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TRITTBRETTFAHRER DERSOZIALEN FRAGESOZIALDEMAGOGIE VON NPD UND NEONAZIS


1 VORWORT 41.1 Biedermänner und Brandstifter 42 SOZIALDEMAGOGIE 62.1 Trittbrettfahrer der sozialen Frage – Die Sozialdemagogie der extremen Rechten 62.2 Betriebsgemeinschaften nach NS-Vorbild – Die Wirtschaftspolitik der NPD 82.3 Gegen Gewerkschaften und Demokratie – NPD – Keine Partei für Arbeitnehmer 102.4 Sozialpolitik nur für die „Volksgemeinschaft“? 122.5 Kapitalismus, ein Feind aus Amerika? – Globalisierungskritik von Rechts außen 143 GESCHICHTE 163.1 Autobahnen und Kriegswirtschaft – Die Wirtschaft im Nationalsozialismus 163.2 „Gefolgschaft“ und „Betriebsführer“ – Die Stellung der Arbeitnehmer im„Dritten Reich“ 184 DIE NPD 204.1 Vorbild Nationalsozialismus – Die NPD 204.2 „Politischer Nahkampf mit antideutschen Kräften“ – Der Rassismus derDresdner Schule 224.3 Kampf um die Straße und die Köpfe – Strategie in strukturschwachen Regionen 245 DGB GEWERKSCHAFTEN GEGEN RECHTS 265.1 Chancengleichheit und Respekt – Gewerkschaften gegen Rechts außen 265.2 Bis in die „Mitte der Gesellschaft“ – Extrem rechte Einstellungen 285.3 Auf gleicher Augenhöhe – Gemeinsam gegen Rechts 305.4 Von der „Wortergreifung“ zur „Machtergreifung“ – Neonazis auf demokratischenVeranstaltungen 325.5 Was tun, wenn Neonazis vor der Tür stehen – Rechtliche Aspekte zum Ausschlussextremer Rechter 345.6 Symbole, Zeichen und Markenkleidung der Neonaziszene 386 LITERATUR/ADRESSEN 407 IMPRESSUM 423


41.1


VORWORTBIEDERMÄNNER UNDBRANDSTIFTERJÜRGEN PETERS,1. VORSITZENDER DER IG METALL:Rechtsextreme präsentieren sich vielerortsals „Kämpfer für Arbeitsplätze“.Neonazis und NPD behaupten, die politischeAlternative für die „kleinenLeute“ und Vertreter der „Verlierer“unserer Gesellschaft zu sein. Sie missbrauchenÄngste der Menschen vorArbeitsplatzverlust, neoliberalemSozialabbau und Folgen der Globalisierung.Mit Parolen wie „Arbeitsplätzestatt Globalisierung“ rufensie zu Aufmärschen auf. Diesoziale Frage ist Köder fürihre rassistische und völkische Ideologie. Oftwird erst auf den zweiten Blick erkennbar,dass sie unverändert ihre altbekannte nationalistischeWeltanschauung propagieren,um zwischen Deutschen und Zugewandertenzu polarisieren. Wie auch im Juli 2007in Frankfurt am Main: Unter dem Motto„Arbeit statt Dividende – Volksgemeinschaftstatt Globalisierung“ marschierten Neonazisund NPD auf. Mit dem Begriff der „Volksgemeinschaft“knüpfen sie direkt bei denNationalsozialisten an. Ausländer, Minderheitensowie politische Gegner wollen sieaus dieser „Volksgemeinschaft“ ausschließen.Seit einigen Jahren drängen sich Rechtsextremeauch in Demonstrationen gegen Sozialabbauvon Gewerkschaften und sozialenBewegungen. Bisweilen sind sie kaum vonanderen Teilnehmerinnen und Teilnehmernzu unterscheiden, da sie bewusst auf ihremartialische Kluft verzichten. Durch ihre Teilnahmemissbrauchen sie den demokratischenProtest. Die NPD führt neben dem „Kampfum die Straße“ auch den „Kampf um dieKöpfe“. Immer häufiger treten sie deshalbin Veranstaltungen von Gewerkschaften undParteien auf, um dort ihre Ideologie vermeintlichseriös zu verbreiten. Veranstaltungen vonpolitischen Gegnern wollen sie so skandalisierenund sprengen.Längst hat sich mancherorts ein Klima derAkzeptanz für rechtsextremistische Einstellungenund Handlungen entwickelt. Daszeigen nicht nur Ergebnisse bei Kommunalwahlen,sondern auch der Einzug der NPDin die Landtage in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.Seither weiten NPD undNeonazis ihre Präsenz mit neuer Taktik aus.Insbesondere in ländlichen Regionen OstwieWestdeutschlands treten sie als scheinbar„nette Nazis“ in Erscheinung. Mit adrettemAuftreten bemühen sie sich, das Vertrauenvon Bürgerinnen und Bürgern zu erwerben.Die vermeintlichen Biedermännerder NPD integrieren sich in das Dorflebenund bieten z. B. Hartz-IV-Beratung oder speziellfür Jugendliche Kulturangebote an. DieseVorgehensweise soll zu weiteren Siegen beiLandtagswahlen und der Bundestagswahl2009 führen. Nicht zuletzt will die NPD mitdiesem „Kampf um die Parlamente“ auchihre Parteistrukturen ausbauen.Die IG Metall bekämpft diese Strategien. Es istnicht hinnehmbar, dass die NPD öffentlicheGelder aus der Wahlkampfkostenerstattungerhält und den grundgesetzlichen Schutz einerpolitischen Partei genießt. Bereits das ersteVerbotsverfahren gegen die NPD hat belegt,dass sie die demokratische Staatsform derBundesrepublik Deutschland beseitigen undeine Nazi-Diktatur errichten will.Millionen von Menschen haben unter demFaschismus gelitten. Darunter auch vieleGewerkschafterinnen und Gewerkschafter.Die IG Metall wird, auch aus dieser Erfahrungheraus, engagiert Fremdenfeindlichkeit,Rassismus und Rechtsextremismus bekämpfen.Viele gewerkschaftliche Aktivitäten inden Betrieben und in der Gesellschaft beweisen,dass erfolgreich gegen Intoleranz,Diskriminierung von Minderheiten und dieextreme Rechte vorgegangen werden kann.Es bleibt aber auch Aufgabe jedes und jederEinzelnen, nicht schweigend zu- oder wegzusehen,wenn andere diffamiert oder gewalttätigangegriffen werden.Die Auseinandersetzung mit der sozialenDemagogie von NPD und Neonazis erfordertKenntnis über Fakten und Hintergründe.Die vorliegende Broschüre des DGB ist fürden Kampf gegen Rechts eine wichtige undnützliche Unterstützung.5


2.1SOZIALDEMAGOGIETRITTBRETTFAHRER DERSOZIALEN FRAGE –DIE SOZIALDEMAGOGIEDER EXTREMEN RECHTEN3 Jürgen Gansel (MdL der NPD in Sachsen), „Der Nationalismus wird Schutzmacht der ,kleinen Leute’“, Artikelauf der Internetseite der NPD, LV-Sachsen, 31.11.20064 Udo Voigt (Vors. der NPD) in: Deutsche Stimme, 7/1998, S. 2 (zit. nach Staudt, Toralf, Moderne Nazis, Köln,2005, S. 915 „Wir werden knallharte Opositionspolitik betreiben“, Interview mit Udo Pastörs in „National-Zeitung“ Nr.37/06, vom 08.09.2006Die extreme Rechte greift soziale Missstände,Zukunfts- und Existenzängstein der Gesellschaft zwar auf, lenkt sieim zweiten Schritt jedoch auf ihre altbekanntenrassistischen und nationalistischenMühlen. Ihr Ziel ist es, sozialenProtest für die braune Ideologiezu funktionalisieren.Aufmärsche zum 1. Mai, Parolen gegen HartzIV oder für die Angleichung von Ost- undWestlöhnen. Neonazis und NPD, so scheint6


es manchmal, haben sich zu Vertretern derInteressen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernoder Hartz-IV-Empfängern aufgeschwungen.Oft ist erst auf den zweitenBlick zu erkennen, welche Ideologie da eigentlichvertreten wird. „Volksgemeinschaftstatt Klassenkampf“ steht dann auf denTransparenten extrem rechter Aufmärscheoder „1. Mai seit ‘33 arbeitsfrei“. So bürgernahsie sich auch geben, die Kritik am Systemund seinen sozialen Verhältnissen dient ihnenzur Verbreitung völkischer und rassistischerIdeologien.DEN ANTIKAPITALISMUS „MITNATIONALEN INHALTEN AUFLADEN“Der sächsische NPD-LandtagsabgeordneteJürgen Gansel erklärt etwa ganz offen, manwolle den „Antikapitalismus aus den Traditionsbeständender Linken herausbrechenund mit nationalen Inhalten aufladen“. Deraus dem Rheinland stammende Gansel zähltderzeit zu den Vordenkern der Partei. „DieNationalisierung der sozialen Frage“, soGansel, werde dem Nationalismus so viel Zulaufbescheren, „dass die morschen Knochender Volks- und Vaterlandsabwickler nochgehörig zittern werden“. 3 Auch VorsitzenderUdo Voigt sieht in der Thematisierung dersozialen Frage vor allem eine Strategie. Versuchtesich die Partei über Jahrzehnte alsextreme Speerspitze des Antikommunismuszu präsentieren, gab er über die Parteizeitung„Deutsche Stimme“ 1998 folgendeParole aus: „Wir müssen, gerade in Mitteldeutschland,klarmachen, dass wir Nationalistendie faktische Nachfolge der Kommunistenin der Vertretung sozialer Lebensinteressendes deutschen Volkes angetretenhaben.“ 4KONKRETE VORSCHLÄGE ZURSOZIALPOLITIK? – FEHLANZEIGE!Zwar tragen NPD-Redner mit populistischenParolen vom „Sozialismus“, „Gegen Großkapitalund System“ dick auf, statt konkreterVorstellungen für eine Verbesserung derSituation der „kleinen Leute“ folgen jedochnur allgemeine Losungen von der NS-Volksgemeinschaft,der Besinnung auf die Nationoder eine Schuldverschiebung auf Ausländer.Eine praktische Politik zur Lösung sozialerMissstände ist von der Partei, die immerhinin zwei Landtagen vertreten ist, nicht zuerwarten. Gefragt, welche Schritte zur Bekämpfungder Arbeitslosigkeit er vorschlage,antwortete Udo Pastörs, Spitzenkandidatder NPD für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern2006: „Wir als NPD sindnicht bereit, die Bühne im Landtag zu Schwerinum eine weitere Laienschauspielgruppezu vergrößern. (...) Eine wirkungsvolle Bekämpfungder Arbeitslosigkeit ist nach meinerAuffassung erst nach Überwindung desreal existierenden kapitalistischen Systemsin Europa möglich.“ 5TRANSPORTRIEMEN FÜR„NATIONALEN SOZIALISMUS“Neonazis und NPD erzeugen durch scharfeKritik zwar den Eindruck, hier sei eine besondersradikale Opposition am Werke, wennes um Lösungsvorschläge geht, ist eine ernsthafteBefassung mit der sozialen Frage vonihnen nicht zu erwarten. Die Benutzung vonBegriffen wie „Volksgemeinschaft“ oder„Nationaler Sozialismus“ zeigen, dass siedas Thema nur als Transportriemen für altenationalsozialistische Ideologie nutzen. Dashaben sie zuvor schon mit dem Antikommunismus,dem Umweltschutz oder anderenaktuellen Themen versucht. Kurz gefasst,lässt sich ihre Politik so zusammenfassen:Arbeitsplätze sollen nur noch nach rassistischenKriterien an Deutsche vergebenwerden.Der Sozialstaat soll nur für die „Volksgemeinschaft“da sein. Ausländer und Minderheitensollen ausgeschlossen werden.Nach dem Wirtschaftskonzept der NPDsoll der Außenhandel rabiat eingeschränktwerden, die Wirtschaft nach außen hin hermetischabgeschlossen und in mittelständischen„Betriebsgemeinschaften“ organisiertwerden.Für die Rechte von Beschäftigten undihre Selbstorganisation in Gewerkschaftenist hier kein Platz.STICHWORT: SOLIDARITÄTDGB: In den Gewerkschaften organisierensich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,Arbeitslose, Studierende und Freiberufler,unabhängig von sozialer und ethnischerHerkunft, Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit,Geschlecht, Alter und parteipolitischerZugehörigkeit. Sie streiten gemeinsamfür bessere Arbeitsbedingungenund Verteilungsgerechtigkeit, wenn es nötigist, auch mit dem Mittel des Streiks.STICHWORT: AUSLÄNDISCHEKOLLEGINNEN UND KOLLEGENDGB: Für die Gewerkschaften gilt: GleicherLohn und gleiche Arbeitsbedingungen amgleichen Ort. Dieses Grundprinzip gilt füralle Beschäftigten, unabhängig von Herkunftund Staatsangehörigkeit. Mit der Rechnung„Ausländer raus – Arbeitsplätze fürDeutsche“ knüpfen die Rechtsextremenzwar an weit verbreitete Vorurteile in derBevölkerung an, dennoch geht sie nichtauf. Erstens ist in den ostdeutschen Ländern,in denen der Anteil von Migrantenan der Bevölkerung nur ein bis zwei Prozentausmacht, die Arbeitslosigkeit mit 20und mehr Prozent am höchsten. Zweitenstragen ausländische Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer seit Gründung der BundesrepublikDeutschland zur ökonomischenEntwicklung bei und dies gilt auch heutenoch.7


2.2SOZIALDEMAGOGIEBETRIEBSGEMEINSCHAFTENNACH NS-VORBILD –DIE WIRTSCHAFTSPOLITIKVON NPD UND NEONAZISZwar schwadroniert der NPD-VorsitzendeUdo Voigt über mehr sozialeGerechtigkeit oder fordert gar den„Sozialismus“ ein. Mit landläufigenVorstellungen von Sozialismus hat dasnichts zu tun.06 AG Zukunft statt Globalisierung Sachsen/www.antikap.de, u.a. (Hrsg.), Antikapitalismus ... von „Rechts“,Dresden, 200607 Aktuelles Programm der NPD08 Aktuelles Programm der NPD09 Vgl. Schwagerl, H. Joachim, Rechtsextremes Denken, Frankfurt/M., 1993, S. 17810 Udo Voigt in „Deutsche Stimme“, Nr. 9/1999Besonders radikal geben sich diemilitanten Neonazis in den so genannten„Freien Kameradschaften“.Die „Freien“, wie sie auchgenannt werden, haben sich weit gehend mitder NPD verbündet. Die Aktivisten mischenin Wahlkämpfen mit und konnten auch schonLandtagsmandate für die NPD besetzen. Zusammenmit den „Jungen Nationaldemokraten“,der Jugendorganisation der NPD,8


