himmel<br />

für die Flugaowehr (Flak) sichtbar<br />

zu machen. "3.3. 1943: Gegen 9 Uhr<br />

flog der Tommy zu seinem Angriff<br />

a uf Harnburg über unser Gebiet ein.<br />

Es waren auji·egende Stunden; ein<br />

Feuerzauber der zahlreichen Scheinwelfer<br />

+ Flak. Bomben fielen in<br />

unserer weiteren Umgebung. 2<br />

Abschüsse konnten von hier beobachtet<br />

werden. In allem: ein scha u­<br />

rig schönes Bild!" 61 Meist flogen die<br />

Flugzeuge aber zu hoch, als dass sie<br />

für die Kanonen erreichbar gewesen<br />

wären. Deshalb war die Zahl der<br />

tatsächlichen Abschüsse gering. Die<br />

Soldaten der Flugabwehr waren in 3<br />

Baracken in Averfleth untergebracht.<br />

Klammheimlich hatte die Mobilmachung<br />

begonnen. Johannes<br />

Brandt, Alma Schlüter und andere<br />

erinnern sich, wie ihren Vätern oder<br />

Ehemännern des Nachts Bescheid<br />

gegeben wurde, wo sie sich am<br />

nächsten Morgen einzufinden hätten,<br />

um an den Kriegsvorbereitungen<br />

teilzunehmen. Mit den<br />

Kriegserklärungen Großbritanniens<br />

und Frankreichs starteten die ersten<br />

gezielten Aktionen und Angriffe auf<br />

Deutschland. Bereits 193 9 wurde<br />

die Schleuse in Brunsbüttel bombardiert.<br />

Die Deutschen reagierten<br />

mit so genannten Fesselballons. Das<br />

waren große Ballons, an denen<br />

Sperrseile befestigt waren. Die<br />

ließen sie aufsteigen, sobald die<br />

ersten Flieger gemeldet wurden, um<br />

die im Kanal befindlichen Schiffe<br />

vor den alliierten Tieffliegern zu<br />

schützen.<br />

Im weiteren Verlauf des Krieges<br />

wurde die Bevölkerung angewiesen,<br />

gegen Abend sämtliche Fenster und<br />

Türen mit Dachpappen und Holzläden<br />

abzudunkeln. Selbst den Autoscheinwerfern<br />

und Fahrradlampen<br />

wurden sogenannte Blindkappen<br />

vorgesetzt, damit nur ei n winziger<br />

Lichtstrahl auf die Straße fiel. Diese<br />

Vorkehrungen sollten den alliierten<br />

Fliegern die Orientierung erschweren.<br />

Wachtmeister kontrollierten<br />

regelmäßig, ob diese Anweisungen<br />

befolgt wurden.<br />

Die ersten Schäden erlitt Neuendorf<br />

im Sommer 1941 , als abgeworfene<br />

Bomben tiefe Krater in die Fe ldmark<br />

rissen. Alliierte Bomber wollten<br />

sich auf dem Rückflug von<br />

ihren Angriffen auf Harnburg und<br />

Kiel von der unnötigen Last<br />

befreien, um so schneller aus dem<br />

Schussfeld der deutschen Flugabwehr<br />

zu entkommen. Auch in den<br />

folgenden Kriegsjah ren ,erleichterten'<br />

sich die alliierten Flieger über<br />

dem Gemeindegebiet, so dass<br />

damals fast jeder Landbesitzer einen<br />

,eigenen' Bombenkrater vorweisen<br />

konnte. "Heute Nacht [27.4.1944]<br />

um 1 1 / 2 Uhr fiel in unserem Orte a uf<br />

der Obersten Reihe auf dem Ackerland<br />

von Balls eine Bombe, wohl<br />

eine Luftmine. Die Bewohner wurden<br />

im Schlaf von dieser Untat<br />

überrascht +flogen entsetzt aus<br />

ihren Betten. Menschenleben sind<br />

Gott sei Dank nicht zu beklagen. Es<br />

wurden aber allerlei Sch äden angerichtet.<br />

Die in der Nähe der Wu rfstelle<br />

liegenden Häuser von Groth und<br />

Wilckens wurden bös zugerichtet.


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Das Gebäude von Wilckens war<br />

hinten eingeknickt. Fast jedes Haus<br />

im Dorf hatte irgendeinen Bombenschaden,<br />

sei es, daß Fensterscheiben<br />

oder Tiiren herausgeflogen waren,<br />

sei es, daß die Ziegeldächer abgedeckt<br />

+ hochgehoben waren oder<br />

dergleichen mehr. Im Schulhaus<br />

waren nach der Ostseite etliche<br />

Fensterscheiben heraus + die Ostseite<br />

des Daches teils abgedeckt oder<br />

hochgehoben. " 62<br />

Die vermehrten Fliegerangriffe<br />

bedeuteten für die Bevölkerung<br />

zusätzliche Strapazen. Tagsüber<br />

mussten sie ihre Arbeit unterbrechen,<br />

um vor den Fliegern<br />

Schutz zu suchen und nachts wurden<br />

die Menschen aus dem Schlaf<br />

gerissen. Schnell schlüpften sie in<br />

ihre Kleider und warteten in Jacke<br />

oder Mantel auf Entwarnung. Eine<br />

Tasche mit den wichtigsten Dokumenten<br />

stand immer griffbereit<br />

neben der Tür. Einen Schutzbunker,<br />

wohin die Einwohner hätten gehen<br />

können, gab es in der Gemeinde<br />

Neuendorf nicht.<br />

Gegen Kriegsende wurden die Tiefflieger<br />

auch zunehmend gegen die<br />

Zivilbevölkerung im ländlichen<br />

Raum eingesetzt. Viele berichteten,<br />

wie sie während eines Angriffs im<br />

Straßengraben Schutz suchen mussten.<br />

Der Bauer Hans Heutmann aus<br />

dem benachbarten Moorhusen kam<br />

bei einem solchen Angriff ums<br />

Leben. Er befand sich noch auf dem<br />

Feld, als Tiefflieger bei der Straßenüberführung<br />

in Moorhusen einen<br />

Zug angegriffen hatten. Heutmann<br />

war ins Schussfeld geraten, weil er<br />

bei Fliegeralarm nicht rechtzeitig<br />

nach Hause gegangen war. Eine<br />

besondere Tragik erfährt diese<br />

Geschichte vor dem Hintergrund,<br />

dass nur wenige Tage später der<br />

Krieg mit der bedingungslosen<br />

Kapitulation endete.<br />

Als sich das Kriegsende schon<br />

abzeichnete, hatte man noch neben<br />

Abb. 43: Einer der<br />

ersten Bombenkrater<br />

im Gemeindegebiet<br />

entstand zu<br />

Beginn der 40er<br />

Jahre, als die<br />

Eisenbahnbrücke<br />

über den Nord­<br />

Ostsee-Kanal<br />

bombardiert<br />

wurde. Von rechts:<br />

Gustav Karstens,<br />

Albert Karstens,<br />

Erna Karstens,<br />

Julius Holm,<br />

Heinrich Mohr,<br />

Heinrich Hintz; im<br />

Hintergrund die<br />

Wilster/Burger­<br />

Chaussee. Gustav<br />

Karstens hatte als<br />

Soldat extra<br />

Heimaturalub<br />

erhalten, um den<br />

Krater wieder zu<br />

verfiillen.


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Abb. 44: Frauen<br />

aus der Gemeinde<br />

besichtigen das<br />

Gefangenenlager<br />

in Wacken während<br />

des I. Weltkrieges.<br />

Die vier<br />

Damen sind Hefene<br />

Junge, Margarete<br />

Kloppenburg,<br />

Alma Heeckt<br />

sowie Emma<br />

Eggers.<br />

Abb. 45: Zur<br />

Erinnerung an den<br />

Deutsch-Französischen<br />

Krieg 1870-<br />

71 und die<br />

Fahnenweihe des<br />

Militärvereins<br />

NeuendorfSachsenbande<br />

wurde<br />

dieser Stein 1911<br />

in Sachsenbande<br />

eingeweiht.<br />

den Brücken der Wilster-Au Löcher<br />

gegraben und Munition deponiert,<br />

um durch gezielte Sprengungen<br />

dem ,Feind' ein Vorwärtskommen<br />

zu erschweren. Doch bis hierher<br />

drangen die Alliierten glücklicherweise<br />

nicht mehr vor, da die Kapitulation<br />

zu dem Zeitpunkt bereits<br />

unterzeichnet war.<br />

FLUGZEUGABSTURZ<br />

AM 31.12.1944<br />

Ein einschneidendes Ereignis innerhalb<br />

der Gemeinde im Zusammenhang<br />

mit dem zweiten Weltkrieg<br />

war der Flugzeugabsturz auf den<br />

Hof von Marlin Schlüter in Hinter­<br />

Neuendorf. Das war am 3 1. Dezember<br />

1944, nur wenige Monate vor<br />

Kriegsende. Im November hatte es<br />

starke Regenfälle gegeben und das<br />

Schöpfwerk in Averfleth konnte<br />

aufgrund des kriegsbedingten Kohlenmangels<br />

nicht pumpen, so dass<br />

Hinter-Neuendorf unter Wasser<br />

stand. Jedoch rechtzeitig zu Weihnachten<br />

hatte es kräftig gefroren, so<br />

dass der ganze Bereich eine einzige<br />

Eisfläche war. Die Kinder und<br />

Jugendlichen freuten sich riesig,<br />

konnten sie doch nun den ganzen<br />

Tag Schlittschuh laufen. Sogar aus<br />

Wilster kamen die Leute über das<br />

Eis gelaufen, um sich auf der großen<br />

Fläche zu tummeln. Albert<br />

Karstens erinnert sich , dass die


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Neben den<br />

Freundschaftsund<br />

Liebesbeziehungen<br />

war es<br />

zudem verboten,<br />

die Mahlzeiten<br />

zusammen mit den<br />

Gefangenen am<br />

selben Tisch<br />

einzunehmen. Im<br />

Allgemeinen<br />

hielten sich die<br />

Bauern aber nicht<br />

an diese Anordnung.<br />

Wenn Wachleute<br />

im Anmarsch<br />

waren, wechselte<br />

der Gefangene<br />

schnell an einen<br />

eigens dafor<br />

hergerichteten<br />

Tisch. Ertappte<br />

man sie dennoch,<br />

wurde der Gefangene<br />

kahl geschoren<br />

und die<br />

Bauernfamilie<br />

bestraft.<br />

KRIEGSGEFANGENE<br />

UND ZWANGSARBEIT<br />

Im Sommer 1940 wurden hier in<br />

der Gemeinde Neuendorf die ersten<br />

Kriegsgefangenen als landwirtschaftliche<br />

Arbeiter auf den Bauernhöfen<br />

eingesetzt, um die Arbeit der<br />

eingezogenen Söhne und Väter zu<br />

bewältigen. Den Bedarf an Arbeitern<br />

musste man beim Ortsbauernvorsteher<br />

beantragen. Die Gefangenen<br />

waren in der Durchfahrt der Gastwirtschaft<br />

,Zu m Handelshof untergebracht.<br />

Insgesamt beherbergte die<br />

Gemeinde Neuendorf etwa 30<br />

Gefangene, zunächst Polen, später<br />

Belgier und Franzosen. Früh morgens<br />

wurden die Gefangenen entweder<br />

von den Bauern abgeholt oder<br />

sie gingen selbst zu den Höfen und<br />

kehrten abends wieder zurück.<br />

Eingesetzte Wachleute beaufsich tigen<br />

das Lager und machten Kontrollgänge.<br />

Neben den Gefangenen wurden auf<br />

den Höfen auch Zivilisten beschäftigt.<br />

Dabei handelte es sich in der<br />

Regel um Zivilisten, die im Zuge<br />

der nationalsozialistischen Rassenpolitik<br />

aus den besetzten Gebieten<br />

verschleppt und zum Arbeitseinsatz<br />

in deutschen Betrieben (Industrie<br />

u nd Landwirtschaft) verpflichtet<br />

wurden.<br />

Bei Familie Schlüter in Hinter­<br />

Neuendorf arbeiteten beispielsweise<br />

ein ,Zivil-Pole' und ein ,Russenmädchen',<br />

die auch bei ihnen schlafen<br />

durften sowie anfangs zwei Belgier<br />

und später ein Franzose.<br />

Zu Moritz, dem Franzosen, entwickelte<br />

sich eine freundschaftliche<br />

Beziehung, die auch nach Kriegsende<br />

Bestand hatte. Das war nicht<br />

selbstverständlich, denn eigentlich<br />

waren Freundschafts- u nd Liebesbeziehungen<br />

zu den Gefangenen<br />

strengstens untersagt und Zuwiderhandlungen<br />

wurden schwer geahndet.<br />

Diese schmerzliche Erfahrung musste<br />

auch der Zivil-Pole machen, der<br />

heimlich eine Freundin in Averfleth<br />

hatte. Eines Abends lauerten ihm 3<br />

Männer aus der Gemeinde - als<br />

Wachmänner vom Krieg freigestellt,<br />

um innerhalb der Gemeinde nach<br />

dem Rechten zu sehen - hinter der<br />

Scheune auf und verprügelten ih n.<br />

So harmonisch das Verhältnis vielfach<br />

war, nicht überall erging es den<br />

Gefangenen gut. Hermann Beimgraben<br />

erinnerte sich, dass ein Gefangener<br />

in Dammfleth erschossen<br />

wurde, nur weil er sich mit einer<br />

polnischen Arbeiterin geneckt hatte.<br />

In einer anderen Gemeinde hatten<br />

Soldaten einen ,feindlichen' Piloten,<br />

noch am Fa llschirm hängend,<br />

erschossen, weil die Leute erbost<br />

darüber waren, dass die Alliierten<br />

alles zerbombt hatten. Deshalb<br />

wurden nach Beendigung des Krieges<br />

die einstigen Gefangenen in der<br />

Schule in Hackeboe gesammelt und<br />

möglichst schnell aus diesem Gebiet<br />

herausgeschafft, um eventuelle Vergeltungsanschläge<br />

zu verhindern.<br />

So wendete sich das Blatt. Die<br />

einstigen ,Herrschenden' waren nun<br />

die Besiegten. Viele deutsche Soldaten<br />

wurden in die Gefangenenlager<br />

Amerikas, Englands, Frankreichs<br />

und der Sowjetunion transportiert,<br />

um dort zu arbeiten. Auch in der<br />

Gemeinde Neuendorf mussten sich<br />

viele Familien gedulden, bis ihre<br />

Ehemänner, Väter und Söhne aus<br />

der Gefangenschaft zurückkehrten.<br />

Stellvertretend berichten Richard<br />

Meiforth und Klaus Rehder von<br />

ihrer Zeit in sowjetischer bzw.<br />

französischer Gefangenschaft.


'~~<br />

. ~f.~G:5G1i.l:t\N.G~.~ ~ .. P~P .. .Z~~N ~~~M!;.q ..................................................................................................................................... \~.<br />

Of'lag 83<br />

Verwltg.<br />

Tag der Auszahlung~~! •• ~~::.<br />

RM.-Auszahlungsliste<br />

~uer Lt. GUCClAROLI,Carmelo;Nr 30257<br />

F~pfangsbestaetigung<br />

entl. am 9•11.44 Arb.Amt Elmeh<br />

lt<br />

Otto Pranzenburg Achterhorn<br />

Richard Meiforth in sowjetischer<br />

Gefangenschaft<br />

Richard Meiforth, seit 1940 Soldat,<br />

war lange Zeit vor Leningrad stationiert<br />

gewesen. Estländer und Letten<br />

hatten sie damals begeistert empfangen,<br />

da diese zuvor sehr unter der<br />

sowjetischen Besetzung gelitten<br />

hatten. Doch seit 1944 befand sich<br />

seine Division auf dem Rückzug.<br />

Als sie im Oktober 1944 die ,Düna'<br />

bei Riga überquert hatten, wurden<br />

alle Brücken gesprengt, um den<br />

sowjetischen Truppen ein weiteres<br />

Vordringen zumindest zu erschweren.<br />

Hitler hatte sie darauf eingeschworen,<br />

im Kurland die Stellung<br />

zu halten, um die sowjetischen<br />

Truppen am Einmarsch in Ostpreußen<br />

zu hindern.<br />

Nach einer langen Urlaubssperre<br />

bekamen vor allem Heiratswillige<br />

im März 1945 noch einmal Urlaub.<br />

Richard Meiforth, der sich während<br />

des letzten Urlaubs im Jahr 1943<br />

verlobt hatte, trat seinen 10-tägigen<br />

Heimaturlaub zusammen mit<br />

10.000 anderen Soldaten an. Auf<br />

einem Frachter wurden sie von<br />

Libau nach Danzig gebracht. In<br />

Danzig angekommen, erreichte sie<br />

jedoch die Nachricht, dass die<br />

sowjetischen Truppen bis Danzig<br />

vorgedrungen seien, wodurch Ostpreußen<br />

vom restlichen Deutschland<br />

abgeschnitten war. Deshalb<br />

kehrte Richard Meiforth zu seiner<br />

Division im Kurland zurück, wo sie<br />

bis Kriegsende die Stellung hielten.<br />

Nach Unterzeichnung der Kapitulation<br />

am 8. Mai 1945 geriet Richard<br />

Meiforth in sowjetische Gefangenschaft.<br />

Er kam ins Gefangenenlager<br />

in Riga und musste im Hafen<br />

Schiffe be- und entladen. Im Sommer<br />

1945 erging es ihnen den<br />

Umständen entsprechend gut, zu<br />

der Zeit wurden sie noch von den<br />

Amerikanern mit Lebensmitteln<br />

versorgt. Als sich jedoch die Spannungen<br />

zwischen den Amerikanern<br />

und der Sowjetunion verschärften,<br />

verschlechterte sich die Ernährungssituation<br />

dramatisch. Meist<br />

Abb. 47: Carmelo<br />

Gucciaroli, ein<br />

italienischer<br />

Gefangener,<br />

musste während<br />

des 2. Weltkrieges<br />

als Hilfskraft auf<br />

dem Bauernhof<br />

von Familie<br />

Beimgraben in<br />

Averjleth arbeiten.<br />

Für die geleistete<br />

Arbeit erhielt er<br />

am 19. Februar<br />

1945 764,30<br />

Reichsmark.


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Abb. 48: Einen<br />

Wehrpass erhielten<br />

alle wehrfähigen<br />

Männer bis zur<br />

Vollendung des 60.<br />

Lebensjahres.<br />

Hierin wurden<br />

neben den persönlichen<br />

Daten wie<br />

Name, Anschrift<br />

und Geburtsdatum<br />

alle Daten, die<br />

den aktiven Wehrdienst<br />

betrafen wie<br />

beispielsweise<br />

Kriegsbeorderungen,<br />

Übungen und<br />

dergleichen<br />

notiert.<br />

gab es Erbsensuppe, die ohne Einlagen<br />

hauptsächlich aus Wasser<br />

bestand. Geschlafen haben sie sommers<br />

wie winters auf den kalten<br />

Betonfußböden. Ausgemergelt und<br />

für die winterlichen Temperaturen<br />

nicht entsprechend gekleidet, überlebten<br />

viele seiner Kameraden diese<br />

Zeit nicht.<br />

Daheim quälte seine Familie und<br />

seine Verlobte, Käthe Feldhusen,<br />

lange Zeit die bange Frage, ob er<br />

noch am Leben sei. Erst im September<br />

1946 erhielten sie ein Lebenszeichen.<br />

Richard Meiforth war es<br />

gelungen, einem finnischen Seemann<br />

einen Brief an seine Familie<br />

mitzugeben, den dieser im Kieler<br />

Hafen mit der Bitte abgab, ihn<br />

weiterzuleiten. Ab 1947 durften sie<br />

dann offiziell einmal im Monat eine<br />

Karte mit maximal 25 Wörtern nach<br />

Hause schreiben. Auf einer gleichen<br />

Karte konnte ihm seine Familie mit<br />

gerade mal 25 Worten antworten,<br />

ebenfalls nur einmal im Monat. Am<br />

25. Oktober 1948 kehrte er dann aus<br />

der russischen Gefangenschaft<br />

zurück und konnte im darauffolgendem<br />

Jahr mit vierjähriger Verspätung<br />

endlich heiraten.<br />

Im Nachhinein ist er sich sicher,<br />

dass er nicht nach Russland zurückgekehrt<br />

wäre, wenn er damals, im<br />

März 1945, bis nach Hause durchgekommen<br />

wäre. Den meisten Soldaten<br />

war wohl seit der Niederlage<br />

bei Stalingrad Anfang des Jahres<br />

1943 bewusst, dass Deutschland<br />

den Krieg verlieren würde. Nur dass<br />

es noch so lange dauern würde,<br />

damit hatten sie nicht gerechnet.<br />

Schon gar nicht hätten sie diese<br />

Gedanken laut äußern dürfen, weil<br />

man sie sonst vor das Kriegsgericht<br />

gestellt hätte, was einer Exekution<br />

gleichkam. Sogar wenige Wochen<br />

vor Kriegsende gab es noch Unteroffiziere,<br />

die entsprechende Äußerungen<br />

ahnden wollten.<br />

Klaus Rehder in französischer<br />

Gefangenschaft<br />

Ähnliches berichtet Klaus Rehder<br />

aus Wilster, ehemals Averfleth, der<br />

als Soldat in einer Eingreiftruppe<br />

gedient hatte. Soldaten, die noch<br />

während des Rückzuges ihre Waffen<br />

von sich warfen, um sich den Alliierten<br />

zu ergeben, wurden sogleich<br />

auf dem Schlachtfeld als Deserteure<br />

verurteilt und erhängt. Diese rüde<br />

Praxis der Hinrichtung erlebte Klaus


.~H\G.$.~!;'.1.'t~.~.G!;'.~!;' .. F~Q .. Z.W.ru~~~.(\@.~.IT ...................................................................................................................................... W..<br />

Rehder schon 1942 in seiner Kaserne<br />

in Bremen. Er war als 18-jähriger<br />

gerade einberufen worden und mit<br />

ihm zusammen viele andere junge<br />

Männer aus Schleswig-Holstein und<br />

Ostfriesland. Am Morgen des 24.<br />

Dezember 1942 wurde ein Kamerad<br />

hingerichtet, weil er Fahnenflucht<br />

begangen hatte. Dazu hatte man ein<br />

Kommando von 10 Mann zusammengestellt<br />

und bereits geladene<br />

Gewehre ausgehändigt. Die<br />

Hälfte diese Gewehre war mit Platzpatronen<br />

und die andere Hälfte mit<br />

scharfer Munition geladen. Die<br />

Soldaten wussten nicht, welche<br />

Gewehre mit scharfer Munition<br />

geladen waren. Dies hatte zweierlei<br />

Gründe: Zum einen soll ten die<br />

Soldaten von dem Schuldgefühl<br />

entlastet werden, einen Kameraden<br />

erschossen zu haben und zum<br />

anderen wurden die Soldaten so<br />

gezwungen, auch wirklich auf den<br />

Verweigerer und nicht absichtlich<br />

daneben zu schießen. Denn wäre<br />

das Kommando nicht ,erfolgreich'<br />

gewesen, d. h. der Verweigerer wäre<br />

nach Ausführung des Erschießungsbefehls<br />

nicht tödlich getroffen, hätte<br />

man diese Soldaten als nächstes zur<br />

Verantwortung gezogen.<br />

Klaus Rehder wurde noch vor<br />

Kriegsende von den Amerikanern in<br />

Gefangenschaft genommen, später<br />

aber den Franzosen überstellt. Dort<br />

arbeitete er als Köhler. Anfangs<br />

wurden sie dort sehr schlecht<br />

behandelt. Sie bekamen wenig zu<br />

essen und einige seiner Kameraden<br />

wurden ohne Angabe von Gründen<br />

zusammengeschlagen. Als dies ein<br />

älterer Aufseher erfuhr - er war in<br />

deutscher Gefangenschaft gewesen<br />

und dort gut behandelt worden-,<br />

setzte er sich dafür ein, dass man<br />

die deutschen Soldaten ebenfalls<br />

gut behandelte. Später erkrankte<br />

Klaus Rehder schwer, so dass er in<br />

ein Lazarett verlegt werden musste.<br />

Als das Lazarett geräumt wurde,<br />

wurde er entlassen und so konnte er<br />

bereits Ende Juli 1946 nach Hause<br />

zurückkehren.<br />

Abb. 49: Sobald<br />

die wehtfähigen<br />

Männer als Soldaten<br />

eingesetzt<br />

wurden, mussten<br />

sie zur Legitimation<br />

immer das<br />

Soldbuch in der<br />

Rocktasche bei<br />

sich fUhren.


~~ ~ ~J ENTNAZIHZIER!JNG VON HANS-MAX R EESE lf.-\CKioBOE<br />

.~~ .................................................................................................................................................................................................................. .<br />

in fünf Kategorien eingestuft:<br />

Hauptschuldige, Belastete (Aktivisten),<br />

Minderbelastete, Mitläufer und<br />

Entlastete. Den in die drei ersten<br />

Kategorien Eingestuften drohten<br />

Strafen von der Einweisung in ein<br />

Arbeitslager (bis zu zehn Jahren)<br />

über Berufsverbot, Amtsverlust oder<br />

Pensionsverlust bis zur Aberkennung<br />

des aktiven und passiven<br />

Wahlrechts; für Mitläufer waren<br />

Geldbußen vorgesehen. Die oft<br />

wi llkürlich erscheinenden Entscheidungen<br />

der Spruchkammern riefen<br />

Unmut in der Bevölkerung hervor,<br />

auch bei erklärten Nazigegnern. Mit<br />

Beginn des Kalten Krieges wurde<br />

die Entnazifizierung eingestellt und<br />

1949 sind in allen Ländern der<br />

Bundesrepublik Entnazifierungs­<br />

Schlussgesetze erlassen worden.<br />

Abb. 50: Gustav<br />

Tobias aus Hinter­<br />

Neuendorf war<br />

einer der letzten<br />

Heimkehrer, deren<br />

Rückkehr Bundeskanzler<br />

Adenauer<br />

1955 bei seinem<br />

Besuch in Moskau<br />

erwirkt hatte.<br />

Über ein Jahrzehnt<br />

war er in<br />

sowjetischer<br />

Gefangenschaft<br />

gewesen, davon<br />

hatte er 7 Jahre<br />

mit Typhus und<br />

Malaria im Lazarett<br />

verbracht. Die<br />

Fotografie zeigt<br />

ihn bei seiner<br />

Ankunft am Hamburger<br />

Hauptbahnhof<br />

zusammen mit<br />

seiner Tochter<br />

Erika, die er<br />

zuletzt als 4-<br />

jährige gesehen<br />

hatte.<br />

ENTNAZIFIZIERUNG<br />

voN IIANs-MAx<br />

........ ~~~·~·'·· .. ~~.~.~9.~ ....... ..<br />

Die sogenannte ,Entnazifizierung'<br />

war von den alliierten Siegermächten<br />

auf der Konferenz von Potsdam<br />

(1 7. Juli bis 2. August 1945)<br />

beschlossen und im Potsdamer<br />

Abkommen festgelegt worden.<br />

Durch sie sollte die Umgestaltung<br />

des politischen Lebens auf demokratischer<br />

Grundlage eingeleilet<br />

werden. Dazu wurde die NSDAP<br />

aufgelöst und die Anhänger des<br />

Nationalsozialismus wurden aus<br />

allen öffentlichen und halböffentlichen<br />

Ämtern sowie aus<br />

verantwortlichen Posten der Privatwirtschaft<br />

entfernt. Mit Deutschen<br />

besetzte Spruchkammern und Berufungskammern<br />

wickelten die Entnazifizierungsverfahren<br />

gerichtsförmig<br />

ab. Die Betroffenen mussten einen<br />

Fragebogen, der 131 Fragen enthielt,<br />

beantworten. Daraufhin wurden sie<br />

In sei.ner Funktion als NSDAP­<br />

Ortsgruppenleiter Neuendorfs seit<br />

1931 war Hans Max Reese am 22.<br />

August 1945 inhaftiert worden .<br />

Zunächst befand er sich im Internierungslager<br />

in Glückstadt, später<br />

wurde er nach Neumünster verlegt<br />

und zum Schluss war er in einem<br />

Internierungslager in der Nähe von<br />

Paderborn (Eselheide)<br />

untergebracht. Sein Entnazifizierungsverfahren<br />

wurde vor der<br />

Spruchkammer in Bielefeld verhandelt.<br />

Dort musste er zu verschiedenen<br />

Punkten Stellung beziehen,<br />

beispielsweise hinsichtlich seiner<br />

Kenntnis über die 'Germanisierung'<br />

in den besetzen Gebieten sowie<br />

über die Behandlung von Juden,<br />

Fremdarbeitern, Kriegsgefangenen<br />

und feindlichen Piloten. Zu seiner<br />

Entlastung durfte er verschiedene<br />

Personen aus der Gemeinde benennen,<br />

die in einer Eidesstattlichen<br />

Erklärung die Richtigkeit seiner<br />

Aussagen bestätigen. Im folgenden<br />

ein paar Auszüge:


f;:\l.;\ ..\tt. !: !!.!f; I~.\ ..:-.~!.. ~ .~1.~ . JL\~5.7M.,\~ .. ~~g, .. ~\~;~~;npr ........................................................................................................ ~.<br />

1. Schumachermeister Julius Halmschlag<br />

aus Hackeboe (seil1935<br />

NSV): ,.Er hol mich politisch nicht<br />

im geringsten zu beeinflussen versucht.<br />

Er war überhaupt kein fanatischer<br />

Pg. [Parteigenosse] Die<br />

Kriegsgef und Fremdarb., die bei<br />

Herrn Rcese beschäftigt waren, ...<br />

waren sehr zufrieden mit Behandlung,<br />

Verpflegung u.s.w . ... In der<br />

Gemeinde war Herr Reese allgemein<br />

beliebt, auch bei Parleigegnern ...<br />

Der Vater des Herrn Reese war viele<br />

fahre Bürgermeister. Auf seinen Sohn<br />

ist offenbar die Begabung, ein öffentliches<br />

Amt zu führen, übergegangen.<br />

So erklärt sich, dass man ihn zum<br />

Ortsgruppenleiter bestimmt hat."<br />

(16.6.1947)<br />

2. Bauer Johannes Karslens aus<br />

Hackeboe (seil 1931 Mitglied in der<br />

NSDAP und NSKOV [NS-Kriegsopferversorgung]:<br />

,.Nach meiner Überzeugung<br />

ist Herr Reese nur aus<br />

wirtschaftlichen Gründen der<br />

NSDAP beigetreten, weil er von<br />

dieser Partei eine Rettung der Landwirtschaft<br />

aus ihrer schweren Krise<br />

erhoffte. Sehr viele Bauern gingen<br />

aus diesen Gründen zur NSDAP"<br />

(16.6.1947)<br />

3. Arbeiter Johannes Schwardt aus<br />

Hackeboe (DAF, Deutsche Arbeitsfront<br />

NSKOV): ,.Herr Reese hat nie<br />

auf mich einen Druck ausgeübt, der<br />

NSDAP beizutreten. [Die Kriegsgefangenen<br />

auf dem Hof des Herrn<br />

Reese] konnten sich in ihrer Freizeit<br />

frei bewegen . ... Es ist m. W niemand<br />

aus der Gemeinde angezeigt<br />

worden oder in politische Haft<br />

gebracht worden. Er hielt nur wenige<br />

Versammlungen ab. In dieser Beziehung<br />

tat er nur das, was von oben<br />

befohlen war. Er hat dabei nur wenig<br />

gesprochen. Die Reden hielt<br />

meistens der Lehrer Fronzenburg<br />

[Lehrer an der Schule in Vorder­<br />

Neuendorf, 1934-1945]." (16.6.1947)<br />

4. Amtsvorsteher Richard Brandt<br />

aus Goldbogen: ,.Die ausländischen<br />

Zivilarbeiter haben mir vor der<br />

Kapitulation wiederholt ihre Sorgen<br />

und Nöte vorgetragen. Dabei sind<br />

nie Klagen über Herrn Reese laut<br />

geworden. Es sind in der Gemeinde<br />

Neuend01f keine feindlichen Flieger<br />

notgelandet oder abgesprungen."<br />

(16.6.1947)<br />

5. Bürgermeister Johannes Balls (ein<br />

Jahr Mitglied der NSDAP, 1932<br />

Parteiaustritl): ,.Nach der Kapitulation<br />

haben hier im Schulhaus mehrere<br />

Hochzeiten stattgefunden. Die<br />

Fremdarbeiter haben zu dieser Feier<br />

die Arbeitgeber eingeladen. Diese<br />

nahmen auch daran teil. Schon<br />

diese Tatsache beweist das beste<br />

Einvernehmen zwischen Kriegsgefangenen<br />

und Einheimischen."<br />

(16.6.1947)<br />

6. Schlosser Johannes Sötje aus<br />

Hackeboe (zwangsweise DAF): ,.Von<br />

Letzteren [Einwohner, die nicht der<br />

Partei angehörten] haben mir einige<br />

erklärt, dass sie, falls Herr Reese<br />

wieder zur Wahl gestellt würde, ihm<br />

wieder ihre Stimme geben würden."<br />

(16.6.1947)<br />

Aufgrund der Beweislage wurde<br />

Hans Max Reese am 14. November<br />

1947 zu einer Gefängnisstrafe von 5<br />

Monaten verurteilt, die er jedoch<br />

mit seinem Aufenthalt in den verschiedenen<br />

Internierungslagern<br />

bereits verbüßt hatte.


.UJ) .................. ...... ........ ................... ............... ................................................................. ................................. ............. f!J'.C ! .f.'f!:! .~ M !;.<br />

Abb. 51: Hans­<br />

Max Reese zusammen<br />

mit seiner<br />

Frau Emma im<br />

Jahre 1962.<br />

FLÜCHTLINGE<br />

Bei den ersten Flüchtlingen, die in<br />

der Gemeinde Neuendorf einquartiert<br />

wurden, handelte es sich um<br />

Einwohner Hamburgs. Englische<br />

Flieger hatten bei einem Großangriff<br />

in der Nacht vom 24. auf den 25.<br />

Juli 1943 und in der darauffolgenden<br />

Nacht die Hansestadt innerhalb<br />

weniger Stunden in Schutt und<br />

Asche gebombt. Am 27. Juli 1943<br />

trafen um 10 Uhr abends die ersten<br />

Bombengeschädigten ein. An den<br />

folgenden Tagen verstärkte sich der<br />

Zustrom, so dass schon bald sämtliche<br />

Quartiere in der Gemeinde<br />

belegt waren. Als sich die Lage den<br />

Umständen entsprechend wieder<br />

beruhigt hatte, kehrten sie nach


. f!,('.~'rn .. ~.~0.!; ........................................................................................................................................................................................ ::za.<br />

Harnburg zurück.<br />

Gegen Kriegsende begann dann der<br />

Flüchtlingsstrom aus den ehemaligen<br />

deutschen Ostgebieten, der die<br />

Einwohnerzahlen Neuendorfs innerhalb<br />

kürzester Zeit verdoppelte und<br />

die westlichen Besatzungsmächte<br />

hinsichtlich Versorgung und Unterbringung<br />

vor fast unlösbare Aufgaben<br />

stellte. Ehrenamtliche<br />

Flüchtlingsbetreuer nahmen sich<br />

dieser Neuankömmlinge an und<br />

kümmerten sich um deren Unterbringung<br />

und Versorgung.<br />

Im März 1945 trafen die ersten<br />

Flüchtlingsfamilien in Neuendorf<br />

ein. Stellvertretend für all jene<br />

berichtete Irmgard Patzies aus<br />

Vorder-Neuendorf über die Erlebnisse<br />

während ihrer Flucht.<br />

Irmgard und Ewald Patzies stammen<br />

aus Kussen. Einst ein 700-Seelen­<br />

Dorf im Grenzkreis Schlossberg in<br />

Ostpreußen, heute nahezu unbewohnt.<br />

Dort besaßen sie einen<br />

kleinen Hof von 18 Hektar Land mit<br />

ein paar Kühen, Schweinen und<br />

zwei Arbeitspferden.<br />

1941 hatten sie geheiratet. Das<br />

GI ück währte jedoch nicht lange,<br />

denn schon bald wurde Ewald<br />

Patzies einberufen. Derweil bewirtschaftele<br />

seine Frau den Hof allein.<br />

Bis zum August 1944 blieb Ostpreußen<br />

weitgehend vom 2. Weltkrieg<br />

verschont. Im Oktober drangen die<br />

Sowjets jedoch bis zur Grenze vor.<br />

Des Nachts war der Himmel vom<br />

nahen Kanonenfeuer hell erleuchtet<br />

und Familie Patzies musste zum<br />

ersten Mal fliehen. Den Wagen mit<br />

dem Nötigsten beladen, flüchtete<br />

Irmgard Patzies mit ihren zwei<br />

Söhnen Karl (2 1 /z Jahre) und Klaus<br />

(9 Monate) in den Kreis Wehlau, wo<br />

sie in Grünhain bei einem Gutsherrn<br />

Unterschlupf fanden. Dort<br />

lebten sie knapp 3 Monate. Ewald<br />

Patzies, der im Krieg seinen rechten<br />

Arm verloren hatte, ließ sich aus<br />

dem Lazarett entlassen und kam zu<br />

ihnen nach Grünhain. Hin und<br />

wieder fuhren sie heim, um von<br />

ihren Wintervorräten Futter für die<br />

Pferde zu holen. Doch noch innerhalb<br />

dieser drei Monate zerstörten<br />

Bomben das Anwesen in Kussen.<br />

Am 20. Januar 1945 befahl dann der<br />

Kreisbauernführer, Grünhain zu<br />

verlassen, um nach Westen zu fliehen.<br />

Da die sowjetischen Truppen<br />

sie bereits eingekreist hatten, konnten<br />

sie nur entlang der Küste entkommen.<br />

Bei Königsberg mussten<br />

Abb. 52: Der Hof<br />

von Familie<br />

Patzies in Kussen<br />

(ehemals Ostpreußen)<br />

vor<br />

seiner Zerstörung<br />

Ende 1944.


.~ ........................................................................................................................................................................................ f! ,~)Q.\'.I:!J::-!~~f.<br />

Die Volkszählung<br />

vom l . II.l946<br />

ergab for Neuendorf<br />

eine Einwohnerzahl<br />

von 1.387<br />

Personen, davon<br />

waren 644 Personen,<br />

also knapp<br />

die Hälfie Flüchtlinge<br />

und Ausgebombte.69<br />

sie das ,Frische Haff' überqueren.<br />

Zum Glück war das Eis dick genug,<br />

um sie samt Pferd und Wagen zu<br />

tragen, dennoch war die Überquerung<br />

des Haffs riskant, da sie statt<br />

einer einzigen riesigen Eisfläche,<br />

viele kleine Eisschollen überqueren<br />

mussten. Auf der anderen Seite ging<br />

es entlang der Ostseeküste weiter.<br />

Ganze Dörfer, Städte und Landkreise<br />

befanden sich auf der Flucht vor<br />

der sowjetischen Armee und zogen<br />

gen Westen. Zigtausende Menschen<br />

passierten Tag für Tag die Orte. Die<br />

,Trecks' wurden den so genannten<br />

,Verpflegungs-Stationen' vorher<br />

angekündigt, damit genügend<br />

Schlafplätze, Lebensmittel und<br />

Futter für die Pferde zur Verfügung<br />

standen. In den Orten angekommen,<br />

wurden ihnen Unterkünfte zugewiesen.<br />

Meist schliefen sie bei einem<br />

Bauern im Stall zwischen den Kälbern<br />

und Schafen. Einer musste<br />

jedoch immer beim Wagen bleiben,<br />

um auf die Pferde aufzupassen.<br />

Natürlich blieben unter diesen<br />

Umständen Krankheiten nicht aus<br />

und sehr viele Menschen, vor allem<br />

Alte, Kranke und Kleinkinder fielen<br />

den Seuchen zum Opfer. Unzählige<br />

Tote säumten den Weg; zurückgelassen<br />

ohne Begräbnis, da der Boden<br />

tief gefroren war. So trafen sie nach<br />

zwei Monaten vollkommen entkräftet<br />

und verlaust, ansonsten aber<br />

gesund in Itzehoe ein. Dort wurden<br />

sie vom Deutschen Roten Kreuz in<br />

Empfang genommen und zunächst<br />

entlaust. Am 24. März 1945 wurden<br />

sie der Familie Wilde in Averfleth<br />

zugewiesen, wo es ihnen sehr gut<br />

erging. Mit ihren zwei Kindern<br />

waren sie in der Vordiele untergebracht.<br />

Da der Familie Wilde selbst<br />

nur 2 Räume zur Verfügung standen,<br />

blieben sie die einzige Flüchtlingsfamilie<br />

auf diesem Hof. Schnell<br />

wurden sie in die Dorfgemeinschaft<br />

integriert. Ewald Patzies arbeitete<br />

bei den Bauern vor Ort und Irmgard<br />

Patzies half gelegentlich der Familie<br />

Asmus, als diese noch die Gaststätte<br />

,Zum Dückerstieg' betrieb. Nach 10<br />

Jahren kauften sie sich vom mühsam<br />

Ersparten ein altes Haus in<br />

Vorder-Neuendorf. Zu dem Zeitpunkt<br />

lebten dort noch 28 andere<br />

Flüchtlinge, doch nach und nach<br />

siedelten diese um und so konnten<br />

sie bald ihr neues Zuhause herrichten.<br />

So wie bei Familie Wilde in Averfleth<br />

wurden die Flüchtlinge in<br />

allen zur Verfügung stehenden<br />

Quartieren untergebracht. Teilweise<br />

in Ställen, öffentlichen Gebäuden<br />

und sonstigen Räumen, die sich<br />

dafür eigneten oder auch weniger<br />

eigneten, lebten die Alteingesessenen<br />

und Neuzugezogenen eng beieinander.<br />

In den kleinsten Kammern<br />

fanden ganze Familien Platz. Es gab<br />

weder Wohn-, noch Schlaf- oder<br />

Kinderzimmer. Lediglich die Anzahl<br />

der Räume diente als Auswahlkriterium,<br />

wenn es darum ging, weitere<br />

Flüchtlingsfamilien auf den Höfen<br />

unterzubringen. In einer Volkszählung<br />

von 1946 wurde neben der<br />

Einwohnerzahl auch die Wahnraumsituation<br />

erfasst. In der<br />

Gemeinde Neuendorf wohnten zu<br />

der Zeit durchschnittlich 2,3 Personen<br />

in jedem Raum. Damit lag<br />

Neuendorf über dem Kreisdurchschnitt<br />

von 1,7 Personen je verfügbarem<br />

Wohnraum. Ein Schulaufsatz<br />

aus dem Jahr 1956 gibt beispielhaft<br />

einen Einblick in die Wohnsituation<br />

der Nachkriegsjahre:<br />

"Im April1945 wurde Frau Kemka<br />

aus Ostpreußen mit zwei Kindern bei<br />

Nikolaus Meiforth aus Averfleth im<br />

Altenteil einquartiert. Als dann im<br />

Herbst 1945 Herr und Frau Uhlmann<br />

ebenfa lls mit zwei Kindern


.f!,~'.Q.~I!:~.~Y.~ .............. ......................................................................................................................................................................... .?J..~.<br />

9..~.rn.:~_i _l1.~.~- : ..... .. .. L.J.~.{ ..... l. .~ ...... C:.tJ::.?:.k. ..<br />

District:<br />

Kreis Steinburg<br />

•<br />

Buchdruckerei .E...m...u....F r---e...e ._.••..___<br />

Jbehoe, Lindenstraße 1<br />

Fernruf 2686<br />

' ·".<br />

~.Wi;~,?;;;,,,<br />

Vorläufiger<br />

Ausweis<br />

Preliminary<br />

Identity Certificate<br />

Nr. ~---<br />

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irgendwo untergebracht werden<br />

mußten, bekamen sie eine Stube im<br />

Altenteil zugewiesen. Vorher hatten<br />

sie in einem Kuhschauer gewohnt;<br />

wenn man es wohnen nennen kann.<br />

Im Dezember 1945 kam Herr Hansen<br />

mit seiner Frau aus Thüringen.<br />

Sie wurden für kurze Zeit notdürftig<br />

in der Knechtkammer untergebracht.<br />

Im Dezember zogen ein alter, fast<br />

blinder Mann mit seiner Frau, seiner<br />

Tochter, seinem Schwiegersohn und<br />

Enkel bei Meiforth ein. Sie hießen<br />

Trowinluk. Acht Tage wohnten sie<br />

dort. Sie schliefen auf dem Flur auf<br />

einem Strohlager. Als im März 1946<br />

Kar] Liske mit seiner Frau kam, war<br />

das Haus schon besetzt. Sie mußten<br />

daher auf der Diele schlafen. Im<br />

VVI'nter, als es dann z u kalt wurde,<br />

mußten sie ein fahr lang mit einem<br />

Quartier im Pferdestall vorlieb nehmen.<br />

Die Wände hatten sie mit Stroh<br />

dichtgestopft So hatten sie es wenigstens<br />

warm. Im Mai 1946 wurde<br />

Familie Vollmer aus Pommern mit<br />

fünf Personen auf dem Meiforthschen<br />

Hof untergebracht. Etwas<br />

später auch Frau Ebert mit drei<br />

Kindern aus Pommern und Frau<br />

Maleyka aus Pommern. Sie wohnten<br />

im Altenteil. Im Mai 1948 kamen<br />

Herr Kemka und Herr Maleyka aus<br />

der Gefangenschaft. Kurze Zeit<br />

wohnte auch noch Frau Häusler mit<br />

ihrer Schwester und Herrn Dieckhoff<br />

bei Meiforth. Alle Zimmer waren<br />

besetzt."<br />

So war es ein ständiges Kommen<br />

und Gehen. Für die meisten Flüchtlingsfamilien<br />

war Neuendorf nur<br />

eine Zwischenstation, bis sie im<br />

Ruhrgebiet oder in anderen großen<br />

Städten Arbeit und Unterkunft<br />

fanden. Anfang/Mitte der 50er Jahre<br />

entspannte sich die Wohnsituation<br />

zusehends und langsam kehrte man<br />

zu den normalen Verhältnissen<br />

zurück.<br />

VON HAMSTER­<br />

FAHRTEN UND<br />

EINHEITSSCHWEINEN<br />

Neben der Unterbringung hatte die<br />

Ernährung und Versorgung oberste<br />

Priorität. Schon während des Krieges<br />

waren viele Dinge nicht vorrätig<br />

oder schwer zu beschaffen. Im<br />

Winter gab es weder Kohlen noch<br />

Briketts zum Heizen, es fehlte an<br />

Kleidung bzw. Stoffen zum Nähen,<br />

selten konnte man Seife oder dergleichen<br />

kaufen und Schokolade<br />

und Orangen hatten viele Kinder<br />

noch nie gekostet. In den Wintermonaten<br />

konnten einige Kinder<br />

nicht am Schulunterricht teilnehmen,<br />

weil sie keine Schuhe hatten.<br />

Die ersten langen Hosen gab es<br />

sowieso erst zur eigenen Konfirmation.<br />

Bis dahin trugen die Jungen<br />

handgestrickte Strümpfe, die mit<br />

Strumpfbändern festgemacht wurden.<br />

Da es an Knöpfen mangelte,<br />

verwendete man stattdessen Pfennige,<br />

mit denen man die wollenen<br />

Socken am Strumpfhalter befestigte.<br />

Hermann Beimgraben erinnerte<br />

sich, wie seine Mutter aus einer<br />

,Hakenkreuz-Fahne' einen Rock und<br />

eine Bluse nähte. Seife wurde aus<br />

verendeten Tieren hergestellt, Sirup<br />

wurde aus Zuckerrüben gekocht<br />

und die Milch wurde zu Butler<br />

geschlagen, was eigentlich strengstens<br />

verboten war. Denn grundsätzlich<br />

waren die Bauern dazu<br />

verpflichtet, sämtliche Erzeugnisse,<br />

sei es Milch, Fleisch, Getreide oder<br />

andere Feldfrüchte, abzuliefern.<br />

Dass es bei den Bauern trotzdem<br />

häufiger als anderswo eine Portion<br />

Fleisch gab, lag u. a. am ,Einheitsschwein'.<br />

Die meisten Bauern ,vereinbarten'<br />

nämlich mit dem<br />

Fleischbeschauer ein Einheitsgewicht<br />

von 90 Kilogramm. Zumin-


. Y9.~ ... tl~ .. ~~~·IT.~N:!~TP~ ... ~ f~.P. .. ~~.~1J~.l.T.~~~~W,!;g'S1iN ................................................................................................................. .?J~.<br />

dest wurde dieses Gewicht offiziell<br />

angegeben, auch wenn das Schwein<br />

in Wirklichkeit 200 Kilogramm wog.<br />

So hatten die Bauern wesentlich<br />

mehr Fleisch zur Verfügung als<br />

ihnen eigentlich zustand und der<br />

Fleischbeschauer erhielt für sein<br />

,Entgegenkommen' das eine oder<br />

andere Bratenstück.<br />

Infolge der nationalsozialistischen<br />

Kriegswirtschaft, die den Konsum<br />

der Bevölkerung im Interesse der<br />

schwerindustriellen Produktion<br />

beschränkt hatte, waren riesige<br />

Geldvorräte entstanden, denen nur<br />

ein minimales Warenangebot gegenüber<br />

stand. Aufgrund dieses<br />

Ungleichgewichtes kam es zur<br />

Ausbildung eines üppig blühenden<br />

Schwarzmarktes. Gegen viel Geld<br />

oder im Tauschhandel Ware gegen<br />

Ware konnte man nahezu alles<br />

beschaffen. Für ein wenig Butter<br />

erhielt man auf dem Sch warzmarkt<br />

die wichtigsten Dinge des täglichen<br />

Bedarfs und darüber hinaus sogar<br />

einige Luxusartikel jener Zeit, wozu<br />

auf jeden Fall auch Kinderspielzeug<br />

zählte. Eine große Rolle spielte<br />

dabei auch die so genannte Zigarettenwährung.<br />

Dies führte dazu, dass<br />

viele Bauern heimlich Tabak inmitten<br />

der Getreidefelder anbauten.<br />

Da die Not in den Städten noch<br />

größer war als auf dem Land, kamen<br />

die Städter zu Tausenden mit den<br />

Zügen hierher gefahren, um bei den<br />

Bauern Taschenuhren und andere<br />

Kostbarkeiten gegen Lebensmittel<br />

einzutauschen. Die Züge waren<br />

derart überfüllt, dass die Leute<br />

teilweise oben auf den Dächern<br />

saßen oder sich von außen an den<br />

Türen festhielten. Diese sogenannten<br />

,Hamsterfahrten' endeten abrupt<br />

mit der Währungsreform am 20.<br />

Juni 1948, da parallel die Bewirtschaftung<br />

der Güter und die Preisbindung<br />

aufgehoben wurde. "Über<br />

Nacht wurde nun plötzlich in den<br />

Geschäften alles, was bisher gesetzwidrig<br />

zurückgehalten worden war,<br />

angeboten" 63 , mit der Folge, dass der<br />

Schwarzmarkt von einem Tag auf<br />

den anderen verschwunden war. Bei<br />

der Währungsumstellung musste<br />

jede Person 60 Reichsmark einzahlen<br />

und bekam dafür ein sogenanntes<br />

Kopfgeld von 40 Deutschen<br />

Mark, im August noch einmal 20<br />

DM. Die Löhne und Gehälter, Pensionen,<br />

Renten, Mieten und Pachtzinsen<br />

wurden im Verhältnis 1:1<br />

umgestellt, die meisten anderen<br />

Verbindlichkeiten 10:1. Der Währungsschnitt<br />

traf die Besitzer von<br />

Sparguthaben, die im Verhältnis<br />

100:6,5 abgewertet wurden<br />

Abb. 54: Erst<br />

diese Fahrradbenutzungskarte<br />

legitimierte zum<br />

Besitz eines Fahrrades<br />

in den<br />

ersten Nachkriegsjahren.<br />

(S.)<br />

Der BUrgermelster<br />

als Ortspolizeibehörde<br />

~


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3. Woche<br />

26. 11. - 2. 12. 19 .. 5<br />

4. Woche<br />

3.-9. 12.19 .. 5<br />

2. Woche<br />

19.-25..11. 19-45<br />

1. Woche<br />

12. -18.11.1945<br />

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Abb. 55: Zu jener<br />

Zeit gab es die<br />

Lebensmittel nur<br />

rationiert auf<br />

Karte.<br />

...<br />

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-,.,, ,.,, ,.,, ,.,, Slg<br />

......<br />

Slg Slg ,.,, Slg ,.,,<br />

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.... ....<br />

••<br />

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·~<br />

begünstigt. 64<br />

besonders hart. Demgegenüber<br />

wurden die Besitzer von Sachwerten<br />

wie Grund und Boden, Häusern,<br />

Produktionsbetrieben und Lagern<br />

.....<br />

82 -··<br />

·-<br />

82<br />

Slg<br />

82<br />

BROT GAB ES NUR AUF<br />

KARTE<br />

Die Militärregierungen der Besatzungszonen<br />

hatten das System der<br />

Konsumgüterbewirtschaftung übernommen<br />

und in Teilbereichen bis<br />

Anfang der 50er Jahre aufrechterhalten.<br />

Mittels Berechtigungskarten<br />

sollte eine gerechtere Verteilung der<br />

wenigen Güter innerhalb der Bevölkerung<br />

gewährleistet werden, um<br />

zumindest die Grundversorgung<br />

sicherzustellen. Doch trotz alliierter


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Personalkarte<br />

für<br />

Vor- und Zuname ........H....a....a.... k. ... e ...l... b .... e .. r ... a ....... lr1a4& ........... .................<br />

wohnhalt in. ..... - ... ~_01~.~-~~~~--~/~.~~~~-~ .................................... straße Nr. . .. ...... _<br />

Beruf ........ ll.f1ch.tl1DC .................................. geb2..9 .• ~0 .• 00 .... in...................................... ..................<br />

Stellung im Haushalt ........ B«Rabal•aTorat.o4<br />

................................................................................................................................<br />

(H•ua!Wt.mpvontmd. Ebofna. Kind, H•uun~remllte UJW,)<br />

ll


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.~~ ........................................................................................................................................................ ß.!!-9I.Y.·~ .. f.f? .. ~.! m.,~J!f. .~'J~T~.<br />

den Einwohner ermächtigte, sich<br />

Schuhe zu kaufen. Gleichzeitig<br />

notierte der Bürgermeister dies auf<br />

der Personalkarte, um einen Überblick<br />

zu haben, wie oft Schuhe und<br />

dergleichen beantragt wurden.<br />

Allerdings war diese Berechtigungskarte<br />

noch keine Garantie dafür,<br />

auch wirklich neue Schuhe kaufen<br />

zu können, da es zu jener Zeit fast<br />

nichts gab. So musste man oft in<br />

mehreren Geschäften nachfragen,<br />

bis man Erfolg hatte.<br />

Ähnlich verhielt es sich bei den<br />

Lebensmitteln. Jeden Monat wurden<br />

an alle Einwohner Berechtigungskarten<br />

für Nahrungsmittel ausgegeben.<br />

Dabei wurde nach Status<br />

unterschieden. So wurden beispielsweise<br />

werdenden Müttern andere<br />

Rationen zugestanden als etwa<br />

Selbstversorgern. Auf den entsprechenden<br />

Abschnitt erhielt man<br />

dann beim Kaufmann die vorgeschriebene<br />

Menge des Nährmittels.<br />

Für die Woche vom 25 .11. bis 30.11.1946 waren für die<br />

Schulspeisung folgende Portionen vorgesehen:<br />

---<br />

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.S.( ! .l~.·-"·5.l~m.~.~ ! ~.0 ............................................... .......................................... ............................................................................................ ..t.~ .<br />

nen ober bezahlt werden müssen,<br />

können jeweils einige Kinder aus<br />

den anderen Gruppen an der Schulspeisung<br />

teilnehmen. Besonders bei<br />

Bauernkindern ist das Essen begehrt.<br />

Diese zahlen freiwillig mehr als die<br />

anderen. " 66<br />

Leider ist in den Schulchroniken<br />

nicht verzeichnet, wann die Schulspeisung<br />

eingestellt wurde. Noch<br />

Ende 1949 sprachen sich die Eltern<br />

der Schule Vorder-Neuendorf für<br />

eine Fortführung der Schulspeisung<br />

aus. 6 - Es hatte sich jedoch gezeigt,<br />

dass ein Teil der Eltern nicht in der<br />

Lage war, das Geld für die Speisung<br />

aufzubringen und dem Gemeinderat<br />

bereitete die Finanzierung derselben<br />

Schwierigkeiten.<br />

Zum Vergleich in der Gemeinde<br />

Brokdorf wurde die Schulspeisung<br />

nach den Sommerferien 1950 eingestellt,<br />

zum Teil aus denselben Gründen.68<br />

WIR GEDENKEN DER GEFALLENEN<br />

SOLDATEN DES 2. WELTKRIEGES<br />

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Wm GEDENKEN DER GEFALLENEN<br />

SOLDATEN DES 2. WELTKRIEGES<br />

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Achterhörn<br />

Vorder-Neuendorf<br />

Hinter-Neuendorf<br />

13.5.09-3.8.44<br />

26.12.13 -19.4.44<br />

20.8.03 -8.3.48<br />

5.5.15 -26.4.45<br />

16.12.06-24.9.39<br />

16.2.09-3.4.44<br />

22.9.07 -25.3.45<br />

25.5.09-29.5.42<br />

20.7.12-16.8.44<br />

13.2.06 -11.4.45<br />

16.4.14-20.10.43<br />

30 .3.13-16.7.44<br />

18.8.12 -12.4 .44<br />

24.2.08-2.11.44<br />

26.6.21-4.1.44<br />

15.2.19-2 7.10.44<br />

29.8.04-4.9.45<br />

29.4.13 -13.8.43<br />

10.9.95 -Nov. 45<br />

1.12.16 -28.8.43<br />

1.2.15 -15.1.41<br />

22.4.14-26.1.45<br />

22.4.08 -9.3.43<br />

11.3.07 -18.3.46<br />

30.9.19-2 4.11.44<br />

1.7.15 -24.2.42<br />

10.7.14-5.4.42<br />

26.10.12 -29.1.42<br />

21.10.19-14.7.44<br />

21.4.20-13.8 .41<br />

10.1.12 -6.9.39<br />

Die Vermissten<br />

tl~ 'BY'etne+-" 3.6.1911<br />

Otto-'B~~ 30.3.1906<br />

Pete.Y CCLr"~ 21.9.1921<br />

M~f~ 5.4 .1908<br />

tl~f~ 29.8.1904<br />

K~Vohr-VII 25.9.1899<br />

]of-Jl--F~ 13.5.1908<br />

G~F~ 23.1.1913<br />

C)tt()- FLori.a.+'ll 3.2.1892<br />

KIA.rl'G~ 16.4.1927<br />

tlCM'\4r' G Yi.pp 11.10.1912<br />

Otto- tlahrv 1.4.1920<br />

tle.i-n.Yidlt tleU~t 3. 7.1910<br />

A lfyed-tloyel'" 19.9.1919<br />

fc:lw:urci-tl~ 22.7.1907<br />

Pete.Y J IM'\{f€' 21.5.1921<br />

Otto-K~ 8.7.1910<br />

tlef'"&ert' L~ 4.3.1923<br />

tlCM'\4r' Lw:N: 17.12.191 9<br />

Gel'"hcwci- Mc;w.,ß 2.7. 1908<br />

'R~ MCLr't~ 13.2.1920<br />

Waltl:w Mohr- 18.5.1925<br />

tlef'"&ert' MCI.fthe, 29.9.1922<br />

A~N~ 13.11.1919<br />

s~ oi»Wy 6.5.1892<br />

tlCM'\4r'OUop 26.6.1914<br />

J ofv. PiotYowMW 5.7.1893<br />

FYU:~'R~ 2 1.10.1897<br />

FYU:~v. cl< Swnp 1.1.1915<br />

Wah< Schtnidt' 3.9.1924<br />

Waltl:w Schtnidt' 20.6.1916<br />

Ni,chl;. Schr-ödev 13.3.1922<br />

tlei'"~'R~ 18.3.1912<br />

tlei'"YI'II. s chr-ödev 17.7.1 913<br />

fy-~ Schr-ödev 6.10.1915<br />

Ecl


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..<br />

EIN UBERBLICK<br />

Ähnlich und doch ganz anders stellt<br />

sich die Landwirtschaft von einst<br />

im Vergleich zu heute dar. Auch<br />

wenn sich die anfallenden Arbeiten<br />

weiterhin an den Jahreszeiten und<br />

am Wetter orientieren, so sind die<br />

einzelnen Handgriffe und Arbeitsabläufe<br />

andere geworden. Die nachfolgenden<br />

Berichte von Richard<br />

Meiforth und Hermann Beimgraben,<br />

beide aus Averfleth sowie Thorsten<br />

Beins aus Hackeboe geben einen<br />

anschaulichen Abriss der Landwirtschaft<br />

im letzten Jahrhundert.<br />

Richard Meiforth schildert die ZOer<br />

und 30er Jahre, Hermann Beimgraben<br />

zeichnet den Einzug der Technik<br />

nach und Thorsten Beins<br />

erläutert die anfallenden Arbeiten<br />

in einem heutigen Betrieb. Doch<br />

zunächst ein allgemeiner Überblick<br />

über den Strukturwandel in der<br />

Land wirtschaft;7°<br />

Abb. 58: Anzahl<br />

der landwirtschaftlichen<br />

Vollerwerbsbetriebe<br />

in<br />

den 50er Jahren<br />

im Vergleich zu<br />

heute.


