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Franken. Ich kann mich noch erinnern, wie wir<br />
diese Röhren wie einen Säugling im Arm zur<br />
Kamera getragen und dort eingebaut haben.<br />
Erinnern Sie sich noch an die damalige<br />
Arbeitsatmospähre im Studio Bellerive?<br />
Wir waren wie eine grosse Familie. Eduard<br />
Haas, der Programmleiter des Fernsehversuchsbetriebs,<br />
war sehr grosszügig, ein ganz<br />
feiner Chef, der seine Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter äusserst selbstständig wirken liess.<br />
Das gilt auch für Hansruedi Züst. Dank der Aufgeschlossenheit<br />
von Herrn Haas konnte ich an<br />
den Programmsitzungen teilnehmen; da sassen<br />
dann jeweils etwa 20 Personen in einem<br />
kleinen Büro am Boden. So war ich am Puls des<br />
Programms und konnte bei dessen Umsetzung<br />
besser mithelfen. Fernsehen ist Teamwork, wie<br />
ein Räderwerk, wenn einer an seinem Ort versagt,<br />
ist die ganze Sendung im Eimer. Darum<br />
hatten wir ein sehr grosses Verantwortungsbewusstsein.<br />
Wir sind am Abend nie nach<br />
Hause gegangen, bevor nicht alle Geräte repariert<br />
waren.<br />
Ich habe gelesen, dass schon<br />
bald nach Beginn des Versuchsbetriebs ein<br />
Reportagewagen angeschafft wurde.<br />
Das stimmt, und dazu gibt es eine amüsante<br />
Geschichte und ein schönes Foto. Im Herbst<br />
1954 an der Landwirtschaftlichen Ausstellung<br />
in Luzern sank der neue, mit drei Kameras<br />
bestückte Television-Reportagewagen im<br />
durchnässten Boden ein. Alle unsere Bemühungen,<br />
das Fahrzeug wieder flottzukriegen,<br />
scheiterten, bis einer die rettende Idee hatte:<br />
Die «Rösseler» spannten drei kräftige Pferde<br />
vor den Reportagewagen, und diese zogen ihn<br />
tatsächlich aus dem Morast. Statt aber anzuhalten,<br />
drehten die Pferde mit fliegenden Mähnen<br />
im vollen Stadion unter tosendem Applaus<br />
eine Ehrenrunde. Der Chauffeur des tonnenschweren<br />
Reportagewagens stand zwar voll<br />
auf der Bremse, konnte jedoch die Schmach<br />
nicht verhindern. Tags darauf lauteten die<br />
Schlagzeilen in den Zeitungen: «Drei Jurapferde<br />
ziehen das Schweizer Fernsehen aus dem<br />
Dreck.» Damit wurde auch auf die damals noch<br />
ungelöste Finanzierung des Fernsehens angespielt.<br />
Wie wurden die in den Anfängen<br />
des Fernsehens ausgestrahlten Sendungen<br />
aufgezeichnet?<br />
Zunächst konnte nur live gesendet werden.<br />
Dann kam die Filmaufzeichnung, im Prinzip<br />
nichts anderes als ein kleiner Bildschirm, d.h.<br />
eine Röhre, die ein ganz helles Bild erzeugte,<br />
welches mit zwei Filmkameras abgefilmt<br />
wurde. Der Ton dazu wurde jeweils synchron<br />
auf einem separaten Magnetfilm aufgenommen<br />
(Sepmag).<br />
Wann kam die Videoaufzeichnung?<br />
Gegen Ende der 1950er-Jahre kam die magnetische<br />
Bildaufzeichnung. Doch die Magnetbänder<br />
waren sehr teuer und wurden daher<br />
mehrfach verwendet. Natürlich gab es bereits<br />
Regeln, was gelöscht werden darf und was<br />
nicht. Doch die Einschätzung, was erhaltenswert<br />
sei, war damals eine ganz andere als<br />
heute. So wurden viele wichtige Aufnahmen<br />
aus Geldmangel gelöscht.<br />
Gibt es noch audiovisuelle Dokumente im<br />
Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit?<br />
Was die Technik anbelangt, so habe ich vor<br />
meiner Pensionierung 1987 versucht, die diesbezüglichen<br />
Filme zu retten. Ich habe sie teilweise<br />
überspielen lassen, genau bezeichnet<br />
und dann dem Archiv übergeben. Darunter<br />
befindet sich auch die Aufzeichnung der ersten<br />
Live-Übertragung des Lauberhornrennens<br />
(1960).<br />
Wenn Sie Ihr Berufsleben<br />
in einem Satz zusammenfassen müssten,<br />
wie würde er lauten?<br />
Ich würde alles nochmals genau gleich machen.<br />
Das Interview fand am 21. April 2007<br />
in Zürich statt.<br />
DOSSIER VIDEO<br />
<strong>MEMORIAV</strong><br />
An der Landwirtschaftlichen<br />
Ausstellung 1954 in Luzern<br />
ziehen drei Pferde den Reportagewagen<br />
des Schweizer<br />
Fernsehens aus dem aufgeweichten<br />
Boden.<br />
Foto: SF<br />
M EMORIAV <strong>BULLETIN</strong> NR.1 4 25