Laktation & Stillen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
8<br />
TITELTHEMA<br />
<strong>Stillen</strong> in Afghanistan<br />
Ernährungssituation für <strong>Stillen</strong>de, Neugeborene und Kleinkinder in Entwicklungsländern<br />
am Beispiel Afghanistans Autorin: Sabine Becker<br />
Foto: Kinderberg<br />
Afghanistan zählt zu den ärmsten Ländern<br />
dieser Welt und entsprechend<br />
sind auch die Kinder- und Müttersterblichkeitsraten<br />
im weltweiten Ländervergleich<br />
eine der höchsten. Mangel- und Unterernährung<br />
resultierend aus schlechten<br />
hygienischen Lebensbedingungen, einer<br />
dürftigen Ernährungssituation sowie mangelnder<br />
Bildung und fehlendem Einkommen<br />
sind ein weit verbreitetes Problem.<br />
Zudem ist die ambulante Gesundheitsversorgung<br />
der afghanischen Landbevölkerung<br />
unzureichend. Für eine körperlich<br />
und neurokognitiv gesunde Entwicklung<br />
von Neugeborenen und Kleinkindern ist<br />
unter diesen Umständen ein erfolgreiches,<br />
ausschließliches <strong>Stillen</strong> bis zu ihrem sechsten<br />
Lebensmonat und darüber hinaus<br />
umso bedeutender.<br />
Als patriarchalisch, religionsgeprägter<br />
Staat, in dem verschiedenste Ethnien zusammenleben,<br />
übt die afghanische Gesellschaft<br />
einen starken Einfluss auf die<br />
Lebensumstände von Frauen und Kindern<br />
aus, insbesondere in Zeiten von Schwangerschaft<br />
und Stillzeit. Traditionsgeprägte<br />
Glaubensüberzeugungen, Still- und Nahrungstabus,<br />
falsche Kenntnisse über Fertigkeiten<br />
optimaler Stillpraktiken oder gar<br />
Mythen über unreine Muttermilch beeinträchtigen<br />
dabei ein effektives Stillverhalten<br />
vieler Frauen.<br />
Für die in der Mutter-und-Kind-Versorgung<br />
tätigen lokalen Gesundheitsfachkräfte<br />
von KBI ist es vorrangiges Ziel, durch<br />
Gesundheitserziehung/-beratung und<br />
Aufklärung, kultursensibel, aber dennoch<br />
kritisch, mit Aberglauben und Fehlwissen<br />
unter aktiver Einbindung religiöser Vertreter,<br />
männlicher Familienmitglieder sowie<br />
Schwiegermütter umzugehen und gesellschaftliche<br />
Vorbehalte abzubauen. Hierdurch<br />
soll die Mitbestimmung der Frau für<br />
das <strong>Stillen</strong> gefördert und ihre aktive Rolle<br />
als Mutter gestärkt werden. Besonders im<br />
Mutter-Kind-Haus ist das vorrangige Bestreben<br />
der Hebammen in ihrer täglichen<br />
Arbeit den Stillerfolg betroffener Frauen zu<br />
verbessern bzw. zu optimieren.<br />
Während unserer langjährigen Projekterfahrung<br />
sind wir auf zahlreiche falsche<br />
Annahmen über fachgerechte Stillpraktiken<br />
gestoßen, die über Generationen<br />
weitergegeben wurden und sich über die<br />
Jahre verfestigt haben. Hieraus lassen sich<br />
Ursachen für Stillprobleme afghanischer<br />
Frauen ableiten, die besonders in kulturell<br />
bedingten Aspekten, in mangelndem Wissen<br />
oder in sozialökonomischen Faktoren<br />
begründet liegen: so sind beispielsweise<br />
einkommensschwache Familien von einer<br />
anhaltenden Nahrungsunsicherheit betroffen.<br />
Frische Lebensmittel sind in Abhängigkeit<br />
von der Jahreszeit, besonders<br />
in den schwer zugänglichen Bergregionen,<br />
nur begrenzt verfügbar und viele Produkte<br />
in ertragsarmen Wintermonaten überteuert.<br />
Die Marktpreise für Grundnahrungsmittel<br />
sind in den vergangenen Jahren<br />
drastisch gestiegen und führen zu einer<br />
armutsbedingten Lebensmittelknappheit.<br />
In den heißen Sommermonaten wiederum<br />
kann es hinsichtlich der sorgsamen Lebensmittelaufbewahrung<br />
Schwierigkeiten<br />
geben, wenn bei falscher Lagerung Frischware<br />
schnell ungenießbar wird. Eine daraus<br />
resultierende unausgewogene Ernährung<br />
und unzureichende Kalorienzufuhr führen<br />
zu chronischem Energie- und Mineralstoffmangel,<br />
der in Afghanistan weit verbreitet<br />
ist und darüber hinaus das Risiko der<br />
www.elacta.eu <strong>Laktation</strong> & <strong>Stillen</strong> 2 • 2015