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Seit der Kolonisation der Marsch<br />

wurde auf den kultivierten Ländereien<br />

Landwirtschaft betrieben.<br />

Diente sie anfangs zur Selbstversorgung<br />

der Bewohner, fand schon im<br />

Mittelalter eine Differenzierung in<br />

Acker- und Grünlandwirtschaft<br />

statt. In der Wilstermarsch setzte<br />

sich die Grünlandwirtschaft mit<br />

Viehhaltung durch, da der zwar<br />

fruchtbare, jedoch überwiegend<br />

schwere Marschboden für die<br />

Ackernutzung vielfach ungeeignet<br />

war. Verbunden mit der zweiten<br />

Einwanderungswelle niederländischer<br />

Kolonisten im späten<br />

16. Jahrhundert entwickelte sich die<br />

Milchviehwirtschaft zu einem<br />

eigenständigen landwirtschaftlichen<br />

Produktionszweig.<br />

Bereits im 19. Jahrhundert setzte<br />

dann der sogenannte ,S trukturwandel<br />

in der Landwirtschaft' ein.<br />

Erste Anzeichen waren der Rückgang<br />

der bäuerlichen Eigenversorgung<br />

und damit einhergehend der<br />

Anstieg des ländlichen Gewerbehandwerks.<br />

So wurden beispielsweise<br />

gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />

eigenständige Landbäckereien<br />

und -Schlachtereien<br />

sowie Mühlenbetriebe neu gegründet.<br />

Die Auswirkungen der Industrialisierung<br />

durch Abwanderung der<br />

Arbeitskräfte wurden ab 1880 spürbar.<br />

Die eigentlichen Veränderungen<br />

machten sich allerdings erst mit der<br />

Technisierung und Mechanisierung<br />

seit den 50er und 60er Jahren<br />

bemerkbar. Deren Folgen können an<br />

dieser Stelle nur stark verkürzt<br />

dargestellt werden.<br />

Ein Indikator für den strukturellen<br />

Wandel ist die Zahl der Beschäftigten<br />

in der Landwirtschaft, die seit<br />

Ende des 19. Jahrhunderts rückläufig<br />

ist. 71 Dieser Trend verstärkte sich<br />

in den 50er/60er Jahren und hält bis<br />

heute hin an. Dabei zeichnen sich<br />

verschiedene Phasen ab. Zunächst<br />

führte die zunehmende Technisierung<br />

zu einer Freisetzung von<br />

Arbeitskräften. Dies waren anfangs<br />

die weniger gebundenen Arbeitskräfte<br />

wie beispielsweise Tagelöhner,<br />

die zu den industriellen<br />

Arbeitsplätzen abwanderten. Schon<br />

bald reichten jedoch die verbliebenen<br />

Arbeitskräfte nicht mehr aus,<br />

um die anfallenden Arbeiten zu<br />

erledigen, deshalb musste in weitere<br />

Maschinen investiert werden, um<br />

diese fehlenden Arbeitskräfte zu<br />

ersetzen. Es fand ein Wechsel von<br />

einer arbeits- zu einer kapitalintensiven<br />

Wirtschaftsweise statt, der<br />

vielfach in die Verschuldung der<br />

Betriebe mündete.<br />

In einer nächsten Phase ergriffen<br />

auch vermehrt Familienmitglieder<br />

Berufe außerhalb der Landwirtschaft,<br />

weil sie dort bessere<br />

Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten<br />

sahen. Aufgrund<br />

verschlechterter wirtschaftlicher<br />

Existenzbedingungen gegenüber<br />

größeren Betriebseinheiten gaben<br />

zudem Besitzer kleinerer Höfe den<br />

landwirtschaftlichen Betrieb auf.<br />

Die agrarpolitischen Zielsetzungen<br />

der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />

boten ihnen keine<br />

Zukunftsperspektive, entweder<br />

,Wachsen oder Weichen'. Gleichzeitig<br />

verlor die Landwirtschaft bei<br />

steigenden Lebensansprüchen in<br />

Bezug auf Einkommen und Freizeit<br />

(gemessen an außerlandwirtschaftlichen<br />

Berufen) an Attraktivität.<br />

Derzeit erfolgt die Reduzierung<br />

landwirtschaftlicher Arbeitsplätze<br />

in der Regel über sogenannte ,auslaufende<br />

Betriebe', das heißt, es<br />

findet sich kein Hofnachfolger, der<br />

bereit wäre den Betrieb weiterzuführen.


. ~:\~!?.~'.J.!q'!?q.J.~rr . ~,~! .. .W.~\~.P..~ ! , ....................................... ................................................................................................................ ?~.<br />

Aufgrund der natürlichen Gegebenheiten<br />

in der Wilstermarsch ergab<br />

sich eine Spezialisierung auf Milchviehhaltung<br />

und Rinderzucht Die<br />

Technisierung bezieht sich heute<br />

verstärkt auf Rationalisierung der<br />

Arbeitsabläufe, um bei gleichem<br />

Arbeits- und Zeiteinsatz die Produktivität<br />

noch zu steigen. Die neueste<br />

technische Errungenschaft ist der<br />

Computer. Ob nun bei der Fütterung<br />

in Form von elektronischen<br />

Fütterungsanlagen, in sogenannten<br />

,Bordcomputern' zur Bedienung der<br />

Maschinen, die bislang mechanisch<br />

funktionierten, über Melkroboter bis<br />

hin zur Finanz-Buchhaltung, der<br />

Computer erleichtert in vielen<br />

Bereichen bestimmte Arbeitsvorgänge.<br />

Produktivitätszunahme und staatliche<br />

Hilfen mündeten jedoch in eine<br />

EU-weite Überschussproduktion.<br />

Die Folgen waren sinkende Preise,<br />

die wiederum eine Produktionssteigerung<br />

hervorriefen, um die geringeren<br />

Erlöse über die Menge<br />

aufzufangen. Der sogenannte<br />

,Butterberg' ist ein beliebtes Schlagwort,<br />

um die Folgen einer subventionsgestützten<br />

Produktion über den<br />

Bedarf hinaus zu beschreiben.<br />

Bereits Ende der 60er/Anfang der<br />

70er Jahre wurde über Abschlachtprämien<br />

für Milchkühe versucht,<br />

dieser Problematik Herr zu werden,<br />

jedoch mit wenig Erfolg. Seit 1984<br />

wird über die Milchquotenregelung<br />

eine mengenmäßige Beschränkung<br />

der Milchproduktion erwirkt, die<br />

jedoch bei fallendem Milchpreis die<br />

wirtschaftliche Lage vieler Betriebe<br />

dramatisch verschlechterte. Die<br />

jüngste Verordnung (Jahr 2000)<br />

sieht den Handel dieser Milchquoten<br />

über eine zentrale Verkaufsstelle<br />

zu bestimmten Terminen vor.<br />

Dieses Modell wird jedoch mit<br />

gewisser Sorge erwartet, da die<br />

Landwirte einen weiteren Anstieg<br />

des Preises für Milchquoten<br />

befürchten, den dann nur noch<br />

Großbetriebe über Massenproduktion<br />

mit all ihren Nachteilen erwirt-<br />

Abb. 59: In den<br />

40er/50er Jahren<br />

waren nur wenige<br />

landwirtschaftliche<br />

Betriebe ausschließlich<br />

auf<br />

Milchwirtschaft<br />

spezialisiert. Auf<br />

den meisten Höfen<br />

hielt man zusätzlich<br />

noch Hühner<br />

und Schweine.<br />

Hier hütet Jürgen<br />

Franzenburg aus<br />

Achterhörn Anfang<br />

der 50er<br />

Jahre Ferkel.


.~} ........................................................................................................................................................ ~~.~Q\~J.!U!:i.P.!M'J..J.~.~ . .W~.\~QP ..<br />

eine Umstrukturierung der Agrarpolitik<br />

münden wird.<br />

Eine Prognose für die Zukunft anzustellen<br />

sehe ich mich außerstande,<br />

jedoch ist mit einem weiteren Rückgang<br />

landwirtschaftlicher Belriebe<br />

zu rechnen. Damit bleibt für die<br />

Betroffenen lediglich zu hoffen ,<br />

dass sich ihnen genügend Allernativen<br />

zur Sicherung des Lebensunterhaltes<br />

bieten.<br />

A bb. 60: Die groben<br />

Erdklumpen<br />

auf dem Ackerland<br />

wurden mit einer<br />

Ringelwalze<br />

zerkleinert (1952).<br />

schaften können. Ab dem Jahr 2006<br />

soll die Milchkontingentierung<br />

vollständig abgeschafft werden,<br />

obwohl zur Zeit nach wie vor die<br />

Überproduktion innerhalb der Europäischen<br />

Union bei 20 Prozent<br />

liegt. 72<br />

Aber nicht nur bei der Milchwirtschaft<br />

mussten die Landwirte Einbußen<br />

hinnehmen. Erhebliche<br />

Preisverluste erlitten die Bauern<br />

auch bei der Rindfleischvermarktung.<br />

Neben dem, ebenfalls durch<br />

Überproduktion hervorgerufenen ,<br />

Preisverfall, sorgt seit kurzem die<br />

Rinderkrankheit BSE für Aufsehe n.<br />

Der Absatz für Rindfleisch ist stark<br />

zurückgegangen , weil bislang nicht<br />

endgültig geklärt werden konnte, ob<br />

die Erreger auf den Menschen übertragbar<br />

und damit für die töd lich<br />

verlaufende neue Varian te der<br />

,Creu lzfeld t-Jakob-Krankheit' verantwortlich<br />

sind. Parallel entbrannte<br />

eine Diskussion über die artgerechte<br />

Tierhaltung, die langfris tig wohl in<br />

RICHARD MEIFORTH,<br />

AVERFLETH<br />

Es ist notwendig der Nachwelt und<br />

späteren Generalionen zu berichten<br />

wie sich die Landw irtschaft im 20.<br />

Jahrhundert gewandelt hat. Ich bin<br />

am 14.3.1918 geboren und möchte<br />

vom Leben und Arbeiten - soweit<br />

ich mich zurück erinnern kann -<br />

berichten. Es ist die Zeit in den<br />

zwanziger und dreißiger Jahre n.<br />

Meine Eltern hatten einen Belrieb<br />

mit 31 1 /2 Hektar Eigenland, wovon


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Als Thomasmehl<br />

wurde ein Phosphatdünger<br />

bezeichnet, der bei<br />

der Stahlerzeugung<br />

abfiel.<br />

dehafer brauchte keinen Kunstdünger,<br />

da in der Weide genug ,Kraft'<br />

steckte. Bei einem trockenen Sommer<br />

konnte man 30 bis 35 Doppelzentner<br />

ernten. War der Sommer<br />

jedoch verregnet, gab es Lagerkorn,<br />

da der Halm in die Höhe schoss -<br />

,kurz spritzen' gab es noch nichtund<br />

wenig Korn ausbildete.<br />

War das Korn in der Erde, wurde<br />

mit der Weidearbeit begonnen.<br />

Zunächst wurden die Maulwurfshügel<br />

und Kuhfladen abgeschleppt.<br />

Anschließend wurde Dünger<br />

gestreut. Auf den Weiden verwendete<br />

man ,Kainit' und ,Thomasmehl '.<br />

Die Sorten wurden zu Hause auf der<br />

Scheunendiele gemischt und auf<br />

einen Kastenwagen geladen, um<br />

anschließend von zwei Pferden zur<br />

Weide gezogen zu werden. Zwei<br />

Mann waren damit beschäftigt, den<br />

Dünger aus Mulden oder Eimern zu<br />

streuen, welche von einer drillen<br />

Person auf dem Wagen vollgeschaufelt<br />

wurden. Hinterher fuhr deroder<br />

diejenige etwa 20 Meter weiter<br />

vor. Pro Hektar benötigte man ungefähr<br />

15 Zentner Düngemittel. Auf<br />

den Weiden wurde in der Regel kein<br />

Stickstoff gestreut, weil hier im<br />

Sommer lediglich zwei Großvieheinheiten<br />

nebst ein paar Kälbern<br />

liefen. Später wurde ,Kainit', der<br />

nur 11-15 Prozent Kali enthielt,<br />

durch 40-prozentigen Kali ersetzt.<br />

Auf die Wiesen, sprich Heuland -<br />

die Silagetechnik kam erst später<br />

auf- wurde im allgemeinen Mist<br />

aufgebracht. Unsere Heuwiesen<br />

lagen zirka 1 Kilometer vom Hof<br />

entfernt, in Kuskoppermoor. Vor<br />

April konnten wir jedoch keinen<br />

Mist rausfahren, weil der Moorweg<br />

vorher nicht abgetrocknet war.<br />

Wenn es dann soweit war, fuhren<br />

wir mit 3 Gespannen (d. h. mit 6<br />

Pferden). Der Tagelöhner musste mit<br />

der Forke den Dung aufladen. Der<br />

Mistwagen hatte ein voll es Seilenbrett<br />

und auf der anderen Seile ein<br />

30 Zentimeter hohes Seitenbrett<br />

Sobald man auf dem Feld war,<br />

wurde das schmale Brett hochgezogen,<br />

damit man den Mist mit einem<br />

Haken runterziehen konnte. Auf<br />

einem Fuder waren 6 kleine ,Hümpel'.<br />

Alle 10 Meter wurde ein Haufen<br />

runtergeholL So schafften wir<br />

zirka 30 Fuder am Tag und benötigten<br />

annähernd eine Woche, um den<br />

gesamten Mist rauszufahren. Ebenso<br />

lange brauchten wir dann, um<br />

die ,Hümpel' mit der Forke auseinander<br />

zu streuen. Auf dem Heu land,<br />

wo kein Mist ausgebracht wurde,<br />

streute man ein Kunstdüngergemisch<br />

mit prozentualen Phosphor-,<br />

Kali- und Stickstoffanteilen.<br />

Zum Abschluss der Frühjahrsarbeiten<br />

wurden die Rüben gepflan zt.<br />

Anfang Mai wurden sämtliche Tiere<br />

auf die Weiden gelassen. Waren die<br />

Kühe erst einmal draußen, wurden<br />

sie des nachts auch nicht wieder<br />

reingeholt Deshalb konnte sogleich<br />

damit begonnen werden den Kuhstall<br />

auszumisten und einzuweichen.<br />

Dazu wurde ein Eimer mit<br />

Wasser gefüllt und mit einer Dose<br />

jede Wand und jeder Balken nass<br />

gegossen. Das machte man an 2<br />

Tagen, anschließend wurde<br />

geschruppt. Vier Mann brauchten<br />

etwa einen Tag.<br />

Ebenfalls im Mai wurden Disteln<br />

und Duwock [Schachtelhalm] aus<br />

dem Korn gezogen. Die Disteln<br />

wurden gestochen. Dazu hatte man<br />

einen Stock von ungefähr 1,5 Meter<br />

Länge, an dem unten ein Stecheisen<br />

befestigt war.<br />

Ferner wurde Busch geschlagen, um<br />

im Sommer den Herd anheizen zu<br />

können.


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Abb. 63: Als<br />

kleiner Bub machte<br />

sich Horst<br />

Reese in den 40er<br />

Jahren mit der<br />

Funktionsweise<br />

eines Göpels<br />

vertraut. Über<br />

diese alte Drehvorrichtung<br />

konnten<br />

4 Pferde<br />

beispielsweise eine<br />

Dreschmaschine<br />

antreiben.<br />

Färse ist die<br />

Bezeichnung fiir<br />

ein geschlechtsreifes<br />

weibliches<br />

Rind vor dem<br />

ersten Kalben.<br />

Angetrieben wurde die Dreschmaschine<br />

von einem Göpel, der vor der<br />

großen Tür stand. Der Göpel hatte<br />

einen 3 Meter langen Arm, vor den<br />

2 Pferde gespannt wurden, die<br />

während der Dreschzeit (zirka 2<br />

Stunden) immer im Kreis liefen.<br />

Einer von uns Jungen musste die<br />

Pferde antreiben. Der Göpel hatte<br />

mit einer Gelenkwelle Verbindung<br />

mit der Dreschmaschine. Das Korn<br />

wurde über eine Staubmühle gereinigt.<br />

Ein Mann schaufelte das ungereinigte<br />

Korn in ein Schüttelwerk,<br />

um die Spreu vom eigentlichen<br />

Korn zu trennen. Ein weiterer Mann<br />

musste ständig den Schwengel<br />

drehen, um das Schüttelwerk in<br />

Gang zu halten.<br />

In den dreißiger Jahren beauftragte<br />

man einen Lohndrescher. Nach dem<br />

Krieg, bis in die fünfziger Jahre,<br />

hatten wir selbst eine Dreschmaschine<br />

(eine ,Dechenreiter').<br />

1953 haben wir dann das ganze<br />

Ackerland zu Weiden angesät. Die<br />

Gründe hierfür sind vielfältiger<br />

Natur. Aufgrund der Bodenqualität<br />

eigneten sich die Flächen oftmals<br />

von vornherein nicht für die Ackernutzung.<br />

Dennoch benötigte man<br />

diese Flächen, insbesondere während<br />

des Krieges, zur Selbstversorgung<br />

sowie Lebens- und Futtermittelproduktion.<br />

In der Nachkriegszeit<br />

erfolgte, wie auf vielen<br />

anderen Betrieben auch, eine Ausrichtung<br />

auf Milchwirtschaft. Die<br />

fehlenden Futtermittel wurden<br />

zugekauft<br />

War das Korn in die Scheune eingefahren,<br />

wurde mit dem Pflügen<br />

begonnen. Die Stoppelfelder wurden<br />

mit einem Doppelscharpflug,<br />

der von 2 Pferden gezogen wurde,<br />

ganz flach umgepflügt. Dann wurde<br />

geeggt und noch mal geeggt, um die<br />

,Quecke' (eine Graspflanze) aus dem<br />

Acker herauszubekommen. Bei<br />

trockenem Wetter wurde die Quecke<br />

mit einer Forke zusammengetragen<br />

und verbrannt. Das zweite Pflügen<br />

wurde ebenfalls mit dem Doppelscharpflug<br />

gemacht, nur etwas tiefer<br />

und erneut wurde anschließend<br />

geeggt. Bis zum Saatpflügen wurde<br />

das Land nun liegen gelassen.<br />

Anfang Oktober wurde dann mit<br />

dem Tiefpflügen begonnen. Wir<br />

hatten einen schweren ,Eberhard<br />

Pflug'. Zum Tiefpflügen hatten wir<br />

3 Pferde in der Breite vor den Pflug<br />

gespannt. Der Mann, der den Pflug<br />

führte, hatte die Leine der 3 Pferde<br />

über die Schulter gelegt. Das rechte<br />

Pferd lief immer in der Furche.<br />

Wollte der Pflüger einen Hektar am<br />

Tag schaffen, musste er schon früh<br />

morgens um 6 Uhr mit den Pferden<br />

die Hofstelle verlassen. Anschließend<br />

wurde Weizen, Gerste und<br />

Roggen gesät. War die Wintersaat in<br />

der Erde, mussten wir noch einen<br />

Hektar Runkel- und Steckrüben<br />

aufnehmen. In das Rübenland<br />

wurde hinterher gern Weizen gesät.<br />

Mittlerweile kamen wir an den<br />

November ran und das Vieh wurde<br />

aufgestallt Zuvor waren draußen<br />

auf der Weide noch die Kühe, die<br />

im Januar und Februar kalben sollten,<br />

trocken gemolken worden.<br />

Deswegen hatten wir im Winter nur<br />

wenig Milch. In den zwanziger<br />

Jahren hatten wir im Herbst noch<br />

keine Färsen, in den dreißiger Jahren<br />

hatten wir immerhin schon 2<br />

bis 3 Färsen. In dieser Zeit besaßen<br />

wir 12-14 Kühe. Deren Anzahl<br />

schrumpfte jedoch während des<br />

Krieges auf 6-8 Kühe zusammen, da<br />

kaum Weideland zur Verfügung<br />

stand. Ein Großteil der Flächen<br />

wurde ackerbaulich genutzt. Nach<br />

Kriegsende stockten wir den Kuhbestand<br />

kontinuierlich auf, so dass wir


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Abb. 64:Zum<br />

Tiefpflügen spannte<br />

man drei Pferde<br />

in der Breite<br />

nebeneinander vor<br />

den Pflug. Hier<br />

sehen wir Wa/ter<br />

Hermann Schliiter<br />

aus Achterhörn.<br />

bis zur Betriebsaufgabe 1976 etwa<br />

30 Kühe molken. Neben den Kühen<br />

hielten wir 7-8 Ochsen, 6 Mutterschafe<br />

und 8-10 Sauen, deren Ferkel<br />

wir nach 6-8 Wochen<br />

verkauften. Für die Arbeit hatten<br />

wir 4 Arbeitspferde und daneben 2<br />

Zuchtstuten mit Fohlen, allesamt<br />

,Holsteiner'.<br />

Die Kühe wurden mit 2 Stricken um<br />

die Hörner links und rechts am<br />

Pfeiler angebunden (Stallreppels).<br />

Eigentlich wurden sie sogar 3 mal<br />

angebunden und zwar zusätzlich<br />

am Schwanz. Dazu wurde am<br />

Schwanzende eine dünne Leine<br />

eingeflochten, die oben unter der<br />

Decke an einer langen Schnur, die<br />

durch den ganzen Stall verlief,<br />

festgeknotet war. Das wurde<br />

gemacht, damit einem die Kühe<br />

beim Melken nicht mit dem<br />

Schwanz ins Gesicht schlagen<br />

konnten.<br />

In der Zeit von Anfang Dezember<br />

bis Mitte Februar wurde nur alle<br />

zwei Tage Milch an die Molkerei<br />

geliefert. Es lohnte sich jedoch<br />

kaum für die Molkerei, diese wenige<br />

Milch zu verarbeiten. Wir lieferten<br />

an die Privatmolkerei Ramm in<br />

Nortorf. Jeweils im November<br />

wurde die Milchanfuhr verdungen.<br />

Da diese Vergabe öffentlich war,<br />

wurde eine Versammlung angesetzt,<br />

die der Meierist leitete. Die Anfuhrkosten<br />

lagen zwischen 1 /z und 1<br />

Pfennig je einen Liter Milch. Wegen<br />

der wenigen Milch im Winter musste<br />

der Fahrer in diesen Monaten fast<br />

umsonst fahren. Im Sommer hatte<br />

unser Milchwagenfahrer für die<br />

Strecke im Dorf 12 Lieferanten, die<br />

in der Nachkriegszeit je Tour<br />

zusammen zirka 2000 Liter ablieferten.<br />

Reich konnte damit keiner<br />

werden. Viele kleinere Betriebe<br />

fuhren ihre Milch auch selbst zur<br />

Meierei. Der Milchpreis lag um die<br />

20 Pfennig je Liter. Es wurde nach<br />

Litern gezahlt. Die Abstufung nach<br />

Fettgehalt gab es damals noch nicht.<br />

Ende 1929 gab es die Weltwirtschaftskrise<br />

mit all ihren Auswirkungen,<br />

weswegen es die<br />

Landwirtschaft in den folgenden<br />

Jahren sehr schwer hatte. Für die<br />

1 1 /z-jährigen Ochsen, die ein Gewicht<br />

von zirka 4-5 Zentner hatten,<br />

bekam der Bauer 16 Pfennig das<br />

Pfund. Jede Woche kam der<br />

Schlachter mit einem großen Roll-<br />

1936 wurde der<br />

Milchkontrollverein<br />

gegründet. Die<br />

Kühe gaben im<br />

Jahr durchschnittlich<br />

etwa 3.000<br />

Liter Milch.


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! J.~ !?...3.Q !!~JM um~ .<br />

wagen und holte die kleinen, 8 Tage<br />

alten Kälber für 3 Mark das Tier ab.<br />

Viele Betriebe waren total verschuldet<br />

und der Gerichtsvollzieher kam<br />

auf etlichen Höfen. Besser wurde es<br />

erst 1933.<br />

Anhand unseres Betriebes in Averfleth<br />

möchte ich den durch Einzug<br />

der Technik hervorgerufenen Wandel<br />

in der Landwirtschaft beschreiben.<br />

Wir glauben, dass Holländer im<br />

12. und 13. Jahrhundert eine Neuaufteilung<br />

der Flur in der Wilstermarsch<br />

vornahmen. Zumindest alle<br />

Höfe der ,Alten Seite', nördlich von<br />

Wilster, waren gleich groß. Alle Höfe<br />

an der Wilster-Au hatten so um die<br />

30 Hektar Land, bei minderwertigerem<br />

Land etwas mehr, bei voll ackerfähigem<br />

Boden etwas weniger. Die<br />

heutigen Besitzverhältnisse sind<br />

durch Teilung oder Zukauf entstanden.<br />

Der Hof meines Vaters war<br />

29,8 Hektar groß. 1907 hatte mein<br />

Großvater beim Bau der Entwässerung<br />

3,5 Hektar abgegeben. Der<br />

Einheitswert unseres Betriebes<br />

Abb. 65: 1895 ließ<br />

Nikolaus Huus die<br />

Privatmolkerei in<br />

Sachsenbande<br />

errichten. Sämtliche<br />

Bauern aus<br />

Hinter-Neuendorf,<br />

Achterhörn und<br />

Stadtmoor, vereinzelt<br />

sogar aus<br />

Vorder-Neuendorf,<br />

Hackeboe, Goldbogen<br />

und Averjleth<br />

lieferten ihre<br />

Milch dort an.<br />

1925 gründeten<br />

die Bauern eine<br />

eigene Meiereigenossenschafi.<br />

HERM. ßEIMGRABEN,<br />

AVERFLETH<br />

betrug 1.640,00 DM je Hektar. Das<br />

entsprach in etwa dem Durchschnittswert<br />

der Wilstermarsch. Die<br />

Bodenqualität schwankt sehr stark,<br />

von Moor oder Dark bei geringer<br />

Marschauflage mit 50 Bodenpunkten,<br />

bis zu schwerem, manchmal<br />

tonigen Boden an der Wilster-Au mit<br />

70-75 Bodenpunkten, davon ist 1/3<br />

gut ackerfähig, 1/3 bedingt ackerfähig<br />

und der Rest ist absolutes Grünland.<br />

Vor Beginn des 2. Weltkrieges<br />

wurden noch 2/3 der Flächen gepflügt.<br />

10 Hektar waren mil Getreide<br />

wie Weizen, Hafer, Hafer-Bohnen­<br />

Gemenge und Sommergerste<br />

bestellt. Auf 7 Hektar wurde Gemüse


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angebaut (Rotkohl, Weißkohl, Wirsingkohl,<br />

Blumenkohl, Kohlrabi,<br />

Zwiebeln, Möhren, zeitweilig sogar<br />

0,1 Hektar Rhabarber). Außerdem<br />

hatten wir 3 Hektar Runkel- oder<br />

Steckrüben. Arbeitskräfte waren<br />

immer genug vorhanden, ein Tagelöhner,<br />

ein junger Mann (Knecht<br />

genannt) sowie zwei Pflichtjahrmädchen.<br />

Ich war das Älteste von<br />

fünf Kindern. Sobald wir von der<br />

Schule nach Hause kamen, wurde<br />

gegessen und anschließend mussten<br />

wir aufs Feld. Kinderarbeit war<br />

damals allgemein üblich. 10-12<br />

Kühe wurden mit der Hand gemolken.<br />

Das Jungvieh weidete während<br />

der Sommermonate auf zugepachteten<br />

Flächen. Wenn die Rüben gesäubert<br />

und die Kohlpflanzen gesetzt<br />

waren, wurden gegen Ende<br />

Juni/Anfang Juli etwa 4-5 Hektar<br />

geheut. Der ,zweite Schnitt' war<br />

dementsprechend spät und wurde<br />

zu Sauerfutter verarbeitet.<br />

Dazu wurde das Gras bei nassem<br />

Weller gemäht, zusammen geschwadet<br />

und mit Forken von Hand auf<br />

Kastenwagen geladen. Das war<br />

schwere und schmutzige Arbeit und<br />

zum Schutz trugen die Helfer Gummibekleidung.<br />

Zu Haus wurde von<br />

Hand in sogenannte ,Reichsnährstandspötte'<br />

abgeladen. Das waren<br />

runde Betonsilos mit 25 m 3 Volumen.<br />

Der Silo ragte einen Meter aus<br />

dem Boden. Zum Befüllen wurde<br />

jedoch zusätzlich noch ein Holzaufsatz<br />

von zwei Meter Höhe darüber<br />

gestellt. Ein bis zwei Mann mussten<br />

abstaken, ein weiterer verteilte im<br />

Silo und wir Kinder mussten das<br />

Gras festtreten. Jede Schicht wurde<br />

mit einer Gießkanne verdünnter<br />

Säure übergossen. Wenn der Silo<br />

gefüllt war, wurde er mit Papiertüten,<br />

meist gebrauchte Düngersäcke,<br />

abgedeckt und mit Erde beschwert.<br />

Nach etwa einer Woche war das<br />

Gras in dem Betonsilo zusammengesackt,<br />

so dass der Aufsatz auf den<br />

nächsten Silo gestellt werden konnte.<br />

Nun begann die ganze Schinderei<br />

von vorn. Das so gewonnene<br />

Abb. 66: Helene<br />

und Johannes<br />

Junge aus Hackeboe<br />

molken die<br />

Kühe 1907 noch<br />

von Hand auf der<br />

Weide.


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.. 7.9.t~ .V~ D. . 3.9.!i.~ JMI.~J::,~ .<br />

Abb. 67: Wilhelm<br />

Schippmann aus<br />

Hackeboe beim<br />

Mähen in den 5 Oer<br />

Jahren.<br />

Abb. 68 (rechts):<br />

In mühevoller<br />

Handarbeit wurde<br />

das angetrocknete<br />

Gras in 'Hiimpel '<br />

gesetzt, damit es<br />

besser trocknen<br />

konnte. Bei dieser<br />

Arbeit wurden<br />

Heinrich Haack<br />

und Johannes<br />

Rehder 1960<br />

fotografiert.<br />

Futter wurde im Winter an die Kühe<br />

verfüttert. Wegen der langen Befüllung<br />

roch es stark nach Essigsäure,<br />

manchmal auch nach Buttersäure.<br />

In geringen Gaben wurde es von<br />

den Kühen trotzdem gut angenommen.<br />

Die Heuernte war ebenso arbeitsaufwenig.<br />

Zuerst wurden mit der Sense<br />

die Ecken angernäht Dann wurde<br />

mit dem Grasmäher, von zwei Pferden<br />

gezogen, das Vorgewende gemäht.<br />

Damit das Mähmesser nicht<br />

festlief, musste der erste und letzte<br />

Schwaden mit einer hölzernen Heuharke<br />

ausgeharkt werden. Gleichermaßen<br />

wurde jede Grüppenkante<br />

aufgeharkt, zumeist von uns Kindern.<br />

Das war gerade bei warmem<br />

Wetter eine furchtbar öde Arbeit,<br />

die bei langen Feldstücken gar kei n<br />

Ende nehmen wollte. Zu große<br />

Haufen, welche durch die Mähmaschine<br />

zusammen geschoben waren,<br />

mussten mit der Forke durchgeschüttelt<br />

und verteilt werden. Das<br />

Gras wurde nach ein bis zwei Tagen<br />

gewendet, je nach Wetterlage mehrfach.<br />

Dazu gab es eine Maschine,<br />

die auch schwaden konnte, beides<br />

aber nicht sehr gut. Anschließend<br />

wurde das Heu in ,Hümpel' gesetzt<br />

und musste acht Tage stehen.<br />

Zwischenzeitlich wurden die ,Hümpel'<br />

umgedreht, damit das Heu von<br />

unten trocknen konnte. Wenn es<br />

inzwischen viel geregnet hatte,<br />

musste alles von Hand auseinandergeworfen<br />

und unter Umsländen<br />

noch gekehrt werden. Wenn das<br />

Wetter es zuließ, konnte mit dem<br />

Einfahren begonnen werden.<br />

Die Kastenwagen wurden mit dem<br />

sogenannten ,Götelgeschirr' ausgerüstet.<br />

Da sich die plattdeutschen<br />

Fa chausdrücke nur schwer übersetzen<br />

lassen, möchte ich mich im


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Abb. 69:Zum<br />

Schluss musste der<br />

Aufstaker das Heu<br />

hoch hinaufreichen.<br />

Hier am Au­<br />

Deich in<br />

Achterhörn war<br />

der Bauer Waller<br />

Hermann Schlüter<br />

fiirs Laden verantwortlich.<br />

He/ga<br />

Meier aus Wilster<br />

musste nachharken.<br />

folgenden ihrer bedienen. Vorn am<br />

Wagen wurde der ,Vörrep' angebracht,<br />

der war etwas kürzer als der<br />

,Achterrep'. Hinten an der rechten<br />

Seite befand sich an einem kürzeren<br />

Strick die ,Ok', eine Astgabel oder<br />

später eine hölzerne Rolle. Meistens<br />

mussten zwei kräftige Männer aufstaken.<br />

Auf jede Ecke wurde ein<br />

Haufen gesetzt und anschließend<br />

ein Haufen in die Mitte plaziert, der<br />

das Ganze zusammenhielt. Der<br />

Lader, oftmals der Bauer selber oder<br />

eine Frau, verteilte das Heu auf dem<br />

Wagen und drückte es fest. Es lag in<br />

seiner Verantwortung, dass das<br />

Fuder gerade war und keine Ecke<br />

abrutschte oder gar der Wagen<br />

umkippte. Eine so gelegte Schicht<br />

bezeichnet man als eine Lech<br />

(Lage). Nach vier Lagen war der<br />

Wagen vollgeladen. Dann wurde der<br />

,Götelbaum' gesetzt, der während<br />

des Ladens am ,Achterrep' hinterher<br />

schleppte. Es war ein besonderes<br />

Vergnügen für die kleineren Kinder<br />

auf dem ,Götelbaum' zu reiten. Wir<br />

Größeren mussten mit der Handharke<br />

nachharken, was weniger beliebt<br />

war. Der Lader stand etwa in der<br />

Mitte des Wagens und hob den<br />

Baum hinten möglichst hoch, so<br />

dass er vorne einigermaßen in der<br />

Mitte schräg nach unten ragte. Einer<br />

der Aufstaker kletterte hinter den<br />

Pferden auf die Deichsel und schlug<br />

den ,Vörrep', der an beiden Enden<br />

am Wagen befestigt war, je nach<br />

Länge mehrfach um den ,Götelbaum'.<br />

Daraufhin kroch der Lader<br />

nach hinten und drückte den Baum<br />

runter. Danach warf der zweite<br />

Aufstaker den ,Achterrep' doppelt<br />

über den Baum und hakte die<br />

Schlinge in die ,Ok' bzw. Rolle.<br />

Anschließend zogen beide Männer<br />

kräftig daran und befestigten den<br />

Strick, an dem dann der Lader vom<br />

Wagen rutschte.<br />

Beim Abladen konnte die große<br />

Forke des Heuaufzugs den Wagen in<br />

vier bis fünf Haufen entleeren,<br />

während zwei Personen das Heu<br />

oben auf dem Boden verteilten. Das


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Abladen und Verte'ilen geschah<br />

meist frühmorgens, wenn der Tau<br />

noch lag. Nachmittags in der Sonne<br />

wurden alle Wagen wieder vollgeladen.<br />

Zur Ernte des Getreides hatten wir<br />

einen Mähbinder, auch Selbstbinder<br />

genannt. Jedes Stück musste angernäht<br />

werden. Das machte der Tagelöhner<br />

im Allgemeinen mit Sichel<br />

und Mahdhaken. Er legte das<br />

Getreide gleich in Garben zurecht,<br />

Abb. 70 (oben):<br />

Heuernte bei Farn.<br />

Meiforth in Stadtmoor.<br />

Abb. 71 (unten):<br />

Der Selbstbinder<br />

wurde zur Getreideernte<br />

eingesetzt.


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Abb. 72 (oben):<br />

Jeweils 8-10 Garben<br />

wurden in Hocken<br />

zusammengestellt.<br />

Abb. 73 (unten):<br />

/953 bekam Fam.<br />

Reese einen FAHR<br />

Trecker mit 17 PS.<br />

die dann mit einem Seil aus Getreide<br />

zu Garben gebunden wurden.<br />

Bei stehendem Getreide wurde es<br />

zuweilen auch mit der Sense augemäht,<br />

wobei der oder die Binder/-in<br />

sich die Garben selbst zurechtlegen<br />

musste. Sobald ein Stück gemäht<br />

war, wurde sogleich ,aufgehackt'.<br />

Dazu wurden 8 bis 10 Garben mit<br />

den Ähren nach oben zusammengestellt.<br />

Sofern es das Wetter zuließ, wurde


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nach acht bis vierzehn Tagen gedroschen.<br />

12 bis 14 Männer zogen mit<br />

dem Lohndresch er von Hof zu Hof.<br />

Da gab es Sackträger, Strohträger, 2<br />

Einleger, Maschinenmeister, Pressmeister,<br />

Kaffdübel, Garbenzuwerfer<br />

und Strohpacker. Alle mussten auf<br />

dem Hof beköstigt werden. Das<br />

Fu lterkorn wurde in 75 bis 100 kg­<br />

Säcke auf den Boden getragen und<br />

im Winter für das Vieh geschrotet.<br />

Der Weizen wurde an der Diele<br />

Abb. 74 II. 75:<br />

in den JOer Jahren<br />

: ogen die Lohndrescher<br />

von Hof :u Hof Mit<br />

einem Elektmmotor<br />

w11rde die Dreschmaschine<br />

iiber Treibriemen<br />

angetrieben.


.~~~ ................................................................................. 'ff1(~!.~ !~H ~ !H !~.~ .. ~'.~ P. . .ß.'\'U9.N!;\!,!!?m~.\ l ~Ji .. !;;.: . .P..~.~ .. b~~P.~:!~I~~J~~.I.'.<br />

aufgestapelt und verkauft. Das Stroh<br />

wurde verfüttert oder zum Einstreuen<br />

des Viehs und der Schweine<br />

verwendet. Das Kaff (Spreu) wurde<br />

auf der Hili über den Ställen rechts<br />

und links von der Diele gelagert.<br />

Beim Füttern wurde es den zerkleinerten<br />

Rüben beigemengt. Fu tiermittel<br />

wurden selten zugekauft<br />

Während des 2. Weltkrieges und<br />

danach gab es oh nehin nichts.<br />

Mit der Währungsreform 1948<br />

änderten sich die Verhältnisse in<br />

der Landwirtschaft jedoch grundlegend.<br />

Arbeitskräfte waren nicht<br />

mehr im Überfluss vorhanden. Viele<br />

Flüchtlinge aus dem Osten zogen<br />

nach und nach ins Ruhrgebiet oder<br />

nach Süddeutschland. Zögernd<br />

setzte die Mechanisierung ein. 1952<br />

kamen die ersten Ackerschlepper<br />

mit angebauten Messerbalken,<br />

jedoch ohne Kraftheberanlage. In<br />

dieser Zeit ließ sich ein Lohnunternehmer<br />

aus Beidenfleth auf dem<br />

Fink'schen Hof in Averfleth den<br />

ersten Mähdrescher in der Wilstermarsch<br />

vorführen. Es war ein<br />

gebrauchter ,Masy Harris' mit<br />

1,6 Meter Schnittbreite. Auf dem<br />

Feld hatten sich so viele Neugierige<br />

eingefunden, dass mehr Getreide<br />

zertreten als gedroschen wurde. Die<br />

älteren Bauern schüttelten angesichts<br />

der Vorführung nur mit dem<br />

Kopf und vertraten die Ansicht,<br />

dass sich diese Maschine nie durchsetzen<br />

würde. Vom Mähbinder<br />

kannte man, dass das Getreide grün<br />

geschnitten wurde und in der<br />

Hocke reifte. Deshalb war man viel<br />

zu früh angefangen und hatte wohl<br />

30% Fe uchtigkeit.<br />

Mein Vater kaufte 1957 einen FAHR­<br />

Schlepper mit 24 PS. Ein Jahr später<br />

ließ er bei Meister Stelzer in Wilster<br />

einen Anhänger mit Gummirädern<br />

bauen. Die Geräte für den Pferdezug<br />

wurden zunächst weiter verwendet.<br />

Als mein Vater 1963 starb, übernahmen<br />

meine Frau und ich den Hof in<br />

Averfleth und den Bauernhof meiner<br />

Frau in Achterhörn, zusammen<br />

ca. 5 5 Hektar. Die Belastung war<br />

sehr hoch, zweimal Altenteil und<br />

jede Menge Schulden. Als ehemaliger<br />

Schüler der Landwirtschaftsschule<br />

ltzehoe hatte ich noch guten<br />

Kontakt zu den Lehrern. Die haben<br />

uns in dieser Situation wirklich gut<br />

beraten. Der gesamte Betrieb wurde<br />

auf Grünland umgestellt. Wir machten<br />

nur noch Heu für die Tiere. Alle<br />

anderen Fu tiermittel wurden zugekauft.<br />

Gleichzeitig spezialisierten<br />

wir uns auf Milchviehwirtschaft<br />

Ein neuer Anbindestall in zwei<br />

langen Reihen mit befahrbarem<br />

Futtertisch in der Mitte bot<br />

zunächst für 45 Kühe und 56 Stück<br />

Jungvieh Platz. Die vorhandene<br />

Eimermelkanl age wurde verkauft,<br />

stattdessen wurde eine Absauganlage<br />

installiert. Außerdem wurde<br />

eine Schubstangenentmistung eingebaut.<br />

Die folgende Zeit war allerdings<br />

sehr hart, besonders für meine Frau.<br />

Wir hatten vier kleine Kinder, sollten<br />

die Arbeit aber theoretisch<br />

allei n schaffen. Die Technik ließ uns<br />

zunächst jedoch völlig im Stich. Die<br />

Melkanlage funktionierte nicht und<br />

die Entmistung versagte perma nent.<br />

Für die langen Reihen waren die<br />

Antriebe viel zu schwach . Zahlreiche<br />

Euterentzündungen bei den<br />

Kühen waren eine der Folgen. Ständig<br />

mussten wir die Technik nachrüsten.<br />

Im Grunde experimentierten<br />

die Firmen auf unsere Kosten.<br />

So war das wirtschaftliche Ergebnis<br />

anfangs äußerst mager. Bei Milchpreisen<br />

von 0,33 DM bis 0,35 DM<br />

und Kraftfutterp reisen von<br />

48-50 DM je Doppelzentner blieb


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l<br />

am Ende nicht viel übrig. Zwar<br />

nahmen die Schulden auf dem<br />

Darlehenskonto kontinuierlich ab.<br />

Dafür kamen wir aber auf dem<br />

laufenden Konto immer weiter in<br />

die ,roten Zahlen', was im Endeffekt<br />

natürlich viel teurer war, da die<br />

Kreditzinsen hier wesentlich höher<br />

lagen. Manches Mal waren wir kurz<br />

davor, die Landwirtschaft aufzugeben.<br />

Ab 1968/69 wurde es jedoch<br />

langsam besser. Die Feldwirtschaft<br />

hatte sich wesentlich vereinfacht.<br />

Es gab bereits Kreiselmäher, Kreiselheuer,<br />

Kreiselschwader, außerdem<br />

Lohnunternehmer mit Hochdruckpressen;<br />

dadurch verkürzte sich die<br />

Heuernte enorm. Bagger übernahmen<br />

die Grabenräumung, so entfiel<br />

bei unseren vielen Gräben die zeitintensive<br />

Handarbeit. Die Milch<br />

und Fleischpreise stiegen jedes Jahr<br />

weiter an, so dass wir den Betrieb<br />

langsam sanieren konnten.<br />

Aber es gab auch nasse Jahre, in<br />

denen viel Heu verregnete.<br />

Besonders ärgerlich war es dann,<br />

wenn man keine Ballenpresse<br />

bekommen konnte, weil der Lohnunternehmer<br />

überlastel war. Deshalb<br />

kauften wir uns 1972 eine<br />

eigene Presse und 1974 einen Ballenauflader.<br />

Von da an beschränkte<br />

sich die Handarbeit auf daheim,<br />

wenn beim Abladen die Ballen aufs<br />

Förderband gelegt werden mussten.<br />

1974 konnten wir 31 Hektar<br />

zu pachten (Hof Fink in Averfleth)<br />

und bewirtschafteten nun schon<br />

86 Hektar. Zusätzlich bauten wir<br />

uns mit der Bullenmast ein zweites<br />

Standbein auf. Als 1976 der Hof<br />

Fink bei einem Großfeuer völlig<br />

zerstört wurde, errichtete der Eigentümer<br />

hierfür in Absprache eine<br />

Halle und ein Laufstall mit Spaltenboden<br />

für 80 Stück Jungvieh. Diese<br />

Abb. 76: Kerstin<br />

Engel und Siegher!<br />

Hein auf<br />

einem Deutz (30<br />

PS) in den 60er<br />

Jahren. Im Hintergrund<br />

sind Dreibock-Reuter<br />

zu<br />

sehen. Hierauf<br />

wurde in feuchten<br />

Sommern das Heu<br />

getrocknet.


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.R. .4l"!!P.:w.mT.$.~MM.:I .<br />

Abb. 77: Ein 170<br />

PS starker Vorfohrschlepper<br />

mit<br />

einem 5-Schaarpjlug.<br />

Nach ca. 30<br />

Jahren wurde<br />

diese Weide erstmals<br />

wieder<br />

umgepflügt.<br />

Haltungsform war enorm arbeitssparend<br />

und zugleich für die Tiergesundheit<br />

äußerst förderlich, weil die<br />

Tiere mehr Bewegung hatten. Durch<br />

die natürliche Abnutzung auf dem<br />

harten Boden sank beispielsweise<br />

die Zahl der Klauenkrankheiten.<br />

Nach diesen positiven Erfahrungen<br />

wurden nach und nach alle Ställe<br />

auf dem Hof umgerüstet, 1979 der<br />

Jungviehstall und 1985-87 der Kuhstall.<br />

1980 wurde ein Kurzschnittladewagen<br />

gekauft und die<br />

Futterernte auf Silage umgestellt.<br />

Wir waren dadurch wesentlich<br />

schlagkräftiger und konnten<br />

17 Hektar dazupachten. 1982 hatte<br />

unser ältester Sohn und Hofnachfolger<br />

die landwirtschaftliche Ausbildung<br />

mit der Meisterprüfung<br />

abgeschlossen. Dadurch konnten<br />

wir unseren Betrieb als Lehrbetrieb<br />

anerkennen lassen und einen Auszubildenden<br />

einstellen. In dieser<br />

Zeit waren die Erzeugerpreise sehr<br />

gut. Die Erlöse aus Milch und<br />

Fleisch etwa gleich hoch. Die<br />

Milchviehherde war auf gut 90<br />

Kühe angewachsen.<br />

1984 kam jedoch die Milchquotenregelung<br />

und alles wurde anders.<br />

Wir durften nur noch 80 % der<br />

ursprünglichen Milchmenge abliefern.<br />

Bei einem Kuhbestand von<br />

über 80 Kühen gab es auch keinerlei<br />

Härtefallregelung mehr. Infolgedessen<br />

mussten wir etliche Kühe verkaufen<br />

und hatten plötzlich viel zu<br />

viel Fläche. Aus den langfristigen<br />

Pachtverträgen konnte man nicht so<br />

einfach aussteigen. Also wurden<br />

frühere Ackerstandorte neu drainiert,<br />

umgepflügt und mit Weizen<br />

angesät bzw. neuerdings auch Futtermais<br />

angebaut.<br />

1987 konnten wir auf der Geest<br />

Uulianka) einen weiteren Betrieb<br />

mit 20 Hektar Land und ca. 100.000<br />

Liter Milchquote dazupachten, wo<br />

wir über Winter ca. 120 Weidebul-


.J)~~.lliRl-!N~.Y.~.P. .. RAT.!9.!'1.·:\IJ~.lli~l-!N~ . ~--P..~~ .. J..~.Wlli:I:~~-~-·············· · ·· · ······ ·· ······················ · ····· · ···· ·· ···· · · · ········a®fi.<br />

Abb. 78 u. 79: Im<br />

Sommer laufen die<br />

gut I 00 Milchkühe<br />

von Henning<br />

Rehder draußen<br />

auf der Weide.<br />

Zum Melken<br />

müssen sie zweimal<br />

täglich reingeholt<br />

werden.<br />

len bis zur Schlachtreife mit Maissilage<br />

weitermästen. Der Mais hierfür<br />

stammt von den eigenen<br />

Flächen. Durch die zeitliche Verschiebung<br />

des Bullenverkaufs in<br />

den Winter bis ins zeitige Frühjahr<br />

und die Verbesserung der Fleischqualität<br />

durch die Endmast mit<br />

Maissilage, konnten wir eine Zeit<br />

lang erheblich höhere Verkaufserlöse<br />

als gewöhnlich erzielen.<br />

Dennoch, bei Einführung der Milchquotenregelung<br />

versprachen die<br />

Politiker stabile Milchpreise, doch<br />

das Gegenteil trat ein. Der Milchpreis<br />

sank beständig, gleichzeitig<br />

fielen die Fleischpreise. Kostete ein<br />

Bulle 1978 geschlachtet, kalt gewogen<br />

noch 8,40 DM je Kilogramm,<br />

erhielt man 1996 für die gleiche<br />

Qualität gerade mal 4,60 DM. Während<br />

der Preisverfall beim Fleisch<br />

teilweise durch die staatlichen<br />

Subventionen (Rinderprämie) ausgeglichen<br />

werden konnte, versucht<br />

man bei der Milch durch optimierte<br />

Fütterung die Milchleistung je Kuh<br />

zu erhöhen, um effektiv die Kosten<br />

zu senken. Zu den gesunkenen<br />

Milchpreisen kommen jedoch noch<br />

die hohen Kosten durch Pacht bzw.<br />

Kauf von Milchquote hinzu. Erst in<br />

letzter Zeit haben sich die Preise<br />

durch den schwachen EURO etwas<br />

stabilisiert. Das kann sich aber<br />

schnell wieder ändern.<br />

Beim Schreiben dieser Zeilen ist<br />

mir bewusst geworden, wie schwierig<br />

die Lage der Landwirtschaft in<br />

unserer Gemeinde ist. Die wenigen<br />

Betriebe, die übrig geblieben sind,<br />

können kaum mehr Flächen aufnehmen.<br />

Flächen mit Milchquote gibt<br />

es sowieso nicht mehr zu pachten.<br />

Ackerfähige Flächen, die durchaus<br />

vorhanden sind, sind jedoch nicht<br />

prämienberechtigt und drainiert,<br />

wodurch ihre Beackerung unrentabel<br />

wird. Für eine extensive Viehhaltung<br />

(Mutterkühe) sind die<br />

Flächen momentan viel zu teuer.<br />

Wenn die Entwicklung so weitergeht<br />

wie bisher, müssten die Betriebe<br />

eigentlich weiter wachsen, um<br />

die ständig steigenden Unkosten<br />

aufzufangen, aber wie?


