Antony Gormley KUB 09.03
Antony Gormley KUB 09.03
Antony Gormley KUB 09.03
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Person in eine Art modernistischen Bunker übersetzte. Alle Körperöffnungen<br />
(Mund, Ohren, After und Genitalien) wurden den Maßen<br />
der Person entsprechend auf die Betonkästen übertragen. Jeder<br />
Stahlbetonbehälter bietet den für die Aufnahme eines bestimmten<br />
Körpers erforderlichen Minimalraum. Insgesamt betrachtet<br />
gleichen die »Räume«, wie ihre sinnträchtige Bezeichnung lautet,<br />
einer Stadt und verweisen auf die Bedeutung einer über das einzelne<br />
Subjekt hinausgehenden Gemeinschaft. Die kleineren Kopfkonstruktionen<br />
auf den sockelartigen Betonstelen ähneln Wassertanks<br />
oder technischen Anlagen, wie man sie auf Hochhäusern<br />
findet, scheinen aber zugleich durch ihre Nähe oder Distanz Familienbeziehungen<br />
abzubilden. Ihr Nebeneinander lässt ein Gefühl für<br />
die individuellen Charakteristika der intimen Bauwerke entstehen.<br />
Durch die offensichtlichen Unterschiede in Größe und Höhe offenbart<br />
sich zudem in den geringfügigen Abweichungen und Proportionsverschiebungen<br />
eine subtile Übertragung des Charakters der<br />
ursprünglichen Person auf die Formen. Durch den geometrischen<br />
Raster und die Anordnung der einzelnen Arbeiten in Blöcken mit<br />
Straßen und Plätzen ergibt sich ein Labyrinth, in dem der Betrachter<br />
sich verlieren und wiederfinden kann – wortwörtlich und gewissermaßen<br />
als Geist, indem er die eigene Körpergröße und seinen<br />
Leibesumfang an dem der Abwesenden misst.<br />
Seit den frühen 1980er-Jahren entwickelt der Künstler<br />
Werke, in denen er die Phänomenologie des Raumerlebens und<br />
die Grenzen des Erfahrungshorizonts über die physischen Grenzen<br />
des Körpers hinaus erforscht. In der Serie Domain zum Beispiel<br />
evoziert ein zusammengeschweißtes Gefüge aus Edelstahlstäben<br />
innere Empfindungen des menschlichen Körper-Raums. In der<br />
Serie Feeling Material wird mittels einer durchgängigen Linie ein<br />
den Körper-Raum umgebendes Energiefeld erzeugt. Diese Experimente<br />
haben einen Bezug zu Clearing V (2009), das im zweiten<br />
Obergeschoss des <strong>KUB</strong> präsentiert wird: eine aus zwölf Kilometern<br />
unbearbeitetem Aluminiumrohr bestehende endlose metallene<br />
Linie zieht sich in endlosen Windungen vom Boden zur Decke und<br />
von Wand zu Wand, wobei das Material die ihm eigene elastische<br />
Spannkraft demonstriert. <strong>Gormley</strong> intendiert damit eine dreidimensionale<br />
Zeichnung im Raum: »Ich versuche, die festen Koordinaten<br />
des Raums zu zerstören und ein Raum-Zeit-Kontinuum zu<br />
schaffen, das sowohl ein Ding wie auch eine Zeichnung darstellt.«<br />
Das komplexe Feld von Spiralen und Sinuswellen nimmt eine eigene<br />
autonome Form an, die sowohl durch die Rahmenbedingungen der<br />
Architektur als auch die spezifischen Eigenschaften des Materials<br />
bestimmt wird. Wie bei allen gezeigten Installationen wird der<br />
Betrachter auch hier als Subjekt eines sich ständig neu ordnenden<br />
Blickfelds zum integralen Bestandteil des Werks.