Christel Wemheuer und Jürgen Trittin - Pony
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oh weh! Es gibt (angeblich) nichts Neues mehr unter<br />
der Sonne. Dafür scheint die Strahlkraft des Alten ungebrochen.<br />
Ja, mehr noch: Gegenwart <strong>und</strong> – schluck –<br />
sogar die Zukunft wurden von der Vergangenheit eingeholt<br />
<strong>und</strong> von ihr einverleibt. Wie man die Zwei, die<br />
nun eben nicht mehr gar so richtig vorhanden sind,<br />
stattdessen nennen soll, weiß keiner so genau. Aber<br />
das Phänomen, um das es geht, hat selbstverständlich<br />
einen Namen: Man nennt es »Retromanie«. Es<br />
grassiert virengleich zwar nicht erst seit gestern, dafür<br />
aber am fürchterlichsten in der Popmusik. Und<br />
seit der beliebte Musikjournalist Simon Reynolds<br />
ein Buch namens »Retromania« drüber geschrieben<br />
hat, geht’s im Popfeuilleton diskursiv richtig ab. Einer<br />
mit Definitionsmacht muss halt den Anfang machen.<br />
Die Frage ist freilich, wann Geschichte zu nerven<br />
anfängt: Wohl kaum, wenn sie nur mal nebenbei zitiert<br />
wird. Und erst recht nicht, wenn Vergangenheiten<br />
miteinander kombiniert werden, wodurch dann<br />
Neues entsteht. Doch was ist, wenn die Vergangenheit<br />
sozusagen Eins-zu-Eins, wie von den Fleet Foxes,<br />
imitiert wird? Ist sie dann neu erf<strong>und</strong>en worden<br />
<strong>und</strong> also gar nicht mehr alt? Geht das überhaupt? Und<br />
was würde passieren, wenn die Fleet Foxes in die Vergangenheit<br />
reisten, um als unbekannte Vorgruppe<br />
vor den (frühen) Beach Boys aufzutreten? Gäbe es<br />
die Fleet Foxes dann in unserer Gegenwart vielleicht<br />
gar nicht mehr, weil die Beach Boys keinen Gr<strong>und</strong> gehabt<br />
haben würden, jene Musik zu erfinden, die die<br />
Fleet Foxes heute zitieren? Gäbe es Simon Reynolds’<br />
Buch? Und die vielen erquickenden Diskussionen im<br />
Popfeuilleton? Denken Sie da mal drüber nach! Und<br />
wenn sie eine Antwort gef<strong>und</strong>en haben, die ihnen<br />
partout nicht schmeckt, beschweren Sie sich beim<br />
Papst: Denn Seine Heiligkeit weiß erstens auf alles<br />
eine Antwort. Und zweitens ist der alte Mann<br />
nicht zuletzt an Ihrem Ärger schuld – als Stellvertreter<br />
Christi auf Erden. Aber ja. Also, auf ins Eichsfeld<br />
im September. Die da unten freuen sich über jeden<br />
Besuch. Wird die Veranstaltung zu langweilig,<br />
beißen Sie beherzt in eine Stracke. Oder, um es mit<br />
dem Satiremagazin »Titanic« zu sagen, in »Deutsche<br />
Wurst – alles andere ist Käse«.<br />
Hier angelangt, fragt sich der leicht überarbeitete<br />
<strong>und</strong> wohl inzwischen selbst ein wenig manische Autor<br />
dieser Zeilen, wieso Gott ihn so viel Stuss hat schreiben<br />
lassen. Und so wenig über die aufregenden<br />
Geschehnisse in Göttingen. Oder die niederschmetternden.<br />
Man hält’s ja echt nicht aus, wenn man am Betontrümmerhaufen<br />
vorbei radelt, der vor nicht allzu langer<br />
Zeit das Kino Stern war. Da kommen jetzt schicke,<br />
teure Wohnungen hin. Chapeau, Scheißwelt! Dafür aber<br />
geht’s weiter mit dem Apex, das nun in den Händen eines<br />
neuen Vereins ist, nachdem die alte Gruppierung in<br />
Insolvenz gehen musste. Einer, der niemals gehen wird,<br />
heißt, Sie haben es längst erraten, Lemmy Kilmister<br />
von Motörhead. Der Mann ist unverwüstlich (eine<br />
»Bank« kann man ja nicht mehr sagen). Wir schließen<br />
aus erbauungstechnischen Gründen mit einem seiner<br />
hübschen Wortwechsel: Alexander Gorkow von der<br />
»SZ« fragte den 66-jährigen Drogenexperten: »Warum<br />
hat es sechzehn Jahre gedauert, bis von Motörhead<br />
mal ein ruhiges Stück zu hören gewesen ist?« Kilmister:<br />
»Warum hast du so lange gebraucht, um mir diese verdammte<br />
Frage zu stellen, wenn sie dich so brennend interessiert,<br />
du Klugscheißer?« Amen.<br />
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