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Verkehr(ter) Raum. Does space matter? Ein Disput

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geographische revue 1/2002<br />

Un<strong>ter</strong> solchen ‘alltäglichen Regionalisierungen’ oder ‘<strong>Raum</strong>abstraktionen’ wird die<br />

räumliche Gliederung der Welt durch Personen oder Institutionen verstanden, beispielsweise<br />

durch die Bildung von Territorien. Dazu zählen Nationen und Gebietskörperschaften<br />

wie auch Marktgebiete von Un<strong>ter</strong>nehmen, Grundstücke, <strong>Ein</strong>kaufszentren, Banden-Territorien<br />

und andere aus bestimmten In<strong>ter</strong>essen kontrollierte Gebiete. <strong>Ein</strong>e ‘alltägliche<br />

Regionalisierung’ ist aber auch die Realisierung räumlicher Verflechtungen durch individuelles<br />

Konsumverhalten, beispielsweise durch die Nachfrage nach Wein aus Chile, Südafrika,<br />

Frankreich oder dem nahe gelegenen un<strong>ter</strong>fränkischen Weinberg.<br />

Es geht dabei in keinem Fall um prä-existente, sondern immer um bereits sozial (oder<br />

ökonomisch, kulturell...) gedeutete Räume. Jeder <strong>Ein</strong>fluss (physisch-)räumlicher Verhältnisse<br />

auf menschliches Handeln ist in diesem Denken ausschließlich vermittelt über die<br />

Deutungsmus<strong>ter</strong> handelnder Personen oder Institutionen und nicht als direk<strong>ter</strong> Zusammenhang<br />

denkbar.<br />

<strong>Ein</strong> Beispiel mag dies veranschaulichen: Autofahren bei Nebel. Scheinbar wirkt hier die<br />

physische Geographie in Form des Nebels direkt auf das Handeln ein und führt zum Langsamfahren.<br />

Dieser direkte Zusammenhang ist jedoch nur vordergründig gegeben. Tatsächlich wird<br />

der Nebel vom Autofahrer gedeutet: Die subjektiv zu erwartenden Wirkungen einer möglichen<br />

Kollision werden mit der subjektiven Wahrscheinlichkeit einer Kollision ‘verrechnet’ und dem<br />

Zeitnutzen der Geschwindigkeit gegenüber gestellt. 5<br />

Mit anderen Worten: Mindestens wenn eine<br />

Kollision ausgeschlossen ist (z. B. weil der Autofahrer weiß, dass die fragliche Strecke keine<br />

Kurven besitzt und um diese Zeit nur vom ihm benutzt wird), wird der Autofahrer mit konstan<strong>ter</strong><br />

Geschwindigkeit wei<strong>ter</strong>fahren. Als Indiz für diese These können die erhöhten Fahrgeschwindigkeiten<br />

durch verbesserte Bremsen (ABS) gelten, die letztlich zu einer Konstantsetzung des Risikos<br />

führen, entgegen der aus den physischen Bedingungen (ABS) zu erwartenden Verringerung<br />

des Risikos (Färber 2000, 183). Die scheinbare Abhängigkeit von physischen Bedingungen der<br />

Situation liegt also keineswegs auf der Hand, sondern wird über komplizierte Bewertungsmus<strong>ter</strong><br />

vermittelt.<br />

Die ‘weiche’ Variante des <strong>Raum</strong>exorzismus wird z. B. von Weichhart (1999a) oder<br />

Zierhofer (1999) vertreten. Die ‘harte’ Position wird hier insoweit nachvollzogen, als eine<br />

Verdinglichung oder gar Personifizierung des <strong>Raum</strong>es 6<br />

vermieden wird. Es wird jedoch<br />

daran festgehalten, dass der <strong>Raum</strong> bzw. die Räumlichkeit der Welt eine Wirkung oder einen<br />

<strong>Ein</strong>fluss auf menschliches Handeln besitzt. Mit Beispielen, die häufig physikalischen<br />

Denkweisen entspringen, wird dies un<strong>ter</strong>mauert, etwa wenn Weichhart (1997, 39) schreibt,<br />

Kernreaktionen entstünden eben nur bei ausreichender Nähe zweier kritischer Massen, was<br />

die Relevanz der räumlichen Dimension belege. Ich selbst habe ebenfalls schon mit einem<br />

etwas archaischen Beispiel argumentiert, das die Abhängigkeit des Menschen von physisch-räumlichen<br />

Bedingungen zeigen sollte: Die Notwendigkeit des Erreichens der Quelle<br />

vor dem Verdursten hänge von der Distanz ab und lasse dem Durstigen kaum Deutungsspielraum<br />

(Scheiner 2000, 99).<br />

Solche engen kausalen Abhängigkeiten müssen in modernen Gesellschaften mühselig<br />

gesucht werden, was ihre Marginalität wohl deutlich werden lässt. Daraus lässt sich jedoch<br />

nicht schließen, dass der <strong>Raum</strong> für die Strukturierung des sozialen Lebens keine Rolle

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