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JOSEF GABRiEL RFIEINBERGER BRIEFE UND DOKUMENTE

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<strong>JOSEF</strong> <strong>GABRiEL</strong> <strong>RFIEINBERGER</strong><br />

<strong>BRIEFE</strong> <strong>UND</strong> <strong>DOKUMENTE</strong> SEINES LEBENS<br />

I<br />

Herausgegeben von<br />

Harald Wanger und Hans-Josef Irmen<br />

PRISCA VERLAG, VADUZ<br />

1982


© 1982 by PRISCA-VERLAG, VADUZ<br />

(Prisca-Verlag, Vaduz, Fürst Johannesstrasse 25, FL-9494 Schaan)<br />

Alle Rechte vorbehalten / Printed in Liechtenstein


Geburtshaus von Josef Rhcinbergcr Bleistiftzeichnung von Anton Rheinherger<br />

in Vaduz Original: Familie Rhcinberger


Vorwor t<br />

Als am 25. November 1901 in München, seiner Wahiheimat, der<br />

Inspektor an der Akadernie der Tonkunst i.R., Geheimer Rat<br />

Prof. Dr. Gabriel Josef Ritter von Rheinberger starb, konnten<br />

ehrendes Trauergeleit und zahireiche Nachrufe in Zeitungen<br />

und Zeitschriften nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />

sich der einst berührnte und bedeutende Komponist und Lehrer<br />

selbst überlebt hatte. Es wurde, mit Ausnahme der Kirchenmusik,<br />

immer stiller urn den einst gefeierten Musiker.<br />

Eine neue, junge Generation von Musikern drangte nach, und<br />

die Wirren der ersten Nachkriegszeit taten em Uebriges, die<br />

Werke des Komponisten Rheinberger als überholt abzutun.<br />

Wenn heute Rheinbergers Musik wieder jene Bedeutung zurückgewonnen<br />

hat, die ihr seit jeher zustand, so 1st dies nicht<br />

allein dem Umstand zuzuschreiben, dass wir dern 19. Jahrhundert<br />

und semen kulturellen Leistungen offener und positiver<br />

gegenüberstehen, als dies noch vor wenigen Jahrzehn ten der<br />

Fall war. Lange bevor Gründerzeit und Jugendstil wieder zur<br />

Mode erhoben wurden, hat sich der Staat Liechtenstein urn<br />

semen grossen Sohn verdient gemacht.<br />

Als einer der wichtigsten Marksteine in dieser Hinsicht dan<br />

wohl die mit staatlicher Hilfe erfolgte Gründung des Josef<br />

Rheinberger-Archivs in Vaduz durch den Fünstlichen Musikdirektor<br />

Sevenin Brender und Walter Kaufrnann im Jahre 1944 betrachtet<br />

werden. Die mit staatlichen Mittein erfolgte Sarnmlung<br />

der gedruckten Werke Josef Gabriel Rheinbergers wurde<br />

ergänzt durch die Sammiung von Briefn und Dokurnenten den<br />

Farnilie Rheinberger in Vaduz.<br />

Durch das Josef Rheinberger-Archiv kam vor rnehr als zwei<br />

Jahrzehnten den eigentliche Anstoss zu einer Neubelebung<br />

des Werkes. Neuausgaben den im Musikalienhandel kaurn mehr<br />

erhältlichen Kompositionen und die Herausgabe von Schallplatten<br />

und Büchern fühnten zu einem grässeren Verständnis<br />

dieser Musik.<br />

Mit der Venbneitung der Kompositionen wuchs auch das Inter-


II<br />

esse am Menschen Rheinberger. Theodor Kroyers Biographie,<br />

1916 in Regensburg erschienen, ist längst vergriffen und<br />

in weiten Teilen auch überholt. Kurzbiographien, meist zu<br />

besonderen Anlässen in Zeitschrif ten oder als Sonderausgaben<br />

erschienen, blieben meist im Anekdotischen stecken oder<br />

mussten - als einleitender Bestandteil von musikwissenschaftlichen<br />

Abhandlungen - aus Platzmangel Wesentliches übergehen.<br />

So hoff en wir, eine Lücke zu schliessen, wenn wir hier eine<br />

umfangreiche Brief- und Dokumentensammiung über Leben und<br />

Werk Josef Gabriel Rheinbergers vorlegen. Sämtliche handschriftlichen<br />

Unterlage für diese Ausgabe inrden durch das<br />

Josef Rheinberger-Archiv (RhAV) und die Bayerische Staatsbibliothek<br />

zur Verfügung gestellt. Beiden Institutionen,<br />

wie auch der Familie Rheinberger in Vaduz, sei an dieser<br />

Stelle herzlich gedankt.<br />

Bei der grossen Fülle an Material war es geboten, in mehreren<br />

Fallen eine Auswahl zu treffen. Dabei wurde aber stets<br />

darauf geachtet, dass nur Unwichtiges gestrichen oder jene<br />

Fakten weggelassen wurden, die auch in anderen Dokurnenten<br />

zu finden sind. So darf diese Sammlung den Anspruch erheben,<br />

eine lückenlose Biographie Rheinbergers zu sein, geschrieben<br />

von ihm selbst und semen Zeitgenossen. Erklärungen wurden,<br />

soweit notwendig, in den Anhang gesetzt, verbindende<br />

Texte so objektiv wie mäglich abgefasst. Die eigentlichen<br />

Texte sollen für sich selbst sprechen; sie können dies besser,<br />

als es subjektive, von persönlichen Vorurteilen geprägte<br />

Ausschmückungen und Erklärungen irgend eines Biographen<br />

vezmöchten. Im Gegenteil: Durch die authentische Wiedergabe<br />

der Dokuinente, zu der sich jeweils auch die personliche<br />

Orthograp'hie der damaligen Schreiber gesellt, entsteht em<br />

unverfälschtes Bild von Leben und Umwelt des Komponisten.<br />

Darüber hinaus zeigt sich uns die 2. .Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

aus der Sicht der damaligen Zeitgenossen; das Leben<br />

auf dem Lande - in Vaduz -, das beàchtlióhe Kulturlèben<br />

einer Kleinstadt - Feldkirch - und die Lebensformen in einer<br />

damals schon bEdeutenden Stadt - München - werden greifbar.


III<br />

Die Herausgabe dieser DokumentensammiUng ware nicht moglich<br />

gewesen ohne Unterstützung und Hilfe. Besonderen Dank gebührt<br />

der Fürstlicheri Regierung in Vaduz. Im Rahmen eines<br />

Forschungsauftrag'eS über Leben und Werk Josef Gabriel Rheinbergers<br />

hat sie es ermäglicht, die Materialien, welche die<br />

Grundlage dieser Bände bilden, zu sichten und - soweit dies<br />

noch notwendig war - zu sammein. Den Druck unterstützte sie<br />

durch die Subskription einer grösseren Anzahl Bände. Herzlichen<br />

Dank sei auch der Heimatgneinde des Komponisten, Vaduz,<br />

gesagt, die diese Ausgabe durch eine Abnahmegarantie zu sichern<br />

wusste, wie auch der "Stiftung Fürstl. Kommerzienrat<br />

Guido Feger", die durch einen grosszügigen finanziellen Beitrag<br />

die Herausgabe färderte. Em Dank geht auch an Herrn<br />

Franz Laternser in Vaduz für seine rnaterielle Hilfe.<br />

Herzlichen Dank sagen wir aber auch Frau Elisabeth Irmen. In<br />

sorgfältiger Arbeit hat sie die oft schwer zu lesenden Texte<br />

abgeschrieben und die Vorlagen für den Druck geliefert.<br />

Schaan (Liechtenstein), im Frühjahr 1982<br />

Die Herausgeber


<strong>BRIEFE</strong> <strong>UND</strong> <strong>DOKUMENTE</strong><br />

1. Tell:<br />

Kindheit bis 9.5.1859


Notizen über den Yater Josef Rheinberger's.<br />

Der Vater wurde geboren am l9. Okober 1789 Morgens Em<br />

Uhr im Zeichen des Skorpions als 2 . Kind der Eltern<br />

Johannes Rheinberger u. der Josefa geb. Hartmann<br />

Es wurde noch selbigen Tags in der Pfarrkirche zu Schaan<br />

auf den Namen Peter getauft. Als der taufende Pfarrer die<br />

Pathen fragte, weichen Namen das Kind bekommen solle,<br />

fiel es lhnen em, daB sie vergeBen hatten, die Eltern<br />

darum zu fragen. Der Pfarrer taufte es nun nach dem Tagesheiligen<br />

Peter von Alkantara. Als sie nun heim kamen<br />

u. die Mutter den Namen hörte, soil sie untröstlich darUber<br />

gewesen sein u.weinend gegen den Namen "Peterie"<br />

so lange protestiert haben bis der Vater od. respective<br />

GroBvater gesagt habe, sie könne ihn ja Hans nennen,<br />

bei welchem Namen es dann nun verblieb. (Sein ganzes Leben<br />

lang hat ihn Niemand Peter genannt.)<br />

Diesen Eltern wurden später noch 4 Kinder, 3 Buben u.<br />

I Mädchen geboren, weiche aber sämmtlich im Kindesalter<br />

zwischen 3 und 5 Jahren starben.<br />

Peters Vater od. unser Grol3vater war nicht mit ClUcksgUtern<br />

gesegnet, fast em armer Mann; er hatte wohi em<br />

Haus u. ziemlich viei Boden dabei, aber auch viel Schulden<br />

darauf, dafUr war er aber em für semen Stand u. die<br />

damalige Zeit sehr gescheidter im Schreiben, Lesen u.<br />

Rechnen wohl bewanderter u. hauptsächlich rechtschaffener<br />

u. streng reiigioser Mann, daher auch aligemein geachtet<br />

u. angesehen. Von Temperament soil er sehr sanguinisch<br />

u. zornig gewesen sein, (was der Vater in früheren<br />

Jahren auch war).<br />

Er hatte den Dienst eines Amtsboten inne d.h. well im<br />

ganzen FUrstenthum noch keine Postanstalt war, muBte das<br />

hiesige Oberamt seine Briefschaf ten durch einen eigenen<br />

Boten auf die nächste Post nach Feldkirch bringen u. die<br />

ankommende von dort abholen laBen. Der dortige Postmeister<br />

v. HEusle soil ihm als ganz jungen Mann oft das Compliment<br />

gemacht haben: er sel der einzige Liechtensteiner,<br />

der correkt schreiben könne, was freilich nur beweist, daB<br />

der Herr Postmeister in diesen Sachen auch keine AutoritEt<br />

war, denn soweit hatte es der gute alteAmtsbotenicht<br />

gebracht. Manchmal hatte er auch Brief e u. Depeschen an<br />

die regierenden u. gnädigen Herren zu Werdenberg, Sargans,


2<br />

Zurich und Chur zu vertragen. Dieser Dienst trug ihm<br />

nun jährlich wenn ich. mich recht erinnere 36 ;f 1 em, dabei<br />

hatte er noch einige Acker Deputatgenu1 u. vieileicht<br />

noch etwas FrUchte. Das war em schmaler Verdienst. Dann<br />

war er noch Einzieher von einigen Bündner Kapitalisten,<br />

was ihm auch etwas eintrug u. etwas Ordentliches verdiente<br />

er sich noch ais Privatschreiber u. Rechnungsfuhrer.<br />

Aus Allem kann man aber doch entnehmen, daB in seinem<br />

Hause während Vaters Kinderjahre mehr Schmalhans Küchenmeister<br />

war. Bis zum 10 t. od. 11 t. Jahr besuchte Vater<br />

keine Schule. Dann schickte ihn seth Vater einen Winter<br />

hinein, ais er aber b.is zum FrUhiing kein buchstabiren<br />

geiernt hatte, soil er sehr erbost gewesen sein u. erklärt<br />

haben, er woile ihn nun selber in die Lehre nehmen,<br />

was er auch that u. weiches dem Vater mehr Kopfnul3e u.<br />

Ohrfeigen als Freuden u. Brod eingetragen hat.<br />

Die Jahre 1799 u. 1800 waren aber sonst noch traurige u.<br />

schreckliche Jahre für ihn, noch -mehr für seine Eltern<br />

u. für Liechtenstein mitsainmt der Umgebung. Es war zur<br />

Zeit der französischen Invasion. Nicht genug konnte der<br />

Vater u. frUher auch die GroBmutter erzhlen was sie da<br />

ausgestanden hätten, von all dem Kummer und Sorgen,<br />

Angst u. Schrecken, der furchtbaren Einquartirung von<br />

Freund u. Feind, welche zwar schon 1796 begonnen hatten.<br />

Sie hatten manchmal bis 25 Mann im Haus liegen, u. das<br />

Haus war dazumal noch bedeutend kleiner.<br />

Bis 6. März 1799 waren nur Oesterreicher od. die Kaiserlichen<br />

wie sie genannt wurden im Land. Am 6. Närz brachen<br />

die Franzosen bei Trübbach u. Bendern über den Rhein u.<br />

trieben die Kaiserlichen vor sich her. Nein Vater muBte<br />

das Bündel schnüren u. f lob mit der Mutter u. den andern<br />

Geschwistern auf den Triesnerberg. Der GroBvater blieb.<br />

Aber schon am andern oder dritten Tag sei Botschaft gekommen,<br />

sie sollen wieder heimkonnnen. Am 22. u. 23 t.<br />

sollen sie den ganzen Tag gebetet haben, daB die Franzosen<br />

Feldkirch erobern ( sie haben 2 Tage erbittert darum<br />

gekämpft, wurden aber blutig zurückgeschlagen) denn sie<br />

fürchteten, wenn sie zurückgeschlagen wfirden, würden sie<br />

auf ihrem Rückzuge Alles niedermachen. IndeBen hatten sie<br />

auf ihrem Rückzuge keine ExzeBe verUbt. Der schlimmere<br />

Theil davon, dIe Ohnehosen u. }larodeurs seien zwar nach<br />

Bendern u. von dort dem Rhein nach hinauf dirigirt worden.