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Dieser Bericht ist<br />

als Ergänzung zu<br />

den Ausfohrungen<br />

von Richard<br />

Meiforth und<br />

Hermann Beimgraben<br />

zu sehen.<br />

Gerade in der<br />

Gegenüberstellung<br />

zu der Beschreibung<br />

von Richard<br />

Meiforth wird der<br />

Wandel in der<br />

Landwirtschaft<br />

innerhalb des<br />

letzten Jahrhunderts<br />

sehr<br />

anschaulich.<br />

THORSTEN HEINS,<br />

IIACKEBOE<br />

Anband von Tagebuchaufzeichnungen<br />

möchte ich am Beispiel unseres<br />

Betriebes die Arbeiten in der heutigen<br />

Landwirtschaft im Jahresverlauf<br />

darstellen.<br />

Ich bin am 20.4.1963 geboren und<br />

bewirtschafte einen 80 Hektar großen<br />

landwirtschaftlichen Betrieb in<br />

Hackeboe. Seit meiner landwirtschaftlichen<br />

Lehre 1978 bin ich<br />

ausschließlich in der Landwirtschaft<br />

tätig.<br />

Wir sind vielleicht nicht der modernste<br />

und ganz sicher nicht der<br />

größte Bauernhof im Gemeindegebiet,<br />

aber eben doch ein typischer<br />

Wilstermarschbetrieb, mit<br />

ausschließlich Grünland, Milchviehhaltung,<br />

Jungviehaufzucht und<br />

Bullenmast Als reiner Familienbetrieb<br />

bewirtschafte ich den Hof<br />

zusammen mit meiner Frau und<br />

meinem Vater. Unsere beiden Töchter<br />

(8 und 11 Jahre) bekommen<br />

auch schon mal Aufgaben zugeteilt,<br />

die ihnen Spaß machen.<br />

Ich möchte das Arbeitsjahr im Januar<br />

beginnen. Zu dieser Jahreszeit ist<br />

der größte Teil des Tages damit<br />

ausgefüllt, die Tiere (insgesamt ca.<br />

250 Stück) zu versorgen, sprich<br />

Füttern, Ausmisten sowie die allgemeine<br />

Betreuung und Pflege.<br />

Die übrige Zeit wird intensiv für<br />

Büroarbeit und Beratungsgespräche<br />

genutzt. Da heutzutage immer weniger<br />

Menschen Kenntnis und Beziehung<br />

zur Landwirtschaft haben,<br />

möchte ich für Außenstehende kurz<br />

erläutern, wie stark die Landwirtschaft<br />

heutzutage aufzeichnungspflichtig<br />

ist: Bestandsregister,<br />

Flächennachweise, Besatzdichte<br />

(Anzahl der Rinder pro Hektar<br />

Fläche), Nährstoffbilanzen, Düngepläne<br />

usw. Anband dieser Aufzeichnungen<br />

haben wir Zugang zu Tierund<br />

Flächenprämien (staatliche<br />

Subventionen). Diese Gelder dienen<br />

weniger uns zum Überleben, sondern<br />

viel mehr - und das ist sicherlich<br />

nur wenigen bewusst - dem<br />

Verbraucher, damit dieser seine<br />

Nahrungsmittel billig, d. h. weit<br />

unter dem eigentlichen Wert ei n­<br />

kaufen kann. So steht ihm noch<br />

genügend Geld für andere Konsumgüter<br />

zur Verfügung.<br />

Für die betriebliche Weiterentwicklung<br />

nehmen wir die Beratungsleistung<br />

der Landwirtschaftskammer,<br />

hier insbesondere die sogenannte<br />

Rinderspezialberatung in Anspruch.<br />

Gemeinsam mit dem Berater werden<br />

Betrieb und Betriebsabläufe<br />

durchleuchtet, um nach Möglich keiten<br />

zu suchen, die Wirtschaftlichkeit<br />

zu verbessern und dabei<br />

gleichzeitig den Tieren ein Höchstmaß<br />

an Komfort und Wohlbefinden<br />

zu ermöglichen. So werden regelmäßig<br />

Futterpläne erstellt. Alle drei<br />

Jahre werden Bodenproben gezogen<br />

und ausgewertet. Anband der Auswertung<br />

wird ein Düngeplan<br />

erstellt. Die Düngermenge ergibt<br />

sich aus der Ermittlung des Nährstoffdefizits.<br />

Jede Nutzung beansprucht<br />

den Boden unterschiedlich<br />

stark. So benötigt eine Weide, auf<br />

der den ganzen Sommer Tiere laufen,<br />

erheblich niedrigere Nährstoffzufuhren<br />

als eine Wiese, die<br />

dreimal jährlich abgeerntet wird.<br />

Damit kein Mangel an Nährstoffen<br />

entsteht, wird anband des Düngeplanes<br />

die bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr<br />

differenziert für jede<br />

Fläche ermittelt.<br />

So beginnen wir im zeitigen Frühjahr<br />

mit der organischen Düngung<br />

(Gülle, Festmist). Möglichst Ende<br />

Januar geht es bei ausreichend


.,;;!N.J.~~ .. !+~ . .P.J,l.~ .. 4.~.w.mr~~.J#.ff .. ?;w..J.~~.r.MJ.$.~~.P..~NP.~ ...................................................................................... a®!t.<br />

gefrorenem Boden mit dem Ausbringen<br />

von Festmist los. Pro Tag<br />

werden ca. 80-100 Tonnen ausgefahren,<br />

3-4 Tage benötigt ein Mann für<br />

den Dung von 150 Rindern.<br />

Im März - der Boden muss bereits<br />

ausreichend abgetrocknet sein -<br />

wird dann mit der Gülledüngung<br />

begonnen. Die Gülle wird über<br />

Winter in großen Stahlbetongüllebehältern<br />

gelagert. Hierin wird die<br />

Gülle mit einem Rührwerk aufgerührt,<br />

um eine gleichmäßige Konsistenz<br />

zu erhalten. Das Ausbringen<br />

geschieht mit einem selbstansaugenden<br />

Gülletankwagen, der die<br />

Gülle aus dem Behälter einsaugt<br />

und sie dann auf dem Feld über<br />

einen Verteiler gleichmäßig ausbringt.<br />

Diese Arbeit wird ebenfalls<br />

nur von einer Person erledigt. In<br />

nur drei bis vier Tagen können circa<br />

800-1000 m 3 Gülle bei entsprechend<br />

langen Arbeitstagen (Scheinwerfer<br />

mit enormer Helligkeit am Schlepper<br />

und Wagen machen Nachtarbeit<br />

möglich) ausgebracht werden.<br />

Da man nach vorheriger Berechnung<br />

weiß, wie viel organischer<br />

Dünger anfällt und ausgebracht<br />

werden muss, wissen wir auch,<br />

welche Menge des Nährstoffbedarfs<br />

hierdurch abgedeckt ist. Die dann<br />

noch bestehende Differenz muss<br />

mit Kunstdünger ausgeglichen werden.<br />

In der Regel reichen hier auf<br />

den Weiden 1,5 Doppelzentner<br />

Kalkamonsalpeter (Ein-Nährstoffdünger<br />

mit 27 Prozent Stickstoffanteil).<br />

Bei Bedarf wird im August auf<br />

den Weiden noch mal nachgestreut,<br />

um bis zum Ende der Weidesaison<br />

genügend Gras zu haben. Auf den<br />

Wiesen benötigen wir dagegen<br />

schon 2,5 Doppelzentner gleichen<br />

Düngers nach jedem Grünlandschnitt,<br />

also ca. alle 6-8 Wochen,<br />

jedoch höchstens dreimal im Jahr.<br />

Der Kunstdünger wird per LKW frei<br />

Hof geliefert, abgekippt, dann mit<br />

dem hydraulischen Frontlader in<br />

den Düngerstreuer geladen (Fassungsvermögen<br />

1,5 Tonnen) und auf<br />

dem Feld verteilt. Jährlich benötigen<br />

wir etwa 50 Tonnen Kunstdünger.<br />

Sind diese Frühjahrsarbeiten erledigt,<br />

wird zeitgleich (sobald die<br />

Witterung es zulässt) zu den<br />

genannten Arbeiten mit dem<br />

Abschleppen der Wiesen und Weiden<br />

begonnen. Dies geschieht mit<br />

einer 6 Meter breiten, hydraulisch<br />

klappbaren Wiesenegge und dient<br />

Abb. 80: Heutzutage<br />

werden<br />

riesige Schlepper<br />

und Anhäger mit<br />

hohen Aufsätzen<br />

bei der Maisernte<br />

eingesetzt.


.ß®~ ............. ... .. ............. .. ........... .............................. ........ ~~N. J.M:U!-.. ~N.Jm l.t.~.~.P..~~I~~.~IT.PJ.~. JN:m.T.~Y.~~N.P.m::.~P.~.<br />

Abb. 81: Mit der<br />

Kehrmaschine<br />

werden die Schwaden<br />

auseinander<br />

geworfen.<br />

zur Einebnung der Maulwurfshügel<br />

und Belüftung der Grasnarbe, d. h.<br />

alte, tote Gräser werden ausgerissen,<br />

damit die Grasnarbe Platz zum<br />

Wachsen hat. Anschließend werden<br />

die Weiden eingezäunt und mit<br />

Elektrodraht versehen.<br />

Ende April/ Anfang Mai ist es dann<br />

soweit, die Tiere können ausgetrieben<br />

werden. Die Jungtiere kommen<br />

auf die Weide und bleiben den<br />

ganzen Sommer draußen, ebenso<br />

die Bullen. Die kleinsten Kälber<br />

bleiben vorerst im Stall, können<br />

aber auch schon mal am Tage draußen<br />

laufen. Nachts werden sie<br />

jedoch wieder reingeholt<br />

Bei den Kühen ist zum Weideaustrieb<br />

ein gutes ,Management' erforderlich.<br />

In den ersten Tagen dürfen<br />

sie nur stundenweise auf die Weide,<br />

um eine möglichst schonende Futterumstellung,<br />

d. ' h. von Winter- auf<br />

Sommerfütterung, zu erreichen.<br />

Damit wird vermieden, dass die<br />

Kühe irrfolge eines Überhangs an<br />

leicht verdaulichen Proteinen aus<br />

dem frischen Gras Verdauungsprobleme<br />

bekommen und somit krank<br />

werden. Parallel wird den Kühen<br />

den ganzen Sommer beim Melken<br />

Silage zugefüttert, um eine möglichst<br />

hohe Milchleistung zu erzielen.<br />

Eine gesunde Kuh produziert<br />

heute ca. 6.500-7.000 kg Milch pro<br />

Jahr. Angestrebt wird eine Menge<br />

von 8.000-10.000 kg, um auch in<br />

Zukunft Milch wirtschaftlich produzieren<br />

zu können.<br />

Sind alle Tiere draußen, müssen wir<br />

die Erntemaschinen für den ersten<br />

Schnitt klarmachen, um den optimalen<br />

Erntezeitpunkt der Gräser<br />

nicht zu verpassen. Dieser ist<br />

gekommen, wenn die Hauptbestandsgräser<br />

Ähren schieben, d. h.<br />

kurz vor der Blüte stehen. In dieser<br />

Phase haben die Gräser die meisten<br />

Nährstoffe.<br />

Bei der Ernte hat sich die Silagetechnik<br />

durchgesetzt. Es wird nur<br />

noch ein kleiner Teil Heu für die<br />

jüngsten Kälber gemacht.<br />

Die Verfahren der Silageernte sind<br />

natürlich von Betrieb zu Betrieb<br />

unterschiedlich. Es kommen selbstladende<br />

Erntewagen oder Häcksler<br />

zum Einsatz, einige Betriebe vergeben<br />

die Arbeiten an einen Lohn-


.~~.J..W:~ .. ~~ .. P.Ji;~ .. ~.P:w.JK!:$.(tw.:J:' .. ?;!}.~.J..W:~T~!}.$J~.P.~ll ...................................................................................... a~.<br />

unternehmer, andere wie unser<br />

Betrieb erledigen die Erntearbeiten<br />

mit dem eigenen Maschinenpark.<br />

Stundenweise wird eine Aushilfe<br />

eingestellt.<br />

Der Ablauf ist folgender: Mit zwei<br />

Schleppern, jeweils mit einem<br />

Mähwerk ausgerüstet, wird gemäht.<br />

Die Stundenleistung beträgt ca. 4<br />

Hektar in der Stunde, der dritte<br />

Schlepper beginnt etwas zeitversetzt<br />

mit dem Kehren des frisch gemähten<br />

Grases, um so den Trocknungsvorgang<br />

zu beschleunigen.<br />

20-24 Stunden nach dem Mähen<br />

wird das Gras mit einem Schwader<br />

Abb. 82 u. 83:<br />

Vor 70 bis 80 Jahren<br />

galt dieser Grasmäher<br />

noch als fortschrittlich;<br />

heute wird<br />

mit 2 Kreiselmähern<br />

zugleich gemäht.


.ß®®............... ................................. .............. .. .......... ........ ;I;;~N. J.N:H~ .. ~N ...P..P~.. J...~.P~~J.:~~.~ .. ~~~ - J.~~.T.-t\Q~~~'P.w.J;NP.~.<br />

Abb. 85: Dieser<br />

84 m lange und<br />

3 m hohe Silo von<br />

Henning Rehder<br />

ist die Ernte von<br />

85 ha Grünland<br />

im Mai 1999. Das<br />

Futter reicht für<br />

120 Milchkühe<br />

über den gesamten<br />

Winter.<br />

Abb. 84 (vorherige<br />

Seite):Oft reicht<br />

die Kraft eines<br />

Schleppers zum<br />

Schluss nicht mehr<br />

aus, um auf die<br />

hohen Silohaufen<br />

zu fahren. Dann<br />

wird ein weiterer<br />

Trecker vorgespannt,<br />

der hilft<br />

den Silagewagen<br />

hochzuziehen.<br />

zu gleichmäßigen Schwaden<br />

zusammengezogen und sogleich<br />

beginnen wir mit dem Einfahren<br />

mittels eines selbstladenden Erntewagens.<br />

Gleichzeitig zerschneidet<br />

dieser das Gras auf eine Länge von<br />

5-7 Zentimeter. Zuhause wird alles<br />

schichtweise auf einen großen<br />

Haufen gefahren und mit einem<br />

schweren Schlepper fest gewalzt.<br />

Abschließend wird der Silo mit<br />

Folie abgedeckt und rundum luftdicht<br />

mit Sand verfüllt. Zum<br />

Beschweren werden auf dem gesamten<br />

Silo alte PKW-Reifen verteilt,<br />

eine echte Knochenarbeit. Im Jahr<br />

2000 benötigten wir für den ersten<br />

Schnitt (45 Hektar) gut 4 Tage.<br />

Hinterher wird auf den abgeernteten<br />

Feldern Gülle ausgebracht und<br />

Kunstdünger gestreut.<br />

Jetzt ist es auch an der Zeit, die<br />

kleinen Kälber auf die Weide zu<br />

lassen. Da diese noch keine Gefahren<br />

und Freiheit kennen, sind sie<br />

vorsichtig auf ihr Weideleben (der<br />

Stromdraht muss erst erkannt werden)<br />

vorzubereiten. Den übrigen<br />

Tieren werden 10 Hektar der abgeernteten<br />

Flächen des ersten Schnitts<br />

anteilig zugewiesen.<br />

Die Zeit zwischen dem ersten und<br />

zweiten Schnitt ist in der Regel<br />

immer etwas ruhiger, so dass auch<br />

Landwirte heutzutage gern mal in<br />

Urlaub fahren. Eine Vertretung lässt<br />

sich gut organisieren, ist allerdings<br />

nicht ganz billig. Wenn man Glück<br />

hat, können die dringlich erforderlichen<br />

Arbeiten wie Melken, Füttern,<br />

Tiere zählen usw. von den<br />

Altenteilern (in der Regel die Eltern<br />

und Vorbesitzer des Hofes) übernommen<br />

werden. Ansonsten muss<br />

man einen Betriebshelfer buchen,<br />

der vom Maschinenring Steinburg<br />

gegen Bezahlung gestellt wird.<br />

Je nach Witterung ist etwa 6-8<br />

Wochen nach dem ersten Schnitt<br />

der zweite Schnitt auf den Wiesen<br />

fällig. Der Ablauf ist der gleiche wie<br />

beim ersten Schnitt und braucht<br />

deshalb nicht noch mal beschrieben<br />

werden.<br />

Bei gutem Wetter ist Anfang August<br />

das Getreide reif. Da wir selbst kein<br />

Getreide anbauen, müssen wir<br />

Stroh hinzukaufen. Dies benötigen<br />

wir im Winter als Einstreu für die<br />

Kälberboxen und Festmiststände<br />

sowie als Ergänzungsfutter zur<br />

Silage für die Jungtiere. Etwa die<br />

Hälfte des benötigten Strohs holen


, J.;!.\.J.


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BSE ist die Abkürzungfiir<br />

'bovine<br />

spongiforme<br />

Enzephalopathie'<br />

auch Rinderwahnsinn<br />

genannt.<br />

Hierbei handelt es<br />

sich um eine<br />

schwammartige<br />

Wucherung im<br />

Gehirn eines<br />

erkrankten Rindes,<br />

die durch sogenannte<br />

Prionen<br />

ausgelöst wird. Es<br />

gibt gesunde und<br />

bösartige Prionen.<br />

Kommen bösartige<br />

mit gutartigen in<br />

Kontakt, können<br />

diese die Eigenschaft<br />

ändern und<br />

ebenfalls bösartig<br />

werden.<br />

Abb. 87: Waschmaschine,<br />

Waschbalge,<br />

Rüjfe/brett,<br />

Wäscherolle und<br />

die an der Wand<br />

hängenden Bügelbretter<br />

in der<br />

gesäuberten<br />

Waschküche.<br />

Grüppenfräse bzw. einer Grabenschaufel<br />

erledigt. Immerhin gilt es<br />

ca. 40-50 Kilometer Gräben zu<br />

unterhalten.<br />

Hiermit möchte ich den Jahresüberblick<br />

beenden. Selbstverständlich<br />

unterscheiden sich die Jahre immer<br />

ein klein wenig voneinander. Allein<br />

schon durch die Witterung verschieben<br />

und gestalten sich die Arbeiten<br />

jedes Jahr anders. Aber das ist vielleicht<br />

auch gerade das Interessante<br />

an der Landwirtschaft, die mit der<br />

Natur im Einklang leben und arbeiten<br />

muss.<br />

Ich habe versucht, den Ablauf eines<br />

Jahres in unserem landwirtschaftlichen<br />

Betrieb darzustellen. Dabei<br />

stellte ich fest, dass der Beruf ,Landwirt'<br />

eine echte Herausforderung<br />

darstellt: Wenig Freizeit, nicht<br />

immer vorhandene Akzeptanz in<br />

der Bevölkerung und immer höher<br />

werdende Ansprüche von Seiten<br />

der Politik und der Verbraucher an<br />

den Unternehmer Landwirt. Ich<br />

hoffe, es ist mir gelungen, auch<br />

Nicht-Eingeweihten einen Einblick<br />

zu verschaffen.<br />

BSE - Aus aktuellem Anlass<br />

Das Thema BSE ist zur Zeit in aller<br />

Munde. Die hier ansässigen Milchund<br />

Fleischbetriebe sind gleichermaßen<br />

von der BSE-Krise betroffen,<br />

auch wenn bisher im Gemeindegebiet<br />

glücklicherweise noch kein<br />

BSE-Fall aufgetreten ist. Die nachfolgenden<br />

Ausführungen von Johannes<br />

Rehder können das Thema nur<br />

streifen, dennoch ist es Wunsch der<br />

Gemeinde, hier Anknüpfpunkte zu<br />

schaffen, für den Fall, dass die<br />

Chronik in einigen Jahrzehnten<br />

fortgeschrieben wird:<br />

Am 24. November 2000 wurden<br />

erstmals BSE-Erreger in der Fleischprobe<br />

einer deutschen Kuh ,zufällig'<br />

entdeckt. Denn nach dem Zufallsprinzip<br />

waren bei der Schlachterei<br />

Basche in Itzehoe Proben von geschlachteten<br />

Rindern entnommen<br />

und auf diesen Erreger untersucht<br />

worden. Unter diesen Proben<br />

befand sich auch das Fleisch der<br />

fün fjährigen Kuh eines landwirtschaftlichen<br />

Betriebes im Kreis<br />

Rendsburg-Eckernförde.<br />

Die Meldung schlug ein wie eine<br />

Bombe, galt Deutschland bis dato<br />

als BSE-frei. Fortan überschlugen<br />

sich die Ereignisse. Im Alleingang<br />

ordnete die Bundesregierung sofortige<br />

Schnelltests für alle geschlachteten<br />

Rinder an, die das Alter von<br />

30 Monaten überschritten hatten.<br />

Mittlerweile werden alle geschlachteten<br />

Rinder getestet, die älter als<br />

24 Monate sind. Bei jüngeren Tieren<br />

konnten die Erreger bislang nicht<br />

nachgewiesen werden. Bis 1.3.2001<br />

sind im gesamten Bundesgebiet<br />

bereits 44 BSE-Fälle aufgetreten.<br />

Man befürchtet jedoch, dass dies<br />

nur die Spitze des Eisbergs ist.


. W:~5.( .l.!P. :~.~ . .F~ .. P.'-'. . 5.Q.!\~.1Q~H~~,~ ---·········· · · ·· ····································· · ·············· · ··· · ············· · ··· · ···················· ............................... J.00.<br />

WASCHDAG IN DE<br />

.................. ?. .Q~~ . .J9.~.~~ ............... ..<br />

Von Käthe Meiforth, Averfleth<br />

So gau as dat hüüttodaags is,<br />

Waschmaschien an, vörher sorteern<br />

op 30-40/60/90 Graad, so weer dat bi<br />

uns anfangs nich. Nu is dat so: Rin<br />

in de Waschmaschien, rut ut de<br />

Waschmaschien, rin in den Dröger,<br />

rut ut den Dröger un denn treckst<br />

dat Tüüg wedder an.<br />

Vöör unse Tiet fung dal siinndaagavends<br />

an. Ik weet, wenn mien<br />

Modder vertellen de un se weer<br />

sogoor 'n beten fünsch dorop. Sünndaagavend<br />

na'n Melken keem de<br />

Köökschen bi ehr in Laden, hüüt<br />

seggt m an ,Dien stmädchen' (giff dat<br />

sowieso nich mehr) . - ji weet ja noch<br />

oll, dat juun Oma een ,Tante-Emma­<br />

Laden' harr, wi seggt dar op'n Dörp<br />

ja ,Höker' to; na un nu wieda. -<br />

Denn kernen de Deerns, breden een<br />

grotes, blaues Dook, so 80 x 80 op'n<br />

Ladendisch ut, un denn woor inköfft:<br />

1 Pak ,Persil', dat geev dat dormaals<br />

ok al, weer aver blot 1 Pund Waschpulver<br />

binnen, 1 Pak ,Henko', dat<br />

Paket weer noch lütter, 1 Pak ,Sil',<br />

dat weer noch lütter, denn noch<br />

,Blaupapier' un ,Hoffmannsstärke',<br />

dat mit de wille Kalt, giff dat hiiüt ok<br />

noch. Denn woor dat blaue Dook<br />

över Krüüz tosaambunnen, un Oma<br />

m üss dat in't Book anschrieben,<br />

denn Geld kregen de Kökschen nich<br />

mit. Oft woor denn noch een Kann<br />

vull Petroleum mitnahmen, wegen<br />

den Waschketel, de viflicht nich<br />

brennen wull, wie] wi scheven Wind<br />

harrn. De Petroleumtank stünn<br />

glieks üm de Eck achterde Döö1: Dat<br />

weet ji villicht noch. Weer so ähnlich<br />

, als wenn du nu för een Moped<br />

tanken wullt. Dal weer de eerste<br />

Deel, Oma fre u sik bannig siinndaags<br />

so um de Avendbrottiet mit<br />

stinkige Petroleumhannen!!!!!!!<br />

Anfangs passeer dat Waschen noch<br />

in Kohstall, blang dat Regenbassin.<br />

Later as wi Köök un Waschköök mit<br />

een grooten Waschgropen baut<br />

harrn, woor dat ja al'n beten beter.<br />

Dat Regenbassin weer ganz wichtig,<br />

wuschen woor bloot in Regenwater,<br />

uns Grundwafer is so iesenhalig, dar<br />

kreegs överhaupt keen Schuum vun<br />

dat Sepenpulver. Wuschen woor ja<br />

ok bloot oll dree Weken, aver denn<br />

gung de ganze Week dar överhin.<br />

Wedder to Huus, woor dat Tüüg in<br />

de opstellten Zinkwanns, Plaslikwanns<br />

geev dat jo noch nich, sorteert,<br />

Water rop un Henko rinschüdd,<br />

dat weer een Inweekmiddel. Maandagmorgen<br />

gung dat denn richtig<br />

los: Waschgrapen anböt, wat mitünner<br />

recht swoor wee1; wenn wi den<br />

richtigen Wind nich harrn. Wäsch ut<br />

dat Henkowater, utwringen, de<br />

Schiet harr sik över Nacht so richtig<br />

löst. Rin in Grapen, Persil rop, un<br />

koken loten. Af un an um röhren mit<br />

een grooten holten Wäscheknüppel.<br />

Later ut de Sepenloog rutnehm un<br />

denn gung dat Rüffeln los, op dat<br />

Waschbrett, dat se nu blot noch to'n<br />

Musik maken brukt. Later kregen wi<br />

so'n Stamper. Denn stampen wi de<br />

Wäsch al in Gropen. De woor dahldrückt<br />

in de Wäsch un wedder<br />

hoochhalt. Denn spölt dat Sepenwater<br />

so richtig dörch de Wäsch dörch.<br />

Noch later kregen wi een hölten<br />

Waschmaschien. De harr een<br />

Schwingel ande Siel, den müssen wi<br />

so een halve Stunn hin un her<br />

bewegen, de weer mit een Kammrad<br />

ünner de Maschien verbunnen, de<br />

sett wedder een holten Kriiüz in de<br />

Maschien in Gang un de Wäsch<br />

woor dordörch hin und her bewegt.<br />

Dat weer ganz fortschrittlich un<br />

Arbeitserleichterung.<br />

Un nu gung dal Spölen los. Eerst<br />

Etwa alle drei<br />

Wochen gehörte<br />

der sogenannte<br />

Waschtag zu den<br />

schwersten<br />

Arbeitstagen in<br />

der Hauswirtschaft.<br />

Dem eigentlichen<br />

Waschen ging das<br />

Einweichen der<br />

Wäsche in Zinkwannen<br />

voraus.<br />

Am nächsten<br />

Morgen wurde die<br />

Wäsche gekocht,<br />

wobei dem Waschwasser<br />

eine<br />

bestimmte Menge<br />

von Waschmittel<br />

zugesetzt wurde.<br />

Durch Reiben auf<br />

dem Rüffelbrett<br />

sollten die<br />

Schmutzteile<br />

endgültig gelöst<br />

werden. In späterer<br />

Zeit wurden<br />

diese Arbeiten mit<br />

Hilfe von Waschmaschinen<br />

erleichtert.


,{~~ .D ............................................................................................................................. ............... Wt~P.!I.:?;\~i .. !N.P'f. .. 5.Q.m~. JQ! .I.~g_;;,: .<br />

Im nächsten<br />

Arbeitsgang wurde<br />

die Wäsche dreimal<br />

mit klarem<br />

Wasser durchgespült,<br />

ausgewrungen<br />

und an der<br />

Wäscheleine zum<br />

Trocknen aufgehängt.<br />

Zum<br />

Abschluss wurde<br />

die Wäsche nach<br />

dem Trocknen mit<br />

dem Bügeleisen<br />

geglättet und bei<br />

Bedarf ausgebessert.<br />

73<br />

utwringen, rin in de eerste Wann mit<br />

schier Water, immer op un daal,<br />

utwringen, in de tweete Wann mit<br />

frisch Water, ümmer op un daal un<br />

utwringen. Denn in de drütte Wann<br />

noch maal datsülve. Dat Tüüg, wat<br />

recht schöön witt warm schull, woor<br />

noch in Silwater ]eggt oder in een<br />

Wann mit Blaupapier. Blaupapier<br />

weem Papierstücke, bickbeerenblau,<br />

so 8 x 1 0 cm groot, de warm in een<br />

Wann mit Woter ]eggt un de Wäsche<br />

woor för een halve Stunn dorrin<br />

packt. Wenn allens wedder utwrungen<br />

west, keem dat in denn Wäschekor/<br />

ut Peddigrohr oder Weiden, un<br />

denn gung't na buten. In Appelhoff<br />

weer de Wäschelien krüüz un quer<br />

spannt, un wenn de Sünn schien,<br />

mit een lütten beten Wind, denn<br />

weer dat herrlich.<br />

In twüschen woor in de Sepenloog<br />

vun de witte Wäsch de Buntwäsch<br />

rinpackt. Stück Holt nabött un de<br />

nafolgende Wascharbeit weer desülve<br />

as vörhin. Denn keem noch de<br />

Arbeitsbüxen un Jacken in de<br />

gebrukte Loog, de sehg würklich nich<br />

mehr schöön ut. Mit de Monschesterbüxen<br />

woor denn rutgohn op de<br />

Opbohnbrüch, de Büxen hinleggt un<br />

denn mit den Leuwagen (oder<br />

Schrubber, dat is beler to verstahn)<br />

de letzte Kohschiet rünnerböst. Wenn<br />

denn allens an de Lien bummeln de,<br />

weer man froh. De Waschköök woor<br />

schrubbt un oll de Dören opreten,<br />

darmit dat denn ok gau dröögt. Dat<br />

weer de Waschdag. To Meddag geev<br />

dat mehrst dicken Ries oder Avenkater,<br />

wat ja eenfach weer.<br />

Annem Dag gung dat wieder. De<br />

Stärkewäsche, Oberhemden u.s.w.<br />

dat goode Tüüg jedenfalls woor,<br />

anfuchten, reckt un oprullt. Un denn<br />

gung dat Plätten los. Wi harm jo al<br />

een elektrisches Bögeliesen, unse<br />

Mudder un Tanten harm noch een<br />

Holtkohleniesen. Holtkohl kunnst<br />

bi'n Höker köpen, ji warm woll<br />

,Grillkohle' dorto seggen. De woor<br />

in't Plättiesen doon, Stück Brikettgloot<br />

mit rin un denn na buten, hin<br />

un her swenkt, darmit dar Tag rin<br />

keem un glönig warm de. Wenn<br />

allens plätt un schier weer, gung dal<br />

neegsten Dag an Tüüg heel moken.<br />

Ünnerbüxen stoppen, Bettlaken<br />

flicken, Knööp anneihen u.s. w.<br />

Abb. 88: Bäckerei<br />

Otto Nagel, zuvor<br />

J. Heesch, in<br />

Vorder-Neuendorf<br />

mit integriertem<br />

Kolonialwarenladen.<br />

lfßlill­<br />

~lli<br />

~<br />

~7


I I \~P~ .E~~~~.. ~ ..:'i!.?<br />

.. G.r.~. f~Wm~T.~. ! ~.J;IJ . P.J;,~ .. ~! .. TI-.~ .. Z!ir!: ................................................................................................... J.J(!.<br />

HANDWERKS- UND<br />

G EWERBEBETRIEBE<br />

D ER ALTEN Z EIT<br />

Ein Strukturwandel fand nicht nur<br />

in der Landwirtschaft, sondern auch<br />

bei den örtlichen Handwerksbetrieben<br />

statt. Entlang Hackeboe beispielsweise<br />

gab es in den 30er/40er<br />

Jahren noch eine Vielzahl von<br />

Handwerks- und Gewerbebetrieben.<br />

Angefangen bei den Zimmereibetrieben<br />

Lau und Schuard, wovon<br />

sich die Zimmerei Schuard auf<br />

Mühlenbau spezialisiert hatte.<br />

Weiter mit der Gärtnerei Möller,<br />

dem ,Fa hrradflicker' Abraham und<br />

dem Schuhmacher Julius Halmschlag,<br />

in dessen Haus 1931 eine<br />

Nebenstelle des Wilsteraner Postamtes<br />

eingerichtet wurde, die seine<br />

Schwiegertochter bis 1966 weiterführte.<br />

Am anderen Ende von<br />

Hackeboe befand sich die Malerwerkstatt<br />

der Fa milie Oehlers.<br />

Bevor sie dieses Haus (Hackeboe 43)<br />

1923 erworben hatte, betrieb Johannes<br />

Maaß hier eine Weberei sowie<br />

einen 'Steh-Bierausschank'. Als auf<br />

der Wilster-Au noch reger Verkehr<br />

herrschte, konnten die Schiffer dort<br />

ihren Durst löschen . An derselben<br />

Stelle soll dem Hörensagen nach<br />

einst eine hölzerne Kapelle gestanden<br />

haben. Abschließend befand<br />

sich in Hackeboe bis vor kurzem<br />

noch der Malerbetrieb der Familie<br />

Haack, die gleichzeitig einen Kolonialwarenladen<br />

führte. Einen<br />

solchen Laden hatte einst auch<br />

Bäcker Otto Nagel aus Vorder­<br />

Neuendorf. Neben dessen Bäckerei<br />

gab es dort noch zwei Schuster.<br />

Einer davon, Otto Göttsche, arbeitete<br />

gleichzeitig als Reetdachdecker.<br />

Noch im Alter von 86 Jahren fertigte<br />

dieser das Reetdach für die Schautafel<br />

an der Tiefsten Landstelle.<br />

Das Schuhmacherhandwerk war<br />

allgemein gut vertreten in der Gemeinde<br />

Neuendorf. Neben den<br />

Schusterwerkstätten in Hackeboe<br />

und Vorder-Neuendorf gab es noch<br />

den Schuster Feldmann in Averfleth,<br />

den Schuster Rogkensack in<br />

Abb. 89: Der alte<br />

Zimmermeister<br />

Markus Schuard<br />

(rechts) mit seinen<br />

Gesellen beim<br />

Wiederaufbau des<br />

Schippmannhofes<br />

in Hackeboe 1915.<br />

Um die Jahrhundertwende<br />

gab es<br />

einen weitereren<br />

Schuster in Hackeboe.<br />

Claus Heutmann<br />

war lange<br />

Jahre in der<br />

Gemeindevertretung<br />

aktiv und von<br />

1906 bis 1921<br />

Gemeindevorstehet:


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··································································································································································· ·········································<br />

... · · ..<br />

L~bVNcwer Fei4 G~ 74<br />

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D.ampfmühle Ave.rfleth<br />

Achterhörn sowie den Schuhmacher<br />

Jacob Groth in Hinter­<br />

Neuendorf.<br />

Ebenfalls in Hinter-Neuendorf<br />

befand sich die Poststelle der Familie<br />

Fink. Der ,Handelshof' wird in<br />

der Kombination Gaststätte und<br />

Viehhandel bereits in der dritten<br />

Generation betrieben. Ein paar<br />

Häuser weiter befand sich die Stellmacherei<br />

von Peter Struve. Eine<br />

weitere Stellmacherei bestand zur<br />

Jahrhundertwende in Averfleth und<br />

arbeitete eng mit der benachbarten<br />

Abb. 90: Hierbei<br />

handelt es sich um<br />

die Kornmühle<br />

von Heinrich<br />

Stührk im Jahr<br />

1913 (Poststempel).<br />

Es ist anzunehmen,<br />

dass<br />

diese Mühle einst<br />

zur Grafschaft<br />

Rantzau gehörte.<br />

Info/ge der Einziehung<br />

allen Rantzauischen<br />

Besitzes, wurde<br />

die Mühle 1721<br />

königliches Eigentum<br />

und in eine<br />

Erbpachtmühle<br />

umgewandelt. Ein<br />

Kornmüller j ener<br />

Zeit war Peter<br />

Meyforth (1774-<br />

1836). Unter<br />

preußischer Herrschaft<br />

wurde die<br />

Zeitpacht aufgehoben.<br />

Bevor Heinrich<br />

Stührk die<br />

Mühle erwarb,<br />

hatte sie dem<br />

Müller Runge<br />

gehört. Dieser war<br />

nach Amerika ausgewandert.<br />

Mittels eines<br />

Motors wurde dort<br />

seit 1924 auch<br />

Strom erzeugt.<br />

Mitte der 30er<br />

Jahre wurde die<br />

lokale Stromerzeugung<br />

durch die<br />

220- Volt-Überlandleitung<br />

ersetzt. Einige<br />

Höfe in Achterhörn/Stadtmoorwurden<br />

erst zu<br />

dem Zeitpunkt an<br />

das Stromnetz<br />

angeschlossen und<br />

mit Elektrizität<br />

versorgt.


.ß:J. ~J ...................................... .......................... ............................... R~.N.~W.~~.JS!!~ .. ~ ! ;"'.~ .. GJW.l.'.~~.l.'.!~~I~ ! .f:Jm .. P..P~ .. :\I.T~;"~~ .. ZPr.<br />

Abb. 91: Diese<br />

alte Fotografie<br />

zeigt Peter Nagel<br />

bei der Arbeit<br />

zusammen mit<br />

seiner Frau in der<br />

Schus lerwerks Ia tl<br />

in Averfleth.<br />

Insgesamt fand<br />

eine Verschiebung<br />

vom produzierenden<br />

und verarbeitenden<br />

Gewerbe<br />

hin zum Dienstleistungsgewerbe<br />

statt.<br />

Von den 19 gemeldeten<br />

Gewerbebetrieben<br />

im<br />

Gemeindegebiet<br />

sind ca. 95% im<br />

Dienstleistungssektor<br />

tätig<br />

(Stand 20.3.2001).<br />

Schmiede zusammen. Ebenfalls in<br />

Averfleth gab es die Zimmerei Feldbusen,<br />

der ein kleiner Krämerladen<br />

angegliedert war. Eine andere Zimmerei<br />

nebst Sägemühle (Haack)<br />

stand seinerzeit an der Wilster-Au<br />

schräg gegenüber vom Duckunder.<br />

Heute kennzeichnet der alte Baumbestand<br />

den einstigen Standort.<br />

Bei dieser Auflistung alter Gewerbetreibender<br />

im Gemeindegebiet sollte<br />

das ,Allroundtalent' Peter Nagel<br />

nicht fehlen. Zur Jahrhundertwende<br />

in Averfleth wohnhaft, ist er, wenn<br />

auch nur noch dem Hörensagen<br />

nach, vornehmlich den Alteinwohnern<br />

Averfleths ein Begriff. Die<br />

Schusterwerkstatt und Gerberei<br />

hatte er bereits von seinem Vater<br />

übernommen. Mit seinem Schiff<br />

fuhr er Torf nach Harnburg und<br />

seine Frau betrieb einen Krämerladen.<br />

Nebenbei war Peter Nagel als<br />

Humanmediziner, Tierarzt und<br />

Barbier tätig. So half er den Leuten,<br />

wenn sie Warzen, Hühneraugen und<br />

andere Leiden hatten oder einen Rat<br />

benötigten. Jeden Sonntagmorgen<br />

saßen die Männer aus dem Dorf in<br />

seiner Stube, um sich rasieren oder<br />

die Haare schneiden zu lassen. 1909<br />

konnte er sein 50-jähriges Geschäftsjubiläum<br />

begehen. Um die<br />

Vielseitigkeit seines Könnens zu<br />

unterstreichen, möchte ich gern<br />

folgende Meldung aus der Wilsterschen<br />

Zeitung vom 9. Mai 1891<br />

wiedergeben: "Es ist ein Kalb mit<br />

zwei Köpfen und zwei Hälsen auf<br />

dem Hofe Peter Meiforth zur Welt<br />

gekommen. Leider ist es bei der<br />

schwierigen Geburt gestorben,<br />

ansonsten wäre es aber volllebensfähig<br />

gewesen. Der hiesige Schuhmacher<br />

Peter Nagel hat es sorgfällig<br />

ausgestopft und bei sich z u Hause<br />

aufgestellt."


. ~.f:!I~~1.P?.~ .......................... ................................................................................................................................................................ J.i!.e1.<br />

SCHMIEDE<br />

Schmied ist einer der ältesten<br />

Handwerksberufe, der den Germanen<br />

schon 500 Jahre vor der Zeitenwende<br />

bekannt war. Beim<br />

Schmiedevorgang wird Metall im<br />

offenen Feuer erhitzt, um es anschließend<br />

mit einer Vielzahl von<br />

Werkzeugen zu bearbeiten. Hierzu<br />

stehen dem Schmied neben dem<br />

Amboss als Arbeitsplattform verschiedene<br />

Hämmer, Zangen, Meißel<br />

und Messer in mannigfaltiger Ausführung<br />

zur Verfügung.<br />

Die örtlichen Schmieden (Averfleth<br />

und Dückerstieg) fertigten in der<br />

Regel die Arbeitsgeräte zur Bewirtschaftung<br />

der Felder, gleichzeitig<br />

aber auch Werkzeuge, Klingen<br />

sowie Eisenreifen und -beschläge<br />

für die Kastenwagen. Das ,Fo hlenbrennen'-"<br />

zähl te ebenso zu ihren<br />

Aufgaben wie das Beschlagen der<br />

Pferde. Im Winter ging der Schmied<br />

von Hof zu Hof, um den jungen<br />

Pferde die Hufe zu beschneiden.<br />

Hufeisen bekamen sie erst im Alter<br />

von 3-4 Jahren. Kurz nach dem<br />

Krieg, als Eisen schwer zu beschaffen<br />

war, hat man die Hufeisen aus<br />

alten Maschinengewehrläufen gefertigt.<br />

In der alten Ziegelei in Nortorf<br />

befand sich damals ein Waffendepot<br />

Es wurden die unterschiedlichsten<br />

Hufeisen gefertigt, auch<br />

geschlossene. Um im Winter die<br />

Rutschfestigkeit zu erhöhen, konnte<br />

man Eisnägel in die Eisen schlagen<br />

bzw. Stollen reinschrauben.<br />

Auch das Schärfen von Pflugscharren<br />

und Beilkeilen fiel in den Aufgabeobereich<br />

dieser Schmieden. Der<br />

Schleifstein in Averfleth musste<br />

damals noch von Hand betrieben<br />

werden. In der Schmiede beim<br />

Dückerstieg gab es glücklicherweise<br />

schon einen Motor, der über Treibriemen<br />

mit mehreren Arbeitsmaschinen<br />

verbunden war (Transmission)<br />

.<br />

Mit zunehmender Technisierung in<br />

der Landwirtschaft wandelten sich<br />

die Anforderungen an den Schmiedebetrieb.<br />

Viele traditionelle Arbeiten<br />

verschwanden aus dem<br />

Abb. 92: Die<br />

Schmiede beim<br />

Dückerstieg im<br />

Jahr 1920. in der<br />

Mitte steht der<br />

Schmied Markus<br />

Ho/let; links sein<br />

Nachfolger Willy<br />

Johannsen.<br />

Johannes Holler,<br />

Sohn von Markus<br />

Holler, betrieb<br />

nebenan ein<br />

Elektrogeschäfl.<br />

Deshalb wurden in<br />

der Schmiede auch<br />

schon frühzeitig<br />

verschiedene<br />

Maschinen über<br />

Transmission<br />

angetrieben. Im<br />

Hintergrund ist<br />

ein Windrad zu<br />

erkennen, durch<br />

welches die Transmiss<br />

ion mittels<br />

einer Welle in<br />

Drehung versetzt<br />

wurde.


.ßJ :~ ................. .......................................................................................... ....................... ..................................................... S.P. !~Hm?.!i.<br />

Schmiede (1963)<br />

1963-1992 Reinhard Holm<br />

1992-1994 Raiffeisen HaGe<br />

seit 1994 Horst Dohrn<br />

··-...<br />

, ·-----..._<br />

, chlcrf .. ·-·----...<br />

------------------~~:.rn ..__ ·--------------..._<br />

·- ··-.......··<br />

·•···········...............<br />

Bauernhof mit Schmiede (1848)<br />

1848-1877 Christian Haack<br />

1877-1909 Lorenz Nagel<br />

··................... ....... ····•··•· ...<br />

Abb. 93: Die<br />

Dorfschmiede in<br />

Averjleth mit<br />

ihrem jeweiligen<br />

Besitzer und<br />

Standort.<br />

Weil das alte<br />

Bauernhaus mit<br />

Reet gedeckt war,<br />

war das Gebäude<br />

durch das offene<br />

Feuer der Esse<br />

gefährdet. Deshalb<br />

zog Lorenz Nagel<br />

in die gegenüberliegende<br />

Stellmacherei.<br />

Diese war<br />

j edoch nicht sehr<br />

groß, weshalb sie<br />

um einen Schuppen<br />

und ein<br />

Beschlagschauer<br />

vergrößert wurde.<br />

Nebenbei betrieb<br />

Lorenz Nagel eine<br />

Kohlenhandlung<br />

und hielt Schweine.<br />

Arbeitsalltag, andere, neue Aufgaben<br />

kamen hinzu. Der Landmaschinenhandel<br />

und deren Reparatur<br />

gewann an Bedeutung. Anfangs<br />

wurden die Maschinen noch in<br />

Einzelteilen zerlegt mit der Bahn<br />

angeliefert und in der Schmiede<br />

endmontiert Peter Marler aus Hackeboe<br />

erinnert sich, dass schon zu<br />

seiner Lehrzeit (1944-46) von den<br />

sechs Lehrlingen pro Lehrjahr<br />

jeweils drei zum Landmaschinenmechaniker<br />

ausgebildet wurden. Er<br />

hatte beim Schmied Willy Johannsen<br />

auf dem Dückerstieg gelernt.<br />

Zuvor hatte er da bereits ein Jahr als<br />

Laufjunge gearbeitet. Insgesamt<br />

waren dort 18 Mann beschäftigt,<br />

davon 12 Lehrlinge, bei freier Kost.<br />

Im Verhältnis dazu war die Schmie-<br />

vor1909<br />

1909-1924<br />

Stellmacherei<br />

Lorenz Nagel<br />

Franz Mede<br />

Emil Meiforth<br />

Timm<br />

1933-1962 Johannes Holm<br />

1962-1963 Reinhard Holm<br />

de in Averfleth recht klein. Anfangs<br />

arbeitete Johannes Holm gar allein.<br />

Deshalb musste seine Frau den<br />

schweren Blasebalg bedienen. Erst<br />

später kamen Gesellen und Lehrlinge<br />

hinzu. Einer dieser ehemaligen<br />

Lehrlinge, Peter Steen, ist der<br />

Schmiede in Averfleth treu geblieben<br />

und arbeitet dort nun schon<br />

über 40 Jahre.<br />

1962 übernahm Reinhard Holm den<br />

väterlichen Betrieb und siedelte<br />

bereits ein Jahr später in die neu<br />

errichtete Schmiede auf der gegenüberliegenden<br />

Straßenseite um.<br />

Neben dem ,normalen' Schmiedebetrieb<br />

handelte er mit Landmaschinen,<br />

Fahrrädern, Propangas,<br />

Treibstoff, Motorrädern, Fahrzeugen


. ~.~J1~!.1J !?.!; .. , ... ......... ........................................................................................................................................................................... 1:ü.tl<br />

und Flüssiggasgeräten. Als Reinhard<br />

Holm nach schwerer Krankheit<br />

starb, verpachtete seine Frau Inge<br />

den Betrieb zunächst an die Raiffeisen<br />

HaGe, welche d ie Werkstatt in<br />

gleicher Weise fortführte. In diesen<br />

2 Jahren leitete bereits Horst Dohrn<br />

den Betrieb, jedoch noch als Angestellter<br />

der Raiffeisen HaGe. Erst<br />

Ende 1994 wagte er den Schritt in<br />

die Selbstständigkeit und pachtete<br />

die Werkstatt direkt von Inge Holm.<br />

Horst Dohrn lernte ebenso wie einst<br />

Peter Marler beim Schmied auf dem<br />

Dückerstieg. Jedoch genoss er die<br />

Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker.<br />

Die Gesellenjahre verbrachte<br />

er bei Carstens in<br />

Schenefeld. Anschließend machte<br />

er seinen Meister und arbeitete bis<br />

1992 bei Laskowski in Elbersbüttel<br />

(kurz vor Meldorf) .<br />

Somit ist Peter Steen der einzige<br />

gelernte Schmied im Betrieb von<br />

Horst Dohrn. Die anderen drei Mitarbeiter<br />

sind auch Landmaschinenmechaniker,<br />

bzw. einer von ihnen<br />

hatte Maschinenbauer gelernt und<br />

sich als Quereinsteiger im Rahmen<br />

einer Umschulungsmaßnahme auf<br />

Melktechnik spezialisiert.<br />

Vor diesem Hintergrund ist die<br />

Bezeichnung ,Schmiede' irreführend,<br />

auch wenn sie im Volksmund<br />

traditionell weiterhin gebräuchlich<br />

ist. Zwar gibt es immer noch das<br />

gute alte Schmiedefeuer, einst<br />

Mittelpunkt einer jeden Schmiede,<br />

jedoch findet man es heute meist<br />

irgendwo im Hintergrund und nur<br />

selten wird es noch entfacht. Es<br />

verlor mit Erfindung des elektrischen<br />

Lichtbogenschweißens an<br />

Bedeutung. Da viele Landwirte<br />

selbst schweißen können, machen<br />

sie in der Regel die kleineren Reparaturen<br />

selbst.<br />

Der Kundenkreis beschränkt sich<br />

hauptsächlich auf die Landwirtschaft<br />

, deshalb sind die Arbeitsfelder<br />

überwiegend in diesem Bereich<br />

angesiedelt. So reicht das Arbeitsspektrum<br />

von der Installation und<br />

Wartung der Melk- und Fütterungstechnik<br />

bis hin zum Verkauf aller<br />

landwirtschaftlichen Maschinen,<br />

seien es Schlepper, Heumaschinen<br />

oder dergleichen.<br />

Doch mit zunehmenden maschinellen<br />

Feinheiten werden die Reparaturen<br />

immer aufwendiger. Dieses<br />

Spezialwissen ist durch eine einfache<br />

Lehre nicht mehr zu vermitteln,<br />

da die Ausbildung mit den<br />

technischen Neuerungen kaum<br />

Schritt halten kann. Deshalb nutzen<br />

sie die jährlich stattfindenden Schu-<br />

Abb. 94: Ein<br />

Amboss steht auch<br />

heute noch in der<br />

Schmiede in<br />

Averjleth. Im<br />

Hintergrund<br />

befindet sich die<br />

Feuerstelle.<br />

Ein Stellmacher<br />

fertigte die Holzarbeiten<br />

fiir Fuhrwerke<br />

und<br />

Ackergeräte an.<br />

Bei der Herstellung<br />

der Holzräder<br />

arbeiteten<br />

Schmied und<br />

Stellmacher eng<br />

zusammen.


.ß i!..:E3 ................................................. ............... .............................................................. ...................................................... ... ~~:1.! ;~!.1. E!?.f: .<br />

Abb. 95: Werkstatt<br />

von Horst Dohrn<br />

in Averjleth. In der<br />

Mitte ist Horst<br />

Dohrn gerade<br />

dabei, einen alten<br />

Trecker zu reparieren.<br />

Iungen (meist im Januar und Februar)<br />

zur Fortbildung. Diese Schulungen<br />

werden von den Vertriebspartnern,<br />

von denen Horst Dohrn<br />

die jeweiligen Maschinen bezieht,<br />

durchgeführt. Beispielsweise verkauft<br />

er Schlepper der italienischen<br />

Firma ,Landini'. Diese Schleppermarke<br />

ist neu in dieser Gegend und<br />

steht in Konkurrenz zu den bisher<br />

üblichen Marken ,Deutz' und<br />

,Fendt'. Bei den Heumaschinen<br />

arbeitet er dagegen mit der Firma<br />

,Pöttinger' zusammen und so hat er<br />

für jeden Betriebszweig einen anderen<br />

Vertragspartner. Der Verkauf der<br />

Maschinen ist neben dem normalen<br />

Werkstattbetrieb ein wichtiges<br />

Standbein.<br />

Früher wurden die<br />

Lebens- und<br />

Genussmi/lei noch<br />

mit dem Sammelbegriff<br />

'Kolonialwaren<br />

umschrieben. ln<br />

seiner ursprünglichen<br />

Bedeutung<br />

waren damit die<br />

Waren aus Übersee<br />

gemeint.<br />

KOLONIALWARENLADEN<br />

HEINZ IIAACK<br />

Im späten Mittelalter ging der Handel<br />

noch von den Städten aus. Von<br />

dort wurden die umliegenden Gebiete<br />

versorgt. Seit dem 16. und 17.<br />

Jahrhundert siedelten sich die Höker<br />

und Krämer auch in den Dörfern an.<br />

Beim Höker konnte man die wichtigsten<br />

Lebensmittel wie Brot, Butter,<br />

Käse, Speck und Mehl, später auch<br />

Bier und Branntwein kaufen.<br />

Die Krämer hatten zusätzlich noch<br />

Tee, Zucker, Sirup, Seife, Öl und<br />

Gewürze im Angebot.<br />

Einen solchen Krämerladen belrieben<br />

Margareta und Joachim Kloppenburg<br />

in Hackeboe. Das Haus<br />

(Hackeboe 40) erwarben sie von<br />

Cornelius Finck. 1910 eröffneten sie<br />

das Geschäft. Von 1937 bis 1962<br />

führte deren Tochter, Marlha Haack<br />

(geb. Kloppenburg), den Laden weiter,<br />

bis sie ihn am 1.9.1962 an ihren<br />

Sohn, Heinz Haack, übergab.<br />

Heinz Haack hatte seiner Mutter<br />

schon als Kind im Laden ausgeholfen.<br />

Von 1951 bis 1954 absolvierte er<br />

im Gemischtwarenladen ,Hermann


.Km,o~~~~~.'!~~4\Q,~.~ .. H.fi!~;? .. tl.~.~~ ................................................................................................................................... J .:l~.<br />

Kloppenburg' in Wilster die Ausbildung<br />

zum Kaufmannsgehilfen.<br />

Danach wechselte er zum Tabakwarenhändler<br />

Simonsen. Einige Zeit<br />

später ging dieser Betrieb in den<br />

Besitz der Firma Gyllensvärd aus<br />

llzehoe über, wo Heinz Haack bis<br />

zu seiner Pensionierung im Außend<br />

ienst tätig war. Parallel betrieb er<br />

gemeinsam mit seiner Frau den<br />

kleinen Kaufmannsladen im Nebenerwerb.<br />

Schon früher konnten die<br />

meisten ländlichen Höker- und<br />

Krämerläden nur in Kombination<br />

mit anderen Erwerbszweigen existieren.<br />

Um die Jahrhundertwende<br />

beispielsweise führte die Familie<br />

Heeckt/Egge parallel zur Gastwirtschaft<br />

einen kleinen Laden nebenher.<br />

Ebenso waren an die Zimmerei<br />

Feldbusen in Averfleth und Bäckerei<br />

Nagel in Vorder-Neuendorf kleine<br />

Krämerläden angegliedert.<br />

Heinz Haacks Kundschaft stammte<br />

aus der Umgebung und obwohl die<br />

ganze Woche geöffnet war, kamen<br />

die meisten Kunden Sonnabends.<br />

Die männliche Kundschaft nutzte<br />

die Gelegenheit häufig für einen Abstecher<br />

in die nahegelegene Gaststätte<br />

,Zum Dückerstieg'. Auf dem<br />

Hinweg gaben sie ihre Bestellung<br />

ab, um selbige auf dem Rückweg in<br />

Empfang zunehmen. Andere breiteten<br />

auf der Ladentheke ein Tragetuch<br />

aus, worauf d ie gewünschten<br />

Waren angeordnet wurden.<br />

Anschließend wurden die vier<br />

Ecken des Tragetuchs über kreuz<br />

miteinander verbunden; so konnten<br />

die Einkäufe auch mit dem Fahrrad<br />

bequem nach Hause transportiert<br />

werden.<br />

Die meisten ihrer Kunden konnten<br />

anschreiben lassen. Dazu hatte jeder<br />

ein eigenes Notizheftchen, das sogenannte<br />

Kontobuch, in dem die<br />

Einkäufe notiert und einmal im<br />

Monat abgerechnet und beglichen<br />

wurden.<br />

Gelegentlich dauerte es eine Weile<br />

bis man an der Reihe war, weil die<br />

Abb. 96: Der<br />

Kaufmannsladen<br />

der Familie Haack<br />

in den 30er Jahren.