haben die Neonazis eine aufwändig gestalteteBroschüre herausgegeben, die im Erscheinungsbildeher an Schriften autonomerLinker erinnert. „Für die Unterdrückten –Gegen die Ausbeuter“, steht auf dem Titel.„Antikapitalismus .... von ,Rechts’ – , NationalenSozialismus’ durchsetzen!“. Die Autorenstellen sich in die Tradition des NSDAP-Politikers Gregor Strasser, der zu den Führerndes sozialrevolutionären Flügels der Parteizählte. Wie Strasser treten die Neonazis füreinen „deutschen Sozialismus“ ein, „der sichnicht zum Henkersknecht des internationalenKapitals macht“.FREIES UNTERNEHMERTUMWer nach all den markigen Worten jedocheinen sozialistischen Zukunftsentwurf erwartet,wird enttäuscht. Als Zentrum des „NationalenSozialismus“ wird ein deutscher mittelständischerKapitalismus gepriesen. „Dernationale Sozialismus sieht in einer Rechtsordnung,die dem Fleißigen und Tüchtigenden Erwerb von Privateigentum ermöglichtund den Besitz des Erworbenen garantiert,solange er nicht der Allgemeinheit des deutschenVolkes schadet, die beste Grundlagefür das Wiedererstarken der Wirtschaft undder Persönlichkeit.“ 6„Antikapitalismus“ steht bei der extremenRechten nicht für eine neue gerechtere Wirtschaftsordnung,sondern wendet sich ausschließlichgegen das internationale Kapital,die Globalisierung oder internationale Konzerne.Auch die scheinbar radikalen Parolenwie „Großkapital enteignen“ oder „Das Systemstoppen, Kapitalismus abschaffen“ aufneonazistischen Transparenten sind in diesemSinne zu verstehen. Denn auch über dieRechte der „Unterdrückten“ ist in „Antikapitalismus... von ,Rechts’“ nichts zu lesen.Statt eigener Rechte der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer wird lediglich dem autoritärenFührerstaat ein gewisses Recht derRegulierung gegenüber der freien Wirtschaftzugestanden. Nur die Nation, nichtetwa die Arbeiterbewegung, könne „demKapital Grenzen setzen und es im Interessedes Volksganzen disziplinieren“, heißt es inder Broschüre.KEINE RECHTE FÜR BESCHÄFTIGTEAuch die Forderung nach „sozialer Gerechtigkeit“des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt hälteinem Blick in sein eigenes Parteiprogrammnicht stand. Über die Rechte von Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmern findet sich dortkein einziger Satz. Stattdessen bekennt sichdie NPD zum freien Unternehmertum. Lediglicheine soziale Verpflichtung der Arbeitgeberwird angemahnt. „Ziel nationaldemokratischerWirtschaftspolitik“, so steht es imProgramm der Partei, „ist die Synthese vonunternehmerischer Freiheit und sozialer Verpflichtung.Deshalb bekennt sich die NPD zueinem freien und sozialverpflichteten Unternehmertum“.7Daher lehnt die NPD nur die „Internationalisierungder Volkswirtschaften ab“. 8 In einemLand wie der Bundesrepublik, das als „Exportweltmeister“stark vom Außenhandelabhängig ist, will die Partei den Export beschränkenund den heimischen Markt mitSchutzzöllen weit gehend abriegeln. Mitihrem Konzept der „raumorientierten Volkswirtschaft“will sie eine der „Volksgemeinschaft“verpflichtete Wirtschaftsordnung.„PFLICHT ZUR ARBEIT“Tatsächlich gibt es eine Reihe ideologischerGemeinsamkeiten von extremen Rechten undNeoliberalismus. So sind die entscheidendenKategorien der extremen Rechten nicht armoder reich, sondern leistungsfähig oder überflüssig.Das unsolidarische Konkurrenzprinzip,demnach sich der Stärkere und Bessereim Wettbewerb durchsetzt und Schwächereausgesondert werden, ist als Sozialdarwinismusübersteigert auch eine Grundlage extremrechter Ideologie. Leistungs- und Gewinnstrebenwird von Neonazis ebenso befürwortetwie vom Neoliberalismus, und dasPrivateigentum an Produktionsmitteln zweifelnextreme Rechte nicht an. Demokratielehnen sie auch im Betrieb ab. 9Dahinter steht das Bild von der NS-Betriebsgemeinschaft,in dem das autoritäre Konzeptvon Führer und Gefolgschaft auf die Betriebeübertragen wird. Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer waren damals auf Gedeih undVerderb den Betriebsführern ausgeliefert.Eigene Rechte hatten sie nicht, ihre Selbstorganisationen,die Gewerkschaften, warenverboten. Ab 1938 wurde der Arbeitszwangeingeführt. An dieses Konzept knüpft die NPDauch heute an. Die Situation der Betroffenenist ihr dabei egal. Trotz immer höhererZumutbarkeitsregeln der Bundesagenturfür Arbeit, Bezahlung unter Tarif oder desZwangs, Ein-Euro-Jobs anzunehmen, will auchdie NPD eine Wirtschaftsordnung, so ihrVorsitzender, die das „Recht auf Arbeit zurPflicht erhebt“. 10STICHWORT: BÜRGERRECHTEFÜR MIGRANTENDGB: Wer in der Bundesrepublik lebt oderarbeitet, sollte sich auch demokratisch einmischenkönnen. Der DGB fordert darummehr Bürgerrechte für Migrantinnen undMigranten. Für Betriebsratswahlen giltschon heute: Aktives und passives Wahlrechtunabhängig vom deutschen Pass.Wir setzen uns auch für ein besseres Aufenthaltsrechtund ein Ende der Kettenduldungenein. Nur wer einen sicheren Rechtsstatushat, kann auf Augenhöhe für seineRechte einstehen und wird nicht Opfer vonLohn- und Sozialdumping.STICHWORT: KEINRASSISMUS IM BETRIEBDGB: Rassismus vergiftet das Betriebsklimaund die Solidarität unter den Beschäftigten.Einige Unternehmen haben es bereits erkannt:Rassismus im Betrieb ist eine nichtzu akzeptierende Belastung und Beeinträchtigungder betroffenen Kolleginnen und Kollegen;außerdem beeinflussen rassistischeBelästigungen und Diskriminierungen den Erfolgeines Unternehmens, der Krankenstandsteigt, die Qualität der Produkte sinkt. DieDGB Gewerkschaften haben daher mit vielenBetrieben Vereinbarungen abgeschlossen.Rassistische Diskriminierungen werdennicht toleriert, sie führen im Zweifelsfall zuarbeitsrechtlichen Konsequenzen. Ziel ist esnicht auszugrenzen, sondern alle Kolleginnenund Kollegen gleich zu behandeln.9


2.3SOZIALDEMAGOGIEGEGEN GEWERKSCHAFTENUND DEMOKRATIE –NPD – KEINE PARTEI FÜRARBEITNEHMER11 Aktuelles Programm der NPD12 Udo Voigt (Vors. der NPD), „1. Mai: Tag der Arbeit – Arbeit für alle Deutschen“, Rede zur Kundgebung derNPD am 01.05.2006 in Rostock, Internetseite der NPD am 20.12.200613 „Der DGB und das System schon fast am Ziel?“ und „Erneuter DGB Phrasenmarathon auf der Anti-Hartz-IV-Demo in Stralsund“, Artikel von Dirk Arendt auf der Internetseite des NPD Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, 30.12.200614 „Deutsche Stimme“ vom Mai 200615 Udo Voigt (Vors. der NPD) „1. Mai: Tag der Arbeit – Arbeit für alle Deutschen“, Rede zur Kundgebung der NPDam 1. Mai 2006 in Rostock, Internetseite der NPD 20.12.2006 „Nun, nachdem das Kind in den Brunnengefallen ist und unser gesamtes Sozialsystem durch Missbrauch und Überlastung durch Einwanderer und derenAngehörige zusammengebrochen ist, glauben die Gewerkschaften durch überzogene Lohnforderungen ihreDaseinsberechtigung beweisen zu müssen.“16 Ebbenga, Heiko Gerold, auf www.kandidatenwatch.de, 2005Neonazis erinnern gerne daran, dasses die Nationalsozialisten waren, dieden 1. Mai 1933 zum Feiertag erklärten.Für die Gewerkschaftsbewegungwar dieser Tag der Vorabend ihrer Zerschlagung.Einen Tag später, am 2. Mai1933, stürmte die SA die Gewerkschaftshäuser.Zwar fordert die NPD nicht ausdrücklichein Verbot der Gewerkschaften,aber in ihrem Programm findetsich über die Rechte der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer, über Koalitionsfreiheit,Arbeitsschutz oder Tarifverträge kein10


Wort. In einem System, in dem das NS-Prinzipvon Befehl und Gehorsam auf die Arbeitsweltübertragen wird, ist auch für eineSelbstorganisation der Beschäftigten keinPlatz. So heißt es etwa im Programm derNPD, dass „Gruppenegoismen“ in der Gesellschaftzu überwinden seien. Unter „Gruppenegoismen“versteht die extreme Rechtedie Bildung von Interessengruppen und ihreVertretung in der demokratischen Gesellschaft.Darunter fällt besonders die größte Selbstvertretungder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerdurch die Gewerkschaften. „WirNationaldemokraten setzen uns mit Entschiedenheitfür eine neue Gesellschaftsordnungein, die in nationaler Solidarität vorhandeneGruppenegoismen überwindet“ 11 , heißt esim Programm.Entsprechend schwankt die NPD-Kritik anden Gewerkschaften je nach Opportunität.Mal sind sie Teil des vermeintlich korruptenSystems, mal stehen sie für „Gruppenegoismen“wie angeblich zu hohen Löhnen undLohnforderungen. In jedem Fall werden dieGewerkschaften von der NPD bekämpft.MITSCHULD AM „NIEDERGANG DESTEILVEREINTEN DEUTSCHLANDS“Am 1. Mai 2006 machte der NPD-VorsitzendeUdo Voigt die Gewerkschaften für Arbeitslosigkeit,Hartz IV und die Armutsentwicklungverantwortlich. Auf einer neonazistischenKundgebung in Rostock sagte er: „All dassind die ,Erfolge’ der etablierten Globalisierungsparteienund der Gewerkschaften. Sieallesamt tragen für diese katastrophale Entwicklungdie alleinige Verantwortung.“ DieGewerkschaften, so Voigt weiter, kümmertensich „seit Jahrzehnten mehr um die Belangeausländischer Mitarbeiter als um das Wohldeutscher Arbeiter“, sie hätten „ihre Daseinsberechtigungund die Interessen deutscherArbeitnehmer längst verraten“. 12 Auch derNPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommernhetzt gegen „die gemeinsamen Machenschaftendes DGB und des volksfeindlichenSystems“. Die Redner einer vom DGBorganisierten Montagsdemonstration gegenHartz IV in Stralsund seien „sich im Wortlautwiederholende Systemtreue und amBürger vorbeiredende Schwätzer“ gewesen,ist dort zu lesen. Gewerkschafter werdenals Arbeitnehmervertreter dargestellt, dieabwechselnd mit den „Systempolitikern“und Arbeitgebern gemeinsame Sache machenund eine „offensichtliche Mitschuld“ am„Niedergang des teilvereinten Deutschlands“hätten. 13GEGEN „SINNLOSE STREIKS“ UND„ÜBERZOGENE LOHNFORDERUNGEN“DER BESCHÄFTIGTENDie NPD wendet sich trotz aller sozialdemagogischerRhetorik gegen Forderungen undAktionen von Arbeitnehmern. Als die Kolleginnenund Kollegen von ver.di im Frühjahr2006 gegen eine Verlängerung ihrer Arbeitszeitstreikten, schrieb die NPD-Zeitung „DeutscheStimme“ von einer „sinnlosen Streikaktion“.Der NPD-Spitzenkandidat für dieWahl in Mecklenburg-Vorpommern UdoPastörs erklärte, den Beschäftigten sei „ganzoffensichtlich der politische Sinn für dasGanze abhanden gekommen“ und ihr Zielmüsse es stattdessen sein, „ein funktionierendesGemeinwesen zu sichern“. 14Sozialdemagogisch agiert die NPD auch,wenn es um die Höhe der Löhne geht. Nachaußen tritt sie mit den Forderungen „GleicherLohn für gleiche Arbeit“ und Einführungeines gesetzlich gesicherten Mindestlohnsals scheinbar soziale Kraft auf. Gemeintist mit dieser Parole jedoch nur die Angleichungvon Ost- und Westlöhnen, deren Auseinanderklaffendie Partei als „nationale“Ungerechtigkeit versteht. Keineswegs schließtdie NPD-Forderung aber zum Beispiel gleichenLohn für Frauen ein, deren Löhne immernoch durchschnittlich um 1/3 unter denen derMänner liegen, oder für Migrantinnen, derenArbeit oft unterdurchschnittlich bezahlt wird.Gleichzeitig halten sie das derzeitige Lohnniveaunoch für zu hoch. Am 1. Mai 2006warf NPD-Vorsitzender Udo Voigt den Gewerkschaftenvor, „überzogene Lohnforderungen“zu stellen. 15 Der NPD-BundestagskandidatHeiko Gerold Ebbenga erklärte zurBundestagswahl 2005, Vollbeschäftigung seinur „durch die Zerschlagung der Tarifdiktaturder Gewerkschaften“ zu erreichen. 16STICHWORT: GLEICHER LOHNFÜR GLEICHE ARBEITDGB: Die Forderung nach gleichem Lohn fürgleiche Arbeit hat eine lange Tradition in derGewerkschaftsbewegung. In Tarifverhandlungenkämpfen die DGB Gewerkschaftenauch heute dafür, dass Männer und Frauen,Einheimische und Migranten gleich behandeltwerden. Sie setzen sich gegen eineAufspaltung der Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer zur Wehr. Nur mit einer kollektivenInteressenorganisation können LohnundSozialdumping verhindert und eineVerbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungenerreicht werden.STICHWORT: MINDESTLOHNDGB: Stundenlöhne von vier Euro brutto inder Landwirtschaft oder 800 Euro nettomonatlich für einen Vollzeitjob im privatenWachdienst. Viele Unternehmen verweigerneine tarifgerechte Entlohnung und zahlenNiedriglöhne, von denen kein Mensch lebenkann. Das darf nicht sein. Der DGB kämpftdarum für einen verbindlichen Mindestlohnvon mindestens 7,50 Euro für alle Beschäftigten.Hinter dem von den extremen Rechtengeforderten Mindestlohn von 8,80 Euroverbirgt sich nicht eine reale Forderung zurAbschaffung von Armutslöhnen, sie soll lediglicheine Verbindung zum Nationalsozialismussignalisieren, denn 88 bedeutet imSprachgebrauch der Neonazis „Heil Hitler”.STICHWORT: SOLIDARITÄT MITSCHWÄCHERENDGB: Vor den Wechselfällen des Lebens istniemand geschützt. Die Gesellschaft mussdarum auch für Schwächere und wenigerLeistungsstarke da sein. Der DGB setzt sichauch für die Integration von benachteiligtenGruppen in das Arbeitsleben ein. Gewerkschaftenunterstützen mit Tarifverträgen(„Start in den Beruf” der IG BCE) oder mitgemeinsamen Projekten („Projekt zur Integrationin den ersten Arbeitsmarkt – PIA” derIG Metall) den Einstieg von benachteiligtenJugendlichen in die berufliche Ausbildung.11


2.4SOZIALDEMAGOGIESOZIALPOLITIK NUR FÜR DIE„VOLKSGEMEINSCHAFT“?Ginge es nach der NPD, gäbe es nurnoch eingeschränkte Sozialleistungenfür Deutsche. Politische Gegner derNeonazis, Ausländer und Flüchtlingebekämen gar nichts.Alle sozialen Belange werden vonden Neonazis durch die rassistischeund völkische Brille gesehen.Egal ob sie ein Leben langin Kranken-, Pflege-, Renten- oder Arbeitslosenversicherungeingezahlt haben. „Ausländersind aus dem deutschen Sozialversicherungssystemauszugliedern“, heißt es ganzklar im NPD-Programm. Auch Flüchtlinge dürfendemnach „keinen einklagbaren Anspruchauf deutsche Sozialleistungen besitzen.“ 1717 Aktuelles Programm der NPD18 Jürgen Gansel (MdL der NPD in Sachsen), „Der Nationalismus wird Schutzmacht der ,kleinen Leute’“, Artikelauf der Internetseite der NPD, LV-Sachsen, 31.11.200619 AG Zukunft statt Globalisierung Sachsen/www.antikap.de u.a. (Hrsg.), Antikapitalismus ... von „Rechts“,Dresden, 2006, S. 2120 Udo Voigt (Vors. der NPD) im Aktionsprogramm der NPD21 NPD LV-Sachsen, Unser Programm für Sachsen, Internetseite des LV-Sachsen, 20.12.200622 Aktuelles Programm der NPDDoch damit nicht genug. Nach Vorstellungender Neonazis soll der Sozialstaat nur für die„Volksgemeinschaft“ da sein. „Der Sozialstaatwird volksgemeinschaftlich organisiertsein oder er wird gar nicht sein!“, erklärt12


