Christel Wemheuer und Jürgen Trittin - Pony
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ins Spiel bringt: Der muss sich seine Schuld später immer wieder schön<br />
reden.<br />
Genau das hat mich an dieser Figur interessiert. Der Autor selbst hatte Rudi<br />
viel böser angelegt. Auch mein eigener Vater war ja ein Nazi. Er war zwar nicht<br />
bei der SS oder der SA, aber bei der Wehrmacht.<br />
Die SS-Uniform fungiert abstrakt als Code. Man trägt nicht nur Uniform,<br />
weil man eine bestimmte politische oder moralische Haltung hat. Ebenso<br />
muss man eine bestimmte Haltung zeigen, weil man diese Uniform<br />
trägt. Man ist nicht unbedingt böse, muss aber signalisieren können,<br />
dass man aktuell das Spiel des Bösen spielt. Moritz Bleibtreus Filmfigur<br />
muss diese Haltung im Selbstversuch <strong>und</strong> in Echtzeit entwickeln.<br />
Learning by doing.<br />
Nicht zu vergessen, die Verführung, die von der Uniform ausgeht. Eine meiner<br />
liebsten Szenen im Film ist die, wo sich Moritz Bleibtreu zum ersten Mal<br />
mit der SS-Uniform im Spiegel sieht <strong>und</strong> plötzlich findet, dass die Uniform gar<br />
nicht so schlecht ausschaut am Körper. Moritz spielt diese etwas gewagte Szene<br />
ganz großartig.<br />
Ihr Film ist auch ein Memento mori: von der strukturellen Anlage ein<br />
Märchen, das in der letzten Einstellung, dem vermeintlichen Triumph<br />
der Überlebenden, durchaus Züge von Unversöhnlichkeit trägt.<br />
Was Georg Friedrich am Schluss sagt, spiegelt für mich die Einstellung eines<br />
Großteils der österreichischen Gesellschaft zu dieser Geschichte wider:<br />
»Brauchst nicht glauben, dass ich nicht weiß, was ein schlechtes Gewissen ist!«<br />
Und dann sagt der Nazi zum Juden: »Ich hab schwere Zeiten gehabt.« In diesem<br />
Augenblick ist Georg Friedrich auch mein Vater.<br />
Ein anderer Film taucht in den Berlinale-Kritiken zu »Mein bester<br />
Feind« immer wieder auf: Tarantinos »Inglourious Basterds«. Um diesen<br />
Film wurden seitens der Filmkritik ganz erstaunliche Theorien gebastelt,<br />
so, als handle es sich um einen Akt jüdischer Selbstermächtigung<br />
zur Rache im Kino. Was ich eher geschmacklos finde, zumal<br />
angesichts der Qualität des Films, die mir fragwürdig erscheint.<br />
Mich w<strong>und</strong>ert der Vergleich auch. Weil ich finde, dass Tarantino Trash ist,<br />
<strong>und</strong> mein Film eher das Gegenteil. Ich wurde in Wien zu einem darüber Vortrag<br />
eingeladen, wie man die Gräuel der Nazis im Film darstellen kann. Da ging<br />
es um Filme wie »Inglourious Basterds« oder »Zug des Lebens«. Da meinte ein<br />
Zuschauer in der Diskussion, ein Fehler meines Films sei, dass es keine Toten<br />
gäbe. Ist das heute ein Qualitätsmerkmal eines Films, wie viele Tote es gibt? Bei<br />
Tarantino bleibt ja kaum einer am Leben.<br />
Wie reagieren Sie auf die Kritik an Ihrem Film?<br />
Meine ursprüngliche Angst hat sich geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Als<br />
der Film auf der Berlinale lief, bekam ich viel Zuspruch von anwesenden jüdischen<br />
Kulturschaffenden: Es sei ein w<strong>und</strong>erbarer Film geworden, der die Intention<br />
von Paul Hengge einlöse, die Juden eben nicht nur als abgemagerte Gestalten<br />
hinter Stacheldraht zu zeigen. Dass das für die funktioniert hat, hat mich<br />
irrsinnig gefreut. Und dann kamen die Alt-68er-Kritiker daher <strong>und</strong> sagten mir,<br />
dass das ein »No Go!« sei. Gegen den guten Geschmack <strong>und</strong> dann auch noch so<br />
harmlos. »Mein bester Feind« sei schon vom Ansatz her nicht politisch korrekt.<br />
Tja, es sei denn, ich hätte 500 Leute umgebracht. So wie Tarantino.<br />
14 Große Texte<br />
Wolfgang Murnberger<br />
»Mein bester<br />
Feind«; Regie: Wolfgang<br />
Murnberger;<br />
mit Moritz Bleibtreu,<br />
Georg Friedrich,<br />
Udo Samel;<br />
Österreich, Luxemburg<br />
2011; 95 Minuten;<br />
ab 1.9. im Kino