3<br />

Die Franzosen zogen nun ab aus dem Liechtensteinischen,<br />

dafür kainen aber wieder Kaiserliche in's Land, die puncto<br />

Sicherheit des Eigenthums auch nicht bel3er gewesen sind.<br />

Bald nachher muB seine Nutter an der Auszehrung gestorben<br />

sein, ohne das Ende des Krieges erlebt zu haben, urn<br />

das sie so oft mit dem Grol3vater u. den Kindern auf den<br />

Knien gebetet haben soil, urn nur noch einmal eine Suppe<br />

allein essen zu können.<br />

Der Vater u. seine zwei noch lebenden Geschwister, wovon<br />

das jüngere 4 Jahre alt war, waren nun ganz verwahrlost,<br />

denn ihr Vater war in diesen Kriegsjahren hauptsächlich<br />

von 1798 bis 1801 den gröt3eren Theil auBer Haus<br />

beschaftigt. Er war der Einzige im Lande, den man als<br />

EinquartirungscommiBär verwenden konnte, u. daher auch<br />

verwendet wurde; dabei hatte er auch alle Verpflegsrechnungen<br />

zu führen. Während dieser Zeit nun wurde Vater<br />

als Hudelbub (od. wie man jetzt sagen würde: Bub für<br />

Alles)beim Rentmeister Fritz angestelit, wo sich eine menschenfreundliche<br />

Nagd sich seiner auch korperlich annahm.<br />

Sein Herr, der Rentmeister, hatte ihn u. semen Vater<br />

zwar sehr gerne u. protegirte sie wo er konnte.<br />

Eine Episode aus dieser Zeit, es war 1800 u. die Franzosen<br />

zurn 2. mal im Land, hat er mir oft erzählt. Der Rentmeister<br />

lieB ihm em ganz schönes, neues blautuchenes Kleid<br />

machen, mit dem er dann am nächsten Sonntag auf dern Kirchenplatz<br />

herumstolzirte. Das sah der urn em paar Jahre<br />

jUngere Sohn des Landvogts Menzinger, Narnens Michi (Michael)<br />

später dann Landesverweser - em etwas gif tiger und hochfahrender<br />

Bube, der den Vater schon damals nicht leiden<br />

konnte. Dieser Michi war ihm nun neidisch auf das neue<br />

Kieid u. weil es gerade kothig gewesen sein soil, habe er<br />

elne Hand you Koth aufgenommen u. den Vater darnit beworf<br />

en. Dieser habe sich diese Freundschaftsbezeugung zweimal<br />

verbeten, da aber Michi keine Ruhe gegeben, habe er<br />

ihn selber in den Koth hinaus geworf en. Dieser Balgerei<br />

habe die Mutter Nichi's mit ihrem Hofmacher, dem alten<br />

Dr. GraB, von ihrem Fenster aus zugesehen u. ais sie wahrgenommen,<br />

daB ihr sauberes Bübiein den KUrzeren gezogen,<br />

habe sie em grausiges Zettergeschrei angefangen, sei zu<br />

ihrem Mann gerannt u. verlangt, daB er den Bauerniümrnei<br />

exemplarisch dafUr züchtige. Dieser war, wie spter sein<br />

Hr. Sohn 11ichi, gewohnt zu Ailem ja zu sagen was seine


Frau für gut fand u. s.chickte deshaib den Weibel in Rentmeis.ters<br />

Haus urn den. Bauernlünirnel, da er zu Haus doch<br />

nicht gezogen werde, in's Anit abzuholen u. dort durchzupeitschen.<br />

Rentrneister Fritz war aber als der Weibel<br />

in's Haus kani u. ihin semen Auftrag mittheilte, anderer<br />

Neinung u. liel3 den Buben nicht abführen, sondern begab<br />

sich selbst zurn Landvogt, urn demselben darüber Vorstellungen<br />

zu machen. Als dieser aber keine Vernunft annahm<br />

u. von seinem Vorhaben nicht abstehen wollte, sondern<br />

auf der öffentl. Züchtigung bestand, verfugte er sich<br />

gleich. in das Adlerwirthshaus daneben, wo der Grol3vater<br />

anitirte ii. theilte ihm den Fall -mit. Dieser em zornwüthiger<br />

hef tiger Mann fing über diese BrutalitHt gleich<br />

einen gewaltigen Spektakel an, der Adlerwirth Rheinberger<br />

der es- auch mit angehort desgleichen u. erzählten<br />

es elnem anwesenden französischen Rittmeister der<br />

Chasseurs aux Chevaux. Dieser ergrimnrnt Uber derartige<br />

Justiz habe ausgerufen: "Was Bub schlagen - will Landvogt<br />

Ubermuth schon a-ustreiben" u. babe Landvogts sogleich<br />

25 14ann Rol3schwgnzler, wie die Chasseurs genannt wurden,<br />

als Einquartirung eingelegt, so da8 die ganze Familie<br />

selber ausziehen mul3te -U. das Prügeln darüber verga2.<br />

1"Iein Vater hat es aber nie -vergessen.<br />

1Iit den wEhrend dieser Zeit zum zweitenmal u. lHnger sich<br />

hier aufhaltenden Franzosen soll sich Vater recht gut vertragen<br />

haben, die Soldaten hätten ihn liebgewonnen, ihn<br />

auf ihren SpaziergEngen mitgenominen u. sollen sogar auf<br />

die Ausbildung seines -musikalischen Talents bedacht gewesen<br />

sein, indem sie ihn tronunein lehrten. Er habe das<br />

edle Kalbfell prächtig zu behandeln verstanden. Einmal<br />

hätte ihm seine Kunst aber bald Unannehmuichkejten zugezogen,<br />

indem er zu unrechter Zeit Generalmarsch geschlagen,<br />

was- eInen gewaltigen Zusammenlauf der Franzosen zur<br />

Folge gehab.t babe u. von welcher Zeit an niemand ibm das<br />

Kalbfe].l ehr anvertraut babe.<br />

Ani 21. Juli 1801 heirathete der Grol3vater zum zweiteninal<br />

idt Agathe Kil3iing von Die8enhofen, eine Person die 4 Jahre<br />

alter war als- er, aber eine tüchtige, verstEndige u. brave<br />

Hausfrau abgab, hingegen auch wenig Vermogen hatte.<br />

Sie führte vorher ihrem Onkel, der Hofkaplan in Schaan war,<br />

das Hauswesen -u. stanimte -von einem türkischen Grol3en (sie<br />

sagte von einern Prinzen) ab, der bei der zweiten Wiener<br />

Türken-Belagerung gefangen und elnem Grafen Stein geschenkt


5<br />

worden sel.<br />

Diese neue Mutter scheint em ziemlich stramres Regiment<br />

mi Hause geftihrt zu haben, aber dennoch keine bose, sondern<br />

eine sehr sorgsame Stiefmutter gewesen zu sein. Sie<br />

war dem Vater zeitlebens anhängiich und hielt Alles auf<br />

ihn. Der Vater war zu dieser Zeit wieder im Hause. Er<br />

inu2te auch dann u. wann wieder einen Winter die Schule<br />

besuchen, einen Winter bei einem Hofkaplan, einen andern<br />

beim Vater des jetzigen Försters Hartmann (Namens Benedikt),<br />

der die nützlichen Berufe eines Kesseiflickers,<br />

Buchbinders u. Schulmeisters vereint od. abwechseind ausübte.<br />

Was er bei dem erlernt, kann man sich vorstellen.<br />

Anno 1802 u. 1804 wurden ihm noch 2 Schwestern geboren.<br />

Wie er heranwuchs wurde er auch streng zu alien häuslichen<br />

u. Feidarbeiten angehaiten; die Gelegenheit zum Lernen<br />

mul3te er sich immer mehr 'u. mehr erstehien. Bald stelite<br />

sich bei ihm eine grol3e Neigung u. vorzügliches Talent<br />

für Mathematik heraus. Ich wei8 nicht mehr wie u. woher<br />

er Uberali die Lehrbücher dazu auftrieb. Sein Vater<br />

schaffte ihm keine an, obwohl er sonst auch em grol3er<br />

Liebhaber von Btichern war u. em bedeutendes Sammelsurium<br />

davon beisammen hatte, nur keine mathematische od. wenigstens<br />

sehr wenige. Der Vater mu8te sie nun von alien<br />

Ecken 'und Enden zusammenschleppen, bettein, ausborgen u.<br />

nicht mehr zurückstelien. Die Botendienste nach Feldkirch<br />

muf3te er nun für semen 'Vater thun. Dieser gab ihm dann<br />

6 Kreuzer Zebrung mit auf den Weg, weiche er sich aber<br />

meistens aufsparte, indem er em Stuck TUrkenbrod von heim<br />

weg mitnahm ii. bei dem Schwabbrunnen (wo gutes Wasser zu<br />

haben ist) zwischen Nendein u. Schaan einbrockte. Die so<br />

ersparten Kreuzer verwandeite er dann zu Büchern u. matheniatisehen<br />

Instrunienten. Den ersten Ne8tisch verfertigte<br />

ihin dann em Kaxnerad, der em Zimmermann u. Rechenmacher<br />

war, den zweiten be8eren em Tischler u. Giaser. Em Kreuz<br />

für ihn war dal3 er bei Tag immer streng zur Arbeit angehalten<br />

wurde u. bei Nacht wolite man ihm, wenigstens zur<br />

Sommerzeit, kein Licht gOnnen weil es zu viel kostete.<br />

Ba mul3te er nun Algebra u. Geometrie beiiu Mondschein studiren,<br />

wenn soicher war, wenn nicht, erf and er em anderes<br />

Mittel. Er hOhite Ruben aus, fUilte sie mit Oehi u.<br />

steckte einen Nachtiichtdocht hinein. Dabel fing er auch<br />

zu Zeichnen an u. bekam eine sehr gute Handschrift, so daB


6<br />

er auch mit Abschreiben etwas verdienen konnte.<br />

Als er 20 Jahr alt war - anno 1809 als Vorarlberg bayerisch<br />

wurde u. Bayern die St. Luzilehen bei Bendern vermessen<br />

lieI3, übernahmen er ii. sein Vater diese Arbeit, wobei er<br />

täglich, wenn ich mich recht erinnere, 8 fl verdiente, was<br />

für damalige Zeit em schönes Verdienst war, dabei lernte<br />

er Leute u. Verhältnif3e amEschnerberg gründlich kennen.<br />

Anno 1810 u. 11 wo die Grundbücher angelegt wurden, verdiente<br />

er wieder viel mit Feidmessen, was' zur Folge hatte,<br />

dal3 er dann auch flott lebte. IndieserZeit trat eine Krisis<br />

in seiner Gesundheit em. Bis zum 16 t. od. 17 t. Jahr<br />

soil er klein gebiieben sein u. nichts gewachsen haben,<br />

von da an habe er zu wachsen angefangen u. soil binnen<br />

höchstens 2 Jahren ausgewachsen gewesen sein. In Folge<br />

dieses schnellen Wachsens u. angestrengter Arbeit wurde<br />

seine Gesundheit bedeutend erschüttert. Im 21 t. od. 22 ten<br />

Jahr bekam er starken Husten iinter anderen Krankheitserscheinungen,<br />

die auf gallopirende Schwindsucht schlie2en<br />

lie6en. Rationelle Arzte waren damais keine in Liechtenstein.<br />

Die damaligen sogenannten Drs Gro8 u. Schädler,<br />

Väter der späteren Doctores Gra6 u. Schädler waren nur<br />

Chirurgen. In Werdenberg war aber em Wal3ergucker, Namens<br />

Hilti, auch Doctor ges.cholten, der einen gro2en Zulauf<br />

hatte. Zu diesem ging auch der Vater u. lie8 sich längere<br />

Zeit von ihm behandeln, ohne da8 Be8erung eintrat. Endiich<br />

erklärte ihm dieser Doctor dal3 er ihm nicht mehr helfen<br />

könne, weil er die Auszehrung im höchsten Grade babe u.<br />

da1 es nicht mehr lange mit ihm gehen könne. Er solle noch<br />

nach FiderIs hinein gehen, vielleicht helfe ihm das noch.<br />

}Iit dem Vater sei auch noch. em Auszehrender on Sargans<br />

zu diesem Wassergucker gekommen, den er auch nach Fideris<br />

geschickt, ihin aber umgekehrt die besten Hoffnungen gemacht<br />

babe.<br />

Er ging trostlos heim, erzhlte den Seinigen diese schlimme<br />

Botsthaft, worüber groIes Jammern u. Wehklagen im Hause<br />

entstanden sei, weil er doch der einzige Sohn und die<br />

Stütze der Familie war. Es wurde aber beschlo8en das letzte<br />

}Iittel zu probiren und ihn nach Fideris zu schicken. Er<br />

konnte zufllIg mit dem alten Dr. GraB, der einen Besuch<br />

in Kaienfeld od. an der ZollbrUcke zu machen hatte, bis<br />

dorthin initfahren. Dieser tröstete ihn dann auf dem Weg<br />

wegen seiner Krankheit, behauptete, daB er nicht auszehre,


7<br />

Fideris werde ihm gut anschlagen u. er noch em steinalter<br />

Mann werden. Er war em guter Prophet! Er soil<br />

sich gut halten, in 8 Tagen werde er selber auch nach<br />

Fideris kommen u. dann kdnne man weiter sehen. Als der<br />

Vater nach Fideris kam, war der Sarganser, dem der Werdenberger<br />

Doctor so tr5stliche Zusicherungen gegeben,<br />

schon da aber in einem soichen Zustande, dal3 ihm der Vater<br />

den Rath gab, auf der Stelle nach Hause zu fahren,<br />

wenn er noch lebendig heimkommen wolle. Das Fahren war<br />

aber damals auf den Wegen wie sie bestanden u. mit den<br />

Wägen die man hatte, eine eigene Kurverei; wer auf den<br />

FUBen noch em wenig stehen konnte, zog es vor zu gehen.<br />

Der Sarganser muBte aber fahren u. kam doch nicht mehr<br />

lebendig helm.<br />

Als Dr. CraB dann in 8 Tagen wirklich nach Fideris kam,<br />

habe er den Vater wie närrisch beim Tanzen angetroff en,<br />

so gut hatte er in dieser Zeit gebel3ert . Grol3 habe aber<br />

doch den Kopf dazu geschtittelt u. gemeint, das Tanzen<br />

solle er einstweilen doch noch bleiben lassen. Nach 14<br />

Tagen habe er Fideris sozusagen gesund verlassen u. hatte<br />

später keine derleiAffairenmehr zu bestehen.<br />

Er war jetzt auch in das Alter vorgerUckt wo die jungen<br />

Manner mit Vorliebe iiber den blbllschen Spruch nachdenken,<br />

daB es nicht gut sel, daB der Mann allein stehe,<br />

sondern daB er auch eine Nännin haben milBe. Dieser Gedanke<br />

scheint ihn viel geplagt zu haben bei Tag u. Nacht,<br />

am Suchen hat er es auch nicht fehien lassen, ebenso<br />

wenig scheint es am Finden gefehlt zu haben, wohl aber<br />

am Festhalten. Nach seinem und anderer Leute Erzählen<br />

(denn er hat mir natUrlich nicht Alles erzEhlt) hat er<br />

beim andern Geschlecht viel Glück gehabt, wurde aber<br />

nach u. nach wegen seiner Unbeständigkeit etwas anrüchig.<br />

Em paarmal glaubte er die Wahre gefunden zu haben, sein<br />

gestrenger u. weniger romantisch gesinnter I-Ierr Papa aber<br />

woilte von allen diesen HerzensbedUrfniBen noch gar nichts<br />

verstehen u. wief3 ihn immer barsch ab, so oft er sich<br />

unterstand etwa auf den Busch zu klopf en. Auch sah er<br />

fleil3lg nach ob er Nachts auch daheim im Bette sei. Da<br />

mul3te dann mit Vorsicht gehandelt werden, u. so oft er<br />

sich dann Nachts durch das Fenster davon schlich (er<br />

schlief im Kämmerleln neben der KUche, wo Mali sel. ihren<br />

Schmollwinkel hatte), legte er elnen Klotz Holz statt


8<br />

seiner in das Bett u. stülpte ihm eine NachtmUtze auf,<br />

wil3end da8 sein Vater beim Nachsehen kein Licht mitnahm.<br />

Da hat jhm das schlechte Gewil3en eininal einen fatalen<br />

Spuk gespielt. Als er einrnal Nachts wieder heirnkehrte,<br />

schlug er einen Ful3weg em, der von der jetzigen Post<br />

durch die Flur, wo hohes Schilf wuchs, hinter unser Haus<br />

führte. Auf einmal raschelte es hinter ibm, er wendete<br />

sich rasch urn u. sah em grol3es, schwarzes Thier mit feurigen<br />

Augen, wie ibm sein Hngstliches Gewil3en vormalte,<br />

vor sich stehen. Damals spukte as nHrnlich dort herum noch<br />

ganz gewaltig. Der Spuk hie8 ailgernein das Aulethier u.<br />

trieb sein Unwesen in Gestalt eines schwarzen Hundes od.<br />

Bockes. Der Vater an u. für sich wader furchtsain noch<br />

abergläubisch fühlte sich doch auf unrechter FHhrte und<br />

hielt es für gerathsamer auf der Landstral3e heimzukehren,<br />

wo er bald in schnelleres Tempo und zuletzt in's Lauf en<br />

gerieth. Je mehr er aber lief, in desto gröl3eren Sätzen<br />

setzte ibm das Unthier nach. Als er endlich fast athemlos<br />

das Leiterlein vor seinem Fenster erreichte u. schon<br />

den FuB darauf setzte, erwiscbte ibn endlich das Gespenst<br />

an den Hosen. Er hHtte gerne aufgeschrien vor Angst, aber<br />

aus Furcht sein Vater könnte es hören, unterdrückte er<br />

den Schrei u. sah sich nach dern Unthier urn, welcbes aber<br />

anstatt ihn zu zerreil3en od. davonzutragen ihn ganz<br />

freundlich. beleckte ii. vor Freuden winselte. Es war ibr<br />

groBer schwarzer Haush'und.<br />

Im Jabre 1814, in seinem 25ten Jabre trat endlich em<br />

wichtiger Wendepunkt in seinem Leben em. Der Seminar-<br />

Regens von St. Luzi in Chur, Hr. Gottfried Purtscher,<br />

der Gründer u. Aufrichter des Seminars, von Geburt em<br />

Tiroler, der fHhigste, energigste u. populärste Priester<br />

der Diözese, dabei von weltoffenem Charakter sucbte einen<br />

jungen fahigen Mann, der die Landwirtscbaft gut verstehe<br />

u. zugleich im Lesen, Schreiben u. Rechnen gut bewandert<br />

s ei.<br />

Em gewiBer Tschof en recoandierte demselben den Vater.<br />

Der Regens stelite ibn nun als Oekonom des Seminars mit<br />

dam Titel Hausmeister an. Als Gehalt bekam er freien<br />

Tisch mit den Geistlichen, em anstHndiges Zimmer u. lOOf 1<br />

Bündner Währung a 2 Zwanzigern. Damit hatte. er für seine<br />

gewohnten Verbltnisse u. für die damalige Zeit ein.splendides<br />

Auskoinmen, so dal3 er auch noch zeitweise semen Vater


9<br />

unterstfltzen konnte. Er wu1te sich bald das ailgemeine<br />

Zutrauen und die Achtung Alier zu erwerben mit denen er<br />

sowohl in geschEftiicher als privater Beziehung in Berührung<br />

kam. Einige Geistliche des Seminars, wie z.B.<br />

der Prof ef3or der Physik Ignaz Purtscher, em Bruder des<br />

Regens, sodann Anton Tepfer, Profef3or der Philosophie u.<br />

einiger Disciplinen der Theologie, em Mann der für ebenso<br />

fromm ais gelehrt gait u. spEter im Rufe der Heiiigkeit<br />

starb, versuchten ihm auch in wit3enschaftiicher Beziehung<br />

nachzuheifen. Ersterer war ihm besonders in der<br />

Mathematik behiifiich. Auch muBte er Latein und Itaiienisch<br />

anfangen, was er aber bald wieder auf gab, well er keine<br />

Anlagen zu fremden Sprachen zu haben giaubte. Auch scheint<br />

es sein Vater nlcht gem gesehen zu haben, weil er vermuthete,<br />

die Geistiichen beabsichtigten ihn für ihren<br />

Stand zu gewinnen, was nicht ganz ohne Grund gewesen<br />

sein mag.<br />

Auch Werboffiziere suchten ihn zu gewinnen, so em gewil3er<br />

Major Sprecher von Chur, der ihn überreden woilte<br />

als Feidwebei in em hoiiändisches Schweizerregiment emzutreten,<br />

dazu hatte er aber keine Lust u. wohi mit Recht.<br />

Gerne hEtte er sich im Zeichnen ausgebildet, aber gerade<br />

dazu f and er am wenigsten Geiegenheit. Dies ftihlte er<br />

recht iebhaft, als zu dieser Zeit das Projekt der DurchfUhrung<br />

der Stral3e durch die Via maia hinter Thusis zur<br />

Sprache kam u. Ingenieure aufgefordert wurden, diesbezügiiche<br />

Plane auszubreiten. Der Ehrgeiz kitzeite ihn<br />

auch; obwohl er sich natürlich nicht einbildete, Ingenieur<br />

zu sein, ging er doch frischweg an die Arbeit,machte Studien<br />

u. Plane in der Absicht sie der Graubündner Regierung<br />

einzureichen. Aber er sah em, dal3 er seine Zeichnungen<br />

nicht einreichen durfte. Man rieth ihm die Plane<br />

in Innsbruck zeichnen zu iassen u. sie dann erst der<br />

Regierung zu ubergeben, was er auch that. Das Projekt<br />

soil gUnstig aufgenommen worden sein u. der Hauptsache<br />

nach wenig AbEnderung bei der Durchführung erfahren haben.<br />

Die Ausführung od. der Bau der Stral3e wurde einem piemontesischen<br />

Ingenieur, Namens Poccobe lii ubertragen<br />

weicher bei dieser Gelegenheit auch den Vater kennen<br />

iernte u. ihm den Antrag inachte, bei ihm zur Ausbiidung<br />

im Ingenieurfache einzutreten. Der Vater wEre nun diesmal<br />

mit Leib u. Seeie dabei gewesen, aber wiederum legte


10<br />

sein Vater sein gewohntes Veto em u. er mu8te mit schwerem<br />

Herzen auf dieses für ihn so verlockende Anerbieten<br />

verzichten. Das war auch wirklich em Weg für ihn u. bedeutungsvoll<br />

für sein ganzes Leben, denn bei semen ausgesprochenen<br />

Anlagen für das Ingenieurfach hätte er es<br />

gewiB zu damaliger Zeit zu einem Ingenieur von Ruf gebracht,<br />

auch ohne spezielle theoretische Fachbildung. Für ihn trat<br />

Lanicca em, der sich später als Ingenieur einen europEischen<br />

Ruf erwarb, freilich hatte derselbe eine fachwissenschaftliche<br />

Vorbildung geno8en. Er wurde später in<br />

den Vierziger Jahren noch em guter Freund des Vaters.<br />

Oberst Lanicca lebt noch geehrt als hoher Achtziger in<br />

Chur.<br />

Urn aber wieder auf Vaters Aufenthalt in Chur zurückzukommen<br />

mu1 ich auch noch Eines erwEhnen. Er woilte auch<br />

noch musikalisch werden ii. verlegte sich auf die Flöte.<br />

Er brachte es zu einigen .LHndlern, die er uns Kindern<br />

lang nachher auf unser zudringliches Bettein öfter vorspielte,<br />

die Flöte aber immer schnell weglegte mit der<br />

Behauptung, es sei falsch gespielt. Wir glaubten es aber<br />

nicht, od. es kam uns gleich schön vor, ob falsch od.<br />

richtig.<br />

Des Vaters Aufenthalt in Chur dauerte fUnf Jahre, von<br />

1814 bis 1819. Es werden wohi seine schönsten und glücklichsten<br />

Jahre gewesen sein u. blieben für ihn zeitlebens<br />

bedeutungsvoll, auch für seine Familie. Die tonangebenden<br />

u. bedeutendsten Geistlichen im Seminar, die<br />

Tepfer und Purtscher, lauter Tiroler u. der spätere<br />

Bischof Kaspar von Carl bewahrten ihm so lange sie lebten<br />

ihre Hochachtung, Freundschaft u. Liebe. Sie waren in<br />

unserem Haus oft u. gerne gesehene GEste. Das Seminar versah<br />

lange Zeit ex currendo die Pfarrei Bendern u. die<br />

Kaplanei zu Baizers u. meistens kamen dann die Tepfer od.<br />

Purtscher herunter, u. am allermeisten so lang er lebte,<br />

der Regens. Ich kann mich dieses l4annes noch ganz gut<br />

erinnern, obwohl er schon im Dezember 1830 starb, wie er<br />

vor das Fenster bei der Hausstiege hergeschritten kam,<br />

einen breitkrempigen Hut über dem ernsten u. strengen<br />

Gesicht u. dann mit der Reitpeitsche an das Fenster klopfte.<br />

Der Vater öffnete dann immer rasch mit einem recht herzlichen<br />

u. warmen "Grül3 Gott Herr Regens" das Fenster u.<br />

wir KInder jubelten unisono: der Regens ist da.