etwa der sächsische NPD-Abgeordnete JürgenGansel. „Strikt begrenzen“ will Gansel„den Kreis seiner Teilhabeberechtigten. DieKardinalfrage ,Wer gehört dazu und wernicht?’“ könne „nur national beantwortetwerden.“ 18KEIN SOZIALSTAAT FÜR ANDERS-DENKENDEWer aber gehört nun zu dieser „Volksgemeinschaft“?Neonazis propagieren die„Volksgemeinschaft“ heute als positivenBegriff, den sie gegen die Vereinzelung inder Massengesellschaft setzen. Sie soll das„Gemeinwohl sichern“, „Fundament allerschaffenden Deutschen sein“ und demjenigenden höchsten Status zubilligen, „deram meisten für die Gesamtheit schafft“. 19 Tatsächlichist die „Volksgemeinschaft vor allemein Ausschlusskonzept. Der Begriff stammtvon den Nationalsozialisten und galt ihnenals „Blut- und Schicksalsgemeinschaft“ derDeutschen. Hitler selbst sprach sogar von der„nationalsozialistischen Volksgemeinschaft“.Gegenüber der „Volksgemeinschaft“ war derEinzelne rechtlos. „Du bist nichts, Dein Volkist alles“ hieß es im Nationalsozialismus. Zur„Volksgemeinschaft“ gehörten damals nurjene, die entweder Nationalsozialisten waren,oder das Terrorregime als schweigende Mehrheitmittrugen. „Volksfremd“ dagegen warennicht nur Ausländer oder deutsche Staatsbürger,die zu Juden erklärt wurden. AuchGegnerinnen und Gegner der Nationalsozialisten,überzeugte Sozialdemokraten, Kommunisten,Christen, Gewerkschafter oderjene Schriftsteller, deren Bücher 1933 verbranntwurden, galten als „Volksfremde“.Andere Gruppen, die nicht zur „Volksgemeinschaft“gehörten, waren Leistungsunfähigeoder -unwillige, etwa Behinderte, dieder Euthanasie zum Opfer fielen oder Suchtkranke,so genannte „Asoziale“, die in Konzentrationslagereingeliefert wurden. Werheute von Volksgemeinschaft redet, will denNationalsozialismus wiederbeleben undnegiert, dass unsere Gesellschaft aus verschiedenenIndividuen und Gruppen besteht.Dazu gehört auch, dass Gruppen mit unterschiedlichemsozialen Status ihre Interessenin der Gesellschaft vertreten können.EINGESCHRÄNKTE SOZIALLEISTUNGENDen Volksgemeinschaftsbegriff aus demNationalszialismus vertreten Neonazis auchheute. Wenn etwa der NPD-Vorsitzende UdoVoigt erklärt: „Sie (die etablierten Parteien)sorgen sich um das Wohl von Ausländernund Randgruppen dieser Gesellschaft, wirdagegen um unser eigenes Volk.“ 20 , dannschließt er Ausländer, sozial Benachteiligteoder Minderheiten aus der Gesellschaft aus.Entsprechende Einschränkungen sollen dahernach Vorstellungen der Neonazis auchfür die Sozialleistungen gelten. Nach demProgramm des sächsischen Landesverbandesder NPD sollen sogar nur „Volksgemeinschaftsangehörige“Ansprüche auf Sozialleistungengeltend machen können, die zuvoretwas geleistet haben. „Die soziale Fürsorgedes Staates muss so angelegt sein, dassniemand, der etwas geleistet hat, unterhalbdes Existenzminimums leben muss“, heißtes dort. 21 Und überhaupt treten die Neonazisnur für sehr eingeschränkte Sozialleistungenein. „Eine Sozialpolitik nach demTraumbild des totalen Wohlfahrtsstaates“,schreibt die NPD in ihrem Bundesprogramm,„dessen Belastungen für alle Schaffendenzum Albdruck werden, verfehlt ihre Aufgabeund ist unsozial.“ 22GEWALT GEGEN DIE ÄRMSTENWie wenig Neonazis das Wohl von Menschenam Herzen liegt, die am unteren Ende dergesellschaftlichen Leiter leben müssen, zeigtauch ein Blick auf rechtsextremistische Gewalttaten.Zu den Gruppen, die häufig Opferdieser Gewalt werden, zählen neben Migrantenund Flüchtlingen vor allem Obdachlose.Auch Behinderte werden regelmäßigOpfer neonazistischer Gewalttaten und Bedrohungen.STICHWORT: GESUNDHEITDGB: Die Kolleginnen und Kollegen im DeutschenGewerkschaftsbund setzen sich füreine faire Reform des Gesundheitssystemsein. Wir wollen die paritätische Finanzierungvon Arbeitgebern und Arbeitnehmern wiederherstellen.In eine solidarische Finanzierungmüssen neben Löhnen und Gehälternauch Kapitaleinkünfte einbezogen werden.Um die „Zwei-Klassen-Medizin“ zuüberwinden, fordert der DGB eine Beteiligungder privaten Krankenversicherer amFinanzausgleich zwischen den Kassen.STICHWORT: RENTEDGB: Die Gewerkschaften setzen sich fürdie Beibehaltung des Rentenalters von 65Jahren ein, denn Millionen Menschen erreichennicht mal das heutige Rentenalterwegen arbeitsbedingter gesundheitlicherSchäden oder weil sie ihren Job verlorenhaben. Wir wollen eine Rentenreform, diedurch Gesundheitsprävention, Fortbildungund Teilzeitarbeit erreicht, dass die Beschäftigtenlänger leistungsfähig sind. Kindererziehungund Pflegearbeit muss stärkerberücksichtigt werden, um der Altersarmutvon Frauen entgegenzuwirken. Wenn Jugendlicheeine gute betriebliche Ausbildungund anschließend reguläre, sozialversicherungspflichtigeJobs bekommen, ist die Renteab 65 auch übermorgen noch sicher. DerDGB und die Gewerkschaften setzen sichfür eine Fortentwicklung der gesetzlichenRentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherungein, in der alle Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer, Beamtinnen undBeamte und Selbstständige gleichermaßenversichert werden.STICHWORT: SOZIALE SCHIEFLAGEGERADE RÜCKENDGB: Der NPD-Slogan „Gute Heimreise fürAusländer“ ist nicht nur rassistisch, er löstauch nicht das Problem der Arbeitslosigkeit.Arbeitslosigkeit und Armut hängen nicht vonder Größe einer Gesellschaft ab, sondernwie sie Arbeit und Güter untereinander verteilt.Steuersenkungen für die Wohlhabendenund zusätzliche Belastungen für dieBeschäftigten und Arbeitslosen lassen dieSchere von Arm und Reich immer weiterauseinanderklaffen. Wir setzen uns zusammenmit Frauen und Männern, Einheimischenund Migranten, Beschäftigten undArbeitslosen dafür ein, dass diese Schieflagewieder gerade gerückt wird.13


2.5SOZIALDEMAGOGIEKAPITALISMUS, EIN FEINDAUS AMERIKA? –GLOBALISIERUNGSKRITIKVON RECHTS AUSSENExtrem rechte Globalisierungskritikerkämpfen nicht für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung.Sie benutzen dasUnbehagen an der Globalisierung zumAufbau eines Bedrohungsmythos gegendie Deutschen. Schuld sollen wiedereinmal die Juden sein.23 Jürgen Gansel (MdL der NPD in Sachsen), „Über die Gleichzeitigkeit von De-Nationalisierung und Re-Nationalisierung im Globalisierungszeitalter“, Artikel auf der Internetseite der NPD, LV-Sachsen, 31.11.200624 Aae, Per Lennart, Raumorientierte Volkswirtschaft, in Wiener Nachrichten Online, 2003Während die extreme Rechtemit großem Getöse vorgibt,die Systemfrage zu stellen,bleibt in der Realität nichtviel übrig. Die Bedrohung kommt im neonazistischenWeltbild immer von außen. Sündenböckefür Arbeitslosigkeit und Sozialkürzungensind für sie Migrantinnen und Migranten.Auch ihr „Antikapitalismus“ bezieht sich nurauf äußere Bedrohungsmythen, die inter-14


nationalen Konzerne oder die EU. Als das USamerikanischeUnternehmen General Motorssein deutsches Opel-Werk in Bochum schließenwollte, war das daher auch ein Themafür den nordrhein-westfälischen NPD-FunktionärClaus Cremer. Mit 60 Neonazis marschierteer vor dem Opel-Werk auf. „Das Volkblutet, das Kapital kassiert. Globalisierungzerstört Arbeitsplätze“, lautete das Motto,mit dem die Neonazis versuchten, den drohendenVerlust der Arbeitsplätze für ihrePropaganda zu nutzen. Die Opelaner ließensich davon allerdings nicht beeindrucken.Das Feindbild Nr. 1 der Neonazis in diesemZusammenhang ist die Globalisierung, denndieses Feld scheint für viele Menschen undurchschaubarund symbolisiert ihre Ohnmachtgegenüber den scheinbaren Sachzwängender internationalisierten Wirtschaft.Gegen die Folgen, einen zunehmend unsicherensozialen Status, setzt die NPD ihrenzentralen Slogan „Arbeit – Familie – Heimat“.Damit versucht sie die Geborgenheit in der„Volksgemeinschaft“ gegen die Unsicherheitendes heutigen Arbeitslebens in Stellungzu bringen und sich als Vertreter der so genanntenGlobalisierungsverlierer zu präsentieren.Die Globalisierungskritik dient denextremen Rechten daher nicht dazu, einegerechte Weltwirtschaftsordnung zu fordern,sondern als Synonym für eine auswärtigeBedrohung des „Deutschen Volkes“.GLOBALISIERUNGSKRITIK ALSANTISEMITISMUSIn das Feindbild des internationalen Kapitalsprojizieren die extremen Rechten nicht nuralle Nachteile des Kapitalismus, sondernversehen es auch mit den Merkmalen alterrassistischer und antisemitischer Vorurteile.Globalisierung sei „das planetarische Ausgreifender kapitalistischen Wirtschaftsweiseund der Führung des Großen Geldes“, schreibtetwa der sächsische NPD-LandtagsabgeordneteJürgen Gansel. Es sei „seinem Wesennach jüdisch-nomadisch und ortlos“ undhabe seinen Standort vor allem „an der Ostküsteder USA“. Das komplexe Leben werdeauf die eine Primärfrage reduziert: „Die Fremdenoder wir?“ 23 Die „Ostküste der USA“ giltAntisemiten als gleichbedeutend für das„jüdische Finanzkapital“. Schon die Nationalsozialistenunterschieden zwischen dem„schaffenden“, dem produzierenden arischenKapital und dem „raffenden“, dem vermeintlich„jüdischen“ Finanzkapital. Mit der extremrechten Globalisierungskritik sollenantisemitische Weltverschörungstheorienwiederbelebt werden, demnach die Judenangeblich eine Weltherrschaft anstreben.Diese Weltverschwörungstheorien verschließensich rationaler Aufklärung. Juden werdendort in widersprüchlicher Weise für denKapitalismus ebenso verantwortlich gemachtwie für den Kommunismus.ABSCHOTTUNG DER DEUTSCHENWIRTSCHAFTMit dem Konzept der so genannten „raumorientiertenVolkswirtschaft“ will die NPDinternationale Konzerne „entflechten“ unddie stark vom Export abhängige deutscheWirtschaft durch „Schutzzölle“ abschotten.So schrieb der NPD-Funktionär Per LennartAae: „Die raumorientierte Wirtschaftsordnungkann aber grundsätzlich nur existieren,wenn sie kultur- und werteorientiert, d.h. völkischund national ist!“ 24 NPD und Neonazistreten daher nicht für einen fairen Welthandeloder weltweite soziale Rechte der Beschäftigtenein, sondern fordern eine Abschottungder Bundesrepublik.STICHWORT: INTERNATIONALEGEWERKSCHAFTSBEWEGUNGDGB: Gegen die Unternehmenspolitik internationalerKonzerne hilft keine nationaleAbschottung, sondern nur die internationaleSolidarität der Beschäftigten. Ein gutes Beispieldafür gaben die europäischen Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer von GeneralMotors, zu dem auch die deutsche MarkeOpel gehört. Als die Unternehmensleitungverschiedene Standorte in Europa gegeneinanderausspielen und Arbeitsplätze in Portugalund Großbritannien streichen wollte,organisierten die Beschäftigten im Juni 2006an allen 18 Standorten in Europa Protestaktionenund Proteststreiks. Damit konntedie Konzernleitung schließlich zu Verhandlungengezwungen werden. Die Arbeitnehmervertreterhatten sich im Dezember 2005zusammengeschlossen und ein „EuropäischesSolidaritätsversprechen“ unterzeichnet.STICHWORT: MINDESTLOHNGEGEN SOZIAL- UNDLOHNDUMPING AM BAUDGB: Wenn alle Beschäftigten an einemStrang ziehen, kann auch etwas gegen internationalesLohn- und Sozialdumping getanwerden. Die IG BAU hat zum Beispiel einenMindestlohn für alle durchgesetzt. Über dasArbeitnehmer-Entsendegesetz sind sie alsallgemein verbindlich erklärt worden. Seitdemgilt am Bau: Gleicher Lohn für gleicheArbeit am gleichen Ort.STICHWORT: KERNARBEITS-NORMEN DURCHSETZENDGB: Gegen die Ungerechtigkeiten der Globalisierunghilft nur die weltweite Solidaritätder Beschäftigten, keine nationale Abschottung.Schon heute kämpfen Gewerkschaftenweltweit für die Durchsetzung von Kernarbeitsnormen.Das sind u.a. Koalitionsfreiheitfür die Beschäftigten, keine Zwangsarbeitund keine Kinderarbeit. Die InternationaleArbeitsorganisation (ILO) trifft weltweitentsprechende Vereinbarungen mit Staatenund versucht, deren Umsetzung zu kontrollieren.STICHWORT: FAIRER WELTHANDELUND SOZIALE MINDESTSTANDARDSDGB: Ein fairer Welthandel und menschenwürdigeArbeitsbedingungen auch in denEntwicklungsländern sind keine Utopie. DieDGB Gewerkschaften kämpfen dafür, dassauch dort Mindeststandards eingehalten undausreichende Löhne gezahlt werden. DerHebel sind die international tätigen Firmen.Über Betriebsvereinbarungen, Unternehmenskontrolleund Verbraucherinformationkann Druck auf deren Zulieferfirmen weltweitausgeübt werden. Auch Verbraucherinnenund Verbraucher können einen Beitragleisten, wenn sie fair gehandelte Warenkaufen.15


163.1


GESCHICHTEAUTOBAHNEN UNDKRIEGSWIRTSCHAFT –DIE WIRTSCHAFT IMNATIONALSOZIALISMUSNeonazis leugnen die Verbrechen desNationalsozialismus und stellen seinevermeintlich positiven Seiten heraus:Dem deutschen Arbeiter sei es gut gegangen,die Wirtschaft sei aufgeblüht,und schließlich sei es Hitler gewesen,der den 1. Mai zum Feiertag erklärthabe. Was ist dran an dieser „Erfolgsstory“?In den 20er/30er-Jahren umwarben dieNationalsozialisten die deutschen Arbeitermit sozialdemagogischen Parolen.Versprochen wurden etwa eine Verstaatlichungder großen Trusts, eine Gewinnbeteiligungan Großbetrieben oder ein Ausbau derAltersversorgung. Die sofortige Kommunalisierungder Großwarenhäuser und billigeVermietung an kleine Gewerbetreibendeoder eine Bodenreform mit unentgeltlicherEnteignung für gemeinnützige Zwecke warenandere Versprechungen. Nichts von dem wurdenach der Machtergreifung von den Nationalsozialisteneingelöst. 25ARBEITSLOSIGKEITNach der Machtergreifung der NSDAP gingzwar die offizielle Zahl der Arbeitslosen zurück.Im Jahr 1933 gab es im Jahresdurchschnittnoch registrierte 4,8 Mio. Erwerbslose.1937 war die Erwerbslosigkeit auf912.000 Arbeitslose gesunken. 26 Der Preisdafür war jedoch hoch, denn Verbrechen derNationalsozialisten und ihr „Wirtschaftserfolg“hingen eng zusammen. In den erstenJahren waren noch das Nachlassen der Weltwirtschaftskriseund staatliche Infrastrukturprogrammeetwa zur Belebung der Bauwirtschaftfür den Rückgang der Arbeitslosigkeitverantwortlich. Diente bereits derAutobahnbau der Förderung militärischerInfrastruktur, so begann 1935 eine massiveAufrüstung Deutschlands in Vorbereitung desZweiten Weltkrieges. Betrugen die Rüstungsausgaben1932/33 noch 7,5 Prozent derStaatsausgaben, waren es 1938/39 bereits60 Prozent. 27 Durch die Aufrüstung wurdenicht nur in der Industrie Arbeit geschaffen.Auch die Wehrmacht, die zu diesem Zeitpunktaus 100.000 Mann bestand, wurdeauf eine Friedensstärke von 500.000 Mannaufgestockt. Aus der Arbeitslosenstatistikfielen auch bis zu 325.000 Jugendliche, dieeinen sechsmonatigen vormilitärischen Arbeitseinsatzim „Reichsarbeitsdienst“ leistenmussten und die Wehrdienstleistenden, nachdem1935 die allgemeine Wehrpflicht eingeführtworden war.25 Vgl. Bracher, Karl Dietrich, Die Deutsche Diktatur, Köln/Berlin, 1969, S. 36326 Vgl. Benz, Wolfgang (Hrsg.), Legenden, Lügen, Vorurteile, München, 1992, S. 2827 Benz, Wolfgang (Hrsg.), Legenden, Lügen, Vorurteile, München, 1992, S. 2828 Vgl. Schüddekopf, Charles (Hrsg.), Alltäglicher Faschismus, Frauen im Dritten Reich, Berlin/Bonn 1982, S. 14und Bergschicker, Heinz, Deutsche Chronik, Alltag im Faschismus 1933–1945, Berlin 1983, S. 16829 Vgl. Benz, Wolfgang (Hrsg.), Legenden, Lügen Vorurteile, München, 1992, S. 28 f.So wie Neonazis heute Arbeitslosigkeit durchden Ausschluss von Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern aus dem Arbeitsleben bekämpfenwollen, wurden auch im NationalsozialismusGruppen zunehmend aus demArbeitsmarkt ausgegliedert. So die zu Judenerklärten Deutschen, die zuerst aus bestimmtenBerufen und später ganz aus dem Arbeitslebengedrängt wurden. Den Frauen wurdeeine Berufstätigkeit erschwert. Wenngleichdie Wirtschaft nicht ganz auf die billige Arbeitskraftder Frauen verzichten konnte, erhieltdie „Überführung weiblicher Arbeitskräftein die Hauswirtschaft“ bereits 1933Gesetzeskraft. Mit dem Verbot des „Doppelverdienertums“wurden Frauen systematischaus dem Arbeitsleben herausgedrängt. 28FINANZIERUNGInfrastrukturprogramme, Autobahnbau undAufrüstung waren auch 1933 nicht auf solideWeise zu finanzieren. Die Nationalsozialistenbeschlagnahmten die Vermögen der deutschenJuden, arbeiteten mit ungedecktenWechseln oder druckten später einfach zusätzlichesGeld. Das hätte bald einen Staatsbankrottnach sich gezogen, hätten die Nationalsozialistendie unsolide Finanzierungnicht durch den von ihnen 1939 angefangenenWeltkrieg verschleiern können. Dasdeutsche Währungssystem brach darum erstnach dem Krieg zusammen. Mit der Währungsreformvon 1948 mussten dann vorallem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerdie Zeche zahlen. 29 17


