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Die Arglisthaftung des Werkunternehmers in der Rechtsprechung

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Es stellt sich zunächst die Frage, was mit dem Begriff <strong>der</strong> Obliegenheit gewonnen ist. Das BGB<br />

kennt den Begriff nicht. Er ist aus dem Versicherungsrecht rezipiert worden. 70 Was konkret unter<br />

e<strong>in</strong>er Obliegenheit verstanden wird, ist noch nicht h<strong>in</strong>reichend geklärt. 71 Häufi g wird unter<br />

<strong>der</strong> Obliegenheit auch e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dlichkeit ger<strong>in</strong>gerer vertraglicher Intensität, 72 das Fehlen e<strong>in</strong>es<br />

Erfüllungsanspruchs73 verstanden. Nun ist es schon sprachlich nicht geglückt, von e<strong>in</strong>er Organisationspfl<br />

licht als Obliegenheit zu sprechen. Darüber h<strong>in</strong>aus kann dieser Ansatz <strong>des</strong> fehlenden<br />

Erfüllungsanspruchs auch nicht durchgehalten werden.<br />

Der Generalunternehmer, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Anstalten macht, auf <strong>der</strong> Baustelle e<strong>in</strong>en Bauleiter e<strong>in</strong>zusetzen,<br />

son<strong>der</strong>n die verschiedenen Nachunternehmer unkoord<strong>in</strong>iert nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> arbeiten lässt,<br />

wird sich gefallen lassen müssenn, vom Auftraggeber zur Pfl ichterfüllung und zur Organisation<br />

<strong>der</strong> Baustelle gemahnt zu werden. Kommt er se<strong>in</strong>er Verpfl ichtung nicht nach, wird man dem Auftraggeber<br />

<strong>in</strong> jedem Falle die Möglichkeit <strong>der</strong> außerordentlichen Kündigung e<strong>in</strong>räumen müssen,<br />

gegebenenfalls – jedenfalls außerhalb <strong>des</strong> Anwendungsbereichs <strong>der</strong> VOB/B – auch das Recht<br />

zur Fremdnachbesserung. Ihm wäre nicht geholfen, würde man ihm entgegenhalten, den Generalunternehmer<br />

träfe nur e<strong>in</strong>e Obliegenheit zur Organisation; gegebenenfalls könne <strong>der</strong> Bauherr<br />

Mängelansprüche ja noch zehn Jahre nach <strong>der</strong> Abnahme verfolgen.<br />

Bestätigt wird diese Auffassung, wonach die Organisationspfl icht tatsächlich e<strong>in</strong>e (Neben-)<br />

Pfl icht74 <strong>des</strong> Unternehmers ist, auch durch § 4 Nr. 2 Abs. 1 S. 3 VOB/B. Zugegebenermaßen handelt<br />

es sich bei <strong>der</strong> VOB/B nicht um e<strong>in</strong>en Rechtssatz, son<strong>der</strong>n um AGB. Allerd<strong>in</strong>gs gibt § 4 Nr.<br />

2 Abs. 1 S. 3 VOB/B genau das wie<strong>der</strong>, was aus § 242 BGB als Nebenpfl icht abgeleitet werden<br />

muss. 75<br />

E<strong>in</strong> weiteres Problem ergibt sich bei <strong>der</strong> Zugrundelegung <strong>der</strong> Auffassung <strong>des</strong> 7. Zivilsenats aus<br />

<strong>der</strong> Frage, ob schon die bloß objektive Verletzung <strong>der</strong> Obliegenheit zu <strong>der</strong> „Sanktion“ führt o<strong>der</strong><br />

ob § 276 BGB analog 76 angewandt werden muss. Nach <strong>der</strong> Auffassung <strong>des</strong> 7. Zivilsenats soll jedoch<br />

– auch im Bereich <strong>des</strong> Organisationsverschuldens – nur arglistig handeln, wer bewusst e<strong>in</strong>en<br />

offenbarungspfl ichtigen Umstand verschweigt. 77 Das bewusste Verschweigen setzt als Pendant<br />

zw<strong>in</strong>gend die Offenbarungspfl icht voraus.<br />

Neben diesen Wi<strong>der</strong>sprüchen, die den Ansatz <strong>des</strong> 7. Zivilsenats als wenig befriedigend ersche<strong>in</strong>en<br />

lassen 78 , gibt es jedoch e<strong>in</strong> viel tiefgreifen<strong>der</strong>es Problem. Um überhaupt zu e<strong>in</strong>er Obliegenheit,<br />

die bekanntlich im Werkvertragsrecht nirgends geregelt ist, zu kommen, müsste man zuvor e<strong>in</strong>e<br />

Lücke ausgemacht haben, die mit diesem Institut ausgefüllt werden könnte. E<strong>in</strong>e solche ist jedoch<br />

nicht zu erkennen. Wie die historische Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> gezeigt hat, geht<br />

es darum, das Problem <strong>der</strong> arbeitsteiligen Herstellung, das leicht mit dem H<strong>in</strong>wegorganisieren<br />

<strong>der</strong> Arglist verbunden se<strong>in</strong> kann, angemessen zu lösen. Dabei sche<strong>in</strong>t die erst später entwickelte<br />

<strong>Rechtsprechung</strong> zum Organisationsverschulden den allgeme<strong>in</strong>en Grundsatz zu enthalten. Wer das<br />

Werk nicht selbst ausführt, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er arbeitsteiligen Organisation, br<strong>in</strong>gt mit <strong>der</strong> Übernahme<br />

<strong>des</strong> Vertrages zum Ausdruck, trotz <strong>der</strong> Gefahren <strong>der</strong> arbeitsteiligen Herstellung den Betriebs-<br />

70 Staud<strong>in</strong>ger-J.Schmidt,1995, E<strong>in</strong>l zu § 241 Rn 265.<br />

71 Staud<strong>in</strong>ger-J.Schmidt, aaO, Rn 287 spricht von e<strong>in</strong>em Begriff ohne praktische Relevanz; Staud<strong>in</strong>ger-Wenzen,<br />

2005, E<strong>in</strong>l vor § 241 Rn 122, 132.<br />

72 MünchKomm-Kramer, 5. Aufl ., vor § 241 Rn 50.<br />

73 In diesem S<strong>in</strong>ne BGH BauR 2008, 87, 88f.<br />

74 Ingenstau/Korbion-Oppler § 4 Nr. 2 Rn 65.<br />

75 In diesem S<strong>in</strong>n wohl auch BGH (10. ZS) BauR 2005, 530, 531.<br />

76 Direkt können die Regeln <strong>des</strong> allgeme<strong>in</strong>en Schuldrechts nicht auf Obliegenheiten angewandt werden Staud<strong>in</strong>ger-<br />

J. Schmidt, aaO, Rn 287; MünchKomm-Kramer vor § 241 Rn 52.<br />

77 BGH BauR 2008, 87, 88.<br />

78 Schwenker/Wessel ZfBR 2008, 222, 225f kritisieren die Konstruktion <strong>der</strong> Obliegenheit ebenfalls.<br />

© 2008 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH / werner-baurecht.de ••• 10

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