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Christel Wemheuer und Jürgen Trittin - Pony

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KathoLizismus Der Papst kommt<br />

Das Ereignis ihres<br />

Lebens<br />

Benjamin Laufer<br />

das östlich von Göttingen gelegene Eichsfeld ist nicht<br />

gerade für seine Weltoffenheit bekannt. Die Region<br />

steht für Mettwurst <strong>und</strong> einen ausufernden Katholizismus.<br />

An vielen Ecken dies- <strong>und</strong> jenseits der niedersächsisch-thüringischen<br />

Grenze haben Gläubige<br />

einen Toten aus Holz an ein Kreuz genagelt. In<br />

einer Kapelle im thüringischen Etzelsbach lassen<br />

jedes Jahr 300 Katholiken ihre Pferde segnen, weil<br />

das für sie historisch irgend einen (nicht zwingend<br />

nachvollziehbaren) Sinn ergibt.<br />

Genau in diese Kapelle verschlägt es am 23. September<br />

den Papst persönlich. Ein riesiger Acker<br />

wurde hergerichtet <strong>und</strong> bietet bis zu 100.000 Gläubigen<br />

Platz, seiner Messe beizuwohnen. Sogar die<br />

Autobahn wird auf einer Länge von zehn Kilometern<br />

gesperrt, um als Parkplatz für die Pilgerbusse zu dienen.<br />

Die Menschen vor Ort können sich kaum halten:<br />

Für viele ist der Besuch aus Rom das Ereignis<br />

ihres Lebens. Ist ja auch sonst außer Wanderdisko<br />

nicht viel los im Eichsfeld.<br />

Das ganze kostet ein Heidengeld, unzählige Millionen<br />

fließen in die Baustelle gleich hinter dem<br />

ehemaligen Grenzstreifen. Aber überhaupt nur an<br />

den schnöden Mammon zu denken, kommt für die<br />

6<br />

Christenfreaks einer Sünde gleich. Während die<br />

Massen weltweit zunehmend verarmen, weiß die<br />

katholische Kirche eben immer noch am besten, wofür<br />

sie ihr Geld zum Fenster rausschmeißt.<br />

Auch politisch sind die Eichsfelder auf dem Papstauge<br />

blind. Mindestens. Pius-Brüder? Antisemitismus?<br />

Homophobie? Menschenfeindliche Sexualpolitik?<br />

Kein Thema in Etzelsbach, wenn es um<br />

den Heiligen Vater geht, den sie wirklich so nennen.<br />

Ohne eine Miene zu verziehen. Mit Protesten gegen<br />

den Papst, wie sie in Berlin angekündigt sind, rechnet<br />

hier niemand – auch wenn es von Göttingen aus<br />

erste Vorbereitungen gibt. »Die Eichsfelder werden<br />

schon wissen, wie sie sich gegen Störenfriede zur<br />

Wehr setzen«, sagt einer der Christen. Die Horde,<br />

die mit Mistgabeln bewaffnet die Städter vom Platz<br />

jagt, kann man sich bei diesen Worten förmlich vorstellen.<br />

Hier, mitten im Nichts, ist der Papst gut aufgehoben.<br />

Hier kann er am wenigsten Schaden anrichten<br />

– weil sowieso so vieles kaputt ist.<br />

aussteLLung Zwischen Räumen<br />

Krass neongelb<br />

Tina Lüers<br />

Krass neongelb wirkt der Widerschein des Lichtes<br />

auf der Wand. Es wird von langen, fluoreszierend<br />

leuchtenden Papierbahnen geworfen, die schräg im<br />

Saal auf acht mal viereinhalb Metern von der Decke<br />

hängen. Martin Pfeifle hat für diese Arbeit, die im<br />

Rahmen der aktuellen Ausstellung des Kunstvereins<br />

zu sehen ist, Papier verwendet, auf dem üblicherweise<br />

Dinge stehen wie »Kirmes in Grone« oder »Flugtag<br />

in Uslar«. Er verwendet industrielles Material<br />

in einer Weise, die dessen Wahrnehmung <strong>und</strong> auch<br />

die des Raumes verändern. Er verschränkt Ort <strong>und</strong><br />

Form mit dem Material, konfrontiert mit Interaktion.<br />

Die sieben teilnehmenden Künstler sind zu »Zwischen<br />

Räumen« unverbindlich zusammengefasst.<br />

Albrecht Schäfers Installation mit Abdeckfolie <strong>und</strong><br />

Baustrahlern atmet den Raum durch die sich erhitzende<br />

Luft. Martina Sauter verdoppelt den beinahe<br />

voyeuristischen Blick durch Türen auf Filmszenen.<br />

Lutz Fezer kommentiert sachte Mode, Politik <strong>und</strong><br />

Film per kleiner Eingriffe. Björn Braun zerschneidet<br />

mediale Realitäten <strong>und</strong> setzt sie zu etwas Neu-<br />

Immanentem zusammen. Jana Eske spannt den<br />

Bogen von Alltäglichkeiten zu dem Grauen dahinter,<br />

dazwischen.<br />

Eine halbe Treppe weiter oben gelangt man zwischen<br />

das Gewirr hochaufkragender, ineinander<br />

verschachtelter Fassaden. Katrin Ströbel zeichnet<br />

einander überlagernde Fragmente existierender<br />

Hochhäuser, Fenster, Markisen auf halbtransparente<br />

Folien, die von der Decke hängen. Im Vor- <strong>und</strong><br />

Hintereinander birgt diese Arbeit eigene Räumlichkeiten,<br />

zeigt Durchlässigkeit <strong>und</strong> die Vielschichtigkeit<br />

des urbanen Raumes. Doch sie thematisiert<br />

daneben auch die Ränder <strong>und</strong> Grenzen der Urbanisierung<br />

mittels Fotografien von Orten, die Spuren<br />

temporären menschlichen Aufenthalts zeigen. Matratzen,<br />

Wärmefolie, Bekleidung, Plastik – sie verweisen<br />

auf Obdachlosigkeit, Armut, Ortlosigkeiten.<br />

Die Ausstellung funktioniert durch die unterschiedlichen,<br />

sich zum Teil jedoch erweiternden Arbeiten.<br />

Sie thematisieren neben formalen Aspekten<br />

makrosoziologische, architekturtheoretische <strong>und</strong><br />

medientheoretische Ansätze.<br />

»Zwischen Räumen«, kuratiert vom Kunstverein<br />

Göttingen, ist bis zum 16.10. im Alten Rathaus<br />

zu sehen.<br />

Kleine Texte<br />

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