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,Tanle-Emma-Läden' wie dieser<br />

jedoch Konkurrenz. Die großen<br />

Supermarktketten umgingen die<br />

Großhändler, indem sie als Großabnehmer<br />

direkt mit den Herstellerfirmen<br />

verhandelten. Dies führte dazu,<br />

dass die Produkte in den Supermärkten<br />

teilweise billiger angeboten<br />

werden konnten als von den Großhändlern.<br />

Es setzte ein Verdrängungsprozess<br />

ein, bei dem neben<br />

den vielen kleinen ,Tante-Emma­<br />

Läden' auch Großhändler im Konkurrenzkampf<br />

mit den Supermärkten<br />

unterlegen waren. Die Folge<br />

war, dass es für die verbliebenen<br />

kleinen Krämerläden immer schwieriger<br />

wurde, die benötigten ,Kleinstmengen'<br />

zu bestellen. Deshalb<br />

gliederlen sie sich in der Regel<br />

bestimmten Supermarktketten an,<br />

von denen später aber auch Mindestabnahmen<br />

vorgeschrieben wurden,<br />

die meist in keinem Verhältnis<br />

zum eigenen Absatz standen. Dies<br />

war einer der Gründe, warum Heinz<br />

Haack 1987 endgültig den Laden<br />

aufgab.<br />

Bis dahin hatte ihm vor allem die<br />

alte Stammkundschaft die Treue<br />

gehalten, zumal gerade die älteren<br />

Kunden gern den Zustellservice von<br />

Heinz Haack in Anspruch nahmen.<br />

Deren Zahl wurde im Lauf der Jahre<br />

jedoch immer kleiner und jüngere<br />

Generationen bevorzugten die<br />

Selbstbedienungsläden. Anderseits<br />

kamen neue Kundengruppen hinzu.<br />

Die Motorradclubs aus Hackeboe<br />

und Neuendorf machten rege<br />

Gebrauch von der Möglichkeit, auch<br />

außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten<br />

bei ihm an die Tür<br />

zu klopfen, um sich mit den ,fetenrelevanten'<br />

Artikeln einzudecken.<br />

Als Dankeschön und Anerkennung<br />

für diese unkonventionelle Handhabung<br />

schenkten sie ihm zum<br />

Abschied einen Zinnteller.<br />

MALERMEISTER<br />

IIAACK<br />

Mit Hans Haack stellte vor gut zwei<br />

Jahren einer der letzten verbliebenen<br />

Handwerksbetriebe der Gemeinde<br />

Neuendorf seine Arbeit ein, um<br />

sich zur Ruhe zu setzen. Gleichzeitig<br />

endete damit ein Familienbetrieb,<br />

der immerhin 113 Jahre über drei<br />

Generationen in Hackeboe tätig war.<br />

1885 machte sich sein Großvater<br />

(Hans-Joachim Haack), aus Averfleth<br />

kommend, hier selbstständig.<br />

Gelernt hatte er damals bei Hinrich<br />

Maaß in Achterhörn. Als er 1885<br />

seinen Meister gemacht und das<br />

Haus in Hackeboe (Hackeboe 34)<br />

gebaut hatte, gründete er den Malereibetrieb.<br />

1935 wurde er zum 50-<br />

jährigen Jubiläum mit dem<br />

Ehrenmeistertitel ausgezeichnet.<br />

Zwei Jahre später übergab er den<br />

Betrieb an seinen Sohn August<br />

Haack. Insgesamt hatten vier seiner<br />

sechs Söhne den Malerberuf ergrif-<br />

Abb. 98: Malermeister<br />

Hans<br />

Haack Mitte der<br />

50er Jahre auf<br />

dem Wegzum<br />

nächsten Kunden.<br />

Zur damaligen<br />

Zeit beschränkte<br />

sich der Kundenkreis<br />

auf die<br />

nähere Umgebung,<br />

denn alle Kunden<br />

mussten mit dem<br />

Fahrrad zu erreichen<br />

sein. Erst mit<br />

dem ersten Wagen<br />

wurde der Kundenkreis<br />

weitläufiger<br />

und es kamen<br />

Kunden aus dem<br />

Raum Jtzehoe,<br />

Lägerdorf und<br />

Hohenwestedt<br />

hinzu.


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Abb. 99: Die alte<br />

Malerwerkstall<br />

von Hans-Joachim<br />

Haack in Hackeboe.<br />

Eng arbeitete<br />

er mit der Zimmerei<br />

und Stellmacherei<br />

Schuard<br />

zusammen. Gerade<br />

befindet sich<br />

ein Kastenwagen<br />

in Arbeit.<br />

fen. Zwei von ihnen, Markus und<br />

Eduard Haack, arbeiteten im väterlichen<br />

Betrieb; auch nachdem ihr<br />

Bruder August die Firma 1937 übernommen<br />

hatte. Da August Haack<br />

mit seiner Familie im Haus seiner<br />

Schwiegereltern (Hackeboe 40)<br />

lebte, zog der Betrieb bei Übergabe<br />

kurzerhand ein paar Häuser weiter.<br />

1944 ist August Haack in Frankreich<br />

gefallen und so führten seine<br />

Frau und sein Bruder Eduard den<br />

Betrieb notdürftig weiter, bis Sohn<br />

Hans 1946 seine Lehre bei Malermeister<br />

Nicolaus Wischmann in<br />

Wilster beendet hatte. In den ersten<br />

Berufsjahren fand er in seinem<br />

Onkel Eduard eine hilfreiche Stütze<br />

und anfangs arbeitete auch noch<br />

sein Bruder Uwe in der Firma mit.<br />

1950 kaufte Hans Haack das<br />

benachbarte Haus von der Erbengemeinschaft<br />

des Fahrradhändlers<br />

Abraham und zog samt Malerwerkstatt<br />

dahin um. Ein Jahr später,<br />

1951, bestand er die Meisterprüfung.<br />

Seitdem hat sich einiges verändert.<br />

Bei seinem Großvater arbeiteten<br />

wohl an die drei Gesellen, ebenso<br />

bei seinem Vater und später auch<br />

bei ihm. Die Arbeiten waren vielseitig.<br />

Angefangen bei den Lackierarbeiten,<br />

beispielsweise wurden d ie<br />

Kutschen der Bauern lackiert und<br />

verziert, weiter über Schriftenmalerei,<br />

auf die sich sein Onkel Markus<br />

sehr gut verstand, bis hin zu Glaserarbeiten<br />

jeglicher Art. In diesem<br />

Bereich gab es viel zu tu n, da zu der<br />

Zeit die ersten doppeltverglasten<br />

Fe nster eingesetzt wurden. Hinzu<br />

traten die klassischen Malerarbeilen<br />

wie Tapezieren, Decken, Fenster,<br />

Türen und Heizkörpe r streichen<br />

sowie Teppichböden verlegen. Da<br />

anfangs noch jedes Zimmer einzeln<br />

geheizt werde musste, waren einige<br />

Malerarbeilen insofern wilteru ngs-


.A.~ l ~:\t t~. l,\ .N~.; __ P~.I~.~-~~.l.!.Ii..!.l.! . .W.I.\ ~5TP~ ......................................................... ................ .. ......................................................... J!.~.<br />

nahm August<br />

Haack 1929 an<br />

der Ausmalung<br />

der Kirche zu<br />

Wilster teil. Eine<br />

Generation später,<br />

1964, war sein<br />

Sohn Hans Haack<br />

-


.ß?l~J .... ... ... ................................ ................................................... ......... ... ........... .................................... Mi~!J~~~~Pi~IP~ .. HAt~q~ .<br />

Abb. 102: Der alte<br />

Lafrenzhof. später<br />

die Marschentöpferei<br />

in Averfleth.<br />

abhängig, als dass in ungeheizten<br />

Räumen, in der Regel Schlafräume<br />

und Treppenhäuser, in der kalten<br />

Jahreszeit nicht renoviert werden<br />

konnte. Durch die Zentralheizung<br />

gilt diese Einschränkung mittlerweile<br />

jedoch nicht mehr.<br />

Mitte der 50er Jahre wurde der<br />

Kundenkreis weitläufiger. Bis dahin<br />

hatte er alle Kunden noch mit dem<br />

Fahrrad erreichen können (Neuendorf,<br />

Sachsenbande, Nortorf, Vaalermoor).<br />

Bald darauf kaufte er den<br />

ersten Wagen und wurde dadurch<br />

flexibler. Es kam Kundschaft aus<br />

dem Raum Itzehoe, Hohenwestedt<br />

und Lägerdorf hinzu. Dabei blieb es<br />

hauptsächlich bei Privatkunden. An<br />

öffentlichen Ausschreibungen hat er<br />

sich selten beteiligt. Deshalb machte<br />

sich vermutlich der aufkommende<br />

,Heimhandwerkerboom' der 80er<br />

Jahre besonders bemerkbar und<br />

schlug sich in sinkenden Auftragszahlen<br />

nieder. Viele seiner ehemaligen<br />

Kunden legten nun selbst Hand<br />

an. Das breite Angebot in Baumärkten,<br />

Literatur und Heimwerker­<br />

Zeitschriften machte es dem<br />

Privatmann leicht, die typischen<br />

Malerarbeiten wie Tapezieren oder<br />

Wände streichen selbst auszuführen.<br />

Die Farbe dazu gab es schließlich<br />

schon fix und fertig angemischt<br />

in Fachgeschäften zu kaufen. Die<br />

gestiegenen Löhne verstärkten diesen<br />

Trend. Viele Privatpersonen<br />

konnten oder wollten sich einen<br />

,teuren' Maler nicht mehr leisten. In<br />

der Folge musste Hans Haack seine<br />

Angestellten entlassen. Die letzten<br />

Jahre seines Berufslebens arbeitete<br />

er allein bzw. in Kooperation mit<br />

einem anderen, ebenfalls selbstständigen<br />

Malermeister. Zumal sich<br />

schon damals abzeichnete, dass<br />

seine Kinder den Betrieb nicht<br />

weiterführen würden. Dennoch<br />

arbeitete er bis zu seinem 68.<br />

Lebensjahr in dem Beruf weiter, der<br />

ihm, wie er betont, immer sehr viel<br />

Freude gemacht hat.


.MAwi~~~I9.r.f.~~~ ................................................................................................................................................... ..... ............... d.J..~.<br />

Abb. 103: Die neu<br />

errichtete Marschentöpferei,<br />

nachdem 1995 ein<br />

Großfeuer das alte<br />

Gebäude komplett<br />

zerstört hatte.<br />

~SCHENTÖPFEREI<br />

Die zuvor beschriebenen Handwerks-<br />

und Gewerbebetriebe arbeiten<br />

vorwiegend für die Bewohner<br />

vor Ort; anders bei der Marschentöpferei.<br />

Als Familie Jordy vor gut<br />

20 Jahren in die Wilstermarsch zog,<br />

wollte sie die Töpferware zwar<br />

hauptsächlich in Averfleth produzieren,<br />

der Verkauf sollte aber,<br />

neben der normalen Laufkundschaft,<br />

vorwiegend in den touristisch<br />

stärker frequentierten Orten an<br />

der Nordseeküste und in Harnburg<br />

stattfinden. Zusätzlich wurde<br />

jeweils im Dezember ein Werkstattfest<br />

veranstaltet.<br />

Ursprünglich kommen sowohl Frau<br />

Erkel Gnauck-Jordy als auch Herr<br />

Alfred Jordy aus ganz anderen<br />

Berufszweigen. Erkel Gnauck-Jordy,<br />

auf der Insel Sylt geboren, hatte<br />

Zahnarzthelferin gelernt, bevor sie<br />

an die Hochschule für Bildende<br />

Künste in Berlin ging. Nach abgeschlossenem<br />

Studium machte sie<br />

sich 1971 mit einer eigenen Werkstatt<br />

in Berlin selbstständig. Zu der<br />

Zeit begann Alfred Jordy sein Volkswirtschaftsstudium.<br />

Ende der 70er Jahre beschlossen sie<br />

,aufs Land' zu ziehen und suchten<br />

nach einem geeigrreten Objekt. Mit<br />

dem alten ,Lafrenzhof', dir\')kt an<br />

der Wilster-Au gelegen, fanden sie<br />

einen Resthof, der ihren Vorstellungen<br />

am nächsten kam. Als sie das<br />

Bauernhaus besichtigten, war das<br />

Grundstück unter den Schneeverwehungen<br />

der Schneekatastrophe<br />

von 1978/79 begraben. Trotzdem<br />

kauften sie die Hofanlage und<br />

begannen im Sommer 1979 mit den<br />

Umbauarbeiten und zogen zu<br />

Weihnachten 1979 ein. Bereits ein<br />

Jahr später veranstalteten sie das<br />

erste Werkstattfest 1985 eröffneten<br />

sie den ersten Verkaufsladen in<br />

Friedrichskoog. Weitere Läden<br />

folgten in Büsum, St. Peter-Ording,<br />

Westerland und Hamburg. Unglücklicherweise<br />

ist 1995 der alte Hof bis<br />

auf die Grundmauern niedergebrannt.<br />

Deshalb lebten sie für ein<br />

Jahr in Dwerfeld (Gemeinde Nortorf).<br />

Doch schon ein Jahr später<br />

konnte die Werkstatt in Averfleth<br />

neu eröffnet werden.


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.~e . !) ........................................................................................................................... ............................................ MM1'!(..J. !.J;:.:~c:rü.J.'.!~~~! .<br />

Abb. 104: Unten<br />

im Brennofen<br />

wartet das Töpfergut<br />

aufden zweiten<br />

Brennvorgang<br />

Heute (im Jahr 2001) steht das neu<br />

errichtete Reetdachhaus-ein<br />

Schmuckstück- zum Verkauf. Familie<br />

Jordy hat sich entschieden auf<br />

die Insel Sylt zurückzukehren, um<br />

dort im kleineren Rahmen in Munkmarsch<br />

am Wattenmeer die Töpferei<br />

weiterzuführen und nur noch den<br />

Westerländer Laden zu betreiben. In<br />

den letzten Jahren waren die Verkaufszahlen<br />

rückläufig, weshalb die<br />

anderen Geschäfte nach und nach<br />

aufgegeben wurden, zuletzt in Harnburg<br />

und St. Peter-Ording.<br />

Zwischenzeitlich waren in der<br />

Hochphase bis zu 12 Mitarbeiter<br />

fes t angestellt gewesen.<br />

Als eingetragener Handwerksbetrieb<br />

bildeten sie seit 1986 auch Lehrlinge<br />

aus. Im Jahr 2000 befanden sich<br />

noch zwei Lehrlinge in der Ausbildung.<br />

Der Lehrberuf nennt sich<br />

Keramiker mit Schwerpunkt auf<br />

Scheibentöpferei.<br />

Ihre Produktpalette umfasst neben<br />

freigedrehtem Steinzeuggeschirr,<br />

modellierten Einzelstücken und<br />

Gartenkeramik auch handbemalte<br />

Wandfliesen und exklusive keramische<br />

Schmuckurnen. Als Ausgangsmaterial<br />

verwenden sie Ton aus<br />

dem Westerwald. Die Fertigung<br />

erfolgt ausschließlich in Handarbeit<br />

und mit Hilfe einer Töpferscheibe,<br />

die in Rotation versetzt wird. Auf<br />

di eser Töpferscheibe entstehen<br />

beispielsweise Becher, Krüge, Teller<br />

und Tassen. Anschließend werden<br />

noch die Henkel und dergleichen<br />

von Hand anmodelliert und dann<br />

bei 900°C für 8-10 Stunden gebrannt.<br />

Nach einer Abkühlphase<br />

von etwa 24 Stunden werden die<br />

Gegenstände glasiert. Dazu wird ein<br />

steiniges Pulver mit Wasser und<br />

Farbgebern vermischt. Um<br />

beispielsweise einen Blauton zu<br />

erhalten, verwendet man Kobalt,<br />

Kupfer ergibt einen Grünton und<br />

durch Beimengung von Eisenoxid<br />

erhält man Brauntöne. Das Glasieren,<br />

d. h. das Aufbringen der Glasur,<br />

erfolgt durch Tauchen, Gießen oder<br />

Spritzen, je nachdem welchen<br />

künstlerischen Effekt man erzielen<br />

möchte. Beim anschließenden<br />

Brennvorgang bei 1.180°C verbindet<br />

sich das Gemisch zu einer wasserundurchlässigen<br />

Schicht und<br />

bekommt seine leicht glänzende<br />

Farbe. Die Marschentöpferei hat<br />

sechs Farbtöne im Sortiment, was<br />

für einen Handwerksbetrieb dieser<br />

Größenordnung beachtlich ist.


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BAUMSCHULE SCHÜIT<br />

Zwar zählen Baumschulen steuerrechtlich<br />

nicht zum Gewerbe, da die<br />

Baumschule Schütt aber in der ansonsten<br />

landwirtschaftlich geprägten<br />

Gemeinde eine Sonderform<br />

darstellt, soll sie an dieser Stelle<br />

kurz vorgestellt werden.<br />

Ende der 50er Jahre beherbergte die<br />

Gemeinde euendorf kurzfristig<br />

zwei Gärtnereien gleichzeitig. Die<br />

Baumschule von Karl-Otto Schütt in<br />

Vorder-Neuendorf befand sich gerade<br />

in der Aufbauphase, während die<br />

Gärtnerei Möller aus Hackeboe<br />

allmählich den Betrieb einstellte.<br />

Gärtner Emil Möller baute hauptsächlich<br />

Gemüse an, welches er auf<br />

den Wochenmärkten verkaufte. Ein<br />

Feld befand sich neben der Landstelle<br />

des Tagelöhners Hermann<br />

Schütt. In den Ferien half ihm dessen<br />

Sohn Karl-Otto Schütt beim<br />

Tabak- und Tomatenpflanzen pikieren.<br />

Sein Interesse für den Gartenbau<br />

war geweckt. 1948 begann er seine<br />

Gärtnerausbildung bei einer Baumschule<br />

in Elmshorn. 1957 machte er<br />

die Meisterprüfung. Zwischendurch<br />

war er 1 1 /z Jahre am Bodensee tätig.<br />

Eigentlich hatte er als Meister in<br />

einem anderen Betrieb arbeiten<br />

wollen, entschied sich dann aber<br />

zusammen mit seiner Frau eine<br />

eigene Baumschule zu gründen.<br />

Damals standen ihnen 3 Hektar<br />

Land zur Verfügung.<br />

In den 80er Jahre erweiterten sie ihr<br />

Sortiment um historische Rosen.<br />

Mittlerweile führen sie 300 Rosen<br />

im Sortiment, wovon 250 den alten<br />

Sorten zuzurechnen sind. Diese<br />

verschicken sie sogar deutschlandweit<br />

im Versandservice.<br />

Inzwischen haben sie die Baumschule<br />

an ihre Tochter und deren<br />

Mann übergeben, helfen aber noch<br />

voll mit. Zusammen mit 3 Festangestellten<br />

und 3 Saisonkräften bewältigen<br />

sie die anfallenden Arbeiten,<br />

die sich grob in Vermehrung,<br />

POanz-, Pflege- und Bodenarbeiten<br />

untergliedern lassen. Bis beispielsweise<br />

Rosen ,verkaufsreif' sind, ist<br />

ein Vorlauf von zwei Jahren nötig.<br />

Im Frühjahr wird gepflanzt, im<br />

Sommer veredelt, im zweiten Frühjahr<br />

abgesetzt, d. h. der Wildwuchs<br />

wird rausgeschnitten, um die Pflan-<br />

Abb. 105: Elfriede<br />

Reese hielt die<br />

Gärtnerei Emil<br />

Möller aus Hackeboe<br />

in einer Halbjahresarbeit<br />

for<br />

die Schule in<br />

dieser Zeichnung<br />

f est.<br />

A bb. I 06: Baumschule<br />

Schütt beim<br />

Rosenveredeln im<br />

Jahr 1976.


.~® ........... ........ ...... ..................... ........... ... ................ .................................................................................. ß.~Y.M~!;:.W.W .. S.~ID.i.TI.<br />

Abb. 107: Der<br />

Schaugarten der<br />

Baumschule<br />

Schütt. Hier<br />

können sich ihre<br />

Kunden Anregungen<br />

für die<br />

Gestaltung im<br />

eigenen Garten<br />

holen.<br />

ze im Herbst verkaufen zu können.<br />

Bei Sträuchern dauert diese Phase<br />

sogar 3 bis 4 Jahre.<br />

Neben den Rosen haben sie eine<br />

große Auswahl an selbst gezogenen<br />

Gehölzen und einigen Stauden.<br />

Durch die vielen verschiedenen<br />

Sorten, Arten und Größen gibt es<br />

schätzungsweise 5.000 bis 6.000<br />

Artikel im Angebot. Lediglich Obstbäume<br />

fehlen im Sortiment, da sich<br />

der hiesige Boden für deren Kultur<br />

nicht eignet. Bei Bedarf werden<br />

Obstbäume hinzugekauft<br />

Einmal im Jahr, wenn die Rosen<br />

gegen Ende Juni blühen, veranstaltet<br />

Familie Schütt einen Tag der<br />

offenen Tür, zu dem alle Kunden<br />

und ,Rosenfreunde' aus ganz Norddeutschland<br />

geladen werden.<br />

VIEHHANDEL<br />

ßEHRENS<br />

1930 hat Julius Behrens mit dem<br />

Viehhandel begonnen. Er und seine<br />

Frau Tine hatten zuvor einen kleinen<br />

Bauernhof in Poßfeld. Und weil<br />

Julius Behrens genug von Pferden<br />

und Rindern verstand, begann er<br />

damit zu handeln. Er betrieb sowohl<br />

den Nutzviehhandel - d. h. er kaufte<br />

einem Bauern die Tiere ab, um<br />

sie einem anderen Bauern wieder<br />

zu verkaufen - als auch den<br />

SchlachtviehhandeL Dazu ging er<br />

von Hof zu Hof und feilschte um<br />

die Preise. Der obligatorische Handschlag<br />

besiegelte das Geschäft, auch<br />

heute noch. Wenn der Handel<br />

geschlossen war, wurde das<br />

Schlachtvieh zum Handelshof<br />

getrieben. Nach dem 2. Weltkrieg<br />

weitete sein Sohn Thies den Viehhandel<br />

aus. Der erste Viehtransporter<br />

wurde angeschafft. 1965 wurde


.YW!.I.!.IA\!?I!-, .. ß.m.r.~.~!! .................................................................................................................................................................. :J..':M).<br />

der Belrieb auf Thies übertragen.<br />

Als Thies Behrens 2 Jahre später<br />

starb, musste dessen Sohn Hans­<br />

Max den Betrieb im Aller von 18<br />

Jahren weiterführen.<br />

Schon als kleiner Junge wollte<br />

Hans-Max Bebrens Viehhändler<br />

werden. Oft begleitele er seinen<br />

Vater und Großvater, wenn sie zu<br />

den Bauern fuhren, um Vieh zu<br />

kaufen. Sein Vater war jedoch der<br />

Ansicht, dass dieser Beruf keine<br />

Zukunft hälle und riet seinem<br />

Sohn, etwas ,vernünftiges' zu erlernen.<br />

Deshalb machte Hans-Max die<br />

Elektrikerausbildung. Als sein Vater<br />

starb, stand er kurz vor der Gesellenprüfung.<br />

Nachdem er die Lehre<br />

beendet hatte, setzte er d ie Arbeit<br />

sein es Vaters fort. 1975 wurde der<br />

Belrieb offiziell auf ihn überschrieben.<br />

Di e Tiere kauft er nach wie vor bei<br />

den Bauern der Wilstermarsch. Das<br />

Hauptgeschäft macht er im Herbst,<br />

wenn die Futterbullen verkauft<br />

werden. Sein Großvater machte<br />

früher den größten Umsatz mit<br />

Ochsen. Ochsen werden heutzutage<br />

jedoch kaum noch gemästet. Seine<br />

Abnehmer sind Privatschlachtereien<br />

aus Schleswig-Holstein, Harnburg<br />

und Niedersachsen, für die er teilweise<br />

auch im Auftrag (Kommission)<br />

Tiere kauft.<br />

Mittlerweile betreibt Hans-Max<br />

Bebrens das Geschäft schon über 30<br />

Jahre. Innerhalb dieser Zeit hat sich<br />

einiges verändert. Früher wurde in<br />

der Regel nach Lebendgewicht<br />

gezahlt. Dazu brachten die Bauern<br />

ihre Tiere zum Handelshof, wo sich<br />

ei ne Viehwaage befindet. Dort wurden<br />

die Tiere gewogen und gleich<br />

bezahlt. Anschließend frühstückten<br />

die Bauern in der Gaststube und<br />

blieben häufig beim ,Klönschnack'<br />

sitzen. "Keen Tiet, keen Tiet'', heißt<br />

es hingegen heulzutage von den<br />

Abb. 108: Julius<br />

Behrens mit seiner<br />

'Tonngig' in den<br />

50er Jahren.<br />

Hiermit fuhr er<br />

von Hof zu Hof,<br />

um mit den Bauern<br />

Handel zu<br />

treiben.


.~J. . fJ. ............................................................................................................................................................... .Y.H~ !!.\!,\~.P.P , .. ß.t! .t.g_t.:.~~<br />

Abb. I 09: Bereits<br />

Anfang der 50er<br />

Jahre erwarb<br />

Thies Behrens<br />

einen 'Hanomag'­<br />

Kiein/astef: Dieses<br />

Fahrzeug hatte<br />

noch seine Macken.<br />

Wenn er<br />

morgens nicht<br />

anspringen wollte,<br />

machten sie mit<br />

Papier Feuer<br />

unter dem Mot01;<br />

damit er schneller<br />

warm wurde.<br />

1974 kaujie Hans­<br />

Max Behrens den<br />

ersten größeren<br />

LKW mit Anhänget:<br />

Dieses Bild<br />

stammt aus dem<br />

Jahre /987.<br />

Junglandwirten und der Klönschnack<br />

fiel weg. Zudem erfordert<br />

die heute übliche Abrechnungsweise<br />

nach Schlachtgewicht kein<br />

vorheriges Wiegen. Das Rindfleisch<br />

wird in Handelklassen eingestuft,<br />

deren Preisfestsetzung der Schlachter<br />

vornimmt. Die Preise können<br />

aber auch nach wie vor mündlich<br />

vereinbart werden. Dann werden<br />

die Rinder nur nach dem Schlachtgewicht<br />

und nicht nach Handelsklassen<br />

bezahlt. Die Preise liegen<br />

zur Zeit für Kuhfleisch bei etwa<br />

2 DM je Kilogramm Lebendgewicht<br />

und 3 DM für Bullenfleisch. (Stand:<br />

Herbst 2000) 1976 bekam man noch<br />

2,70 DM je Kilogramm Kuhfleisch<br />

und 3,80 DM für Bullenfleisch. 76<br />

Durch den BSE-Skandal in den 90er<br />

Jahren hat sich der Arbeitsaufwand<br />

enorm erhöht. Zum Schutz der<br />

Verbraucher müssen die Händler<br />

und Landwirte seildem für jedes<br />

Rind im ,Rinderpass' einen lückenlosen<br />

,Lebenslauf' nachweisen.<br />

Doch trotz der Veränderungen hat<br />

sich die einstige Befürchtung von<br />

Thies Behrens, dass dieser Beruf<br />

ke ine Zukunft hätte, erfreulicherweise<br />

nicht bewahrheitet.<br />


.G.,,~r~ . !~. ! :~O. ! , ~.f.t: .. "Z~ .. ~, .. tJA~P~.~ ~5.~!Q~.·: .................................................................................................................................. :J. .~.<br />

erstand Julius Behrens den Betrieb<br />

und benannte ihn um. Aufgrund<br />

seiner Nebentätigkeit als Viehhändler<br />

wählte er die Bezeichnung ,Zum<br />

Handelshof'. Welcher Name wäre<br />

treffender oder besser geeignet<br />

gewesen?!<br />

Seil nunmehr 70 Jahren befindet<br />

sich die Gastwi rtschaft im Besitz<br />

der Fa milie Behrens. Die Gaststätte<br />

war und ist immer noch Treffpunkt<br />

und Veranstaltungsort vieler Vereine<br />

und Genossenschaften Neuendorfs<br />

und angrenzender Orte. Schon<br />

Gustav Karstens hatte in der Sachsenbander<br />

Chronik über den Handelshof<br />

berichtet, weil beide<br />

Gemeinden größtenteils den selben<br />

Verbänden angehören.<br />

Julius und Tine Behrens waren<br />

noch ,hauptberufliche' Krüger. Den<br />

Viehhandel belrieben sie nur im<br />

Nebenerwerb. Hans-Max Bebrens<br />

entsinnt sich, dass früher die Gaststube<br />

gleichzeitig das Wohnzimmer<br />

darstellte. Abends kamen die jungen<br />

Männer aus dem Dorf, um hier<br />

Karten zu spielen. So gegen 10 Uhr<br />

abends stand Julius Bebrens jedoch<br />

in der Regel auf, aß einen Apfel und<br />

erinnerte mit dem immer gleichen<br />

Satz: "Jungs, kiekt mal na de<br />

Klock...", daran, dass es nun wohl<br />

langsa m an der Zeit wäre, nach<br />

Haus zu gehen.<br />

Als Thies und Berta Bebrens 196 5<br />

den Handelshof übernahmen, bauten<br />

sie zu nächst einmal um. Da<br />

Thies Bebrens den Viehhandel<br />

intensivierte, gaben sie den Saalbetrieb<br />

auf. Der Saal war eigentlich<br />

die Durchfahrt gewesen, in der die<br />

Pferde der Gäste ausgespannt und<br />

anschließend vom Hausknecht versorgt<br />

wurden. Bei Festlichkeiten<br />

wurde hier jedoch der Saal ausgelegt.<br />

Dazu legte man die Durchfahrt<br />

mit den sonst an der Seite gelagerten<br />

Fußbodenbrettern aus.<br />

Hans-Max und Marita Bebrens<br />

führen die Gaststätte seit 1980. Seitdem<br />

haben sich die gesetzlichen<br />

Auflagen für den Gaststättenbetrieb<br />

deutlich verschärft. Da Marita Behrens<br />

die Mahlzeiten lediglich in<br />

ihrer ,normalen' Küche zubereitet,<br />

darf sie ihren Gästen nur kleine<br />

Gerichte anbieten.<br />

Abb. 11 0: Auf<br />

dieser Postkarte<br />

wurde noch die<br />

alte Gastwirtschaft<br />

'Zur Post ' von<br />

Henning Egge im<br />

Jahre /905 f estgehalten.<br />

Links ist<br />

deutlich die<br />

Durchfahrt zu<br />

sehen, in welcher<br />

zahlreiche Festivitäten<br />

abgehalten<br />

wurden.


.~J..1 ............................................................... .................... ............. .............................. G!\~J}~.m:r:'i9HF.':!:.".~.\ i~! .. JJ.\.~!?.! : !r~! .l9!:::.<br />

Abb. II/: Knapp<br />

100 Jahre später<br />

befindet sich hier<br />

immer noch eine<br />

Gastwirtschaft, in<br />

der der Gemeinderat<br />

tagt oder<br />

Jahreshauptversammlungen<br />

der<br />

Vereine und Verbände<br />

stattfinden.<br />

Früher wurden hier noch rauschende<br />

Feste abgehalten. Berta Behrens<br />

berichtete von ,Kaffeebällen', die im<br />

Herbst die Ballsaison eröffneten.<br />

Diese Kaffeebälle waren öffentlich<br />

und immer sehr gut besucht. Siebegannen<br />

schon am frühen Nachmittag<br />

mit Kaffee und Kuchen, die<br />

Männer spielten Karten und die<br />

Frauen tauschten die neuesten<br />

Neuigkeiten aus. Gegen Abend gab<br />

es etwas Warmes zu essen, meist<br />

Beefsteak, und anschließend spielten<br />

die Musiker zum Tanz. Im weiteren<br />

Verlauf des Winterhalbjahres<br />

folgten die Festlichkeiten der Vereine<br />

und Genossenschaften wie beispielsweise<br />

der Feuerwehrball, der<br />

Ringreiterball oder die Maskeraden.<br />

Hochzeiten und Familienfeiern<br />

wurden damals in der Regel noch<br />

Zuhause gefeiert.<br />

Neben den Bällen wurden hier<br />

sämtliche Zusammenkünfte der<br />

Verbände und Genossenschaften<br />

abgehalten sowie Kartenspielwellkämpfe<br />

veranstaltet. Auch heule<br />

noch finden hier regelmäßig die<br />

Versammlungen und Sitzungen der<br />

Vereine statt: Angefangen bei den<br />

Gemeinderatssitzungen, weiter über<br />

die Versammlungen der Feuerwehr<br />

und des Sielverbandes, Treffen der<br />

Jagdgenossenschaft oder des Ortsverbandes<br />

des Deutschen Roten<br />

Kreuzes bis hin zu den Kinderfesten,<br />

die hier ausgerichtet werden.<br />

Daneben gibt es noch den Frauenstammtisch,<br />

der sich monatlich<br />

trifft sowie das jährliche Sparklubessen.<br />

Einmal im Monat findet hier<br />

der Seniorennachmittag bei Kaffee<br />

und Kuchen und Kartenspielen<br />

slall. Hinzu kommt der sonntägliche<br />

Frühschoppen, bei dem Doppelkopf<br />

und Skat gespielt wird. Berei ts um<br />

8.20 Uhr finden sich die ersten<br />

Kartenspieler ein und bis zur Mittagszeit<br />

wechseln schon mal ein<br />

paar Mark den Besitzer.<br />

So ist hier jede Woche was los und<br />

Hans-Max und Marila Bebrens<br />

haben viel Spaß dabei. Im stillen<br />

hoffen sie natürlich, dass eine ihrer<br />

drei Töchter die Gaststätte später<br />

einmal weiterführen wird. Für die<br />

Dorfgemeinschaft und den Dorfzusammenhall<br />

in Neuendorf wäre es<br />

wünschenswert, da der Gemeinde<br />

sonst ein zentraler Treffpunkt fehlt.


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DAT SLACHTFEST TO<br />

WIEHNACHTEN 77<br />

Von Käthe Meiforth, Averßeth<br />

So wie hüüttodaags dat Basteln un<br />

de Finsterbiller un dat Fletten un<br />

Stollen backen to Wiehnacht, to<br />

Advent höört, un dat Kassetten<br />

afspelen ok in de Adventstiel passt,<br />

so maken wi fröher in de Schummertief<br />

een Adventsstunn mit de Kinner.<br />

Egentlich will ik ganz wat anners<br />

vertellen, denn bi uns höör dat<br />

Swienslachten, dat Slachtfest in de<br />

Adventstiel dorto. Ahn Slachtfest<br />

keen Wiehnachten.<br />

Also Maandag wullen wi slachten.<br />

Twee schööne, witte, korthorige<br />

Swien harrn wi in'n Stall. Dat mit de<br />

twee Swien hett ok sien Bewandnis.<br />

Een wullen wi jo man slachten. Aver<br />

een Swien fritt nich goot, ward fuul<br />

op Freten. Bi twee Swien kummt de<br />

Fuddernied dorto, jeder will dat<br />

mehrste wegschnappen. Un denn<br />

mutt ik noch seggen: Geburtsdag<br />

mussen se hatt hebben, wat dat<br />

heet? Se mussen över een fahr oolt<br />

sien, denn weern se allerbest.<br />

De Slachter woor bestellt. Eerst weer<br />

dat noch de Vadder Detel Klingforth,<br />

Iater denn de Söhn, unsen Klaas.<br />

Paar Daag vör dat Slachtfest keem<br />

noch de Fleeschkieker. Eerst weer<br />

dat ]ohann Kracht, Iater denn Klaus<br />

Haß, beid ul Ackenboe. "Na Käthe,<br />

wüllt ji slachten?" "]o, Maandag<br />

geihl loos." "Denn mutt ik dat Swien<br />

noch eerst levend sehn. jo, Minsch,<br />

schöön Swien, denn könnt ji slachten,<br />

mit mien Genehmigung."<br />

Dags vör dat Slachtfest gung't an't<br />

Vörbereilen. Een Ammer Kartüffeln<br />

woor schellt, een groolen Putt vull<br />

Rotkohl mit Appeln woor kaakl.<br />

Zwiebeln al in vöruut puult, vun de<br />

Wurst maakl warm schull. Wekkglöös<br />

putz, de groote Waschgrapen<br />

woor mit Water vull maakl. Grooten<br />

Dutten Klobenholt un Brikett worrn<br />

dorblang leggt.<br />

Un denn weer Maandagmorgen. Een<br />

Stunn woor eher opstahn. Denn<br />

woor as eerstes de Waschgrapen<br />

anbött. Dat Schiet wull mehrst nich<br />

brennen. Gau oole Zeitung her,<br />

tosamen knuudelt, rin in de Schosteen<br />

un ansteken. Meist klappt dat<br />

denn. De Schosteen weer to koolt,<br />

weer jo ok Winter un mehrst verkehrten<br />

Wind. ]iddelig warn wi ok al,<br />

wehe, dat Water kaakl nich, wenn de<br />

Slachter keem. Denngau in den<br />

Stall, Jodern un melken. Kaiver<br />

harrn wi in de Tiet hööchstens een<br />

oder twee. De Kinner wecken, fardig<br />

maken, müssen de eersten doch al to<br />

School.<br />

Wenn wi denn bi 'n Kaffee seten,<br />

Jung dat in de Waschköök al an to<br />

dampen. Man, dat Water kaakl so<br />

dull, kunnst keen Hand vör Ogen<br />

sehn. Un denn keem Klaus, de<br />

Slachter ok al mit dat Moped<br />

dörch 'n Appelhoff. Rucksack op den<br />

Puckel, baven keken de Saag un de<br />

Steel vun dat groote Biel ut. Un denn<br />

güng'tloos! "Na fungs," seggt he to<br />

Peter un Klaus ]oachim, "wokeen<br />

will den Swanz fastholen ?" Dar<br />

harrn de beiden nixmit in Sinn. Ik<br />

grapsch mi gau een groote Kruuk un<br />

een Schöttel. Richard söcht sik een<br />

Sträng un denn güng't to'n Stall. De<br />

Sträng woor um een Achterbeen<br />

vun't Swien anbunnen, Swienstallklappen<br />

rulhaut un denn gung dat<br />

na buten. Op de Opbohnbrüch<br />

schull dat loosgahn. Dat Swien weer<br />

fuul un neeschierig. Överall müss he<br />

noch maal rinkieken. Buten woor he<br />

noch an de Sars vun de Köökendöör<br />

anbunnen. De Saak mit de groote<br />

Äxt övernehm Richard. Later woor jo<br />

Zur sogenannten<br />

Hausschlachtung,<br />

die ausschließlich<br />

in der kalten<br />

Jahreszeit erfolgte,<br />

wurde der 'Hausschlachter'<br />

zu<br />

einem bestimmten<br />

Schlachttag bestellt<br />

sowie der<br />

Fleischbeschauer<br />

benachrichtigt.


.!)J. ~J .................. ....................... ....................... ......... ... ...... .tlr.\~.. ~.~-~:!.!! .. M,!.OT.::'i.q_ .!~P.. f.,\ ,~!.!W~.. M.t.'.•.m~ :! :! '·'. A~ . ! ; ~.!~!J;·.t.'!.! .<br />

Nachdem das<br />

Schwein getötet<br />

worden wm; ließ<br />

man das Tier<br />

durch einen Kehlschnill<br />

ausbluten.<br />

Unter ständigem<br />

Rühren wird das<br />

abfließ ende Blut<br />

aufgefangen.<br />

Nach dem Abbluten<br />

wird das<br />

Schwein gebrüht,<br />

und anschließend<br />

werden die Borsten<br />

mit Borstenkratzer<br />

und<br />

Messer abgeschabt.<br />

Dabei wird<br />

das Schwein in<br />

Abständen mit<br />

heißem Wasser<br />

übergossen.<br />

Im Anschluss daran<br />

wird es an<br />

einer Leiter aufgehängt.<br />

Mit dem<br />

Medianschnitt<br />

wird die Bauchdecke<br />

geöffnet, um<br />

die Eingeweide<br />

herauszunehmen.<br />

Danach werden<br />

Wirbelsäule und<br />

Kopf mit einem<br />

Schlachterbeil<br />

gespalten.<br />

een Schussgerät benutzt. Dal Swien<br />

Ieegg foorts op de Siel, Klaas keem<br />

mit dat Meß un dreep dal ümmer<br />

ganz genau. Dat weer een Saak vun<br />

Sekunnen. Ik in de Huuk dorvö1; de<br />

Schöttel an den Hals vun dat Swien<br />

um dat Bloot optofangen. Wenn se<br />

vull weer, rin in de Kroog, mit de<br />

linke Hand dat Blool in de Kroog<br />

rögen, darmit dat nich gerinnt, mit<br />

de rechte Hand dat Bloot opfa ngen.<br />

Klaas pump mit een Vörbeen dat<br />

letzte dar noch rut. Ik harr mien<br />

Arbeit daan. Dat Bloot woor noch<br />

dörch een Seef goten. Later woor dat<br />

bruk to Swartsuur, Blootwurst un<br />

Grüttwurst.<br />

De Mannslüüd gungen an dal Schrapen.<br />

Richard müss ümmer in een 10<br />

Liter Ketel kakend Water slepen un<br />

Klaas weer an't schrapen. De Schrap<br />

weer een kegelförmiges, blankes<br />

Gerät, viilicht 20 cm hoch. Mit dat<br />

hitte Water worrn de Haar löst un<br />

mit de Schrap rünnermokt. Wenn de<br />

Kraam fertig weer, woor de Hillledder<br />

an de Siet vun dat Swien leggt<br />

un mit oll Mann woor dat Swien<br />

dorop packt. De Achterbeen worrn<br />

an de böverste Spross mit 'n Slräng<br />

anbunnen. Un dann güng dat oll<br />

Mann togliek; de Ledder woor an de<br />

Wand stellt, so dat dat Swien mit<br />

den Kopp na ünnen bummeln de.<br />

Denn törn de Slachter mit dal groole<br />

Mess den Buuk op. An de Eer stünn<br />

een groote Zinkwann, dar fullen<br />

denn de ganzen Lümp un Darm rin.<br />

fi kennt dat beteras ,Innereien'. De<br />

Pese/ woor extra ruttörnt. Wenn ji<br />

nich weet, wat Pese/ heet, laat ju dal<br />

vun Vadder verklaren. Also de Pese/,<br />

ründüm noch een beten Speck an,<br />

de woor in'n Boom hungen. Dat weer<br />

dormaals Vagelfudder för de lütten<br />

Piepmätze. lntwüschen woor noch<br />

een lütten Kööm wegkippt. Dat Hartschlag,<br />

an't Hart hung noch de Lung<br />

un de Schlund mit an, woor afspölt<br />

und keem mil'n Fleeschhaken an'l<br />

Schölle/reck. Un ok de Lever to'n<br />

utsacken. Nu keem de Darms ran .<br />

Klaas kTempelt dat eerste Enn iim,<br />

Richard goot mit een grooten Melkputt<br />

warm Water darin, un so woor<br />

de Darm umkTempelt un de letzte<br />

Swienschiet rutspöölt. Denn woor<br />

dat Swien an de Ledder noch mit<br />

dat groote Biel de Rüch opk/oppl un<br />

nu hungen dar twee Swienshälflen,<br />

so lecker un schier wie ul Marzipan.<br />

An jede Butensiel bummeln noch de<br />

Flomenstücken rut, darmit se beler<br />

dörchköhlen kunn. Glieks geev dal<br />

noch een ut Glas, un denn weer ok<br />

al Meddag. Gau wat eten, un denn<br />

gung dat Koortenspelen Iaos. Vörher<br />

warm de Gummislevel noch schier<br />

mokt, jack uttrocken un denn woor<br />

Schaapskopp dösch. Dat weer viflicht<br />

een Hallo.<br />

Mit Kaffeetiet heel ok dat Koortenspelen<br />

op. Gau'n Tass Kaffee drinken,<br />

paar Pepernööt dorto un denn<br />

weer Klaus ok al wedder an't Mess<br />

sliepen, mit den Scharpmoker, dal<br />

weer de Stahl mit'n Greep an. Sien<br />

lüttes Warktüüg, de verscheedenen<br />

Mess un de Stahl seten in den<br />

Köcher mit Ledder, den he mit een<br />

Gördei um Lief dregen de. Reine<br />

witte Schärt woor vörbunnen un<br />

denn ran an dat Swien. Toeerst<br />

worrn de veer Fööt afsneden un de<br />

Kopp, de weer jo ok in 2 Hälften<br />

mok worrn. Allens keem in de Zinkwanns,<br />

de ründüm bi Siel stahn<br />

deen. Wi Fruunslüüd harrn intwüschen<br />

denn de Flom en dörch de<br />

Wurstmaschien dreiht un utbraad.<br />

Dat Smolt woor in fettdichte Tüten<br />

goten. Wenn de Flüssigkeit stief weer,<br />

woorn de Tüten dicht maakt un na'n<br />

Keller bröcht. Wat noch bleef, dat<br />

weern de Grieben, de keem mank de<br />

Grüttwurst. Aver eerst woor noch gau<br />

een schöön Stück Swattbrool mit


~t~ .~ . ~~(.J. I !.. ~.( !.!I\..\F.m.'.!.. f.!\ •):I.!J...If ..M.m .t:q~J:!.! ,..<br />

i\Y.Ii.IM:!,f;:p !................................................................................................. J .::ki.<br />

Grieben un beten Soll wegneihl. 0,<br />

dat smeckt. De Darms harrn wi ok al<br />

in een oolen Iesenputt op flaues<br />

Füür sell mit een orntliche Handvu/1<br />

Soll ünnerrögl; afspöll un denn<br />

wedder vun vörn: Solt, afspölt, bit se<br />

schier weern. Klaus un Richard<br />

harrn de Swienshölften op'n Disch<br />

!eggt, gau noch een lütten Kööm un<br />

denn gung dal an'l Tohauen. jede<br />

Abb. 112: Zum<br />

Auskühlen blieb<br />

das Schwein an<br />

der frischen Lufi<br />

hängen.


a -::~,..<br />

.~~ . !;) ................................................................................................ JlM. ~~.~.QI!A.~J~T!}.::-i.


.W.I!J:,f! .. ,~t . N..:\G.m" .. ~.T..:\.!?.:O"!.U!!~I\J~I .......................................................................................................................................... ~":Ji}.<br />

WILHELM NAGEL,<br />

STADTMUSIKANT7 9<br />

Karsten Wilhelm Nagel, gebürtiger<br />

Averflether, wirkte als Dirigent,<br />

Chorleiter und Komponist über<br />

fünfzig Jahre in Wilster. Das von<br />

ihm geprägte und beispiellos rege<br />

Musikleben der Wilstermarsch in<br />

der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

ist für uns heu te kaum mehr<br />

vorstellbar.<br />

Am 13. März 1870 erblickte WHhelm<br />

Nagel das Licht der Welt. Sein<br />

Vater war der den Averflethern<br />

wohl bekan nte Schuhmacher Peter<br />

Nagel. Nach dessen Willen sollte<br />

Wilhelm ein Handwerk erlernen.<br />

Deshalb begann er nach der Schulzeit<br />

und der Konfirmation eine<br />

Zimmermannslehre. Diese währte<br />

aber nur eine sehr kurze Zeit. WHhelm<br />

verunglückte und brach sich<br />

einen Arm. Danach half er im elterlichen<br />

Betrieb mit und widmete<br />

sich intensiv der Musik.<br />

Die Nagels beherrschten vielerlei<br />

Instrumente und haben oft am<br />

Abend musiziert. So wurde berei ts<br />

im Elternhaus seine Liebe zur<br />

Musik geweckt. Im Alter von etwa<br />

10 Jahren erhielt Wilhelm Nagel den<br />

ersten Klavierunterricht In dieser<br />

Zeit muss er auch das Geigenspiel<br />

erlernt haben, denn schon als Schüler<br />

komponierte er kleine Stücke für<br />

zwei Violinen. Mit 18 Jahren lief er<br />

regelmäßig quer durch die Marsch,<br />

um in der St. Margarethener Kapelle<br />

als Geiger und Trompeter mitzuspielen.<br />

Fünf Jahre später wechselte<br />

er dann ins "Profilager" über und<br />

spielte in der Stadtkapelle von<br />

Wilster, einem etwa zwölf Mann<br />

starken Ensemble von Berufsmusikern.<br />

Er spielte damals Geige, Klavier,<br />

Trompete und musste sich<br />

verpflichten, zusätzlich noch das<br />

Spielen der Klarinette und der<br />

Bratsche zu erlernen. Die Bratsche<br />

wurde später sein Lieblingsinstrument<br />

Um seinen Lebensunterhalt zu<br />

sichern, eröffnete er in Wilster ein<br />

Geschäft für Spiel- und Manufakturwaren,<br />

das dann von seiner Frau<br />

geführt wurde. 1919 wurde er zum<br />

Leiter der Stadtkapelle von Wilster<br />

ernannt. Unter seinem Dirigentenstab<br />

war zu allen Feierlichkeiten<br />

der Stadt aufzuspielen. Die neue<br />

Aufgabe motivierte ihn, sich darüber<br />

hinaus noch mehr in den Dienst<br />

der Musik zu stellen: Er organisierte<br />

beispielsweise große Konzerte.<br />

Besondere Aufmerksamkeit fanden<br />

u.a. seine sinfonischen Gedenkkonzerte<br />

für Franz Schubert (1928) und<br />

Abb. 114: Musiker<br />

und Komponist<br />

Wilhelm Nagel.<br />

Eine Gedenktafel<br />

am Standort des<br />

Geburtshauses<br />

Karsten Wilhelm<br />

Nagels in Averfleth,<br />

Nr. 12<br />

erinnert an dessen<br />

Leben und Wirken.


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Abb. 115: Wilhelm<br />

Nagel (stehend<br />

neben dem<br />

Schubert-Bild) mit<br />

dem Arbeitergesangverein<br />

Wilster<br />

und den Stadtkapellen<br />

Wilster und<br />

ltzehoe beim<br />

Schubert-Gedenkkonzert<br />

in Wilster<br />

im Jahre 1928.<br />

Felix Mendelssohn Bartholdy<br />

(1929).<br />

Mit seinem unermüdlichen Schaffen<br />

konnte Wilhelm Nagel die<br />

Bevölkerung der Wilstermarsch für<br />

die Musik begeistern. So konstituierte<br />

sich beispielsweise in dieser<br />

Zeit ein Musikverein mit etwa 300<br />

Mitgliedern, der Nagel alljährlich<br />

mit der Durchführung von Konzertreihen<br />

betraute. Das Orchester<br />

setzte sich aus den Stadtkapellen<br />

Wilster und Itzehoe zusammen,<br />

etwa 20 bis 24 Musikern. Dazu<br />

kamen mitunter noch bekannte<br />

Solisten aus dem norddeutschen<br />

Raum. Die großen Konzerte fanden<br />

regelmäßig im Colosseum statt und<br />

wurden - trotz werktäglicher<br />

Abendtermine - von 500 bis 600<br />

Zuhörern besucht. Nagels Konzerte<br />

fanden auch in norddeutschen<br />

Zeitungen ein lobendes Echo.<br />

Neben sinfonischer Musik wurden<br />

den Bürgern auch regelmäßig Konzerte<br />

mit kleineren Besetzungen<br />

dargeboten wie Streichmusik und<br />

kammermusikalische Abende.<br />

Zudem spielte Nagel mit seinen<br />

Musikern häufig für wohltätige<br />

Zwecke. Im Sommer gab es Promenadenkonzerte<br />

im Bürgermeistergarten.<br />

Besonderen Wert legte Nagel<br />

auf erschwingliche Eintrittspreise,<br />

um alle Bevölkerungsschichten am<br />

Musikleben der Stadt teilhaben zu<br />

lassen. Regelmäßige Chorveranstaltungen<br />

standen außerdem auf dem<br />

Veranstaltungsplan. Im Laufe der<br />

Zeit leitete er alle fünf Chöre der<br />

Stadt. Besondere Erfolge hatte er<br />

mit dem Arbeitergesangverein WHster.<br />

Auch als Komponist war WHhelm<br />

Nagel mit Erfolg tätig. Stücke<br />

für die Stadtkapelle sowie für seine<br />

Gedenk-, Abonnements-, Chor- und<br />

Promenadenkonzerte komponierte<br />

er in beträchtlichem Umfang selber.


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Neben dieser ,Gebrauchsmusik'<br />

schrieb er über 30 Sonaten sowie<br />

eine Vielzahl von Sonatinen, Trios,<br />

Duette bis hin zur Kirchenmusik.<br />

Auch Chorsätze und Liedvertonungen<br />

nach Gedichten von Chamisso,<br />

Liliencron und dem in Wilster<br />

geborenen Dichter Johann Meyer<br />

stammen aus seiner Feder.<br />

Nagel wollte seinen Mitbürgern<br />

,gute Musik' näher bringen, wie er<br />

immer wieder betonte. Er blieb<br />

seiner Kleinstadt treu und wurde<br />

deshalb über die Region hinaus nur<br />

wenig bekannt. Er fühlte sich als<br />

Autodidakt, und er war bescheiden.<br />

Zwar standen einige seiner Werke<br />

gelegentlich auf norddeutschen<br />

Konzertprogrammen, er blieb aber<br />

als Mensch und Musiker stets seiner<br />

engeren Heimat verbunden. Sein<br />

Name ist in keinem Musik-Lexikon<br />

zu finden (es gab etwa zur selben<br />

Zeit auch in Esslingen einen Musiker<br />

und Komponisten Wilhelm<br />

Nagel). Seine Kompositionen wurden<br />

nicht gedruckt. Im Stadtarchiv<br />

von Wilster ist lediglich ein einziger<br />

Notendruck zu finden, die ,Rheinsage',<br />

Komposition für Männerchor<br />

und Orchester nach einem Gedicht<br />

von Emanuel GeibeL Sie wurde<br />

1911 auf dem Bundessommerfest<br />

des Deutschen Sängerbundes in<br />

Harnburg uraufgeführt.<br />

Wilhelm Nagel starb am 6. Mai 1954<br />

in Wilster. Lange Zeit danach war es<br />

ruhig um ihn geworden. Es schien,<br />

als hätte man ,Onkel Wilhelm', wie<br />

man ihn liebevoll in der Stadt<br />

nannte, vergessen. Erst 1993 erhielt<br />

Nagel auf dem Friedhof in Wilster<br />

ein Ehrengrab, gestiftet von der<br />

Landesregierung, der Kirche und<br />

der Stadt. Auch eine Straße ist in<br />

Wilster nach ihm benannt worden.<br />

Später erhielt sein Geburtshaus eine<br />

Gedenktafel, nicht so das Haus<br />

Deichstraße 38, wo er über 50 Jahre<br />

als Musiker lebte. Ansonsten aber<br />

wurde es wieder ruhig um den<br />

großen Musiker der kleinen Stadt.<br />

Abb. 116: 'In der<br />

Marsch', von Prof<br />

Dr. h. c. Eberhard<br />

Rech/in.