11<br />

Im Jahre 1819 starb der Amtsschreiber Kirchthaler, Vater<br />

des jetzigen Kirchthaler, weicher schon bei semen Lebzeiten,<br />

als er aber merkte, dat3 es mit ihm bald zu Ende<br />

gehen werde, meinen Vater, den er sehr wohl leiden konnte,<br />

dem Landvogt Schuppler als semen eventuellen Nachfolger<br />

empfahl. Der Vater bekam dann auch wirklich diese Anstellung<br />

mit dem Titel eines Aktuar u. verlief3 Chur im<br />

J. 1819, ich weif aber nicht ob vorn od. hinten im Jahr.<br />

Auch mu1te er auch noch em Jahr lang öfter, ich glaube<br />

wöchentlich hinauf nach Chur urn semen alten Geschäf ten<br />

nachzusehen bis sich em geeigneter Nachfolger für ihn<br />

gefunden hatte.<br />

Noch während seines Aufenthaltes in Chur machte er die<br />

Bekanntschaft meiner sel. Mutter. Ob die Bekanntschaft<br />

lange gedauert, wel6 ich nicht. Besucht hat er sie von<br />

Chur aus oft. Häufig habe er am Abend sein Pferd gesattelt<br />

(beim Regens od. besser gesagt vom Regens, der zuerst<br />

bevor er Priester wurde bei den Husaren gedient<br />

hatte u. daher em tUchtiger Reiter war, hatte er auch<br />

reiten gelernt) u. sei zu seinem Meili (Maria) nach<br />

Schaan hinunter geritten, wobei er dann natUrlich verge8en<br />

hatte, daheiin zuzukehren. Sei etwa bis 12 Uhr geblieben<br />

u. am Morgen wieder in Chur gewesen. Emnigemal<br />

sei es ihm passiert dat3 er im Schiafe vom Pferd gefallen,<br />

ohne sich aber zu schädigen.<br />

Als er nun Aktuar u. nach damaligen liechtensteinischen<br />

Ansichten em Herr geworden, durfte er nun auch an's<br />

Heirathen denken, sein Vater hatte nichts mehr dagegen<br />

einzuwenden; auch hatte er schon das 3Ote Jahr erreicht.<br />

Semen Schwiegereltern war er auch willkonimen. So wurde<br />

dann geheirathet und am 6. November 1820 im Adler zu<br />

Vaduz Hochzeit gehalten.<br />

Am 27t. Febr. 1822 wurde ihm das it. Kind geboren, Joh.<br />

Luzius, am 26t. Juli 1823 das 2t. David, und so ging es<br />

vorwärts bis 4 da waren. Er lebte mit semen Eltern u.<br />

Schwestern, solange diese noch ledig waren, in einer<br />

Haushaltung u. soviel Ich weil3 u. immer gehbrt habe, ganz<br />

in Frieden, was hauptsächlich daher kommen mag, dal3 der<br />

Grof3vater das Heft fest in Händen behielt u. em unpartheiisches<br />

Regiment fUhrte. Er kam daher auch billiger<br />

davon, als wenn er eine eigene Haushaltung führte, obwohl<br />

er für die damalige Zeit od. im VerhältniI zu jetzt


12<br />

em anständiges Auskommen hatte. Das Baargehalt war zwar<br />

nur 300 od. 340 fi RW, die Deputate u. AbschriftsgebUhren<br />

betrugen aber auch so viel; er stand sich also auf ungefähr<br />

700 fl - was jedenfalls so viel werth war als jetzt<br />

1400 - 1500 f 1. Dabei war Niemand im Hause an Luxus gewöhnt<br />

u. Alles arbeitete. Von seiner Frau resp. meiner<br />

Mutter hatte er noch nichts. Vater war zu stolz eine Mitgift<br />

anzunehmen, weil em Schwager seines Schwiegervaters<br />

ihn vor der Verheirathung einen Hungerleider (weil er<br />

kein Vermögen besal3) genannt ii. wiewohl vergeblich, die<br />

Schwiegereltern zu bestinznen versucht hatte, ihre Einwilligung<br />

zu versagen. Vater war aber bedeutend dadurch vor<br />

den Kopf gestol3en. Am Tage nach der Hochzeit schickte<br />

er auch alle Kleider welche die Mutter mitgebracht hatte,<br />

wieder an ihre Eltern zurück, was von ihm nicht delicat<br />

u. für die Mutter u. ihre Eltern eine unverdiente Kränkung<br />

war, da diese letztern nie gegen seine Verheirathung<br />

mit ihrer Tochter waren u. ihm auch ihr ganzes Leben lang<br />

ihre unbedingteste Zuneigung u. treueste Anhnglichkeit<br />

bewahrten. Auf ihre Hilfe u. Unterstützung konnte er<br />

stets rechnen. Em Pferd nahm er später von ihnen doch<br />

noch an.<br />

Nit seinem Chef - Landvogt Schuppler - eine Art tUrkischer<br />

Pascha - kam er wie es scheint im Ailgemeinen recht gut<br />

aus, obwohl derselbe hochmuthig auf Alles herunter sah,<br />

was nicht über ihm stand u. Uber sich erkannte er nur<br />

semen Willen (denn der Himmel war hoch u. der Czar -<br />

hier der Fürst - weit weg); der Haselstock war sein Gesetzbuch.<br />

Wer es nicht glauben woilte bekam ihn zu<br />

schmecken. Daher es denn auch bald allgemein hie1: der<br />

Landvogt hat gesprochen, die Sache ist vorbei. Es konnte<br />

nicht verfehlen, dal3 etwas von diesem diktatorischen Wesen<br />

nach u. nach auch auf den Vater uberging, der dazu<br />

Anlagen hatte u. zur Folge, daIs er sich beim Volk auch<br />

vielfach verfeindete. In späteren Jahren verlor sich<br />

diese Eigenschaft freilich wieder u. mit zunehmendem<br />

Alter schlug sie sogar in's Gegentheil über.<br />

Viel Amtsgeschäfte gab es danials nicht, jetzt wUrde man<br />

sagen: rein nichts. Nur an Vormittagen gab es Arbeit.<br />

An Nachmittagen konnte der Landvogt in der Kanzlei den<br />

Cicero Ubersetzen, der Vater Sonnenuhren machen.<br />

Anfangs 1827 mul3te Schuppler endlich weichen; der Bischof


13<br />

Buol in Chur, mit dem er während seiner ganzen Amtsdauer<br />

in Fehde lag, brachte ihn nach langem Ringen zu<br />

Fail. Schon 2 Jahre vorher hatte er seine Abberufung erwirkt;<br />

aber da die Bevöikerung trotz seines gewaitthätigen<br />

Gebahrens für ihn u. seine Familie eingenommen war<br />

u. für sein Verbleiben petitionierte, wurde seine Versetzung<br />

damals rUckgängig gemacht. Die letzten 2 Jahre<br />

soil er aber dann auch em ganz anderer u. leutseligerer<br />

Mann geworden sein; der Haseistock sei viei weniger<br />

mehr in Thätigkeit gesetzt worden.<br />

An Lichtme8 1827 1st Hr. Schuppier auf Nimmerwiederkehr<br />

abgefahren. Und dieser Mann hat eine rUhrende Anhänglichkeit<br />

an Land u. Leute, die er so lange knechtete,<br />

bewahrt. Ais er in seine alte Heimath Mähren zurUckkam,<br />

gefiel ihm u. seiner Familie nichts mehr. Seine Famiiie<br />

seiber war aber hier aligemein beliebt. Er seiber war<br />

aber auch nur Pascha im Amt, im Privatieben soil er ieutseiig<br />

gewesen sein. Er überlebte seine Versetzung nicht<br />

lange u. starb anfangs der 3Ogr. Jahre. Auf ihn folgte<br />

Landvogt Pokorny, em Mann von zeitgemäf3eren, milderen<br />

u. aufgekiärteren Ansichten. Mit diesem Mann brachen<br />

für den Vater auch die angenehmsten Dienstjahre an. Hr.<br />

Pokorny erwies sich nicht nur als sein wohiwollender Vorgesetzter,<br />

sondern auch ais sein uneigennütziger, aufrichtiger<br />

u. treuer Freund. Beamte waren damais ihrer nur<br />

wenige; das ganze Collegium bestand aus dem Landvogt,<br />

dem Rentmeister u. Aktuar. Es war deshaib auch noch<br />

ieichter einträchtig zusammen zu leben. Pokorny wu8te<br />

aber nicht nur die paar Beamten zusammen zu haiten, sondern<br />

auch noch die andern Honorationen, die damals in<br />

Liechtenstein waren, sowie die gesammte Geistlichkeit.<br />

Sie harmonierten Alle herriich zusammen. Arbeit gab es<br />

auch noch nicht viel in der Kanzlei.<br />

(Hier muf3 auch noch gieich angefügt werden, dal3 den Herbst,<br />

bevor der Pokorny kam, unser späterer Onkel Carigiet die<br />

PfarrpfrUnde Schaan bezog - Martini 1826 - u. wurde em<br />

wichtiges Cued in dieser Kette, auch einheiterer Ceseiischafter).<br />

An Nachmittagen wurde aber jetzt statt Sonnenuhren machen<br />

und Cicero übersetzen tüchtig gejagt, woran sich<br />

auch Dr. Gras sehr fieil3ig bethätigte. WHhrenddessen bereltete<br />

sich für den Vater eine bittere Prüfung vor. Die


14<br />

Mutter kränkelte schon lange u. starb endlich am 30. März<br />

1828, nachdem ihr der Grof3vater am 16t. Februar in's Jenseits<br />

vorangegangen war. Der Vater war nun Witwer mit<br />

4 unmflndigen Kindern, wovon das jUngste 1 1/2 Jahr alt<br />

der Mutter bald nachfolgte. Des Vaters Schwestern waren<br />

schon seit einer Reihe von Jahren hinaus verheirathet u.<br />

er war nun mit semen Kindern ganz auf seine auch schon<br />

betagte Stiefmutter u. eine etwas einfältige ältere<br />

Schwester Namens Kiara angewiesen. Wir Kinder hatten<br />

aber an unserer Stiefgro8mutter eine sehr sorgf1tige<br />

u. ttichtige Erzieherin behalten u. es kam uns sehr wohi,<br />

da8 sie noch lange lebte.<br />

Im Jahr 1829 im Soinmer theilte man mir mit, da8 ich elne<br />

neue Mutter bekommen solle, die sich im Schaaner Pfarrhof<br />

aufhalte u. eine Schwester des dortigen Pfarrers sei<br />

u. ebenso eine neue Gro8mutter, die viel Kaffee trinke<br />

u. immer nit dem Kopf wackele, es wtirden beide auf den<br />

nächsten Sonntag zum Besuch erwartet.<br />

Sie kamen auch u. ich kann mir noch recht gut vorstellen,<br />

wie sie in der sogenannten oberen Stube den Kaf fee getrunken<br />

haben, wie ich neugierig ihnen gegenUber am Tisch<br />

gestanden bin u. die beiden Frauen betrachtet habe, von<br />

denen mir die mit dem zitternden Kopf ungemein interessant<br />

vorkam. Ich kann mir die alte Frau auch jetzt noch ganz<br />

gut am Tische sitzend vorstellen,. während mir von der<br />

Mutter aus dainaliger Zeit kein Zug mehr in Erinnerung geblieben<br />

ist. Ani (das Datum nicht bekannt) war Hochzeit<br />

u. F(eier) in Rankweil. Anno 1830 wurde der Vater Grundbuchführer,<br />

vor ihm war kein soicher angestelit. 1831<br />

war em sehr böses Jahr für die Beamten, em Collega des<br />

Jahres 1848. Nachdem in J. 1830 die Revolution in ganz<br />

Europa herum gespukt hatte, glaubten die Liechtensteiner<br />

auch so etwas nachträglich noch aufführen zu mü8en, ansonsten<br />

es das Ansehen gewinnen könnte, als wenn sie<br />

nicht nit der Zeit fortgeschritten wären u. nichts von<br />

den Weltereignissen will3ten. Einen Vorwand gab die Anfangs<br />

1831 anbefohiene neue Rekrutierung. Seit den Jahre 1815<br />

waren die Liechtensteiner nämlich von dem Soldatenspielen<br />

verschont geblieben; im Jahre 1830 sah sich der deutsche<br />

Bundestag durch die Uberall sich kundgebenden feindseligen<br />

Manifestationen der V6lker durch sein böses GewiBen<br />

aus seiner faulen Lethargie zur Abrechnung wieder einmal


15<br />

aufgeschreckt. Er machte die Entdeckung, da1 das Conzerdt<br />

der politisch militärischen Nachtwächter in Deutschland<br />

noch nicht vollständig ausgeftilit sei, so lange Liechtenstein<br />

darin fehie u. der Ukas zur Aufstellung der so<br />

berüchtigt gewordenen 55 Mann erschien aisbald. Die Panik<br />

im Lande als es hiet es mül3e wieder gespielt werden,<br />

war grol3, noch gröl3er aber der Spott im Ausland. Die Leute<br />

glaubten nichts anderes, als es stehe em zweiter Feldzug<br />

nach Ruffland od. weif Gott wohin, bevor.<br />

Einen weiteren Vorwand zum Krakehlen gaben die Grundbücher.<br />

Obwohl schon seit demJ. 1811 bestehend, hatten<br />

sich die Leute doch noch nicht mit diesem Institut befreunden<br />

können. Diese Bticher hatten u. haben noch die<br />

bose Eigenschaft, daf3 in ihnen die Schulden u. Revituten<br />

genau vorgemerkt waren. Daher fort mit den Biichern u. denn<br />

auch mit den Schulden. Aufhetzereien von Arbeitern, die<br />

im J. 1830 das Krakehlen in Frankreich gelernt hatten,<br />

kamen dazu, u. der Runtnel brach los als un Frühjahr die<br />

Rekrutenaushebung wirklich vorgenonimen wurde. Ich weil<br />

nicht mehr ob man die Beamten als Mitschuldige wegen des<br />

Militäraushebens ansah od. nicht, es kommt mir aber<br />

meines Erinnerns noch so vor.<br />

Das gesanimte Volk, die Baizener ausgenommen, war wie von<br />

der Tarantel gestochen; man that nichts mehr als Versammiungen<br />

halten, die tolisten BeschlUl3e faBen, herumziehen,<br />

lärmen, johien, heulen, die wildesten Drohungen<br />

gegen die Beamten ausstof3en, dann und wann an einem Tag<br />

mit dem Galgen, am andern mit der Guillotine u. am<br />

dritten mit Verbrennen drohen. Am verha2testen waren<br />

der Landvogt u. Grundbuchführer, Rentmeister u. Amtsschreiber<br />

wurden mehr ignoriert. Ich kann mir die tobenden<br />

Hauf en noch vorstellen, wie sie vor dem Hause vorbeiziehend,<br />

die Fuste gegen dasselbe baliten, alle erdenklichen<br />

Schmähungen u. Drohungen herunterbrüllten,<br />

man werde auf dem Kirchenplatz die Grundbticher aufbringen,<br />

den Grundbuchftihrer daraufsetzen und dann miteinander<br />

verbrennen. Trotzdem hat sich der Vater nie gefUrchtet,<br />

hat sich nie versteckt u. ist nie geflohen. Täglich bekam<br />

er aber Warnungen u. Mahnungen von semen Schwiegereltern<br />

und Schwägern aus Schaan, er solle so bald als moglich<br />

machen, daf3 er in die Schweiz komme, weil sein Leben sonst<br />

in hOchster Gefahr stehe. Em paar Nächte lief3en sich<br />

auch die Schwäger nicht abhalten im Hause zu wachen, weil


16<br />

sie einen IJeberfall fürchteten. Es karn aber doch nicht<br />

dazu. Wir Kinder, die Grofmutter u. Mutter fürchteten<br />

uns aber geh6rig. Beschimpfungen u. Mil3handlungen waren<br />

wir immer gewärtig.<br />

Trotzdem ging der ganze Rummel vorUber, ohne da1 uns<br />

eigentlich Thätlichkeiten widerfahren wEren. Der Fürst<br />

schickte eine Commission in's Land, weiche die Beschwerden<br />

u. Wünsche des Volkes untersuchen solite. Die gravierendsten<br />

Beschwerden gegen die Beamten bestanden darin,<br />

daB der Landvogt u. der GrundbuchfUhrer zuviel auf<br />

die Jagd u. zuwenig in die Kanzlei gingen. Es wurde Abhilfe<br />

versprochen u. darnit war die Sache vorbei. Die Aufstellung<br />

der Nachtwächter blieb aber noch auf 5 Jahre<br />

verschoben.<br />

In diesem unterhaltenden Winter, am 3. Jänner, kam Peter<br />

zur Welt; am 21. August des andern Jahres Hanni.<br />

Im September 1833 wurde Pokorny versetzt u. für ihn karn<br />

Nenzinger her, derselbe, welcher mit dem Vater zur Franzosenzeit<br />

Handel gehabt hatte. Er war jetzt freilich em<br />

4Ojähriger Mann u. der Vater urn 3 Jahre alter, aber eine<br />

gewiBe Abneigung u.ein gegenseitiges MiBtrauen konnte<br />

keiner überwinden. Dieses steilte sich zwar erst in den<br />

späteren Jahren heraus, als die Beamtenzahl sich vermehrte,<br />

in den ersten Jahren ging wie ich mich erinnere,<br />

Alles freundschaftlich, glatt u. eben ab. Anno 1834 kam<br />

Toni zur Welt.<br />

In diesen Jahren tauchte endlich auch der Gedanke an die<br />

Nothwendigkeit der Entsumpfung des Flachlandes, die Correktion<br />

des Rheinlaufes u. Verbindung der Landstral3e durch<br />

NebenstraBen mit dem Rhein bei Bendern u. Trtibbach auf.<br />

Es wurden technische Endhebungen gernacht, zu diesem Zwecke<br />

Ingenieure in's Land geruf en. Zuerst kam Negrelli, Kantonsingenieur<br />

von Zurich, weicher em Entwäl3erungsprojekt<br />

entwarf. Das Alles war jetzt Wasser auf Vaters MUhlen,<br />

seine alte Liebhaberei für's Bauwesen erwachte auf's Neue.<br />

Er schlol3 sich schnell Negrelli an u. war ihm behülflich<br />

im Vermel3en und Nivelliren. Anbei entwarf er einen Plan<br />

für die Nendein- Benderer Stra(3e. Der Plan wurde acceptirt<br />

unter der Bedingung, daB der Kostenanschlag von 4000 fl<br />

nicht überschritten wurde. Der Vater fUhrte die Stral3e<br />

sodann auch aus, wobei er noch 100 fl erspardte. Freilich<br />

kosteten die Reparaturen, welche zur Instandhaltung der<br />

StraBe in den nächsten Jahren nothwendig wurden, vielleicht


17<br />

auch noch so viel, weil sie theilweise durch tiefe Stimpfe,<br />

theilweise über Torfboden gebaut werden mul3te. Der Vater<br />

sah die Mehrkosten auch voraus, hätte er aber gleich im<br />

Anfang reinen Wein eingeschänkt, ware die Straf3e nie gebaut<br />

worden. So bekam er aber noch em Belobungsdekret u.<br />

im Herbst 1836 in Anerkennung seiner Verdienste den Rentmeisterposten,<br />

wobei ihm noch das sämmtliche Bauwesen -<br />

Wasser-, StraBen u. Hochbau übertragen wurde.<br />

Das war ibm nun ganz recht, er ahnte durchaus nicht,<br />

welch eine Queue von Unheil u. Unsegen ihm daraus entstehen<br />

soilte. Im Jahr 1836 od. 37 baute er auch noch<br />

die Stral3e von Baizers nach TrUbbach. Am wenigsten voran<br />

kam man mit der Entwäl3erung, man wufte kaum wo anfangen,<br />

hatte noch mit viel zu viel Vorurtheilen zu kämpfen u.<br />

zu wenig Erfahrung u. Mittel dazu.<br />

Als im Jahr 1836 die untere Hofkaplanei in Vaduz erledigt<br />

wurde, trachtete Vater aus Leibeskräf ten den damaligen<br />

Benderer Pfarrer Jos. Anton Wolfinger auf die erledigte<br />

PfrUnde zu bringen, was ibm auch trotz allen Gegenbemtihungen<br />

des alten Dr. Schädler (Gro1vaters des jetzigen)<br />

der semen geistlichen Sohn, späterer Pfarrer von Bendern,<br />

herbringen wolite, gelang.<br />

DafUr verfeindete er sich aber mit dieser Familie bitterlich<br />

u. zeitlebens, besonders der Pfarrer u. sein Bruder<br />

Doctor konnten ibm die, wie sie glaubten, feindselige<br />

Handlung nie mehr recht vergef3en. Etwas Animosität gegen<br />

den geistlichen Schädler war zwar dabei, der Vater hatte<br />

eine gewiIe Voreingenommenheit gegen ihn. Hauptsächlich<br />

hatte er dabei einen andern Zweck im Auge. Die Gemeinde<br />

Vaduz war in geistlicher Beziehung schon lange vernachläl3igt,<br />

weil sie von jeher elne Filiale der Pfarrei Schaan<br />

war. Die Vaduzer muBten nach Schaan in die Kirche gehen,<br />

wurden dort getauft, getraut und begraben, alle Bestattni1e<br />

wurden in Schaan abgehalten, während in Vaduz 2<br />

Geistliche waren, die gar keine andern Verpflichtungen<br />

hatten, als alle Sonntage Mef3e zu lesen, jeden 3. Sonntag<br />

im Monat Christenlehre zu halten u. an der Kirchweih<br />

zu predigen. Zwei Sonntage im Monat hatte der Schaaner<br />

Hofkaplan Chrlstenlehre zu halten u. am 4. Sonntag war<br />

keine. Das Kapuzinerkloster in Mels schickte an den 8<br />

höchsten Festtagen des Jahres einen Kapuziner zum Predigen<br />

herunter. Was Wunder, dat3 das Volk in religiöser u.