3.2GESCHICHTE„GEFOLGSCHAFT“ UND„BETRIEBSFÜHRER“ – DIESTELLUNG DER ARBEITNEH-MER IM „DRITTEN REICH“Seit 1933 ist der 1. Mai offizieller Feiertag.Dennoch ist dieses Datum wohlder schwärzeste Tag in der Geschichteder deutschen Arbeiterbewegung.Einen Tag später wurden die Gewerkschaftenzerschlagen, und die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer verlorensämtliche Rechte.Obwohl Arbeiterkult und Sozialdemagogiein der Propagandader Nationalsozialisten eine großeRolle spielten, hatten sie nurunterdurchnittlich Anhänger in der Arbeiterbewegunggewinnen können. Bei Betriebsratswahlenerzielte die „NationalsozialistischeBetriebszellenorganisation“ (NSBO)nur magere Ergebnisse und in die Arbeitermilieushatten die Nazis vor 1933 nicht vordringenkönnen.30 Vgl. DGB Jugend (Hrsg.), 50 Jahre Machtergreifung – Materialien und Kommentare zur Arbeiterbewegung,Nationalsozialismus und Neofaschismus in Deutschland, Düsseldorf 198231 Zit. nach Shirer, William L., Aufstieg und Fall des 3. Reiches, Frankfurt/M., 1962, S. 198 ff.32 Vgl. u.a. Kammer, Hilde/Bartsch, Elisabeth, Jugendlexikon Nationalsozialismus, Reinbeck, 1985, S. 16 f.33 Zur Zulässigkeit eines NPD-Verbots, 2000ZERSCHLAGUNG DERGEWERKSCHAFTENDie Erklärung des 1. Mai zum „Feiertag dernationalen Arbeit“ war ein erneuter VersuchHitlers, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerfür sich zu gewinnen. Tatsächlichwurde es der Tag einer der ersten großenMassenaufmärsche der Nationalsozialisten.Auch die freien Gewerkschaften riefen ihreMitglieder zur Beteiligung auf. Auf dem TempelhoferFeld in Berlin standen so am 1. Maidie Reihen der Gewerkschaften zwischenden Kolonnen von SA und SS. Der Versuchder Gewerkschaftsführung, „durch ,politischenSelbstmord’ den ,organisatorischenTod’ zu verhindern, war am Ende gescheitert”.30 Schon vor dem 1. Mai 1933 wardie Zerschlagung der Gewerkschaften vonden Nationalsozialisten längst beschlossenund geplant. Bereits einen Tag später, amMorgen des 2. Mai 1933, stürmten SA-Hordendie Gewerkschaftshäuser. Das Vermögenwurde beschlagnahmt, die Gewerkschaftenaufgelöst, ihre Führer verhaftet und in Gefängnisseverschleppt. Das traf auch jeneGewerkschaftsfunktionäre, die mit dem NS-Regime zusammengearbeitet hatten. DieZwangsgleichschaltung in der neugegründeten„Deutschen Arbeitsfront“ traf alle Selbstorganisationender Arbeiterbewegung. In den20er-Jahren waren zahlreiche Genossenschaften,wie der Konsum oder eine eigene18


Bank entstanden. Auf kulturellem Gebiet gabes etwa Arbeitersport- oder Bildungsvereine.Trotz des Arrangements der Gewerkschaftsführungmit den Nationalsozialisten, Anfang1933, leisteten viele Kolleginnen und Kollegen,auch Funktionäre der GewerkschaftenWiderstand und mussten ihr Engagementgegen die Nationalsozialisten oft mit demLeben bezahlen.RECHTSSTELLUNGDie Versprechungen der Nationalsozialisten,die sich als Vertreter der Arbeitnehmer präsentierten,hielten kaum ein paar Tage. RobertLey, der Führer der „Deutschen Arbeitsfront“,hatte sich in seiner Antrittsrede nochan die Arbeiter gewandt und versprochen:„Ich schwöre euch, ihr werdet nicht nur allesBestehende behalten, wir werden sogar nochden Schutz und die Rechte des Arbeitersweiter ausbauen“. Drei Wochen später erließendie Nationalsozialisten ein Gesetz, mitdem Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgebernund Arbeitnehmern und Streiks verbotenwurden. Ley erklärte nun, „dem naturgegebenenFührer eines Betriebes, das heißtdem Unternehmer, die absolute Führungwiederzugeben“. 31Tarifordnungen und Arbeitsbedingungenwurden nun von staatlich bestellten „Treuhändernder Arbeit“ bestimmt. Zwar traf derStaatsdirigismus auch die Unternehmen, dievor allem in der Kriegswirtschaft über eineausufernde Bürokratie klagten, gegenüberden Arbeitnehmern erhielten sie jedoch fastunumschränkte Macht. Während die Arbeitgeberzu „Betriebsführern“ erklärt wurden,bildeten die Arbeitnehmer eine rechtlose„Gefolgschaft“. „Der Führer des Betriebesentscheidet der Gefolgschaft gegenüber inallen betrieblichen Angelegenheiten“, hießes kurz und knapp in § 2 des „Gesetzeszur Ordnung der nationalen Arbeit“. DieArbeitnehmer hatten so lange und so hart zuarbeiten, wie die Betriebsführer es wünschten,durften nicht widersprechen und hattenkeinerlei Einfluss mehr auf die Löhne. Sielebten in völliger Abhängigkeit von den „Betriebsführern“.Ab 1935 war es nicht einmalmehr möglich, ohne Zustimmung desArbeitgebers die Stelle zu wechseln. In diesemJahr wurde das so genannte „Arbeitsbuch“eingeführt, in dem die wichtigstenAngaben über Art und Dauer der Beschäftigungniedergelegt wurden. Zu Beginn einesBeschäftigungsverhältnisses musste demArbeitgeber das Arbeitsbuch ausgehändigtwerden. Hielt der Arbeitgeber das Arbeitsbuchzurück, konnte der Arbeitnehmer nirgendwoanders beschäftigt werden. 32 1938wurde schließlich der Arbeitszwang eingeführt.Jeder Deutsche musste nun die ihmvom Staat zugewiesene Stelle annehmen,andernfalls machte er sich strafbar.Diese autoritären Eingriffe in das Selbstbestimmungsrechtvon Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmern zeigen Parallelen zu denVorstellungen heutiger Neonazis. Auch siewollen die Rechte von Beschäftigten einemabstrakten Gemeinwohl opfern – bis hin zuder Forderung nach einer „Pflicht zur Arbeit“.LÖHNEAntikapitalistische Rhetorik der Nationalsozialistenund die Solidaritätserklärungenmit der Arbeiterschaft entpuppten sich auchhinsichtlich der Reichtumsverteilung als reineDemagogie. Letztlich waren es die vielgeschmähtenKapitalisten, deren Gewinne anstiegen,während die Löhne sanken. Obwohl1938 fünf Millonen Menschen mehr imArbeitsprozess standen als während derWeltwirtschaftskrise 1932, sank der Anteilder deutschen Arbeiter am Nationaleinkommenvon 56,9 auf 53,6 Prozent. Die Einkünfteaus Kapital und Betriebsvermögenhingegen stiegen von 17,4 auf 26,6 Prozent.Weitere Lohnverluste mussten die Arbeitnehmerdurch zunehmende Abzüge vomBruttolohn hinnehmen. Sie hatten Beiträge zuetlichen NS-Organisationen wie der „DeutschenArbeitsfront“, der „NS-Volkswohlfahrt“oder der so genannten „Winterhilfe“ zuzahlen. 33VOLKSWAGENDie schlechte Lage der Arbeitnehmer wurdedurch Angebote der „Kraft durch Freude“,einer Unterorganisation der Arbeitsfront propagandistischverbrämt. Die Organisation boteine organisierte Freizeitgestaltung u.a. durchverbilligte Urlaubsreisen oder Konzert- undTheaterkarten an, die jedoch letztlich durchMitgliedsbeiträge selbst finanziert werdenmussten. Auch Versprechungen, den Wohlstandder Arbeiter durch den Volkswagenzu heben, enthüllten sich letztlich als reinesGeldbeschaffungsprogramm für die Nationalsozialisten.Finanziert werden sollte derVolkswagen durch Ratenvorauszahlungender Arbeitnehmer, die auch geleistet wurden.Kein einziger Wagen wurde jedoch ausgeliefert,und auch von den Millionen, die Lohnempfängereingezahlt hatten, wurde keineeinzige Mark zurückgezahlt.EXKURS: DIE LEGENDE VOM„LINKEN" FLÜGEL DER NSDAPDGB: Einige kleinere Gruppen der Neonazisbeziehen sich auf den vermeintlich linkenFlügel der NSDAP um die Brüder Gregor undOtto Strasser. Gregor Strasser war ursprünglichein hoher Funktionär der NSDAP, derspäter kaltgestellt und 1934 während desso genannten „Röhm-Putsches“ ermordetwurde. Otto Strasser trat bereits 1930 ausder NSDAP aus, gründete die „Kampfgemeinschaftrevolutionärer Nationalsozialisten“und ging 1938 ins Exil. Die Nationalsozialistenum die Brüder Strasser unterschiedensich von der übrigen NSDAP durch antikapitalistischeForderungen, etwa nach derVerstaatlichung der Schwerindustrie, derBanken und des Großgrundbesitzes, odertraten für ein Bündnis mit der Sowjetunionein. Damit versuchten sie in den 20er-Jahrenteilweise die damals weitaus erfolgreicherenKommunisten zu kopieren und ein Bündniszu schließen. In Einzelfällen unterstütztedieser vor allem in <strong>Nord</strong>deutschland aktiveFlügel der NSDAP auch Streiks der sozialdemokratischenGewerkschaften. Diese sogenannte Querfrontpolitik blieb jedoch inden Anfängen stecken und entwickelte keinebreite Wirkung. Von einem „linken“ Flügelder NSDAP kann schon deshalb keine Redesein, weil auch diese nationalsozialistischeRichtung ebenso antisemitisch, rassistischund völkisch ausgerichtet war.19


4.1DIE NPDVORBILD NATIONAL-SOZIALISMUS – DIE NPDSchon der Verbotsantrag der Bundesregierungaus dem Jahr 2000 stellteeine „Wesensverwandtschaft“ derNPD „mit dem Nationalsozialismus“fest. Nach dem Scheitern des Verbotsorientiert sich die NPD immer offeneram historischen Nationalsozialismus.Seit 1996 ist Udo Voigt Bundesvorsitzenderder NPD. Der Hauptmannder Reserve ist keine klassischeFührerfigur, aber er hat dieverschiedenen Parteiflügel geeint, die sichzuvor eher gegenseitig bekämpft hatten, statteinem gemeinsamen Ziel zuzustreben. Jetztversucht er die extreme Rechte, bislang inverschiedenen Parteien und Grüppchen zersplittert,in der NPD zusammenzuführen. Mitden militanten Neonazis der „Freien Kameradschaften“verbündete sich Voigt und holte34 Vgl. Shirer, William L., Aufstieg und Fall des 3. Reiches, Frankfurt/M., 1962, S. 25635 Staud, Toralf, Moderne Nazis, Köln, 2005, S. 2736 Vgl. Hofer, Walther (Hrsg.), Der Nationalsozialismus, Dokumente 1933–1945, Frankfurt/M., 1963, S. 2837 „Wir werden knallharte Oppositionspolitik betreiben“, Interview mit Udo Pastörs in: „National-Zeitung“ Nr.37/06,38 Vgl. „Porno-Paul bringt NPD in Personalnot“, in: die tageszeitung vom 27.11.200639 Vgl. Kreuze für die Volksgemeinschaft, in: Enough ist enough, Nr. 26, 200640 Vgl. Holz, Axel, Der Aufbau rechtsradikaler Strukturen in Mecklenburg-Vorpommern, in: AntifaschistischeNachrichten 23/2006viele davon in die NPD. Mit der finanzstarkenDVU schloss er den „Deutschlandpakt“mit dem Ziel, bei Wahlen nicht mehr gegeneinanderzu konkurrieren. Die „Republikaner“verschlossen sich einem Bündnis zwar aufBundesebene, auf Kommunal- oder Landesebenehat die NPD jedoch kaum noch Konkurrenzvon dieser Seite zu befürchten. Inetlichen Ländern wie Sachsen oder Sachsen-Anhalt laufen Funktionäre und Mitgliedermit wehenden Fahnen zur NPD über.DAS VERBOTSVERFAHRENAls die Bundesregierung im Jahr 2001 dieNPD verbieten lassen wollte, hatte die Parteigenug Gründe dafür geboten. Verherrlichungdes Nationalsozialismus und Verwendungnationalsozialistischer Diktion, rassistischeund antisemitische Äußerungen füllten diegut 600 Seiten des Verbotsantrages. Die NPDbekämpfe andere politische Parteien mit demZiel, sie aus dem politischen Leben auszuschaltenund suche im Rahmen ihres strategischenKonzeptes „Kampf um die Straße“gezielt die Zusammenarbeit mit Neonazisund Nazi-Skinheads, heißt es in der Verbotsbegründung.34 NPD-Mitglieder und -Funk-20


tionäre waren auch selbst an Gewalttatenbeteiligt. Dass der Antrag schließlich vomBundesverfassungsgericht abgelehnt wurde,lag nicht an der Verteidigungsstrategie derNPD. Ihr Anwalt Horst Mahler hatte sich,bevor das Verfahren richtig in Gang kam,durch antisemitische Äußerungen selbstetliche Strafverfahren eingehandelt.Die Richter lehnten den Antrag vielmehr wegendes ungeklärten Einsatzes von V-Leutendes Verfassungsschutzes ab. Auch währenddes Verfahrens waren die Undercover-Agentender Geheimdienste als Funktionäre in denVorständen auf Landes- und Bundesebenein der NPD aktiv, und das Bundesinnenministeriumwar nicht bereit, dem Gericht mitzuteilen,wer von den führenden NPDlern dennnun als Original und wer im Dienst der Behördentätig war.Während des Verfahrens hielt sich die NPDnur wenig zurück. Zu den „Freien Kameradschaften“ging sie etwas auf Distanz, dieAnzahl öffentlicher Aufmärsche reduzierte sie,und in der Parteizeitung „Deutsche Stimme“wurde etwas vorsichtiger formuliert. Daswar nach dem Verfahren bald vorbei. Journalistendiktierte Udo Voigt nun wieder offenins Mikrofon, dass politische Gegner derNPD nach einer Machtübernahme zwar nichtins KZ kämen, aber wer sich „dem Mehrheitswillen“nicht unterordne, habe „freiesReiserecht“. 35PARLAMENTE ALS „MITTEL ZUMZWECK“Die NPD ist keine Partei, die demokratischhandelt, auch dann nicht, wenn ihre Kandidatenselbst in den Genuss der vielgeschmähtenParlamentssessel und Diäten kommen.Mit einer Politik der Skandalisierung versuchteetwa die sächsische Landtagsfraktionvon Anfang an für klare Verhältnisse zusorgen. NPD-Landtagsabgeordneter JürgenW. Gansel nannte die Bombardierung Dresdens1945 einen „Bombenholocaust“ undpropagierte den „Kampf gegen die Schuldknechtschaftdes deutschen Volkes“. DemFraktionsvorsitzenden Holger Apfel musstein der gleichen Debatte das Mikrofon abgeschaltetwerden, da er anders nicht mehr zustoppen war. Schon zuvor hatte Apfel aufeiner Demonstration die alte Kampfparoleder SA „Nichts für uns – Alles für Deutschland“verwendet. Der NPD-AbgeordneteKlaus-Jürgen Menzel erklärte, er stehe nachwie vor zum „Führer“.Mit dem Mittel des Skandals wollen die Neonazisnicht nur die Demokratie ad absurdumführen, sondern auch ihre System-Gegnerschaftkonsequent zum Ausdruck bringen.Schon für die Nationalsozialisten war dasParlament „nicht ein Selbstzweck“, wie Hitleres bereits 1930 formulierte, „sondern einMittel zum Zweck“. 36 Diese Sichtweise hatsich auch die NPD zu eigen gemacht. So erklärteetwa Udo Pastörs, der Spitzenkandidatfür die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern:„Wir als NPD sind nicht bereit, die Bühne imLandtag zu Schwerin um eine weitere Laienschauspielgruppezu vergrößern.“ 37 Einesachliche Arbeit sei erst dann möglich, wennein Systemwechsel nicht nur in Deutschlandsondern in ganz Europa stattgefunden habe.Zu einem deutlichen Imageverlust bei ihrervermeintlichen Protestwählerschaft führtendaher in Sachsen weder skandalöse Aussagenund kriminelles Verhalten noch die personellenVerluste der Fraktion. Im November2005 waren drei Mitglieder aus der Fraktionausgetreten. Zwei weitere wurden ausgeschlossen.Klaus-Jürgen Menzel warf derPartei nicht etwa seine Bekenntnisse zum„Führer“, sondern finanzielle Unregelmäßigkeitenvor. Gegen den NPD-AbgeordnetenMatthias Paul ermittelte das Landeskriminalamtwegen der Verbreitung von Kinderpornografie.Die sächsische NPD-Fraktionverfügt seither nur noch über acht statt derursprünglichen zwölf Sitze, doch Meinungsumfragenbescheinigen ihr weiterhin einstabiles Wählerpotenzial von sieben Prozent.38GELDER FÜR DIE AUFBAUARBEITKonsequent nutzt die NPD ihre Landtagspräsenzfür die weitere Aufbauarbeit dervergleichsweise noch mitgliederschwachenPartei. In der sächsischen Landtagsfraktionhat sie das akademische Potenzial konzentriert,das als „Dresdner Schule“ die Strategiediskussionvorantreiben soll. In der Neonaziszenesetzt sie ihren durch die Fraktiongefestigten Parteienstatus für die Veranstaltungvon Rechtsrockkonzerten ein. DerartigeMusikveranstaltungen wurden in Sachsenhäufig untersagt. Jetzt werden sie unter demMotto „Singen und Tanzen für Deutschland“als Parteiveranstaltungen angemeldet undim Beisein von Landtagsabgeordneten durchgeführt.Darüber hinaus fließen Gelder inMillionenhöhe über Wahlkampfkostenerstattungen,Fraktionszuschüsse oder parteinaheStiftungen an die NPD.GEWALT IM WAHLKAMPFFür den Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern 2006 konnte die NPD bereitsMittel auf dem Niveau der großen Volksparteieninvestieren. Der Landesverband istbeispielhaft für die enge Zusammenarbeitmit den militanten neonazistischen „FreienKameradschaften“. Im Jahr 2004 hatte dieNPD in Mecklenburg-Vorpommern nur 110Mitglieder. Nach dem Zusammenschluss mitden „Freien“ konnte die MitgliederbasisEnde 2005 auf 220 verdoppelt werden, undes ist davon auszugehen, dass die Partei imWahljahr 2006 noch deutlich mehr Eintrittezu verzeichnen hatte. Das „Engagement“der Kameradschaftsszene wurde durch dieKandidatur etlicher Kameradschaftsführerbefördert. So waren die sicheren Listenplätze2 und 5 durch Anführer der militanten „FreienKameradschaften“ in Ueckermündeund Rostock belegt. Auch der LandesvorsitzendeStefan Köster (Listenplatz 4) wurdebereits wegen gefährlicher Körperverletzungverurteilt, weil er am Rande eines NPD-Landesparteitagesin Schleswig-Holstein eine amBoden liegende Antifaschistin getreten undgeschlagen hatte. 39 Gaben sich die Kandidatenmeist freundlich und bürgernah, gingendie NPD-Wahlhelfer rabiat vor. Informationsständedemokratischer Parteien wurden angegriffen,belagert, Standbetreuer und interessierteBürgerinnen und Bürger fotografiertund Wahlkampfmitarbeiter bis zu ihren Wohnungenverfolgt. Allein die SPD meldete 20solcher Vorfälle. 4021


