Laktation & Stillen
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TITELTHEMA<br />
9<br />
chronischen Mangel- und Unterernährung<br />
erhöht. Hierdurch wächst bei betroffenen<br />
Kindern langfristig die Gefahr kleinwüchsig<br />
zu bleiben und sich nicht dem Alter und<br />
ihren Potenzialen entsprechend motorisch<br />
und kognitiv entwickeln zu können. Um<br />
den Reifeprozess und den Entwicklungsstand<br />
des unterernährten und kranken<br />
Kindes zu überwachen, werden beispielsweise<br />
im Mutter-Kind-Haus neben der<br />
Stillförderung und der Supplementierung<br />
von Nahrungsergänzungsprodukten auch<br />
regelmäßige Untersuchungen hinsichtlich<br />
der kindlichen Entwicklung durchgeführt.<br />
Ferner erwerben die Mütter in praktischen<br />
Schulungen zusätzliche Tipps und Fertigkeiten,<br />
Obst und Gemüse zu konservieren,<br />
um auch in kargen Wintermonaten über<br />
vitaminreiche Kost zu verfügen.<br />
Eine unzureichende Mutter–Kind-Gesundheitsfürsorge<br />
beeinflusst den Stillerfolg<br />
ebenso. Bei fehlendem Zugang,<br />
mangelndem Gesundheitsangebot und<br />
unzureichenden Qualifikationen des medizinischen<br />
Personals potenzieren sich Stillprobleme<br />
anstatt rechtzeitig erkannt und<br />
behoben zu werden, so dass es zu einem<br />
verfrühten Stillabbruch kommen kann.<br />
Überdies werden Vor- und Nachsorgeuntersuchungen,<br />
sofern diese vorhanden sind,<br />
von vielen Familien aus den entlegenen<br />
Bergregionen nur unzureichend genutzt.<br />
Laut dem afghanischen Health Information<br />
System (HMIS/2006-2013) haben<br />
lediglich 46 % der afghanischen Frauen<br />
mindestens eine und nur 15% mindestens<br />
vier Vorsorgeuntersuchungen durch<br />
eine weibliche Fachkraft in einer Gesundheitseinrichtung<br />
in Anspruch genommen.<br />
Hinsichtlich der Nachsorgeuntersuchungen<br />
für Mutter und Kind innerhalb der<br />
ersten beiden Tage nach einer Entbindung<br />
ist die Abdeckung mit lediglich 26% noch<br />
eklatanter. Die Stillthematik spielt in den<br />
Sprechstunden zumeist nur eine untergeordnete<br />
Rolle und begründet das häufig<br />
fehlende Bewusstsein für die Bedeutung<br />
eines guten Stillmanagements. Durch den<br />
seltenen und unregelmäßigen Kontakt zu<br />
einer medizinischen Fachkraft bleiben Aufklärung<br />
und Wissensvermittlung richtiger<br />
Stillpraktiken auf der Strecke. Afghanische<br />
Kolleginnen berichten, dass Frauen aus<br />
eigenem Antrieb nur selten Fragen zum<br />
<strong>Stillen</strong> stellen und es auf die Hebammen<br />
ankommt, <strong>Stillen</strong> zu thematisieren und beratende<br />
Unterstützung anzubieten.<br />
Eine vorliegende hohe Analphabetenrate,<br />
gepaart mit niedrigem Bildungsstand<br />
besonders bei afghanischen Landfrauen,<br />
können zu weiteren fälschlichen Annahmen<br />
hinsichtlich des <strong>Stillen</strong>s führen,<br />
die durch kultur-und traditionsbedingte<br />
Überzeugungen verstärkt werden: so ist<br />
beispielsweise das Verabreichen ritueller<br />
Speisen an das Neugeborene ein weitverbreitetes<br />
Übertragungsritual. Wie auch<br />
aus anderen Kulturkreisen bekannt, wird<br />
das wertvolle Kolostrum dabei verworfen,<br />
anstatt es für einen optimalen Stillbeginn<br />
zu nutzen. Grund ist der Irrglaube seines<br />
unreinen Charakters und der daraus angeblich<br />
resultierenden Verursachung abdomineller<br />
Beschwerden. Zur Stärkung<br />
des Neugeborenen sieht die Tradition statt<br />
dessen die Verabreichung ritueller Speisen<br />
wie beispielsweise tierische Fette, gekochte<br />
Gewürze und Kräuter angereichert mit<br />
Butter und Zucker oder andere Flüssigkeiten<br />
vor. Bei ohnehin hygienisch problematischen<br />
Lebensbedingungen ist das<br />
Neugeborene hierdurch riskanten Kontaminationsquellen<br />
schutzlos ausgeliefert.<br />
Neben diesem Initiationsritual wird darüber<br />
hinaus in den ersten sechs Monaten oft<br />
