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V erbandsinfo BFV -V erbandsinfo

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Oberliga Baden-Württemberg<br />

„Träume, Titel und Trophäen“ lautete der<br />

Titel des Buches, das 1996 zum 100-jährigen<br />

Jubiläum des 1. FC Pforzheim herausgebracht<br />

wurde. Acht Jahre später müßte man<br />

es um einen Begriff erweitern: „Träume, Titel,<br />

Trophäen und Tränen“. Das würde passen<br />

– phonetisch und inhaltlich.<br />

Der Gang zum Insolvenzgericht am 4. Februar<br />

2004 war nur noch der letzte Schritt eines<br />

langen Weges in den Untergang. Jahrelang<br />

hat man in der Schmuckstadt Pforzheim<br />

mehr Geld ausgegeben als eingenommen.<br />

Als alle Tricks und Kniffe nicht mehr halfen,<br />

zog das sogenannte „Not-Präsidium“ um Vizepräsident<br />

Klaus Gutscher die Notbremse<br />

und meldete aufgrund der Zahlungsunfähigkeit<br />

Insolvenz beim Amtsgericht an. Dem<br />

Präsidium war die ganze Sache zu heiß geworden.<br />

„Wird der Antrag auf Insolvenz<br />

fahrlässig oder vorsätzlich unterlassen, haften<br />

die Vorstandsmitglieder”, zitierte Gutscher<br />

die entsprechenden rechtlichen Vorschriften<br />

für den Fall einer „Insolvenzverschleppung”.<br />

Mit Rechtsanwalt Dr. Volker Grub hat man<br />

jetzt – wie auch der SV Waldhof Mannheim<br />

und der SSV Ulm mit Dr. Jobst Wellensieck<br />

– einen prominenten (vorläufigen) Insolvenzverwalter.<br />

Der wird die Vereinsgeschäfte<br />

zunächst fortführen und das verbliebene<br />

Vermögen sichern und verwalten, bis dann<br />

das Insolvenzgericht über den Insolvenzantrag<br />

entscheidet. Wird das Insolvenzverfahren<br />

noch während der laufenden Saison<br />

eröffnet, werden alle Spiele mit Beteiligung<br />

des 1. FC Pforzheim aus der Wertung genommen.<br />

Erfolgt die Eröffnung erst nach<br />

dem letzten Spieltag, aber vor Ende des<br />

Spieljahres (30.06.), bleiben die Pforzheimer<br />

Spiele in der Wertung und führen nicht zur<br />

Wettbewerbsverzerrung. Der erste Absteiger<br />

aus der Oberliga steht aber mit dem<br />

Pforzheimer „Club“ fest.<br />

Die Zahlen sind desaströs: Der Schuldenstand<br />

liegt bei 900.000 Euro, von denen wiederum<br />

660.000 Euro Bankverbindlichkeiten<br />

sind. Einziger Lichtblick für die Gläubiger:<br />

Von den Verbindlichkeiten ist ein überwiegender<br />

Teil (geschätzte 500.000 Euro) durch<br />

persönliche Bürgschaften gesichert, wovon<br />

insbesondere der ehemalige Präsident Ernst<br />

Schmidt betroffen sein dürfte. Nach Vereinsangaben<br />

hat der Spielbetrieb in den ersten<br />

sechs Monaten dieser Saison 177.000 Euro<br />

Das Not-Präsidium zieht die Not-Bremse<br />

gekostet – die Einnahmen haben, so der<br />

Verein, 195.000 Euro betragen. Entscheidend<br />

aber sind, so der Verein, Belastungen,<br />

die nicht aus dem derzeitigen Spielbetrieb<br />

stammen: Jeden Monat sind 5.000 Euro für<br />

Zins und Tilgung fällig, hinzu kommen jeden<br />

Monat 3.000 Euro Nachzahlung an die Krankenkassen.<br />

Weitere Probleme stellen aber<br />

die vielen Unwägbarkeiten wie zum Beispiel<br />

Zahlungen an ehemalige Spieler dar, deren<br />

Höhe von Gerichten geklärt wird. Die weiteren<br />

Einnahmen, die der Verein erwartet, hätten,<br />

so Schatzmeister Jürgen Schaub, nicht<br />

ausgereicht, um den Spielbetrieb und die<br />

Rückzahlungen bis Saisonende zu finanzieren.<br />

So hat das übliche Spiel begonnen, das bei<br />

Kindern und krisengeschüttelten Fußballvereinen<br />

gleichermaßen beliebt ist: Wer hat<br />

den „Schwarzen Peter“? Das alte Präsidium?<br />

Der Notvorstand? Der Vorgänger?<br />

Was waren das noch für Zeiten zwischen<br />

1906 und 1933, als der 1. FC Pforzheim elf<br />