224.2


DIE NPD„POLITISCHER NAHKAMPFMIT ANTIDEUTSCHENKRÄFTEN“ –DER RASSISMUS DER„DRESDNER SCHULE“NPD-Argumenten. Als Auswanderungslandwird ihnen die USA empfohlen: „Ziellandsolcher Mischlinge werden naheliegenderweisedie USA sein, wo es nie eine Volksgemeinschaftund Kulturnation, sondern nureine durchrasste Staats- und Einzelwillennationvon haltlosen Sozialatomen gab, woder ethno-kulturell kastrierte Einheitsmenschohne Identität und Heimat wie Unkraut gedeiht.“„DEUTSCHES REICH“ – „WEISSESEUROPA“Ginge es nach der NPD, würde bald der„Ariernachweis“ wieder eingeführt.Nicht nur in Deutschland, denn diePartei fordert ein „weißes Europa“.Eine militaristische Ausdrucksweisezieht sich quer durch alle neonazistischenPublikationen. So auchdurch eine Broschüre des „Amtesfür Öffentlichkeitsarbeit“ der NPD. Für den„,politischen Nahkampf’ mit antideutschenKräften“ und das „Gespräch mit dem Normalbürger"veröffentlichte das „Amt“ 2006eine von Jürgen W. Gansel erarbeitete Broschüremit Argumenten für Kandidaten undFunktionsträger der Partei. Er habe das Heft„unter dem lebhaften Eindruck von über 40Schülergruppen-Gesprächen im SächsischenLandtag“ erstellt schreibt der NPD-Landtagsabgeordnete.Vorherrschend in der Veröffentlichung ist das„Ausländerthema“. Auch in anderen Politikbereichenwie in der Wirtschafts- und Sozialpolitikwird die Kernthese vertreten, die „Ausländer“seien an der Arbeitslosigkeit schuldund das „Ausland“ an der schlechten wirtschaftlichenLage. Da ist der Sündenbockschnell gefunden. Aber der NPD geht es ummehr, sie will ein zutiefst rassistisches Weltbildvermitteln.KEIN „BLUTSRECHT“ FÜR„MISCHLINGE“Schon die „Gemeinschaften von Menschen”werden im Volksbegriff der NPD nicht alsvielfältige, sich wandelnde Gesellschaften,sondern als feststehendes biologisches Gebildegesehen. „Biologische Erbanlagen“seien nicht nur „für die Ausprägung körperlicher,geistiger und seelischer Merkmale beiEinzelnen“ verantwortlich, heißt es in denArgumenten für Kandidaten und Funktionsträgerder Partei, sondern auch bei „Völkernund Rassen“. Die NPD tritt darum für einStaatsbürgerschaftsrecht nach dem „Blutsrecht“ein, bei dem die Staatsangehörigkeit„prinzipiell an die Volkszugehörigkeit gebundensein“ muss.Darum will die NPD nicht nur eine „Massenausweisungvon Ausländern“ und „Landbesetzernaus dem islamischen Raum“, weil„jeder ausländische Arbeitsplatzbesitzer undSozialschnorrer einer zu viel“ sei. Als „Fremdkörper“werden auch deutsche Staatsbürgerbezeichnet, wenn sie von der NPD als „Angehörigeanderer Rassen“ angesehen werden,ganz „gleich wie lange sie in Deutschlandleben“. Der neonazistische Sprachgebrauchnennt sie „fremdvölkische Passdeutsche“.In Deutschland bleiben darf nachVorstellungen der NPD also nur wer seinearische Abstammung nachweisen kann.Die rassistische NS-Ideologie ist tief im neonazistischenDenken der NPDler verwurzelt.Selbst über die Zukunftsaussichten von„Mischlingen“ hat sich die Dresdner SchuleGedanken gemacht. „Die Mischlinge, diedeutsch-nichteuropäischen Beziehungenentstammen, werden das sich renationalisierendeDeutschland über kurz oder langfreiwillig verlassen, weil ihnen der nationaleKlimawandel nicht passt“, heißt es in denDass auch Menschenrechte und Grundrechtein einem von der NPD regierten Staat nichtgelten werden, daran lässt die Partei keinenZweifel. Das Grundgesetz sei „ein Diktatder westlichen Siegermächte“, schreibt dieDresdner Schule, „die Grundrechtsbestimmungentriefen von Menschenrechtstümelei“.Ziel ist darum die Wiederherstellungdes „Deutschen Reiches".Zwar wird den Kandidaten und Funktionsträgernder Partei geraten, sich in Diskussionennicht auf Fragen des historischenNationalsozialismus einzulassen. „Auf denThemenkomplex Holocaust, Kriegsschuldfrage1939 und Nationalsozialismus solltesich mit Hinweis auf die Gegenwartsaufgabender NPD niemand festnageln lassen“,schreibt die Dresdner Schule. „Auf diesesrückwärtsgewandte Themenfeld will uns derGegner locken, weil er (...) mit der historischenAhnungslosigkeit und damit der antifaschistischenVerblendung der Zeitgenossenrechnen kann.“ Auf der anderen Seitewill die Partei aber nahtlos an das „DritteReich“ anknüpfen. „Das Deutsche Reich bestehtnämlich völkerrechtlich fort ...“, heißtes in den NPD-Argumenten. „Unser Ziel istdeshalb die Wiederherstellung der vollenHandlungsfähigkeit des Deutschen Reiches.“Ihre Vorstellungen beschränken die Neonazisebenso wie die Nationalsozialisten zudemnicht auf die Bundesrepublik. Mit der Parole„Wir sind für ein freies, gerechtes und weißesEuropa“ soll die rassistische Ideologiewie schon in den 40er-Jahren auf ganz Europaausgedehnt werden.23


4.3DIE NPDKAMPF UM DIE STRASSEUND DIE KÖPFE –STRATEGIE IN STRUKTUR-SCHWACHEN REGIONENAnhänger und Funktionäre der NPDentsprechen nicht immer dem Bildvom klassischen Neonazi. Oft tretenNPDler als nette Nachbarn von nebenanauf. Gewalt gegen Minderheitenund regionale Verankerung sind zweiSeiten ein und derselben Medaille.41 Vgl. Dirty Dancing, Der Heimatbund Pommern, in: Antifaschistisches Info Blatt, Nr. 69, Herbst 200542 Vorderste Front (Zeitschrift des Nationaldemokratischen Hochschulbundes), Nr. 2, 199143 Voigt, Udo, Rede am 27.5.2000 in Passau auf der Internetseite der NPD44 Schröder, Burkhard, Im Griff der rechten Szene, Reinbeck, 199745 Vorderste Front (Zeitschrift des Nationaldemokratischen Hochschulbundes), Nr. 2, 199146 Geisler, Astrid, Das vergessene Land, in: die tageszeitung vom 08.04.2006Der „Heimatbund Pommern“ widmetsich der Jugendarbeit. Er istein eingetragener Verein und veranstaltetFußballturniere, Wanderungenoder Geländespiele. Die Jugendlichentreten in alte Trachten gekleidet bei Dorffestenauf und treffen sich, um die Naturvon Müll zu befreien. Auf Marktplätzen tanzenund trommeln die Mitglieder und stellenan Infotischen ihr Angebot vor. Der ersteBlick vermittelt den Eindruck einer sinnvollenehrenamtlichen Arbeit, doch anhand ihrerPublikationen lässt sich schnell feststellen,24


dass es sich um eine neonazistische Organisationaus dem Umfeld von NPD und Kameradschaftenhandelt. 41 Der „HeimatbundPommern“ ist nur ein Beispiel für die zunehmenderegionale Verankerung der Neonazis.In vielen strukturschwachen Regionen sindNPD und Kameradschaften oft die Einzigenvor Ort, die mit Aktivitäten aufwarten. Obes nun um die Einrichtung eines Jugendraumesgeht, um die Veranstaltung von VolksundKinderfesten oder die Gründung vonInitiativen.Die Aktivitäten sind Ergebnis einer Doppelstrategieder regionalen Verankerung in dasGemeinwesen bei gleichzeitiger Systemopposition.Die zwei Seiten dieser Medaille habenihren strategischen Ursprung in einem Aufsatz,der 1990 in einer Zeitschrift der NPD-Studentenorganisation „NationaldemokratischerHochschulbund“ erschien und in demdie Erkämpfung „National befreiter Zonen“propagiert wurde. „Wir müssen Freiräumeschaffen“, hieß es dort, „in denen WIR faktischdie Macht ausüben, in denen WIR sanktionsfähigsind, d.h. WIR bestrafen Abweichlerund Feinde ...“ Es handele sich dann umeine „befreite Zone” schrieb der akademischeNPD-Nachwuchs, „wenn wir nicht nurungestört demonstrieren und Info-Ständeabhalten können, sondern die Konterrevolutionäredies genau NICHT tun können.“ 42Das ist keine Einzelmeinung einer vielleichtetwas ungestümen Nachwuchsorganisation.In der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ beganneine rege Strategiediskussion, und mehrfacherschienen dort Aufrufe zur Bildung„Befreiter Zonen.“ Der Kampf um die Straßewird auch vom Bundesvorsitzenden UdoVoigt propagiert. In einer Rede in Passauerklärte er: „Erst wenn wir den ,Kampf umdie Straße’ endgültig für uns entschiedenhaben, ist der ,Kampf um die Parlamente’mit der Aussicht zu führen, keine schnellverschwindenden Proteststimmen zu kanalisieren.“43Wie der Kampf um die Straße geführt wird,ist an vielen Beispielen zu sehen. Der AutorBurkhard Schröder stellte nach Recherchenin Ostdeutschland für einen Reportagenbandschon 1997 fest, dass es in einigenStädten deshalb nicht mehr zu öffentlichsichtbaren Gewalttaten käme, „weil denNeonazis die Gegner ausgegangen sind“. 44So gewalttätig Neonazis einerseits agieren,versuchen sie zugleich in der BevölkerungSympathien zu wecken. Schon in dem Aufrufdes Nationaldemokratischen Hochschulbundesfür die „befreiten Zonen” werdendie „Nationalisten“ aufgerufen, sich nichtnur dem „Kampf um die Straße“, sondernauch dem Gemeinwesen zu widmen. DieVorschläge dazu klangen 1990 noch etwasunbeholfen: „Alten Leuten kann man beimAusfüllen von Formularen helfen, sie beimEinkauf unterstützen (...), man kann den Gartenin Ordnung bringen, die Straßen sauberund durch regelmäßige Nachtpatrouillen sicherhalten.(...) Man muss so handeln, dassman in einem Meer an Sympathie schwimmt,dass die ,normalen’ Bewohner für uns ,dieHand ins Feuer legen’.“ 45Derzeit versuchen sich NPD und Kameradschaftenvor allem in strukturschwachenGebieten regional zu verankern. Andere Parteienoder gesellschaftliche Akteure sind indiesen meist ländlichen Kreisen nur schwachvertreten. Das erleichtert ihr Bestreben, kulturelleund soziale Funktionen in der Gesellschaftzu übernehmen.In Anklam arbeitet etwa Michael Andrejewskifür die NPD. Der Jurist, der vor seinem Einzugin den Landtag von Mecklenburg-Vorpommernvon Hartz IV lebte, kommt eigentlichaus dem Westen. Den Kreis Ostvorpommernhat er sich vor drei Jahren gezielt als politischesArbeitsfeld ausgesucht. „Wenige Regionensind so heruntergewirtschaftet. In kaumeiner gibt es eine geringere Systembindungals hier“, erklärte er gegenüber Journalisten.Die Gegend sei für die NPD-Aufbauarbeit bestensgeeignet, „freies Pionierland“. 46 2004wurde Andrejewski mit gleich acht Prozentin den Stadtrat gewählt. Dort setzt er sichfür den Erhalt von Krankenhäusern, Schulbussenoder der Stadtteilbibliothek ein. Seit2006 sitzt der NPDler im Landtag. In seinemWahlkreis richtet er nun ein Bürgerbüro ein,in dem er sich vor allem den Bedürfnissenvon Hartz-IV-Empfängern widmen will.25


5.1DGB GEWERKSCHAFTENGEGEN RECHTSCHANCENGLEICHHEIT UNDRESPEKT –GEWERKSCHAFTEN GEGENRECHTS AUSSENDer DGB und seine Gewerkschaftensetzen sich auf allen Ebenen mit derextremen Rechten auseinander: InBetrieb und Gesellschaft, bei der Bildungsarbeitund wenn es darum geht,sich Neonazis in den Weg zu stellen.MACH MEINEN KUMPEL NICHT AN –GEGEN RASSISMUS IN DER ARBEITS-WELTDie gelbe Hand ist zu einem europäischenSymbol gegen Rassismusgeworden. In der Bundesrepublikwar es der Verein „Machmeinen Kumpel nicht an“, der Motto undSymbol bekannt machte. 1986 von der DGBJugend und der Redaktion des Magazins„ran“ gegründet, ist der „Kumpelverein“ bisheute aktiv. Noch immer bietet er Sticker,Aufkleber und Postkarten mit der gelbenHand an. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafterkönnen damit nach außen deutlichmachen: Wir sind gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.Aber natürlich hat der Verein seine Aktivitätenauch erweitert. Im Angebot sind zum BeispielFortbildungsmaßnahmen zu Themen wie„Rechte Jugendkultur“ oder „Zeichen undSymbole der extremen Rechten“. Der Kumpelvereinunterstützt und berät bei der Konzeptionvon Veranstaltungen oder Publikationen,vermittelt Referenten und bringt den Newsletter„AKTIV+GLEICHBERECHTIGT“ heraus.Damit will der Verein Anregungen für eigeneProjekte geben und zur Vernetzung vonbetrieblichen Akteuren, Initiativen, Gewerkschaften,Wissenschaft und Politik beitragen.Mit dem Wettbewerb „Im <strong>Netz</strong> gegen Rechts“wendet sich der Verein an Berufsschüler undAuszubildende. Die vielen Einsendungendokumentieren die intensive und kreativeAuseinandersetzung mit dem Thema undsind Beispiele für aktives Handeln und Zivilcourageam Arbeitsplatz. Unter der Internetadressewww.gelbehand.de wurden die ausgezeichnetenBeiträge ins Internet gestelltund bieten Anregungen für eigene Projekte.Dort gibt es auch eine Good-Practice-Datenbankin der regelmäßig weitere Aktivitätengegen die extreme Rechte, Rassismus undfür Gleichberechtigung in der Arbeitsweltvorgestellt werden.WWW.GELBEHAND.DE(Adresse siehe Seite 41)26


