IISamstag11 Uhr»Schöne, ausdrucksvolle kleine Kunstwerke«Bachs dreistimmige SinfonienDie Internationale Bachakademie in Stuttgart hebt und birgtKunstschätze vielerlei Art. So befindet sich in der »bel étage«im 4. Stock, als Zierde der Nordwand des Arbeitszimmers vonHelmuth Rilling, ein altes Ölgemälde, das eine Gruppe von vierMusikern zeigt. So weit so gut. Doch es darf als sehr wahrscheinlichgelten, dass das um 1730 entstandene und seit 1986im Besitz der Stiftung befindliche Bild von Balthasar Denner(1685–1749) Johann Sebastian Bach mit drei Söhnen zeigt:Gottfried Heinrich mit der Violine vor sich auf dem Tisch, PhilippEmanuel mit Traversflöte und Wilhelm Friedemann mit der Geigein der Hand. Dieses Gemälde passt nun ganz hervorragendzum Bach-Tribut unserer Kammermusiker!Johann Sebastian Bach, so steht es im Nekrolog, zu dessenVerfassern auch Carl Philipp Emanuel gehörte, sei derstärkste Orgel- und Clavierspieler gewesen, den man jemals gehabthabe, und Forkels Biografie berichtet, »seine Neigung zumClavier- und Orgelspielen […] trieb ihn an, alles zu thun, zusehen und zu hören, was ihn nach seinen damaligen Begriffenimmer weiter darin bringen konnte«. Er sah und hörte und tatund lernte; sein eigentlicher und einziger Lehrer im elementarenUnterricht war sein Bruder Johann Christoph. Musikunterricht inöffentlichen Institutionen gab es kaum; so lag es für Bach nahe,auch die eigenen Kinder in der Musik zu unterweisen. Carl PhilippEmanuel erinnerte sich in seiner von Charles Burney 1773überlieferten Autobiografie: »In der Komposition und im Clavierspielenhabe ich nie einen andern Lehrmeister gehabt, als meinenVater«. Doch nicht nur die Kinder, viele andere Élèvenkamen in den Genuss von Bachs didaktischen Fähigkeiten mithilfeköstlichster Etüden: »Fand sich aber, daß irgend einem derselben[Schüler] nach einigen Monathen die Geduld ausgehenwollte, so war er so gefällig, kleine zusammenhängende Stückevorzuschreiben, worin jene Uebungssätze in Verbindung gebrachtwaren.« Daraus seien etwa auch die Inventionen hervorgegangen,die Bach in den Stunden des Unterrichts selbstniederschrieb; »In der Folge hat er sie aber in schöne, ausdrucksvollekleine Kunstwerke umgeschaffen.« (Forkel)14 <strong>kammermusik</strong><strong>festival</strong><strong>hohenstaufen</strong>
Das Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann aus demJahre 1720 enthält bereits alle zweistimmigen Inventionen unddreistimmigen Sinfonien (dort noch als Praeambulum bzw.Fantasia betitelt). Drei Jahre später schrieb Bach die Stückein Reinschrift als gesonderten Band nieder und stellt ihmeine Gebrauchsanweisung voran, wonach die inventionesnicht nur zur Erlernung eines reinen und cantablen Spiels,sondern auch, um »darneben einen starcken Vorschmackvon der Composition zu überkommen« nützlich sein könnten.Das war natürlich maßlos untertrieben, denn was uns Bachmit diesen Kostbarkeiten hinterlassen hat, ist die schönsteArt, den Begriff Inventio (von lat. invenire = erfinden) kompositorischauszudeuten: als Keimzelle großer Kunst; heut &hier auf gestrichenen Saiten interpretiert, was u.a. den klarenVorteil hat, dass mehrere Künstlerinnen und Künstler gleichzeitigBachs geniale Einfälle mit Leben erfüllen können.<strong>kammermusik</strong><strong>festival</strong><strong>hohenstaufen</strong>15