Christel Wemheuer und Jürgen Trittin - Pony
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Gegen den guten<br />
Geschmack<br />
ns-KammerspieL Jude oder Nazi? Wolfgang Murnbergers kontrovers diskutierter Film<br />
»Mein bester Feind« erzählt nur scheinbar eine einfache Geschichte. Ein Gespräch<br />
mit dem österreichischen Regisseur.<br />
Ulrich Kriest<br />
wien 1938. Eine jüdische Kunsthändlerfamilie besitzt etwas, das die Nazis gut gebrauchen<br />
können, um bei den Italienern schön Wetter zu machen. Es handelt<br />
sich um eine Originalzeichnung von Michelangelo, von der allerdings auch ein<br />
paar Kopien kursieren. Neben diesen Zeichnungen wechselt auch eine SS-Uniform<br />
ihren Besitzer, während im Hintergr<strong>und</strong> die europäischen Juden ermordet<br />
werden. So viel zum Inhalt in aller Kürze.<br />
Auf der Berlinale gab es Filmkritiker, die »Mein bester Feind« geschmacklos<br />
fanden. Andere fanden ihn zu harmlos. Wieder andere meinten, ein weiterer NS-<br />
Kostümfilm mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle sei kaum wünschenswert.<br />
Wolfgang Murnberger (»Der Knochenmann«) selbst hatte moralische Bedenken,<br />
einen – wenn auch schrägen – Buddy-Film vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Holocausts<br />
zu drehen. Dabei darf man »Mein bester Feind« durchaus ausgezeichnet<br />
finden. Nicht zuletzt, weil er einem das intellektuelle Vergnügen meta-perspektivischen<br />
Schauens erlaubt: Der Blick reicht dann tief hinab in das Räderwerk<br />
einer subtil vertrackten Komödie.<br />
pony: Bei »Mein bester Feind« resultiert die Spannung weniger aus dem<br />
Plot als vielmehr aus der Frage, wie weit der Film wohl gehen wird. Oder<br />
um Lars von Trier in Cannes zu »zitieren«: Wie komme ich hier wieder<br />
raus? Es werden komplexe Konstellationen geschaffen, die sich an Genre-Erwartungen<br />
reiben. Und man genießt, wie intelligent der Film diese<br />
Probleme löst, um die Handlung voranzutreiben.<br />
Wolfgang Murnberger: Woran denken Sie konkret?<br />
Zum Beispiel trägt ein Jude die SS-Uniform <strong>und</strong> behauptet, er sei ein<br />
12 Große Texte<br />
Nazi. Ein Nazi trägt die KZ-Kleidung <strong>und</strong> sagt, er sei der Nazi. Dann<br />
taucht die Geliebte des Nazis auf, die früher einmal die Geliebte des Juden<br />
war. Sie entscheidet sich spontan für ihre alte Liebe zum Juden,<br />
weil ihre Beziehung zum Nazi strategischer Natur war. Was aber zu diesem<br />
Zeitpunkt Ihres Films, der ja auch von Opportunismus <strong>und</strong> Karrierismus<br />
handelt, alles andere als selbstverständlich ist.<br />
Solche Szenen sind auch für mich die Höhepunkte des Films. Sie waren es bereits<br />
im Drehbuch. Ich habe von Anfang an gewusst, dass dieser Film ein Kammerspiel<br />
sein würde. Es sind eben diese feineren Momente, in denen es um<br />
Kammerspiel, um gutes Schauspiel geht, die mich besonders interessiert haben.<br />
Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?<br />
Als ich Paul Hengges Buch »Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch<br />
noch zu überleben« gelesen hatte, dachte ich: Das geht nicht, irgendwie. Ich<br />
habe das nicht verstanden, denn es hieß ja: Das Buch erinnere stark an Ernst<br />
Lubitschs Film »Sein oder nicht sein«. Dabei hat gerade mal eine Szene mit<br />
Lubitsch zu tun.<br />
War denn ursprünglich eine Slapstick-Komödie geplant?<br />
Ich bin sehr spät zum Projekt dazugekommen. Das Buch ist in Deutschland<br />
lange von Produktion zu Produktion gewandert. Es gab Probleme mit der Finanzierung,<br />
weil der Film ein Zwitter sein würde: keine Komödie, kein Drama.<br />
Die Slapstick-Momente habe ich dann reduziert, weil ich etwas anderes erzählen<br />
wollte. Natürlich ist das Ganze auch ein Märchen, aber ich habe immer gesagt:<br />
Jede einzelne Szene dieses Films hätte in der Wirklichkeit passieren können.<br />
In seiner Gesamtheit, mit all den Aufs <strong>und</strong> Abs <strong>und</strong> all den Brüchen, handelt<br />
es sich allerdings offensichtlich um eine Konstruktion. »Mein bester Feind« war<br />
von Anfang an ein viel feineres Gespinst als »Der Knochenmann«. Obwohl alles<br />
da ist: die Dramatik, der Humor <strong>und</strong>, na klar, die Schrecken des Holocausts.<br />
War das reizvoll oder problematisch?<br />
Problematisch. Während der ganzen Geschichte hatte ich Angst vor den Reaktionen<br />
jüdischer Zuschauer. Dass man den Holocaust in einen nebulösen Hintergr<strong>und</strong><br />
stellt, um dann vor diesem Nebel eine Verwechslungskomödie zu inszenieren.<br />
Oder einen Buddy-Film mit einem Nazi <strong>und</strong> einem Juden.<br />
Aber eigentlich sind diese Debatten doch längst alle geführt: Darf man<br />
ein KZ inszenieren? Darf man über Hitler lachen?<br />
Ich habe für mich entschieden, dass ich diesen Film drehen darf, weil das<br />
Drehbuch von einem jüdischen Autor geschrieben wurde.<br />
Der Autor als Alibi?<br />
Mir hat es zumindest am Anfang geholfen. »Inglourious Basterds« war sicher<br />
einfacher zu realisieren – so als Hau-drauf-Italo-Western mit allerlei Geschichtsverdrehungen.<br />
Ich dagegen bin ja sehr nahe am Realismus.<br />
Wobei der von Georg Friedrich gespielte Nazi Rudi für einen Verbrecher<br />
etwas zu beschränkt ist, oder?<br />
Ich persönlich glaube, dass die meisten zu blöd waren, um »echte« Verbrecher<br />
zu sein. Aber gerade die vielen Mitläufer, die die SS-Uniform angezogen haben,<br />
um Karriere zu machen, darf man nicht einfach abtun. Sie wussten, dass sie<br />
sich damit auf eine böse Seite stellen. Aber was genau sie dort erwarten würde,<br />
war vielen vermutlich nicht klar.<br />
Zumal Rudi selbst auch Täter <strong>und</strong> Opfer ist. Was die Moral der Figur<br />
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