Laktation & Stillen
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TITELTHEMA<br />
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Foto: Kinderberg<br />
tungen, die durch das Waschen ausgelöst<br />
werden könnten, die eigene Körperpflege<br />
bis zu drei Tage postpartum hinaus. Da sie<br />
vor der rituellen Waschung als unrein geltend<br />
ihr Kind nicht anlegt, muss durch den<br />
verzögerten Milcheinschuss mit weiteren<br />
Stillproblemen gerechnet werden.<br />
Auch eine drastische Einschränkung<br />
der Ernährung während der Schwangerschaft<br />
und Stillzeit erscheint kritisch. Manche<br />
Speisen, zwischen „warm und kalt“ differenziert,<br />
werden für Mutter und Kind als<br />
unverträglich bzw. schädlich erachtet und<br />
gelten daher als Tabu. In der Folge beobachten<br />
wir viele Frauen, die sich sehr unausgewogen<br />
ernähren und besonders als<br />
Mehrfachgebärende und schwer körperlich<br />
Arbeitende Defizite und Mangelerscheinungen<br />
aufweisen.<br />
In diesem Kontext sei auch der Fastenmonat<br />
Ramadan erwähnt, von dem<br />
Schwangere und <strong>Stillen</strong>de ebenso entbunden<br />
sind, wie Kranke und Kinder. Allerdings<br />
zeigt die Praxis im afghanischen<br />
Alltag, dass auch stillende Mütter überwiegend<br />
die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme<br />
über Tag ablehnen.<br />
Auf Grund mangelnden Vertrauens<br />
kann auch der Einsatz traditioneller Hausmittel<br />
vielmals der „westlich orientierten<br />
Gesundheitsfürsorge und Aufklärung“ und<br />
damit auch der Stillberatung durch Hebammen<br />
vorgezogen werden. Dies entspringt<br />
einem großen Schamgefühl und Hemmung<br />
der Frau, mit einer fremden Person über<br />
private intime Probleme zu sprechen. „Wie<br />
kann man mit einem Fremden, der kein Familienmitglied<br />
ist, über die eigenen Probleme<br />
sprechen?“, hieß es dann oft. Dazu ist<br />
es für eine afghanische Frau auf dem Land<br />
unmöglich alleine zu einer Gesundheitsstation<br />
zu gehen und erfolgt in der Regel<br />
nur in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds,<br />
was bei weiten Fußmärschen<br />
von oft mehr als drei Stunden im schweren<br />
Arbeitsalltag problematisch für die gesamte<br />
Familie ist. Für Mütter ist es schwierig,<br />
sich festverankerten Ritualen zu entziehen,<br />
auch wenn sie gefühlsmäßig anders<br />
handeln würden. Mullahs, Imame, Familienoberhaupte,<br />
Ehemänner und vor allem<br />
die Schwiegermütter sind die Entscheidungsträger,<br />
denen sie sich zu unterwerfen<br />
haben und kaum widersetzen können. Das<br />
Risiko, in Missgunst zu geraten oder gar<br />
Schande über die Familie zu bringen, ist<br />
besonders in einer Gesellschaft, in der die<br />
Wahrung der Familienehre ein zentrales<br />
Anliegen ist, sehr groß. Dieser Sachverhalt<br />
verdeutlicht, wie wichtig die Einbindung<br />
des gesamten sozialen Umfeldes, v.a. von<br />
angesehenen Religions- und Autoritätspersonen<br />
ist, um Tabus zu brechen und Mythen<br />
über das <strong>Stillen</strong> abzubauen.<br />
Als Konsequenzen für die praktische<br />
Stillarbeit von KBI vor Ort werden daher<br />
Personen, die gesellschaftlichen Einfluss<br />
genießen, aktiv in die Arbeit eingebunden.<br />
Mittels ihrer Autorität und Unterstützung<br />
kann die Schärfung des Bewusstseins für<br />
ausschließliches <strong>Stillen</strong> innerhalb der Bevölkerung<br />
deutlich vorangetrieben werden.<br />
Die Unterstützung von Gesundheitsschulungen,<br />
Beratung und Aufklärung, besonders<br />
an Mädchenschulen, hat sich durch<br />
die Nutzung der Multiplikator-Effekte als<br />
sehr nützlich erwiesen. Zudem haben sich<br />
die Schaffung örtlicher Netzwerke, welche<br />
die Frauen zu eigenverantwortlichem und<br />
aktivem Handeln ermutigen sollen, sowie<br />
der Einsatz von Dorfgesundheitshelfern<br />
und Gesundheitsinitiativen (Health<br />
Action Groups) als positive Instrumente<br />
und Maßnahmen bewährt. Insbesondere<br />
stellt jedoch die fachliche Fortbildung und<br />
kontinuierliche Qualifizierung von weiblichem<br />
Fachpersonal zu Stillberaterinnen<br />
ein nachhaltiges Ziel dar, welches KBI langfristig<br />
verfolgt.<br />
Als Handout finden Sie<br />
diesmal eine Stillinformation<br />
ohne Worte.<br />
Beachten Sie dazu auch<br />
den Link zu unserer<br />
Homepage mit Erläuterungen<br />
in verschiedenen<br />
Sprachen.<br />
www.elacta.eu/de/neuhilfreiche-dokumentefuer-ihre-arbeit-neu.<br />
html<br />
Sabine Becker<br />
Diplom-Betriebswirtin für Non-<br />
Profit-Organisationen, DGKS/IBCLC,<br />
ist seit 2002 als Projektmanagerin<br />
in Afghanistan vor allem im<br />
Bereich Mutter-Kind-Gesundheit<br />
für die deutsche Hilfsorganisation<br />
KinderBerg International e.V. (KBI)<br />
mit Sitz in Stuttgart tätig.<br />
www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 2 • 2015