18<br />

moralischer Beziehung verwahrlost war. Den Vater wurmte<br />

dieser Uebelstand schon lange u. er beschlo8 alles daran<br />

zu setzen, demselben abzuhelfen u. alle seine Kraft u.<br />

semen Einflu1 bei Hoch u. Niedrig aufzubieten, daB in<br />

Vaduz eine selbständige Seelsorge errichtet werde.<br />

Und als erster Seelsorger schien ibm Wolfinger, der durch<br />

seine Gelehrsamkeit, Selbständigkeit, Tuchtigkeit, Energie<br />

u. Lauterkeit des Charakters, sodann durch Unpartheilichkeit<br />

u. Wahrheitsliebe bekannt war, eben der rechte<br />

Mann zu sein. Er hatte sich nicht getäuscht in ihm!<br />

Da der Pfarrer von Schaan Vaters Schwager war, setzte er<br />

semen Bestrebungen wenig od. keine Schwierigkeiten entgegen,<br />

was em anderer aus Furcht vielleicht, sein Emkoinmen<br />

könnte ibm geschinälert werden, gethan hätte.<br />

Widersacher fand dieser Plan am meisten in Vaduz selber,<br />

besonders iinter den Alten, die an das Schaanlauf en gewohnt<br />

waren u. anderseits wieder fürchteten, die Gemeinde<br />

werde sich durch Errichtung einer Pfarrei bedeutende<br />

Kosten auf den Hals bUrden.<br />

Als Wolfinger am 7t. od. 8t. Dezbr. 1836 die untere Hofkaplanei<br />

bezog wurden ihm schon die pfarramtlichen Funktionen<br />

übertragen u. er Pfarrer tituliert. Es wurde von<br />

dort an in der Vaduzer Kirche getauft, kopulirt u. begraben.<br />

Unsere Lisa sel. die am 7t. Dezember auf die<br />

Welt kam. war glaube ich die erste. die bier getauft wurde<br />

od. wenigstens die letzte in Schaan.<br />

Die Verhandlungen zogen sich aber bis in's Jahr 1842 hin,<br />

in weichem Jahre erst Vaduz definitiv von Schaan abgetrennt<br />

wurde, zur Zeit ala FUrst Alois das erstemal als Regent<br />

das Land besuchte. Das Verdienst, daB Vaduz eine selhstthidige<br />

Seelsorge wurde. hat sich derVater hauptschlich zuschreiben<br />

dürfen, ohne ihn hätte der alte Schlendrian<br />

noch lange fortgedauert- obwohl sich das BedUrfnis nach<br />

Selbstandigkeit auf die Lange der Zeit nicht inehr hätte zuriickd<br />

rängeri lass en.<br />

Dank hat er sich natUrlich keinen dabei erworben, auch<br />

keine Freunde, woh.l aber Feinde u.noch nach dreil3ig Jabren<br />

hat es Geistliche in Vaduz gegeben, die das Ganze für eine<br />

Dummheit erklärten u. die Gemeinde EUr einfältig, daB sie<br />

sich babe vom 'Fürsten Uber den Löffel barbiren u. die<br />

Kirchenbau].ast aufbUrden lal3en, weil er ihr die alte Kirche,<br />

die fUrstlich war, in's Eigenthum aber mit der Unterhalts-


19<br />

verpflichtung tiberlassen od. vielmehr abgetreten, nachdem<br />

sie ihn vorher darum gebeten hatte.<br />

Der Vater hat sich aber deBwegen keine grauen Haare wachsen<br />

lassen u. später noch für die Kirche gethan was er konnte,<br />

so zuerst für die Anschaffung elner neuen Orgel.<br />

Urn diese Zeit wuchs auch das Beamtenpersonal immer mehr an.<br />

Es rekrutirte sich meist aus Böhmen u. Mähren. Nit die-<br />

sem Elemente konnte der Vater<br />

Diesen Beamten war er überall<br />

den fürstl. Herrschaften eine<br />

die keinen Fremden unter sich<br />

sich nicht gut vertragen.<br />

im Wege, sie bildeten auf<br />

elgene abgeschlo2ene Kaste,<br />

duldete. Vater war der erste<br />

Liechtensteiner, der fürstl. Beamter wurde, u. obwohl man<br />

meinen solite, dal3 er als Urliechtensteiner das erste Anrecht<br />

auf eine Anstellung im eigenen Vaterlande, sofern<br />

er dazu qualifizirt war, hätte haben sollen, sahen ihn<br />

diese Leute doch als Eindringling an. Er war ihnen Uberall<br />

im Wege, bestndig hatte er gegen ihre Intriguen zu<br />

kämpf en. Er ware ihnen wahrscheinlich doch weniger unbequem<br />

gewesen, hätte er gemeinschaftlichen Chorus mit<br />

ihnen gemacht, mit ihnen geheult u. ihnen geholfen an<br />

Land und Leuten herurn zurupfen u. zu zupf en ü. tiberhaupt<br />

den Verräther an seiner Heirnath gemacht hatte, dazu war<br />

er denn aber doch zu ehrlich u. zu patriotisch. Er kam<br />

aber im Kampf mit diesen Leuten doch immer zu kurz, weil<br />

er allein stand, zu eckig und zu knorrig u. zu aufrichtig<br />

war. Der Landvogt war gegen ihn, schon aus alter Abneigung,<br />

denn obwohl er an u. für sich eine ehrliche Natur<br />

war, war er doch em schwacher, unselbständiger Mann, der<br />

nach der Pfeife seiner Frau tanzte, die eine eitle, hochfahrende<br />

u. herrschsüchtige Person war u. sich in Alles<br />

einmischte. Wer ihr schmeichelte, katzbuckelte, die Hand<br />

kUgte u. Klatschereien zutrug, war Hahn im Korb. Dazu war<br />

der Vater nicht der Mann. Daher fast immerwährende Reibereien,<br />

Zänkereien u. Feindseligkeiten. Die Folge davon<br />

war auch, dat3 sich der Vater immer mehr zurückzog, mtirrischer<br />

und grämlicher wurde. Unter solchen schlechten Händen<br />

hatten wir dann daheim viel zu leiden. Dabei wuchs die<br />

Familie aber noch immer heran. Am 17. März 1839 erblickte<br />

Josef das Licht der Welt. Seine glücklich zu Stande gekommene<br />

Geburt gab AnlaI zu der neuen alten Orgel. Ich weiB<br />

nicht ob dir das Wie bekannt 1st od. nicht. Wahrend nHmlich<br />

die Mutter mit ihm in der 1-Ioffnung ging, fiel sie


20<br />

Uber die lange Hausgang-Treppe hinunter u. blieb bewu1tlos<br />

liegen. Der Vater nun voller Schrecken u. 2ngsten<br />

über den Fall rnachte em Geltibde: wenn Ailes ohne Schaden<br />

u. Nachtheil abgehe, wolle er eine neue Orgel anschaffen<br />

od. vielmehr daftir thätig sein. Er hat das Geliibde gewissenhaft<br />

gehalten und das Geld zu der Orgel grö8tentheils<br />

selbst zusammengebettelt. Am 4t. Februar 1842 kam<br />

Mali zur Welt.<br />

Anno 1846 traf unerwartet em grol3es Unheil el Am Peter<br />

und Paul's Tag frUh brach der Rhein unvermuthet oberhaib<br />

Vaduz herein, und zwar nur bei ganz gewöhnlichem Wasserstand,<br />

well der Strom unbeachtet elne ganz ungluckliche<br />

Wendung genommen hatte und senkrecht auf das unbeschützte<br />

u. unbewachte Ufer fiel. Well nun Jemand an dern Unheil<br />

schuld seinmu8te und der Vater damals mit den Rheinwuhrbauten<br />

betraut war, so lag es am nächsten, da8 ihm vom<br />

Volke die Schuld daran in die Schuhe geschoben wurde.<br />

Die .Vaduzer, urn sich vor den andern Gerneinden rein zu<br />

waschen, logen denselben vor, sie hEtten am Tage vor dem<br />

Einbruch noch die durchbrochene Stelle schützen wollen,<br />

allein der Rentmeister hEtte sie davon abgehalten, während<br />

am besagten Tage auch kein einziger Vaduzer am Wuhrbau<br />

beschäftigt war, da Vater am selben Morgen krank im<br />

Bette lag, der Dr. GraB am 1!4orgen ihn besuchte u. em<br />

Brechmittel verordnete. Am selbigen Tag Abends karn auch<br />

Kirchthaler zu ihm und traf ihn noch im Bett. Dr. GraB<br />

hörte diese Ltigen am Rhein selber auftischen, er wuIlte<br />

am besten, da2 es Lugen waren, U. dennoch getraute er<br />

sich nicht dein Volke gegentiber der Wahrheit die Ehre zu<br />

geben und den Lügner als soichen hinzustellen. Ich habe<br />

Dr. GraB diese Feigheit dem Pöbel gegenüber nie verzeihen<br />

können. Der Mann, der die LUge ausposaunte, bezeichnete<br />

sich sonst auch immer als em Freund des Vaters.<br />

Landvogt Menzinger, der die Oberaufsicht über die Wuhrhauten<br />

führte, und wenn den Vater elne Schuld getroffen<br />

hätte, er auch nicht ganz unschuldig geblieben ware,<br />

hatte nichts dagegen, wenn das Volk die voile Schuld auf<br />

den Rentmeister wälzte u. ihn mit Verwtinschungen tiberhäufte,<br />

wenn nur er ungerupft davon kam. Aber es blieb<br />

nur hel Fitichen und VerwUnschungen und artete in keine<br />

Thätlichkeiten aus, obwohl der Vater immer mitten unter<br />

den Leuten am Rhein war u. obwohl die andern Beamten das


21.<br />

Volk of f en und geheim gegen ihn aufhetzten u. den Unmuth<br />

auf alle Art schUrten u. besonders nicht unterlieBen, ihn<br />

an höchster Stelle anzuschwärzen und zu verdächtigen. Es<br />

gait eben ihn aus dem Sattel zu heben und unmöglich zu<br />

machen; bessere Gelegenheit konnte es keine mehr geben.<br />

Und doch erreichten sie Alle nichts welter, als daf ihm<br />

die Rheinwuhrbauten abgenonirnen u. dem Hauptintriganten<br />

gegen ihn, dem Forstbeamten Gro1 tiberantwortet wurden.<br />

Der Verdrul3 des Vaters darüber war nicht groB, er hatte<br />

die Rhein- und alle anderen Bauten schon lange mehrmals<br />

satt bekommen. Er sah es für em ClUck an, da8 er für<br />

die Zukunft nichts mehr damit zu thun hatte, au1erdem<br />

war es auch eine gro8e Geschäftserleichterung. Das gr6Bte<br />

GlUck war es aber, da es noch nicht 1848 war, denn dann<br />

ware es bös für uns Alle ausgegangen, -man hätte uns emfach<br />

wie Katzen ersäuft od. ma2akrirt. Die fremden Ingenieure,<br />

die man nun zur Hilfe herbeizog urn den Rhein<br />

wieder hinauszubringen u. für die Zukunft sicherer zu<br />

stelien, kamen ohne Voreingenommenheit hierher und hatten<br />

em unpartheiisches Urtheil. Sie waren sämmtlich auf<br />

Vaters Seite und sprachen ihn von aller u. jeder Verschuldung<br />

frei, nachdem sie den Hergang und die Verhältnil3e<br />

vorurtheiisfrei geprUft hatten.<br />

Darunter war der schon vorgenannte Oberst Lanicca,<br />

dessen Votum am meisten in's Gewicht fiel. Er blieb von<br />

da an em warmer Anhänger des Vaters. Lanicca wurde das<br />

andere Jahr eingeladen, em Gutachten abzugeben zu einer<br />

umfa8enderen Entwal3erung des Flachiandes (woran man immer<br />

herumlaborirte). Er lieI3 em solches durch seine Ingenieure<br />

ausarbeiten und Uberreichte es. Es wurde pflichtgemäl3<br />

bewundert, belobt und die Rechnung dafür mit 1200 fl<br />

honorirt, aber halt nicht ausgefUhrt, denn es kam 1848<br />

heran. Lanicca für seine Person bekam vom FUrsten elne<br />

kostbare gro2e goldene Dose mit den Initialen des fürstl.<br />

Namens A. L. in Brilianten einen Zoll grol3. Die Dose war<br />

800 fi gewerthet.<br />

Urn auf den Rheineinbruch noch einmal zurUckzukommen, mu8te<br />

das ClavierJosef's,welches der Vater im selben Jahr<br />

angeschafft hatte, circa durch 6 Wochen hindurch schweigen.<br />

Denn wenn gespielt wurde, hörte man es auf der Stra-<br />

2e hinunter u. wenn dann die Leute vorübergingen, wurden<br />

sie noch viel erboster gegen uns, well sie glaubten, wir<br />

seien noch theilnamslos gegen ihr UnglUck, oder schaden-


22<br />

froh und machten ihnen zum Hohn noch Musik. Ueberdiet3<br />

hiel3 es, das Instrument sei doch aus SUndengeld gekauft,<br />

denn die Seveler hätten dem Vater 600 fi gegeben, damit<br />

er den Rhein hineinla1e (als wenn diese elnen Vortheil<br />

davon gehabt batten) sonst hätte er kein so kostspieliges<br />

Instrument anschaffen können. Es kostete ja die ungeheure<br />

Summe von 120 fi RW.<br />

Es ging auch vorüber und im Herbst waren die Vaduzer froh,<br />

daB Rentmeisters Pepi Clavierspielen gelernt hatte und<br />

nun den Orgeldienst versehen konnte, ansonsten die Orgel<br />

hätte geschlol3en werden miit3en.<br />

Nun kam 1848 heran. Diesinal entlud sich das Gewitter<br />

hauptsächlich Uber die Freniden. Andere Leute batten die<br />

Bewegung in Händen, die mehr od. weniger wuBten was sie<br />

woilten, wenigstens in ibrem Hauptziel, nämlich: für das<br />

Volk em inenschenwürdigeres Dasein zu erringen, der dominierenden<br />

Willkürherrschaft em Ende bereiten und die Herrschaft<br />

des Gesetzes anzubahnen. IJeber die Nittel zum Zweck<br />

gab es natürlich viele Neinungen 11. versehiedene Ansichten.<br />

Ueber nachstehende Punkte waren aber alle einig:<br />

Ablösung des Zehnten, unentgeltliche Abschaffung der noch<br />

bestehenden Feudallasten, Abtretung des Zolles an den<br />

Staat, Hebung der Volksschule, eine gleichmäBige Berechtigung<br />

der liechtensteinischen Geistlichen gegenüber den<br />

Bündnern zu den bischöflichen Ehrenämtern u. WUrden iind<br />

endlich die Hauptsache, eine Constitution.<br />

Der Ftirst fand sich sehr bereitwillig zur Gewährung der<br />

meisten Punkte, soweit die Gewährung in seiner Nacht stand.<br />

Was nicht auf einmal geschehen konnte wie z.B. Hebung des<br />

Schuiwesens und Ablosung des Zehnten wurde wenigstens in<br />

Aussicht gesteilt. Die Ertheilung einer Constitution wurde<br />

versprochen und zu diesem Behufe eine constituirende Versammiung<br />

zusammenberufen. Ueber die Stellung der Geistlichkeit<br />

hatte er keine Gewalt und es lag den Leuten auch<br />

am wenigsten etwas daran. Mit elner anderen Forderung war<br />

er nicht so ganz einverstanden, nHmlich der Entfernung der<br />

miBliebigen Beamten, Ersetzung derselben durch Landeskinder<br />

od. durch Angeh6rige aus den nichtösterreichischen<br />

deutschen Bundesstaaten. Diesen letzteren Punkt wollte<br />

Serenissimus als persönliche Beleidigung ansehen, weil er<br />

ja selber em dsterreicher sei.<br />

Er verweigerte dieses. Die Entfernung der mil3liebigen


23<br />

Beamten versprach er, wenn sie ihm bezeichnet wtirden; es<br />

wurden aber keine bezeichnet.<br />

Ohne Skandale, Lärm und Excesse ging es natUrlich nicht<br />

ab, die Beamten im Ailgemeinen waren in einer sehr unsicheren<br />

und precären Stellung, besonders die fremden. Einige,<br />

die em schlechtes Gewissen hatten, machten sich aus<br />

dem Staub u. Einer wurde aus dem Staub gemacht, mit Trommel<br />

und Pfeife aus der Kanzlei von einem Volkshaufen abgeholt<br />

und an die Landesgrenze geleitet. Weiteres geschah<br />

ihm aber nichts zu Leid. Es war em gewil3er Lenger aus<br />

Böhmen, der dem Vater od. eigentlich dem Rentamt als Kanzelist<br />

zugetheilt war. Er emanzipirte sich aber bald von<br />

ihm und that was er gem wollte. Lenger war em ächter<br />

Böhme, em unverschämter, arroganter u. gewaltthätiger<br />

Bursche, you Hochmuth und Eigendunkel und dabei em ganz<br />

leerer Kopf, der sich bei der ganzen Bevölkerung verhaft<br />

geinacht, nur nicht bel semen Landsleuten und der GnEdigen,<br />

wo em tEglich zum HandkuB erschien und den fleiigen<br />

Zutrger machte. Daher war er Hahn im Korb. Der Landvogt<br />

mute ihm Alles durch die Finger sehen und that es auch<br />

gerne.<br />

Sein Auftreten gegen den Vater wurde immer unverschämter<br />

und unertrEglicher, gegen andere Leute aber auch, bis das<br />

NaB endlich vail war. Eines schönen 11ittags 2 Uhr erschienen<br />

die Balzner mit der Trommel, machten vor der Kanziei<br />

Halt, erkundigten sich nach dem Befinden des Herrn Lenger<br />

und erklärten ihm in Gegenwart des verdutzten Landvogts,<br />

daB er fort mUsse und zwar sogleich; sie würden ihn bis<br />

an die Grenze begieiten, weiteres werde ibm aber nichts<br />

passiren. Die Vaduzer schiossen sich dieser Prozession an.<br />

Ich habe es heimlich furchtbar gem gesehen, ich htte<br />

mich genie angeschlossen, wenn ich es gedurft htte. Die<br />

Anstifter des Handels waren auch Vaduzer.<br />

Und wiederum muBte der Rentmeister daran schuld sein.<br />

Weil er em paar Tage vorher einen heftigen Wortwechsel<br />

mit dem Bengei gehabt hatte, so konnte es nach der Logik<br />

von Lenger's Protektorin Niemand anders sein, und weil<br />

sie es behauptete, muBte es lhr Mann auch glauben und verbreitete<br />

es weiter auch an Orte hin, wo er voraussetzen<br />

muBte, daB von dort aus dem Vater dafür sehr groBe Ungelegenheiten<br />

bereitet werden konnten.<br />

So ging das Jahr 1848 vorüber, von den Beamten waren nur


24<br />

der Landvogt - von da an Landesverweser gehei8en -<br />

Rentmeister und Grundbuchführer übrig geblieben. Auch<br />

das Bundescontingent war auseinandergestoben. Der Coimnandant<br />

hatte zur rechten Zeit, noch vor Ausbruch der Bewegung,<br />

quittiren mUBen u. der Untercoininandant war davongeritten.<br />

Die Liechtenstejner hatten es fast zu einer Constitution<br />

gebracht, wenigstens zu einer constituirenden Versammlung,<br />

die im Jahr 1850 schiafen ging. Die socialen Unbilden,<br />

die das Jahr 1848 im Gefolge hatte sowie die vorhergehenden<br />

Mil3jahre in Folge des Rheineinbruchs u. der Kartoffelfäule<br />

gingen aber für die Amtirung des Vaters nicht<br />

so spurlos vorüber.<br />

Die Leute waren -verarmt, in Schulden gerathen u. theilweise<br />

sittlich verwildert. öffentliche Schulden zu bezahien<br />

verstie8 gegen ihren Begriff von Freiheit. Zwangsinittel,<br />

sie einzutreiben standen dam Rentmeister danials<br />

keine zu Gebot ii. der Landesverweser, wie er nun hiel3,<br />

war em 1Iann ohne Energie u. mochte sich nicht gerne mit<br />

dem Volke verfeinden. Dabei hatte der Vater auch noch die<br />

fixe Idee, daIs das Volk noch viel schlechter stehe od.<br />

viel ärmer sei als es wirklich der Fall war, u. daB es<br />

nicht recht ware, wenn er den Einzug mit der ganzen Strenge<br />

u. vollem Ernste betreibe. So kam es nun, daB die offentlichen<br />

Rückstände furchtbar anwuchsen, der Einzug von<br />

Jahr zu Jahr schwieriger wurde,ebenso aber das Drängen<br />

von Oben mit den Rückständen aufzuräumen und es wurde ihm<br />

die Haftpflicht für die allenfalls verloren gehenden Posten<br />

in Erinnerung gebracht, auch wuchsen ihm die Arbeiten<br />

über den Kopf, so daB er sich gar nicht mehr zu helf<br />

en wuBte und meinte, sich noch mit Beten heraushelfen zu<br />

kOnnen, was das Schlinnnste war, denn nun that er fast gar<br />

nichts mehr und hoffte wahrscheinlich auf em Wunder, das<br />

aber ausblieb u. nicht kam, wohl aber zu Ostern 1854 endlich<br />

em Inquisitions-Commission aus der Buchhaltung, welche<br />

die Kassen, Bücher und Rechnungen strenge zu untersuchen<br />

und zu prüf en hatte. Diese f and nun zum Glück den<br />

Teufel nicht so schwarz, wie sie sich u. er selber ihn sich<br />

vorgesteilt hatte, d.h. sie fanden nur rückstandige Arbeit<br />

und nichteingegangene Schuldposten. Die BUcher und Kassen<br />

waren bis a-uf den letzten Pfennig u. Heller richtig, sogar<br />

noch 600 fl mehr in der Kasse, als sein sollte. Diese


25<br />

wolite man ihm als sein Eigenthum zur Verfilgung stellen,<br />

er aber erklErte sie nicht als sein Elgenthum ansehen u.<br />

daher auch nicht annehmen zu können. Aus diesem Vorgange<br />

fa2ten sie Vertrauen zu ibm u. sahen bald em, da2 sie<br />

es jedenfalls mit elnem Ehrenmanne zu thun hatten. Aus<br />

der Untersuchung ging er rein heraus, d.h. auf die Ehrenhaftigkeit<br />

der Amtirung fiel kein Makel, man konnte ihm<br />

nur vorwerfen, daB er zu saumselig im Einkassiren gewesein<br />

sel u. dann stellte sich auch heraus, daB er den Geschäf<br />

ten in ihrem ganzen Umfange nicht mehr gewachsen war<br />

und es wurde ihm daher der gröBere Theil der Arbeiten,<br />

nmlich die Fuhrung der Staatskasse abgenommen u. ihm nur<br />

mehr die Domänenverwaltung überlassen. Im Herbst 1857 endlich<br />

wurde er pensionirt im 68ten Lebens- und 38ten Dienstjahre.<br />

Er zog nun wieder zurück in sein Geburtshaus.<br />

Nit den Sorgen war es aber noch nicht vorbei. Einzelne der<br />

ausstehenden Gelder wurden strittig od. konnten wegen Verarmung<br />

od.Abwesenheit der Schuldner nicht mehr eingehoben<br />

werden, diese fielen dem Váter zur Last und wuchsen auf<br />

600 bis 800 fi an.<br />

Dieses wEre aber noch Alles zu verschmerzen gewesen, wenn<br />

nicht der Fall mit Jakob Quaderer noch dazugetreten wEre.<br />

Den aber noch ganz zu beschrelben, würde wirklich zu welt<br />

ftihren u. ich wüBte nicht, wann ich damit fertig würde.<br />

Genug, er wurde erst nach langem Kunimer, Sorgen u. schiaflosen<br />

NEchten im Jahr 1863 bereinigt mit einem Schadensersatz<br />

von 4000 fl von Seite des Vaters an die fUrstlichen<br />

Renten, d.h. Vater konnte dem Fürsten em GrundstUck urn<br />

diesen Preis abtreten, das diesen Werth zwar nicht hatte,<br />

dessen Verlust auf diese Art aber doch schmerzte.<br />

Wenn Du einmal wieder herkommst u. mich daran erinnerst,<br />

will ich Dir den Hergang haarklein mündlich erzEhlen.<br />

Die spEteren Affairen kann Dir Dein Mann erzEhlen. Charakter<br />

und GemUth des nun Heiingegangenen kennst Du ja auch<br />

und ich schlieBe jetzt, ihn Deinem liebevollen Andenken<br />

empfehlend.<br />

Geschrieben von David Rheinberger<br />

z.Z. Regierungssekretar in Vaduz<br />

im Sommer 1876.<br />

Erhalten in Bad Kreuth d. 16. August 1876.