KEINE CHANCE FÜR MOBBING UNDDISKRIMINIERUNG – BETRIEBSVER-EINBARUNGEN FÜR RESPEKT UNDCHANCENGLEICHHEITMobbing, sexuelle Belästigung und Rassismusvergiften das Betriebsklima. Darum habenBetriebsräte und Unternehmensleitungenin vielen Betrieben Vereinbarungen zurGleichbehandlung und respektvollen Zusammenarbeitabgeschlossen. Zum Beispiel inder Adam Opel AG: „Chancengleichheit,Toleranz und der faire Umgang miteinandergehören zu unseren Grundüberzeugungen“,heißt es in der 2001 geschlossenen Betriebsvereinbarung.Damit wurde die Gleichbehandlungder Beschäftigten bei der Vergabeder Ausbildungsplätze, Entlohnung oder Karrierefestgelegt. Themen um Diskriminierung,Toleranz und Respekt sollen in Fortbildungund Berufsausbildung Berücksichtigung finden.„Anderssein ist nichts Negatives, sondernhat viele Vorteile, die wir für uns selbst, aberauch den Unternehmenserfolg nutzen können“,schreiben die Initiatoren. Mit der Vereinbarungwerden Diskriminierung, Rassismusoder Extremismus aber auch konsequentgeahndet. Um respektvolle Zusammenarbeitzu gewährleisten, wurden Konsequenzen bishin zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen vereinbart.Für die Betroffenen von Mobbing,Diskriminierung oder sexueller Belästigungsteht nun ein Beschwerdeverfahren offen,das für die Täter im schlimmsten Fall miteiner Abmahnung, Versetzung oder auchKündigung enden kann.WWW.MIGRATION-ONLINE.DE(Adresse siehe Seite 41)„AM ANFANG WAR DAS VORURTEIL“ –SCHULPROJEKTTAGE FÜRDEMOKRATIE UND COURAGESchulen und vor allem Berufsschulen sind einwichtiges Rekrutierungsfeld der extremenRechten. Sie setzen auf die Attraktivität vonMusik als „Einstiegsdroge“ und andere Angeboteihrer braunen Erlebniswelt. Das „<strong>Netz</strong>werkfür Demokratie und Courage“ will vorallem denen den Rücken stärken, die in Schulenund Klassen versuchen, den extrem rechtenOrientierungen entgegenzutreten. DerDGB war 1999 einer der Initiatoren des Projektesund ist heute Hauptkooperationspartnerdes <strong>Netz</strong>werkes, das in den fünf neuenBundesländern, in Berlin, Rheinland-Pfalz,Baden-Württemberg und im Saarland verankertist. Die Schulprojekttage, die das <strong>Netz</strong>werkanbietet, sind kein Unterricht im herkömmlichenSinne, und sie werden auch nichtvon Lehrern, sondern von ehrenamtlichenTeamerinnen und Teamern durchgeführt. Essind meist selbst Jugendliche, die sich in Gewerkschaftenoder Jugendverbänden engagieren.Der Projekttag, „Schublade offen,am Anfang war das Vorurteil“, setzt sich zumBeispiel ausgehend von der Frage „Was verbindetihr mit dem Begriff ,schwarzes Schaf’?“über Vorurteile und Rassismus gegenüberMenschen anderer Herkunft und Kultur auseinander.Der Projektag C: „We are different“thematisiert verschiedene Formen der Gewalt.In gestellten Situationen wird erprobt,wie die Teilnehmer Courage im Alltag zeigenkönnen. Andere Angebote behandeln Rechtsextremismus,Jugendkulturen oder Gegenstrategien.Mit den 130 Teamerinnen undTeamern haben die <strong>Netz</strong>werke in den vergangenendrei Jahren mehr als 400 Projekttagedurchgeführt und damit rund 10.000Jugendliche erreicht.WWW.NETZWERK-COURAGE.DE(Adresse siehe Seite 41)DEMOKRATISCHE GEGENWEHR –IM BÜNDNIS GEGEN NEONAZISWenn Neonazis mit Aufmärschen versuchen,öffentliche Räume zu besetzen, ist demokratischeGegenwehr notwendig. Nur in wenigenFällen sind die rechtlichen Möglichkeitenfür ein Verbot derartiger Veranstaltungengegeben. Der DGB und seine Gewerkschaftenengagieren sich zusammen mit anderendemokratischen Organisationen in Bündnissenund gehören oft zu den Initiatoren, wennes darum geht, Neonazis kreative und vielfältigeGegenveranstaltungen entgegenzusetzen.Oft sind diese Bündnisse kurzfristig und anlassgebunden.In vielen Orten konstituierensich jedoch auch feste Arbeitsstrukturen,um längerfristig gegen die extreme Rechtezu arbeiten und Ursachen zu bekämpfen.Dann sind auch Gewerkschafterinnen undGewerkschafter meist mit im Boot.Diese langfristige Arbeit der Zivilgesellschaftgegen die extreme Rechte ist wichtig, umder extremen Rechten den Boden zu entziehen.Nicht immer kann sie kurzfristigeErfolge aufweisen wie zum Beispiel in Delmenhorst,wo unter dem Dach des DGB dasBündnis „Delmenhorst sagt Nein“ arbeitet.In der niedersächsischen Stadt wollte derNeonazi Jürgen Rieger ein Hotel kaufen, umdort ein extrem rechtes Schulungszentrum zuerrichten. Dagegen formierte sich massiverWiderstand. Mit einer Vielzahl von Aktionen,Demonstrationen oder Konzerten konntedas Bündnis die Stadt schließlich bewegen,die Immobilien selbst zu erwerben. Allein937.000 Euro wurden dabei durch Spendengelderaufgebracht.Die Gewerkschaften schließen nicht nur ausAnlass von Nazidemonstrationen Bündnissemit demokratischen Organisationen. Längerfristige,auf die nachhaltige Förderung vonToleranz und Demokratie ausgerichtete Zusammenschlüssebestehen in vielen Regionender Bundesrepublik. Beispiele sind das„Bündnis gegen Fremdenfeindlichkeit, Gewaltund Rassismus” in Brandenburg, dasDessauer Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismusoder auch der Dortmunder Arbeitskreisgegen Rechtsextremismus. Eine Zusammenstellungder regionalen und überregionalenAktivitäten der DGB Gliederungenfindet sich auf der Internetseite des Vereins„Mach meinen Kumpel nicht an”:WWW.GELBEHAND.DE27


285.2


DGB GEWERKSCHAFTENGEGEN RECHTSBIS IN DIE „MITTE DERGESELLSCHAFT“ – EXTREMRECHTE EINSTELLUNGENNeonazis sind nicht nur ein Problem amäußersten rechten Rand der Gesellschaft.Auch jenseits extrem rechterParteien und Szenen sind fremdenfeindlicheund extrem rechte Einstellungenverbreitet.Eine Langzeitstudie des BielefelderSozialwissenschaftlers Wilhelm Heitmeyerbesagt, dass 48,5 Prozent derBundesbürger fremdenfeindlichenThesen zustimmen. Bei etwa 20 Prozent stelltenandere Forscher ein extrem rechtes Weltbildfest. Die alarmierenden Zahlen zeigen,dass bei der Bekämpfung der extremenRechten der Blick auch auf die „Mitte derGesellschaft“ gerichtet werden muss.GEWERKSCHAFTEN UND EXTREMERECHTEAuch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaftimmunisiert nicht gegen extrem rechte Einstellungen.Das ist das Ergebnis einer Studie,die von der Hans-Böckler- und Otto-Brenner-Stiftung gefördert wurde. Durchschnittlich19 Prozent der Mitglieder und 20 Prozentder Nichtmitglieder verfügen demnach überextrem rechte Einstellungen. Die Auseinandersetzungdarüber ist daher nicht nur ein externesProblem, sondern auch ein wichtigesFeld innergewerkschaftlicher Diskussion.Dass die Anfälligkeit für extrem rechte Einstellungenvor allem etwas mit dem Bildungsgradzu tun hat, verdeutlichen die folgendenWerte: Bei einfachen Arbeitern zeigen biszu 34 Prozent extrem rechte Einstellungen,während es bei verantwortlichen Angestellten14 Prozent und bei einfachen Angestellten10 Prozent sind. Aber auch die von denForschern definierte „Mittelschicht“, gemeintsind damit vor allem die gewerkschaftlichstark organisierten Facharbeiter, weisen Wertevon 19 Prozent auf. Ein zwar durchschnittlicherProzentsatz. In einer nicht gewerkschaftlichorganisierten Vergleichsgruppe der„Mittelschicht“ waren allerdings nur 13 Prozentder Befragten extrem rechts eingestellt.Als Ursache sahen die Forscher jedoch imsozialen Status nur eine von mehreren Komponenten.Zwar lässt sich generell sagen:Je geringer die soziale Sicherheit von Menschenist, desto eher neigen sie zu extremrechten Einstellungen. Wichtiger ist aber,„wie die Betroffenen die aus ihrem sozialenStatus resultierenden Probleme subjektiv verarbeiten.“47 Wer über starke demokratischeÜberzeugungen verfügt, einer Kombinationvon politischem Selbstbewusstsein, freiheitlichenWerten, demokratischen Einstellungenund politischem Engagement in den Gewerkschaften,neigt deutlich weniger zu extremrechten Einstellungen. Im Gegensatz dazu47 Fichter, Michael, Stöss, Richard, Zeuner, Bruno, Das Forschungsprojekt „Gewerkschaften undRechtsextremismus“ – ausgewählte Ergebnisse, in: Bathke, Peter, Spindler, Susanne, Neoliberalismus undRechtsextremismus in Europa, Berlin, 2006, S. 17248 Ebd. Fichter, Stöss, Zeuner, S. 172 ff.steht eine autoritäre Überzeugung, autoritärePersönlichkeitsmerkmale und eingeschränkteDemokratievorstellungen. Menschen mitautoritären Ansichten reagieren auf die Gefährdungihres sozialen Status eher mit der„Überantwortung des eigenen Schicksalsan autoritäre Instanzen, die Macht, Stärke,Sicherheit und Ordnung verheißen“, so dieWissenschaftler. 48DEMOKRATISCHE EINMISCHUNGKurzum: Wer sich zusammen mit Kolleginnenund Kollegen für seine Interessen engagiert,statt darauf zu hoffen, dass „die da oben“es schon regeln werden, ist weniger anfälligfür extrem rechte Einstellungen. Nicht derreinen Vermittlung demokratischer Werte,sondern der tatsächlichen Möglichkeitendemokratischer Mitbestimmung und Einmischungin Schule, Betrieb oder Gesellschaftkommt daher eine wichtige Funktion bei derStärkung der Zivilgesellschaft und somit auchbei der Bekämpfung der extremen Rechtenzu.Extrem rechte Einstellungen resultieren nichtnur aus der Anfälligkeit für neonazistischeProgaganda. Wenn etwa Wahlkämpfe aufdem Rücken von Minderheiten geführt werdenund etablierte Politiker mit fremdenfeindlichenAussagen auf Stimmenfang gehen,schaffen sie Anschlussstellen für extremrechte Propagandisten. Im Themenfeld Sozialesbietet Politik den Antidemokraten durcheine Schwächung der Demokratie eher eineoffene Flanke, wenn sie sich wie in den letztenJahren über die Lebenswirklichkeit derMenschen hinwegsetzt.Hartz IV und Sozialkürzungen treffen Menschen,die gerade auf die Solidarität derGesellschaft angewiesen sind. Der Förderungdes Marktes wird aber oft ein höhererStellenwert zugemessen als dem Prinzip dessozialen Ausgleichs. Wenn grundlegendeWerte der Gesellschaft wie Solidarität undGerechtigkeit entwertet werden und die Menschenimmer mehr Vertrauen in die Politikverlieren, drohen viele zu leichten Opfernfür extrem rechte Sozialdemagogie zu werden.29


5.3DGB GEWERKSCHAFTENGEGEN RECHTSAUF GLEICHER AUGENHÖHE –GEMEINSAM GEGEN RECHTSJe mehr Menschen rassistischen ÄußerungenParoli bieten und sich neonazistischenAufmärschen in den Wegstellen, umso weniger Platz bleibt fürextrem rechte Tendenzen in der Gesellschaft.Extrem rechte Einstellungen undRassismus sind irrational, ihre Ursachenvielfältig. Daher reicht esnicht immer aus, die besseren Argumentezu haben. Einfache Lösungen oderPatentrezepte gibt es nicht. Es wäre ein Trugschlusszu glauben, mit Parteiverboten oderdurch die Bekämpfung sozialer Problemeallein sei die extreme Rechte einfach aus derWelt zu schaffen. Notwendig ist vielmehrein kontinuierliches Engagement der ganzenGesellschaft.30


GEGENWIND FÜR NEONAZISNeonazis beziehen ihre Legitimation nichtnur aus ihrer Weltanschauung, sondern auchaus der Gleichgültigkeit oder stillen Zustimmungin der „Mitte der Gesellschaft“. RassistischeÄußerungen am Stammtisch gehörenebenso dazu wie populistische undfremdenfeindliche Parolen, mit denen manchePolitiker Wahlkämpfe bestreiten.Darum ist die Auseinandersetzung überallerforderlich, wo rassistische Parolen sich breitmachen.Dazu gehört etwa, alltägliche diskriminierendeoder rassistische Äußerungennicht stehen zu lassen, sondern seine Meinungdazu zu sagen. Antirassistisches Engagementkann im Alltag, im Betrieb, in derSchule oder im Verein beginnen. Da wo vieleMenschen für Respekt und Solidarität einstehen,niemanden außen vor lassen und derextremen Rechten eine vielfältige Kultur entgegensetzen,haben extreme Rechte wenigChancen.MEHR DEMOKRATIE WAGENNur eine starke, gelebte Demokratie kannder extrem rechten Herausforderung widerstehen.Neonazis haben ihre Hochburgen instrukturschwachen Gebieten. Dort wo Menschensich für eine demokratische und toleranteGesellschaft engagieren und sich einevielfältige Kultur etabliert hat, sind sieschwach.Demokratische Bildung heißt nicht Vermittlungvon abstrakten Werten, sie muss durcheine weit gehende Beteiligung der Menschenerfahrbar sein. Das gilt zum Beispiel für dieMitbestimmung in den Betrieben ebenso wiein den Schulen oder in der Politik. AutoritäresDurchregieren an den Interessen undBedürfnissen der Bevölkerung vorbei oderdie Reduktion auf ökonomisches StandortundSachzwangdenken sind kontraproduktivund führen zu Politikverdrossenheit oderdem Ruf nach dem „starken Mann“. DemokratischeBeteiligung ist nicht selbstverständlichund muss von unten immer wieder neuerstritten werden. Wo Menschen gemeinsamfür ihre sozialen Interessen kämpfenund ihr Zusammenleben selbstbewusst gestalten,bleibt kein Platz für nationalistischeund autoritär gestrickte Ideologie.Neonazistische Weltanschauung ist gegenüberguten Argumenten resistent. Darumkommt es vor allem auf die Prävention an.Zwar gibt es auch extreme Rechte unter akademischgebildeten Menschen, aber vieleStudien zeigen, dass die Anfälligkeit für rassistischeVorurteile mit zunehmendem Bildungsgradsinkt. Nicht Eliteschulen, sonderneine gute Bildung und Ausbildung für allebeugt darum extrem rechten Tendenzen ambesten vor.AUF GLEICHER AUGENHÖHE GEGENRASSISMUS UND AUSGRENZUNGOpfer neonazistischer Gewalt sind zumeistMenschen, die auch von der Gesellschaftausgegrenzt oder diskriminiert werden. Angehörigeder jüdischen Kultur, Flüchtlinge,Migranten, Punkrocker, Obdachlose, Homosexuelleoder Behinderte sind neben politischenGegnern am häufigsten von neonazistischerGewalt betroffen. Neonazis schlagenin der Regel auf diejenigen ein, die sie für dieSchwächeren halten. Daher ist es notwendig,den Minderheiten den Rücken zu stärkenund sich für die Durchsetzung gleicher Rechteeinzusetzen. Sie müssen aktiv ins gesellschaftlicheLeben einbezogen werden. Siebrauchen mehr soziale und politische Rechte.Und sie brauchen mehr Unterstützung beimKampf gegen Diskriminierung. Ziel mussIntegration statt Ausgrenzung und ein Miteinanderauf gleicher Augenhöhe sein. Mitextrem rechter Ideologie oder fremdenfeindlichenVorurteilen werden die Gesellschaftgespalten und das soziale Klima vergiftet.Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftersind überzeugt, dass alle abhängig Beschäftigtensolidarisch ihre Interessen vertretenmüssen, um eine Verbesserung ihrer ArbeitsundLebensbedingungen zu erreichen.GRENZEN SETZENNeonazistische Gewalt ist nicht hinnehmbar,und eine Ideologie, die diese Gewalt legitimiertund dazu aufruft, gehört nicht zumdemokratischen Meinungsspektrum. Spielräumevon Neonazis müssen darum begrenztwerden. Dazu gehört, dass die Gesellschaftnicht wegsieht, wenn die extreme Rechteversucht, mit martialischen Aufmärschen dieStraße zurückzuerobern. Hier sind alle demokratischenBürgerinnen und Bürger gefragt,sich den Neonazis entgegenzustellen. DieBekämpfung von Rassismus, Antisemitismusund neonazistischer Gewalt erfordert einbreites Bündnis und das Zusammenwirkenaller Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.Zwar kann das Problem der extremen Rechtennicht mit Verboten gelöst werden, es istaber auch nicht zu akzeptieren, dass sichneonationalsozialistische Parteien und Organisationenin der Gesellschaft etablieren.Ein Verbot der NPD ist darum ein wichtigesMittel, den neonazistischen Einfluss zurückzudrängen.Solange die Partei legal ist, werdenaus Steuermitteln jährlich Millionen anWahlkampfkostenerstattungen, Diäten undFraktionszuschüssen für rassistische undnationalistische Propaganda gezahlt.31