.ß'~J .D ..... ............................... ........ ... ....................... ..... ................ ................................. P~9f ... Q~.· ... ~! .... r. •.. ~~~;.~' ·'·'\ .~. r. .. Rt(!.l !, !.~.<br />

Abb. 11 7- 120:<br />

Werke von Eberhard<br />

Rech/in:<br />

Unten:<br />

Ein Selbstporträt<br />

und zum Vergleich<br />

eine Fotografie.<br />

Nächste Seite oben:<br />

Kreidezeichnung<br />

einer Viehauktion<br />

unten:<br />

Dieses Gemälde<br />

erwarb die<br />

Gemeinde Neuendmj'und<br />

stellte es<br />

dem Amt Wilstermarsch<br />

als Leihgabe<br />

für eine<br />

Dauerausteilung<br />

zur Verfügung.<br />

PROF. DR. H. c.<br />

EBERHARD R.ECHLIN<br />

Ruhe und Abgeschiedenheit suchte<br />

er, als es Prof. Dr. h . c. Eberhard<br />

Rechlin 1977 nach Vorder-Neuendorf<br />

verschlug. Der Wahl-Schleswig­<br />

Holsleiner verliebte sich in die<br />

urwüchsige Marsch, wo er die erforderliche<br />

Muße für sein freies und<br />

kreatives Schaffen fand . Auf seinem<br />

Hof schuf er ein Refugium für Pflanzen<br />

und Tiere, zu denen er seit<br />

frühester Kindheil eine tiefe Zuneigung<br />

empfand und deshalb in den<br />

Mittelpunkt seines künstlerischen<br />

Schaffens stellte.<br />

Am 29. Juli 1928 in Berlin geboren,<br />

verbrachte Eberhard Rechlin seine<br />

Kindheit und Jugend in dem elterliehen<br />

Forsthaus in Mecklenburg an<br />

der Müritz. Schon früh wurde seine<br />

künstlerische Begabung erkannt,<br />

doch der Zeit entsprechend lehnte<br />

sein Vater das Malen als Broterwerb<br />

entschieden ab.<br />

Nach seiner Heirat 1952 begann er<br />

ein Studium und arbeitete zur<br />

Sicherung des Lebensunterhaltes<br />

seiner 7-köpfigen Familie gleichzeitig<br />

als Eisengießer und Bergmann<br />

unter Tage. Nach dem Studium<br />

wurde er Beamter im öffentlichen<br />

Dienst. Nebenbei belegte er Kurse<br />

für Malerei und Grafik. 1970 gab er<br />

den sicheren Beamtenberuf jedoch<br />

zugunsten der Malerei auf und die<br />

zahlreichen internationalen Auszeichnungen<br />

rechtfertigten im<br />

Nachhinein diesen Schritt. 1986 ist<br />

er aufgrund seiner Qualifikation<br />

und in Würdigung seiner Arbeit von<br />

der Europäischen Akademie in<br />

Namur, Belgien, zum Professor<br />

ernannt worden. Am 29. November<br />

1990 verstarb Eberhard Rechlin im<br />

Alter von 62 Jahren. Dabei hatte er<br />

zuvor wiederholt den Wunsch geäußert,<br />

er möchte 100 Jahre alt werden,<br />

damit ihm genügend Zeit zur<br />

Verfügung stünde, wenigstens einen<br />

Bruchteil der zahlreichen Motive<br />

einzufangen, um sie in Öl , Aquarell,<br />

Tusche, Kreide, Feder oder Bleistift<br />

festzuhalten. Als Jagdmaler im Inund<br />

Ausland geschätzt, verstand es<br />

Rechlin, das Besondere, das Charakteristische<br />

des Wildtieres, der Landschaft<br />

und der Personen wiederzugeben.


. P.~.Qf, .. P.~.· .. B.· .. ~ •.. ~w;~ .. ~.Q~J.J!'S ................ ................. .................................................................................................... ~~.


.0022. ... ............ ... .. .. ........ ... .. ..... ...... ... ..................... .......... .. .. ............... .. .. ..... .......... ........... J.NJ.':.~m.J:rf.~ . .ff.9~WX:K\JNHY:l.~ .<br />

Abb. 121 (rechts):<br />

Gern wurden<br />

August Haaclcs<br />

künstlerischen<br />

Fertigkeiten auch<br />

für größere<br />

Gemälde in Anspruch<br />

genommen.<br />

Abb. 122 (unten):<br />

Diese Ansicht<br />

malte seinerzeit<br />

Markus Haack.<br />

Sie zeigt den<br />

einstigen Verlauf<br />

des Spritzenhausweges<br />

(heute G1K<br />

41) in Richtung<br />

Dückerstieg, bevor<br />

dessen Streckenführung<br />

beim<br />

Ausbau Ende der<br />

60er Jahre leicht<br />

verändert wurde.


. J.M",.ITI'.W.~.'!T . .tl.Q.I}.~Y.:K~.~~TIJ.':J.t ........ ........................................................................ ............................................................... a~.<br />

TALENTIERTE<br />

HOBBY-KÜNSUER<br />

Der bereits im Kapitel zum Handwerk<br />

und Gewerbe erwähnte Malermeister<br />

August Haack aus Hackeboe<br />

war nicht nur Maler im handwerklichen<br />

Sinn, sondern auch ein<br />

begabter Künstler. In seiner freien<br />

Zeit malte er viele Bilder und wendete<br />

dabei die verschiedensten<br />

Techniken an. Er fertigte sowohl Ölund<br />

Aquarellgemälde als auch<br />

Bleistift-, Kohle- und Federzeichnungen.<br />

Sein Bruder Markus war<br />

ebenso talentiert. Ihnen verdanken<br />

wir zahlreiche Ansichten der<br />

Gemeinde Neuendorf aus den<br />

20er/30er Jahren des 20. Jahrhunderts.<br />

Abb. 123 (links):<br />

August Haack in<br />

seiner der alten<br />

Werkstatt, Hackeboe<br />

34.<br />

Abb. 124 (unten):<br />

Max Tiedemann<br />

mit einem Selbstportrait<br />

(1975).<br />

Abb. 125 (ganz<br />

unten): Die Oberreihe<br />

in Vorder­<br />

Neuendorf, gemalt<br />

von August Haack,<br />

1927.<br />

Diese 'Tradition' setzt heutzutage Max Tiedemann aus<br />

Averfleth fort, der sich gleichermaßen wie einst die<br />

Haack-Brüder das Malen selbst beigebracht hat. Mittlerweile<br />

zieren seine zahlreichen Bilder die Wände in der<br />

Nachbarschaft sowie im 'Handelshof'.


.~~ ................................... ............. ................... ............................................................................ T.,w.;:~:mnrn~ . .tl.mwx.:Kfl~~I!J.':..R.<br />

Abb. 126: Früher hatte fast jeder größere Hof eine eigene Schöpfmühle samt zugehörigem Entwässerungsgraben<br />

(August Haack, 1938).


.P.m. .I!.I.'.f.~.T.~.. t.:'\I~.Q.!!IT!Jf: .. ~.9.MM.T. . ~~.9.~.!i .. ~~~l.~ ..................................................................................................................... ll :~,kJ..<br />

DIE TIEFSTE LAND­<br />

STELLE GANZ GROSS<br />

Die Tiefste Landstelle, was hat man<br />

sich eigentlich darunter vorzustellen?<br />

Assoziationen wie 'am Tiefpunkt<br />

sein' oder 'von hier geht's<br />

bergauf' waren beim Studium der<br />

Gästebücher der Tiefsten Landstelle<br />

Deutschlands immer wieder zu<br />

lesen. Die Wochenzeitung 'Die Zeit'<br />

hatte zu einem Bericht über die<br />

Tiefste Landstelle eine Fotomontage<br />

gefertigt, in der die Tiefste Landstelle<br />

als Loch in der Landschaft dargestellt<br />

wurde.<br />

Aber bei genauer Betrachtung vor<br />

Ort unterscheidet sie sich kaum von<br />

der Umgebung. Und dennoch ist die<br />

Tiefste Landstelle einmalig in<br />

Deutschland: 3,54 Meter unter dem<br />

Meeresspiegel, so tief liegt sonst<br />

kein Gefilde in der Bundesrepublik<br />

Gewusst haben dies die Neuendorfer<br />

schon immer. Altbürgermeister<br />

Meiforth sagte in einem Rund-<br />

.. . ....<br />

funkinterview für eine Sendung des<br />

NDR II: "An der Landstraße 135 ...<br />

ist die tiefste Stelle. Das ist nun<br />

überliefert von Vater und Großvater,<br />

es ist immer gesagt worden".<br />

Das hat die Gemeinde Neuendorf<br />

aber nicht weiter zum Handeln veranlasst,<br />

auch nicht, als ein gewiefter<br />

Fremdenverkehrsmanager den tiefsten<br />

Punkt Deutschlands in<br />

Freepsum in der Gemeinde Krummhörn/Ostfriesland<br />

mit 2,30 Meter<br />

unter Normalnull auswies, um<br />

diesen werbestrategisch für den<br />

Tourismus zu nutzen - sozusagen<br />

als Pendant zur höchsten Erhebung<br />

der Bundesrepublik (Zugspitze mit<br />

2962 Metern).<br />

Erst als vermehrt nachgefragt<br />

wurde, wo sich denn nun die Tiefste<br />

Landstelle genau befände,<br />

fasste die Gemeindevertretung am<br />

06. August 1986 den Beschluss,<br />

diese durch einen Hinweispfahl zu<br />

kennzeichnen.<br />

Viel ist seitdem geschehen, bis die<br />

Tiefste Landstelle groß raus kam ...<br />

Abb. 127: Fotomontage<br />

in der<br />

Wochenzeitung<br />

'Die Zeit' .<br />

Der Streit um den t·<br />

wiKh


.~l . f> ........................ ....... ....... ........ ........... ........... .. ................................................ .P..t.r ... II.f.!~S.1T .~~~.!?,5I!: ! . ! . !; .. ul;.~!.!'. .~.~.! .. , . ~~. l .<br />

Abb. 128: Lage<br />

des 'Streitpunktes'<br />

in Ostfriesland<br />

DIE TIEFSTE LAND­<br />

STELLE LIEGT HIER!<br />

Nachdem der Stein ins Rollen gebracht<br />

worden war, wollte man sich<br />

die Einzigartigkeil dieser Stelle<br />

nicht durch Konkurrenz aus Ostfriesland<br />

nehmen lassen. Deshalb<br />

wurde die Fremdenverkehrsgesellschaft<br />

Krummhörn-Greetsiel in<br />

einem Brief gebeten, nicht weiter<br />

mit dem tiefsten Punkt zu werben,<br />

da sich besagte Stelle erwiesenermaßen<br />

in der Gemeinde Neuendorf<br />

b. Wilster befände.<br />

Die Antwort kam prompt und kann<br />

wohl als ein Beitrag der Ostfriesen<br />

zu ihrem sprichwörtlichen Humor<br />

angesehen werden. In Ermangelung<br />

fester Tatsachen definierten sie<br />

nämlich Anforderungen an den<br />

tiefsten Punkt, Anforderungen, die<br />

nur ihrem Punkt genügten:<br />

"Um die Definition des höchsten<br />

Punktes gibt es sich erlich keine<br />

Diskussionen.<br />

Bei dem tiefsten Punkt war von vornherein<br />

ersichtlich, daß es Auslegungsschwierigkeiten<br />

geben kann. ...<br />

An dem tiefsten Punkt in Freepsum<br />

wurden von Anfang an folgende<br />

Definitionen zugrunde gelegt, die bis<br />

heule nicht widerlegt wurden:<br />

1. Es muß sich um eine landwirtschaftlich<br />

genutzte Fläche handeln .<br />

2. Diese Fläche wird seit 200 fahren<br />

durchgehend landwirtschaftlich<br />

genutzt.<br />

3. Die landwirtschaftlich e Fläche<br />

umfaßt 115 ha.<br />

4. Die mittlere Geländelage beträgt<br />

2,0 m unter NN.<br />

... Es ist dah er verständlich, daß wir<br />

weiterhin und mit vollem Recht den<br />

Titel - Tiefster Punkt der BRD ist<br />

Freepsum mit 2,30 m unter Normalnull<br />

(NN} bzw. Meeresspiegel - führen<br />

werden .<br />

... sodaß wir Sie ... eigentlich bitten<br />

bzw. veranlassen müßten, Ihre Ausschilderung<br />

zukünftig z u unterlassen,<br />

um Mißverständnisse ... zu<br />

vermeiden."<br />

Da staunte selbst der Oberamtsrat<br />

des Amtes Wi lstermarsch, Kurt<br />

Reimers. "Warum muß ein Punkt 115<br />

Hektar groß sein? Ein Punkt ... ist ja<br />

weniger als ein IV·eis oder eine Fläche,<br />

ein Punkt ist ja wirklich ganz<br />

wenig."<br />

Die Gemeinde Neuendorf wollte es<br />

nun genau wissen und bat das<br />

Katasteramt Itzehoe sich der Sache<br />

anzunehmen und die Stelle zu<br />

vermessen. Die neuen Messungen<br />

ergaben, dass sich die Tiefste Landstelle<br />

3,539 Meter unter Normalnull<br />

befindet.<br />

Richard Meiforth, der damalige<br />

Bürgermeister, bemühte daraufhin<br />

den Bundesinnenminister um<br />

Schlichtung und 'Rechtsprechung'<br />

in der Angelegenheit. Dieser verwies<br />

darauf, dass das Vermessungswesen<br />

Landessache sei und somit in<br />

den Zuständigkeitsbereich des<br />

Innenministers des Landes Schleswig-Holstein<br />

falle. Dieser wiederum<br />

meinte zwar, auch er könne nichts<br />

machen, da "keine Wertungskriterien<br />

für die tiefste Stelle der Bundesrepublik<br />

Deutschland festgelegt worden<br />

sind", jedoch bestätigte er, dass "von<br />

Seiten der Vermessungs- und Katasterverwaltung<br />

des Landes Niedersachsen<br />

keine Bedenken dagegen


DIE TIEI'STE L\NDSTEllE LIEGT ßEilJNS! ·li 171<br />

..................... .... .............................. -.................................................................................................................. .............................................. ~.<br />

erhoben werden, daß der tiefste<br />

Punkt der Bundesrepublik in der<br />

Gemeinde Neu(en)dorf liegt."<br />

Aber selbst davon lassen sich die<br />

Ostfriesen nicht beeindrucken und<br />

werben wie eh und je mit ihrem<br />

'tiefsten' Punkt.<br />

Nach neuesten Meldungen plant die<br />

Gemeinde Krummhörn ihren tiefsten<br />

Punkt in einen Badesee zu<br />

verwandeln, die endgültige Entscheidung<br />

darüber stehe aber noch<br />

aus.<br />

Metern zum Fahrbahnrand einzuhallen<br />

sowie zur Aufstellung die<br />

Straßenmeisterei in Wilster hinzuzuziehen<br />

sei.<br />

Abb. 129: Die<br />

Tiefste Landstelle<br />

Deutschlands wird<br />

durch das Landesvermessungsamt<br />

Schleswig-Ho/­<br />

stein am 3. September<br />

1987 neu<br />

vermessen. Das<br />

Ergebnis lautet<br />

3,539 m unter NN.<br />

GuT DING WILL<br />

WEILE HABEN<br />

Nachdem die Gemeindevertretung<br />

den Beschluss gefasst hatte, die<br />

Tiefste Landstelle durch einen Holzpfahl<br />

an der L 135 bei Kilometer 6,4<br />

zu kennzeichnen, wurden Vorschläge<br />

erarbeitet.<br />

Mit dem zuständigen Straßenbauamt<br />

in Itzehoe wurde ein Nutzungsvertrag<br />

vereinbart, der die Aufstellung<br />

des Hinweisschildes 'Tiefste Landstelle<br />

der Bundesrepublik' regelt.<br />

Darin ist unter anderem aufgeführt,<br />

dass ein Mindestabstand von 4,50<br />

Es ist nicht bekannt, warum sich<br />

die Gemeinde Neuendorf über diese<br />

Auflage hinwegsetzte, aber die<br />

Gemeinde errichtete den Hinweispfahl<br />

an einem Sonnabend ohne<br />

genannte Straßenmeisterei.<br />

Bei der Abnahme erzürnte dieses<br />

Vorgehen den Leitenden<br />

Regierungsbaudirektor des Straßenbauamtes<br />

Itzehoe derart, dass er mit<br />

der Kündigung des Nutzungsvertrages<br />

drohte, was ein Jahr später auch<br />

geschah. In einem Zeitungsartikel<br />

der Wochenzeitung 'Die Zeit' wird er<br />

gar mit den Worten zitiert: "Ich lasse<br />

mich doch nicht verarschen von der<br />

Gemeinde Neuendorf."<br />

Ihn ärgerte, dass die Straßenmeisterei<br />

Wilster zur Aufstellung nicht<br />

hinzugezogen sowie der Mindestabstand<br />

zum Fahrbahnrand nicht<br />

eingehalten wurde. Des Weiteren<br />

monierte er, dass anstaU der Fahnenbalterung<br />

mit der Beschriftung


.00®......................................................................... ...................... .................. ............. G:~$.IMTIING .. !?.Jl~.. l.'w.f.$.~ .. ~.1>.!?::!1;~.<br />

Abb. 130: Entwurf<br />

für den Hinweispfahl<br />

an der Tiefsten<br />

Landstelle.<br />

'Tiefste Landstelle der Bundesrepublik'<br />

... eine Holzplatte mit der<br />

Aufschrift 'Tiefste Landstelle der<br />

B. R. Deutschland' angebracht worden<br />

war. Zur Unterstützung und<br />

Bekräftigung seiner Beanstandung<br />

zog er einen Erlass des Landes<br />

heran, in dem die Verwendung der<br />

Abkürzung 'B. R.' für 'Bundesrepublik'<br />

ausdrücklich untersagt wird.<br />

Besagter Erlass war jedoch mittlerweile<br />

aufgehoben worden.<br />

Letztendlich saß das Straßenbauamt<br />

Landsfeile<br />

e &<br />

f t a<br />

'D<br />

dar .,aun<br />

desrapubllk<br />

,.<br />

aber am längeren Hebel und die<br />

Gemeinde musste den Hinweispfahl<br />

Anfang 1989 wieder herausreißen.<br />

Deshalb beschloss die Gemeinde<br />

den Hinweispfahl drei Meter<br />

zurückversetzt auf den Privatländereien<br />

von Albert Karstens aufzustellen<br />

und handelte einen<br />

entsprechenden Vertrag mit Karstens<br />

aus.<br />

Parallel wollte die Gemeindevertretung<br />

für die immer häufiger beobachteten<br />

Besucher der Tiefsten<br />

Landstelle Parkplätze, nebst Tisch<br />

und Bänke auf dem Straßenbankett<br />

errichten. Dazu musste die Gemeinde<br />

erneut einen Bewilligungsantrag<br />

beim Straßenbauamt in Itzehoe<br />

stellen. Dieses war jedoch inzwischen<br />

durch die bis dato gemachten<br />

Erfahrungen mit der Gemeinde<br />

Neuendorf vorsichtiger geworden.<br />

Es sprach seine Bedenken gegen<br />

diese Planung aus, da das Parken an<br />

Bundes- und Landesstraßen nicht<br />

erlaubt sei, regte aber in dem Zusammenhang<br />

die Einrichtung eines<br />

Rastplatzes an.<br />

So entstand im Herbst 1990 der<br />

erste Entwurf für den Parkplatz<br />

'Tiefste Landstelle'. Vorgesehen<br />

wurde er auf dem Nachbarflurstück<br />

mit Blick auf den eigentlichen tiefsten<br />

Punkt, welches 1991 von der<br />

Gemeinde gekauft wurde. Die<br />

Umsetzung dieses Entwurfes hätte<br />

aber den gesteckten Kostenrahmen<br />

der Gemeinde Neuendorf um ein<br />

vielfaches gesprengt, so dass die<br />

Gemeinde eine 'abgespeckte' Variante<br />

anstrebte.<br />

Im weiteren Planungsverlauf machte<br />

das Straßenbauamt darauf aufmerksam,<br />

dass die L 135 in diesem<br />

Bereich fortwährend - wegen des<br />

wenig tragfähigen Untergrundes -<br />

mit 7,5 Tonnen gewichtsbeschränkt<br />

sei und deshalb Reisebusse die


. G.~$.r~.~.-TI!~G .. P.~~ .. JJ.m:$.m~ .. u.l'IP.!?nuP.l ............ .................................................................................................................... aoo.<br />

Tiefste Landstelle nicht anfahren<br />

dürften. Eine Ausnahmeregelung,<br />

wie sie für Linienbusse gelte, würde<br />

es nicht geben, weil dadurch die<br />

geltende Gewichtsbeschränkung<br />

unzumutbar aufgeweicht würde.<br />

Wenn aber Busse die Tiefste Landstelle<br />

gar nicht erst anfahren dürfen,<br />

bedarf es auch keines Bus-Parkbzw.<br />

-Wendeplatzes. So wurde der<br />

Entwurf für den Parkplatz 'Tiefste<br />

Landstelle' abermals überarbeitet; es<br />

entstand die heutige Version.<br />

Nachträglich wurde doch noch eine<br />

Übereinkunft mit dem Straßenbauamt<br />

in Itzehoe getroffen, nach der<br />

die Tiefste Landstelle seit 1998<br />

durch Reisebusse angefahren werden<br />

darf. Jedoch gilt diese Regelung<br />

nur von Wilster Richtung Neuendorf,<br />

da das Straßenbauamt Dithmarschens<br />

weiterhin die<br />

Ausnahmegenehmigung verweigert,<br />

so dass eine Zufahrt über Burg nach<br />

wie vor nicht möglich ist.<br />

Nach diesem Hürdenlauf präsentiert<br />

sich die Tiefste Landstelle heute als<br />

'schöne kleine Anlage' -wie zahlreiche<br />

Besucher in das Gästebuch<br />

der Tiefsten Landstelle schreiben -<br />

die mit wenig Mitteln viel Information<br />

transportiert.<br />

Mittlerweile ist die Tiefste Landstelle<br />

mit Tischen uREl Sänken, einem<br />

Informationskasten, einem Artesischen<br />

Brunnen - der laut einer<br />

Untersuchung des Medizinaluntersuchungsamtes<br />

der Universität Kiel<br />

vom 14.7.1992 leider kein Trinkwasser<br />

führt-, einem Mast, der die<br />

bedeutensten Sturmfluten andeutet<br />

und dem erneut und hoffentlich<br />

zum letzten Mal umgesetzten Hinweisschild<br />

ausgestattet.<br />

Im Rahmen der Dorfentwicklung<br />

Wilstermarsch wurden Anregungen<br />

und Ideen andiskutiert, die Tiefste<br />

Landstelle noch attraktiver zu<br />

gestalten. Diese scheiterten aber an<br />

der Gemeindevertretung bzw. an der<br />

Genehmigungsbehörde, so dass sie<br />

wieder verworfen wurden. Resultate<br />

der Dorfentwicklung sind der 1999<br />

fertig gestellte Pavillon sowie eine<br />

mobile Toilette, die in den Sommermonaten<br />

dort platziert wird. Die<br />

zunehmende Beliebtheit der Tiefsten<br />

Landstelle hatte diese Maßnahme<br />

notwendig gemacht.<br />

Abb. 131: Die<br />

j eweiligen Standorte<br />

des Hinweispfahls.


.ß®.® .............................................................................................................................................................................................................. .<br />

,,,•'/'''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''"'''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''\..,,,,.,<br />

Wv hct.YYV etL v~ vO'rll 'o~fv~ hör-t;<br />

cwe.v cicLt- hett !M'W wt.ede,v !ifOY' Ylidv ~&t:<br />

SfV wt.ML- . YV Gc4t' heb-be.n;, We.v~ ~<br />

cicLt- hct.YYV wv !ifOY' Ylidv ~ ~ s~<br />

Urw S~4f'-tlo-4t-e,e,vv, cicLt" w~ etll;,<br />

f4,t" öve.vcUL- 0töörv, op j~ fc;dl;.<br />

Ave.v ~ WOYY'YV d0 O#r'eM>h'V Uoolv,<br />

.\€1 ~ ~ ~~ (,n; cict,t- gt"O'O't013ooiv.<br />

VfV O#r'eM>h'V poche-w op ehr-YV deep~0YV PIM'll


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Abb. 132: Erster<br />

Entwurf für den<br />

Parkplatz an der<br />

Tiefsten Landstelle.<br />

Dieser wurde<br />

jedoch abgelehnt,<br />

weil er den gesteckten<br />

Kostenrahmen<br />

um ein<br />

vielfaches überschritt.<br />

Abb. 133: Zweiter<br />

Entwurf des Parkplatzes<br />

an der<br />

Tiefsten Landstelle.<br />

Auch dieser<br />

Plan wurde überarbeitet,<br />

weil es<br />

zunächst hieß,<br />

dass Busse die<br />

Tiefste Landstelle<br />

nicht anfahren<br />

dürften.


.~~ .................................................................. .................................................................. ... .. .ff9.m:.f.m~J9Ji .. ~ . .J)~f~Th~ .. Sn;w.;.<br />

Abb. 134: Jubiläumseiche<br />

des<br />

Landfrauenvereins<br />

Wilstermarsch. Sie<br />

wurde anläßlich<br />

des 50-jährigen<br />

Bestehens 1986 an<br />

der Tiefsten Landstelle<br />

gepflanzt.<br />

HöHEPUNKTE AN<br />

TIEFSTER STELLE<br />

Jeder Besucher erlebt den 'tiefen<br />

Punkt' auf seine ganz persönliche<br />

Weise und Besucher kommen viele,<br />

allein über 1000 Besucher tragen<br />

sich pro Jahr in das Gästebuch der<br />

Tiefsten Landstelle ein.<br />

Vergessen werden sollten aber auch<br />

nicht die Feste, die an der Tiefsten<br />

Landstelle gefeiert wurden.<br />

Eigentlich hatte die Gemeinde Neuendorf<br />

bereits 1988, nachdem der<br />

Hinweispfahl zum ersten Mal<br />

errichtet wurde, die Tiefste Landstelle<br />

einweihen wollen. Aber durch<br />

die Auseinandersetzung mit dem<br />

Straßenbauamt war die Freude<br />

derart getrübt, dass die offizielle<br />

Einweihung auf unbestimmte Zeit<br />

verschoben wurde.<br />

Am 2. Juli 1992 war es dann endlich<br />

soweit, mit Freibier und zahlreichen<br />

Attraktionen wurde die<br />

Einweihung mit über 1000 Gästen<br />

gefeiert.<br />

Vor laufender Kamera - die Sendung<br />

'DAS! ' von N3 berichtete live vor<br />

Ort- stritten Bürgermeister Johannes<br />

Rehder und der Fremdenverkehrsmanager<br />

aus Ostfriesland um<br />

den tiefsten Punkt. Aber auch vor<br />

einem Millionenpublikum konnte<br />

keine Einigung gefunden werden.<br />

Nachdem die Einweihungsfeier so<br />

gut angekommen war, sollte das<br />

nächste Fest an der Tiefsten Landstelle<br />

nicht lange auf sich warten<br />

lassen.<br />

Diesmal erwartete man Gäste vom<br />

höchsten Punkt Deutschlands. Aus<br />

Grainau, dem Dorf am Fuße der<br />

Zugspitze, war eine Delegation<br />

geladen.<br />

Im Vorfeld spottete die Wilstersche<br />

Zeitung in ihrer Rubrik 'Hannes ut<br />

Wilster', ob die Gemeinde Neuendorf<br />

nach dem Streit mit Freepsum<br />

um den tiefsten Punkt Deutschlands<br />

nun einen "Disput über das höchstgelegen<br />

e Dorf Deutschland heraufbesch<br />

wören" wolle, schließlich werde<br />

Grainau vom Schwarzwalddorf<br />

Röchenschwand deutlich übertroffen<br />

und 1 im Guinness Buch der<br />

Rekorde für 1995 sei die Gemeinde<br />

Oberjoch bei Bindelang im Allgäu<br />

mit einer Höhe von 1150 Metern als<br />

höchstgelegene Ortschaft Deutschlands<br />

verzeichnet.<br />

Doch davon ließ sich die Gemeinde<br />

Neuendorf nicht beirren und richtete<br />

gemeinsam mit der Gemeinde<br />

Sachsenbande an einem Wochenende<br />

Anfang Juli 1995 ein tolles Fest<br />

aus, zu dem wieder weit über 1000<br />

Besucher erschienen. Diesmal konnte<br />

die NDR-Musikbox der 'Welle<br />

Nord' für eine Aufzeichnung gewonnen<br />

werden.


.H~>I-I_f:P.~ J-~-~Tf. .. t\~ .. T!""'f.~Jf:~.-~'ff:.IJ.f ........................................................................................................................................... U.~.<br />

Abb. 135: im Alter<br />

von 86 Jahren<br />

f ertigte der frühere<br />

Dachdecker<br />

Otto Göttsche aus<br />

Vorder-Neuendorf<br />

das Reetdach für<br />

die Schautafel an<br />

der Tiefsten Landstelle.<br />

Das dies nicht das letzte Fest an der<br />

Tiefsten Landstelle gewesen sein<br />

soll, machen Pläne deutlich, nach<br />

denen im Jahre 2002 erneut ein<br />

großes Fest- die Gemeinde feiert<br />

350-jähriges Jubiläum- gemeinsam<br />

mit der Gemeinde Sachsenbande<br />

stattfinden soll.<br />

Kurz nach der offiziellen Einweihung,<br />

hinterlegte die Gemeinde<br />

Neuendorf ein Gästebuch an der<br />

Tiefsten Landstelle.<br />

Die Resonanz ist groß, pro Jahr wird<br />

mindestens ein Büchlein gefüllt.<br />

Hierbei muss davon ausgegangen<br />

werden, dass die Zahl der Besucher<br />

weit höher liegt, da sich längst nicht<br />

jeder in das Buch einträgt.<br />

gesamte Bundesgebiet zu nennen,<br />

aber auch das europäische Ausland<br />

(Skandinavien, Südeuropa) sowie<br />

alle anderen Kontinente (Nordamerika,<br />

Südamerika, Afrika, Asien,<br />

Australien) sind vertreten.<br />

Aus allen Teilen der Welt kommen<br />

die Gäste auf der Durchreise zufällig<br />

oder gezielt vorbei, teils auf dem<br />

Motorrad oder als Gruppe mit dem<br />

Bus, viele mit dem Auto oder per<br />

Fahrrad. So mancher kommt wieder,<br />

weil hier die Sonnenuntergänge so<br />

schön sein sollen und alle sind sich<br />

einig, dass dies ein ganz besonderer<br />

Ort ist.<br />

Interessant ist auch zu erfahren, aus<br />

welchen Ecken die Besucher kommen.<br />

Da ist zum einen natürlich das


.ß®.~ ............. ................ .................. ............ ................. .............. .W. Al.!Wri~~~ . .QA'~. J),f!f.~IA'.~ . .JANP..~.T.~P,ri .. P..~W.$.Q:ITA~.Q~ .<br />

Übersicht über den Werdegang der Tiefsten Landstelle Deutschlands<br />

.......... ?:~.~-~~~~~ .............. ~r.~.~g~~---·· · · ·· · ····· · ·· · · ·· ······· · ··· ··· ·· · ······ ·· · ·· · · ····· ··· ·· · · · ··········· · ·············· · ···· · ·· ··· · ·········· ·· ················ · ············ · ······· · ···<br />

22.06.1984<br />

01.10.1984<br />

01.12.1984<br />

31.05.1986<br />

06.08.1986<br />

15.04.1987<br />

22.04.1987<br />

22.06.1987<br />

03.09.1987<br />

Herbst 1987<br />

10.05.1988<br />

11.11.1988<br />

17.01.1989<br />

22.09.1989<br />

13.12.1990<br />

04.11.1991<br />

02.07.1992<br />

30.06.1995<br />

23.07.1998<br />

23.07.1999<br />

Einweihung des tiefsten Punktes Deutschlands in Freepsum in der Gemeinde<br />

Krummhörn I Ostfriesland mit 2,30 Meter unter NN.<br />

In der ADAC Motorwelt wird auf den tiefsten Punkt Deutschlands hingewiesen;<br />

Herr Hermann-JosefThoben, damaliger Dezernent des Amtes für Land- und<br />

Wasserwirtschaft in Itzehoe liest als Abonnent den Artikel und bittet um die<br />

Korrektur des Irrtums.<br />

In ihrer Ausgabe von Dezember 1994 berichtigt die ADAC Motorwelt ihre Angaben<br />

bezüglich des tiefsten Punktes Deutschlands und beschreibt Ostfriesland<br />

im Vergleich zur Wilstermarsch als "mittleres Gebirge".<br />

Sendung von NDR II über die Tiefste Landstelle in Neuendorf b. W.<br />

Beschluss der Gemeindevertretung, die Tiefsten Landstelle mit einem Hinweispfahl<br />

zu kennzeichnen.<br />

Brief an die Fremdenverkehrsgesellschaft in Ostfriesland mit der Bitte, nicht<br />

mehr mit dem tiefsten Punkt Deutschlands zu werben.<br />

Im Antwortschreiben der F~mdenverkehrsgesellschaft wird die ei ene Definition<br />

vom tiefsten Punkt Deutschlands dargelegt.<br />

- '-r-<br />

Nutzungsvertrag ?J rAufstellungdes Hinweisschildes-mi em Straßenbauamt in<br />

Itzehoe.<br />

Der 'Tiefste Punkt' der Bundesrepublik Deutschland wird neu vermessen,<br />

Ergebnis: 3,539 Meter unter dem Meeresspiegel.<br />

Das Hinweisschild wird an einem Sonnabend durch die Gemeinde allein aufgestellt.<br />

Der Leiter des Straßenbauamtes aus Itzehoe moniert, dass zur Aufstellung des<br />

Hinweisschildes nicht die Straßenmeisterei Wilster benachrichtigt wurde, der<br />

Hinweispfahl nicht mehr dem Entwurf laut Nutzungsvertrag entspricht, die<br />

Beschriftung st tt 'Tiefste dstelle der Bun-desrepublik' nun 'Tiefste Landstelle<br />

der B. R. Deutschland' lautet sowie der vereinöarte Mindestabstand zum<br />

Fahrbahnrand nicht eingehalten wurde.<br />

Der Nutzungsvertrag wird von Seiten des Straßenbauamtes fristlos gekündigt.<br />

Gleichzeitig wird die Gemeinde aufgefordert, das Hintveisschild zu beseitigen<br />

Die Wilstersche ZeitUng berichtet, dass der Holzpfahl um drei Meter hinter den<br />

Straßengraben auf die Privatländereien des Herrn Albert Karsrens zurückgesetzt<br />

wird.<br />

Der Innenminister des nde Schleswig-Holstein bestätigt, dass von .Seiten des<br />

Vermessungsamtes des. Landes Niedersachsen keine Bedenken dagegen erhoben<br />

werden dass er riefst Punkt der Bundesrepublik in der Gemeinde Neuendorf<br />

lieg. --<br />

:rster Entwurf zur Gestaltung des Parkplatzes 'Tiefste Landstelle'.<br />

Der Bau- und Wegeaussdiuss der Gemein e 1'-{eue do f b.<br />

Kaufvertrag des Grundstü 'Tiefste Landstell '<br />

c::<br />

Offizielle Einweihung der Tiefsten Landstelle Deutschlands.<br />

Zeltfest an der Tiefsten Landstelle Deutschlands.<br />

Befristete Freigabe der L 135 für Reisebusse bis 18 Tonnen Gesamtgewicht<br />

durch das Straßenbauamt in Itzehoe.<br />

Richtfest für die Rasthütte an der Tiefsten Landstelle.


SCHUI.GESCHICHTE<br />

] 1 ~ [_~<br />

· · · · · · · · ·· ····· · ·· ·· · · · · · ··· ·· · · · · · · ·· · ··· · ········ · · · ·········· · · · · ········· · ·· · ·· · ···· · · · ·· ········ · · · · ·· · ·· · · · · · · ·· ·· · · · · · · · · · · ·· · · · · · · · · ··· · ·· · · · · · ·· · · ·· · ·· · ···· · ·· ······· · ··· ··· · ········· ·· ·· ·· · ·· · ····· ~ -~-<br />

SCHULGESCHICHTE<br />

Der Begriff Schule stammt von dem<br />

lateinischen Wort ,schola' ab und<br />

bedeutet soviel wie Unterrichtsstätte,<br />

Muße und Ruhe. Ausgehend von<br />

der Antike, in der es außer Hochschulen<br />

nur privaten Unterricht<br />

gegeben hat, begründete Karl der<br />

Große (800 n. Chr.) das öffentliche<br />

Schulwesen, indem er die Kirche<br />

beauftragte, Schulen zu gründen.<br />

Dabei handelte es sich in der Regel<br />

um Dom- und Klosterschulen. Die<br />

Hauptaufgabe dieser Schulen bestand<br />

zunächst darin, junge Leute<br />

zum Kirchdienst heranzubilden.<br />

Öffentliche Volksschulen, in denen<br />

sowohl Religionsunterricht als auch<br />

Unterricht in Lesen und Schreiben<br />

erteilt wurde, schuf erst die Reformation.<br />

1524 erließ Luther ein<br />

Sendschreiben an die Bürgermeister<br />

und Ratsherrn aller Städte deutschen<br />

Landes, dass sie christliche<br />

Schulen ausrichten sollen, um dem<br />

Volk das Wort Gottes zugänglich zu<br />

machen. 80<br />

Hierzulande wurde die Reformation<br />

1536 unter Christian III. - das Amt<br />

Steinburg unterstand damals dem<br />

König von Dänemark - durchgeführt.<br />

Wenig später (1544) erließ er<br />

eine Volksschulordnung, die sogar<br />

die weibliche Handarbeit als Unterrichtsgegenstand<br />

erwähnt. 81<br />

Diese Volksschulordnung galt<br />

zunächst jedoch nur für die Schulen<br />

in den Städten. Auf dem Lande<br />

sollte lediglich eine Stunde lang das<br />

gewöhnliche Evangelium des Sonntags<br />

gepredigt und der Katechismus<br />

gelehrt werden.<br />

Damals bestand noch keine Schulpflicht.<br />

Um die Kinder und Jugendlichen<br />

dennoch zum Schulbesuch<br />

zu ,zwingen', wurde seit 1646 die<br />

Zulassung zum Abendmahl an die<br />

bestandene Konfirmandenprüfung<br />

geknüpft. Diese Prüfung war öffentlich<br />

und vor versammelter Gemeinde<br />

wurde der kleine Katechismus<br />

mit Erklärungen abgefragt. In der<br />

Schulverordnung von 17 45 wird<br />

zum ersten Mal die Schulpflicht<br />

vom 6. Lebensjahr bis zur Konfirmation,<br />

d. h. bei den Jungen bis zum<br />

Abb. 136: Dergestalt<br />

soll einst die<br />

alte Schule in<br />

Achterhörn ausgesehen<br />

haben,<br />

bevor sie in der<br />

Nacht vom 17. auf<br />

den 18. September<br />

1916 abbrannte.<br />

Die Gemeinde<br />

Neuendorf beherbergte<br />

einst 4<br />

Schulen. Die<br />

Schule in Achterhörn<br />

brannte 1916<br />

ab und wurde auf<br />

Aebtissinwischer<br />

Gebiet verlegt.<br />

Des Weiteren<br />

bestanden j e eine<br />

Schule in Averjleth,<br />

Hackeboe<br />

und Vorder-Neuendorf<br />

Die Schulkinder<br />

aus<br />

Hinter-Neuendorf<br />

besuchten die<br />

Sachsenbander<br />

Schule.


.ß~@ ............................................... ............. .... ................ ............. ...... ....... .......... ............................................. ~.q:~~!.'-'G .t;:.!?.U~!qn:r;.<br />

Schülerzahlen der<br />

Schule in Aebtissinwisch98<br />

.. J.~.~ ...... t.\~~.~~ ..<br />

1874 69<br />

1910 69<br />

1920 53<br />

1924 36<br />

1930 24<br />

1946 78<br />

1947 83*<br />

1950 60<br />

1951 41<br />

1952 36<br />

1955 28<br />

1959 33<br />

1966 22<br />

1969 16<br />

In der Zeit von<br />

1939- 1945 waren<br />

die Kinder auf die<br />

Ecklaker und<br />

Sachsenbander<br />

Schule aufgeteilt<br />

worden.<br />

*) Von den 83<br />

Kindern im Jahre<br />

1947 kamen<br />

lediglich 20 Kinder<br />

von hier, die<br />

restlichen 63<br />

Schüler waren<br />

allesamt Kinder<br />

von Flüchtlingsfamilien.<br />

Der<br />

Unterricht wurde<br />

in zwei Schichten<br />

abgehalten.<br />

Von /949-1951<br />

war mit Lehrer<br />

Blöckereine 2.<br />

Lehrerstelle eingerichtet<br />

worden.<br />

vollendeten 16. und bei den Mädchen<br />

bis zum vollendeten 15.<br />

Lebensjahr gefordert. Jedoch bestand<br />

weiterhin die Möglichkeit der<br />

Befreiung vom Sommerunterricht<br />

und während der Ernte. Seit dem<br />

Schulerlass vom 31. Dezember 1747<br />

sollten dann überall besondere<br />

Schulhäuser gebaut werden, zu<br />

denen die Regierung wesentliche<br />

Mittel spendete. Träger der Schullasten<br />

sollten die Gemeinden sein,<br />

während der Staat und die Kirche<br />

die Beaufsichtigung übernahmen.<br />

Dies bedeutete in der Konsequenz,<br />

dass nur vom Propst geprüfte Lehrer<br />

eingestellt werden durften und jährliche<br />

Schulvisitationen durchgeführt<br />

werden sollten. Die meiste<br />

Zeit des Unterrichts sollte dem<br />

Religionsunterricht gewidmet werden,<br />

aber auch Lesen, Schreiben<br />

und Rechnen wurden unterrichtet.<br />

Der Bereich, den man später unter<br />

Realien (Naturkunde und -lehre)<br />

zusammenfasste, fehlte gänzlich.<br />

Außer Mittwoch- und Sonnabendnachmittag<br />

sollte täglich 6 Stunden<br />

unterrichtet werden, bei 6 Wochen<br />

Ferien im Jahr.<br />

Die Lehrer kamen aus den unterschiedlichsten<br />

Berufen (Schuster,<br />

Schneider, Knechte, Schreiber<br />

usw.). Sie gingen entweder bei<br />

älteren Lehrern in die ,Lehre' oder<br />

bildeten sich autodidaktisch aus,<br />

d. h. sie eigneten sich ihr Wissen<br />

selbst an. Die Berechtigung, ein<br />

Schulamt auszuüben, erwarben sie<br />

durch das Ablegen der Probstenprüfung.<br />

Dies änderte sich erst, als<br />

17 81 in Kiel und wenige Jahre<br />

später in Tondem (1788) die ersten<br />

Schullehrerseminare eröffnet wurden<br />

.82 Die Vorbildung für diese<br />

zweijährige Ausbildung erwarben<br />

die Seminaranwärter weiterhin<br />

durch eine schulpraktische Tätigkeit<br />

als Hilfslehrer, bzw. später<br />

besuchten sie für die Dauer von 3<br />

Jahren eine PräparandenanslalL Da<br />

Seminare in Kiel und Tondem<br />

anfangs gerade mal drei Dutzend<br />

Kandidaten pro Jahr entließen und<br />

weitere Seminare erst 40 Jahre<br />

später eingerichtet wurden, musste<br />

noch eine große Zahl der Lehrerstellen<br />

mit Autodidakten besetzt werden.<br />

83 Dies traf vor allen für die im<br />

allgemeinen schlechter bezahlten<br />

Posten bei den Landschulen zu.<br />

Abb. 137: Lehrer<br />

von Pein an der<br />

alten Achterhörner<br />

Schule im Jahre<br />

1890.


. ~.9:~!)-l~~.~mqrr.~ .......................................................................................................................................................................... aw..<br />

(o. R. v. 1.): Jürgen Franzenburg, Günter Benz, Jutta Dumke, Christa Springer.<br />

(2. R.): Friedhelm Klawitter, Lehrer Thomas, Marga Carstensen, Heimke Kraft,<br />

Annelene Kock, Günter Lohmann, Egon Laackmann, Peter Kock, Irmgard Jens,<br />

He/ga Lohmann.<br />

(3. R.): Elke Schellhorn, Monika Lau, Airnut Krumrey, He/ga Carstensen,<br />

Reinhard Jens, Irmgard Springer, Legand, Christa Lohmann, Günter Sattler.<br />

(4. R.): Jürgen Lohmann, Gerhard Schlüter, Reimer Schmidt, Dieter Klawitter,<br />

Helmut Dittmann, Klaus Franzenburg, H. G. Bader, Eggert Schmidt.<br />

Abb. 138: Die<br />

Fotografie stammt<br />

vermutlich aus<br />

dem Jahre 1953<br />

zur Verabschiedung<br />

von Lehrer<br />

Thomas.<br />

So stellt sich das Schulwesen des<br />

19. Jahrhunderts zumindest nach<br />

den Verordnungen sehr fortschrittlich<br />

dar. Das dies aber weit von der<br />

Realität abweicht, verdeutlicht die<br />

Beschreibung des Lehrerdaseins in<br />

den Landgemeinden damaliger Zeit:<br />

In der Hierarchie gleichgestellt mit<br />

einem Knecht, wenn nicht sogar<br />

niederen Ranges, hatten die Lehrer<br />

in der Regel keine festen Einkünfte.<br />

Sie wurden zum Herbst hin eingestellt<br />

und unterrichteten in den<br />

Wintermonaten die Kinder der<br />

Schulgemeinde. Dafür erhielten sie<br />

von den Eltern pro Kind ein gewisses<br />

Entgelt, den sogenannten Schulschilling.<br />

Die Höhe des Schulgeldes<br />

war nach der erbrachten Leistung<br />

gestaffelt. So ,kostete' der Religionsund<br />

Leseunterricht jeweils 1 Schilling<br />

wöchentlich. Wurde zusätzlich<br />

Schreiben unterrichtet, waren 1 1 /z<br />

Schilling zu begleichen. Ist zugleich<br />

Rechnen unterrichtet worden,<br />

erhöhte dies den Beitrag auf zwei<br />

Schilling pro Woche. 84 Da dieser<br />

Schulschilling aber nur beglichen<br />

werden musste, wenn das Kind<br />

auch tatsächlich am Unterricht teilnahm,<br />

waren die Einkünfte recht<br />

instabil. Hinzu kamen die Freistel-


.ß~®... .. ................. .......... ............................ .. ......... .. .... .. .. ....... ........... ... .. ....... .. .. .... ....................... ...... S.9~J.}1G.t;:.~~m~.lf.f.~ .<br />

Wenn Hausschlachtung<br />

war,<br />

ging ein gutes<br />

Stück Fleisch<br />

immer an den<br />

Dorjlehrer. Im<br />

Volksmund nannte<br />

man dieses Stück<br />

auch 'Schulmeisterstück'.<br />

Nach<br />

Aussage von Horst<br />

Reese handelte es<br />

sich dabei um das<br />

Kammstück<br />

(unterer Teil vom<br />

Nacken beim<br />

Rind).<br />

Abb. I 39: Nachdem<br />

die alte<br />

Schule in Achterhörn<br />

während des<br />

I. Weltkrieges abgebrannt<br />

war,<br />

wurden die Schüler<br />

6 Jahre lang in<br />

einem notdürftig<br />

hergerichteten<br />

Kuhstall unterrichtet.<br />

Zur Verbesserung<br />

der<br />

Unterrichtssituation<br />

erwarb der<br />

Gesamtschulverband<br />

eine ehemalige<br />

Gastwirtschaft<br />

in Aebtissinwisch<br />

(Dorfstraße 1) und<br />

baute sie entsprechend<br />

um.<br />

Als 1955 das neue<br />

Schulhaus fertiggestellt<br />

war, erwarb<br />

Johannes<br />

Looft das baufällige<br />

Gebäude fiir<br />

7.000DM<br />

lungen in den Sommermonaten, die<br />

schlimmstenfalls dazu führten, dass<br />

der Lehrer die Schule während<br />

dieser Zeit schließen musste, um<br />

seinen Lebensunterhalt als Handwerker<br />

oder Erntehelfer zu verdienen.<br />

Um die Schulausfälle aufgrund<br />

von Kälteperioden in den Wintermonaten<br />

möglichst gering zu halten,<br />

wurde den Lehrern ein Feuerungsgeld<br />

zugesichert, um das Schulzimmer<br />

beheizen zu können. Des<br />

Weiteren standen dem Lehrer Naturalleistungen<br />

wie etwa freies Wohnen<br />

im Schulhaus, Roggen-,<br />

Weizen-, Wurst- und Brotlieferungen<br />

sowie ein Kohlgarten und ein<br />

kleines Stück Land zur eigenen Bewirtschaftung<br />

zur Verfügung. Waren<br />

die Lehrer unverheiratet, so gingen<br />

sie mittags bei den Bauern abwechselnd<br />

zu Tisch. All diese Leistungen<br />

fielen je nach Beliebtheit des Lehrers<br />

unterschiedlich aus. Da es<br />

damals noch keinerlei soziale Absieherungen<br />

gab, arbeiteten die Lehrer,<br />

so lange es ihnen gesundheitlich<br />

möglich war. Danach waren<br />

sie auf die Mildtätigkeit der Gemeinde<br />

angewiesen. Pastor Höfer<br />

(1733-1748 Hauptpastor in Wilster)<br />

kommentiert in einem Bericht von<br />

1738, dass es kein Wunder sei, "daß<br />

kein tüchtiger Mann sich dazu<br />

bequemt, Schularbeit zu übernehmen."<br />

85 Dies änderte sich erst mit<br />

dem ,Schulregulativ für die Propstei<br />

Münsterdorf vom 9. März 1812',<br />

wonach "mit der Entrichtung des<br />

Schulschillings, dieses ,dämonischen<br />

Plagegeistes und Zerstörers des<br />

Lehrerglücks', ein für allemal gebrochen"<br />

86 und den Lehrern eine Daueranstellung<br />

mit festem Gehalt in<br />

Form von Bargeld und Naturalien<br />

zugesprochen wurde.<br />

Der Staat zeigte sich also mehr und<br />

mehr für das Schulwesen verantwortlich.<br />

Aber bis 1872 waren die<br />

Schulen immer noch der Kirche<br />

unterstellt. Auch nachdem die<br />

geistliche Schulaufsicht offiziell<br />

aufgehoben war, fanden die Schulprüfungen<br />

(zum Abschluss eines<br />

jeden Schuljahres) noch lange Zeit<br />

unter Anleitung des Pastors statt.<br />

Hierbei wurde unter Anwesenheit<br />

interessierter Eltern die Schulklasse<br />

in den verschiedenen Fächern abge-


.f?.9:U.J.gi"'.5.Q:UQP.1 ......................................................................................................................................................................... D..~.<br />

fragt, wobei auf Religion ein besonderes<br />

Schwergewicht lag. Da es<br />

damals noch keine Schulzeugnisse<br />

gab, wurden auf diese Weise die<br />

Lernfortschritte der einzelnen Schüler<br />

überprüft. Gleichzeitig konnte so<br />

das Lehrvermögen des Lehrers<br />

kontrolliert werden. Der Schulbesuch<br />

selbst endete in der Regel mit<br />

der Konfirmation.<br />

Mit dem Volkschulunterhaltungsgesetz<br />

vom 28. März 1906 wurden die<br />

bisherigen Schulgemeinden (Neuendorf,<br />

Hackeboe, Sachsenbande,<br />

Averfleth und Achterhörn) aufgelöst<br />

und deren Schullasten auf die politischen<br />

Gemeinden übertragen. Die<br />

betreffenden Gemeinden Neuendorf,<br />

Sachsenbande und Aebtissinwisch<br />

schlossen sich zum 1. April 1908 im<br />

Gesamtschulverband Neuendorf­<br />

Sachsenbande-Aebtissinwisch<br />

zusammen, um gemeinsam der<br />

Unterhaltungspflicht nachzukommen.<br />

Für Gastschüler benachbarter<br />

Gemeinden wurde ein Fremdschulgeld<br />

in Höhe von 45 Mark je Kind<br />

erhoben.<br />

Während der beiden Weltkriege<br />

konnte der Unterricht zum Teil nur<br />

stark eingeschränkt abgehalten<br />

werden. Die männlichen Einwohner<br />

der Gemeinde, sowohl Lehrer als<br />

auch Väter und Brüder wurden zum<br />

Militärdienst einberufen. Kinder<br />

mussten die fehlenden Arbeitskräfte<br />

auf den Höfen ersetzen und kamen<br />

nur noch unregelmäßig zur Schule.<br />

Stellenweise mussten die Schulen<br />

in den Wintermonaten während<br />

besonders strenger Frostperioden<br />

geschlossen werden, weil nicht genügend<br />

Kohlen zum Heizen herbeigeschafft<br />

werden konnten. Einzelne<br />

Schulen wurden zeitweise geschlossen,<br />

weil keine Lehrkraft zur Verfügung<br />

stand. Benachbarte Schulen<br />

mussten zusätzliche Schulkinder<br />

aufnehmen. Fliegeralarm und Luftangriffe<br />

gegen Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges unterbrachen bisweilen<br />

den ohnehin unzureichenden<br />

Unterricht.<br />

Nach Kriegsende blieben auf Befehl<br />

der Militärregierung zunächst sämtliche<br />

Schulen geschlossen. Lehrer<br />

wurden auf ihre politische Einstellung<br />

und nationalistische Vergangenheit<br />

überprüft und aus dem<br />

Abb. 140: (Dorf<br />

straße 8) 1955<br />

war das neue<br />

Schulhaus der<br />

Schule Aebtissinwisch<br />

erst fertig<br />

gestellt worden<br />

und schon 15<br />

Jahre später<br />

wurde der Schulbetrieb<br />

for immer<br />

eingestellt. 1973<br />

erwarb der Architekt<br />

Heiko Sörensen<br />

aus Itzehoe<br />

das Schulgrundstückfor<br />

100.000<br />

DM 99 Heute ist<br />

in dem Gebäude<br />

eine Heil- und<br />

Sonderpädagogische<br />

Wohnstätte<br />

für Behinderte<br />

untergebracht.