26<br />

Uber Josef Rheinbergers Kindheit sind wenige authentische<br />

Zeugnisse erhalten. Die einzigen Nachrichten<br />

verdanken wir der Gattin des Komponisten, die sich im<br />

FUrstentum Liechtenstein urn Quellen aus erster Hand<br />

bemühte. Sie erbat von Josef s Lehrern Augenzeugenberichte.<br />

So schrieb ihr Johann Franz F e t z (1852-1884), der<br />

in Rheinbergers Kindheit Hofkaplan in Vaduz war, nach<br />

Münc hen:<br />

Hochverehrteste Madame!<br />

Sie wUnschen einige ZUge aus Josefs Kindheit. Eine<br />

lebhafte Biographie zu schreiben, habe ich das Zeug,<br />

wie man sagt, nicht; aber was ich erfahren, will ich<br />

Ihnen getreu rnittheilen.<br />

Josef Rheinberger ward geboren d. .17. März 1839 zu Vaduz,<br />

FUrstenthurn Liechtenstein. Sein Vater Joh. Peter<br />

Rheinberger war darnals fürstlicher Rentrneister; seine<br />

utter, Elisabeth geborene Carigiet von Disentis im<br />

Kanton GraubUnden, deren Bruder Jacob Anton Carigiet<br />

darnalen Dorndecan an der bischöf 1. Cathedrale zu Chur,<br />

war früher vieljhriger Pfarrherr in unserer Nachbarschaft<br />

'Schaan'. Der Grundcharakter dieser Eltern unsers'<br />

Josefs ist beharrliche Religiosität.<br />

Uber den kleinen Josef - oder wie er jetzt noch hier<br />

genannt wird 'Peppe' - waltete die göttl. Vorsehung<br />

wunderbar. Nicht lange vor seiner Geburt hatte seine<br />

Mutter das Ungifick tiber eine lange Hausstiege herunterzustUrzen,<br />

so daf man für die Geburt desselben schwere<br />

Folgen ftirchtete. Der ängstlich besorgte Vater rnachte<br />

in diesen bedenklichen Tagen das Versprechen: der Kirche<br />

zu Vaduz eine neue Orgel zu widmen, urn eine gltickliche<br />

Entbindung zu erflehen. Gegen alle Erwartung hatte<br />

jener Fall der Mutter gar keine schlimnrnen Folgen.<br />

Mit dem Bau der Orgel wurde begonnen und ausgeftihrt.<br />

Inzwischen wuchs der kleine Peppe gesund und blUhend<br />

herauf. Seine älteste Schwester Johanna (eine Barmherzige<br />

Schwes-ter in Tirol) soilte auf Anregung seines<br />

obgenannten Oncle's, damnals Pfarr in Schaan, sich der<br />

Musik widmen. Er verschaffte ihr hiezu em altes Clavier,<br />

em Schullehrer von Schaan herkoimnend ertheilte<br />

Unterricht. Der Vater war anfangs damit nicht einver-


27<br />

standen, er sagte: Meine Kinder sind nicht musikalisch,<br />

das haben sie nicht erben können. Er hatte jedoch Unrecht!<br />

Wie der 5jährige Peppe das Geklipper des Clavier's hdrte,<br />

mischte er sich allmälig in den Unterricht, probirte<br />

mit semen kleinen Fingern die Tasten zu drticken<br />

und war bald nicht mehr davon abzuwenden. Als der Lehrer<br />

dies bemerkte, lieI3 er die Schwester Johanna bei<br />

Seiten und nahm den ki. Peppe in den Unterricht. Die<br />

AnfangsgrUnde waren schnell überwunden und die Fortschritte<br />

merkwürdig. Nun kam's zur neuen Orgel, da waren<br />

aber die FUfe für das Pedal zu kurz, und muBte em<br />

zweites erhöhtes Pedal als Sattel darauf construirt<br />

werden, und Peppe wurde mit dem 9. Jahre Organist. So<br />

war Peppe, dessen Geburt den Orgelbau veranlal3t hatte,<br />

der e r s t e Organist an dieser neuen Orgel. -<br />

In der That inerkwürdig!<br />

Während des Unterrichts in Clavier und Orgel besuchte<br />

Peppe vom 6. Jahre an die hiesige Dorfschule; was er<br />

hier erlernte, war aber nicht von Bedeutung, denn sein<br />

Kopf steckte mehr beim Clavier und Orgel oder bei den<br />

Kinderspielen. Trotzdem übertraf er alle seine MitschUicr.<br />

Als einmal diese vom Lehrer über Mittag Schularrest<br />

erhielten, da murrten sie, da8 nur der Peppe<br />

davon gekommen sei; der Lehrer sprach: 'Peppe lernt<br />

auf dem Sandhauf en mehr als ihr alle in einem Tage'.<br />

Unser Peppe pflegte seine Jugendunterhaltungen oft<br />

auf einern Sandhauf en oder in einem kleinen Graben zu<br />

treiben; von der Orgel in den Graben und auf den Sand<br />

- in einem Sprunge. Jemand äu8erte einnial an einem<br />

Sonntag nach dem Gottesdienst vor der Kirche den Wunsch,<br />

den kleinen Organisten zu sehen und erhielt die Antwort:<br />

'Schauen Sie hin dort am Brunnen steht er im<br />

Graben mit dem Wasser spielend!.<br />

Peppe besuchte die Dorfschule nur kurze Zeit, höchstens<br />

3 1/2 Jahre; dann 1 1/2 Jahre war er in der Musiklehre<br />

zu Feldkirch, kam jedoch jeden Sonnabend und<br />

an Vorabenden von Festtagen nach Vaduz urn an Sonn- und<br />

Festtagen die Orgel zu bedienen und ging gleich wieder<br />

nach Feldkirch und gewohnlich zu Fu13 3 Stunden<br />

weit. Vom Herbste 1850 bis 51 erhielt er bei mir cmigen<br />

Unterricht mit einem gleichjhrigen Cameraden, den


28<br />

er welt überschaute, oft zum besten hielt, der es noch<br />

nicht welt gebracht hat. Ich weil3 aber wahrhaft nicht,<br />

was er bei mir gelernt, denn wir trieben es nicht so<br />

ernstlich und gar nicht genau. Sein Studien- und Lesezimmer<br />

war oft sehr original. Er machte sich auf irgend<br />

einem Baum einen Sitz zurecht und setzte sich unter die<br />

Vogel hin mit einem Buche in der Hand. Nun handelte es<br />

sich urn eine ernstliche und weitere musikalische Ausbildung.<br />

Der besorgte Vater sträubte sich lange den jungen<br />

Sohn in die weite Welt hinaus zu entlassen. Herr Pfarrer<br />

Wolf inger in Türkenfeld übernahm die Stelle eines<br />

Mentors und Offnete dem Peppe Bayerns schöne Hauptstadt<br />

und so kam er im Herbst 1851 in's Conservatorium nach<br />

MUnchen, wo er bald der Liebling der Herren Professoren<br />

v. Mayer und Schaffhäutel wurde. Wie es dorten welter<br />

erging, wissen diese Herren besser als ich zu erzEhien.<br />

Die Erfolge waren tiber alle Erwartung zur<br />

hOchsten Freude der Eltern, Geschwister, Verwandten<br />

und Freunden - und diesen Erfolgen setzten Sie, Madame,<br />

die herrlichste Krone auf...<br />

Ihr ergebenster Job. Franz Fetz, Hofkaplan<br />

Vaduz, 29. August 1867.<br />

Sebastian P 5 h 1 y, Rheinbergers erster Lebrer, halt<br />

seine Erinnerungen ebenfalls in einem Brief an Franziska<br />

Rheinberger fest:<br />

"Hochverehrte, gnädige Frau!<br />

Im Jahre 1844 Im Herbste kam ich nach Schaan mi Ftirstenturn<br />

Liechtenstein, diente dort als Unterlehrer und hatte<br />

auch den Organistendienst zu versehen. Der Hochw.<br />

Herr Dekan und Landesschulinspektor Carigiet war em<br />

Bruder von der sel. Frau Mutter Ihres hochverehrten<br />

Berm Gemahls, 'meines lieben Pepi. Dieser ersuchte mich,<br />

ich iuOchte den zwei grSl3eren Schwestern des Pepi doch<br />

em wenig singen iind Gitarre spielen lernen, mit dem<br />

Benierken, ich brauche sle eben nicht musikalisch zu unterrichten,<br />

sondern ihnen nur soviel beibringen, da8<br />

sie allenfalls in 'mli1igen Stunden elne kleine Aufheiterung<br />

fänden. Ich ging also nach lladuz in das elterliche<br />

Haus ineines lieben Pepi, fand seine 2 Schwestern<br />

in der unteren Stube und begann den Unterricht. In


29<br />

diesem Zimmer war auch der spanneniange kieine Pepi<br />

gegenwErtig. Ich sagte: Komm her, Pepi, und sieh zu,<br />

wie ich deinen Schwestern die Noten lehre. Er kam<br />

schüchtern herbei, und weil er viel zu klein war, urn<br />

mit semen zwei Schwestern auf das Pult zu sehen, wo<br />

ich ihnen zuerst die 5 Noten auf den Linien, und dann<br />

die 4 Ubrigen auf den ZwischenrEumen beibrachte, so<br />

nahm ich einen Stuhi, stelite meinen kleinen Mozart<br />

darauf, und rtickte selben zwischen seine zwei Schwestern.<br />

Nach beendigtem Unterricht fragte ich auch ihn<br />

ilber das Gelehrte, und immer zeigte es sich, dal3 er<br />

die vorgetragene Sache eben so gut aufgefaft habe, wie<br />

seine beiden Schwestern. Als nun diese einige kleine<br />

Ubungen in einem Raum von 3 Tönen mit Begleitung der<br />

Geige singen konnten, sagte ich einmal, ais eben gerade<br />

sein sel. Vater gegenwErtig war: Wie, Pepi, singe<br />

auch diese Tone! und er sang sie mit seiner schwachen<br />

Kinderstimme, zu meiner grOl3ten Freude ebenso richtig<br />

wie seine beiden Schwestern.<br />

Von seiner Emsigkeit und guten Aniage tiberzeugt, sagte<br />

ich zu seinem sel. Vater: Mit dem miissen wir Kiavier<br />

spielen anfangen. Der sel. Vater iachte und antwortete<br />

mit diesen Worten:<br />

'El, was fällt Ihnen nicht em, was wollen Sie denn<br />

mit einem soichen kielnen Kind anfangen'?<br />

Meine Antwort darauf war:<br />

'Ja, wenn es etwas Rechtes werden soil, so muf3 man<br />

schon in frtihester Jugend anfangen'.<br />

Lassen Sie mein Klavier (es verdiente diesen Namen<br />

wahrlich nicht, denn es war nur eine Kiapper mit nicht<br />

ganz 5 Oktaven, wovon noch tiberdies von einer halben<br />

Oktave oben und von einer halben unten die Saiten fehiten.<br />

0 gOttliche Armut! Denn in meinem ganzen Leben<br />

bin ich noch nie so reich gewesen, mir nur em haibwegsbrauchbares<br />

Kiavier anschaffen zu kOnnen), von<br />

Schaan herbringen und wir werdens probieren. Die Kiapper<br />

wurde nun von Schaan nach Vaduz gebracht und der<br />

Unterricht begann. In kurzer Zeit sah der sel. Vater,<br />

daB es mit seinem kleinen Pepi schneii vorwrts gehe,<br />

und ais ich ibm erklärte, daB wir auf dieser Kiapper<br />

urxmogiich weiter fortsetzen kOnnen, schrieb er nach<br />

Wien, und es kam in kurzer Zeit em aufstehender Fitigel,


30<br />

weicher im oberen Stocke in einem geräumigen, schönen<br />

Zimmer aufgestellt wurde. Von diesem kommt man rechts<br />

in em kleineres Nebenzirniner, wo der anne Toni,dem kleinen<br />

Pepi sein Bruder, ich weiB nicht mehr wie lange<br />

schon, das Bett hUten multe. Dieser hörte immer den Unterricht<br />

und das Spiel seines kleinen Bruders Pepi und<br />

zeigte viel Freude und Vorliebe für Nusik. Daher setzte<br />

ich ibm, sein langes Krankenlager etwas zu erleichtern,<br />

aus Glasspänen, weiche ich von verschiedenen Glasern<br />

sammelte, eine 1 1/2 Oktav umfassende Glasharmonika zusammen,<br />

womit er dann mitteist 2 Hämmerchen kleine Stükke<br />

auf den Noten spielen lernte, wozu ibm wohi manchmal<br />

der kleine Pepi als Lehrer beigestanden sein mag.<br />

Als Beweis seines FleiBes, seiner Tätigkeit und seiner<br />

Bruderliebe lege ich Ihnen die Orgelkompositionen bei,<br />

weiche er mit Bleistift für semen lieben Bruder Pepi<br />

kopierte und die ich, ich weiB nicht wie, unter meinem<br />

übrigen Plunder mitgenommen habe. Ich babe sie immer<br />

als teures Andenken aufbewahrt und bin nun herzlich<br />

froh, da1 ich solche dem rechtmäl3igen EigentUmer zurückstellen<br />

kann, da ich nun im Besitze eines noch viel<br />

wertvolleren Andenkens bin.<br />

Von nun an, hochverehrte, gnädige Frau, finden Sie das<br />

Kleeblatt iminer an em- und derselben Stelle versammelt.<br />

Sobald der sel. Vater wu1te, daf der Lehrer kommt,<br />

war er gewil alle Male ohne Ausnabme gegenwartig und<br />

horchte, wie wir zwei, Pepi und Lehrer, miteinander<br />

verkehrten. Vater hatte immer semen Platz hinter dem<br />

Tisch unter einem groi3en Spiegel; Ihr hochverehrter<br />

Herr Gemahi als kleines liebes Büberl am Klavier, und<br />

der Lebrer neben ibm.<br />

Wir hatten verschiedene Ubungen in 5 Tönen mit ruhig<br />

stilistehender Hand auf der Kiapper schon ziemlich emgeübt,<br />

aber sobald wir den Flügel hatten, gings erst<br />

recht drauf los. Zuerst in 5 Tönen, 5, 10, 20, 30,<br />

auch 100 Nal, so lang es eines Kindes Kräfte nur erlaubten.<br />

Dann je 1, 2, 3, 4, 5, 6 Oktaven oder gebrochene<br />

Akkorde, 100, 500 auch tausend Mal.<br />

Ich mul3te aber urn den Ehrgeiz meines kleinen SchUlers<br />

zu befriedigen immer laut zählen. Wenn ich manchmal<br />

wahrnahm, da1 mein kleiner SchUler von langen, anhal-


31<br />

tenden Ubungen erschöpft war und ich ihn fragte, ob<br />

er mUde sei, oder die Arme erschlaffen woliten, nie<br />

kam em Ja zur Antwort, denn sein EhrgefUhl hätte dies<br />

nicht zugelassen; nur aus seinem kindlichen Buck, mit<br />

dem er mich ansah, konnte ich lesen: Ja, Lehrer, ich<br />

bin milde, es ist genug. Bei diesen Ubungen kam mir der<br />

treffliche sel. Vater mit semen Zwanzigern treulich<br />

zu Hilfe.<br />

Wir spielten die ersten zwei Jahre nebst den verschiedenen<br />

Ubungen urn die gehörige Gelaufigkeit zu erlangen<br />

sehr viel zu 4 Händen, und zwar alles, was ich auftreiben<br />

konnte, da wir an anderen passenden Musikalien<br />

Mangel hatten.<br />

Erst spater spendierte uns der sel. Vater die Schule<br />

der Geläufigkeit von Czerny, nachdem wir die 100 Ubungsstllcke<br />

von selbem schon tüchtig durchgearbeitet hatten.<br />

Später zwei Bände Sonaten von Haydn, Don Iuon(!)<br />

von Mozart, kurz alles was uns unter die Hände kam.<br />

Uns, oder vielmehr meinen kleinen SchUler schreckte<br />

nichts mehr, wenn ich ibm nur an schwierigen Stellen<br />

den wichtigsten Fingersatz anzeichnete.<br />

Hochverehrte, gnädige Frau! Nun will ich Ihnen auch<br />

sagen, wo Ihr hochverehrter Herr Gemahl, der gefeierte<br />

Tondichter, mein lieber Pepi, das erste Mal öffentlich<br />

als Klavierspieler auftrat und aller Augen auf<br />

sich zog. So wie an anderen Orten kam auch in Vaduz<br />

alle Jahre der Fasching. Mehrere Herren Beamte und Btirger<br />

ersuchten mich, ich möchte ihnen doch einmal eine<br />

Tanzmusik besorgen. Da aber Liechtenstein zur selben<br />

Zeit an rnusikalischen Kräften arm, ja sehr arm war,<br />

so sagte ich ihnen, sie möchten sehen, vom Kaufmann<br />

Schlegel in Schaan semen Flllgel, den er aus 11Unchen<br />

bezogen und einen sehr kräftigen Ton hatte, zu bekom-men<br />

und fUrs Ubrige werde ich sorgen. Schlegel sagte<br />

zu. Dieser Kaufrnann Schiegel hatte em Töchterchen,<br />