5.4DGB GEWERKSCHAFTENGEGEN RECHTSVON DER„WORTERGREIFUNG“ ZUR„MACHTERGREIFUNG“ –NEONAZIS AUF DEMOKRATI-SCHEN VERANSTALTUNGENNeonazis führen nicht nur eigene Aufmärschedurch, sondern versuchenauch massiv, sich in Sozialproteste vonGewerkschaften oder sozialen Bewegungenzu drängen.49 Vorwort, in: Amt für Öffentlichkeitsarbeit der NPD (Hrsg.), Argumente für Kandidaten und Funktionsträger,Berlin 200650 Sonderrundschreiben des Parteivorsitzenden (ca. 2000), Internetseite der NPD, zit. nach: Zur Zulässigkeiteines NPD-Verbots, 200051 Vgl. Die extreme Rechte drängt sich in die Anti-Hartz-Proteste, in: Arbeitsgruppe „Rechtsextremismus“ inver.di Berlin-Brandenburg, Rechte Gespenster, Berlin, 2005, S. 8 f.Als Jugendliche in Halberstadtunter dem Motto „Rock gegenRechts“ ein Zeichen gegen dieextreme Rechte setzen wollten,wurden ihnen von der Stadt die bereits zugesagtenRäumlichkeiten verwehrt. Zuvorhatte der NPD-Kreisverband gegen das Konzertmit dem Liedermacher Konstantin Weckerpolemisiert und schließlich das massive Erscheinenvon Neonazis angekündigt. Die32


Stadt fürchtete Auseinandersetzungen undzog die Genehmigung für die Räume zurück.Die öffentliche Empörung über diesen Vorgangführte später dazu, dass das Konzertnachgeholt wurde. Dennoch zeigt das Beispiel,wie Neonazis mit dem Mittel der Skandalisierungversuchen, demokratische Veranstaltungenzu verhindern.Die Strategie stammt aus dem Arsenal derNationalsozialisten. In den Jahren vor 1933versuchte die SA durch die Inszenierung vonSaalschlachten Kundgebungen der politischenGegner zu skandalisieren und deren Anhängerzu verunsichern. Bekanntes Beispiel fürdiese Strategie sind die Auseinandersetzungenum die Aufführung des Antikriegsfilmes„Im Westen nichts Neues“ nach dem gleichnamigenBuch von Erich Maria Remarque.Als der in der Weimarer Republik umstritteneFilm am 5. Dezember 1930 in Berlin erstmalsaufgeführt wurde, inszenierten die NationalsozialistenSchlägereien, zündeten Stinkbombenund ließen in den Kinos weiße Mäuselos. Nur sechs Tage nach der Erstaufführungwurde der Film in Deutschland verboten. DasVerbot wurde gerade mit diesen Angriffenbegründet. Der Film gefährde die öffentlicheOrdnung, hieß es, und habe eine entsittlichendeund verrohende Wirkung.DIE STRATEGIE DER„WORTERGREIFUNG“Die Verhältnisse der Weimarer Republik sindmit denen in der Bundesrepublik nicht zuvergleichen, aber auch heute versuchen Neonazisdurch Gewalt und Bedrohungen ihrepolitischen Gegner einzuschüchtern. Organisatorenvon politischen Veranstaltungenaller Art sind nicht selten mit einem massivenAndrang von Neonazis konfrontiert, undzumindest ihr Ziel ist es, auf die eine oderandere Weise die Diskussion zu sprengen.Wenn sie dazu nicht Gewalt einsetzen, versuchensie die Veranstaltungen für ihre Zielezu funktionalisieren.Dem liegt die so genannte Strategie der„Wortergreifung“ zu Grunde, mit der auf denBegriff der „Machtergreifung“ angespieltwird. „Besuchen wir daher im Sinne der Wortergreifungsstrategiedie Veranstaltungen despolitischen Gegners. Dieser hat hier die Arbeitder Vorbereitung, Planung und Durchführung“,schreibt etwa der NPD-VorsitzendeUdo Voigt 49 . Dahinter steht die Idee, den politischenGegner für sich arbeiten zu lassenund sein demokratisches Engagement für dieNeonazis zu funktionalisieren. Die Präsenzvon Neonazis soll zumindest zu einer Dominanzder Veranstaltung führen und ihre Ausrichtungund Resonanz in der Öffentlichkeitbestimmen. Schon im Jahr 2000 beschriebVoigt dieses Vorgehen in einem Sonderrundschreibenan die Partei: „Wir kennen dochalle die Erfahrung, dass unsere Veranstaltungenkaum oder gar nicht Beachtung finden,(...) Gehen wir ab sofort vermehrt in die Veranstaltungender Etablierten, ergreifen wirdort das Wort (...) Wie wir es hier in unsererneuen Heimat in Berlin-Köpenick zusammenmit Horst Mahler bereits mehrfach vorexerzierten,müssen wir auf politischen Veranstaltungendes Gegners das Gesetz des Handelnsan uns reißen, die Wort- und Diskussionsführungso bestimmen, dass selbst diePresse nicht umhin kann, darüber zu berichten(...) Wenn dann am Ausgang des Saalesnoch Kameraden unsere Flugblätter verteilen...“ 50In der Praxis sieht es dann so aus, dass inder Öffentlichkeit nur noch über die Störungder Veranstaltung von Neonazis berichtetwird, anstatt über deren eigentliches Anliegen.NEONAZIS BEI PROTESTEN GEGENSOZIALABBAUWie schnell demokratischer Protest durchdie Beteiligung von Neonazis unterminiertund in seiner Aussage verdreht werden kann,zeigten auch die Aktionen gegen Hartz IV.Im Jahr 2004 versuchten sich Neonazis inOst und West in die Protestkundgebungenund Demonstrationen zu drängen. Sowohldie NPD als auch die militante Kameradschaftsszenehatten eigene Koordinierungsstellenfür die extrem rechten Anti-Hartz-IV-Aktivitäten eingerichtet und veröffentlichtenauf ihren Internetseiten die Termine derMontagsdemonstrationen.In Stuttgart etwa gingen Neonazis der „FreienNationalisten“ im April 2004 zu einervon Gewerkschaften und Sozialverbändengetragenen Demonstration gegen Sozialabbauund trugen ein Transparent, auf dem„Volksgemeinschaft statt BRD-Abzocke“ zulesen war. Bei der zweiten MagdeburgerMontagsdemonstration im August 2004gelang es einem Block von Neonazis, sichmithilfe der Polizei sogar an die Spitze desDemonstrationszuges von 6.000 Menschenzu setzen. Auch in Oranienburg kam die Polizeider Forderung eines Veranstalters ausder IG Metall nicht nach, mitmarschierendeNeonazis aus einer Demonstration auszuschließen.In einzelnen Fällen gelang es extremRechten sogar, die Montagsdemonstrationenfederführend durchzuführen. So z.B.in Köthen bei Dessau, wo Anhänger undFunktionäre der „Republikaner“ einen Protestzugorganisierten. „Wir kennen keineParteien mehr, sondern nur noch Deutsche– Weg mit Hartz IV“ stand auf dem Leittransparent,und Redner verbreiteten rassistischeund nationalistische Parolen. 51Da Neonazis bei dem Versuch, an demokratischenVeranstaltungen teilzunehmen, mituntervon der Polizei unterstützt wurden,wussten sich einige Veranstalter nicht anderszu helfen, als Kundgebungen abzubrechen.Demokratische Teilnehmerinnen und Teilnehmer,die es unerträglich fanden, zusammenmit Neonazis zu demonstrieren, wurden demotiviert,und in der Öffentlichkeit konntendie Proteste mit dem Hinweis, hier seien extremelinke und rechte Kräfte gemeinsamam Werk, leicht diskreditiert werden. Daseigentliche Anliegen der Demonstrationen,nämlich für eine solidarische Sozialgesetzgebungzu streiten, geriet an vielen Ortenin den Hintergrund.Nicht nur, dass es auch in Sozialfragen keinerleiGemeinsamkeiten von Gewerkschaftenund Neonazis gibt. Außer Frage steht,dem Rassismus und Nationalismus darf keinPodium für die Verbreitung ihrer Ideologiengeboten werden. Neonazis haben darumauf Veranstaltungen der Gewerkschaftennichts verloren.33


345.5


DGB GEWERKSCHAFTENGEGEN RECHTSWAS TUN, WENN NEONAZISVOR DER TÜR STEHEN –RECHTLICHE ASPEKTE ZUMAUSSCHLUSS EXTREMERRECHTERDer Ausschluss von Neonazis aus Saalveranstaltungenist möglich. Bei Demonstrationenund Kundgebungenwird es schon schwieriger. Mitunterkommt es zu absurden Situationen,wenn Demokraten ihre Veranstaltungenohne Neonazis durchführen wollen.Das Vlothoer Bündnis gegen dasCollegium Humanum engagiertsich auf breiter Basis gegen einbraunes Seminarhaus in der ostwestfälischenStadt. Ihm gehören der Bürgermeister,die evangelischen Kirchengemeinden,die weiterführenden Schulen, Ratsfraktionen,der DGB, Weiterbildungseinrichtungenund zahlreiche Vereine und Initiativenan. Als das Bündnis im November 2006 zueiner Podiumsdiskussion lud, wollten auchrund 25 Neonazis teilnehmen. Doch die Veranstalterhatten die Ankündigung mit einemZusatz versehen. Eingeladen war nur, wer mitden grundsätzlichen demokratischen Zielendes Vlothoer Bündnisses übereinstimmt. DiePolizei erteilte den anreisenden Neonazisschon vor dem Versammlungssaal Platzverweise,und die Podiumsdiskussion konnteohne Störungen durchgeführt werden.35


ASPEKTE BEISAALVERANSTALTUNGENNach § 6 des Versammlungsgesetzes könnenbestimmte Personen oder Personenkreise5.5RECHTLICHEin der Einladung von der Teilnahme an einerVersammlung ausgeschlossen werden. Diesgilt aber nur für öffentliche Veranstaltungenin geschlossenen Räumen, nicht für Versammlungenunter freiem Himmel und grundsätzlichnicht für Pressevertreter. Entscheidendist, dass bereits die Einladung eine entsprechendeFormulierung enthält, die den Teilnehmerkreiseingrenzt (z.B. nur für Gewerkschaftsmitglieder)oder extrem Rechte ausschließt(z.B. nicht für extreme Rechte). Dannkann Neonazis der Zutritt verwehrt werden.Wenn sie bereits im Versammlungsraum sind,können sie aus diesem wieder entfernt undunter Umständen auch wegen Hausfriedensbruchzur Verantwortung gezogen werden.Zurückgewiesen werden dürfen auch Störermit erkennbar unfriedlichen Absichten.Nach § 11 Versammlungsgesetz kann derLeiter einer Versammlung zudem Teilnehmerausschließen, „welche die Versammlunggröblich stören“. Dazu reichen allerdingsnicht einfache Zwischenrufe oder scharfeKritik, sondern nur ein wiederholt störendesVerhalten, mit dem eine Behinderung, Unterbrechungoder Auflösung der Versammlungbezweckt wird. 52PROZESS UM HAMBURGERDGB VERANSTALTUNGDass Aufrufe zum „Aufstand der Anständigen“oder zu konsequentem Vorgehen gegenextreme Rechte und Neonazis nicht immerbei den Behörden ankommen, zeigt das Beispieleiner Gewerkschaftsveranstaltung inHamburg. Weil die Polizei das Versammlungsgesetzin nicht nachvollziehbarer Weise auslegte,konnten rund 20 Neonazis die Veranstaltungsprengen.52 Vgl. Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, München 2001, S. 41 ff. und S. 45 ff.53 Vgl. DGB Jugend reicht Klage ein, Pressemitteilung vom 08.01.2007 und: Nazis greifen Infoveranstaltung desHamburger Bündnisses gegen Rechts und der DGB Jugend an, in: Antifaschistische Nachrichten, Nr. 24/200654 Vgl. Die extreme Rechte drängt sich in die Anti-Hartz-Proteste, in: Arbeitsgruppe „Rechtsextremismus“ inver.di Berlin-Brandenburg, Rechte Gespenster, Berlin, 2005, S. 10 f.55 Vgl. Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, München 2001, S. 81 ff.Die Hamburger DGB Jugend hatte eigentlichalles richtig gemacht. Als sie in Kooperationmit dem Bezirksamt für den 16. November2006 zu einer Informationsveranstaltungüber rechte Strukturen in Wandsbek einlud,hatte sie Neonazis vom Besuch ausgeschlossen.Die Einladung war mit einem Zusatzversehen, in dem es hieß: „Mitglieder undAnhänger rechtsextremer Parteien und Organisationenwie NPD, DVU, REP und der,Freien Kameradschaften’ haben keinen Zutrittzu der Veranstaltung (nach § 6 VersG).“Auch der Einsatzleiter der Polizei hatte zunächstbestätigt, dass damit die Grundlagefür den Ausschluss der Neonazis gegebensei. Als dann etwa 20 Neonazis die Veranstaltungangriffen, konnten sie von engagiertenTeilnehmern aus dem Vorraum gedrängtwerden, und der Veranstaltungsleiterrief die Polizei. Nachdem der Vortrag rund20 Minuten ungestört verlaufen war, änderteder Einsatzleiter plötzlich seine Meinung. DenNeonazis sei Zutritt zu gewähren, oder dieVeranstaltung müsse abgebrochen werden,erklärte er kategorisch. Um weitere Eskalationenzu vermeiden, brachen die Veranstalterdaraufhin die Veranstaltung erst einmalab. „Für unangemessen und inkonsequent“,hält Olaf Schwede, Vorsitzender der DGBJugend Hamburg das Vorgehen der Polizei.Er will die Sache nicht auf sich beruhen lassenund hat eine Feststellungsklage beimVerwaltungsgericht eingereicht. Um zukünftigklare Regeln zu haben, soll nun das Gerichtdarüber befinden, ob der Ausschlusshinweisausreichend war. „Schließlich planenwir, die abgebrochene Veranstaltungnachzuholen“, so Olaf Schwede. 53„NATIONALER SOZIALISMUS“ AUFGEWERKSCHAFTSKUNDGEBUNGFür Empörung sorgte auch das Vorgehen vonPolizei und Ordnungsamt in Dresden. Neonazishatten im Jahr 2004 immer wiederversucht, an den Montagsdemonstrationengegen Sozialabbau und Hartz IV teilzunehmen.Zuerst konnten sie abgedrängt werdenund meldeten daraufhin eigene Spontandemonstrationenan. Nach dem Wahlerfolgder NPD am 19. September 2004 versuchtensie, ihre Teilnahme mit Gewalt durchzu-36