Nationalspieler stellte und 1906 deutscher<br />

Vizemeister geworden war. Zwischen 1950<br />

und 1967 gehörte man 17 Jahre lang der<br />

zweithöchsten deutschen Spielklasse an.<br />

Der 1. FC Pforzheim hat eigentlich alles<br />

überstanden – bis zu den kaufmännischen<br />

Fehlern um die Jahrtausendwende.<br />

Max Breunig, Robert Faas, Erich „Bommatz“<br />

Fischer, Paul Forell, Artur Hiller, „Bubi“ Hiller,<br />

Anton Kreß, Gustav Roller, Hermann<br />

Schweickert, Viktor Weisenbacher und Fritz<br />

Wetzel – das waren die Nationalspieler des<br />

FCP, aber auch Spieler wie Emil „Schimmel“<br />

Nonnenmacher, Max Burkhardt, Günter Rau,<br />

Karl Schradi, Willi Heinrich, Dieter Rosanowski,<br />

Klaus „Fiffi“ Volkmann oder Wilfried<br />

Tepe waren die Vorbilder vieler jugendlicher<br />

Fußballspieler aus dem Enztal. Heute<br />

klingt alles wie ein Nachruf auf eine Ära,<br />

die zu Ende gegangen ist, obwohl man die<br />

Hoffnung auf ein glückliches Ende noch<br />

nicht aufgegeben hat.<br />

Meistens sind es Traditionsvereine, die in<br />

Turbulenzen geraten. Der SSV Ulm 1846 hat<br />

bereits 2001 Insolvenz angemeldet, Waldhof<br />

Mannheim und der FV Biberach waren<br />

2003 beim Amtsgericht. Der VfB Leipzig,<br />

eben jener Verein, der 1906 den FC Pforzheim<br />

im Finale um die Deutsche Meisterschaft<br />

mit 2:1 besiegt hatte, war auch<br />

dieses mal ein bisschen schneller: Wenige<br />

Tage, zum Insolvenzgericht ging, hat das<br />

Amtsgericht Leipzig das Verfahren gegen<br />

den VfB bereits eröffnet, und dies schon<br />

zum zweiten Mal.<br />

Oberstes Ziel muss es nun sein, den Verein<br />

zu sanieren, möglicherweise im Rahmen eines<br />

Insolvenzplanverfahrens, wie dies beispielsweise<br />

beim SSV Ulm 1846 gelungen<br />

ist. Daraus zu schließen, dass der Verein<br />

anschließend schuldenfrei ist, wäre ein völliger<br />

Trugschluss. Der SSV ging mit acht<br />

Millionen Mark Verbindlichkeiten vor das<br />

Amtsgericht. Das Insolvenzverfahren dauerte<br />

eineinhalb Jahren. Erst dann hatte man<br />

sich mit den bevorrechtigten Hauptgläubigern<br />

der Sparkasse und der Stadt Ulm geeinigt<br />

– der SSV Ulm muss nun jährlich<br />

320.000 Euro Zins und Tilgung aufbringen.<br />

Die restlichen Gläubiger mussten sich mit<br />

einer Quote von knapp über drei Prozent zufrieden<br />

geben. Dr. Jobst Wellensieck, der in<br />

Ulm Insolvenzverwalter war, ist jetzt beim<br />

SV Waldhof Mannheim im Einsatz. Man<br />

hofft dort, dass das am 29. Juni 2003 eröffnete<br />

Verfahren Ende Mai abgeschlossen<br />

werden kann.<br />

Insolvenzantrag hat noch<br />

keine Auswirkungen<br />

Der Insolvenzantrag des 1. FC Pforzheim<br />

hat in spieltechnischer Hinsicht noch<br />

keinerlei Auswirkungen. Die Mannschaft<br />

spielt weiter. Auch in der Tabelle<br />

gibt es keine Änderungen. In der Spielordnung<br />

ist klar vermerkt, dass die klassenhöchste<br />

Herren-Mannschaft eines<br />

Vereins, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet wird, als erster<br />

Absteiger gilt und in so weit am Ende<br />

des Spieljahres an den Schluss des<br />

Klassements rückt. Entscheidend ist also<br />

nicht der Antrag, sondern die Eröffnung<br />

durch das Insolvenzgericht.<br />

Zudem werden die von einer solchen<br />

Mannschaft ausgetragenen oder noch<br />

auszutragenden Spiele (nach der Eröffnung)<br />

nicht gewertet. Dies gilt nicht,<br />

wenn die Entscheidung über die Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens (oder seine<br />

Ablehnung) nach dem letzten Spieltag<br />

(10. Juni), aber vor Ende des Spieljahres<br />

(30. Juni 2004), getroffen wird.<br />

Februar 2004 5

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