welches wenigstens urn 2 Jahre alter war als mein lieber<br />

Pepi. Sie besuchte bei mir die 1. Klasse der Yolksschule<br />

in Schaan.<br />

Ohne Mitwissen und ohne alle Veranlassung von Seiten<br />

ihrer Eltern, sondern blof zu meinem VergnUgen, unterrichtete<br />

ich dieses Mädchen nach beendeter Schulzeit,<br />

und zwar schon einige Monate frUher, als ich


32<br />

mit meinem lieben Pepi anfing, im Gesang und brachte<br />

ihr auch auf meiner Kiapper die ersten Anfangsgriinde<br />

im Kiavierspiel bei. Als wir uns einmal vielleicht<br />

zu lange miteinander bei unserer Kiapper verhielten,<br />

trat ihr Vater ganz unverhof ft ins Zimmer, und fand<br />

uns bei derselben. Seffele, sagte ich, nun spiele dem<br />

Vater em paar Stückchen vor! Es waren aber diese, die<br />

ich Ihnen beigelegt und die auch Ihr H.V. Herr Gemahi,<br />

der kleine Pepi, zuerstgespielt hat. Der gute Vater<br />

war ganz überrascht. Voll Freude ging er nach Hause<br />

und schrieb urn obgenannten Flügel nach München. Das<br />

liebe Nädchen hatte auf Anraten ihres Lehrers zu Hause<br />

nie etwas merken lassen, daB sie ihr Lehrer im Gesang<br />

und Kiavierspiel unterrichte.<br />

Ich setzte nun Pepi (der das NHdchen schon weit Uberflugelt<br />

hatte) zur rechten und Seffeli zur linken Seite<br />

am Flilgel und studierte mit ihnen verschiedene<br />

Partien von Lanner und StrauB ohne groBe NUhe em.<br />

Der bestimmte Abend kam. Der gesainte hohe Adel, gemischt<br />

mit den angesehendsten BUrgern und allen Beainten<br />

des Fürstenturns Liechtenstein und einigen Gä<br />

sten aus Feldkirch waren versammelt. Nach beendetem<br />

Festessen setzte sich Pepi und Seffeli am Flügel,<br />

spielten eine Partie nach der andern von Lanner,<br />

Straul3 u.a.m. herunter, daB es eine Freude war. -<br />

Den Applaus und die Verwunderung von allen Anwesenden<br />

können Sie sich vorstellen. - Das war bis heute der<br />

freudenvoliste Tag -meines Lebens, und das umsomehr,<br />

weil ich diese kostbare Perle, meinen lieben, lieben<br />

Pepi selbst gefunden und ans Tageslicht gezogen habe.<br />

Von nun an bekam Pepi öfters Besuche, besonders von<br />

Musikfreunden aus Feldkirch, denen er vorspielen<br />

muBte. Als einmal der Hw. Bischof von Chur durch<br />

Liechtenstein reiste, lieB er, als er an das elterliche<br />

Haus meines kleinen Mozarts hier ankam, Halt<br />

machen, stieg aus seinem Wagen, besuchte meinen lieben<br />

Pepi und lieB sich von ihm vorspielen.<br />

SpHter reiste Pepi in Gesellschaft seines sel. Vaters<br />

nach Chur, aus welcher Veranlassung weiB ich<br />

nicht; inir sagte nur der sel. Vater, daB er sich auch<br />

dort hören lieB und groBes Lob -und Verwunderung hervorrief.


33<br />

Einmal nach beendigter Lehrstunde sagte der sel. Vater<br />

zu mir: Lieber Pöhli, jetzt haben wir unsern Organisten<br />

verloren, wo werden wir einen soichen hernehmen?<br />

Ich dachte eine zeitlang nach und sagte ihm:<br />

Haben Sie nur em wenig Ceduld, es wird sich wohl einer<br />

finden.<br />

Pepi und ich setzten uns zusammen am Tisch vor em<br />

Blatt Notenpapier und ich fing an, ihm den Dreiklang<br />

in semen drei Lagen zu erklären. Nach diesem seine<br />

Umkehrungen, den 6-Akkord und Quartsext-Akkord. Ich<br />

liel3 ihn von nun an viel schriftlich arbeiten, indem<br />

ich ibm auf den angegebenen Grundtönen nur eine Ziffer<br />

schrieb, die den betreffenden Akkord andeutete,<br />

und die er dann in vollständigen Akkorden mit Noten<br />

dartiberschreiben mul3te, jedoch so, daB das Ganze eine<br />

Art Nelodie bildete und das Ohr befriedigte. Als ich<br />

llberzeugt war, daB er dies ganz los hatte, erklärte<br />

ich die Verwandtschaft der Tone und Tonarten. Zum Beweise,<br />

ob er mich verstanden, folgten wieder viele,<br />

recht viele schriftliche Aufgaben. Em Fehler, den<br />

ich einmal korrigierte, kam zum 2. Mal nie mehr vor.<br />

Ich weiB mich ganz gut zu erinnern, wie ich einmal zu<br />

ihm sagte: Pepi, jetzt kannst du dir den ganzen Freundschaftstonzirkel<br />

durch alle 24 Tonarten wohl selbst zusammensetzen?<br />

Er schaute mich mit semen lieben, alles<br />

durchdringenden Augen an - und schwieg. Das Wort 'ich<br />

kanns nicht' kam nie Uber seine Lippen. Ich verstand<br />

ihn aber gut, er hatte die Sache nicht aufgefaBt.<br />

Ich sagte dann: Sieh, mein lieber Pepi, wenn du vom<br />

Grundton C ausgehst und das erstemal eine kleine und<br />

dann eine groBe Terz faust und den ersten Akkord Dur,<br />

den andern Moll darUbersetzest, so kommst du durch<br />

alle 24 Tonarten durch, und zuletzt wirst du wieder in<br />

C-dur sein. Erschaute mich an - und sagte nichts.<br />

So konime ans Klavier, ich werde dir die Sache begreiflich<br />

machen. Nun also den Grundton C, den perfekten<br />

Akkord in der Oktavlage dazu, jetzt im BaB eine kleine<br />

Terz fallen, jetzt hast du den a-moll Akkord in<br />

der Terzlage in der Hand? Jetzt eine groBe Terz fallen<br />

- jetzt hast du ja den F-dur Akkord in der Quintlage<br />

u.s.f. Mache nur, du wirst es schon zusammen-


34<br />

bringen his ich wiederkoinme, niimn nur das Kiavier zu<br />

Hilfe. - Als ich das nächste Mal kam, hatte er den<br />

ganzen Freundschaftstonzirkel zusammengesetzt, nur<br />

einige Male in der Lage gefehit. Die Fehier wurden<br />

korrigiert und die Aufgabe wiederholt, und als ich<br />

das nächste Mal kam, rUckte Pepi geschwind mit seinem<br />

Aufgabenbuch heraus, und der Freundschaftstonzirkel<br />

war korrekt durchgefiihrt. Dies tat er alle Mal, wenn<br />

er ganz sicher daran war, dal3 seine Aufgabe richtig<br />

sei; im umgekehrten Falle mul3te ich selber verlangen.<br />

Als wir oben Besprochenes wieder ziemlich inne hatten,<br />

gings Uber den Septimenakkord mit semen Umkehrungen<br />

los. Da gabs wieder Aufgaben in HUhle und FUlhe,<br />

weiche ahle mit bestem Willen hingenommen und<br />

ausgearbeitet wurden.<br />

Mittlerweile unterhandelte ich mit einem Tischler in<br />

Schaan, einem gewissen Nägehi, ob er mir nicht auf<br />

der Orgel in Vaduz nach meiner Angabe em neues Pedal<br />

über dem schon vorhandenen anbringen könnte, und zwar<br />

so, da1 wenn das obere gedrUckt, auch das untere mitteist<br />

eines Hohzstabes mitgedruckt wird. Ich nahm Ma<br />

von meines Schülers kurzen FüBen, gab selbes dem Tischher<br />

und das Pedal wurde zu meiner vollsten Zufriedenheit<br />

hergestehit.<br />

Nach beendeter Klavierhektion gingen wir manchmal in<br />

die Kirche in Vaduz, und Pepi spielte seine Akkorde<br />

oder em Stuck aus beihiegenden Orgelkompositionen<br />

von Martin Voigt.<br />

Wir studierten auch heimhich vor seinem sel. Vater<br />

die grol3e Vokalmesse von selbem em. Zu Schaan hatte<br />

ich em gemischtes Quartett zusammengestehit und die<br />

nämliche Messe gut eingeiibt und am Josefi-Fest, des<br />

sel. Vaters Namenstag, wurde sie zu seiner und zur<br />

Ehren Gottes mit vohister Zufriedenheit in der Kirche<br />

zu Vaduz aufgefuhrt. - (Bei dieser 11esse war es, wo<br />

er Tmir ins Ohr fhüsterte: Heute haben wir gewi3 em<br />

Kalbi bekomnien!)<br />

Auf dem Ball im Bräuhause in Vaduz war auch eine junge,<br />

erst neuverehehichte Frau des fUrstlichen Gehagbereiters<br />

anwesend. Wenige Tage nach dieser Abendunterhaltung<br />

kam derselbe mit semen 2 Schimmeln und die junge,<br />

erst neuverehhichte Frau im Wagen vor dem Schuihaus


35<br />

in Schaan angefahren. Herr Gehägbereiter karn zu mir<br />

ins Zimmer (der Unterricht hatte schon begonnen) und<br />

sagte zu mir: Pöhli, heute mUssen Sie so gut sein<br />

und mit mir nach Feldkirch fahren. Die Antwort war,<br />

das darf ich nicht ohne Bewilligung des Hw. Herrn<br />

Schulinspektors.<br />

Er ging, brachte die Bewilligung desselben und setzte<br />

mich zu seiner erst neuverehlichten jungen Frau in den<br />

Wagen und er kutschierte auf dem Bock. Während der<br />

Fahrt redete ich so hin und her, und da ich nicht erreichte,<br />

was ich woilte, nämlich den Zweck und die<br />

Ursache dieser Fahrt, so fragte ich, als wir Feldkirch<br />

immer näher rlickten, die gnädige Frau, was denn<br />

der Zweck und die Ursache dieser Reise sei. Sie sagte<br />

mir: Sie müssen mit meinem Mann em Kiavier kauf en.<br />

Ja, wer will denn bei Ihnen Kiavier spielen lernen?<br />

Das täten Sie nicht erraten, war die Antwort. In kurzer<br />

Zeit fragte ich wieder: Ja, wer will denn lernen?<br />

Und sie antwortete: Weil Sie es gerade wissen wollen,<br />

so will ich es Ihnen sagen: 'Ich will es lernen'. Die<br />

2 Kinder, besonders der kleine Pepi von Rheinbergers,<br />

gefiel mir so aul3erordentlich, dal3 .ich den festen<br />

Entschlul3 gefaBt habe, es auch zu lernen. 0 liebe,<br />

gnädige Frau, antwortete ich, Sie haben weder die Geduld<br />

noch Zeit dazu. Ich habe mit ineinem Mann schon<br />

gesprochen, sagte sie, er lä1t mir Zeit genug, und<br />

mein EntschluB ist fest gefait, ich werde alles befolgen,<br />

was Sie mir sagen. Wir waren in Feldkirch angekommen,<br />

der Wagen hielt, wir stiegen aus.<br />

Gehägbereiter und ich gingen. Als wir eine gute Strekke<br />

vom Wagen entfernt waren, sagte ich: Lieber Herr<br />

Gehägbereiter! Das Geld, welches Sie für em Instrument<br />

ausgeben, geben Sie ganz unnUtz aus, das kann<br />

ich Sie auf meine Ehre versichern. Sie können Ihrer<br />

Frau wohl die Zeit, aber die Geduld und Ausdauer können<br />

Sie ihr nicht geben, und hätte Ihre gnädige Frau<br />

tausend feste Vorsätze gefaft, es geht nicht mehr,<br />

das sage ich Ihnen noch einmal.<br />

Er stutzte und dachte nach und sagte: Ja, was machen<br />

wir? WirmUssen eine Finte erdenken, sagte ich, und<br />

Ihrer gnädigen Frau weis machen und sagen, es sei gegenwärtig<br />

in ganz Feldkirch auch für teures Geld kein


36<br />

Klayier aufzutrejben und wir mtissen eine kleine Zeit<br />

Geduld haben. Die gute gnädige Frau muBte sich fügen,<br />

denn der Gehägbereiter kam zum zweiten Mal nicht<br />

mehr mit semen zwei Schinunein vor dem Schuihause in<br />

Schaan an.<br />

Nun will ich Sie, hochverehrte gnädige Frau, auf einige<br />

CharakterzUge meines lieben Pepi, mit denen er<br />

sich von anderen Kindern unterschied, aufmerksam machen.<br />

Er war schon als Kind you Ernst, nicht leichtsinnig<br />

und flatterhaft wie andere gewöhnliche Alltagskinder,<br />

sprach sehr wenig, und nie habe ich ihn in Gesellschaft<br />

mit anderen Kindern oder einem Spielzeug spielen<br />

gesehen. Er war entsetzlich lernbegierig und wollte<br />

mimer vorwärts. Als ich ihm aber sagte: Lieber Pepi!<br />

Aus den Lëuten, die alles nur so oberflächlich<br />

nehmen und die Sache nicht gründlich lernen, wird nie<br />

etwas Rechtes, dies war genug. Nit gutem Willen rezitierte<br />

er wieder das Alte. Ich weil3 mich nicht zu<br />

erinnern, da!3 er mir.während unserer ganzen Lehrzeit<br />

nur einmal eine Veranlassung zi.i einer Ruge Oder Zurechtweisung<br />

gegeben hätte. Indem ich sonst gewohnt<br />

bin, Kindern, wenn auch ihre Jugendfehler, nicht Ungerügt<br />

durch die Finger zu sehen.<br />

Trotz und Starrsinn kannte er nicht.<br />

Er zeigte groBe Anhänglichkeit an semen Lehrer; denn<br />

wenn er nur einigermaBen die Zeit wuBte, wann ich<br />

komme, ging er mir iimner entgegen, reichte mir die<br />

Hand und wir gingen Hand in Hand an unser Werk. Ich<br />

sagte: Er war immer sehr ernsthaft; denn ich habe<br />

ihn niemals lachen gesehen oder gehort; er war em<br />

Mann mit Charakter in seiner Art. Er war em liebes,<br />

unschuldiges Kind, er war em Engel.-<br />

Danke hundert tausend Hal, für diesen mir so angenehmen<br />

Auftrag und für Ihr so wertes Schreiben, das mir<br />

so viele und groBe Freude verursachte. Immer klingen<br />

die Worte: 'Alles, was sich auf die Kinder und Lernzeit<br />

meines lieben Nannes, Ihres einstigen Schülers,<br />

bezieht, sind von gröBtem Interesse', und wieder:<br />

'Nicht nur wegen seines Könnens, sondern wegen seines<br />

braven Herzens', in meinem Herzen wieder.<br />

Hochverehrte, gnädige Frau! Nochmals recht herzlichen


37<br />

Dank. Nun weil3 ich, daf, so wie ich eine Perle an ihm,<br />

er eine kostbare Perle an Sie, dat3 er em Herz gefunden,<br />

weiches Seiner wert, dat3 er wahrhaft glücklich<br />

ist. -<br />

Dies meine unermet3lich grole Freude. -<br />

Indem ich Ihnen rneinen untertänigsten Handkul3 melde,<br />

verbleibe ich mit gröf3ter Hochachtung<br />

Euer Hochwohlgeboren dankschuldigster<br />

Schlanders am 3. Juli 1876".<br />

Sebastian P6hly.<br />

Authentische Quellen aus Rheinbergers Lehrzeit bel Ph.<br />

Schmutzer in Feldkirch haben sich nur spärlich erhalten.<br />

Einige Brief e des jungen Studenten an semen Bruder<br />

Anton geben interessante Hinweise auf das Milieu,<br />

in dem Rheinberger seine ersten Einblicke in professionelle<br />

Musikpflege tat. Zugleich zeigen diese Briefe<br />

aber auch, daf3 ihr Schreiber sich durchaus einer "Fremdsprache"<br />

bediente, wenn er seinem Bruder in "Schrif tdeutsch"<br />

seine Wünsche Ubermittelte:<br />

Lieber Bruder!<br />

Da ich gestern vergessen habe, dir durch den Vater kund<br />

zu thun, da2 du mir die beiden Hefte = Etudes par les<br />

Pianoforte von Chramer (sic)= schicken sollst, so berichte<br />

ichs dir heute schriftlich; u. bitte dich sie mir<br />

Samstags mit den Variationen von Döhler durch den Bothen<br />

zu schicken. -<br />

Der Mutter, welche ich herzlich grül3e, sage, sie solle<br />

so gut sein, u. mir Schnupftücher schicken.<br />

Dein Bruder Joseph<br />

Anton Rheinberger Ubernabm für den Musikstudenten getreulich<br />

Kopistendienste. Josef schreibt ihm:


