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THOMAS SCHÄRER,<br />
HISTORIKER<br />
44 M EMORIAV <strong>BULLETIN</strong> NR.1 4<br />
Wenn früher Wanderkinobetreiber in Dörfern<br />
und Städtchen Station machten, war dies nicht<br />
nur für die Jugend ein jährlicher Höhepunkt.<br />
Ihre Schätze zeigten die Schausteller auf ihren<br />
mitgebrachten Projektoren in Gemeindesälen,<br />
Restaurants, Turnhallen, in Zelten oder gar<br />
plein air. Gezeigt wurde kaum je nur ein Film,<br />
sondern eine ganze Abfolge von Kurzfilmen,<br />
das «Beiprogramm» vor dem «Hauptfilm».<br />
Roadmovie erweist dieser mittlerweile historischen<br />
Aufführungspraxis eine Referenz. Nostalgie<br />
ist allerdings nur ein kleiner Teil der Motivation<br />
der mittlerweile ein Dutzend Menschen,<br />
die sich für den in Genf domizilierten Verein<br />
engagieren. Damals wie heute finden viele<br />
abseits der grossen Zentren Lebende kaum<br />
den Weg ins Kino. Ihnen will Roadmovie entgegenkommen,<br />
ihnen ein Fenster zur Welt bieten.<br />
Gestartet ist der kleine, mit technischem<br />
Gerät voll gepackte Lieferwagen vor allem mit<br />
alten Schweizer Filmen. Doch schnell stellte<br />
sich heraus, dass neue einheimische Filme<br />
ebenso interessieren. Über sie ist mehr als<br />
auch schon zu lesen, in der Provinz sind aber<br />
kaum welche zu sehen.<br />
So konzentrierten sich die Initianten vermehrt<br />
auf das aktuelle Schweizer Filmschaffen. Kurzfilme<br />
für Kinder und Jugendliche am Nachmittag<br />
(in Zusammenarbeit mit Swissfilms) und ein<br />
Spielfilm mit einem Vorprogramm am Abend für<br />
die Erwachsenen.<br />
Letztes Jahr entstand in Zusammenarbeit mit<br />
Memoriav die Formel: (alte) Wochenschau und<br />
(neuer) Schweizer Film.<br />
Stets auf den Aufführungsort zugeschnitten<br />
ist dabei die Auswahl der meist drei Wochenschauen:<br />
Beiträge über den Ort selbst oder<br />
über die Region stossen meist auf grosses Interesse<br />
beim Publikum und geben immer wieder<br />
zu Diskussionen Anlass.<br />
Audiovisuelle Archivschätze sichtbar machen<br />
Mit der 1940 gegründeten offiziellen Schweizer<br />
Filmwochenschau wollte der Bundesrat der<br />
stetig wachsenden Propagandaflut ausländischer,<br />
vor allem deutscher Wochenschauen<br />
etwas entgegensetzen. Mit ihrem staatstragenden,<br />
positiven Grundton war sie Teil der<br />
«geistigen Landesverteidigung».<br />
Roadmovie zeigt die auf 35-mm-Film gedrehte<br />
Wochenschauen auf DVD. Viel zu umfangreich<br />
würde sonst das Filmrollengepäck auf<br />
den sechs Wochen dauernden «Tourneen»,<br />
ausserdem sind die Originale meist wertvolle<br />
Unikate. Roadmovie profitiert dabei vom<br />
umfangreichen Memoriav-Projekt «Politische<br />
Information», in dessen Rahmen alle Wochenschauen<br />
von 1940 bis zur Einstellung des<br />
Formates 1975 auf digitale Träger (Digi-Beta)<br />
überspielt wurden. Neben der Überspielung<br />
wurden auch die durch die Film- und Videodokumentation<br />
des Schweizer Fernsehens SF<br />
erhobenen Metadaten zugänglich, Inhaltssynopsen<br />
und Bildbeschreibungen erstellt,<br />
Schlagwörter vergeben. So ist es heute ohne<br />
Aufwand möglich, auf der Memoriav-Datenbank<br />
Memobase (www.memoriav.ch) Beiträge<br />
nach Ort, Region, Zeit, Personen, Themen oder<br />
mit einer offenen Volltextsuche zu recherchieren.<br />
Dieses effektive Suchwerkzeug und die<br />
Digitalisierung des Filmmaterials haben allgemein<br />
zu einer deutlich höheren Präsenz<br />
von Archivmaterial in Studiokinos und in aktuellen<br />
Sendungen des Schweizer Fernsehens<br />
geführt.<br />
Eine Herausforderung sind die vier Sprachregionen.<br />
Die Wochenschauen sind hauptsächlich<br />
auf Deutsch und nur vereinzelt auf<br />
Französisch oder Italienisch digitalisiert<br />
worden, was die Programmgestaltung in der<br />
lateinischen Schweiz mitunter erschwert.