Hysterie oder sinnvolle Wachsamkeit? - Landeskrankenhaus Feldkirch
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Einblicke<br />
30<br />
Zur Person<br />
LKH luag a!: Primar Häfele,<br />
schon im Vorfeld haben Sie<br />
mich gewarnt, dass Sie es so<br />
gar nicht schätzen, im Rampenlicht<br />
zu stehen. Es braucht<br />
immer wieder einige Überredungskünste,<br />
Sie zu einem<br />
Interview zu bewegen. Warum<br />
diese Bescheidenheit?<br />
Prim. Dr. Hartmut Häfele: Ich<br />
habe immer versucht, im Hintergrund<br />
zu arbeiten. In den 80er<br />
Jahren bin ich als einer der wenigen<br />
Sporttraumatologen im Land<br />
dann eher zufällig – vor allem im<br />
Rahmen der Behandlung von Skirennläufern<br />
– ins Zentrum des Interesses<br />
gerückt. Meinen Kindern<br />
war das damals sehr peinlich, wenn<br />
ich fast täglich in der Zeitung<br />
stand. Sie sagten dann immer, ich<br />
Prim. Dr. Hartmut Häfele<br />
Geboren am 9.10.1944 in Hohenems<br />
Verheiratet in 2. Ehe mit Dr. Angelika Häfele<br />
Insgesamt vier Kinder, wohnhaft in Altach<br />
Werdegang<br />
Lehrerbildungsanstalt (LBA),<br />
3 Jahre Unterrichtstätigkeit<br />
Medizinstudium in Innsbruck, Promotion 1971<br />
Ausbildung im Unfallkrankenhaus <strong>Feldkirch</strong><br />
Ab 1975 Unfallchirurg und später Primar in Hohenems<br />
Seit Ende 2007 Primar am LKH Bregenz<br />
sei nur ihr Onkel. Aber auch sonst<br />
hat zu viel Popularität immer mehr<br />
negative als positive Auswirkungen.<br />
Man sieht sich unversehens<br />
mit Neidern konfrontiert. Deshalb<br />
bin ich eher vorsichtig und fühle<br />
mich wohler, wenn ich als ‚Mann<br />
des Volkes’ gesehen werde. Ein<br />
weiterer Grund für meine Bekanntheit<br />
war sicher auch, dass ich<br />
immer erreichbar war und mir für<br />
die Anliegen der Patienten Zeit<br />
genommen habe. Sonst aber sehe<br />
ich mich als durchschnittlicher<br />
Unfallchirurg mit praktischem<br />
Geschick, beruflich leutselig, privat<br />
eher ‚lütaschüch’. Ich spiele nicht<br />
Golf, gehe nicht auf Vernissagen<br />
und muss mich nicht in der Öffentlichkeit<br />
präsentieren.<br />
Aus Mitarbeiterkreisen ist viel<br />
Gutes über Sie zu hören. Sie<br />
werden offenbar nicht nur als<br />
„Chef“ respektiert, sondern<br />
auch als Mensch geschätzt.<br />
Was ist das Geheimnis Ihres<br />
Erfolgs als Führungskraft?<br />
Ich weiß nicht, ob ich wirklich<br />
eine gute Führungsperson bin. Ich<br />
hatte in meinem Leben einfach<br />
das Glück, in eine gehobene<br />
Position zu kommen und habe<br />
mich stets nach Kräften bemüht.<br />
Ich denke, meine Mitarbeiter<br />
fühlen sich von mir in einer<br />
gewissen Weise beschützt. Man<br />
könnte mich auch als ‚Gluckhenne’<br />
bezeichnen. Aber ich sehe es<br />
VORARLBERGER LANDESKRANKENHÄUSER<br />
Das magazin Der Vorarlberger lanDeskrankenhäuser<br />
nicht als große Tat, sich für seine<br />
Mitarbeiter einzusetzen, denn<br />
eigentlich tut man sich ja nur<br />
selbst etwas Gutes, wenn man ein<br />
stimmiges Arbeitsumfeld schafft.<br />
