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Sagenhafter Harz

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16 aUF REIsEn<br />

Die Ölquelle<br />

tirol Der Achensee ist der größte See Tirols –<br />

und die Heimat der letzten Steinölbrenner Europas<br />

Insgeheim muss man doch ein wenig<br />

schmunzeln: „Österreichs einziger Fjord“<br />

– diese Beschreibung der Touristiker<br />

scheint etwas hoch gegriffen. Aber dann,<br />

in der Gondel der Rofanseilbahn, liegt der See<br />

direkt im Blickfeld: türkisblau schimmerndes<br />

Wasser, umrahmt von steilen Felsen des Karwendelgebirges,<br />

das zum Teil nur einen schmalen<br />

Fußpfad am Seeufer zulässt – plötzlich<br />

scheint der Vergleich gar nicht weit hergeholt.<br />

Fünf Dörfer gehören zum Achensee. Eines<br />

davon ist Pertisau, es liegt direkt am Seeufer<br />

mit Blick über das Wasser. Hier steht das Fürstenhaus<br />

Am Achensee – und nur wenige Schritte<br />

entfernt auch das imposan-<br />

te Steinölmuseum. Im spitzen<br />

Glasdach des Gebäudes brechen<br />

sich einige Sonnenstrahlen.<br />

Am Eingang wartet<br />

schon Hermann Albrecht.<br />

Seine Familie lebt seit mehr<br />

als hundert Jahren in Pertisau – und von dem<br />

Ölschiefer der umliegenden Berge. Albrecht ist<br />

Geschäftsführer des Familienunternehmens,<br />

das Tiroler Steinöl produziert. Heute trägt er<br />

Hemd und Krawatte, doch im Sommer hockt<br />

auch er im Familienbergwerk in einem Seitental<br />

des Karwendelgebirges, sprengt Schiefer aus<br />

dem Fels, zerlegt ihn mit einer Spitzhacke und<br />

befördert die Brocken schließlich zur Schwelanlage.<br />

Bei nur elf Mitarbeitern muss er selbstverständlich<br />

überall mitanpacken.<br />

„Eine harte Arbeit, heute wie damals“, sagt<br />

er und deutet auf die schwarz-weißen Fotos an<br />

den Museumswänden. Sie zeigen Albrechts Vater<br />

als jungen Mann, wie er Schiefer schleppt,<br />

und die Mutter als kleines Mädchen, wie es den<br />

Bergmännern Werkzeug reicht. „Meine Eltern<br />

klopften schon als Kinder Schiefer, bis sie vor<br />

Müdigkeit einschliefen.“ Und alles nur, um dem<br />

Stein das schwarze Gold abzupressen. Großvater<br />

Martin war es, der 1902 am westlichen Ufer<br />

des Achensees einen braunen Felsbrocken entdeckte<br />

und als Ölschiefer identifizierte. Das Öl<br />

stammt aus den fossilen Überresten, mehr als<br />

Seit jahrhunderten<br />

wird der flüssigkeit<br />

eine heilende wirkung<br />

nachgesagt<br />

50 Millionen Jahre lang lagerten sich in den<br />

Sedimentschichten des Ur-Mittelmeers Thetis<br />

tierische und pflanzliche Organismen ab. In<br />

Schwelöfen wird der Schiefer nun erhitzt, bei<br />

einer Temperatur von rund 450 Grad entweicht<br />

das Öl und wird dann zu verschiedenen Steinölprodukten<br />

weiterverarbeitet. Damit sind die<br />

Steinölbrenner vom Achensee, wie die Albrecht-<br />

Familie sich nennt, einzigartig in Europa. Schon<br />

seit dem 17. Jahrhundert wird der schwefelhaltigen<br />

Flüssigkeit eine heilende Wirkung nachgesagt,<br />

damals verkauften Wunderheiler in den<br />

Tiroler Bergdörfern sie als Medikament gegen<br />

so ziemlich alles – von Schürfwunden bis hin<br />

zu Zahnschmerzen. Heute<br />

vermarktet die Familie Albrecht<br />

das Öl als Kosmetikprodukt,<br />

nur so ist es frei<br />

verkäuflich. Eingesetzt wird<br />

es für Massagen oder Bäder.<br />

Rund 25 Minuten dauert das<br />

Steinöl-Bad im PURIA Premium Spa des Fürstenhaus<br />

Am Achensee, ein bisschen seltsam ist<br />

es am Anfang schon: Das Wasser ist pechschwarz<br />

und duftet nach Teer. Doch dann entfaltet<br />

die heilende Wärme ihre Kraft – und man<br />

möchte am liebsten gar nicht mehr aus der<br />

Wanne steigen.<br />

Außerhalb der Region sind die Produkte<br />

nur schwer zu finden – und das soll auch so<br />

bleiben. „Zu viel Schweiß, zu viel Geschichte<br />

steckt darin, als dass wir es in alle Welt verscherbeln<br />

wollten“, sagt Albrecht bestimmt.<br />

Zumal die Ressourcen endlich sind. Noch<br />

etwa zwei Generationen werden ihr Geld mit<br />

dem Ölschiefer verdienen können, dann ist<br />

das Vorkommen erschöpft.<br />

Und damit gehören sie<br />

dann auch der<br />

Vergangenheit<br />

an, die Stein-<br />

ölbrenner<br />

vom österreichischen<br />

Fjord.<br />

Höhenmesser<br />

von Großvater<br />

Albrecht.<br />

Harte Arbeit: Seit mehr als<br />

100 Jahren schuftet die Familie<br />

Albrecht im eigenen bergwerk,<br />

um den Ölschiefer abzubauen<br />

Achensee<br />

steinöl: Tiroler Steinöl Vitalberg,<br />

A-6213 Pertisau am Achensee,<br />

Tel. 0043 (5243) 20186. Das museum<br />

ist täglich von 9 bis 17 uhr geöffnet.<br />

www.steinoel.at<br />

Informationen: Tourismusverband<br />

Achensee, Rathaus 387,<br />

A-6215 Achensee,<br />

Tel 0043 (5246) 5300.<br />

www.achensee.info<br />

foto: tiRoleR steinöl<br />

foto: touRismusveRBand achensee<br />

Türkisblau<br />

schimmert der<br />

Achensee,<br />

rundherum<br />

schrauben sich<br />

die Felsen des<br />

Karwendelgebirges<br />

in die Höhe.<br />

aUF REIsEn 17

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