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Die Arglisthaftung des Werkunternehmers in der Rechtsprechung

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3 1.2 Typische Fälle<br />

Fälle, <strong>in</strong> denen typischerweise an Arglist gedacht werden muss, s<strong>in</strong>d das Abweichen vom Leistungsverzeichnis,<br />

den Bauplänen2 o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Baugenehmigung3 und das Verwenden neuer, nicht<br />

erprobter Baumaterialien4 o<strong>der</strong> Bauweisen.<br />

4 Daneben ist auch e<strong>in</strong>e klassische Fallgruppe <strong>der</strong> Arglist, die Erklärung <strong>in</strong>s Blaue h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, im Baurecht<br />

anzutreffen. Der Statiker, <strong>der</strong> ohne Untersuchung <strong>der</strong> Örtlichkeit auf Anfrage <strong>des</strong> Bauherrn<br />

erklärt, die Holzbalkendecke sei mittels Stahlanker mit dem Außenmauerwerk verbunden, handelt<br />

arglistig, selbst wenn er annimmt, es handele sich um e<strong>in</strong>e übliche Konstruktion e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Bauepoche 5 . Weil er sich hiervon nicht überzeugt hat, ist se<strong>in</strong>e Erklärung ohne jegliche Basis.<br />

Hierzu zählen auch die Fälle, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Werkunternehmer ohne eigene Sachkunde, wenngleich<br />

im guten Glauben, e<strong>in</strong>e Leistung verspricht. Der Empfänger <strong>des</strong> Versprechens erwartet e<strong>in</strong>e ordnungsgemäße<br />

Leistung. Das Versprechen auf gut Glück, ohne auch nur mit e<strong>in</strong>iger Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

von e<strong>in</strong>er fachgerechten Lösung ausgehen zu können, ist arglistig 6 .<br />

5 Ausreichend für arglistiges Verhalten ist zunächst nur das Bewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong> vertragswidrigen Ausführung.<br />

E<strong>in</strong>e Schädigungsabsicht ist ebenso wenig erfor<strong>der</strong>lich wie e<strong>in</strong> eigener Vorteil 7 . H<strong>in</strong>zu<br />

kommen muss das Bewusstse<strong>in</strong> von <strong>der</strong> Erheblichkeit <strong>des</strong> Umstan<strong>des</strong> für den Vertragspartner.<br />

Gelegentlich wird vor allem dann, wenn von Plänen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Leistungsbeschreibung abgewichen<br />

wird, e<strong>in</strong>gewandt, man habe das Material offen verwandt bzw. <strong>der</strong> Bauherr habe die Arbeiten<br />

doch täglich gesehen 8 . Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass <strong>der</strong> Auftraggeber we<strong>der</strong> zw<strong>in</strong>gend<br />

sachkundig se<strong>in</strong> muss noch über das bloße Sehen schon den entsprechenden Rückschluss<br />

ziehen kann. Der Bauherr muss die Abweichung tatsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> ganzen Tragweite erkennen,<br />

soll die Offenbarungspfl icht, die sich aus <strong>der</strong> bewussten Abweichung vom Vertrag ableitet, erlöschen<br />

(arg. § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dass irgendwelche Verpackungen auf <strong>der</strong> Baustelle von<br />

e<strong>in</strong>em bestimmten Baustoff zeugen, <strong>der</strong> nicht ausgeschrieben war, besagt noch nichts. Daraus<br />

muss <strong>der</strong> Bauherr we<strong>der</strong> zw<strong>in</strong>gend auf die Abweichung noch auf e<strong>in</strong>e mögliche an<strong>der</strong>e Qualität<br />

schließen. Im Zweifel muss <strong>der</strong> Auftragnehmer diese positive Kenntnis beweisen.<br />

An<strong>der</strong>s kann jedoch die Situation se<strong>in</strong>, wenn nach Erörterung e<strong>in</strong>es Problems mit dem Architekten<br />

<strong>in</strong> bei<strong>der</strong>seitiger Übere<strong>in</strong>stimmung e<strong>in</strong>e bestimmte Bauausführung gewählt worden ist, die<br />

2 BGH NJW 1967, 340, 342: Ohne nähere Sachverhaltsangabe;<br />

BGH BauR 1976, 131: <strong>Die</strong> Naturste<strong>in</strong>platten <strong>der</strong> Fassade waren nicht mit den vorgeschriebenen vier Nirosta-<br />

Ankern je Ste<strong>in</strong> befestigt;<br />

BGH BauR 1986, 215, 216: Das Kellergeschoss ist ohne die sich aus den Plänen ergebende Abdichtung gebaut<br />

worden;<br />

KG BauR 1970, 242: Ke<strong>in</strong>e Arglist bei unzulässiger Gipsbeimischung im Zement;<br />

OLG Stuttgart BauR 1972, 315: Zementspritzbewurf als notwendiger Arbeitsschritt fehlt – konnte im konkreten<br />

Fall nicht bewiesen werden; a.A. OLG Hamm BauR 1999, 767 ke<strong>in</strong>e Arglist bei nahezu gleichem Mangelbild;<br />

OLG Köln BauR 1991, 468: Es wird billigeres als ausgeschriebenes Material e<strong>in</strong>gebaut;<br />

OLG Stuttgart BauR 1997, 317: B 25 statt B 45 wird ausgeführt;<br />

OLG Celle NZBau 2000, 145: Ke<strong>in</strong>e Arglist bei Folie mit e<strong>in</strong>er Dicke von 0,15 mm statt 0,8 mm Stärke.<br />

3 BGH BauR 1970, 244, 245.<br />

4 BGH BauR 2002, 1401 (Vor<strong>in</strong>stanz OLG Koblenz IBR 2001, 480): Faserspachtel statt Gittergewebe, um den Putz<br />

zu armieren.<br />

5 OLG Dresden, Urt. v. 25.03.2004 – 10 U 0902/00 – IBR 2006, 37.<br />

6 OLG Köln OLGR 2001, 185, 186. Abweichend beurteilt das OLG Düsseldorf (Urt. v. 22.09.2006 – 22 U 49/06<br />

– IBR 2007, 35) e<strong>in</strong>en Fall, <strong>in</strong> dem dem planenden Haustechniker vom Sachverständigen attestiert wurde, ihm<br />

gehe e<strong>in</strong>e ausreichende Fachkunde beim Brandschutz <strong>der</strong> Lüftungsanlage ab. In diesem Fall war aber unstreitig,<br />

dass <strong>der</strong> betreffende Ingenieur m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens 5 vorangegangene Objekte tadellos geplant und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausführung<br />

überwacht hatte.<br />

7 BGH BauR 1970, 244, 245; 1986, 215, 216.<br />

8 OLG Köln BauR 1991, 468, 469.<br />

© 2008 by Wolters Kluwer Deutschland GmbH / werner-baurecht.de ••• 2

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