nicht ausschließlich gestillt und stattdessen<br />
mit anderen Flüssigkeiten zugefüttert.<br />
Viele Mütter sorgen sich, dass Ihre eigene<br />
Milch nicht ausreicht, was zutreffen kann,<br />
wenn Sie Ihre Kinder zu selten anlegen und<br />
damit die Anregung zur Milchproduktion<br />
zu gering ist. Ihre Arbeitsbelastung ist extrem<br />
hoch, sie kümmern sich um ihre zahlreichen<br />
Kinder, müssen täglich für bis zu<br />
10 Personen Mahlzeiten zubereiten, versorgen<br />
das Vieh und sind überdies häufig<br />
in der Landwirtschaft tätig. Demnach wird<br />
dem <strong>Stillen</strong> oft zu wenig Raum geboten, da<br />
sie trotz großer Familiengefüge nur selten<br />
die erforderliche Unterstützung erhalten.<br />
Der Mythos und Irrglaube, dass die<br />
Frau und somit ihre Muttermilch bei erneuter<br />
Schwangerschaft oder Krankheit<br />
einen unreinen Charakter hat und sie daher<br />
nicht stillen sollte, sind weit verbreitet.<br />
Wird eine Mutter, wie es in diesem Land<br />
häufig vorkommt, nach kurzer Zeit wieder<br />
schwanger, ist es daher gebräuchlich, dass<br />
sie das <strong>Stillen</strong> im Moment der Kenntnisnahme<br />
unverzüglich einstellt, ohne dabei<br />
für sich und ihr Kind ein erforderliches<br />
Abstillmanagement zu berücksichtigen. In<br />
dem Zusammenhang ist es wichtig, die Gesellschaft<br />
darüber aufzuklären, dass gemäß<br />
den islamischen heiligen Schriften das <strong>Stillen</strong><br />
stets befürwortet wird.<br />
Bezüglich des Stillbeginns birgt das<br />
traditionelle Waschritual nach einer Entbindung<br />
eine weitere Schwierigkeit. Demnach<br />
zögert eine junge Mutter nach einer<br />
Hausgeburt, vor allem aus vermeintlicher<br />
Angst vor postnatalen Nachblu- ›<br />
KINDERBERG INTERNATIONAL E.V.<br />
Hauptanliegen des im Jahr 1993 gegründeten<br />
Vereins ist es, in Kriegs-,<br />
Krisen- und Postkonflikt-Ländern v.a.<br />
nachhaltige Versorgungsstrukturen für<br />
sozial schwache und benachteiligte<br />
Gruppen wie Frauen, Kinder, Kranke<br />
und alte Menschen aufzubauen. Das<br />
übergeordnete Ziel der Projekttätigkeit<br />
liegt auf der Senkung der Mütter- und<br />
Kindersterblichkeitsrate. Zurzeit ist<br />
KBI in Afghanistan und an der Côte<br />
d‘Ivoire tätig.<br />
KBI IN AFGHANISTAN<br />
Seit 2002 unterstützte KBI mit Fördermitteln<br />
des Auswärtigen Amtes den<br />
afghanischen Staat in fünf Provinzen<br />
beim Aufbau eines basismedizinischen<br />
Gesundheitswesens. Dabei wurden<br />
rund 125 Gesundheitsstationen in<br />
entlegenen, ländlichen Gebieten Nordafghanistans<br />
errichtet und betrieben.<br />
Hierdurch konnten in den vergangenen<br />
12 Jahren mehr als 6 Millionen Patienten<br />
ambulant behandelt werden.<br />
Neben der kostenfreien medizinischen<br />
Versorgung war die Aus- und Fortbildung<br />
des medizinischen Fachpersonals<br />
ein wichtiger Bestandteil der Projektarbeit.<br />
Nachdem im vergangenen Jahr<br />
die Übergabe der Stationen an den<br />
afghanischen Staat eingeleitet wurde,<br />
konnten 80% der Einrichtungen bis<br />
Ende Dezember 2014 inklusive des<br />
medizinischen Fachpersonals zur<br />
eigenverantwortlichen und nachhaltigen<br />
Fortführung an die afghanische<br />
Gesundheitsbehörde bzw. an lokale<br />
Nachfolgeorganisationen übergeben<br />
werden.<br />
Zurzeit ist KBI mit einem Mutter–Kind-<br />
Haus in der Provinz Badakhshan, einer<br />
der ärmsten Regionen im nordöstlichen<br />
Afghanistan, aktiv. Hier werden<br />
vor allem kranke, unterernährte<br />
Kinder, ihre Mütter, <strong>Stillen</strong>de sowie<br />
Schwangere v.a. aus den ländlichen<br />
Bergregionen, die ohne Zugang zu medizinischer<br />
Versorgung sind, betreut.<br />
Zur Umsetzung des Projektes ist KBI<br />
ausschließlich auf private Spendengelder<br />
angewiesen. Bitte unterstützen<br />
sie uns dabei!<br />
KinderBerg International e.V.<br />
IBAN: DE86 6012 0500 0001 7500 00<br />
BIC: BFSWDE33STG<br />
Bank für Sozialwirtschaft