Als Harmonie-Fanatiker könnte<br />
ich anders gar nicht arbeiten. Die<br />
gute Teamarbeit ist inzwischen<br />
einer der wichtigsten Motivatoren<br />
für mich, noch so viel und so gerne<br />
zu arbeiten. Über all dem steht<br />
sicherlich eine sehr ausgeprägte<br />
‚Menschenliebe’. Ich mag meine<br />
Mitarbeiter, sie interessieren mich<br />
als Menschen, ich sorge mich<br />
um sie, und ich bin unheimlich<br />
emotional, aber nicht cholerisch.<br />
Man könnte sagen, ich bin ein<br />
‚weiser Alter’, der offen auf seine<br />
Mitarbeiter zugeht. Aber natürlich<br />
bin ich mir bei aller Offenheit und<br />
Harmonie meiner Verantwortung<br />
bewusst und nehme sie auch wahr.<br />
Ich kann auch ganz schön direkt<br />
und ‚spitz’ sein, ich würde mich<br />
daher als eine Art ‚Soft-Despot’<br />
bezeichnen.<br />
Haben Sie diesen positiven<br />
Umgang mit Ihrem Umfeld<br />
‚gelernt’, <strong>oder</strong> sind Sie ein<br />
Naturtalent?<br />
Ich habe im Laufe meines Lebens<br />
viel erlebt, das mich geprägt hat.<br />
So habe ich, bevor ich – eher<br />
zufällig – Arzt wurde, nach dem<br />
Abschluss der LBA drei Jahre als<br />
Lehrer gearbeitet. Manche sagen,<br />
das merke man mir heute noch an.<br />
Außerdem habe ich während meines<br />
Studiums auf dem Bau und im<br />
Gastgewerbe gearbeitet. Auch dort<br />
habe ich viel über Menschen gelernt.<br />
Im Gasthaus zählen nämlich<br />
durchaus ähnliche Fähigkeiten wie<br />
beim Dienst in der Krankenhausambulanz.<br />
Insgesamt ist es mir<br />
wichtig, einen positiven Eindruck<br />
bei anderen zu hinterlassen. Die<br />
Auszeichnung ‚er war ein netter<br />
Mensch’ ist mir wichtiger als ‚er<br />
war ein guter Arzt’.<br />
A propos ‚guter Arzt’ – nach<br />
welchen Kriterien suchen Sie<br />
sich Ihre Mitarbeiter aus, und<br />
wie sorgen Sie dafür, dass<br />
Ihnen engagierte Mitarbeiter<br />
möglichst lange erhalten<br />
bleiben?<br />
Meine Ausbildungsärzte sind für<br />
mich so etwas wie meine ‚Ziehkinder’.<br />
Die suche ich mir tatsächlich<br />
sehr gut aus und beobachte junge<br />
Mediziner, die in Frage kommen,<br />
VORARLBERGER LANDESKRANKENHÄUSER Das magazin Der Vorarlberger lanDeskrankenhäuser<br />
Einblicke<br />
schon im Turnus genau. Wenn<br />
man jemanden ausbildet, dann investiert<br />
man sehr viel Herzblut. Da<br />
muss die Chemie schon stimmen.<br />
Ich schätze engagierte, fröhliche,<br />
loyale und auch wehrhafte junge<br />
Leute. Mitläufer und Opportunisten<br />
haben bei mir wenig Chancen.<br />
Die Mitarbeiter hier im LKH<br />
Bregenz habe ich mir freilich<br />
nicht selbst ausgesucht, aber wir<br />
haben uns sehr gut arrangiert. Ich<br />
habe jeden einzelnen eingeladen,<br />
mit ins Boot zu kommen. Es gab<br />
ja schließlich nur ein ‚mit mir –<br />
<strong>oder</strong> nicht’. Alles hat sich erfreulicherweise<br />
sehr gut entwickelt. Da<br />
haben mir 37 Jahre Erfahrung im<br />
Beruf doch sehr geholfen und das<br />
Wissen, dass in Wirklichkeit alle<br />
in Harmonie leben und arbeiten<br />