.1li:§.@ .. ................................................................ .................................................................................. .................... S9:~!.J1G.Ii.~.Q:~!~Jn:!l.<br />

Abb. 141 : Knapp<br />

ein halbes Jahrhundert<br />

war<br />

Lehrer Herzberg<br />

an der Schule in<br />

Averjleth tätig,<br />

hier zusammen mit<br />

seinen Schülern im<br />

Jahre 1889.<br />

Schulbetrieb entlassen, Schulbücher<br />

mit nationalsozialistischen<br />

Inhalten durften nicht mehr benutzt<br />

werden. Doch schon im Herbst<br />

konnten viele Schulen ihren Betrieb<br />

wieder aufnehmen.<br />

Durch die Flüchtlingsströme der<br />

darauffolgenden Jahre mussten die<br />

Schulen zeitweilig die fünffache<br />

Schülerzahl verkraften. Die ständige<br />

Fluktuation - Flüchtlingskinder<br />

kamen und gingen - belastete die<br />

ohnehin schon katastrophale Unterrichtssituation<br />

zusätzlich. Es fehlte<br />

an allem: Schulmaterialien, Tische,<br />

Bänke, Räume und Lehrkräften. Um<br />

wenigstens einen halbwegs geregelten<br />

Unterricht zu gewährleisten,<br />

unterrichteten die Lehrer im 3-Tage­<br />

Rhythmus bzw. im Schichtunterricht.<br />

Ältere Schüler übernahmen<br />

die Betreuung der Erst- und Zweitklässler.<br />

Die Situation entspannte sich erst<br />

allmählich nach der Währungsreform<br />

1948. Die wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse stabilisierten sich und<br />

nach und nach wanderten die<br />

Flüchtlingsfamilien in andere<br />

Gebiete Deutschlands ab. Die Schülerzahlen<br />

sanken bis Anfang der<br />

50er Jahre auf Vorkriegsstände. Die<br />

Schulmaterialien wie Schreibhefte<br />

und dergleichen waren wieder<br />

reichlich vorhanden. Der Unterricht<br />

fand wieder sechsstündig statt und<br />

die Unterrichtsfächer wurden vielfältiger.<br />

Seit 1948 ist Englisch ab<br />

dem 5. Schuljahr Pflichtfach und<br />

die Schulzeit wurde auf 9 Schuljahre<br />

ausgedehnt. Per Erlass des<br />

Kultusministers 87 wurde der Beginn<br />

des Schuljahres 1967/68 vom<br />

1. April auf den 1. August verlegt.<br />

Die Umstellung geschah über zwei<br />

Kurzschuljahre.<br />

Bereits Anfang der 60er Jahre wurde<br />

erstmals über den Zusammenschluss<br />

der Schulverbände diskutiert<br />

und in dem Zusammenhang<br />

über die Gründung eines Schulzentrums<br />

in Wilster nachgedacht. Während<br />

dies zu Beginn noch allgemein<br />

abgelehnt wurde, nahm der Plan<br />

Mitte bis Ende der 60er immer<br />

konkretere Formen an. Die Gemeinden<br />

Neuendorf, Sachsenbande,


.S.ql p!-:~~-~-~-q~~Q:tJ:~ ... ................................ ............................................... .. ... .. .. .... .......... .. ............. .. ................... ............................. ll (~ .<br />

Aebtissinwisch, Ecklak, Nortorf,<br />

Landscheide und Kudensee verständigten<br />

sich darauf, am Stadtrand<br />

von Wilster eine Dörfer-Gemeinschaftsschule<br />

zu errichten. Anfang<br />

der 70er Jahre war das Schulzentrum<br />

in Wilster mit Haupt- und<br />

Realschule fertig gestellt worden. Im<br />

Gegenzug wurden die bisherigen<br />

Volksschulen geschlossen. Im Sommer<br />

1970 stellten die einklassigen<br />

Dörfern der Wilstermarsch nach<br />

Wilster befördert.<br />

Nachdem alle Schulhäuser des<br />

Gesamtschulverbandes Neuendorf­<br />

Sachsenbande-Aebtissinwisch<br />

veräußert waren, wurde der Gesamtschulverband<br />

zum 31. Dezember<br />

1973 aufgelöst. Seine Aufgaben<br />

hatte der Schulverband Wilstermarsch<br />

übernommen.<br />

Schulen Aebtissinwisch, Yarder­<br />

Neuendarf und Sachsenbande ihren<br />

Schulbetrieb ein. Die 54 Kinder der<br />

drei vorgenannten Schulen gingen<br />

fortan in Wilster zur Schule. Die<br />

einklassige Schule in Averfleth<br />

folgte im Sommer 1972. Die Hackeboer<br />

Schule hatte bereits 1960 ihre<br />

Pforten geschlossen.<br />

Bis dahin hatten sich die Schulen<br />

quasi in der Nachbarschaft befunden<br />

und konnten zu Fuß bzw. mit<br />

dem Fahrrad erreicht werden, nun<br />

musste für den teilweise doch erheblich<br />

weiteren Schulweg ein<br />

Schülertransport organisiert werden.<br />

Seitdem werden die Schüler mit<br />

Schulbussen und öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

aus den entlegenen<br />

SCHULDISTRIKT<br />

AcHTERHÖRN 88<br />

Einst gingen die Kinder aus Aebtissinwisch,<br />

Achterhörn, Stadtmoor<br />

und Obersten Wehr in Achterhörn<br />

zur Schule. Auf dem Audeich stand<br />

ein altes Haus, in dem die Kinder<br />

unterrichtet wurden. 1840 wurde<br />

ein neues Schulgebäude errichtet. Es<br />

befand sich in direkter Nachbarschaft<br />

zum Bauernhaus der Familie<br />

Schlüter, heute Thiessen. Doch<br />

bereits zur Jahrhundertwende wies<br />

die Gebäudesubstanz erhebliche<br />

Mängel auf, so dass der damals<br />

zuständige Gesamtschulverband<br />

Neuendorf-Sachsenbande-Aebtissinwisch<br />

1910 den Neubau beantragte.<br />

Abb. 142: Lehrer<br />

Rieken trat ein<br />

schweres Erbe an,<br />

als er die Averflether<br />

Schule 1897<br />

von seinem im<br />

Dorf allseits<br />

beliebten Vorgänger,<br />

Lehrer Herzberg,<br />

übernahm,<br />

doch mit 32 Jahren<br />

verweilte er<br />

ebenfalls eine sehr<br />

lange Zeit in<br />

Averfleth. Hier<br />

zusammen mit<br />

seinen Schülerinnen<br />

und Schülern<br />

vor dem Schulgebäude<br />

zur Jahrhundertwende.


.ß®.~ ............. .. ..... .......... .. .. .......... ................... ............. .............................. ............ ... ........ .......... S.P:!!-. 1 WP~IW.~J.A.(.~!J.m~.!(~~iS.<br />

der nächsten drei Jahrzehnte wurden<br />

die Schülerinnen und Schüler<br />

aus Achterhörn und Aebtissinwisch<br />

dort unterrichtet. Doch auch dieses<br />

Gebäude verfiel zusehends. Auf<br />

Drängen des damaligen Lehrers<br />

Thomas wurde 1952 ein Schulneubau<br />

bewilligt und 1955 konnte die<br />

neue Schule (Aebtissinwisch, Dorfstraße<br />

8) eingeweiht werden. Irrfolge<br />

der Neuordnung des Schulwesens<br />

in der Wilstermarsch wurde diese<br />

im Sommer 1970 geschlossen.<br />

Abb. 143: Die<br />

Averjlether Schulklasse<br />

1927 mit<br />

Lehrer Rieken an<br />

der Wilster-Au.<br />

" Die Schulkinder<br />

der hiesigen<br />

einklassigen<br />

Schule sind seit<br />

einigen Tagen in<br />

den Ausstand<br />

getreten und<br />

weigern sich<br />

energisch, die<br />

Schule zu besuchen.<br />

Aus welchem<br />

Grunde diese<br />

Weigerung<br />

geschieht und ob<br />

dem dort amtierenden<br />

Lehrer eine<br />

Schuld zugesprochen<br />

werden kann,<br />

wird die nähere<br />

Untersuchung<br />

dieses modernen<br />

Streiks beweisen. "<br />

Zeitungsausschnitt<br />

vom 25. Oktober<br />

1921 inderAebtissinwischer<br />

Schulchronik. 100<br />

Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt.<br />

1916 brannte das Gebäude<br />

dann aufgrund eines schadhaften<br />

Schornsteins vollständig nieder. Es<br />

war die Zeit des Ersten Weltkriegs<br />

und der Unterricht war ohnehin<br />

schon sehr eingeschränkt. Obendrein<br />

stand die Schule Achterhörn<br />

nunmehr ohne Unterrichtsraum da.<br />

Auf Anordnung der Behörde gingen<br />

die Kinder aus Achterhörn fortan<br />

drei Tagen die Woche nach Sachsenbande<br />

zur Schule. Die verbliebenen<br />

Kinder wurden dreimal<br />

wöchentlich von Lehrer Christiansen<br />

aus Ecklak unterrichtet. Inzwischen<br />

wurde ein Kuhstall notdürftig<br />

zum Klassenzimmer umfunktioniert.<br />

Nach Kriegsende wurde dieses Provisorium<br />

weiter aufrechterhalten.<br />

Erst ein Streik der Schüler und ein<br />

Bittbrief der Eltern aus dem Jahre<br />

1921, in dem die unzumutbare<br />

Unterrichtssituation beschrieben<br />

wird, beendete diese kaum vorstellbaren<br />

Zustände. Der Schulverband<br />

erwarb den ehemalige Gasthof ,Zur<br />

Linde' in Aebtissinwisch (Dorfstraße<br />

1) und baute ihn den Schulerfordernissen<br />

entsprechend um. Innerhalb<br />

Lehrer der Schule Achterhörn/­<br />

Aebtissinwisch.101<br />

Zeitraum Lehrer<br />

1874 Lehrer Westphalen<br />

1890-1904 Lehrer vo n Pein<br />

1904-1910 Lehrer Dusch<br />

1910-1915 Johann Brande<br />

1915-1919 Wilhelm Schwember<br />

1919-1921 Manin Reineke<br />

1921-1923 Lehrer F reese<br />

1923-1929 Lehrer Böttcher<br />

1929-1934 Walcer Käsmer<br />

1934-1939 H einrich Brütt<br />

1945-1946 Franz Spiegel<br />

1946-1949 Heinrich Brütt<br />

1949-1953 Lehrer Thomas<br />

1953-1970 Hans Kleinau<br />

..... .. .... ... .... .............. .. ........................ ... ...........


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SCHULUNTERlUCHT IN<br />

......... P.~.~ .... ~. Q~~ .. J~.~~ ·········<br />

Schon früh morgens um 8 Uhr - in<br />

den Sommermonaten bereits um 7<br />

Uhr- begann der Schulunterricht<br />

mit Singen und Beten. Richard<br />

Meiforth, der von 1924 bis 1933 die<br />

Schule in Averfleth besuchte, hatte<br />

anfangs noch Ganztagsunterricht,<br />

d.h. morgens von 8 bis 11 Uhr und<br />

nachmittags von 13 bis 16 Uhr.<br />

Später ist dies auf Vormittagsunterricht<br />

abgewandelt worden (7 bis 12<br />

Uhr). Von montags bis samstags<br />

wurde an sechs Tagen in der Woche<br />

unterrichtet. Eine Schulstunde<br />

dauerte damals 60 Minuten und<br />

nicht wie heute 45 Minuten. Zwischen<br />

den Stunden war jeweils eine<br />

zehnminütige Pause. Die Frühstückspause<br />

um 9 Uhr war entsprechend<br />

länger. Ein Schuljahr war in<br />

Sommer- (April bis September) und<br />

Winterhalbjahr (Oktober bis März)<br />

untergliedert. Die Ferien orientierten<br />

sich am Arbeitsanfall in der<br />

Landwirtschaft. So gab es die Heuferien<br />

(2 Wochen Ende Juni), Sommerferien<br />

(3 bis 4 Wochen im<br />

August/September), Kartoffelferien<br />

(im Herbst), Weihnachtsferien (2<br />

Wochen) und zum Schulabschluss<br />

die Osterferien. Wenn auf dem Hof<br />

eine helfende Hand benötigt wurde,<br />

konnten die Eltern ihr Kind vom<br />

Unterricht freistellen lassen. Die<br />

Schulpflicht für Jungen betrug 9<br />

Jahre, für Mädchen lediglich 8<br />

Jahre. Die Schulentlassung ging einher<br />

mit der Konfirmation. Nur wenige<br />

Tage bevor die Jungen und<br />

Mädchen in Wilster konfirmiert<br />

wurden, erhielten sie ihr Entlassungszeugnis.<br />

Halbjahres- oder<br />

Versetzungszeugnisse wie sie heute<br />

üblich sind, gab es damals noch<br />

nicht. Die Leistungen der Schüler<br />

und des Lehrers wurden durch die<br />

jährlich stattfindende Schulprüfung<br />

kontrolliert. Zu dieser Schulprüfung<br />

waren alle Eltern eingeladen, um<br />

sich einen Überblick von dem zu<br />

verschaffen, was ihre Kinder im<br />

vergangenen Schuljahr gelernt<br />

hatten.<br />

Der Schulunterricht begann jeden<br />

Morgen zunächst mit einem Gebet<br />

und Gesang, wozu sich die Schüler<br />

von ihren Plätzen erhoben. Anschließend<br />

folgte in der ersten<br />

Stunde grundsätzlich Religionsunterricht.<br />

Weitere Fächer waren<br />

Deutsch, Rechnen, Erdkunde,<br />

Naturlehre (Physik), Naturkunde,<br />

Sport, Zeichnen und einmal die<br />

Woche Schönschreiben.<br />

"Der bauliche<br />

Zustand des alten<br />

Klassenzimmers<br />

ist nach dem<br />

letzten Winter<br />

noch (schneller)<br />

schlechter geworden.<br />

Während des<br />

Unterrichtsfiel ein<br />

etwa 112 qm<br />

großes Stück der<br />

Gipsdecke ab,<br />

ohne aber dabei<br />

ein Kind zu verletzen.<br />

ui02<br />

Hieran konnte sich<br />

noch Klaus Franzenburgaus<br />

Achterhörn erinnern:<br />

In der ersten<br />

Schulstunde, die<br />

Erstklässler waren<br />

noch nicht in der<br />

Schule, stürzte im<br />

Juni 1955 ein Teil<br />

der Zimmerdecke<br />

auf die Tische und<br />

Bänke in der<br />

ersten Reihe. Zu<br />

dem Zeitpunkt<br />

hatte man bereits<br />

mit dem Bau des<br />

neuen Schulgebäudes<br />

in Aebtissinwisch<br />

begonnen.<br />

Das Klassenzimmer<br />

musste<br />

geschlossen werden<br />

und bis zur<br />

Fertigstellung des<br />

neuen Schulgebäudes<br />

wurden die<br />

Schüler und Schülerinnen<br />

in der<br />

Lehrer-Dienstwohnung<br />

unterrichtet.<br />

Abb. 144: Schule<br />

Averfleth im Jahr<br />

1950 zusammen<br />

mit Lehrer Nestler.


lV.~cD ...... .............. .................... .. .. ................................ ........ .... ...... ... .. .... ............ S.qnJ,~ : ~Im~.J,w;;ur .. ~N.P.~iN .. ~Q~~J t\U.m!.rs .<br />

"Nach dem<br />

Bericht unserer<br />

Kommission über<br />

die Revision der<br />

Schule zu Averjleth<br />

ist dem<br />

Lehrer Herzberg<br />

wohl anzuerkennen,<br />

daß er mit<br />

vielem Eifer<br />

arbeitet, aber bei<br />

dem in vielen<br />

Stücken mangelhaften<br />

Leistungen<br />

der Schulkinder<br />

kann der Erfolg<br />

seiner Tätigkeit<br />

als völlig genügender<br />

nicht<br />

bezeichnet werden.<br />

Der Lehrer beschäftigt<br />

sich eingehend<br />

nur mit<br />

den fünf besten<br />

Mädchen der<br />

obersten Abteilung.<br />

" Schulprüfungsbericht<br />

vom<br />

14. Mai 1888. 103<br />

Abb. 145: Zum<br />

Abschied von der<br />

Averjlether Schule<br />

im Sommer 1972<br />

zusammen mit<br />

Lehrer Witt.<br />

Als einklassige Schule wurden die<br />

20 bis 40 Schüler unterschiedlicher<br />

Jahrgangsstufen zusammen in<br />

einem Raum von lediglich einem<br />

Lehrer unterrichtet. Diese Konstellation<br />

verlangte vom Lehrer Grundlagenwissen<br />

in allen Fächern, d. h.<br />

er musste alle Fächer, sei es Erdkunde,<br />

Rechnen, Biologie oder Deutsch<br />

unterrichten können. Da immer nur<br />

wenige Schüler (3-4) in einem Jahrgang<br />

waren, wurden diese in Unter-,<br />

Mittel- und Oberstufe zusammengefasst<br />

und gemeinsam unterrichtet.<br />

Daraus leitete sich ein Unterrichtszyklus<br />

von etwa 3 Jahren ab. Die<br />

Sitzplatzverteilung ergab sich aus<br />

der Jahrgangszugehörigkeit; die<br />

jüngsten Schüler saßen vorn in der<br />

ersten Reihe und die ältesten Schüler<br />

saßen in der letzenReihe hinten.<br />

Während sich der Lehrer mit einer<br />

Stufe beschäftigte, wurden den<br />

übrigen Schülern Stillaufgaben<br />

gestellt. Zum Teil mussten die älteren<br />

Schüler die jüngeren beaufsichtigen<br />

bzw. Schönschrift mit ihnen<br />

üben. Den Sportunterricht und die<br />

Pausen verbrachten jedoch alle<br />

Schüler wieder gemeinsam und<br />

spielten Völkerball.<br />

Aus DER ScHUL­<br />

CHRONIK A VERFLETH<br />

Dieser Auszug aus der Schulchronik<br />

Averfleth entstand im Rahmen einer<br />

Heimatkundesarbeit des 9. Schuljahres<br />

unter der Anleitung des damaligen<br />

Lehrers Kurt Gerber.<br />

Demnach schlossen Geesche Thomsen<br />

und der Schulhauptmann Peter<br />

Egge 1743 einen ,Hauskaufkontrakt'.<br />

Schon zuvor war in den Elternhäusern<br />

der Schüler unterrichtet worden.<br />

Das Haus kostete 1010 lübische<br />

Mark. Zu diesem Kauf lieh<br />

sich Peter Egge 300 Mark von Pastor<br />

Höferaus Wilster und 25 Jahre<br />

später weitere 300 Mark von Max<br />

Rühmann aus Sachsenbande. Das<br />

Haus war etwa 7x7 Meter lang wie<br />

breit. Es hatte ein Strohdach. Zum<br />

Haus gehörten 1 1 /z Hektar Land. Der<br />

Klassenraum war 20 Quadratmeter<br />

groß. Im Haus waren des Weiteren<br />

eine Stube, eine Küche, Diele,<br />

Schulkorridor und zu beiden Seiten<br />

der Diele die Ställe untergebracht.<br />

Die Stube war vermietet. Deshalb<br />

musste der Lehrer im Klassenraum<br />

wohnen und in einem Alkoven


. S.~':!PP.~. AY.P~f!K.O~ ........................................................................................................................................................................ a(*1.<br />

(Bettnische) im Klassenzimmer<br />

schlafen.<br />

An einem Maitag rief der Hauptmann<br />

alle Eltern zusammen, um zu<br />

beratschlagen, was an dem Schulhaus<br />

gemacht werden sollte. Die<br />

Arbeiten mussten bis zum Bartholomäustag<br />

im Oktober fertiggestellt<br />

sein. 1842 wurde quer zum Hinterbau<br />

ein Anbau errichtet. Gleichzeitig<br />

wurde der gesamte Hinterbau<br />

umgebaut. Die Diele und auch alle<br />

Ställe wurden größer, die Küche<br />

wurde in den Hinterbau verlegt.<br />

1897 wurde auf dem Hof ein Stall<br />

gebaut. Er war hoch und so konnte<br />

auf dem Boden Futter für das Vieh<br />

untergebracht werden. zwei Kühe,<br />

ein Schwein und mehrere Hühner<br />

hatten darin Platz. Wenn die Schule<br />

Feuerung bekam, luden die Schuljungen<br />

den Torf auf der Diele ab.<br />

Neben der Küche war bis 1955 noch<br />

ein Torfschacht 1898 wurde das<br />

Reetdach vom Hinterbau abgerissen<br />

und mit Schiefer gedeckt. Auf dem<br />

Boden wurden zusätzlich zwei<br />

Stuben ausgebaut. Im Zuge der<br />

Umbaumaßnahmen wurde der<br />

ganze Hinterbau umgestaltet. Es<br />

waren eine große Stube, eine gewöhnliche<br />

Stube, eine Küche, ein<br />

Flur und ein Schulflur eingerichtet<br />

worden. Auf dem Hof neben dem<br />

Haus wurde eine Waschküche gebaut.<br />

Vor dem 2. Weltkrieg ist der<br />

Stall unter den Herbststürmen zusammengebrochen.<br />

Deshalb wurden<br />

an die Waschküche ein zweiter<br />

großer Stall und zugleich Kohlenschuppen<br />

mit Garage angebaut. Als<br />

die Schule 1972 geschlossen wurde,<br />

erwarb Familie Svoboda das Schulgrundstück<br />

für 60.000 DM und<br />

fntlnffungß3eugni~ ·<br />

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Abb. 147: Die<br />

Vorderansicht des<br />

Averflether Schulhauses<br />

mit Lehrer<br />

Riecken, ca. 1915.<br />

"Schoolprüfung.<br />

Schoolinspekter<br />

weer Hauptpastoor<br />

Dickhuus ut<br />

Wilster. De<br />

Schoolinspekter<br />

examenert mit de<br />

Kinner un Lehrer<br />

Herzberg lehnt sik<br />

an 1 Pullt und hör<br />

to. Na en Frag<br />

vun den Pastoor<br />

de unbeantwoort<br />

blifft, stellt sik de<br />

Lehrer vör den<br />

Pastor hin un<br />

seggt: " Herr<br />

Pastor, das wissen<br />

die Kinder nicht,<br />

das weiß ich auch<br />

nicht! " Darmit<br />

wull he seggn,<br />

wenn du Fragen<br />

stelln wullt, denn<br />

stell se so, dat se<br />

ok to beantwoortden<br />

sünd. " Von<br />

Wilhelm Nagel.<br />

SCHULE IIACKEBOE<br />

Mit dem ,Regulativ für die sämtlichen<br />

Landschulen der Propstei<br />

Münsterdorf vom 9. März 1812'<br />

wurde die Hackeboer Schule zur<br />

Distriktschule erklärt. Daraufhin<br />

wurde Klein Hackeboe - politisch<br />

zur Landgemeinde Landrecht gehörig-<br />

in die Schulgemeinde Hackeboe<br />

eingegliedert. Doch damit<br />

wurde der Raum der alten Schule<br />

zu klein, weshalb 1816 der Bau<br />

eines neuen Schulgebäudes<br />

beschlossen wurde. Zuvor befand<br />

sich die Schule in einer kleinen<br />

Kate von J. Becker, die bereits in<br />

einem Bericht des Pastors Höfer<br />

(1733-1748 Hauptpastor in Wilster)<br />

über die Landschulen des Kirchspiels<br />

Wilster erwähnt wird.<br />

Der Schuldistrikt umfasste Groß<br />

Hackeboe, Klein Hackeboe, Goldbogen<br />

und Hove. 1896 wurde der<br />

größte Teil von Klein Hackeboe in<br />

die Stadt Wilster eingemeindet<br />

(Neue Burger Straße) und somit<br />

wurden auch die Kinder aus diesem<br />

Ortsteil nach Wilster umgeschult.<br />

Aufgrund der geringen Schülerzahl<br />

hatte man die Schule bereits<br />

1958/59 aufgeben wollen. Jedoch<br />

auf Protest einiger Eltern ließ man<br />

die Schule ein weiteres Jahr bestehen.<br />

Dem damaligen Schullehrer<br />

Max Kiupel musste die Landesregierung<br />

extra ein weiteres Dienstjahr<br />

genehmigen, da er bereits im Frühjahr<br />

1959 das 65. Lebensjahr<br />

erreicht hatte und eigentlich in<br />

Lehrer der Schule Hackboe. 105<br />

Zeitraum<br />

-1865<br />

1865-1884<br />

1884-1886<br />

1886-1893<br />

1893-1898<br />

1899-1906<br />

1906-1936<br />

1936-1939<br />

1945-1946<br />

1946-1960<br />

1947-1952<br />

Lehrer<br />

Lehrer Peters<br />

Lehrer Voß<br />

Lehrer Möller<br />

Lehrer Holm<br />

Lehrer Wischmann<br />

Lehrer Nerdhardt (?)<br />

Lehrer Poppe<br />

LehrerSuhr<br />

W Thormählen<br />

Lehrer Sierk<br />

W Koopmann<br />

Lehrer Grünberg<br />

Lehrer Siemsen<br />

Frl. Gutenschwager<br />

Max Kiupel<br />

Margarete Saalfeldt


. ~.f:HrM~. J:h(-~.~9.~ ....................................................................................................................................................................... il.W .<br />

Abb. 148: Heutzutage<br />

bewohnt die<br />

Familie Svoboda<br />

das einstige Averjlether<br />

Schulhaus<br />

(Averjleth 9).<br />

Pension hätte gehen sollen. 1960<br />

wurde die Schule dann endgültig<br />

geschlossen. Die Schüler gingen<br />

fortan nach Wilster bzw. nach Vorder-Neuendorf<br />

zur Schule. Das<br />

Klassenzimmer wurde zur Wohnung<br />

umgebaut und vermietet. 1973<br />

wurde die Schule für 50.000 DM an<br />

Privat verkauft.<br />

PROTOKOLLBUCH DER<br />

SCHULKOMMUNE<br />

IIACKEBOE<br />

In der Sammlung von Horst Reese<br />

aus Hackeboe befindet sich ein altes<br />

Protokollbuch, in dem die Einnahmen<br />

und Ausgaben der Schulkommune<br />

Hackeboe in den Jahren 1812<br />

bis 1853 aufgelistet sind. Demnach<br />

Abb. 149: Die<br />

Schule Hackeboe<br />

im Jahre 1897<br />

zusammen mit<br />

Lehrer Sierk. Im<br />

Jahr 1898 beherbergte<br />

diese<br />

Schule 58 Schüler.


.i..Y._~ ~2. ........................ ................................. ....................... .. ... ...... .. .. ............... ......... .. .. ................. ... .. S.f-.I:t.U,f: .. !t. '.\f..!9.'.~0.f: .<br />

Einen Einblick in den Schulstoff zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermittelt ein Lehrbericht der einklassigen<br />

Schule Hackeboe. Exemplarisch wird die Schulwoche 11.-16. Mai 1914 dargestellt. 106<br />

Unterrichtsfächer Unterrichtete Stufen Unterrichtsstoff<br />

- ................................. ......... ............................. .......... .... .......... ....... .......... ....... ..... ............................................................. .........................<br />

Biblische Geschichte, Ober- und Jesu Reden von seinem Hingang zum Vater<br />

Kirchengeschichte Mittelstufe<br />

1-<br />

-<br />

-<br />

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und Bibellesen Unterstufe<br />

--<br />

Himmelfahrt -- -- -- -- --<br />

Katechismus und Philipper 2, 5-11<br />

Bibelspruch<br />

Geistliche Lieder Oberstufe "Zum Himmel bist Du eingegangen" Strophe 3-4<br />

und Gebete<br />

Mittelstufe<br />

- - ---- -- - -<br />

__"Zum Himmel bist Du eil_!g~gangen " StroRhe 3<br />

Lesen Oberstufe "Ein Brand in der Steppe des Mississippi"<br />

Mittelstufe "Der kluge Richter"<br />

--<br />

Sprachlehre Oberstufe Wiederholung des Tätigkeitswortes<br />

Mittelstufe Satzgegenstand ist ein Din~ort _ _ ____ -<br />

Gelernt Oberstufe Fortsetzung von "Erlkönig"<br />

Mittelstufe Das Kind des Steuermanns "<br />

-- -<br />

Schriftliche Arbeit Ober- und Äu - eu Diktat<br />

Mittelsrufe<br />

--- - - - - -- -- - - -- - -<br />

Nach der deutschen Schreibschule<br />

--- -- - - ------ -- -- --<br />

Schönschreiben<br />

Rechnen Stufen I-VI I. Gewinn und Verlust<br />

II. Enthaltensein 1 / 2 von 8 und 6/7 von 25<br />

III. Fortsetzung Multiplizieren<br />

IV. Fortsetzung Malnehmen bis Tausend<br />

V. Wiederholung des Einmaleins<br />

_ __ VI. Zahlenraum von 1 bis 100, reine Zehne_r _<br />

Raumlehre Das Dreieck; Allgemeines _ _ _ _ _ _<br />

-<br />

Zeichnen Nicht erteilt<br />

--- -- - -<br />

Geschichte Ein Sendgrafenbericht (Bild)<br />

--<br />

Geographie Oberstufe Polirische Verhältnisse Nordamerikas<br />

Naturbeschreibung<br />

Naturlehre<br />

Gesang<br />

Turnen<br />

Weibliche<br />

Handarbeiten<br />

Mittelstufe<br />

Nicht erteilt<br />

Nur Mädchen<br />

Die Sonne und die Himmels~enden<br />

Der Weinstock<br />

Der Elektromagnetismus<br />

"0, daß ich rausend Zungen hätte"<br />

Stricken, Nähen, Stopfen, Flicken<br />

bezog der Lehrer- nebst Naturallieferungen-<br />

1812 bereits ein Jahresgehalt<br />

von 150 Mark lübisch. 90 Als<br />

Naturalien standen dem Lehrer<br />

jährlich 8 Fuder Torf, 10 Tonnen<br />

Weizen und 5 Tonnen Roggen zu.<br />

Die Kosten wurden über ein Umlagesystem<br />

von der Schulkommune<br />

getragen. Um das jährliche Gehalt<br />

zu begleichen, musste jedes Haus<br />

pro Quartal eine Abgabe von 1<br />

Mark, 2 Schillingen und 9 Pfennigen<br />

zahlen. Die sonstigen Ausgaben,<br />

zu denen sowohl die Bezahlung der<br />

Naturalien als auch die Instandhaltungskosten<br />

des Schulhauses zählten,<br />

wurden von den Landbesitzern<br />

unter den Schulinteressenten getragen.<br />

Dazu wurde der Wert ihrer<br />

Ländereien ermittelt und halbjährlich<br />

mit Zahlungen von 2 bis 6<br />

Schilling pro 100 Reichstaler<br />

geschätzter Wert der Ländereien<br />

belegt. Die Beträge für das Lehrerge-


.~{!:IU,~ .. tl,~qq~.JN~ ......................................... .............................. ................ ................................................................................. ~J/W,.<br />

halt waren Quartalsweise zu Johannis<br />

(24. Juni), Michaelis (29. September),<br />

Neujahr (1. Januar) und<br />

Ostern fällig. Die Abgaben der<br />

Landbesitzer waren im November<br />

und zu Pfingsten zu entrichten.<br />

Um den Neubau des Schulhauses<br />

im Jahre 1816 zu finanzieren, musste<br />

die Schulkommune einen Betrag<br />

in Höhe von 6200 Mark lübisch<br />

aufnehmen. Dazu wandte sie sich<br />

an vermögende Privatpersonen der<br />

Abb. 150 und 151:<br />

25-jähriges Ortsjubiläums<br />

des<br />

Lehrers Grünberg<br />

1931 im Diickerstieg.<br />

Nachfolger seit<br />

1936 Lehrer<br />

Siemsen (unten).


.ßY.® ......................................................... .............................. ...... .................. ............. .. ......... .......... ............ .... s.~.m ! P~ .. R:\~.~~.~9.f.<br />

Verzeichnis der Interessenten des Hackeboer Schuldistrikts:<br />

Landbesitzer Taxierter Wert Abgaben für das<br />

der Ländereien Schuljahr 1818/ 19<br />

in Reichstalern* in Mark lübisch*<br />

Johann Tiedemann 7. 162,5 31<br />

Johann Thumann 8.025,0 35<br />

dessen Nebenhof 4.050,0 18<br />

Johann Egge 7.950,0 35<br />

Hinrich Boll sen. 3.450,0 15<br />

Engel Meyforth 4.087,5 18<br />

Hinrich Boll jun. 3.987,5 17<br />

Jürgen Mohr 11.550,0 51<br />

Claus Poppe 6.700,0 29<br />

Margretha Bohden 3.287,5 14<br />

Andreas Thoms 7.150,0 31<br />

Peter Maaß 6.962,5 30<br />

Johann Egge 8.787,5 38<br />

Abel Boll 4.487,5 20<br />

Peter Schippmann 4. 537,5 20<br />

Siemen Koll 6.725,0 29<br />

Johann Sehröder 7.950,0 35<br />

Peter Egge für 2 Stellen 7.625,0 33<br />

Hinrich Schippmann 4.375,0 19<br />

Johann Junge 10.462,5 46<br />

Harder Schippmann 4.625,0 20<br />

Hinrich Schwark 275,0 1<br />

Johann Sühl 3.725,0 16<br />

Hinrich Holler 637,5 3<br />

Jürgen Ohrt 1.300,0 6<br />

Gerth Schmidt 3.800,0 17<br />

Peter Feil 8.137,5 36<br />

Hans Tiedemann 10.137,5 44<br />

4 Käthner bzw. nur Wohnhäuser: Johann Voß,<br />

Johann Schade, Johann Egge (Nebengebäude),<br />

Johann Junge (Nebengebäude)<br />

*) Ein Reichstaler entsprach 3 Mark lübisch.<br />

Während vielleicht manch anderer Lehrer an gleicher Stelle<br />

gejubelt hätte, beklagte Lehrer Kiupel (Schule Hackeboe) die<br />

geringe Schülerzahl (24 Schüler) im Jahr /954: " Die Arbeit in<br />

dieser kleinen Klasse ist nicht sehr angenehm, weil diese Schule<br />

durch den Abgang der vielen Kinder zur Mittelschule Wilster<br />

zur Hilftschule geworden ist. " I 07<br />

Umgebung. Gegen einen Wechsel<br />

zeichneten Jacob Garms aus Wilster<br />

2000 Mark lübisch, Joachim Kröger<br />

aus Wilster 1500 Mark und Johann<br />

Egge aus Groß-Hackeboe 2700<br />

Mark. Diese Wechsel wurden<br />

anfangs mit 4 Prozent jährlich verzinst.<br />

Erst im Jahre 1829 wurde<br />

begonnen, die Schulden in Raten<br />

abzutragen. Bis dahin hatten die<br />

Wechsel bereits mehrere Male den<br />

Besitzer gewechselt. Im Jahr 1854<br />

stand die Schulkommune bei Hartwig<br />

Ball von Landrecht mit 1000<br />

Mark in der Schuld.<br />

Schulausgaben der Schulkommune<br />

H ackeboe im Jahr 1835 .<br />

!.'-.~.~S.~~~.~ ........ ...... .......... .. ~.


.~,q,,~.J."!;,.tlt\f-19i.~9.~ ..................................................... .. ... ........................ ............................... ................ ...................................... ll../.1~1<br />

Abb. 152 u. 153: Ober- und Unterstufe der Hackeboer Schule im Jahre 1948. Hauptlehrer war zu der Zeit<br />

Max Kiupel. Er unterrichtete die Oberstufe, während Fr!. Margarete Saalfeldt derweil die Unterstufe<br />

betreute. Von 1947 bis 1952 war sie zu seiner Unterstützung als 2. Lehrkraft an der hiesigen Schule angestellt.<br />

Zu diesem Zwecke wurde 1949 ein zweiter Klassenraum eingerichtet. Während der Flüchtlingshochphase<br />

beherbergte die Hackeboer Schule im Jahre 1947 zeitweise ll8 Kinder.


.ß:Y:2 .. .. .... ........................................................... ................ ............ ............... ................................ .. S.~.m.1 ~J; .. ff.:\~.~-~m; .<br />

Abb. 154: In<br />

diesem alten<br />

Gebäude befand<br />

sich bereits im 18.<br />

Jahrhundert die<br />

erste Hackeboer<br />

Schule. Das Haus<br />

gehörte J. Becker<br />

und wurde 1705<br />

errichtet. Heute<br />

lebt hier die<br />

Familie Mohr..<br />

(Hackeboe 29).<br />

Abb. 155: Diese<br />

Ansicht zeigt die<br />

Hinterfront der<br />

Hackeboer Schule.<br />

Elfriede Reese<br />

erstellte dieses<br />

Bild 1960 im<br />

Rahmen einer<br />

Halbjahresarbeit<br />

für die Schule.<br />

Abb. 156: Die<br />

Vorderansicht der<br />

ehemaligen<br />

Hackeboer Schule.<br />

Heute bewohnt<br />

Familie Steflens<br />

das Anwesen<br />

(Hackeboe 17).


. S.q i r.'-'~ .. S. ;\(H~J:;~~ ~\~P.I.' ........................................................ .................... .. .. ............................................................................... ll.L~ .<br />

ScHULE<br />

SACHSENBANDE<br />

.............................. ........................ .............................<br />

1738 monierte Pastor Höfer (Hauptpastor<br />

in Wilster von 1733-1748) in<br />

einem Bericht über das Schulwesen<br />

im Kirchspiel Wilster, dass das<br />

Schulhaus in Sachsenbande "bald<br />

an dem einen, bald an dem anderen<br />

Orte des Dorfes und also nimmer<br />

beständig ge wesen" 91 sei. Dies sollte<br />

sich bald darauf ändern. 1745 verständigten<br />

sich 32 Interessenten aus<br />

Sachsenbande darauf, auf dem<br />

Grundstück von Marten Lafrenz ein<br />

Schulhaus zu errichten. In dem<br />

nachfolgend wiedergegebenen Wortlaut<br />

des ,Hauervertrages' von 1745<br />

sind die Bedingungen für die Überlassung<br />

des Grundstücks schriftlich<br />

fixiert worden. Demnach wurde<br />

Lafrenz für die Abtretung des<br />

Grundstücks (ca. 1.200 qm) auf die<br />

Dauer von 99 Jahren ein jährlicher<br />

Pachtzins in Höhe von 4 Mark<br />

lübisch zugesprochen:<br />

"Kun d und zu wissen sey hiemit<br />

jedermänniglich, daß am heute<br />

unten gesetzten dato da der Hochfürstl.<br />

H. Cammer-Assor und pro<br />

Lehrer in Sachsenbande 108<br />

...................................................... Zeitraum Lehrer ....................... .......<br />

um 1722 Peter Stockfleth<br />

1745 Lehrer Colls<br />

1793-1 796 Claus Schlüter<br />

1832-1844(?) Jürgen Sachau<br />

1844-1850(?) Lehrer Groth<br />

1850-1887 Martin Rehder<br />

1887-1896 Herrn. Klaus Looft<br />

1896 Friedr. Wilh. Kordt<br />

1896-1911 Herrn. C. Plähn<br />

1911-1913 Johannes Grabener<br />

1913-1915 Kar! Hintmann<br />

1916-1918 Wilhelm Schwember<br />

1918-1922 Kar! Hintmann<br />

1922-1925 Lehrer Wiesner<br />

1923-1923 Vertretung Altenburg<br />

1925-1928 Heinrich Rohweder<br />

1928-1929 Lehrer Rullow<br />

1929-1934 Lehrer Telschow<br />

1934-1937 Hans Brix<br />

1937-1937 Günther Ohl<br />

1937-1945 Paul Drewes<br />

1945-1948 Giesela Haase<br />

1946-1947 Helmut Riemke<br />

1947-1948 Hans Goedke<br />

1948-1953 Hans Kleinau<br />

1948-1950 Lehrer Rühlow<br />

1950-1961 Lehrer Großenbacher<br />

1961-1967 Erich Badtke<br />

1967-1970 Wolfgang B~er<br />

Schülerzahlen<br />

der Schule<br />

Hackeboe. 109<br />

..}~~.. .... ::\~.~~..<br />

1893 64<br />

1898 58<br />

1906 65<br />

1910 62<br />

1915 53<br />

1920 43<br />

1925 47<br />

1929 36<br />

1946 67<br />

1947 118<br />

1949 104<br />

1950 98<br />

1951 81<br />

1952 49<br />

1953 34<br />

1954 24<br />

1955 18<br />

1959 16<br />

Von 1939-/942<br />

gingen die Kinder<br />

in Rumjleth zur<br />

Schule und von<br />

1942 bis 1945<br />

nach Wilster, bz w.<br />

nach Vorder­<br />

Neuendorf<br />

Der Unterricht<br />

wurde während<br />

der Nachkriegszeit<br />

in zwei Schichten,<br />

1947 sogar in 3<br />

Schichten abgehalten.<br />

Abb. 157: Martin<br />

Rehder, Sohn des<br />

Lehrers Rehder,<br />

war ein bekannter<br />

Kunstmaler. Er<br />

fertigte Auftragsarbeiten<br />

fiir verschiedene<br />

Kirchen<br />

der Umgebung.<br />

Dieses Bild zeigt<br />

Lehrer Rehder vor<br />

der Sachsenbander<br />

Schule im<br />

Jahr 1880.


.ßifcD .. .................. .......... ..... ......................... ............................. ... ................... ...................... ...... .. ....... ... S(H~!P:: .. S.i:\ (:.H.~.~.~~,\NP.!;.<br />

A bb. 158: Das<br />

Sachsenbander<br />

Schulhaus im<br />

Jahre 1918.<br />

Schülerzahlen der<br />

Schule Sachsenbande.110<br />

... J.~~r. ...... ~~~.~~ ..<br />

1929 66<br />

1930 55<br />

1941 30<br />

1944 60<br />

1946 146<br />

1947 145<br />

1949 120<br />

1951 102<br />

1953 52<br />

1961 31<br />

1965 31<br />

1968 20<br />

Von den 145<br />

Schulkindern im<br />

Jahre 1947 kamen<br />

94 Kinder aus<br />

Flüchtlingsfamilien.<br />

tempore ambt Schreiber Michgael<br />

Goldheck alhier gegenwärtig gewesen,<br />

in dessen gegenwartein<br />

unwiderruflicher Hauer Contract<br />

geschlossen und vollzogen worden<br />

zwischen den Ehr und Achtbahren<br />

Marten Lafrens mit der unter Hochfürstl.<br />

dH. furisdiction Sachsenbande<br />

einwohnerfolgender gestalt und<br />

also. Es verhäuert der Ehr und Achtbahre<br />

Marten Lafrens für sich und<br />

seinen Erben 28 Creutz Ruhten 7<br />

Fuß 1 Fingerbreit Landes . worauf<br />

daß Schulhauß Stehen soll an obbemelte<br />

Sachsenbander einwohner<br />

also daß sie ihm Jährlich sollen<br />

geben für jede Creutz Ruhte 2 ßl<br />

[Schilling lübisch] 3 Pf ist Jährlich<br />

4 Mi [Mark lübisch] in guten gangbohren<br />

Gelde, und zwahr 1744<br />

Maytag vor ein Halb fahr zum ersten<br />

mahl und so ferner alle fahr die 4<br />

Mi Grundhauer an wollgemelten<br />

Besitzer des Hoves oder deßen Erben<br />

richtig erlegen und zu Bezahlen<br />

Schuldig und gehalten Sein sollen<br />

und Wollen, auch sollen nach Land<br />

und Marschrecht die Interessenten<br />

den halben Graben mit dabey Behalten<br />

und zur Helfte mit Kleyen Laßen.<br />

Zu mehrer versicherung und Bekreftigung<br />

haben VVI'r Beyderseits Cantrahenten<br />

diesen hauer Contract voll<br />

wißentlich selbst Eigehändig unter<br />

geschrieben. So geschehen Sachsenbande<br />

d. 20. April Anno 1745. 'm<br />

Nachstehend die 32 Interessenten,<br />

deren Unterschriften der Amtsschreiber<br />

Michael Goldheck leistete,<br />

da die meisten Einwohner nicht mal<br />

ihren Namen schreiben konnten.<br />

"Paul Ahmling, Hinrich Albers,<br />

Clous Alpen, Hanß Carstens, Görß<br />

Dehpen, Peter Dohrn, Peter Dreyer,<br />

Clauß Evers, Henning Haße, Marx<br />

Hesche, Marx Hesche, fohann Holst,<br />

fohan Holst, Lehne Halsten, Clauß<br />

Huß, johann Kahn, Hanß Kröger,<br />

Marten Lafrens, Marten Lafrens,<br />

Marx Lamack, johan Lauw, facob<br />

Locht, Marx Loeft, Peter Peters,<br />

Clauß Peters, facob Schmilauw,<br />

fürgen Schött, Hartig Teckelnborg,<br />

Albert Vahlert, fürgen Viredt, Peter<br />

Welstermann, Clauß Witte" 93<br />

Diese Schule war zunächst jedoch<br />

nur für die Schüler aus Sachsenbande<br />

vorgesehen. Die Hinter-Neu-


.S.Q:~r1~..<br />

s. '~P:~$.~~~-~~~.Qr................................... ............................................. ............ ..................................................................... ll.7.le.<br />

Abb. 159: Heutzutage<br />

befindet sich<br />

das Sachsenbander<br />

Schulhaus<br />

(Schulweg 1)<br />

wieder im<br />

F amilienbes itz.<br />

Ein Vorfahre von<br />

Georg Bader hatte<br />

das Grundstück<br />

1844 an die Schulgemeinde<br />

verpachtet.<br />

1970 erwarb<br />

Georg Bader das<br />

Haus samt Grundstück<br />

zurück.<br />

endorfer mussten sich noch knapp<br />

50 Jahre gedulden, bis sie hier zur<br />

Schule gehen durften. Sachsenbande<br />

nahm nämlich Jahrhunderte lang<br />

eine Sonderstellung in der Wilstermarsch<br />

ein. Während die übrigen<br />

Dorfschaften dem Amt Steinburg<br />

unterstanden, gehörte Sachsenbande<br />

bis zur preußischen Zeit zum<br />

Amt Bordesholm. Für das Kirehund<br />

Schulwesen war hingegen die<br />

Kirche in Wilster zuständig, da<br />

Sachsenbande dem 'Kirchspiel<br />

Wilster Alte Seite' zugerechnet<br />

wurde. Im Jahr 1782 genehmigten<br />

die Visitatoren des Amtes Steinburg<br />

einen Vergleich der Sachsenbander<br />

mit den Neuendorfern wegen einer<br />

gemeinschaftlichen Schule ohne<br />

Wissen des Bordesholmer Amtshauses.<br />

Dagegen protestierten Letztgenannte,<br />

woraufhin sich ein<br />

mehrjähriger Schriftwechsel entspann<br />

mit dem Ergebnis, dass die<br />

Dorfschaft Sachsenbande 1791 mit<br />

der benachbarten Dorfschaft Hinter­<br />

Neuendorf zu einem Schuldistrikt<br />

zusammengefasst wurde.<br />

1844 endete der alte 'Hauervertrag'<br />

und es wurde ein neuer, ähnlich<br />

gestalteter Vertrag mit dem damali-<br />

Abb. 160: Eine<br />

Sachsenbander<br />

Schulklasse Ende<br />

1920.


.ß tJ@ ........................ ............................... ............ ............................................................ ............... ............ ~QHi1.-.J:O .. Si\~.!I.~I~ .~ ·\NP.!~.<br />

Abb. I6I: Kinderfest<br />

in der Sachsenbander<br />

Schule<br />

im Jahre 1927.<br />

Eine Kapelle<br />

fo.hrte den Festumzug<br />

zur Gastwirtschaft<br />

an.<br />

In einer Gesamtelternversammlung<br />

der Schule Vorder­<br />

Heuendarf am 2.<br />

Juni 1959 wurde<br />

das Züchtigungsrecht<br />

des Lehrers<br />

besprochen:<br />

"Allgemein war<br />

man der Ansicht,<br />

daß eine maßvolle<br />

körperliche Züchtigung<br />

zur Aufrechterhaltungder<br />

Schulzucht unerläßlich<br />

ist. " 111<br />

gen Besitzer Peter Henning Sehröder<br />

vereinbart. Gleichzeitig ist das<br />

heutzutage wiederum ehemalige<br />

Schulhaus neu gebaut worden.<br />

Dort, wo sich einst das alte Gebäude<br />

befand, wurde ein Schulgarten<br />

angelegt.<br />

Im Jahr 1929 wurden gut 150 junge<br />

Birken zu beiden Seiten der Schulauffahrt<br />

gepflanzt. Diese prächtige<br />

Birkenallee steht heute noch.<br />

Nachdem die Schule im Sommer<br />

1970 aufgelöst wurde, erwarb Georg<br />

Bader, ein Nachkomme des damaligen<br />

Besitzers Peter Henning Schröder,<br />

das Schulhaus samt<br />

Grundstück für 30.000 DM. 94<br />

" Das Kindervergnügen (die Kindergilde)<br />

fand am 13. u. 14. Juli (einem Dienstag<br />

und Mittwoch) statt. Am Dienstag hatten<br />

die Kinder bis I! Uhr Unterricht. Nachmittags<br />

um I3 Uhr begannen die Spiele.<br />

Es empfiehlt sich, da genügend Zeit<br />

vorhanden ist, den Anfang auf I4 Uhr zu<br />

legen. In der I. Abteilung (vom 5.-8. bzw.<br />

9. Schuljahr) hatten die Knaben Schieß<br />

en nach der Scheibe, die Mädchen<br />

Topfschlagen, in der 2. Abteilung die<br />

Knaben Ringstechen, die Mädchen<br />

Kegeln. In einem Nebenspiel mit geringwertigen<br />

Gewinnen, die gleich verteilt<br />

wurden, vergnügten sich die Kinder der<br />

I. Abteilung mit Dreiball-Lauf, in der 2.<br />

Abteilung die Knaben mit Sacklaufen, die<br />

Mädchen mit Eierlaufen<br />

Der Mittwochvormittag war schulfrei.<br />

Um 13 Uhr nachmittags wurden im<br />

Festzuge König und Königin der I.<br />

Abteilung zu Fuß abgeholt. Dann wurde<br />

in der Gastwirtschaft von Behrens<br />

getanzt. Die Kaffepause war von I5.30-<br />

I6.I5 Uhr, dieAbendbrotpause von I8-<br />

I9 Uhr. Es wurden Volkstänze und Lieder<br />

geboten. Zum Schluß erfolgte die<br />

Gewinnverteilung Die Feier war 21.30<br />

Uhr beende!." Lehrer Drewes, I93 7. 95


.K\i''.PJ!~f~~I .................................................................................................................................................. ... .. ................ ............... J:!.JU.<br />

Abb. 162: " Jedes<br />

Jahr hatten wir<br />

Kinderfest. Dann<br />

machten wir einen<br />

großen Umzug mit<br />

geschmückten<br />

Reifen. Tanz mit<br />

Kaffeetafel und<br />

Abendbrot war im<br />

Dückerstieg. "<br />

Kinderfest-Umzug<br />

der Hackeboer<br />

Schule 1952.<br />

Abb. 163: Kinderfest<br />

der Schule<br />

Averfleth im Jahre<br />

1965.


.ß:Jrf3.............. .. .... ... ........................... ............................................................................. .. .. .......... S.r.~H lP; ..Y9.~D.~~7.N!;~ l.JlNP..m~f:.<br />

Nachdem zu Beginn<br />

der 70er<br />

Jahre alle Schulen<br />

im Gemeindegebiet<br />

aufgelöst<br />

waren, stellte sich<br />

die Frage, wer die<br />

Organisation der<br />

allseits beliebten<br />

Kinderfeste übernehmen<br />

sollte. Bis<br />

dahin war deren<br />

Ausrichtung Auf<br />

gabe des Dorf<br />

schullehrers. Nun<br />

musste die Elternschaft<br />

selbst die<br />

Initiative ergreifen<br />

und veranstaltete<br />

die Feste in gewohnter<br />

Weise.<br />

Als die Anzahl der<br />

Schulkinder in den<br />

einzelnen Ortsteilen<br />

jedoch immer<br />

weiter zurückging,<br />

übernahm die<br />

Gemeinde die<br />

Planung des gemeindeweiten<br />

Kinderfestes zusammen<br />

mit der<br />

Gemeinde Sachsenbande.<br />

ENTWICKLUNG DER<br />

SCHULE VORDER­<br />

<strong>NEUENDORF</strong>96<br />

Im 18. Jahrhundert bemängelt<br />

Pastor Höfer (1733-1748 Hauptpastor<br />

in Wilster) in seinem Bericht<br />

über die Landschulen des Kirchspiels<br />

Wilster den schlechten baulichen<br />

Zustand des Schulhauses in<br />

Vorder-Neuendorf. Zu Beginn des<br />

19. Jahrhunderts besaß die Schulgemeinde<br />

eine Schulkate mit einer<br />

kleinen Wohn- und Schulstube.<br />

Nachdem 1812 sämtliche Landschulen<br />

per Regulativ zu Distriktschulen<br />

ernannt worden,waren, sah sich die<br />

hiesige Schulgemeinde veranlasst,<br />

die bauliche Situation der Schule<br />

zu verbessern.<br />

1838 erwarb die Schulgemeinde<br />

eine Katenstelle und errichtete im<br />

darauffolgendem Jahr ein neues<br />

Schulgebäude mit Strohdach. In<br />

dem Gebäude befanden sich das 42<br />

Quadratmeter große Schulzimmer,<br />

Lehrer in Vorder-Neuendorfl' 2<br />

Zeitraum Lehrer<br />

························ ································ ················ ············<br />

vor 1806 Lehrer Ohlen<br />

vor 1806 Lehrer Holler<br />

1806-1836 Jasper Jens<br />

1836-1837 Lehrer Helließen<br />

1837-1843 Lehrer Horns<br />

1844-1851 Marius Helließen<br />

1852-1886 Lehrer Ehlers<br />

1886-1886 LehrerSuhr<br />

1886-1890 Klaus Schlüter<br />

1891-1903 Lehrer Hahn<br />

1897 Vertretung Hagge<br />

1902-1903 Lehrer Voß<br />

1903-1904 Lehrer Lembke<br />

1904 Lehrer Struve<br />

1904-1908 Lehrer Saggau<br />

1908-1912 Lehrer Peters<br />

1912-1915 Lehrer Brodersen<br />

1915-1919 Lehrer Rüllmann<br />

1919-1934 Johannes Koopmann<br />

1934-1934 Christian Brodersen<br />

1934-1945 Lehrer Framenburg<br />

1945-1968 Hans-). Schlünz<br />

1968-1970 ~gfried Zabel<br />

1947-1951 Otto Lüdtke<br />

Abb. 164: Im<br />

August 1949<br />

unternahm die 1.<br />

Klasse (5.-9.<br />

Jahrgang) der<br />

Schule Vorder­<br />

Neuendorf eine<br />

Radfahrt nach<br />

Friedrichskoog,<br />

mit Übernachtung<br />

bei einem Bauern.<br />

in St. Michaelisdann<br />

zwang ein<br />

defektes Fahrrad<br />

zu einer Zwangspause.