setzen. In den folgenden Wochen setztenOrdnungsamt und Polizei rigoros durch, dassNeonazis mitmarschieren konnten. Dabeiwurde einem Versammlungsleiter die Anmeldungverweigert, weil er versucht hatte, dieNeonazis auszuschließen. Einem anderenAnmelder wurde gedroht, die Montagsdemonstrationpolizeilich aufzulösen, wenn dieNeonazis nicht akzeptiert würden.Ähnliche Szenen spielten sich im thüringischenEisenach und Altenberg ab. DGB Organisatorenvon Sozialprotesten musstenNeonazis auf ihren Kundgebungen dulden,die sie als „DGB Arbeiterverräter“ beschimpften,„Links verrecke" skandiertenoder Fahnen mit der Aufschrift „NationalerSozialismus“ trugen. 54RECHTLICHE ASPEKTE BEI DEMONS-TRATIONEN UND KUNDGEBUNGENKeine Möglichkeit des Ausschlusses gibtdas Versammlungsgesetz dem Versammlungsleiterbei öffentlichen Versammlungenunter freiem Himmel, also Demonstrationenoder Kundgebungen. Hier kann nur die PolizeiPersonen nach § 18 Versammlungsgesetzausschließen, „welche die Ordnung gröblichstören“. Zu einer gröblichen Störung imSinne des Gesetzes zählen jedoch nicht einzelneZwischenrufe oder das Zeigen extremrechter Transparente. Zu „gröblichen“ Störungengehören z.B. anhaltende Sprechchöre,ständiges Betätigen von Trillerpfeifen, dasZeigen von Transparenten mit verfassungswidrigemoder beleidigendem Inhalt, dasWerfen von Rauch- oder Stinkbomben oderdas Absingen von Liedern, die die Versammlungzu vereiteln oder zu sprengen drohen. 55KLARE ABGRENZUNG SCHON IMVORFELDFür die Montagsdemonstranten war das Vorgehenvon Polizei und Versammlungsbehördendennoch unverständlich. Zwar entsprichtes dem Versammlungsgesetz, dennoch hatdie Polizei auch hier weitere Ermessensspielräume.Es gehört etwa zur ständigen Praxisbei neonazistischen Aufmärschen, Gegendemonstrantenauf Abstand zu halten undgegebenenfalls Platzverweise zu erteilen.Demokraten und Gewerkschafter könnendaher durchaus etwas tun, um Neonazisvon Demonstrationen und Kundgebungenfernzuhalten. Voraussetzung sind vor allemklare politische Positionen und eine gute Vorbereitungvon Aktionen.Durch eine klare Abgrenzung schon imVorfeld der Kundgebung kann gegenüberder Öffentlichkeit in Aufrufen und Pressemitteilungendeutlich gemacht werden, dassNeonazis nicht erwünscht und die Veranstalternicht bereit sind, rassistische und nationalistischeParolen zu dulden.Eindeutige Positionen und eindeutigerSprachgebrauch machen Veranstaltungenfür Neonazis uninteressant. Nicht jede Verwendungdes Begriffes „Volk“ ist extremrechts, aber wenn z.B. bei Hartz-IV-MontagsdemonstrationenNeonazis Slogans wie „Wirsind das Volk“ aufgreifen, entsteht hier eineBrücke, um ihren rassistischen Volksbegriffeinzuführen. Unklare und allgemeine Positionenmachen Veranstaltungen für Neonazisinteressant und Unsicherheiten der Veranstalternutzen sie geschickt aus. Wenndagegen klare solidarische Positionen zumAusdruck gebracht werden, Migranten undGegner von Rechtsextremismus aktiv einbezogenwerden, wird eine Veranstaltunguninteressant für Neonazis.Im Kooperationsgespräch mit der Polizeisollte eine klare Position gegen extremeRechte auf der Veranstaltung gezeigt unddie Beamten aufgefordert werden, Neonazisfernzuhalten. Die Polizei hat dazu Möglichkeiten.Wenn zum Beispiel durch Ankündigungender Neonazis oder ihr Verhalten aufvorhergehenden Veranstaltungen grobe Störungenzu erwarten sind, kann sie ihre Teilnahmeverhindern.Sollten dennoch Neonazis auf die Kundgebungkommen, ist ein gemeinsames Vorgehenvon Veranstaltern, Ordnern und Teilnehmernnotwendig. Darüber sollten sichdie Veranstalter bereits im Vorfeld geeinigtund vorbereitet haben. Menschenkettenund Blockaden sind Möglichkeiten für alleTeilnehmer, ihre demokratische Haltung zumAusdruck zu bringen und ihren Protest gegenüberneonazistischen Positionen abzugrenzen.Wenn es möglich ist, extreme Rechteabzudrängen, muss dies friedlich geschehen,denn Gewaltanwendung erlaubt das Gesetzweder Teilnehmern noch Ordnern.37


5.6DGB GEWERKSCHAFTENGEGEN RECHTSSYMBOLE, ZEICHEN UNDMARKENKLEIDUNG DERNEONAZISZENEBomberjacke, Springerstiefel, Glatzeund Baseballkeule – Nur selten tretenNeonazis so auf, wie sie in den Medienabgebildet werden. Stattdessen verfügtdie Szene Über eine Vielzahl vonSymbolen und Codes. Wie kann mansie erkennen?Einen Mindestlohn hält die NPDLöbau-Zittau eigentlich nicht fürpraktikabel. Das geht aus ihrerPressemitteilung unter dem Titel„Mindestlohndebatte verführt“ hervor. Dasin dem Papier dann doch noch der Satzauftaucht „Wir fordern 8,80 Euro Mindestlohn“,ist auf den ersten Blick überraschend. 56Tatsächlich spielen die Neonazis mit einemihrer Codes, und die Forderung ist nur fürEingeweihte verständlich. Vor allem verboteneParolen oder Grußformeln werden vonder Neonaziszene hinter Codes versteckt.ZAHLENCODES FÜR VERBOTENEORGANISATIONEN88 18 Zahlenkürzel für die verbotene Grußformel„Heil Hitler“. Die Zahlen stehen fürden 8. Buchstaben im Alphabet (also 88 =HH), das Zahlenkürzel 18 (= AH) steht fürden Namen „Adolf Hitler“.28 wird als Ersatzsymbol für die verboteneBewegung „Blood & Honour“ benutzt. DieBuchstaben stehen für den zweiten und achtenBuchstaben (BH).14 steht für die „14 words“ des US-amerikanischenRassisten David Lane. „We mustsecure the existence of our people and futureof white children“ (Wir müssen die Existenzunseres Volkes sichern und die Zukunft fürweiße Kinder). Lane war Mitglied der terroristischenOrganisation „The Order“.56 Pressemitteilung der NPD Löbau-Zittau vom 23.10.200638


ZOG steht für „Zionist Occupied Government“(„jüdisch besetzte Regierung") undgilt den Antisemiten als Kürzel für ihre Thesenvon einer „jüdischen Weltverschwörung“.SYMBOLE AUS DEMNATIONALSOZIALISMUSViele Symbole der Neonaziszene stammennoch aus dem Nationalsozialismus oder hattendort eine wichtige Bedeutung. Weil die Symboleder Nationalsozialisten und ihrer Organisationenmeist verboten sind, benutzen Neonazisoft leicht abgewandelte Darstellungen.Das Zahnrad war das Organisationszeichendes Reichsarbeitsdienstes,einer vormilitärischenOrganisation, in der Jugendliche einen sechsmonatigenArbeitsdienst leisten mussten.Zusammen mit dem Hakenkreuz war es auchdas Zeichen der „Deutschen Arbeitsfront“.Die schwarze Sonne ist ein Symbolder SS und findet sich in derWewelsburg bei Paderborn, einerehemaligen Kultstätte der Organisation. Eswird als Sinnbild einer nordisch-heidnischenReligion benutzt und ist in der extremenRechten weit verbreitet. Es wird nicht nurals Fahne oder Anstecknadel, sondern auchin allen erdenklichen Formen etwa als Krawattennadeloder Julleuchter vertrieben.Nicht alle, die altgermanischeZeichen und Runen verwenden,sind Neonazis. Sie dienen auchmanchen Jugendkulturen und esoterischenStrömungen als Symbole, um sich vom Christentumabzusetzen. Runen dienten aber instarkem Maße den Nationalsozialisten alsEmbleme, etwa die heute verbotene Sigruneals Zeichen des „Deutschen Jungvolkes“ unddie Doppel-Sigrune als Zeichen der SS. Auchviele Neonaziorganisationen verwenden inihren Emblemen Runen. Die Gibor-Rune oderWolfsangel war etwa das Symbol der verbotenen„Jungen Front“, die Odals-Rune gehörtezum Zeichen der verbotenen „Wiking-Jugend“. Mit der Verwendung von Runenstellen sich Neonazis in eine rassistische,heidnisch-germanische Tradition.PAROLEN UND BEZEICHNUNGENNicht immer sind Parolen und Gruppenbezeichnungenals extrem rechts und neonazistischzu erkennen. Doch immer wenn Begriffewie „Volk“ und „Nation“ im Spiel sind,ist Vorsicht angebracht. „Frei – sozial – national“ist etwa der Schlachtruf der militantenNeonazis aus den „Freien Kameradschaften“.Von „Volksgemeinschaft statt Klassenkampf“und „Nationaler Solidarität“ ist häufig dieRede, wenn sich Neonazis sozialen Themenzuwenden.FREIE KAMERADSCHAFTEN sind lokaleGruppen der militanten Neonaziszene. Mitunternennen sie sich auch „Freie Nationalisten“.Die Kameradschaften arbeiten oft engmit der NPD zusammen, bilden jedoch aucheigene überregionale <strong>Netz</strong>werke. Über regionale„Aktionsbüros“ werden Aufmärscheund andere Aktionen koordiniert.NATIONALER WIDERSTAND oder FREIERWIDERSTAND können Bezeichnungen füreinzelne Neonazigruppen sein. Meist werdenjedoch regionale Aktionsbündnisse oder dieGesamtheit der so genannten „NationalenOpposition“ in einem Gebiet darunter verstanden.AUTONOME NATIONALISTEN sind eineneonazistische Gruppe, die kaum am Äußerenzu erkennen ist. Sie tragen sogar mitunter T-Shirts mit dem Bild von Che Guevara, Palästinensertücheroder treten wie autonome Linkein schwarzer Kleidung auf. Ihre Strategie istdie Aufnahme von links geprägten Stilelementenund ihre Umdeutung. Che Guevaragilt ihnen etwa als „nationaler Revolutionär“,mit Palästinensertüchern wollen sie ihre antisemitischeHaltung markieren. AutonomeNationalisten sind daher oft nur an ihrenParolen zu erkennen.MARKENKLEIDUNG DER EXTREMENRECHTENZum Lifestyle extrem rechts orientierter Jugendszenengehören neben Musik vor allemauch bestimmte Bekleidungsmarken. Währendetliche Marken von Unternehmen produziertund vertrieben werden, die der Szenezumindest nahestehen, sind andere Markenunfreiwillig zum Dresscode der Neonazisgeworden.Masterrace ist eine beliebte Markeim Neonazispektrum, die sichmit „Herrenrasse“ übersetzen lässt. Jogginghosen,T-Shirts und Pullover werden überneonazistische Läden und Versände verkauft.Lonsdale, die Marke aus derSkinheadszene wird nicht nurvon Neonazis getragen, erfreut sich dort aberimmer noch einiger Beliebtheit. Der Grunddafür ist die im Schriftzug enthaltene Buchstabenfolge„NSDA“, in der nur das P fehlt.Die Firma Lonsdale hat sich längst von ihremneonazistischen Kundenkreis distanziert undunterstützt antirassistische Kulturinitiativen.Consdaple wurdeals Marke nachdem Vorbild der Lonsdale-Kleidung von Anhängernder Neonaziszene gegründet. Hiersind alle Buchstaben der „NSDAP“ enthalten.Um die Verbundenheit mit den Nationalsozialistenzu zeigen, wird häufig eine Jackeüber dem T-Shirt getragen, die die restlichenBuchstaben verdeckt.Thor Steinar, die Edelmarke derSzene wurde in einer extrem rechtenZeitschrift als „patriotischeKleidung mit nordischer Attitüde“ beschrieben.Um das alte Logo der Marke, das dieTyr-Rune und die Wolfsangel zeigte, gibt esgerichtliche Auseinandersetzungen. DieRechtsprechung ist jedoch nicht einheitlich.Das neue Logo ist zumindest nicht strafrechtlichrelevant.WEITERFÜHRENDE LITERATUR:Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Hrsg.),Versteckspiel, Lifestyle, Symbole und Codesvon neonazistischen und extrem rechtenGruppen, Broschüre, Berlin, AktualisierteAuflage, 2006Bundesamt für Verfassungsschutz: Symboleund Zeichen der Rechtsextremisten, Broschüre,Köln, November 200639


6.1LITERATUR/ADRESSENLITERATURIG Metall-Jugend, Befreit von Krieg undFaschismus. Kampf um Demokratie undFrieden, DVD mit Informationen, Film undAktionsideen, 2005 (Bezug über:jugend@igmetall.de)Bathke, Peter/Spindler, Susanne (Hrsg.),Neoliberalismus und Rechtsextremismus inEuropa, Sammelband, Berlin, 2006Butterwegge, Christoph/Hickel, Rudolf/Ptak,Ralf, Sozialstaat und neoliberale Hegemonie,Standortnationalismus als Gefahr für dieDemokratie, Berlin, 1998Schui, Herbert u.a. (Hrsg.), Wollt ihr den totalenMarkt? Der Neoliberalismus und dieextreme Rechte, Taschenbuch, München,1997Agentur für soziale Perspektiven e.V. (Hrsg.),Versteckspiel, Lifestyle, Symbole und Codesvon neonazistischen und extrem rechtenGruppen, Broschüre, Berlin, AktualisierteAuflage, 2006Benz, Wolfgang (Hrsg.), Legenden, Lügen,Vorurteile, Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte,Taschenbuch, München, 1992Dornbusch, Christian/Raabe, Jan (Hrsg.),RechtsRock, Bestandsaufnahme und Gegenstrategien,Münster, 2002Röpke, Adrea/Speit, Andreas (Hsrg.), BrauneKameradschaften, Die neuen <strong>Netz</strong>werke dermilitanten Neonazis, Berlin, 2004Staud, Toralf, Moderne Nazis, Die neuenRechten und der Aufstieg der NPD, Taschenbuch,Köln 200540


ADRESSEN„Mach meinen Kumpel nicht an!“ e.V.Hans-Peter KillgussHans-Böckler-Straße 3940476 DüsseldorfInternet: www.gelbehand.deDGB Bildungswerk e.V.Bereich Migration & QualifizierungHans-Böckler-Straße 3940476 DüsseldorfInternet: www.migration-online.de<strong>Netz</strong>werk für Demokratie und Courage e.V.Schützenplatz 1401067 DresdenInternet: www.netzwerk-courage.deBausteine nicht-rassistischer BildungsarbeitDGB Bildungswerk Thüringen e.V.Warsbergstraße 199092 ErfurtInternet: www.baustein.dgb-bwt.deArgumente & Kultur gegen Rechts e.V.Verein für Bildung, Kreativität undInformationPostfach 102 94833529 BielefeldE-Mail: Leo.Trepper@gmx.deDas Antifaschistische Pressearchiv undBildungszentrum Berlin e.V.Lausitzer Straße 1010999 BerlinInternet: www.apabiz.deBundeskoordination Schule ohneRassismus – Schule mit CourageAhornstraße 510787 BerlinInternet: www.schule-ohne-rassismus.orgBündnis für Demokratie und ToleranzStresemannstraße 9010963 BerlinInternet: www.buendnis-toleranz.deGesicht zeigen – Aktion weltoffenesDeutschlandKurfürstendamm 178/17910707 BerlinInternet: www.gesichtzeigen.deAktion Zivilcourage e.V.Postfach 100 28801782 PirnaInternet: www.aktion-zivilcourage.deArbeitsgruppe Rechtsextremismus in ver.diBerlin-BrandenburgKöpenicker Straße 3010179 BerlinE-Mail: info@agrexive.deInternet: www.agrexive.deZEITSCHRIFTEN/INTERNETDer Rechte RandInformationen von und für AntifaschistInnenPostfach 132430013 HannoverInternet: www.der-rechte-rand.deAntifaschistisches Info BlattGneisenausstraße 2 a10961 BerlinE-Mail: aib@nadir.orgRundbrief antifaschistischer/antirassistischerGewerkschafterInnen (RAG)DGB Jugend Berlin-BrandenburgKeithstraße 1–310787 BerlinBlick nach Rechts (<strong>Netz</strong>zeitung)Internet: www.bnr.deBundeszentrale für politische BildungInternet: www.bpb.deForum für Musik und Kultur –Gegen RechtsrockInternet: www.turnitdown.deMut gegen rechte GewaltInternet: www.mut-gegen-rechte-gewalt.deAm Ball bleiben – Fußball gegen Rassismusund Diskriminierung, Projekt der DeutschenSportjugendInternet: www.amballbleiben.orgOpferperspektive e.V.Rudolf-Breitscheid-Straße 16414482 PotsdamInternet: www.opferperspektive.deAmadeu Antonio StiftungLinienstraße 13910115 BerlinInternet: www.amadeu-antonio-stiftung.de41


HERAUSGEBERIG Metall-VorstandFB Gesellschaftspolitik undRessort Jugendarbeit und -politikWilhelm-Leuschner-Straße 7960329 Frankfurt am MainVERANTWORTLICHDr. Hans-Jürgen UrbanTEXTArgumente & Kultur gegen Rechts e.V.,BielefeldLAYOUTGitte BeckerDTP/REINZEICHNUNGGerd SpliethoffFOTOSHelmut Biess (Titel), photocaseDRUCKPrintNetwork pn GmbH, BerlinNachdruck mit freundlicher Genehmigungdes DGB Bundesvorstand, 2. AuflageVorstandsbereich Annelie Buntenbach,Bereich Migrations- und AntirassismuspolitikFrankfurt a.M., November 200742


Produktnummer 11127-18132

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