wollen. Und so habe ich zu jedem<br />
einen Zugang gefunden. Es wurde<br />
aber auch einiges an Vorarbeit<br />
geleistet: Bereits vor dem eigentlichen<br />
Umzug gab es einen Austausch<br />
von Mitarbeitern zwischen<br />
Hohenems und Bregenz. Und so<br />
wussten alle Beteiligten, was auf<br />
sie zukommt – und schließlich<br />
haben sich alle schon gefreut, dass<br />
wir kommen.<br />
Was war Ihre Motivation, mit<br />
doch schon 64 Jahren noch<br />
einmal eine große Herausforderung<br />
anzunehmen und am<br />
LKH Bregenz neu durchzustarten?<br />
Ganz einfach: Weil ich das Gefühl<br />
hatte, noch etwas Gutes tun zu<br />
können und die Mannschaft fit<br />
zu machen für einen neuen Chef.<br />
Und weil ich – als leidenschaftlicher<br />
Emser – noch möglichst<br />
viel für das LKH Hohenems tun<br />
wollte. Außerdem habe ich noch<br />
absolut keine Lust gehabt, in Pension<br />
zu gehen. Viel lieber wollte<br />
ich mir und meiner Altersklasse<br />
beweisen, dass Ältere aufgrund<br />
Ihrer Erfahrung Dinge schaffen<br />
können, die Junge vielleicht gar<br />
nicht schaffen würden. Das ist ein<br />
gutes Gefühl –auch wenn ich im<br />
Stillen doch auch etwas Angst<br />
hatte zu scheitern.<br />
Ein Arzt muss zunehmend<br />
auch Managementfähigkeiten<br />
besitzen: Neben Mitarbeiterführung<br />
sind auch<br />
Themen wie Finanzierbarkeit<br />
und Kostendruck heute ständig<br />
präsent. Wie gehen Sie<br />
mit dieser Entwicklung um?<br />
Wir haben in Hohenems, schon<br />
als wir noch Stadtspital waren,<br />
sparen gelernt und sind mit den<br />
Ressourcen umgegangen, als<br />
wären sie unsere eigenen. Ich bin<br />
ohnehin nicht der Typ, der Geld<br />
hinausschmeißt, sondern schaue<br />
darauf, nur das anzuschaffen, was<br />
wirklich gebraucht wird. Aber<br />
das, was notwendig ist, fordere<br />
ich durchaus mit Nachdruck. Ich<br />
habe übrigens nie einen Managementkurs<br />
besucht, bilde mir aber<br />
ein, ein recht guter Organisator zu<br />
sein und Mitarbeiter entsprechend<br />
ihren Fähigkeiten richtig einzusetzen.<br />
In die Rolle des Abteilungsleiters<br />
bin ich hineingewachsen<br />
und habe alles von der Pieke auf<br />
gelernt. Ich bin ja in den 70er Jahren<br />
als ‚Ein-Mann-Betrieb’ gestartet,<br />
und erst Schritt für Schritt ist<br />
die Abteilung zur heutigen Größe<br />
angewachsen.<br />
Kommen wir zum Privatmann<br />
Hartmut Häfele. Womit<br />
entspannen Sie sich vom<br />
oftmals stressigen Krankenhausalltag?<br />
Am besten entspanne ich mich in<br />
unserem Garten. Dort sitze ich<br />
dann und ‚wühle’ mich durch die<br />
Erde. Erdkrümel durch die Finger<br />
zu reiben, ist für mich wie Meditation<br />
und gibt mir unheimlich viel<br />
Kraft. Früher habe ich sehr viel<br />
Sport getrieben. Inzwischen bevorzuge<br />
ich aus kommunikativen<br />
Gründen lange Spaziergänge mit<br />
meiner Frau, die die Schönheit der<br />
Natur ebenso genießt wie ich. Als<br />
Hobby-Ornithologe liebe ich es,<br />
Vögel zu beobachten. Dafür reise<br />
ich auch einmal pro Jahr nach Afrika,<br />