Lieber Bruder!<br />

38<br />

Feldkirch, den 16. Jenner 1850<br />

Das Clockenspiel von Schlesinger schicke du inir gleich,<br />

sobald du es abgeschrieben hast; denn ich kann nicht<br />

wissen., wenn es zurtickverlangt wird. Die StrUmpfe habe<br />

ich erhalten, die Wäsche vom Boten erhalten, die Etuden<br />

auch. Dem Peter kannst du sagen: das SilvesterbUchlein<br />

weiches den deutschen }lichel enthlt, ist hier in Feldkirch<br />

zu haben; wenn er es will, so soll er es mir berich<br />

ten.<br />

Neues - - nichts. Der Hr. Chorregent war vier Tage abwesend.<br />

Grül3e mir alle, Vater u. Mutter, besonders<br />

recht herzlich Dein treuer Bruder Joseph.<br />

NB. schreibe inir bald! Heute morgens habe ich den<br />

2ten Theil angefangen.<br />

Eine Woche später geht em ausführlicher Bericht an<br />

Anton Rheinberger ab:<br />

Lieber Bruder!<br />

Feldkirch, den 22. Januar 1850<br />

Das Glockenspiel, die 2 Paar Hosen u. die SchnupftUcher<br />

u. Apfel habe ich richtig erhalten, u. sage für<br />

das erstere dir, für das andere aber der Mutter meinen<br />

innigsten Dank.-<br />

Ungefähr vor 14 Tagen war em Concert; es wurde von<br />

einer ausgezeichneten Nusikgesellschaft aus Carlsbad<br />

gegeben, aliwo ich wieder Gelegenheit hatte, 3<br />

ausgezeichnete Musikanten zu hören, den iten auf der<br />

Flöte, den 2ten auf dem Waldhorn, u. den 3ten auf der<br />

Violine. Die ganze Gesellschaft bestand aus 2 Violin,<br />

einer Flöte, em Clarinett, 2 Horn, eine Viola und<br />

em Violon. Ich durfte frei eintreten. Das Concert<br />

dauerte bis 1/2 12 Uhr Abends. -<br />

Also Schneider Fischer fort? Was macht Hannibal?<br />

1st es Spal3 oder Ernst, da8 der Vater 2 Pferde gekauft<br />

hat? Dem hater kannst du sagen, daB ich den Hr.<br />

Chorreg(enten) gefragt habe, was ich als Gegenstück


39<br />

auf Wettlers. "Et incarnatus est" componiren soil;<br />

er antwortete kurz:" Du kannst noch warten." (wahrscheinlich,<br />

well er übei gelaunt war).<br />

Demungeacht, u. ohne sein Wissen, lrnbe ich Varlationen<br />

componirt für 6lnstrumente nmlich: 2 Violin, 2 Horn,<br />

2 Clarinett, eine Viola und Violoncello, wie du es<br />

finden wirst, ii. bitt dich, sie einzeln abzuschrelben,<br />

die Horn (mit Corni bezeichnet) schreibe beide zusammen<br />

(so wie ich auch), u. Uberschicke es sodann Herrn<br />

Wettler. Letzten Sonntag war ich bei Beicht und heiliger<br />

Kommunion. Grü1e mir alle u. ich verbleibe dein<br />

dich liebender<br />

Bruder Joseph<br />

NB Gelt, ich habe gesudelt, schreibe mir bald.<br />

Schreibe die Variationen für Wettier ab bis zur Ilten<br />

Variation und mit dieser warte bis ich hinaufkomme.<br />

Lieber Bruder!<br />

Feldkirch, den 8 Febr. 1850<br />

Heute habe ich den III. Theil angefangen u. zwei Kapitel<br />

gelernt. -<br />

Dem Schaaner Schneider inuf man sagen lassen, dal3 er<br />

herunter kommen soil urn mir den Rock anzumessen; denn,<br />

da noch mehrere Personen beim Toni auf dem Wagen waren,<br />

konnte er nicht stillhalten. Das Kost- und Lehrgeld<br />

habe ich abgegeben. Hat der Peter, den ich grüfen lasse,<br />

die Pfeife erhalten,? u. du das Rohr zur Stahlfeder.<br />

Notenstahifedern bekommt man hier keine. Nächsten Mittwoch<br />

werde ich dir Noten von Hr. Gro2rubatscher zurn Abschreiben<br />

schicken. Sind die Pferde zum Ziehen zu gebrauchen?<br />

Ich habe eine Messe für 4 Singstimmen angefangen,<br />

sobaid selbe componirt 1st, werde ich dir sie<br />

zum Abschreiben schicken, u. aufführen lassen.-<br />

Kennt das Mali die Noten?<br />

Grüf3e mir alie, besonders den Vater u. die Mutter.<br />

In der Hoffnung eines baldigen Briefes von dir verbleibe<br />

ich dein treuer Bruder<br />

Joseph


40<br />

Waren die vorstehenden Briefe sämtlich mit Bleistift<br />

geschriehen, so greift Rheinb.erger im Folgenden zu<br />

Feder und Tinte und malt eine saubere Anschrift auf<br />

semen Brief an Anton Rheinberger in Vaduz:<br />

Feidkirch, den 22.Feb. MDCCCL<br />

Lieber Bruder!<br />

Glücklich kamen ich und der Hr. Postmeister am Dienstag<br />

hier an ii. die Pferde schwitzten sehr. Bis wann<br />

glaubest dii, mit den Variationen fertig zu werden?<br />

Ich habe wieder in mein früheres Zimmer übersiedeit.<br />

Die }Iaria hat es noch iminer gleich. Dem Hanni sage:<br />

das Gebetbuch werde erst bis zur nächsten Woche fertig.<br />

Wann wird die Rekrutirung wieder vorgenommen?<br />

Mu8 Hanni bald auch dazu? Der Mutter sage, sie soil<br />

bald WHsche schicken. Alle Dienstage werden bei Hr.<br />

Bezirkshauptmann Honstetter Qartett gegeben-<br />

Frage die Mutter, oh ich die gerissenen Stiefel hinaufschicken<br />

solle?<br />

Das Hanni soil mir dann das Geld zuin das Gebetbuch<br />

bezahlen. Grü8e von Seite Schramels im ttberflusse.<br />

Schreibe recht bald deinem treuen Bruder<br />

Joseph<br />

Dieser sauber versiegelte Brief trägt den Vermerk<br />

auf der Anschriftseite "durch Güte". Der Postmeister<br />

hat dem Pepi offensichtiich das Porto erspart.<br />

Der letzte Brief, der aus der Feldkircher Zeit erhalten<br />

ist, 1st wieder an Anton Rheinberger gerichtet<br />

und hat folgenden Wortlaut:<br />

(ohne Datum) 1850<br />

Lieber Bruderl<br />

Herr Adler kam letzten Dienstag hiar an u. gab, am Abend<br />

em kleines Konzert, wobei ich auch spielte.<br />

1{ittwochabend produzirte Er sich auch, jedoch nur in<br />

einem kleinen Cirkel von Musikanten, wobei er auch mit<br />

der linken Hand spielte. Er versprach inir, zweckm13ige<br />

Nusikalien von Zurich kommen zu lassen, wofür ich Ihm<br />

em Quartett komponiren mu8. Am Ostermontag komme er<br />

wieder ii. wird dann em öffentliches Concert veran-


41<br />

stalten. Letzten Mittwoch gab Er mir eine Stunde, u.<br />

Donnerstag urn 4 Uhr ,fuhr er weg nach Zurich. Hr. Schramel<br />

wurde letzten Mittwoch Abends wHhrend dem Concerte<br />

eine Uhr aus der Westentasche entwendet. Hast du die<br />

Variationen Herrn Wettler zukommen lassen? Hier Uberschicke<br />

ich die anderen zerrissenen Stiefel. Sage der<br />

Mutter, die ich herzlich grU8en lasse, sie solle mir<br />

Schnupftücher schicken. Das Lehrgeld babe ich Hr. Chorregent<br />

gegeben.<br />

Dein treuer Bruder Joseph.<br />

Franziska Rheinberger, die Gattin des Komponisten,<br />

stelite selbst aus dem gesanunelten Quellenmaterial<br />

iiber die Jugendjahre des Komponisten eine kleine Abhandlung<br />

zusammen, die em Fragment blieb.<br />

Einige Passagen dieser Aufzeichnungen "Aus der Heimath"<br />

sind nachfolgend wiedergegeben:<br />

Das Jahr 48 brachte viel äul3ere Unruhe und Anderung<br />

in die stillen Verhältnisse. Einen eigentlichen Pianisten<br />

hatte Joseph bis dahin noch nicht gehort. Emrnal<br />

stand em gro2er Genu8 bevor, indem plötzlich<br />

vom Adlerwirt eine Botschaft kam, der bertihinte Franz<br />

Liszt sei plötzlich in Vaduz angekoinmen und wolle em<br />

Konzert geben; vorausgesetzt, daB em Clavier aufzutreiben<br />

sei. Da man wui3te, daB der Rentmeister em<br />

gutes Clavier habe, so seien gleich Trager gekommen,<br />

es zum Adlerwirt zu tragen. Bei dieser Botschaft<br />

gluhten die Wangen des Kindes und aufspringend woilte<br />

Joseph sogleich behilflich sein, das Instrument zu<br />

holen, aber der strenge Vater war andrer Neinung:<br />

"Marsch in's Bett", hieB es, nachdem Joseph gebeten<br />

und fortgeweint, weil er des Vaters lJnlust sah, dem<br />

heiBen Wunsche "den Liszt" zu hören und ihm sein Ciavier<br />

zu leihen, nachzugeben.<br />

Der Knabe kroch ins Bett und das Clavier blieb in der<br />

Stube. Anderntags hörte man, dali der "falsche Liszt"<br />

(der echte war weill der Hitnmel wo) durchgebrannt sei,<br />

ohne seine Zeche bezahlt zu haben, nachdem das vom<br />

Pfarrer geliehene Ciavier zu Scherben getrommeit wor-


42<br />

den. Das war für den klugen Vater em Triumph, für den<br />

Sohn em Trost.<br />

Bald darauf kam aber eine andere Gelegenheit, Musik<br />

zu hören, welche diesmal tiefere Folgen für die Zukunft<br />

Josephs batten.<br />

Es war am Cäcilientag 1848, als eine kleine Gesellschaft<br />

von Herren aus Feldkirch zu einem Ausf lug nach<br />

Vaduz kam, sich im Saal des Adlerwirts niederliel3 und<br />

em Streichquartett spielten. Die erste Violine spielte<br />

em Cameralgerichtsrath Schrammel, em österreichischer<br />

Beamter Nitte der 3Oer Jahre, der Cellist war<br />

Chorregent Schmutzer von Feldkirch und die ffittelstiinmen<br />

2 österreichische Beamte in Feldkirch.<br />

Als Joseph hörte, da$ l4usiker aus Feldkirch angekominen<br />

seien, lief er mit Erlaubnis des Vaters bin, stellte<br />

sich neben die erste Geige und bat, iimwenden zu<br />

dürfen. Als er nach einiger Zeit mit grofer Bestiinmtheit<br />

behauptete, da1 die erste Geige urn einen 1/4 Ton<br />

tiefer stimme als sein Clavier daheim, wurde er zuerst<br />

ausgelacht, oder zur Ruhe verwiesen; dann aber<br />

bat der Knabe so dringend, der Herr tnöge sich selbst<br />

davon uberzeugen und mit ibm nach Hause gehen,<br />

dal3 sich dieses feine Gehör zurn Staunen des Violinspielers<br />

als ganz richtig erwies; denn die Violine<br />

sti-mmte in Wahrheit inn 1/4 Ton tiefer. Voll Freude<br />

Uber diesen Beweis fing nun der Knabe vor dern Herrn<br />

zu spielen an und nicht nur seine Technik, mehr noch<br />

sein musikalischer Ausdruck tiberraschten Herrn Schrarnmel<br />

so sehr, daB er dciii Vater ernste Vorstellungen<br />

über die Verantwortung machte, em solches Talent nicht<br />

zur rechten Zeit ausbilden zu lassen, und er bot sich<br />

an, den Knaben zu sich nach Feldkirch zu nehmen, wo<br />

seine !utter, bei welcher der noch ledige Beamte -mit<br />

einer kleinen Nichte wohnte, gewissenhaft für sein<br />

leibliches Wohl sorgen werde, während dem kleinen Musiker<br />

die Gelegenheit zu tUchtiger Ausbildung nicht<br />

fehlen werde. -<br />

Dem Vater leuchtete dieser Vorschlag em; doch -muBte<br />

noch Verschiedenes wohl überlegt werden: -vor allem,<br />

daB sein Sohn bereits eine kleine Anstellung als Organist<br />

un Kirchlein St. Florin hatte. Es ware nehinlich<br />

em sehr tuchtiger Lehrer, Namens Falk, in Vaduz


43<br />

nicht angesteilt worden, da er die Bedingung, den<br />

kirchlichen Organistendienst zu versehen, nicht erfUllen<br />

konnte, wenn nicht der "kleine Organist" ais<br />

dessen Stelivertreter die Dienste Ubernommen htte.<br />

Ging nun Joseph nach Feldkirch, so war auch Lehrer<br />

Faik gezwungen, abzugehen, oder einen eigenen Organisten<br />

zu suchen...<br />

Nach einiger Berathung meinte aber das iernbegierige,<br />

thatendurstige Büblein: ich komme halt alle Sanistag<br />

von Feldkirch hertiber, mach meinen Dienst und geh Sonntag<br />

Nachmittag wieder zurUck. Das ware nun heutzutage,<br />

wo die Eisenbahn eine haibe Stunde nahe bei Vaduz<br />

(Schaan oder Sevelen) landet, nichts so besonderes gewesen:<br />

damals aber betrug die Entfernung 3 /2 Stunden!<br />

Keine Kleinigkeit für den Knaben - bei Wind und Wetter<br />

- bei Sturm und Schnee! Aber die Liebe zum Lernen,<br />

vieiieicht auch die Freude, jede Woche sicher ins liebe<br />

Elternhaus zu den Geschwistern zu kommen, Uberwand<br />

alle Bedenken, und das Mtitteriein machte sich still<br />

(betend und wohl auch seufzend) daran, Wäsche und Kleider<br />

ihres Lieblings in Ordnung zu bringen und ihn reisefertig<br />

herzurichten. Am schmerzlichsten empfand wohi<br />

der kranke Bruder Anton die LUcke, weiche durch den<br />

Wegzug Josephs für ihn entstand; doch hatte darum seine<br />

Mithilfe ais Notenkopist - oder wenigstens als "Heftbinder"<br />

noch kein Ende.<br />

Eine Schwester hatte einen religios heroischen Sinn,<br />

und von klein auf eine grol3e Neigung zum "Opfer aus<br />

Liebe zu Christus". Dies zeigte sich, als einmai em<br />

Bergsteiger verungitickte und, da seine Leiche nicht<br />

zu Thai gebracht werden konnte, in einer Berghütte<br />

untergebracht wurde. Der Gedanke, dal3 der Mann da oben<br />

so veriassen iäge, daB niemand für seine Seele bete,<br />

bewog die junge Heldin auf den Berg zu steigen, em<br />

geweihtes Licht neben sein Lager zu stellen und die<br />

ganze Nacht wachend und betend bei der Leiche zu verweiien.<br />

DaB eine soiche Gottes- und Nächstenliebe sich in<br />

gröBeren Opfern Bahn brechen wtirde, lieB sich denken;<br />

auch wurde sie spater "barmherzige Schwester" in Tyrol,<br />

und sie 1st die einzige, welche aile andern Schwestern<br />

Josephs überlebt hat. Gegenwärtig wirkt sie als Sekre-


44<br />

tärin der Oberin von St. Josef sburg in Zams bei Landeck,<br />

wo sie nicht nur Kranke, sondern auch Kinder zu<br />

pflegen und zu unterrichten haben. Die Geschwister<br />

sind sich allerdings fremd geworden: sie haben sich<br />

(Joseph und seine Schwester) seit beide erwachsen sind<br />

nur zweimal gesehen und sich das erste Ial nicht wieder<br />

erkannt. Sie hat, dadurch daf sie so wachsam war<br />

und am Vorabend des Herz-Jesufestes die Capelle schmuckte<br />

eine Brandstiftung entdeckt, weiche zwar das alte<br />

Closter für immer zerstörte, aber doch daB die schiafenden<br />

Kinder nicht ins Verderben stürzen konnten,<br />

denn auf die Hilferufe der Schwester Maxentia. wurden<br />

die armen Kleinen noch rechtzeitig aus den Betten gerissen.<br />

D a v i d war damals als PrHdicant daheim. Seine geistige<br />

Begabung und seine Belesenheit, wie auch sein<br />

angeborenes Talent zum Historiker hätten ihm einen bedeutenden<br />

Wirkungskreis eröffenen können; doch liebte<br />

er seine Heimath und half auch dem Vater.<br />

P e t e r bef and sich im Jahre 1849 als Bundesmilitärmann<br />

im badischen Feldzug und half, den Insurgenten<br />

die Köpfe zurechtzusetzen. Er hatte viel technisches<br />

Talent, war aber ziemlich barsch in seiner Jugend<br />

und hatte gerade für die "trHumerische" Seite<br />

seines Bruders Joseph nicht viel Verständnis.<br />

E 1 1 s a b e t h war damals auch zu Hause, em liebes,<br />

zartfarbiges Mgdchen, sehr geschickt für feine<br />

Handarbeit und für die Pflege der Blumen.<br />

J o s e p h a , eine Stiefschwester, war lungenleidend<br />

und die Qual der Entwicklung dieses Leidens war<br />

dem Bruder Joseph namentlich in späteren Jahren eine<br />

unsäg],iche Pein.<br />

A in a 1 i e, im Jahre 1842 geboren, also nur 3 Jahre<br />

jünger als Joseph, sollte ihm urn ferneren Leben -<br />

und als er einige Zeit in Nünchen selbständig lebte,<br />

am nHchsten stehen.<br />

Nun kam der Tag des "Auszugs" nach Feldkirch. AusgerUstet<br />

mit semen Clavierstudien und einigen Compositionen,<br />

bestehend in Messen iind andern Ubungen, gut


45<br />

versorgt mit liebevollen Lehren seitens der guten fürsorglichen<br />

Mutter - namentlich was das brave Kirchengehen<br />

etc. betraf - ward das Wäglein bestiegen, welches<br />

den hoffnungsvollen Knaben zurn ersten Schritt in<br />

die Welt führte. Der Camerairath Schramrnel nahm den<br />

Knaben in ganze Pension, aber er hatte schon auch sein<br />

besonderes musikalisches Interesse für seine eigene<br />

Person daran, denn allabendlich nahm er seine Violine<br />

aus dem Kasten, legte eine Violinstimme und irgend<br />

eine Orchesterbassstimme oder auch keine Begleitstimme<br />

auf das Kiavierpult, und während er mit seiner Ceige<br />

die Melodie und Ubrige Geigenstimme fiedelte, muate<br />

Joseph die richtige Begleitung ohne Stottern und Besinnen<br />

dazu auf dem Clavier finden. Durch diese Ubung<br />

der musikalischen Geistesgegenwart und Erfindung ward<br />

seine Auffassung so geschärft, dat3 er schlieglich mit<br />

grofer Leichtigkeit das Accompagnement erfand und<br />

durchführte. Das war die Abenderholung. Unter Tags<br />

wurde tEglich eine Harmoniestunde bei dem am Prager<br />

Conservatorium ausgebildeten Chordirektor Schmutzer<br />

von Feldkirch genommen.<br />

Im Orgeispiel hatte Joseph in Feldkirch keinen Lehrer<br />

mehr; doch spielte er öfters in der Pfarrkirche von<br />

Feldkirch, obgleich die FUf3e des Organisten nicht<br />

recht gewachsen waren.<br />

Das Clavierspiel durfte auch nicht vernachlässigt werden<br />

iind so war mit Einschlut3 der täglichen Harmoniestunden<br />

und Aufgaben, wie auch der Clavierstudien der<br />

Tag nie zu lang für Joseph - wohi aber litt er oft an<br />

Heimweh urid versHumte deshaib auch nie semen Sonntagskirchendienst<br />

in Vaduz.<br />

Am meisten interessierten ihn in Feldkirch die Häuser,<br />

wo er em gutes Clavier vermutete. Da ging er dann<br />

ganz offenherzig hin und f rug - wenn ibm die Familie<br />

auch sonst nicht bekannt war - ob es erlaubt sei, auf<br />

ihrein FlUgel zu spielen. Da verrannen ihrn dann die<br />

Stunden gar schnell - zumal er den Schatz der Weber'schen<br />

ClavierstUcke und Sonaten zu heben begonnen.<br />

Der kleine Spieler konnte sich da kaum losreit3en und<br />

raffte erst in letzter Frist seine Noten zusanunen,<br />

wobei es ibm öfters vorkam, daB er später schüchtern<br />

zurUckkehrte, urn seine Mütze oder Hütlein zu holen;