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.S.Q·W.'-'l-l.Y9.~!?.f~.:Nm.J.l-l~P9. ~.f ................................................................................................................... ................................. ~.4t.~ .<br />

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.ß®.®............. .. ........................................... ........................... ................ ......................... ............... fKm!Pi .. Y9. ~.t.:!P.~~N!i~ ! f:~P9.\~f:.<br />

Abb. 166: Die<br />

Hinteransicht der<br />

Schule Vorder­<br />

Heuendarf<br />

Abb. 167: Obwohl<br />

man die Schule<br />

Vorder-Neuendorf<br />

bereits im Sommer<br />

1970 geschlossen<br />

hatte, wurde sie<br />

erst im Frühjahr<br />

1973 an Hans­<br />

Wilhelm Bornmüller<br />

für 65.000 DM<br />

verkauji. Der<br />

Schätzwert hatte<br />

lediglich 28.000<br />

DM betragen. 11 5<br />

geschachtet. Die verrotteten Teile<br />

der Pfähle wurden abgeschnitten<br />

und bis 2 Meter tief wurde der<br />

Beton in die Erde gestampft und<br />

mittels Rundeisen verstärkt. Anfang<br />

September konnte der Unterricht<br />

wieder aufgenommen werden. Da<br />

die Handwerker bei diesen Bauarbeiten<br />

unterhalb der kalkulierten<br />

Summe blieben, konnten noch<br />

verschiedene Extraarbeiten erledigt<br />

werden.<br />

In den Jahrzehnten darauf erfolgten<br />

noch verschiedene Modernisierungsmaßnahmen<br />

wie beispielsweise<br />

der Einbau einer modernen<br />

Toilettenanlage in den 60er Jahren.<br />

1970 wurde die Schule geschlossen<br />

und drei Jahre später an den Hamburger<br />

Hans-Wilhelm Bornmüller<br />

verkauft. 97


.f~.f.'.NH,U~~f: . .f..~~l.f.'.~\\J;:.~.~ .. S.,V; m!f.N~.I\;"!PI~Nw.f:!'I.PQ.~f. ...... .. ................................................. .. .......................... ............. a.~.<br />

FREIWILLIGE<br />

FEUERWEHR<br />

SACHSENBANDE­<br />

N EDENDORF<br />

Die Verwendung und Erzeugung des<br />

Feuers bildete einen der entscheidendsten<br />

Schritte der kulturellen<br />

Entwicklung des Menschen. Der<br />

antike Naturphilosoph Empedokles<br />

zählte das Feuer zu den vier Urstoffen<br />

(Erde, Feuer, Wasser, Luft), aus<br />

denen die Welt bestehen sollte.<br />

Aber so bedeutend die Nutzung des<br />

Feuers für die Entfaltung der<br />

Menschheit auch war, so barg es<br />

doch seit jeher Gefahren in sich<br />

durch seine Zerstörerische Kraft.<br />

Mit der Bekämpfung der ausgebrochenen<br />

Brände befasste man<br />

sich schon lange vor der Bildung<br />

freiwilliger Feuerwehren. Zwar<br />

wurde sich vielfach aufs Beten und<br />

Singen beschränkt- das Feuer galt<br />

früher als göttliche Macht. Da dies<br />

aber, wie zu erwarten, wenig erfolgreich<br />

war und die Menschen in<br />

Städten und Dörfern dicht beieinander<br />

wohnten, richteten die Feuersbrünste<br />

bei den damals hauptsächlich<br />

verwendeten Baumaterialien<br />

Holz, Stroh und Reet oft verheerende<br />

Schäden an. So auch am<br />

5. Mai 1842, als in Harnburg in<br />

einem Tabakspeicher ein Feuer ausbrach<br />

und bis zum 8. Mai 4220<br />

Wohnhäuser, Kirchen, Schulen,<br />

Amtsgebäude und Speicher vernichtete.116<br />

Man begann deshalb, nachdem<br />

Schleswig-Holstein preußisch geworden<br />

war, die Männer, die gesund<br />

und über 16 Jahre alt waren, in<br />

Brandwehren zusammenzufassen.<br />

Bei der jährlich stattfindenden<br />

Brandschau wurde jeder Haushalt<br />

überprüft, ob Feuerhaken, Feuerleiter,<br />

Feuerpatsche sowie Noteimer<br />

zur Verfügung stünden. Parallel<br />

hierzu wurden in ganz Deutschland<br />

die ersten freiwilligen Feuerwehren<br />

gegründet.<br />

In einem Polizeireglement von<br />

1875, betreffend das 'Lösch- und<br />

Rettungswesen in der Wilstermarsch',<br />

wurden Neuendorf und<br />

Sachsenbande zu einem Spritzendistrikt<br />

zusammengefasst. Hiernach<br />

waren die männlichen Einwohner<br />

von 18 bis 60 Jahren unter Führung<br />

des Gemeindevorstehers zur Hilfeleistung<br />

sowie zur Bereitstellung<br />

der zum Löschen eines Brandes erforderlichen<br />

Materialien an Kufen,<br />

Balken, Stangen usw. ohne Entschädigung,<br />

außer im Falle der Beschädigung,<br />

verpflichtet. Ebenso war<br />

jeder Pferdebesitzer gehalten, bei<br />

Abb. 168: Mannschaftsbild<br />

der<br />

Freiwilligen<br />

Feuerwehr Sachsenbande-Neuendorfvon<br />

1991.


.ß®.:2........ ............ ... ............ ...... ... .. ... ....... .. ........ .. .... ........... .:fRf~Y~P ,~v! ;.J}:m~R~lmR.. ~.'~r.wm.~~.N~•.P.f~.Nf::qm~!P.9.~r. .<br />

..:···························· .. ····· ············································································:...<br />

Lee:be- Lü.d,-<br />

Ve; Wehr- w 90 J o.lw hü.t:<br />

~erlv~{ör cilll dh Fue-vwehrfnMA.A'II<br />

d.o- {,clv mV hi.e,v 1"\.& VÖYY\1 t'VfMMI\I<br />

Iclv weLlt mt/ hWr- tn Wort' I1'LOi; ~<br />

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1889 wurde in einer Polizeiverordnung<br />

vorgeschrieben, dass jede<br />

größere Gemeinde eine mit einer<br />

Spritze ausgerüstete Brandwehr<br />

haben müsse. Da die bisherigen Erfahrungen<br />

mit freiwilligen Feuerwehren<br />

auf dem Gebiet des<br />

Brandschutzes durchweg positiv<br />

waren, regten in jener Zeit viele<br />

Amtsvorsteher (damals gleichzeitig<br />

Polizeibehörde) die Gründung von<br />

freiwilligen Feuerwehren an. So<br />

auch der Amtsvorsteher des Amtes<br />

Aebtissinwisch, Henning Egge, als<br />

er am 19. Januar 1890 zu einer<br />

Versammlung zwecks Gründung<br />

einer freiwilligen Feuerwehr beim<br />

Gastwirt Joh. Heeckt in Neuendorf<br />

(heute Handelshof Behrens) einlud.<br />

31 der Anwesenden aus den Gemeinden<br />

Sachsenbande und Neuendorf<br />

- die bereits den gemeinsamen<br />

Spritzendistrikt bildeten - entschlossen<br />

sich, einer freiwilligen<br />

Feuerwehr als aktive Mitglieder beizutreten.<br />

Peter Schippmann wurde<br />

zum Hauptmann ernannt und der<br />

neu gewählte Vorstand wurde beauftragt,<br />

Statuten auszuarbeiten und<br />

der nächsten Versammlung vorzulegen.<br />

Auf der außerordentlichen<br />

Generalversammlung am 2. Februar<br />

:········································································· ······································:<br />

Wv wöift jw ~ jw Fue-vwehvw.d.t<br />

{ör Cf.Ll; c:i0- vecl..e,- T(,ed"<br />

c:i0-ji/ opfevt hclYt {ör ~ Cf.Ll;<br />

c:Wtw~hüt-wJ~<br />

Vo-v wöift wi/ vu~ ruv }i.eyl;<br />

bV M U#1v ~V~ bV SchrtcqJK- IM'tt Wie+'\t<br />

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iAtv


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Abb. 170:<br />

Zwecks Gründung einer freiwilligen Feuerwehr hatte der Amtsvorsteher Herr H. Egge eine Versammlung<br />

zum heutigen Tage nach dem Gastwirt J. Heeckt in Neuendorf berufen. Nach Verlesung des Normalstatuts<br />

für frw. Feuerwehren Schleswig-Holsteins meldeten sich 31 Gemeindemitglieder zum Beitritt.<br />

Bei der dann stattfindenden Vorstandswahl wurde Kamerad P Schippmann zum Hauptmann, Kamerad Looft<br />

zum stellvertretenden Hauptmann, Kamerad Thormählen zum Schrififührer u. Kassierer, Kamerad J. Blökkert<br />

zum Steigerführer, Kamerad Joh. Schlüter zu dessen Stellvertreter, Kamerad Schwardt zum Spritzenführer<br />

und Kamerad A. Harder zu dessen Stellvertreter gewählt. Als Spritzenmeister wurde Kamerad M Holler<br />

gewählt. Der Vorstand wird beauftragt, Statuten auszuarbeiten und der nächsten Versammlung vorzulegen.<br />

Diese Versammlungfindet am 2. Febr. nachmittags 14 Uhr beim Gastwirt Schuld!, Dückerstieg, statt.<br />

W Thormählen, Schriftführer<br />

P Schippmann, Hauptmann


. fRii.'':Y~~PG.~l .. f..~\ ~lli.~W.m n~ .. ~ t\q:! ~P~~N'I.P..~.:Nf:W\l'I.P..Q .I.W .... .............................................................................................. :i.L.~.<br />

durch Adolf Hitler wurden die<br />

Wehren umorganisiert. Es wurde ein<br />

neues Feuerlöschgesetz verabschiedet,<br />

nach dem die Feuerwehren<br />

Sachsenbande-Neuendorf und<br />

Ecklak-Aebtissinwisch ab dem<br />

1. Januar 1934 zur Amtswehr<br />

zusammengefasst wurden. Aufgrund<br />

des neuen Gesetzes mussten<br />

die über 60 Jahre alten Mitglieder<br />

aus dem aktiven Dienst ausscheiden.<br />

Davon betroffen war auch<br />

Hauptmann Nikolaus Mohr aus<br />

Hinter-Neuendorf, der Wilhelm<br />

Schippmann zu seinem Nachfolger<br />

ernannte. Am 1. Januar 1939 wurde<br />

die Feuerwehr der Polizei angegliedert.<br />

Gleichzeitig wurden dem<br />

Wehrführer Hilfspolizeibefugnisse<br />

übertragen. Aufgrund einer neuen<br />

Feuerlöschsatzung erfolgte am<br />

7. Februar 1940 wiederum die Auflösung<br />

der Amtswehr.<br />

Nach Beendigung des Zweiten<br />

Weltkrieges war es Ziel der Besatzungsmächte,<br />

das politische Leben<br />

auf die demokratischen Grundlagen<br />

zurückzuführen. Dazu wurden die<br />

Nationalsozialisten aus den öffentlichen<br />

und halböffentlichen Ämtern<br />

entlassen. Aus diesem Grunde<br />

wurde auch die Entlassung des<br />

Brandeinsätze aus jüngster Z~ __________<br />

...... Datum ................. ................................................................................................ Brandeinsätze<br />

..........<br />

15.08.1976 Wilhelm Fink, Averfleth<br />

Sommer 1976 Flächenbrand in der Loit<br />

Sommer 1976 Neubau (Finkschen Hof), Averfleth<br />

09.04.1977 Wilhelm Kuhrt, Sachsenbande<br />

08.11.1977 Kar! Meinert, Hackeboe<br />

13.04.1978 Leerstehendes Bauernhaus, Sachsenbande<br />

11.03.1979 Rosa Feldmann, Hinter-Neuendorf<br />

26.12.1979 Walter Dehn, Sachsenbande<br />

27.11.1981 Heinz Carstens (früher Rose), Hackeboe<br />

11.01.1982 Heinz Heß, Sachsenbande<br />

01.11.1987 Familie Fürstenau, Hackeboe<br />

04.03.1991 Franz Haider, Sachsenbande<br />

28.09.1992 Peter Huusmann, Krützfleth<br />

18.01.1994 Pieper, Hinter-Neuendorf<br />

28.05.1994 Max Behrens, Vorder-Neuendorf<br />

09.08.1995 Marschentöpferei Jordy, Averfleth<br />

23.08.1995 Hugo Nagel, Vorder-Neuendorf<br />

21.11.1996 Heinz Heeckt, Hackeboe<br />

Wehrführers Wilhelm Schippmann<br />

durch die Militärregierung am<br />

12. Juli 1945 angeordnet. Zu seinem<br />

Nachfolger wurde Heinrich Heeckt<br />

aus Hackeboe bestimmt.<br />

Drei Jahre später stand die Wahl des<br />

Vorstandes der Ortswehr gemäß des<br />

neuen Feuerschutzgesetzes des<br />

Landes Schleswig-Holstein vom<br />

3. Februar 1948 an. Auf einfachen<br />

Da bereits an<br />

anderer Stelle von<br />

einigen Einsätzen<br />

berichtet wird,<br />

möchte ich mich<br />

hier auf die<br />

Brände neueren<br />

Datums beschränken,<br />

wohl wissend,<br />

dass viele<br />

Einsätze ungenannt<br />

bleiben.<br />

Abb. 1 71: Obwohl<br />

die herbeigerufene<br />

Feuerwehr<br />

schnell am Einsatzort<br />

(Familie<br />

Fürstenau in<br />

Hackeboe, Anfang<br />

November /987)<br />

erschienen war,<br />

konnte nur wenig<br />

gerettet werden.


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Die Wehrführer seit Gründung der frw. Feuerwehr<br />

Dauer Wehrführer<br />

1890-1893 Peter Schippmann<br />

1893-1898 Hermann Schwardt<br />

1898-1931 Jürgen Blöcken, Hinter-Neuendorf<br />

1931-1934 Nikolaus Mohr, Hinter-Neuendorf<br />

1934-1945 Wilhelm Schippmann, Hackeboe<br />

1945-1948 Heinrich Heeckt, Hackeboe<br />

1948-1954 Wilhelm Schippmann, Hackeboe<br />

(1954-1959 Amtswehrführer)<br />

1954-1959 Hans Fischer, Achterhörn<br />

(1959-1976 Amtswehrführer<br />

1978 zum Ehrenamtswehrführer ernannt)<br />

1959-1983 Richard Meiforth, Averfleth<br />

(1986 zum Ehrenwehrführer ernannt)<br />

1983-1993 Hugo Nagel, Vorder-Neuendorf<br />

(1993 zum Ehrenwehrführer ernannt)<br />

seit 1993 Uwe Karstens, Sachsenbande<br />

Abb. 172 u.173:<br />

Die " alte" Garage<br />

in Averfleth<br />

und das heutige<br />

Gerätehaus auf<br />

dem Dückerstieg.<br />

Hugo Nagel und<br />

Martin Brandt<br />

stehen vor dem<br />

alten Löschgruppenfahrzeug,<br />

rechts befindet<br />

sich der ABC­<br />

Wagen des Kreises<br />

Steinburg<br />

Vorschlag und bei geheimer Abstimmung<br />

wurde Wilhelm Schippmann<br />

erneut zum Wehrführer und Vorsitzenden<br />

gewählt. Heinrich Heeckt<br />

legte daraufhin sein Amt nieder und<br />

erklärte den sofortigen Austritt aus<br />

der Wehr.<br />

Nach diesen turbulenten Jahren<br />

standen zum Glück ruhigere Zeiten<br />

bevor. Die Feuerwehr wurde nicht<br />

mehr für politische Zwecke missbraucht<br />

und konnte sich wieder<br />

ihrer eigentlichen Aufgabe, dem<br />

Lösch- und Rettungswesen, widmen.<br />

1970 war auf einer Kreisfeuerwehrversammlung<br />

darüber beraten worden,<br />

die freiwilligen Feuerwehren<br />

aufzulösen und dafür in Wilster<br />

eine Berufsfeuerwehr einzurichten.<br />

Heinz Büchler, damaliger Bürgermeister<br />

der Gemeinde Sachsenbande,<br />

mahnte jedoch, dass man<br />

nicht alles aus den Dörfern nehmen<br />

könne. Also behielten wir unsere<br />

Feuerwehr.<br />

'<br />

Jierdutzend<br />

~ Feuerwehrkanaeraden<br />

Die Zahl der Mitglieder hat sich<br />

gleichbleibend entwickelt. Bei der<br />

Gründungsversammlung im Januar<br />

1890 erklärten 31 Anwesende ihren<br />

Eintritt. 1898/99 hatte die freiwillige<br />

Feuerwehr kurzfristig mit zahlreichen<br />

Austritten zu kämpfen, aber<br />

getreue Mitglieder sorgten für ein<br />

Weiterbestehen.<br />

Zur Zeit des Ersten Weltkrieges<br />

sank die Mitgliederzahl zeitweilig,<br />

weil Feuerwehrkameraden dem Ruf<br />

an die Front gefolgt waren, und<br />

einige von ihnen büßten bei Ausübung<br />

ihrer Vaterlandspflicht ihr<br />

Leben ein. Nach Beendigung des<br />

ersten Weltkrieges stieg die Zahl der<br />

Mitglieder jedoch wieder an.<br />

Im Zweiten Weltkrieg wurden abermals<br />

vielen Feuerwehrmänner<br />

eingezogen, und wieder hieß es, von<br />

gefallenen Kameraden für immer<br />

Abschied nehmen zu müssen.<br />

Mittlerweile hat sich die Mitgliederzahl<br />

bei Mitte bis Ende 40 eingependelt.<br />

1986 war die freiwillige


.f.~.~~Y.ll . .f..~.m::.~~trn .. ~~q~~~r.m~.P..J,';:Nll!-!.llNP..9.J..lJ ................................................................................................... ll.~.<br />

Feuerwehr Sachsenbande-Neuendorf<br />

mit 56 aktiven Mitgliedern<br />

sogar die personell stärkste Wehr im<br />

Amts gebiet.<br />

Vom Noteimer<br />

zumLF 8/6<br />

Wie bereits erwähnt, hatte früher<br />

jeder Haushalt Feuerhaken, -leiter,<br />

-patsche und Noteimer bereitzuhalten.<br />

Des Weiteren standen der<br />

Brandwehr damals ein Spritzenhaus<br />

beim Dückerstieg sowie zwei Spritzen,<br />

eine mit Pferd, die anderen von<br />

Männern gezogen, zur Verfügung.<br />

Dieses Inventar wurde von der Freiwilligen<br />

Feuerwehr bei deren Gründung<br />

übernommen. 1943 wurde die<br />

Handdruckspritze durch eine Tragkraftspritze<br />

abgelöst. 1963 bekam<br />

die Wehr ihr erstes Löschfahrzeug.<br />

Dazu wurde eine Delegation von 25<br />

Mann extra zum Werk nach Wolfsburg<br />

entsandt, um dort ein Tragkraftspritzenfahrzeug<br />

zum Preis von<br />

9.600 DM zu erstehen. Zur Unterbringung<br />

für den VW-Bus diente<br />

vorläufig eine provisorische Garage<br />

in der Durchfahrt der Gastwirtschaft<br />

des Kameraden Prüß. Diese wurde<br />

jedoch noch im gleichen Jahr durch<br />

eine Garage auf dem Grundstück<br />

des Sielverbandes Sachsenbande­<br />

Neuendorf in Averfleth ersetzt.<br />

1975 wurde ein neues Löschgruppenfahrzeug<br />

der Marke Mercedes­<br />

Benz angeschafft. 1977 entstand<br />

dann das neue Feuerwehrgerätehaus<br />

auf dem Grundstück von<br />

Ernst-Otto Prüß. Viele Arbeiten<br />

beim Bau des neuen Gerätehauses<br />

konnten von den Feuerwehrkamera-<br />

Abb. 174: Feuerwehrmarsch<br />

auf<br />

Helgoland am<br />

5.9.1993.


.ß®.® .......... .............. ......... ........ .................... .. .............. ................. .f.~\ ! W.!!-:P~~ .. f..P, J.~RW.~tm .. ~.~~.mm.N~ .. :\~.P..~~.N~~ ~ m~:P..9.l:U '.<br />

Abb. 175:<br />

Schematische<br />

Darstellung der<br />

Feuerwehrausbildung.<br />

Atemschutzgeräteträger<br />

(20 Std.)<br />

Feuerwehranwärter<br />

~<br />

Sprechfunker<br />

(16 Std.)<br />

Maschinist<br />

(35 Std.)<br />

1<br />

Atemschutz-<br />

.. Truppführer Gerätewart<br />

g~;;t~~~;t (35 Std.) (35 Std.)<br />

l----------------------- --------- ------------------------ -------1<br />

Gruppenführer<br />

(70 Std.)<br />

Ausbildung auf Kreisebene<br />

Ausbildung auf Landesebene<br />

Wehrführer<br />

(16 Std.)<br />

den in Eigenleistung erbracht werden.<br />

Lediglich die Maurer-, Fugund<br />

Putzarbeiten wurden an die<br />

Firma Höhrmann in Vaalermoor<br />

vergeben.<br />

1993 erwarb die freiwillige Feuerwehr<br />

dann ihr derzeitiges Löschgruppenfahrzeug<br />

der Marke lveco<br />

Magirus für 250.000 DM. Das alte<br />

Löschfahrzeug konnte zu einem<br />

guten Preis an eine Wehr in Dithmarschen<br />

verkauft werden. Der<br />

gegenwärtige Feuerwehrwagen hat<br />

eine Pumpleistung von 800 Litern in<br />

der Minute und führt 600 Liter<br />

Löschwasser für den sofortigen<br />

Schnellangriff mit sich.<br />

I<br />

ch will<br />

Feuerwehrmann werden<br />

Die Ausbildung bei der Feuerwehr<br />

hat sich gewandelt. Noch bis zu den<br />

70er Jahren sah der allgemeine<br />

Werdegang eines Feuerwehrmannes<br />

wie folgt aus: 11 7<br />

In der Regel trat man, sobald man<br />

geheiratet hatte, in die freiwillige<br />

Feuerwehr ein. Dort wurde einem<br />

von den Kameraden gezeigt, was<br />

wann zu tun sei und im Laufe der<br />

Jahre eignete man sich das entsprechende<br />

Wissen an, den Rest<br />

besorgte die Erfahrung.<br />

Schon damals gab es Schulungen<br />

bei der Landesfeuerwehrschule in<br />

Harrisleefeld, aber dorthin ging man<br />

im allgemeinen nur, wenn man<br />

Wehrführer oder dergleichen werden<br />

wollte.


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Heute dagegen absolviert der Feuerwehranwärter<br />

bereits im Probejahr<br />

eine 70stündige Grundausbildung<br />

auf Kreisebene. Nach weiteren zwei<br />

Jahren Praxis in der eigenen Wehr<br />

erreicht man den Rang eines Truppmannes.<br />

Es schließen sich die Stufen<br />

des Truppführers, Gruppenführers<br />

sowie Zugführers an. Den<br />

Abschluss bildet der Lehrgang zum<br />

Wehrführer. Wer möchte, kann sich<br />

freiwillig über Lehrgänge zum<br />

Atemschutzgeräteträger, Maschinisten<br />

oder Sprechfunker qualifizieren.<br />

Von den heute 48 aktiven Mitgliedern<br />

sind 10 Kameraden Maschinisten.<br />

5 Kameraden ließen sich<br />

zum Atemschutzgeräteträger ausbilden.<br />

Norbert Egge aus Hackeboe hat<br />

die Funktionen des Atemschutzgerätewartes<br />

und Funkbeauftragten<br />

inne. Reinhard Rönne aus Hackeboe<br />

ist der Gerätewart Drei Kameraden<br />

haben den Lehrgang zum Gruppenführer<br />

in Harrisleefeld absolviert.<br />

Die Spitze bilden Uwe Karstens aus<br />

Sachsenbande als Wehrführer sowie<br />

Thorsten Heins aus Hackeboe als<br />

sein Stellvertreter. Thorsten Heins<br />

ist zudem noch stellvertretender<br />

Amtswehrführer.<br />

Die nebenstehende Grafik gibt einen<br />

Überblick über Ausbildungsmöglichkeiten<br />

und c::l.eF.en Dauer bei der<br />

freiwilligen Feuerwehr.<br />

"Einer für alle, alle für einen!"<br />

Kameradschaft und Geselligkeit<br />

wird ganz groß geschrieben in der<br />

freiwilligen Feuerwehr Sachsenbande-Neuendorf.<br />

Ein Resultat<br />

dieser Geselligkeit ist sicherlich die<br />

Feuerwehrmusikkapelle, die sich<br />

gleich zu Anfang gebildet hat. Weitere<br />

Hinweise sind die vielen Veranstaltungen<br />

außerhalb des eigent-<br />

Abb. 176: Boßelwettkampf<br />

mit den<br />

Nachbarwehren<br />

bei Frostwetter.<br />

Abb. 177: Einige<br />

wenige der zahlreichen<br />

Pokale,<br />

die die Feuerwehr<br />

bei ihren Wettkämpfen<br />

errungen<br />

hat.


.ß®.®. ............................ .. ............. .. .. ........................................... f.M~Jg~ . .f..~w.


.f.ll!».lJ!..w.ftt.mMf.ft~.~- -S.~m.~.~l'ffl&.w.kNf,J!ftN!?.9.~.......... ................................................................................................... ll.®.~.<br />

FEUERWEHRKAPELLE<br />

SACHSENBANDE­<br />

N EDENDORF<br />

Von den weit über hundert freiwilligen<br />

Feuerwehren im Kreisgebiet hat<br />

gerade mal jede 10. Wehr einen<br />

eigenen Feuerwehrmusikzug und<br />

im Amt Wilstermarsch ist die Feuerwehrkapelle<br />

Sachsenbande-Neueudorf<br />

sogar einmalig. Dieser Superlativ<br />

ist noch zu steigern, denn die<br />

Feuerwehrkapelle zählt mit dem<br />

Musikzug der freiwilligen Feuerwehr<br />

Lägerdorf zu den ältesten des<br />

Kreises Steinburg. Leider ist für die<br />

Kapelle nie ein gesondertes Protokollbuch<br />

geführt worden, so dass<br />

die Daten auf Erzählungen beruhen.<br />

Dieser Beitrag stützt sich deshalb<br />

auf die Jubiläumsschrift des Kreisfeuerwehrverbaudes<br />

Steinburg, in<br />

der bereits über die Feuerwehrkapelle<br />

berichtet wurde. 11 8<br />

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />

vermehrt freiwillige Feuerwehren<br />

gegründet wurden, war es<br />

landesweit üblich nach Beendigung<br />

der Dienstübungen noch zu singen<br />

und zu musizieren. Was lag da<br />

näher, als eine eigene Feuerwehrkapelle<br />

ins Leben zu rufen? Während<br />

in der Jubiläumsschrift des<br />

Kreisfeuerwehrverbandes der 14.<br />

Mai 1892 als Gründungstag genannt<br />

wird, ist jedoch anzunehmen, dass<br />

sich die Kapelle bereits vor diesem<br />

Datum konstituiert hat. In einem<br />

Protokoll des Festausschusses der<br />

freiwilligen Feuerwehr Sachsenbande-Neuendorf<br />

vom 14. Mai 1892<br />

wurde angefragt, ob "unsere Feuerwehrkapelle<br />

an den Festtagen gratis<br />

mitspielt ... ". Demnach kann davon<br />

ausgegangen werden, dass sich die<br />

Kapelle schon zu einem früheren<br />

Zeitpunkt - vermutlich annähernd<br />

zeitgleich mit der Gründung der<br />

freiwilligen Feuerwehr Sachsenbande-Neuendorf<br />

gebildet hat.<br />

Lediglich in den beiden Weltkriegen<br />

(1914 bis 1918 und 1939 bis 1945)<br />

wird die lange Geschichte der<br />

Kapelle unterbrochen, da zu jener<br />

Zeit der gesamte Spielbetrieb ruhte.<br />

Die Geschicke der Feuerwehrkapelle<br />

liegen schon seit einem halben<br />

Jahrhundert (seit 1950) in den Händen<br />

von Hans Fischer aus Achter-<br />

Abb. 179: Die<br />

Feuerwehrkapelle<br />

im Juni 1993 (von<br />

links):<br />

Ralf Teschke,<br />

Georg Bader,<br />

Willi Basch,<br />

Angela Flett,<br />

Erwin Dunker,<br />

Heinz Heeckt,<br />

Hans Fischer,<br />

Jngo Balten,<br />

Alfred Hoyer,<br />

Hans Ramm,<br />

Arthur Kähne.


11 Cri\ ..,-<br />

.hr:~.. ~ ............. ... ........... ..... ....... .. ........ .................. .............. ....... ..... ... .f.f\V.m~W.miRKM~PJJ! .. St.\Q~i?~'·~~::\NP.. !; ~.N Ji~ ~ JiN!?.9.~ f: .<br />

Abb. 180: Aktuelles<br />

Gruppenbild<br />

der Feuerwehrkapelle<br />

im Herbst<br />

1999.<br />

hörn. Aus früherer Zeit ist nur überliefert,<br />

dass von 1925 bis 1939 der<br />

Musiker Johannes Horstmann aus<br />

Wilster als Leiter und Ausbilder der<br />

Musikkapelle tätig war. Zeitgleich<br />

mit Hans Fischer konnte Arthur<br />

Finck aus Hinter-Neuendorf als<br />

Dirigent und Ausbilder gewonnen<br />

werden. Als dieser nach zirka zehn<br />

Jahren zum Feuerwehrmusikzug<br />

Wacken wechselte, trat Paul Kahle<br />

aus Wilster in seine Fußstapfen.<br />

Nach etwa einem Jahrzehnt wurde<br />

Kahle von Willi Schäl aus Vaale abgelöst.<br />

Von 1989 bis 1998 machte<br />

sich Arthur Kähne aus Wacken in<br />

dieser Position verdient. Seitdem<br />

hat der Feuerwehrmusikzug keinen<br />

Ausbilder mehr, jedoch konnte<br />

Thorsten Ramm aus Flethsee in<br />

Ansätzen für diese Aufgabe gewonnen<br />

werden.<br />

Mit dem Feuerwehrmusikzug<br />

Wacken hat sich über die Jahre eine<br />

Art Spielkooperation herausgebildet.<br />

Man hilft sich bei schwacher<br />

Besetzung gegenseitig aus.<br />

Anlässe zum Musizieren gab es<br />

reichlich, auch wenn sich die Auftritteauf<br />

die nähere Umgebung<br />

beschränken. Ob es sich nun um<br />

Zusammenkünfte der eigenen Wehr<br />

handelte (Feuerwehrstiftungsfeste,<br />

Feuerwehrübungen, Feuerwehrversammlungen<br />

und Feuerwehrfestbälle),<br />

auf denen gegen Freibier fleißig<br />

gespielt wurde oder um andere Ereignisse,<br />

man ließ sich nie vergebens<br />

bitten. Gegen einen kleinen<br />

Obolus wurde auch regelmäßig zum<br />

Pfingstkonzert beim Gastwirt Bebrens<br />

in Hinter-Neuendorf, zu Geburtstagen,<br />

bei Hochzeiten, beim<br />

Rolandreiten, Geschäftseröffnungen,<br />

auf Beerdigungen und bei Tanzveranstaltungen<br />

musiziert.<br />

Das Repertoire ist mittlerweile recht<br />

umfangreich und reicht von flotter<br />

Marschmusik, über Walzermelodien<br />

bis hin zu schöner Tanzmusik.<br />

Die Instrumente und Noten sind<br />

allesamt Eigentum der freiwilligen<br />

Feuerwehr Sachsenbande-Neuendorf.<br />

Deren Unterhaltung sowie<br />

Kosten bei anfallenden Reparaturen<br />

werden von den Trägergemeinden<br />

übernommen.


.f.~!-JJ\R-Wll~~u.~ .. s.~~-ff.~.~-mw~v.~~ .N!::.I,.!J;®.QID: ............................................................................................................. ll.®.!t.<br />

Seit Anbeginn gehörten der Musikkapelle<br />

immer um die zehn Musiker<br />

an. Jedoch macht sich langsam eine<br />

Überalterung der Musiker bemerkbar.<br />

Das Alter der Mitglieder reicht<br />

vom jüngsten Teilnehmer mit 28<br />

Jahren bis zum ältesten Mitglieddem<br />

Leiter Hans Fischer- mit 87<br />

Jahren. Das Durchschnittsalter<br />

beträgt ca. 60 Jahre.<br />

Zu hoffen bleibt, dass sich doch<br />

noch Musikernachwuchs findet,<br />

damit die Geschichte der seit über<br />

einem Jahrhundert währenden<br />

Kapelle auch im nächsten Jahrtausend<br />

'weiterspielen' kann.<br />

GEMEINDEGILDE<br />

<strong>NEUENDORF</strong>­<br />

SACHSENBANDE<br />

(NOTGEMEINSCHAFT)<br />

Bei einem Brand im Gemeindegebiet<br />

kommen Feuerwehr und Notgemeinschaft<br />

meist parallel zum<br />

Einsatz. Während sich die Feuerwehr<br />

noch um die Bekämpfung der<br />

Flammen kümmert, beginnen schon<br />

die Arbeiten der Gemeindegilde. Es<br />

gilt das gerettete Material (Wohninventar<br />

und Erntevorräte) aus der<br />

Gefahrenzone zu schaffen und für<br />

die Unterbringung der Tiere Sorge<br />

zu tragen. So werden im Herbst und<br />

Winter leerstehende Ställe angemietet,<br />

um das Vieh dort unterzustellen.<br />

Die Mitglieder der Gilde haben<br />

sich zu dieser gegenseitigen Hilfeleistung<br />

im Brandfall und bei<br />

Sturmschaden verpflichtet.<br />

Der Gedanke ist nicht neu. Da es im<br />

Mittelalter noch keinerlei Feuerversicherung<br />

gab, war die Gefahr im<br />

Brandfall das gesamte Hab und Gut<br />

Abb. 181: Die<br />

Feuerwehrkapelle<br />

spielte in den<br />

50er Jahren<br />

anlässtich einer<br />

Maskerade in der<br />

Durchfahrt vom<br />

Handelshof


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Brände, bei denen laut dem Protokollbuch<br />

der Gemeindegilde anschließend<br />

die Notgemeinschaft tätig wurde.<br />

J


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Glücklich kann sich in einem<br />

solchen Fall der schätzen, der<br />

Unterstützung seitens der Gilde<br />

erfährt. Dies wissen nicht nur Landwirte<br />

zu schätzen. Da die Mitgliedschaft<br />

kostenlos ist, zählt die<br />

Gemeindegilde heute immerhin<br />

noch 90 Mitglieder. Mittlerweile<br />

dürfen neben den Eigentümern<br />

auch Pächter von Gebäuden im<br />

Gemeindegebiet Mitglied werden.<br />

der Gilde eingeschlossen waren.<br />

Zum ersten Ältermann wurde der<br />

Hofbesitzer Gustav Huusmann aus<br />

Krützfleth gewählt. Des Weiteren<br />

wurden ein Schriftführer sowie für<br />

jeden Bezirk (Achterhörn, Averfleth,<br />

Hackeboe, Vorder-Neuendorf, Hinter-Neuendorf<br />

und Sachsenhandel<br />

Vertrauensmänner ernannt.<br />

1961 wurde die Satzung der neuen<br />

Entwicklung angepasst. Da es nicht<br />

mehr üblich war, die Steine wiederzuverwenden,<br />

wurde die Auflage,<br />

die Steine zu reinigen, aus der<br />

Satzung gestrichen. Im Zuge der zunehmenden<br />

Mechanisierung durch<br />

Baumaschinen und Transportmittel<br />

waren ebenso die Hand- und Fahrdienste<br />

nicht mehr notwendig. Die<br />

Versicherungssumme berücksichtigt<br />

in der Regel, dass der Wiederaufbau<br />

komplett von Bauunternehmen<br />

durchgeführt wird. Nur für die Aufräumarbeiten<br />

werden diese Dienste<br />

noch im geringen Umfang und soweit<br />

erforderlich von der Gemeindegilde<br />

geleistet, so zum Beispiel<br />

wenn es darum geht, die Überbleibsel<br />

nach wiederverwertbaren Komponenten<br />

zu sortieren.<br />

Ein Brandfall, bei dem der Verlust<br />

von Haus und Hof zu beklagen ist,<br />

fordert viel Organisationstalent.<br />

PFERDE-V ER­<br />

SICHERUNGSVEREIN120<br />

Feuer war nicht die einzige Gefahr,<br />

gegen die es sich zu versichern galt.<br />

Aus diesem Grund haben sich<br />

schon frühzeitig die verschiedenartigsten<br />

Versicherungen gebildet. Für<br />

die Schuldistrikte Aebtissinwisch,<br />

Averfleth, Ecklak, Kudensee, Landscheide,<br />

Neuendorf, Nortorf, Sachsenbande<br />

und Schotten gab es<br />

beispielsweise einen ,Pferde-Versicherungsverein',<br />

der am 24. Januar<br />

1887 gegründet wurde. Versicherungsgegenstand<br />

waren sämtliche<br />

Pferde der Vereinsmitglieder mit<br />

Ausnahme ihrer Deckhengste. Mitglied<br />

konnten alle ,unbescholtenen'<br />

und ,friedliebenden' Einwohner des<br />

Vereinsgebietes, aber auch Bewoh-<br />

Abb. 182: Internes<br />

Ringreiten<br />

Hinter-Neuendorf<br />

1924 oder 1926.


.ß®..® ................................................................................................. .............................................. P.f.~m?.~~Y.~~~.~tw.R'!-!NG.~Y.J::~!-N.<br />

Abb. 183: Umzug<br />

des Ringreitervereins<br />

Sachsenbande-Neuendorf<br />

in<br />

den 50er Jahren.<br />

Abb. 184: Fahne<br />

des Ringreitervereins<br />

Sachsenbande-Neuendorf<br />

ner der angrenzenden Distrikte<br />

werden. Der Zweck des Versicherungsvereins<br />

war die Zahlung eines<br />

vorher festgesetzten Geldbetrages<br />

für ,gefallene' Pferde, d. h. bei Pferden,<br />

die durch Krankheit, Blitzschlag,<br />

Ertrinken, Erhängen oder auf<br />

ähnlich unglückliche Weise den Tod<br />

gefunden hatten. Zur Festsetzung<br />

der Versicherungssumme wurden<br />

jeweils im Herbst und Frühjahr an<br />

zentralen Stellen Generalschauen<br />

durchgeführt, auf denen Taxatoren<br />

den aktuellen Wert des Pferdes<br />

schätzten. Auf der Grundlage dieses<br />

Gutachtens wurden die Beiträge erhoben,<br />

die je 100 Mark Taxationswert<br />

eine halbe Mark betrugen.<br />

Erschien ein Vereinsmitglied mit<br />

seinen Pferden nicht auf dem<br />

Schauplatz, kamen die Taxatoren zu<br />

ihm nach Haus. Hierfür musste jedoch<br />

ein Strafgeld von 5 Mark entrichtet<br />

werden. 5 Taxatoren bildeten<br />

zusammen mit dem Rechnungsführer<br />

den Vorstand des Versicherungsvereins.<br />

Der Rechnungsführer war<br />

auch gleichzeitig der Vorsitzende.<br />

Den ersten Vorsitz übernahm der<br />

Hofbesitzer Hartwig Tiedemann aus<br />

Brokreihe. Nach dem ersten Weltkrieg<br />

ruhte der Versicherungsverein,<br />

bis er schließlich auf der Generalversammlung<br />

vom 22. Oktober 1922


. P.!J!~PI ; ~YI~ I{~'-Q.!fii.~~ -' N0:~~!!.~!~!J~ ....... ........................................................................................................................................ 21.®.7}.<br />

Abb. 185:<br />

Protokollbuch jiir den Ringreiter= Verein "Sachsenbande= Neuendorf" neugegründet am Sonnabend den 18.<br />

April 1925. Motto: "Einigkeil macht stark. " Möge dies Wort allzeit Vorstand und Mitglieder beseelen und<br />

das gegenseitige Vertrauen stärken zum Segen des " Ringreiter= Vereins" und des gesamten deutschen Vaterlandes.<br />

Averfleth den 18. Apri/1925.<br />

Richard Meiforth, Vorsitzender.<br />

unter Anwesenheit von 31 Mitgliedern<br />

aufgelöst wurde. Das Restvermögen<br />

von 40.837 Mark wurde den<br />

Mitgliedern prozentual zurückerstattet.<br />

RINGREITEN<br />

Das Ringreiten gehört - oder besser<br />

,gehörte' - genauso zu unserer Gegend<br />

wie der Wind und das flache<br />

Land. Es war ein wesentlicher Bestandteil<br />

des kulturellen Lebens im<br />

ländlich geprägten norddeutschen<br />

Raum. Im Mittelalter war es vorwiegend<br />

bei den gesellschaftlich führenden<br />

Schichten beliebt, doch<br />

bereits im 17. Jahrhundert wurde es<br />

von den Bauern übernommen.<br />

Ringreiten ist ein Geschicklichkeits-


.ß®..® .. .... ........... .. .. ...................... ..................... ........... ................... ......................... ............ .... .. .................. ............. ß1-.~~ Rf:fl."~.~.<br />

wettkampf, bei dem ehemals die<br />

Wehrertüchtigung im Vordergrund<br />

stand, in den letzten hundert Jahren<br />

aber Traditionsbewusstsein und der<br />

gesellige Spaß eine immer größere<br />

Rolle einnahmen. Es sind vor allem<br />

ein gutes Auge, eine ruhige Hand,<br />

ein ,temperamentloses' Pferd und<br />

zum Schluss starke Nerven gefragt,<br />

wenn es darum geht vom galoppierenden<br />

Pferd aus einen Ring aus<br />

einer Klemmvorrichtung herauszustechen.<br />

Ursprünglich war in der Wilstermarsch<br />

das Rolandreiten sehr verbreitet.<br />

Ziel dieses Reiterspiels war<br />

es, eine auf einem Drehgestell montierte<br />

Holzpuppe durch Lanzenstoß<br />

gegen eine Hand der ausgebreiteten<br />

Holzarme in Rotation zu versetzen.<br />

Wer die meisten Körperdrehungen<br />

verursachte, wurde König. Jedoch<br />

musste man aufpassen, denn zu<br />

heftig ausgeführte Stöße verursachten<br />

Nackenschläge durch einen<br />

Aschenbeutel, der an der anderen<br />

Hand befestigt war. Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts verdrängten die torförmigen<br />

Ringbäume und Ringstecher,<br />

die in den Geest- und Moorsiedlungen<br />

gebräuchlich waren, die Rolandfiguren.<br />

An dieser letzteren Form des Ringreitens<br />

hat sich innerhalb des letzten<br />

Jahrhunderts nichts verändert,<br />

lediglich das Drumherum wandelte<br />

sich. Während in der ersten Hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts die Reiterfeste<br />

mit Festumzügen durchs Dorf<br />

begannen und sich die Teilnahmeberechtigung<br />

auf die männliche<br />

Bevölkerung beschränkte, ist das<br />

Ringreiten heute offen für die gesamte<br />

Familie, egal ob Jung oder<br />

Alt, ob Mann oder Frau.<br />

Dingreiterverein<br />

llsachsenbande-Neuendorf<br />

In der Gemeinde Neuendorf gab es<br />

zwei Ringreitervereine, den Ringreiterverein<br />

Sachsenbande-N euendorf<br />

und den Ringreiterverein Duckunder.<br />

Von beiden Vereinen ist jedoch<br />

bis auf wenige Erinnerungen nicht<br />

viel übrig geblieben. Vom Ringreiterverein<br />

Sachsenbande-N euendorf<br />

konnte nach einigem Suchen das<br />

alte Protokollbuch wiedergefunden<br />

werden. Es reicht bis 1925 zurück.<br />

An einem Sonnabend, dem 18.<br />

April 1925, wird darin die Neugründung<br />

des Ringreitervereins ,Sachsenbande-Neuendorf'<br />

unter dem<br />

Motto "Einigkeit macht stark" protokolliert.<br />

Dieser Neugründung ging<br />

zehn Tage vorher die Auflösung des<br />

alten Vereins gleichen Namens<br />

voraus. Leider wurde nicht vermerkt,<br />

warum und wieso der alte<br />

Verein aufgelöst wurde, obwohl<br />

doch derselbe Verein wiedergegründet<br />

wurde. Unverständlich ist die<br />

Auflösung insbesondere vor dem<br />

Hintergrund, dass 1928, d. h. drei<br />

Jahre nach Auflösung bzw. Neugründung<br />

des Vereins, das 30-jährige<br />

Bestehen des Ringreitervereins<br />

Sachsenbande-Neuendorf in Verbindung<br />

mit dem Ringreiterfest gefeiert<br />

wurde.<br />

Auch bei der Feststellung des Gründungsjahres<br />

gibt es Unstimmigkeiten.<br />

Ausgehend vom 30-jährigen<br />

Jubiläum im Jahre 1928 müsste der<br />

Verein demnach 1898 gegründet<br />

worden sein. Gustav Karstens<br />

berichtet dagegen in der Sachsenbander<br />

Chronik von einer Vereinsgründung<br />

beim Gastwirt Egge in<br />

Hinter-Neuendorf um die Jahrhundertwende,<br />

kurz nachdem am<br />

Himmelfahrtstag 1900 der Ringreiterverein<br />

Dückerstieg gebildet worden<br />

war. Leider gibt es keine Belege,


. RI.~~~.~~~n:.~ .............. ..................................................... ..... ............. ................................................................................................ il.®.ID..<br />

die den Sachverhalt klären könnten.<br />

Auf der Neugründungsversammlung<br />

erklärten 24 junge Männer ihren<br />

Beitritt. Richard Meiforth aus Averfleth<br />

wurde zum Vorsitzenden gewählt.<br />

Um Missverständnissen<br />

vorzubeugen, es handelt sich dabei<br />

nicht um den Altbürgermeister<br />

Meiforth aus Averfleth, da dieser zu<br />

dem Zeitpunkt gerade mal 7 Jahre<br />

alt war.<br />

Das erste Ringreiterfest fand am 14.<br />

Juni 1925 statt. Das Startgeld betrug<br />

damals für Mitglieder 2,00 Reichsmark<br />

und für Nicht-Mitglieder 3,50<br />

Reichsmark. Zur Volksbelustigung<br />

wurde für die Zuschauer Kegeln,<br />

Schießen, Topfschlagen, Ballwerfen,<br />

Damenkegeln und Weckerraten angeboten.<br />

Die Preise wurden vom<br />

Vorstand besorgt. Den Einnahmen<br />

von 460,50 Reichsmark standen<br />

Ausgaben von 395,00 Reichsmark<br />

gegenüber. Bereits ein Jahr später<br />

wurde das Vereinsgebiet auf Aebtissinwisch<br />

ausgedehnt. Da der Verein<br />

nicht bereit war ein Defizit in der<br />

Kasse des Verbandes (die Einnahmen<br />

beim Verbandsfest deckten<br />

nicht die Ausgaben) mitzufinanzieren,<br />

trat der neu gegründete Verein<br />

kurzerhand aus dem Ringreiterverband<br />

Wilstermarsch aus.<br />

1930 erhielt Markus Schuldtaus<br />

Hinter-Neuendorf ein Ehrendiplom,<br />

weil er drei Mal nacheinander die<br />

Königswürde errungen hatte. Das<br />

Vereinsleben war sehr rege, neben<br />

dem Ringreiten wurden auch Boßelturniere,<br />

Maskeraden und Festbälle<br />

ausgerichtet.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges<br />

pausierte der Ringreiterverein. Kurz<br />

nach dem Krieg waren dann die<br />

meisten jungen Männer zunächst<br />

Mitglied im Ringreiterverein<br />

Dückerstieg, bis am 9. April 1951<br />

im Handelshof eine Wiedergründungsversammlung<br />

des Ringreiter-<br />

' .<br />

•<br />

';\<br />

•<br />

lf ~:~<br />

vereins Sachsenbande-N euendorf<br />

stattfand. Hans Fischer aus Achterhörn,<br />

noch ein Ringreiter aus der<br />

Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg,<br />

wurde zum Vorsitzenden gewählt.<br />

Es wurde beschlossen, das Ringreiten<br />

in alter Tradition durchzuführen.<br />

Am 25. August 1957 fand beim<br />

Gastwirt Julius Behrens das bereits<br />

seit 1946 durchgeführte VergleichsringreHen<br />

zwischen den Verbänden<br />

Geest und Marsch statt. In diesem<br />

Wettkampf gelang es der Marsch<br />

wie im Vorjahr den Sieg zu erringen.<br />

In dieser Zeit erlebte das Ringreiten<br />

noch eine kurze Hochblüte.<br />

Nach Aussage von Klaus Franzenburg<br />

aus Achterhörn wird der Verein<br />

Sachsenbande-Neuendorf am<br />

30. April 1964 zum ersten Mal im<br />

Protokollbuch des Ringreitervereins<br />

Dückerstieg erwähnt.<br />

D ingreiterverein<br />

ftouckunder-Averfleth<br />

Obwohl das Vereinslokal des Ringreitervereins<br />

Duckunder-Averfleth<br />

in der Nachbargemeinde Nortorf<br />

lag, kamen viele Vereinsmitglieder<br />

aus der Gemeinde Neuendorf. Insgesamt<br />

war die Mitgliedschaft der<br />

Vereine weniger an kommunalen<br />

Grenzen denn an örtlicher Nähe<br />

Abb. 186: Kranzniederlegung<br />

am<br />

Ehrenmal in<br />

Hackeboe.


.~@@ ..................................... ........ .................... ........................................................... .. ...................... .............................. R~.~~~!m~"U.'N.<br />

Abb. 187: Verbands-Paka/ringreiten<br />

1955 auf<br />

dem Duckunder.<br />

Beim Pokalringreiten<br />

am 19. Juni<br />

1960 belegte der<br />

Ringreiterverein<br />

Duckunder mit<br />

81 Ringen den<br />

5. Platz.<br />

orientiert, d. h. man trat dem Verein<br />

bei, der am nächsten war. Leider<br />

sind jegliche Unterlagen über den<br />

Verein nach der Schließung des<br />

Vereinslokals 1974 (zu dem Zeitpunkt<br />

bestand der Verein schon<br />

lange nicht mehr) 'verschütt gegangen',<br />

so dass sich die Ausführungen<br />

auf Erzählungen stützen. Trotzdem<br />

hat sich Johannes Rehder als aktiver<br />

Reiter aus den fünfziger Jahren um<br />

die Aufarbeitung bemüht.<br />

Das letzte Ringreiten im Zweiten<br />

Weltkrieg fand 1940 statt. Da die<br />

Reitbrüderschaft Nortorf dasselbe<br />

Lokal nutzte, schlossen sich die<br />

Vereine in den Kriegsjahren zusammen<br />

und veranstalteten den letzten<br />

Festball im Januar 1941 gemeinsam.<br />

Nach Kriegsende trennten sich die<br />

beiden Vereine jedoch wieder. Im<br />

Mai 1946 wurde erstmals wieder<br />

ein Ringreiterfest durchgeführt. Zu<br />

der Zeit war Ernst-Albert Boll Vorsitzender.<br />

Als dieser 1947 heiratete,<br />

löste Henning Mehlert ihn ab.<br />

Anfang I Mitte der 50er Jahre übernahm<br />

dann der Landwirt Max Tiedemann<br />

vom Austrich den Vorsitz.<br />

Ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte<br />

war die Ausrichtung des<br />

Pokalringreitens des Ringreiterverbandes<br />

Wilstermarsch am 5. Juni<br />

1955. Der Ringreiterverein Duckunder<br />

nahm zwar nur den 5. Platz ein,<br />

in der Mannschaftsbewertung (Haltung<br />

von Pferd und Reiter) belegte<br />

er aber den 1. Platz. Das Pokalringreiten<br />

fand auf dem ,Boddelboom'<br />

statt. Das normale Ringreiten wurde<br />

jedoch auf dem ,Ringriderstück'<br />

zwischen dem Gemüsegarten und<br />

der Straße beim Duckurrder abgehalten.<br />

R<br />

ingreiten<br />

in den<br />

50er Jahren<br />

Albert Karstens aus Sachsenbande<br />

und Johannes Sehröder aus Wilster<br />

erzählen von ihrer Ringreiterzeit in<br />

den fünfziger Jahren: Wenige<br />

Wochen vor dem Ringreiterfest wurden<br />

auf einer Versammlung der


-~-~~){.ur~.\'1 .................................................................. ................................................................................... ............................. ... ~@il.<br />

genaue Ablauf in allen Einzelheiten<br />

besprochen. Es wurden die Ehrendamen<br />

sowie Ehrenherren bestimmt<br />

und die Einsätze festgelegt. Anfang<br />

der fünfziger Jahre haben ausschließlich<br />

junge, unverheiratete<br />

Männer teilgenommen. Man trat in<br />

der Regel als Schulabgänger dem<br />

Ringreiterverein bei und blieb bis<br />

zur Heirat Mitglied. Sowieso war<br />

das Ringreiten vorwiegend etwas für<br />

die jungen Leute. Die Ehrendamen<br />

wurden aus den jungen, unverheirateten<br />

Mädchen der Gemeinde ausgewählt.<br />

Sie trugen zur Kennzeichnung<br />

eine Schärpe, bei den Reitern<br />

wurde auf einheitliche Kleidung<br />

(weiße Jacken und Mützen) und<br />

Pferdeschmuck Wert gelegt. Im<br />

Ringreiterverein N euendorf -Sachsenbande<br />

wurden sechs Ehrendamen<br />

gewählt, die mit der Betreuung<br />

der Spiele beauftragt waren. Zudem<br />

mussten sie einen Kranz über die<br />

Straße sowie Ehrenkränze für die<br />

Pferde binden. Die Ehrenherren<br />

waren für die Beaufsichtigung der<br />

Ringbäume und Schießstände zuständig.<br />

Eine Woche vor dem Fest<br />

besorgten Delegierte des Vorstandes<br />

die Geschenke und Ehrenpreise. Die<br />

Reiterspiele hatten stets die gleiche<br />

Reihenfolge. Begonnen wurde -<br />

jeweils sonn- bzw. feiertags -bereits<br />

Ende April in Vaalermoor, dann<br />

kamen Krummendiek (1. Mai),<br />

Dückerstieg (Himmelfahrt), Duckunder<br />

(3. Sonntag im Mai), Neuendorf<br />

und so weiter. Das Ringreiten selbst<br />

begann mit einem Festumzug zum<br />

Ehrenmal in Sachsenbande. Vorneweg<br />

gingen die Musiker, gefolgt vom<br />

Vorjahreskönig und den anderen<br />

Reitern. Den Abschluss bildeten die<br />

übrigen Dorfbewohner. Geritten<br />

wurde auf dem Schulweg bei der<br />

alten Schule in Sachsenbande, wo<br />

zwei Ringbäume hintereinander<br />

aufgestellt waren. Nach dem ersten<br />

Durchgang vom Handelshof aus,<br />

sammelten sich die Reiter auf dem<br />

Schulhof und im nächsten Durchgang<br />

ging es wieder zurück.<br />

König wurde, wer am Ende die<br />

meisten Ringe gestochen hatte. Bei<br />

Ringgleichheit gab es ein Stechen.<br />

Abb. 188: Die<br />

Ehrendamen beim<br />

geschlossenen<br />

Ringreiten des<br />

Ringreitervereins<br />

Sachsenbande­<br />

NeuendOJ:f am<br />

15. August 1954.<br />

Beim vereinsinternen<br />

Ringreiten<br />

durften<br />

neben den unverheirateten<br />

auch<br />

bereits verheiratete<br />

Frauen<br />

Ehrendamen sein.