wo sie besonders faszinierend<br />
sind. Hier im Land ist für mich<br />
das Frühjahr die schönste Zeit.<br />
Wenn alles wächst und blüht, kann<br />
man den Frühling erleben, auch<br />
wenn man ihn selbst nicht mehr so<br />
ganz spürt... Die Natur ist einfach<br />
begeisternd!<br />
Der hohe Einsatz im Beruf<br />
fordert sicherlich seinen Tribut:<br />
Hatten Sie je das Gefühl,<br />
dass aufgrund der Arbeit in<br />
Ihrem Leben etwas anderes<br />
zu kurz gekommen ist?<br />
Eigentlich nicht. Ich bin zwar eher<br />
ein Zufalls-, aber sicherlich ein<br />
Vollblutmediziner. Ganz frührer,<br />
als ich noch rund dreizehn<br />
Hausdienste pro Monat machte<br />
und den Rest – damals leider noch<br />
ohne Handy, sondern mit Rettungsfunk<br />
– Rufbereitschaft hatte,<br />
war das schon sehr belastend, vor<br />
allem für meine Familie. Heute bin<br />
ich trotz Arbeit recht viel zu Hause,<br />
weil ich so gut wie keine gesellschaftlichen<br />
Termine wahrnehme.<br />
Was mir inzwischen aber manchmal<br />
die Freude am Job verdirbt,<br />
sind die Klagen der Patienten, die<br />
zum Teil berechtigt, aber zunehmend<br />
auch unberechtigt sind.<br />
Ich glaube, es ist heute einfach in<br />
Mode, in allem etwas Schlechtes<br />
zu suchen. Als Gutachter kann<br />
ich damit noch umgehen, aber die<br />
zunehmende Angreifbarkeit des<br />
Arztes ist meines Erachtens mit<br />
ein Grund dafür, dass es bald einen<br />
ernst zu nehmenden Ärztemangel<br />
geben wird. Aber vielleicht wird<br />
dann der Trend ja wieder in die<br />
andere Richtung gehen.<br />
Wenn Sie nach vorne blicken,<br />
dann ist die Zeit, die Sie<br />
noch im Krankenhaus tätig<br />
sein werden, deutlich kürzer<br />
als die Zeit, die hinter Ihnen<br />
liegt. Sind das gute Aussichten?<br />
In zwei Jahren werde ich mit dann<br />
immerhin 67 Jahren als Primar in<br />
Pension gehen. Die Vorstellung,<br />
dann nur noch Privat- und Hausmann<br />
zu sein, wäre aber furchtbar<br />
für mich. Freizeit ist nur wertvoll,<br />
wenn man wenig davon hat. Ich<br />
halte daher nichts von einer hyperaktiven<br />
Freizeitgestaltung, nur um<br />
sich vom Pensionsschock abzulenken.<br />
Ich werde also, solange es<br />
geht, weiterhin als Gutachter tätig<br />
sein. Als solcher ist zunehmendes<br />
Alter kein Makel, sondern<br />
durchaus ein Vorteil. Bis dahin<br />
möchte ich hier auf der Abteilung<br />
noch die Weichen stellen, damit<br />
die Ruhe, die jetzt herrscht, nicht<br />
durch einen abrupten Wechsel in<br />
der Leitung gestört wird. Mein<br />
größter Wunsch ist ja, dass einer<br />
meiner Mitarbeiter mir nachfolgt.<br />
Am LKH Hohenems wäre ich<br />
zudem gerne noch länger in beratender<br />
Funktion tätig – vor allem,<br />
was die erfolgreich gestartete Tageschirurgie<br />
anbelangt. Ich denke,<br />
ich könnte dort noch einige gute<br />
Ideen einbringen, aber natürlich<br />
nur, wenn es die Verantwortlichen<br />
auch wünschen.<br />
Vielen Dank für<br />
das Gespräch!<br />
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