.~@.3 ........... ......... ....................... .. ......................... ............ ...................................................... ................................ .... R~.~~!!WI'U!,~.<br />

Waren dann alle Plätze ausgeritten,<br />

kam die Siegerehrung. Anfang der<br />

50er Jahre durfte nur einer aus dem<br />

eigenen Verein König werden, auch<br />

wenn ein Auswärtiger eindeutig<br />

besser gestochen hatte. So blieben<br />

die Hauptpreise im Verein. Der<br />

Zweitplatzierte und weitere Platzierungen<br />

konnten dagegen von auswärts<br />

kommen. Wenn ein Reiter<br />

während des Wettkampfes vom<br />

Pferd gefallen war, wurde er zum<br />

Trost zum Sandkönig gewählt. Im<br />

Anschluss an die Siegerehrung<br />

wurde der König nach Hause geleitet,<br />

wo er noch einen Köm ausgab.<br />

Doch was wäre ein König ohne<br />

Königin? In früheren Jahren wählte<br />

der König seine Königin noch<br />

selbst, indem er ihr eine Krone<br />

aufsetzte, doch in diesem Jahrhundert<br />

wurde die Königin durch Topfschlagen<br />

ermittelt. Dabei musste das<br />

Mädchen mit verbundenen Augen<br />

auf den Topf zulaufen und diesen<br />

mit einem Stock treffen. Pro Versuch<br />

hatte das Mädchen 3 Schläge.<br />

Diejenige mit der höchsten Topfzahl,<br />

d. h. die den Topf am häufigsten<br />

getroffen hatte, wurde zur<br />

Königin gekürt.<br />

Derweilen vergnügten sich die<br />

restlichen Zuschauer bei den zahlreichen<br />

Volksbelustigungen. Es gab<br />

zwei Schießstände, an denen auf<br />

Scheiben geschossen wurde, eine<br />

kleine Kegelbahn, Bohnenraten -<br />

wobei die Anzahl der Bohnen in<br />

einem kleinen Fass erraten werden<br />

musste - sowie Weckerraten. Hierbei<br />

wurde ein Wecker von Uhren-Mohr<br />

in Wilster gekauft, aufgezogen,<br />

verpackt und es musste geraten<br />

werden, zu welcher Uhrzeit der<br />

Wecker stehen geblieben ist.<br />

Abends wurde dann beim Ringreiterball<br />

im Handelshof getanzt. Dort<br />

fand auch die Preisverleihung statt.<br />

Die Tanzvergnügen dauerten meist<br />

bis in den nächsten Morgen. Gemäß<br />

einer Polizeiverordnung musste für<br />

Veranstaltungen dieser Art das Amt<br />

Wilster-Land eine Tanzerlaubnis<br />

erteilen, diese galt von 19.00 bis<br />

3.00 Uhr in der Früh.<br />

U<br />

nd<br />

":"as sonst noch<br />

passterte.<br />

Eine Geschichte, die von der guten<br />

Stimmung auf diesen Reiterfesten<br />

zeugt, wird bei passender Gelegenheit<br />

immer wieder gern von Hans<br />

Fischer zum Besten gegeben. 1936<br />

waren sowohl Hans Fischer als<br />

auch Willi Schmidt als Soldaten in<br />

Rendsburg stationiert. Das hielt sie<br />

aber nicht davon ab, am Ringreiten<br />

teilzunehmen und Willi Schmidt<br />

wurde sogar König. Beim anschließenden<br />

Fest haben sich die beiden<br />

daraufhin gehörig einen ,geballert'.<br />

Da sie am nächsten Morgen jedoch<br />

pünktlich wieder in Rendsburg antreten<br />

mussten, machten sie sich -<br />

,duun' wie sie waren - noch nachts<br />

mit dem Fahrrad auf den Weg. Als<br />

sie trotzdem mit Verspätung in<br />

Rendsburg eintrafen, zeigte ihr Vorgesetzter<br />

glücklicherweise Verständnis.<br />

Eine andere Geschichte fiel Alfred<br />

Klukas ein, als Johannes Rehder ihn<br />

im Zusammenhang mit dem RingreHerverein<br />

Duckunder befragte. Die<br />

Ehrenpreise wurden in der Regel<br />

von der Gastwirtin Frieda Stahl und<br />

dem jeweiligen Vorstand gemeinsam<br />

besorgt. Auf einer solchen Tour<br />

sollten sie einmal einen geräucherten<br />

Schinken von Fiete Herzog abholen.<br />

Da ihnen jedoch beim<br />

Anblick des Schinkens das Wasser<br />

im Munde zusammenlief, konnten<br />

sie sich nicht beherrschen und<br />

verspeisten ihn zur Hälfte.


. Ri.~G!ill !T~.~ ................ ................................................................... ................................................................... .. .............................. ~@~}.<br />

Reumütig erinnerte sich Richard<br />

Looft, selbst lange Jahre Schriftführer<br />

des Ringreitervereins Sachsenbande-Neuendorf,<br />

an ein nicht<br />

gerade als korrekt einzustufendes<br />

Verhalten des Vorstandes.<br />

Da das Wetter sich beim geschlossenen<br />

(vereinsinternen) Ringreiten im<br />

Sommer 1954 nicht von seiner<br />

besten Seite zeigte - es regnete ununterbrochen<br />

- war das Ringreiten<br />

entsprechend schlecht besucht. Aus<br />

diesem Grunde brachten die angebotenen<br />

Volksbelustigungen nicht<br />

die erwarteten Einnahmen, so dass<br />

sich der Vorstand gezwungen sah,<br />

"die Geschenke, welche mit Rückgaberecht<br />

gekauft waren, anders zu<br />

gruppieren und einzustufen." 121 Rein<br />

wirtschaftlich betrachtet, war das<br />

ein verständliches Vorgehen, welches<br />

aber bei bekannt werden für<br />

einige Tumulte sorgte, da sich so<br />

mancher Gast schon auf die vorher<br />

ausgestellten Preise gefreut hatte.<br />

Dingreiterverband<br />

.ftMarsch-Geest<br />

Die einzelnen Ringreitervereine der<br />

Wilstermarsch sind dem Ringreiterverhand<br />

Marsch-Geest angeschlossen.<br />

Dieser koordiniert die<br />

Reiterspiele der Vereine. Zudem<br />

organisiert er zum Abschluss der<br />

Saison alljährlich ein Verbandsringreiten<br />

auf dem Colosseumplatz in<br />

Wilster (das heute gleichzeitig mit<br />

dem Bauernmarkt stattfindet) als<br />

Einzelwettbewerb.<br />

Reihum wird außerdem von den<br />

einzelnen Vereinen das Pokalringreiten<br />

des Verbandes ausgerichtet.<br />

Jeder Verein stellt seine fünf besten<br />

Senioren und drei Junioren jeweils<br />

in einer Mannschaft zusammen und<br />

am Ende wird ermittelt, welcher<br />

Verein die beste Mannschaft hat.<br />

Früher, als es sowohl einen Marschverband<br />

als auch einen Geestverband<br />

gab, fand einmal im Jahr ein<br />

Vergleichsringreiten der Verbände<br />

Marsch und Geest gegeneinander<br />

statt. Dazu stellte jeder Verband erst<br />

Abb. 189: Die<br />

Musiker wurden<br />

in einer Karre<br />

kutschiert.


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Abb. 190: Vorderund<br />

Rückseite des<br />

Wimpels in den<br />

Vereinsfarben<br />

bordeauxrot und<br />

schwarz.<br />

30, später nur noch 25 Reiter aus<br />

den einzelnen Vereinen zu einer<br />

Mannschaft zusammen, die dann<br />

gegeneinander antraten. Am 25.<br />

März 1971 erfolgte der Zusammenschluss<br />

der beiden Verbände.<br />

Zur Zeit sind 11 Vereine im Verband<br />

Mitglied, wobei der Kanal<br />

schon längst nicht mehr die Grenze<br />

darstellt, da zum Beispiel auch<br />

Hochdonn, Buchholz und Kuden<br />

Mitglied sind. Grund hierfür ist das<br />

Fehlen eines Verbandes auf Dithmarscher<br />

Gebiet und die weite<br />

Entfernung zu den nächsten aktiven<br />

Ringreitervereinen in Heide und<br />

Hemmingstedt.<br />

HSV<br />

,HSV', wer denkt da nicht automatisch<br />

an den Hamburger Sportverein?<br />

Doch was hat der Hamburger<br />

SV mit der Gemeinde Neuendorf zu<br />

tun? Bis auf die Abkürzung und<br />

Fußball eigentlich nichts. ,HSV' ist<br />

hier nämlich die Abkürzung für den<br />

,Sportverein Hinter-Neuendorf', der<br />

1965 ins Leben gerufen wurde. Den<br />

1. Vorsitz hatte Uwe Engel. Im darauffolgenden<br />

Jahr übernahm Martin<br />

Brandt das Amt und ab 1967<br />

war Erich Haase Vorsitzender. Gerhard<br />

Hollmer war Trainer. Der<br />

,Handelshof' in Hinter-Neuendorf<br />

wurde zum Vereinslokal auserkoren,<br />

da der Gastwirt Thies Behrens zur<br />

eingeschworenen Fangemeinde<br />

zählte. So manches Mal spendierte<br />

er einen ,Stiefel' Bier. Weitere Sponsoren<br />

waren die Halstenbrauerei­<br />

Niederlassung Schulz und die<br />

Bavaria-Niederlassung Hinz in<br />

Wilster sowie der Kaufmann Erwin<br />

Motte aus Sachsenbande.<br />

Die Spieler kamen vorwiegend aus<br />

dem Einzugsgebiet der alten Sachsenbander<br />

Schule, ebenso waren<br />

aber auch Sportkameraden aus<br />

anderen Orten willkommen. Von<br />

den Beiträgen (anfangs 5 DM, später<br />

nur noch 3 DM monatlich) wurden<br />

Fußbälle, Pfeife, Spielführerbinde,<br />

Trikots, Wimpel und dergleichen<br />

angeschafft. Die Vereinsfarben<br />

waren bordeauxrot (Trikot) und<br />

schwarz (Stutzen und Hose).<br />

Der HSV war eine Freizeitmannschaft,<br />

die in der Regel Sonntagmorgen<br />

gegen verschiedene<br />

Hobbymannschaften spielte, wie<br />

zum Beispiel Betriebs- und Kneipenmannschaften<br />

aus Itzehoe oder<br />

andere Dorfmannschaften. Zu jener<br />

Zeit hatte fast jede Gemeinde eine<br />

eigene Fußballmannschaft. Einmal<br />

im Jahr wurde in Wacken ein Dorf-


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pokalturnier ausgetragen. Mit von<br />

der Partie waren die Spielgemeinschaften<br />

Dückerstieg, Ecklak, Flethsee,<br />

Kaaks und Nortorf. Mittags gab<br />

es Erbsensuppe vom ,Handelshof'<br />

und abends traf man sich in der<br />

Gaststätte ,Zum Dückerstieg'. Meist<br />

entschied die Dückerstieger Mannschaft<br />

diese Turniere für sich. Aus<br />

all diesen Dorfmannschaften hat<br />

sich letztendlich der FC Flethsee<br />

herausgebildet.<br />

Trainiert wurde nur unregelmäßig<br />

und wenn, dann musste der Verein<br />

Abb. 191: Einige<br />

aktive Spieler des<br />

Vereins (von links,<br />

stehend): Rudolf<br />

Schmidt, Ewald<br />

(Eie) Krämer,<br />

Reinhard<br />

Kneesch, Helmut<br />

Heesch, Lemcke<br />

hockend: Rolf<br />

Junge, Heinz<br />

Heesch, Erich<br />

Haase, Dieter<br />

Krämer, Detlef<br />

Feldmann.<br />

Abb. 192: Kurz<br />

vor Spielbeginn in<br />

Kaaks. Da es damals<br />

noch keine<br />

Umkleidekabinen<br />

gab, wurden<br />

kurzerhand die<br />

Autos als Umkleidekabine<br />

genutzt.<br />

Geduscht hat man<br />

sich anschließend<br />

zu Hause.


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Abb. 193: In<br />

dieser Spielformation<br />

wurde so<br />

manches Spiel<br />

gewonnen.<br />

Abb.J94: Zur<br />

Faschingszeit<br />

wurde im Vereinslokal<br />

"Handelshof"<br />

Maskerade<br />

gefeiert.<br />

nach Wacken bzw. Kaaks ausweichen,<br />

da die Gemeinde Neuendorf<br />

keinen Sportplatz hatte. Genau über<br />

den Bolzplatz in Kaaks führte eine<br />

Stromleitung, die das Dorf mit Elektrizität<br />

versorgte. Das ein oder andere<br />

Mal verfing sich ein Hochball<br />

derart unglücklich in den Drähten,<br />

dass durch einen Kurzschluss kurzfristig<br />

die Stromversorgung in einigen<br />

Bereichen des Dorfes<br />

unterbrochen war.<br />

Kaum angefangen näherte sich die<br />

Karriere des Sportvereins Hinter­<br />

Neuendorf bereits 1968 wieder dem<br />

Ende zu. Paradoxerweise wollte die<br />

Mannschaft zu dem Zeitpunkt<br />

eigentlich sogar an den Punktspielen<br />

auf Kreisebene teilnehmen.<br />

Jedoch benötigte sie hierfür einen<br />

eigenen Sportplatz. Einen entsprechenden<br />

Antrag lehnte die Gemeindevertretung<br />

allerdings ab, weil sie<br />

entweder die Mannschaft nicht so<br />

ganz ernst genommen hatte oder<br />

den Sportsfreunden bis auf Feiern<br />

nicht besonders viel zutraute. 1979,<br />

kurz vor Pfingsten, soll der Verein<br />

dann offiziell aufgelöst worden sein.<br />

Zusätzlich zum Fußballspielen<br />

verbrachten die Sportskollegen so<br />

manche Stunde gemeinsam bei<br />

anderen Unternehmungen. Ob bei<br />

Boßelturnieren oder Fußballfesten,<br />

Kegelabenden oder Vatertagstouren,<br />

der Spaß stand immer im Vordergrund.<br />

Reinhard Kneesch beschreibt<br />

den Sportgeist der Mannschaft<br />

folgendermaßen: "Vom Ergebnis her<br />

nicht immer die Besten, aber<br />

meistens die Lustigsten." So ließen<br />

sie sich zum Beispiel nicht davon<br />

abhalten, trotz hoher Schneedecke<br />

auf dem Sportplatz in Wacken ein<br />

Spiel auszutragen, obwohl die gegnerische<br />

Mannschaft bereits abgesagt<br />

hatte - getreu ihrem<br />

Vereinsmotto: ,immer bereit'.


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LANDFRAUENVEREIN<br />

<strong>WILSTER</strong>MARSCH 122<br />

Der Landfrauenverein Wilstermarsch<br />

ist mit seinen gut 400 Mitgliedern<br />

ein Ortsverein der größten<br />

Interessenvertretung für Frauen im<br />

ländlichen Raum innerhalb<br />

Deutschlands. Mehr als 550.000<br />

Mitglieder zählt der Deutsche Landfrauenverband.<br />

Weltweit sind 8,5<br />

Millionen Landfrauen aus 70 Ländern<br />

im Weltlandfrauenverband<br />

organisiert. 123<br />

Begonnen hatte alles vor gut 100<br />

Jahren in Ostpreußen, nahe der<br />

kleinen Stadt Rastenburg. Die Gutsbesitzerfrau<br />

Elisabet Boehm kämpfte<br />

für die Anerkennung der Bäuerin<br />

als Berufszweig und setzte sich für<br />

die Aus- und Fortbildung der Landfrauen<br />

ein. Zu ihrer Zeit, im ausgehenden<br />

19. Jahrhundert, fanden die<br />

Frauen lediglich als Ehefrauen ihrer<br />

Männer Anerkennung. Die Bedeutung<br />

und Leistung der Landfrau für<br />

die Land- und Volkswirtschaft wurden<br />

nicht erkannt und gewertet<br />

sowie der durch ihre Arbeit entstandene<br />

Ertrag in keiner Weise gemessen<br />

wurde. Um die Situation der<br />

Landfrauen zu verbessern, strebte<br />

Elisabet Boehm einen vereinsmäßigen<br />

Zusammenschluss städtischer<br />

Konsumentinnen und ländlicher<br />

Produzentinnen an. Am 2. Februar<br />

1898 gründeten 15 Frauen aus dem<br />

Kreis Rastenburg den ersten ,Landwirtschaftlichen<br />

Hausfrauenverein'<br />

in Deutschland. 1905 schlossen sich<br />

die damals bestehenden 14 Vereine<br />

zu einem Verband zusammen, mit<br />

dem Ziel, die erste landwirtschaftliche<br />

Haushaltungsschule für Frauen<br />

einzurichten.<br />

An der Westküste Schleswig-Holsteins<br />

entstanden derartige Vereine<br />

erst in den späten 20er Jahren des<br />

20. Jahrhunderts. Am 2. November<br />

1927 gründeten 29 aktive Landfrauen,<br />

allen voran Cäci Krey aus St.<br />

Margarethen, im damaligen ,Wilstermarschhaus'<br />

in Wilster den "Landwirtschaftlichen<br />

Hausfrauenverein<br />

für die Wilstermarsch".<br />

1934 wurden die landwirtschaftlichen<br />

Hausfrauenvereine als eigenständige<br />

Organisation aufgelöst und<br />

dem Reichsnährstand eingegliedert.<br />

Doch schon ein Jahr nach Beendigung<br />

des Zweiten Weltkrieges<br />

erweckte Cäci Krey den Landfrauenverein<br />

am 9. Mai 1946 zu neuem<br />

Leben. 1951 kam es zur Gründung<br />

Abb. 195: Darbietung<br />

der Hackeboer<br />

Landfrauen<br />

im Colosseum<br />

(1984).


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Abb. 196: Der<br />

Tanzkreis der<br />

Landfrauengruppe<br />

Wilstermarsch<br />

bei einer Veranstaltung<br />

im Colosseum<br />

im Jahre<br />

1984.<br />

der ,Kreisgemeinschaft für Landfrauen',<br />

die 1968 in ,Landfrauenkreisverein<br />

Steinburg' umbenannt<br />

wurde.<br />

Dieser Landfrauenverband hat sich<br />

zum Ziel gesetzt, seine Mitglieder<br />

durch Information und Weiterbildung<br />

auf beruflichen, sozialen,<br />

politischen, kulturellen und allgemeinbildenden<br />

Gebieten zu fördern.<br />

Er befasst sich mit allen Fragen, die<br />

für die Arbeit und das Leben im<br />

ländlichen Raum von Bedeutung<br />

sind. So haben die Steinburger<br />

Ortsvereine sehr viel für die Ausund<br />

Fortbildung der Landfrauen<br />

getan. In Seminaren, Kursen, Vortragsveranstaltungen<br />

und auf Reisen<br />

werden zeitgemäße Themen behandelt.<br />

In Zusammenarbeit mit der<br />

Landwirtschaftsschule Itzehoe<br />

haben mehrere Mitglieder in den<br />

letzten Jahren die Prüfung zur landwirtschaftlichen<br />

Hauswirtschafterin<br />

und Hauswirtschaftsmeisterin<br />

bestanden. Ebenso haben einige die<br />

Weiterbildung zur Altenpflegehelferin<br />

absolviert. Weitere Stichworte<br />

sind Urlaub auf dem Bauernhof,<br />

Direktvermarktung, Servicebörse<br />

und vieles mehr. Neben dem Lernund<br />

Bildungsangebot prägen zahlreiche<br />

gesellige Zusammenkünfte<br />

wie beispielsweise Ausflüge, Sommerfeste,<br />

Erntedank-und Weihnachtsfeiern<br />

das Vereinsleben.<br />

Der langjährigen Vorsitzenden Erna<br />

Gravert (1966 bis 1984) ist es zu<br />

verdanken, dass die im ausgehenden<br />

18. Jahrhundert so reichen und<br />

anmutigen Bauerntrachten der<br />

Wilstermarsch wieder zum Brauchtum<br />

gehören. Erna Gravert, Tochter<br />

der Gründerin Cäci Krey, konnte<br />

sich aus ihren Kindertagen noch an<br />

eine Trachten-Tanzgruppe erinnern.<br />

Mit unendlicher Mühe und großem<br />

persönlichen Einsatz wurden Trachten<br />

nach alten Vorlagen und erhaltenen<br />

Reststücken wieder hergestellt<br />

und nachgenäht Als wichtigste<br />

Vorbilder wurden eine vollständig<br />

erhaltene Wilstermarschtracht mit<br />

eingestickter Jahreszahl (1793) aus<br />

dem Altonaer Museum und eine<br />

noch ältere Trachten-Hochzeitspuppe<br />

von 1729 aus dem Glückstädter


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Museum genommen. Es wurde<br />

gestickt, genäht und es wurden<br />

überlieferte Tänze einstudiert. Im<br />

März 1980 konnte der Landfrauenverein<br />

Wilstermarsch acht selbstgefertigte<br />

Wintertrachten nach<br />

historischem Vorbild vorstellen, im<br />

September waren acht Sommertrachten<br />

fertig. Mittlerweile sind<br />

auch Männer nach alten Vorlagen<br />

,benäht', schließlich brauchte man,<br />

wie es in den Marschen früher<br />

üblich war, Mittänzer.<br />

Abschließend bleibt nur noch zu<br />

sagen: die Gleichung Landfrau =<br />

Bäuerin stimmt nicht mehr. Die<br />

bäuerliche Situation ist eine andere.<br />

Wie auch schon im Kapitel zur<br />

Landwirtschaft dargestellt, sind nur<br />

noch ein geringer Prozentsatz aller<br />

Erwerbstätigen im Agrarsektor<br />

beschäftigt. Wo die Landfrau einst<br />

eingebunden war in den Familienbetrieb<br />

mit allen Rechten und<br />

Pflichten und einem differenzierten<br />

Wertgefüge, sind heute Nebenerwerb,<br />

Emanzipation, Verselbstständigung<br />

bis hin zum außerlandwirtschaftlichen<br />

Beruf das Gebot. Dies<br />

schlägt sich auch auf die Zusammensetzung<br />

der Mitglieder<br />

nieder. Lediglich ein Drittel der<br />

Mitglieder des Landfrauenverbandes<br />

sind noch Bäuerinnen. Diese Situation<br />

hat zu einem besseren Verständnis<br />

zwischen Stadt und Land<br />

geführt, nach dem Motto: Stadt und<br />

Land, Hand in Hand.<br />

197: Die Landjugendgruppe<br />

Wilster<br />

mit ihrer<br />

Tracht im Jahre<br />

1953.<br />

Die Gruppe wurde<br />

erstmals im<br />

Februar 1952<br />

gegründet und<br />

zählte anfangs<br />

nur 10 Mädchen.<br />

Doch schon bald<br />

traten auch einige<br />

Jungen der Landjugendgruppe<br />

bei.<br />

Hinsichtlich der<br />

Mitgliederzahlen<br />

herrschte ein<br />

ständiges Auf und<br />

Ab. 1978 musste<br />

die Gruppenarbeit<br />

sogar für einige<br />

Jahre eingestellt<br />

werden. 1981<br />

wurde die ,Landjugendgruppe<br />

Wilstermarsch'<br />

erneut gegründet.


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Abb. 198: Bei<br />

dieser Treibjagd<br />

1992 in Hackeboe/<br />

Vorder­<br />

Neuendorf haben<br />

die Jäger insgesamt<br />

57 Hasen,<br />

eine Ente sowie<br />

zwei Möwen<br />

geschossen.<br />

Jeweils im<br />

Dezember veranstaltet<br />

die Jagdgemeinschaft<br />

2 bis 3<br />

Treibjagden.<br />

Hierzu ist es<br />

üblich Gastjäger<br />

aus den benachbarten<br />

Gemeinden<br />

einzuladen. Treiber,<br />

häufig die<br />

Jagdgenossen<br />

selbst, scheuchen<br />

das Wild, i. d. R.<br />

die Feldhasen auf,<br />

und treiben es zu<br />

den Schützen, die<br />

an den Flanken<br />

und der Front<br />

Stellung beziehen.<br />

DIE <strong>NEUENDORF</strong>ER<br />

.. .... .. .... .. ... .. .. ..J~~P... ... ........... .. .. .. .. ...<br />

Zusammengetragen von<br />

Gerd Rohwedder, Kleve<br />

(ehemals Vorder-Neuendorf)<br />

Hierzulande steht das Jagdrecht<br />

dem Eigentümer auf seinem Grund<br />

und Boden zu. Die Ausübung der<br />

Jagd ist jedoch nur unter Berücksichtigung<br />

von gesetzlichen Vorschriften<br />

möglich. Hierzu gehört<br />

beispielsweise die Beachtung bestimmter<br />

Jagd- und Schonzeiten<br />

sowie die Einhaltung von Jagdbezirks-Mindestgrößen.<br />

Das war nicht<br />

immer so. Vom späten Mittelalter<br />

bis in die frühe Neuzeit war die<br />

Jagd dem Landesherrn und einigen<br />

Adeligen vorbehalten. Mit der Märzrevolution<br />

1848 wurde dieses Privileg<br />

aufgehoben und die Jagd für<br />

jedermann freigegeben. Dies führte<br />

jedoch innerhalb kürzester Zeit zur<br />

Vernichtung der Wildbestände.<br />

Bereits 1850 wurde deshalb in<br />

Bayern und Preußen das sogenannte<br />

Reviersystem eingeführt, mit dem<br />

Ziel einer nachhaltigen Hege zur<br />

Erhaltung eines artenreichen und<br />

gesunden Wildbestandes. Der<br />

Grundstein für unser heutiges Jagdrecht<br />

war gelegt: die Jäger mussten<br />

sich zum waidgerechten Jagen<br />

verpflichten, der erforderliche Jagdschein<br />

wurde an eine Jagdprüfung<br />

geknüpft und die bereits erwähnten<br />

Schonzeiten sowie das Wildschadensrecht<br />

wurden gesetzlich geregelt.<br />

Mit dem Reichsjagdgesetz von<br />

1934 wurde dem Tier- und Naturschutz<br />

Vorrang vor der Jagdausübung<br />

eingeräumt. Dieser Richtungswechsel<br />

wird in der heutigen<br />

Gesetzgebung mit ,naturnaher Jagd'<br />

umschrieben. Im Sinne der Nachhaltigkeit<br />

wurde der Abschussplan<br />

eingeführt. Hierauf vermerkt der<br />

Jäger den geschätzten Bestand des<br />

Rehwildes innerhalb seines Reviers<br />

und schlägt eine bestimmte Anzahl<br />

an Böcken, Ricken, Schmalrehe und<br />

Kitze (ca. ein Drittel des Bestandes)


.P.~ .. N.~ll.t;;~P.9.J:.l...f.~J:.l..JM~!?. ......................................... ................................................................... ................................................ ~aa.<br />

zum Abschuss vor. Daraufhin muss<br />

der Abschussplan von der Unteren<br />

Jagdbehörde des Kreises Steinburg<br />

genehmigt werden.<br />

Neuendorf ist ein reines Niederwildrevier<br />

mit einer Größe von<br />

1. 3 3 5 Hektar. Lange Zeit war das<br />

Revier in zwei Jagdbezirke unterteilt.<br />

Der Jagdbezirk I umfasste ungefähr<br />

850 Hektar und zwar die<br />

Gemarkung Hinter-Neuendorf mit<br />

Achterhörn, Averfleth und Stadtmoor.<br />

Den Jagdbezirklimit ungefähr<br />

500 Hektar bildeten Hove,<br />

Groß-Hackeboe und Vorder-Neuendorf.<br />

Der überwiegende Teil ist intensiv<br />

genutztes Grünland. In den<br />

letzten Jahren nimmt allerdings der<br />

Umbruch von Grünland in Ackerland<br />

zu, wo vorwiegend Getreide<br />

und Mais angebaut wird. Gerade in<br />

Zeiten, in denen weite Flächen des<br />

Grünlandes innerhalb weniger Tage<br />

gemäht und siliert werden, bieten<br />

die Ackerstandorte Deckung für das<br />

Niederwild. Des Weiteren bieten ca.<br />

4,5 Hektar Feldgehölze und Biotope,<br />

die in den vergangeneu Jahrzehnten<br />

von den Jägern geschaffen wurden,<br />

Rückzugsmöglichkeiten. Einzelne<br />

Jagdgenossen hatten die Flächen zu<br />

diesem Zweck für Aufpflanzungen<br />

gestiftet. Von den Niederwildarten<br />

ist im Revier das Rehwild mit zur<br />

Zeit ca. 30-35 Stück vertreten. Von<br />

denen müssen nach genehmigten<br />

Abschussplan jährlich 12-14 Stück<br />

Rehwild gestreckt werden. Weitere<br />

heimische Niederwildarten sind<br />

Feldhasen, Wildenten, seltener auch<br />

Wildgänse, Stockenten und Ringeltauben.<br />

Hingegen nicht bejagt werden<br />

Fasane und Rebhühner, da<br />

deren Bestand zu klein ist, um ihn<br />

waidgerecht zu bejagen. Als Raubwild<br />

kommen hier Fuchs, Steinmarder,<br />

Iltis und Wiesel sowie erstaunlicherweise<br />

auch Dachs vor. In den<br />

vergangenen 10 Jahren wurden 60<br />

Füchse und 5 Dachse erlegt. Die<br />

Zahl der erlegten Feldhasen ist stark<br />

rückläufig. Waren es in den 60er bis<br />

80er Jahren noch 150 Hasen Jahres-<br />

Abb. 199: Die<br />

Jagdgemeinschaft<br />

Neuendorf wurde<br />

1972 gebildet. Die<br />

ersten Mitglieder<br />

waren Otto und<br />

Ernst-Otto Prüß,<br />

Walter Reich/er,<br />

Gerd Rohwedder<br />

und Jürgen Voß.<br />

Im Jahr 2001<br />

setzt sich die<br />

Jagdgemeinschaft<br />

aus den oben<br />

abgebildeten<br />

Mitgliedern<br />

zusammen (v. 1.):<br />

Helmut Wilckens,<br />

Hermann Beimgraben,<br />

Ernst­<br />

Otto Prüß, Andrea<br />

Quandt-Tiedemann,<br />

Jens<br />

Quandt-Tiedemann,<br />

Jürgen<br />

Voß, Norbert<br />

Nagel und Gerd<br />

Rohwedder.


.~ ll~ ............ ................ ................. ................................................. ................ ............... .......................... P.m .. NW-!';~P.9..l.w.l'$ ]~.GP..<br />

Abb. 200: Jäger<br />

und Jagdgenossen<br />

bei Biotop-Pflegearbeiten,<br />

Mitte<br />

der 90er Jahre<br />

(von links): Helmut<br />

Wilckens,<br />

Thorsten Beimgraben,<br />

Willy<br />

Holm, Norbert<br />

Nagel. Bei den<br />

Biotopen handelt<br />

es sich zum Teil<br />

um jagdbare<br />

Flächen, die<br />

Jagdgenossen<br />

stifteten, um<br />

Rückzugsräume<br />

fiir das Niederwild<br />

zu schaffen.<br />

GleichzeUg dienen<br />

sie als Nistund<br />

Brutplätze fiir<br />

die Vogelwelt.<br />

Hierzu wurden die<br />

Flächen mit heimischen<br />

Gehölzen<br />

bepflanzt.<br />

In den Jahren<br />

1954-1999 wurde<br />

mit der Jagdgenossenschaft<br />

immer die Mindes<br />

tpachtdauer<br />

von 9 Jahre<br />

vereinbart. Der<br />

Pachtpreis lag bei<br />

60 Pfennig je<br />

Hektar. Dieser<br />

Betrag ist angehoben<br />

worden.<br />

Zur Zeit beträgt<br />

der Pachtpreis<br />

eine Mark je<br />

Hektar und das<br />

Jagdrevier ist seit<br />

1999 erstmals fiir<br />

die Dauer von 30<br />

Jahren an die<br />

hiesige Jagdgemeinschaft<br />

verpachtet.<br />

strecke, sind es in den letzten Jahren<br />

nur noch 50 Hasen. Die Jäger<br />

machen zum Teil die intensivierte<br />

Landwirtschaft und die Unterschutzstellung<br />

aller Greif- und<br />

Rabenvögel - mit der Folge, dass<br />

deren Bestand in den letzten Jahren<br />

sehr stark zugenommen hat - für<br />

den Rückgang verantwortlich.<br />

Die Jagdgenossenschaft Neuendorf<br />

setzt sich aus den Landeigentümern<br />

jagdbarer Flächen im Gemeindegebiet<br />

zusammen. Jagdgenossenschaftsvorsteher<br />

waren immer die<br />

jeweiligen Bürgermeister, obwohl<br />

dies nicht zwingend vorgeschrieben<br />

ist. Von 1954 bis 1972 waren so<br />

wenig Jagdberechtigte in der Gemeinde<br />

Neuendorf, dass der Pächter<br />

und Gastwirt Otto Prüß sen. vom<br />

Dückerstieg sich mit den Jägern aus<br />

den benachbarten Gemeinden<br />

Ecklak, Aebtissinwisch und Sachsenbande<br />

zu einer großen J agdgemeinschaft<br />

zusammengeschlossen<br />

hatte. Seit 1972 befindet sich das<br />

Jagdrevier in der Hand ortsansässiger<br />

Jäger, die auch gleichzeitig Jagdgenossen<br />

sind. Der Pachtpreis beträgt<br />

derzeit eine Mark je Hektar.<br />

Während früher der Jagdvorsteher<br />

einmal jährlich von Haus zu Haus<br />

gegangen ist, um den anteiligen<br />

Pachtpreis an die Jagdgenossen auszuzahlen,<br />

verzichten die Genossen<br />

heutzutage in der Regel auf eine<br />

Auszahlung. Von dem Geld richten<br />

die Jagdgenossen alle 3 Jahre ein<br />

Jagdgenossenschaftsfest aus. Die<br />

gemeinsamen Treibjagden mit<br />

anschließendem Schüsseltreiben<br />

(gemütliches Beisammensein) sind<br />

ein besonderer Höhepunkt und<br />

festigen das gute Verhältnis zwischen<br />

den Jägern und Jagdgenossen.<br />

Zu dem Aufgabenbereich eines<br />

Jägers zählen neben dem Jagdbetrieb:<br />

die Biotoparbeiten (beispielsweise<br />

Anpflanzungen), Pflege der<br />

Jagdeinrichtungen (Hochsitz) sowie<br />

die Ausbildung von Jagdhunden.<br />

Sowohl die Jägerausbildung als<br />

auch die Ausbildung der Jagdhunde<br />

ist sehr anspruchsvoll. Zur Jägerausbildung<br />

gehören theoretische<br />

Grundlagen sowie beispielsweise<br />

Fähigkeiten im Fallenbau, Kenntnisse<br />

in der Verwertung des Wildes<br />

und die Ausbildung im Schießen.


.Pm..Nmm.~P.Q&.I~.JAGP. ......................... ................. .. .............. .................................................................................................. ~ll!}.<br />

Abb. 201 (oben) und Abb. 202 (unten):<br />

Diese Aufnahmen entstanden im Zusammenhang mit der letzten schweren Schneekatastrophe im Winter<br />

1978/ 79. Die Felder lagen unter einer hohen Schneedecke begraben. Die hier wild lebenden Tiere wie<br />

beispielsweise Rehe, Hasen und Enten konnten kein Futter finden. Lediglich eine Quelle in Hinter-Neuendorfwar<br />

noch nicht zugeforen. Dort versammelten sich tagtäglich 400-500 Enten. Diefreilebenden Tiere<br />

litten in dieser Zeit große Not.<br />

Diefinanzielle Unterstützung des Kreises Steinburg und des Amtes Wilstermarsch ermöglichte es den hiesigen<br />

Jägern, die Tiere während dieses langen Zeitraumes zu flittern. Dank an dieser Stelle den Männern, die<br />

die Mühe und Arbeit auf sich genommen hatten und zahlreiche Tiere vor den Hungertod retteten. Vor dem<br />

Hintergrund wird die Achtung der Jäger gegenüber dem freilebenden Geschöpf deutlich. Ein verantwortungsbewußter<br />

Jäger übernimmt in der Regellediglich die Funktion der fehlenden natürlichen Feinde, um<br />

innerhalb seines Reviers eine gesunde Population zu gewährleisten. Dazu gehört Engagement, die Pflege<br />

des Reviers und genaue Kenntnisse der Verhältnisse vor Ort.


.~:Jlr~J .................................. ...... .. .. ............. ..................... ....................... ............. ......... ... ........... .......... .Q~ i ~iP,~.~ .. VN P. . t!IP~S.IJ !.~ .<br />

Q UELLEN UND<br />

LITERATUR<br />

I. ungedruckte Quellen<br />

Akten des Amtes Wilstermarsch<br />

Akten der Gemeinde Heuendorf b. Wilster<br />

Akten des Gemeinsamen Archivs des Kreises<br />

Steinburg und der Stadt ltzehoe<br />

Akten des Landesarchivs Schleswig-Holstein<br />

Akten des Stadtarchivs Wilster<br />

Beiträge zur Dorfchronik von Heuendorf aus drei<br />

Heimatkundearbeiten des 9. Schuljahres im<br />

Herbst 1956<br />

Gerber, Wolfram (1 990): " Wilhelm Nagel" I<br />

Manuskript, Karben<br />

Protokollbuch der Freiwilligen Feuerwehr<br />

Sachsenbande-Heuendorf<br />

Protokollbuch des Ringreitervereins<br />

Sachsenbande-Heuendorf<br />

Reese, Elfriede (1960): " Mein Heimatdorf in Wort<br />

und Bild" I handschriftliche Schulhalbjahresarbeit,<br />

Wilster<br />

Sammlung Hermann Beimgraben, Averjleth<br />

Sammlung Horst Reese, Hackeboe<br />

Satzung des Deich- und Hauptsielverbandes<br />

Wilstermarsch, 1977<br />

Schrift zur Honigflether Bockmühle vom Denkmalamt<br />

des Kreises Steinburg<br />

Schulchronik Sachsenbande<br />

Schulchronik Vorder-Neuendorf<br />

Statistisches Landesamt Schleswig-Ho!stein<br />

II. gedruckte Quellen<br />

Die Bauernhöf e der Wilstermarsch mit ihren<br />

Familien. Zusammengestellt und bearbeitet von<br />

Otto Egge, Wilster, 1983<br />

Freiwillige Feuerwehr Wilster (Hrsg.) (1982) :<br />

"Kreisfeuerwehrtag in Wi!ster : 112 Jahre<br />

Freiwillige Feuerwehr Wilster", Wilster<br />

ltzehoer Nachrichten<br />

Kreisf euerwehrverband Steinburg (1993): " 100<br />

Jahre Kreisfeuerwehrverband Steinburg ",<br />

ltzehoe<br />

Verlag von Dietrich Reimer in Berlin<br />

Voß, Bernd (2000): " Die Auswirkungen der neuen<br />

Milchquotenregelung", in: AG Ländliche<br />

Entwicklung I Fachbereich Stadtplanung<br />

Landschaftsplanung der Gesamthochschule<br />

Kassel (Hrsg.): arbeitsergebnisse : Von<br />

Quotenbörsen und Milchwegen (Heft 48),<br />

Kassel, S. 20-25<br />

Wilstersche Zeitung<br />

Wochenzeitung 'Die Zeit '<br />

111. Literatur<br />

BRUHN, Annegret; SCHWAB, Martin (1999):<br />

" Wege zur Schule von heute : Schulalltag und<br />

Schulreform in Schleswig-Holstein um 1800",<br />

Neumünster<br />

DETLEFSEN, (S. D. F.) (1 891): " Die Geschichte<br />

der holsteinischen Elbmarschen " (2 Bde.) I<br />

(Neudruck Kiel1976)<br />

FELDTMANN, Waldtraut (1997): " Das neue<br />

Brokdorf' I Gemeinde Brokdorf (Hrsg.)<br />

Brokdorf<br />

GEORGS, R. (1914): " Das Rotbunte Holsteiner<br />

Rind" I Zuchtbezirkj/.ir die Elb- und Wilstermarsch,<br />

Verband , Rotbunte Holsteiner' (Hrsg.),<br />

Hannover<br />

HALFPAP, Martin (1989): "Siedlungen und<br />

Wirtschaft der holsteinischen Elbmarschen<br />

unterhalb Hamburgs unter historisch-genetischem<br />

Aspekt einschließlich der Betrachtung<br />

der heutigen Situation", in: Oberbeck, Gerhard<br />

(Hrsg.): Mitteilungen der Geografischen<br />

Gesellschaft in Harnburg (Bd. 79), Wiesbaden<br />

JENSEN, Wilhelm (1 924a): " Die Wilstermarsch",<br />

in: Kreisausschuß der Heimatbuch-Kommisson<br />

(Hrsg.): Heimatbuch des Kreises Steinburg<br />

(Bd. 2), Glückstadt , S. 11 7-161<br />

JENSEN, Wilhelm (1924b): " Die Wilstermarsch",<br />

in: Kreisausschuß der Heimatbuch-Kommisson<br />

(Hrsg.): Heimatbuch des Kreises Steinburg<br />

(Bd. 2), Glückstadt , S. 162-202<br />

KARSTENS, Gustav (1984): "Chronik der<br />

Gemeinde Sachsenbande" I (Gemeinde<br />

Sachsenbande (Hrsg.)), Wilster<br />

KÜRTZ, Jutta (1997): " Einheit in Vielfalt : 50<br />

Jahre Landjl-auenverband Schleswig-Holstein<br />

e. V ", Landfrauenverband Schleswig -Holstein<br />

e. V (Hrsg.), Kiel


. N.l.ß.!.J,.J ! !\G.~.~!\Q)\:Y.I,\!~ ................ ................................................................................................................................... ................. ~.ll..~.<br />

LAUR. Wolfgang (1992): ,. Historisches Ortsnamenlexikon<br />

von Sch/eswig-Holstein ·· I (2.,<br />

völlig veränderte und erweiterte Auflage),<br />

Neumünster<br />

MÜLLER, Helmut M. (1990): ,.Schlaglichter der<br />

deutschen Geschichte", Bundeszentrale für<br />

polirische Bildung (Hrsg.), (2. akrualisierre und<br />

erweiterte Auflage, durchgesehene Ausgabe<br />

1993). Bonn<br />

OLDEKOP, H. (1908) . .. Topografie des Herzogtums<br />

Hofsleins einschließlich Kreis Herzogtum<br />

Lauenburg, Fiirsrentum Liibeck, Enklaven (8)<br />

der freien und Hansesradt Liibeck, Enklaven<br />

(4) der freien und Hansestadt Hamburg" (2<br />

Bde.) I (Neudruck Kiel 1974)<br />

SCHRÖDER. Johannes von; BIERNATZKI, Herm.<br />

(1856): .. Topographie der Herzogthiimer<br />

Holstein ... " I (Zweite neu bearbeitete<br />

Auflage), 0/denburg (in Ho/stein)<br />

SCHÜBELER, Hors/ (1995): ,.Landwirtschaft in<br />

Schleswig- Ho/srein : Bilddokumente zur<br />

Agrargeschichte" I (Band 11 Hof- und Hauswirtschaft)<br />

Schleswig<br />

Die verschiedenen plattdeutschen Textbeiträge<br />

wurden von meiner einstigen<br />

Klassenlehrerin Frauke Looft aus Peissen<br />

Korrektur gelesen, wofür ich mich an<br />

dieser Stelle nochmals herzlich bedanken<br />

möchte. Für die Schreibweise wurde das<br />

Hochdeutsch - Plattdeutsche Wörterbuch<br />

von Günter und Johanna Harte (1997)<br />

zugrunde gelegt.<br />

ABBILDUNGSNACHWEIS<br />

Akten im Amt Wilstermarsch:<br />

Abb. 129, 130, 131, 132, 133<br />

Amt Wilsterrnarsch:<br />

Abb. 142, 157 (Schenkung von Klaus Rehder)<br />

Georg Bader, Sachsenbande:<br />

Abb. 183<br />

Hermann Beimgraben, Averfleth :<br />

Abb. 3 (Verlag Dietrich Reimer, Berlin) 9<br />

(Georgs, 1914), 47, 53, 54, 65 (Georgs, 1914),<br />

146, 149, 182<br />

Familie Behrens, Hinler-Neuend01/<br />

Abb. 108. 109, 110<br />

Aenne Böllcher-Schoss, Stad/moor:<br />

Abb. 20<br />

Waller Balls, Wilster:<br />

Abb. 36<br />

Johannes Brand!, 1/zehoe:<br />

Abb. 35, 40. 46<br />

Marlin Brand!, Wilster:<br />

Abb. 169, 173, 176, 178, 181<br />

'Die Zeit ' vom 10.7. 1987, S. 52:<br />

Abb. 127<br />

Die Bauernhöfe der Wilstermarsch:<br />

Abb. I<br />

Hans Fischer, Stad/moor:<br />

Abb. 179<br />

Klaus Franzenburg, Achterhörn:<br />

Abb. 59, 70, 83, 138<br />

Fremdenverkehrs GmbH Krummhörn-Gree/siel<br />

(Hrsg.). Ferien- und Kulturlandschaft Krummhörn,<br />

Ostfriesland (Kar/enausschnill):<br />

Abb. 128<br />

Gemeinde Neuendorf:<br />

Abb. 120 (ausgestellt im Ami Wilslermarsch)<br />

Wolfram Gerber, Karben:<br />

Abb. 114<br />

Hans Haack, Hackeboe:<br />

Abb. 7, 17. 42, 44, 96, 98, 100. /0/, /2/, 122.<br />

123, 125, 126,<br />

Heinz Haack, Hackeboe:<br />

Abb. 3/, 99, 166<br />

Familie Heins, Hackeboe:<br />

Abb. 25. 89. 152, 153, 162, 195, 196, 197<br />

Rudolf Horslmann, Poßfeld:<br />

Abb. 90. 91.113,147<br />

Familie Jordy, Sy/1:<br />

Abb. 103


.~:ß.(~ .............. .......................... .......................................................................................................... ............. MH .I~J?Jil".G.~i'0.9~W.t!~.<br />

Elfriede Jüttner, Schweiz:<br />

Abb. 19<br />

Albert Karstens, Sachsenbande:<br />

Abb. 21, 43<br />

Hans Joachim Karstens, Vorder-Neuendo1f<br />

Abb. 28, 161, 186<br />

Familie Helmut Karstens, Wi/ster:<br />

Abb. 60<br />

K!eymann, 1983:<br />

Abb. II 7, 119<br />

Reinhard Kneesch, ltzehoe:<br />

Abb. 160, 191, 192, 194<br />

Familie Kramhöft, Hackeboe:<br />

Abb. 12, 14<br />

Kreisarchiv Steinburg StS/StA !tz., Bilderarchiv:<br />

Abb. 22 (x 7), 66 (x 300), 102 (x 10488), !58 (r<br />

10484)<br />

Kreisarchiv Steinburg StS/StA ltz., 1:<br />

Abb. 136<br />

Landes vermessungsamt Schleswig-Holstein, mit<br />

Genehmigung vom 14.12.2000 1-562.6 S 492100<br />

Abb. 24, 29<br />

Richard Looft, Aebtissinwisch:<br />

Abb. 188, 189<br />

Familie Mahlstedt, Hove:<br />

Abb. 32<br />

Familie Peter Marler, Hackeboe:<br />

Abb. 151<br />

Hauke Mehlert, Ecklak:<br />

Abb. 163<br />

Familie Richard Meiforth, Ave1jleth:<br />

Abb. 6, 38, 61 , 62, 143<br />

Familie Otto Nagel, Vorder-Neuendorf<br />

Abb. 88<br />

1rmgard Patzies, Vorder-Neuendorf<br />

Abb. 52<br />

I/se Peters, Ave1jleth:<br />

Abb. 144, 145<br />

Protokollbuch der Freiwilligen Feuerwehr<br />

Sachsenbande-Heuendorf<br />

Abb. 170<br />

Protokollbuch des Ringreitervereins<br />

Sachsenbande-Neuendorf"<br />

Abb. 185<br />

Edith Rech/in, Wilster:<br />

Abb. 116, 118<br />

Horst Reese, Hackeboe:<br />

Abb. 8, 15, 33, 34, 41, 51. 55, 56, 63, 67, 73,<br />

74, 75, 76, 86, 92, 105, !50, 154, !55<br />

RegionNord, ltzehoe:<br />

Abb. 2, 23<br />

Johannes Rehder, Ave1jleth:<br />

Abb. 27, 30, 39, 57, 68, 71, 72, 77, 78, 79, 80,<br />

8 1, 82, 84, 85, 168, 174, 180, 187<br />

Klaus Rehder, Wilster:<br />

Abb. 48, 49, 97<br />

Anke Rohwedder, ltzehoe:<br />

A bb. I 0, 11, 13, 45, 58 (nach einer Zusammenstellung<br />

von Hermann Beimgraben und<br />

Johannes Rehder), 93 (nach Angaben von<br />

Klaus Rehder), 94, 95, 104, 107, 111, 134,<br />

/39, 140, 148, !56, !59, 165 (laut Schulchronik<br />

Vorder-Neuendorj), 167, 172, 175,<br />

177, 184, 190, 193 (nach Angaben von<br />

Reinhard Kneesch)<br />

Gerd Rohwedder, Kleve:<br />

Abb. 16, 198, 199, 200, 201, 202<br />

Familie Karl-Otto Schütt, Vorder-Neuendo1j"<br />

Abb. 106<br />

Schübe/er, 1995:<br />

Abb. 87, II 2<br />

Schulchronik Vorder- Neuend01f<br />

Abb. 164<br />

Jochen Schwarck, Wilster:<br />

Abb. 135, 171<br />

Stadtarchiv Wi/ster:<br />

Abb. 18, 115<br />

Annegrete Thießen, Achterhörn:<br />

Abb. 4 (Postkartenmotiv), 5, 50, 64, 69, 13 7,<br />

141,<br />

Familie Max Tiedemann, Averjleth:<br />

Abb. 26, 124<br />

Erika Wildauer, Hackeboe:<br />

Abb. 37


A:-!~t~.'lliYNG. m\1 ......... ............................................................................................................................. .......................................... ::2.Jl.U..<br />

ANMERKUNGEN<br />

I) Halfpap, 1989, S. 7 jJ.<br />

2) E benda, S. 16<br />

3) Jensen, 1924a, S. 121<br />

4) Halfpap, /989, S. 55<br />

5) Ebenda.<br />

6) Ebenda, S. 56<br />

7) Ebenda, S. 96<br />

8) Hermann Beimgraben, Ave1j/e1h;<br />

21.6.2000, mdl.<br />

9) Dellefsen, /891, 1, S. 147<br />

I 0) Schröder, Biernalzki, 1856. 2, S. 184<br />

II) Halfpap, /989, S. 72<br />

12) Jensen, 1924b, S. 162<br />

/3) Dellefsen, 1891, 2, S. 7<br />

14) Laur, 1992, S. 114<br />

15) Dellefsen, 1891, 2, S. /II<br />

16) AufZeichnungen von Heinrich Brand!,<br />

Wilsler; nach Dokumenlen des Archivs der<br />

S!adl Wilsler, 1999<br />

17) Hermann Beimgraben, Averßelh;<br />

21.6.2000, mdl.<br />

/8) La ur, 1992, S. 134 f<br />

/9) Dellefsen, 1891, 1, S. 267<br />

20) Hermann Beimgraben, Ave1j/e1h;<br />

21.6.2000, mdl.<br />

21) Laur, 1992, S. 298<br />

22) Elfriede Reese, Hackeboe, im Rahmen einer<br />

unveröffenllichlen Halbjahresm·beil für die<br />

Schule im Jahre 1960<br />

23) Laur, 1992, S. 298<br />

24) Dellefsen, /89/, I, S. 54<br />

25) Verlag von Dielrich Reimer in Berlin<br />

26) Die alle Brennerkaie hol sichfrüher<br />

gegenüber der Zahnarzlpraxis von Dr.<br />

1mmo von S!ebul (Bischofer Weg I, Wils1e1)<br />

auf dem linken Auufer befunden. Von hier<br />

sladleinwärls muss der alle Mönchshof<br />

gelegen haben.<br />

(Johannes Suhl, Wilsler; 27.3.2000,<br />

lelefonisch)<br />

27) Culeman (1728) S. 381 in: Dellefsen, 1891,<br />

2, s. 12<br />

28) Dellefsen, /891 , 2, S. 12<br />

29) Ebenda, S. 45<br />

30) Schulchronik Vorder-Neuendorf /908<br />

31) Schrift zu der Honigfielher Bockmühle,<br />

Denkmalami des Kreises Sleinburg<br />

32) Lediglich die große Hackeboer Duchi lieg/<br />

im Gebiel der Gemeinde Heuendorf<br />

33) Smzung des Deich- und Hauplsielverbandes<br />

Wilslermarsch, 1977<br />

34) Dark isl die niederdeutsche Bezeichnung<br />

fiir eine bräunliche bis gräuliche Erdschicht<br />

aus vermoderlen Pßanzenresten, die<br />

keinerlei Nährstoffe enthä/1 und sich im<br />

Gegensatz zum Torf auch nicht zur wirtschajilichen<br />

Nutzung eignet.<br />

35) Beimgraben, 1907; private Sammlung<br />

Hermann Beimgraben, Averßeth<br />

36) Karslens, 1984, S. 65<br />

37) Deich- und Hauptsielverband Wilslermarsch,<br />

6. 7.2000, telefonisch<br />

38) Zusammengestellt von Gerd Rohwedder,<br />

Vorder-Neuendorf 4. 7.2000<br />

39) Detlefsen, 1891, 2, 5.5 f<br />

40) Ebenda.<br />

41) Schulchronik Vorder-Neuendorf, 10.2.1918<br />

42) Wilslersche Zeilung vom 31.1.1920<br />

43) Schulchronik Sachsenbande, 31.12.1944<br />

44) Alberl Kars/ens, Sachsenbande; 29.10. 1999<br />

und 14.6.2000, mdl.<br />

45) Detlefsen, 1891, 1, S. 37<br />

46) Schübe/er, /995, S. 53<br />

47) Jensen, /924a, S. 119<br />

48) Protokoll der Wege und Fußsleige in der<br />

Gemeinde Neuendorf,· private Sammlung<br />

Hors/ Reese, Hackeboe<br />

49) Akten des Amtes Wi/s/ermarsch<br />

50) Protokollbücher der Gemeinde Neuendorf,<br />

Amt Wi/stermarsch<br />

51) 0/dekop, 1908, 2, S. 115<br />

52) Protokollbücher der Gemeinde Neuendorf,<br />

Amt Wils lermarsch<br />

53) Beilräge zur Dorfchronik von Heuendorf<br />

aus drei Heimatkundearbeilen des 9.<br />

Schuljahres der Volksschule Averßeth im<br />

Herbs1 1956, S. 14 jJ.<br />

54) Detlefsen, /891, 1, S. 147 jJ.<br />

55) !tzelwer Nachrichten vom 8.12.1945<br />

56) Nach Angaben von Klaus Rehder, Averßeth<br />

-jetzt Wilster; 17.11.2000<br />

57) Landesarchiv Sch/eswig-Ho/stein, Abt. 412,<br />

Nr. 509<br />

58) Stat. Landesamt: Volkszählung, Gemeindeblätter<br />

der Volks- u. Berufs- sowie der<br />

Gebäude- u. Wohnungszählung 1987


.~ai"S ............ ..... ............ ........................... .. .. ... ..................................... .............. .............. .......... ... .. .. .. ... ............ A.l~M.PlliJ:. ~N.


. A.~N~.~~.F~G.~~ .................................................................................................................................................................. .. ............ ~.:ß.~.<br />

104) Die Aujlistung der Lehrerkräfte an der<br />

Ave1j/ether Schule e1jolgte nach Angaben<br />

von Klaus Rehder, Averjleth - jetzt Wilster<br />

105) Kreisarchiv Steinburg, StS/StA ltz., 142 und<br />

143<br />

106) Kreisarchiv Steinburg StS/StA ltz., 7001<br />

107) KreisarchivSteinburg, StS/StA ltz., 142 und<br />

143<br />

108) Schulchronik Sachsenbande<br />

109) Kreisarchiv Steinburg, StS/StA ltz., 142 und<br />

143<br />

II 0) Schulchronik Sachsenbande<br />

II I) Schulchronik Vorder-Neuendorf 2.6. 1959<br />

112) Schulchronik Vorder-Neuendolj<br />

113) Ebenda.<br />

114) Ebenda.<br />

115) Protokollbuch des Gesamtschulverbandes<br />

Neuendorf-Sachsenbande-A ebtissinwisch,<br />

Amt Wilstermarsch<br />

116) Freiwillige Feuerwehr Wilster, 1982<br />

1/7) Nach Erzählung von Hans Joachim<br />

Karstensaus Vorder-Neuendorf<br />

1/8) Kreisfeuerwehrverband Steinburg, 1993<br />

/19) Protokollbuch der Wilstermarsch-Mobiliengilde<br />

120) Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv,<br />

Abt. 320 Steinburg, 827<br />

121) Protokollbuch des Ringreitervereins<br />

Sachsenbande-Heuendorf 20.8.1954<br />

122) Auf Anregung von Hildegard Heinsaus<br />

Hackeboe entstand dieser Textbeitrag in<br />

Anlehnung an Kiirtz, 1997<br />

123) Vergl. Kiirtz, 1997


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