46<br />

denn in Vaduz belästigte er sein Haupt selten mit<br />

einem Schutzdeckel.<br />

Einnial erschien em fremder Virtuose Vincenz Adler,<br />

weicher aus Pest kommend auf Umwegen nach Paris gehend<br />

(ohne sich irgendwie in der Zeit zu drängen) in Feldkirch<br />

em Concert gab und na-mentlich dadurch den kleinen<br />

Musikus verblüffte, daB er schwere Virtuosenstükke<br />

mit der linken Hand allein vortrug.<br />

Eine Zeit lang spielte dann Joseph nicht mehr anders,<br />

als die rechte Hand in die linke Brusttasche geborgen,<br />

mit der Linken frei und wild phantasierend und<br />

Riesenaccorde harpegirend. Vincenz Adler lernte den<br />

Knaben sofort lieben, begab sich zu dessen Vater nach<br />

Vaduz und bot ihm an, semen Uberaus begabten Jungen<br />

mit nach Paris zu nehmen, -urn ihn auf seine Kosten<br />

vollständig als Virtuose I. Ranges auszubilden. Aber<br />

der kluge Vater, der sich schon damals das Clavier<br />

nicht vom "falschen Liszt" zusammenschlagen lieB, vertraute<br />

urn so weniger sein kostbares Kind dem fremden,<br />

wandernden Pianisten an, so dringend dieser auch gebeten,<br />

und so ehrlich er es gemeint hatte.<br />

Joseph blieb zu gründlichen Studien in Feldkirch.<br />

Nahe der Wohnung H. Schrarnmels hauste em pensionierter<br />

Gymnasiallehrer, welcher in einer Truhe auf dem<br />

Speicher musikalische Schätze verwahrte. Dieser etwas<br />

mtirrische alte Herr riihmte sich, daB er in seiner Jugend<br />

den bertihrnten Mozart gekannt und gesprochen. Herr<br />

Noritz hatte närnlich eine gewaltige BaBstimme, zu deren<br />

Ausbildung ihm die Freunde rieten - und zwar könne<br />

er vielleicht bei Capellmeister Mozart in Wien,<br />

wenn auch nicht Unterricht, so doch einen ehrlichen<br />

Rat erhalten.<br />

"Ich ging also hin", erzählte Herr Moritz, "sang ihm<br />

mit voller Stimme aus voller Brust vor, und glaubte,<br />

dem Capellmeister sehr zu iinponieren. Dieser hielt<br />

sich zwar em paar Mal die Ohren zu, sagte aber dann<br />

sehr höflich indern er vorn Clavier auf stand zu -mir:<br />

'Mein lieber Herr von Moritz, nehmens -mir's halt net<br />

übel, aber schauen's anen Ochsen kann ich's singen<br />

net lernen".<br />

Trotzdem das Compliment für das Gebrüll kein erfreuliches<br />

war, so blieb Herr Moritz doch immer stolz


47<br />

darauf, data er noch zu den wenigen Lebenden zählte,<br />

mit weichen Mozart gesprochen - die er eigenhändig<br />

zum Gesang begleitet.<br />

Nit kiuger MäBigung gab Herr Moritz, nachdem er des<br />

kleinen Rheinbergers grofes Interesse an seiner Musiktruhe<br />

erkannt, ibm immer nur em Heft Bach und versprach<br />

erst dann den Austausch des Heftes, wenn Joseph<br />

das geliehene studirt hatte, daf er es ibm auswendig<br />

vorspielen konnte. Und da der Ehrgeiz des Knaben -<br />

nein, das musikalische Ehrgefuhl des trefflich erzogenen<br />

Kindes die WUrdigung soicher Cute ohne besondere<br />

Mahnung verstand und empfand, so quoll jetzt "Bach"<br />

wie em Strom in die Brust iind aus den Fingern des<br />

eifrigen Studenten.<br />

Zurückschauend auf Rheinbergers Kindheit, mut es dem<br />

denkenden Beobachter auf fallen, wie grof3en Einflu1<br />

nicht nur KUnstier, als auch Kunstliebhaber auf die<br />

frUhe Ausbildung des Knaben hatten. Durch soich einen<br />

"Dilettanten" lernte er Mozart, wenn auch in flötenhafter<br />

Zubereitung - so doch in seiner geistigen Tiefe<br />

kennen. Em anderer Dilettant veranlal3te den Vater,<br />

semen Knaben ganz für Nusik ausbilden zu lassen. Der<br />

dritte Dilettant endlich vermittelte ibm die genaue<br />

Kenntnis von Bach.<br />

Dazu kam noch das Leben an kleinen Orten, wo allerdings<br />

wenig oder keine Gelegenheit geboten war für<br />

Theater oder Concert, wo aber die Erholung in schöner<br />

Natur, der unbewulte Einflul3 segenreicher Stätten<br />

(wie die Schattenburg bei Feldkirch etc.) der poetisch<br />

musikalischen Empfindung sehr förderlich sein muBte,<br />

ihr wenigstens das Erdreich für koinmende Saat und<br />

Frucht trefflich vorbereitete.<br />

Dazu kam die Treue in Erfüllung seiner Organistenpflicht<br />

in Vaduz und auf dieser Wanderung bei wechselndem<br />

Wetter - die wechselnde Stinimung in Natur und<br />

Gemüth. Manchmal zog er trumend semen Weg, dessen<br />

Abkürzungen er nun "wie blind" f and - manchmal pressierte<br />

es seinem Herzen nach Hause zu kommen, so daI3<br />

er durch Wiesen und Wald, Uber Bäche und Gräben sprang<br />

immer war's eine Wonne, das Thürmchen von St. Florin<br />

wieder zu sehen, den kleinen Ton der geliebten<br />

Glocke wieder zu hören:


48<br />

S -<br />

-- I I -<br />

i e --1f11<br />

0 süs-se Hei - math, wie so schön<br />

liel3 er später, spater seine Elsbeth (die treue Schwester<br />

der sieben Raben) singen - und damals mag es<br />

schon so in seiner Seele gekiungen haben. Niemand verstand<br />

ihn ganz - und manchmal scheint es mir, als Ware<br />

das - vielleicht -mit einer einzigen Ausnahme -<br />

auch heute (13. November 1891) noch nicht -viel anders.<br />

Eines Tages woilte Herr Schrammel eine Landpartie machen<br />

und zwar in das über Rankweil gelegene Uebersaxen.<br />

Seine Mutter blieb zwar zu Hause, aber die Nichte<br />

und Joseph nahmen freudigen Antheil an der lang besprochenen<br />

Partie. Die schöne Lage dieses hochgelegenen<br />

Dorfes und der herrliche Ausblick in das Rheinthal<br />

gewährte der kleinen Gesellschaft grofen Genu8; aber<br />

leider zogen Wolken herauf und Herr Schramrnel konnte<br />

sich nicht entschliel3en, den Heimweg anzutreten, wollte<br />

vielmehr in Uebersaxen übernachten. Dagegen protestierte<br />

der Pflegling, welcher urn keinen Preis des<br />

andern Morgens 8 Uhr die Harmoniestunde in Feldkirch<br />

versHumen woilte. Gleichzeitig -mit Schrauuiiel war auch<br />

eine andere Gesellschaft angekoimnen, welche jedoch<br />

ebenfalls vorzog die Nacht iinter sicherem Obdach zuzubringen,<br />

und dem drohenden Wetter nicht die Stirne<br />

zu bieten. Sie hatten einen Führer mitgebracht, anscheinend<br />

em Jagdgehilfe, dem sie mehr als nötig war,<br />

Wein aufsetzen liefen, der aber noch Abends zurUckiriul3te<br />

und es übernahm, den Knaben heimzubringen.<br />

Die Beiden gingen flott; der Jäger hatte eine Flinte<br />

über der Schulter und sein wankender Gang, sein unvorsichtiges<br />

Stolpern ohne Rücksicht auf die Flinte Waren<br />

Joseph nicht vertrauenerregend, auch kam es ihm<br />

vor, als verlören sie in einbrechender Dunkeiheit den<br />

Pfad, auch ging es aufwärts statt abwHrts und der<br />

Wald wurde immer dichter. Joseph sprach seine Vermuthung<br />

aus, da8 dies nicht der rechte Weg sei. Aber der<br />

JHgerbursche gab fluchende Antwort und lailte wie em<br />

Trunkener. Da fiel er hin und die Flinte kollerte vor


49<br />

ibm her: Halt! em Auerhahn! rief er, fafte die Flinte<br />

und schof3. Wieder raffte er sich auf, die Dunkeiheit<br />

des Waides nahm aber zu - ais piötziich der Nond durch<br />

eine Lichtung brach und der Jager stehen bleibend, seinen<br />

"SchUtzling" scharf in's Auge fal3te und frug, ob<br />

er em Sohn des Herrn Schrammei sei? "Nein". "Von<br />

wem denn?" "Ich bin aus Vaduz", sagte Joseph. "Aus<br />

Vaduz?!" schrie der Jäger "und wie heift du?" "Rheinberger"<br />

- "So!" brülite der Jäger, "vielieicht vom<br />

Rentmeister?" Und hier folgten Flllche und Schimpfreden<br />

auf diesen, da1 dem Sohn das Biut in den Adern<br />

stockte. Entsetzt sab er in das zornentbrannte Gesicht<br />

des Jgers - und wie von wunderbarer Hilfe durchzuckt,<br />

glaubte der Knabe zu erkennen, dieses Gesicht sei ordentlich<br />

mit dem eines Gärtners, welchen sein Vater<br />

vor em paar Jahren des Diebstahls überwiesen, habe<br />

einsperren lassen: em Fail, der wegen seiner Seltenheit<br />

in Vaduz umso mehr Aufsehen gemacht, ais dieser<br />

unheimliche Mensch als äul3erst rachstichtig gait. Wie<br />

em Biitz durchfuhr den Knaben diese Erinnerung -<br />

und, ehe er sich recht besann, antwortete er auf die<br />

Frage: vieileicht der Sohn vom Rentmeister? "Nein!<br />

vom Löwenwirt Rheinberger!"<br />

Der JHger aber fuhr fort zu fiuchen und auf den Rentmeister<br />

zu schmähen und dem Knaben kiopfte das Herz<br />

starker und banger. Jetzt war der Wald zu Ende und<br />

drunten - in stiilem Mondesgianz lag eine Miihie - hinter<br />

dieser zog die Landstral3e von Aitenstadt nach<br />

Feldkirch. Nur einen Augenbiick besann sich Joseph -<br />

dann rannte er mit Windeseiie bergab der MUhle zu -<br />

der Jager nach - da fiel em SchuB - der zweite aus<br />

der Doppeiflinte - die Angst ieiht Flügei - piötziich<br />

sah der fiiehende Knabe den wassergefUiiten Mtihlgraben<br />

vor sich - des Jagers Stimme nahte - keuchend,<br />

fiuchend - em Riesensprung und der Joseph lag mit der<br />

Stirne gegen das drübere Ufer gedrückt. Alles war<br />

stiil, tief stiii, da raffte er sich auf, erreichte<br />

die Landstrafe und sah - zu seiner nicht geringen Erieichterung<br />

in kieiner Entfernung vor sich einen Fuhrwagen<br />

ziehen. Er hieit sich in dessen Nähe (ohne jedoch<br />

den Fuhrmann anzureden) und dachte: kommt -mir<br />

der Jäger nach, so bitte ich den Knecht urn semen Schutz,


50<br />

sonst aber nicht. Aber dern Verfolger war, wie es<br />

scheint, der Athem ausgegangen -und Joseph konnte sich<br />

allmählich von seinem Schrecken erholen. Als er endlich<br />

Feldkirch erreichteund am Haus des Schrammel anläutete,<br />

und Herrn Schramrnel's Mutter erschrocken offnete,<br />

war es 2 Uhr Morgens! Aber urn 8 Uhr saB der eifrige<br />

Studiosus, als ob nichts geschehen ware, in seiner<br />

Harmoniestunde.<br />

Die Familie Schrammel bewàhnte das sogenannte Lausche<br />

Haus nicht sehr weit -von der Johannespfarrkirche.<br />

Einige Zeit waren die unteren Stockwerke unbewohnt<br />

und nur die dritte Etage -von Josephs Hausleuten<br />

eingenonixnen. Nach einige'r Zeit zog em einzelner, -miirrischer<br />

alter Pensionist em, Namens Reiner, der nie<br />

-mit Jemandem sprach, nur eine Zugängerin hatte, die<br />

seine kleine Häuslichkeit in Ordnung hielt und das FrühstUck<br />

besorgte. Im ubrigen war der alte Herr die PUnktlichkeit<br />

selbst. Gar -inanchen Abend, wenn es 10 Uhr<br />

schlug und Joseph noch wach lag, hörte er am Hausthor<br />

den SchiUssel einsetzen - dann die schlürfenden Schritte<br />

des Sonderlings durch den langen Gang zur Treppe<br />

gehen; hOrte den stöhnenden Atem des Alten und zählte<br />

unwillktirlich die einzelnen Stuf en, von denen die siebente<br />

einen ächzenden Thon unter der Sohle des Alten<br />

gab.<br />

An einem schOnen Sommerabend kam der kleine Organist<br />

ausnahmsweise schon am Sonntag von Vaduz herüber<br />

(während er sonst bis Montag Morgen blieb). Als er an<br />

das Schrammel'sche Haus kam, f and er die Thur ver -<br />

schiossen. Alle batten einen Sonntagsausf lug gemacht,<br />

und da war es unwahrscheinlich, daB sie bald zurUckkämen.<br />

Dennoch wartete Joseph vor dem Hause und als<br />

es abends 10 Uhr war, erschien der sonderbare, schweigsame<br />

Junggeselle und war erstaunt, den Knaben vor der<br />

Thur auf der StraBe zu finden. Nach kurzer Erklärung<br />

lud er ihn em, bei ibm zu Ubernachten - richtete ibm<br />

schweigsam em Lager auf dem Sofa zu recht - gab ihm<br />

sogar andern Norgens em FrUhstUck und entlieB ihn<br />

dann. Bald darauf reiste der Schweigsame nach Carlsbad<br />

ab.<br />

Es mochten acht Tage vergangen sein und wieder lag<br />

Joseph wach in seinem Bette. Da hOrte er unten am Thor


51<br />

den Schitissel einsetzen, hörte des Schweigsamen schleifenden<br />

Gang, zählte in Gedanken die Stufen - richtig!<br />

die siebente ächzte und nun war wieder alles still.<br />

Beim FrtihstUcke sagte Joseph zu Herrn Schrarnmel:<br />

"Herr Reiner ist heute Nacht wieder gekommen!" Man war<br />

erstaunt, frug die Zugängerin; diese wutte nichts,<br />

auch blieb seine Wohnthflre yerschlossen. Nach zwei<br />

Tagen kam die Nachricht aus Carlsbad, Herr Reiner sei<br />

vor zwei Abenden urn 10 Uhr plötzlich yerschieden. Es<br />

rnachte dem Knaben einen eigenthihnlichen Eindruck;<br />

denn daf3 er ganz genau den Schritt nnd das Heiinkommen<br />

des sonderbaren Herrn gehört, dessen war er sicher.<br />

Es war eine "Neldung des Sterbenden".<br />

Das musikalische Feldkirch interessirte sich für den<br />

kleinen Komponisten und Virtuosen. Einigemale durfte<br />

er als Pianist in Concerten auftreten und einmal cornponirte<br />

er für den Nännergesangverein, weichen em<br />

Geistlicher dirigirte, einen Chor, welcher auch zur<br />

AuffUhrung karn. Die Sanger zogen sogar einmal nach<br />

Schlo3 Vaduz, sangen dort oben den Chor und brachten<br />

dem kleinen Componisten em Hoch aus, für welches dessen<br />

Vater in einer kleinen Rede den Dank sprach. -<br />

Diese naive Kundgebung war vermuthlich nicht so geräuschvoll<br />

wie der Applaus für die Clavierleistungen<br />

eines modernen Claviertechnikers, aber angesichts der<br />

dainaligen Verhältnisse und der abgeschiedenen Vaduzer<br />

Welt und Natur doch em Ereignis, von weichern man<br />

einige Zeit sprach.<br />

So endete - nach etwa 5/4 Jahren die musikalische<br />

Lehrzeit in Feldkirch -und nun wurden bei Hofkaplan<br />

Fetz die Studien von Geschichte und Geographie, französisch<br />

und lateinisch mit e'rneutern Eifer aufgenonunen<br />

und fortgesetzt. Noch fand ich em diesbezUgliches<br />

Schulzeugnis:<br />

"Vorweiser dieses, Joseph Rheinberger von hier besuchte,<br />

nachdem er der Nusik wegen aus dasiger Gemeindeschule<br />

entlassen, bei-in Unterzeichneten seit anderthalb<br />

Jahr Privatunterricht in der Religion, deutscher<br />

Sty}übung, in den Anfangsgrtinden der lateinischen<br />

und französischen Sprache.<br />

Sein anhaltender FleiI3, Benehnien und Fortschritte


52<br />

waren in jeder Beziehung ausgezeichnet.<br />

Dieses bezeugt hiernit mit eigenem Siegel und Handschrift:<br />

Joh. Fr. Fetz d. z. Provisor<br />

der fürstl. Hofcaplanei.<br />

Vaduz den 6ten Oct. 1851<br />

Für die Aechtheit dieses Zeugnisses und Eigenhändigkeit<br />

der Schrift und Unterschrift des H. Provisors<br />

Joh. Frz. Fetz hier<br />

Bezirksamt Vaduz den 6. October 1851<br />

Nenz inger<br />

Landesverweser".<br />

Während seiner Privatstudien in Vaduz karn ubrigens<br />

Rheinberger oft nach Feldkirch, denn, wenn es galt in<br />

einem Concerte eine künstlerische l4itwirkung zu erwerben,<br />

so wandten sich die Feldkircher fleil3ig nach Vaduz.<br />

Bel solcher Gelegenheit lernte Joseph den spateren Musikdirektor<br />

von Innsbruck, Herrn Nagiller kennen. Dieser<br />

hatte in Paris einen Chorverein (Mozartverein) geleitet;<br />

doch rnachten sich im Jahre 1849 die revolutionären<br />

Bestrebiingen so breit, daf3 Nagiller mit vielen<br />

Anderen Frankreich verlieB und - auf der Reise Feldkirch<br />

berührend, dort em Concert gab. Zu seiner Uberraschung<br />

f and er als Mitwirkenden den kleinen Rheinberger,<br />

für den er sich sofort thätig interessirte, indem<br />

er einige Tage nach dem Concerte nach Vaduz kam und dem<br />

Rentmeister anempfahl, die höhere Ausbildung dieses<br />

Talentes am Münchener Conservatori-urn geschehen zu lassen.<br />

Noch war Joseph zu jung, aber im Herbste 1851 wurde<br />

doch sein Ränzel geschnürt.<br />

Nagiller, welcher zungchst am Dom in Bozen und später<br />

als Director des Musikvereins in Innsbruck angestelit<br />

war, empfahl noch im letzten Lebensjahre - vielleicht<br />

kurz vor seinem Tode, es rnbge em talentvoller Bozener<br />

Knabe Ludwig Thuille, für den er und seine Frau<br />

sich lebhaft interessirten, nach MUnchen in die Schule<br />

Rheinbergers (an weichem seine musikalische Hoffnung<br />

nicht getäuscht worden) gebracht werden. Frau Witwe Nagiller<br />

hielt treu das gegebene Versprechen und kam<br />

eines Tages nach Kreuth, dann nach München, urn ihren<br />

Pflegesohn zu bringen. Auch sie folgte ihrem Manne bald<br />

im Tode.


53<br />

Am gleichen Tag ward ihm auch em Zeugnis über erfoigreiche<br />

im Jahr seiner Geburt 1839 bestandene Schutzpockenimpfung<br />

durch Landesphysikus Dr. Schädler ausgestelit.<br />

All dies zur Vorbereitung auf die bevorstehende<br />

Reise nach München an das dort unter Director<br />

Franz Hauser errichtete Conservatorium für Musik. So<br />

kam dann die zweite Trennung von Hause heran, und diesmal<br />

war sie ernster, denn von nun an konnte man nicht<br />

mehr an den Sarnstagabenden zum Organistendienst bin<br />

und zurticklauf en. Das Bangen - ob er auch an einern so<br />

grol3en Conservatorium Aufnahme finden würde?<br />

Bruder Peter, Lieutenant in der Liechtensteinischen<br />

kleinen Bundesarmee, solite semen Studiosus nach Winchen<br />

begleiten. Eisenbahn gab es dazumal nicht im October<br />

1851 - wenigstens nicht in Vorarlberg und drüber<br />

hinaus. So fuhren die Beiden mit eigenern Gefährte aus<br />

der schönen Heimath fort.<br />

Wie mag ihnen alien zu }Iuth gewesen sein? Den Eltern<br />

und Geschwistern? Und dem kleinen l2jährigen Joseph?<br />

Es ward immer flacher - zurn erstenmal hätte er den See<br />

sehen können, ware es nicht finster gewesen als die<br />

Feidkircherpost Uber Bregenz fahrend, Lindau erreichte.<br />

Dort blieb man über Nacht. Andern Tages fuhren die Beiden<br />

nach Kaufbeuren - mit Post - und dann nach Augsburg.<br />

Die Bahn brachte sie hierauf nach Naunhofen, von<br />

wo aus sie mit einern Wagen nach Türkenfeld, wo em<br />

Liechtensteiner Narnens Wolfinger als Pfarrer wohnte,fuhren.<br />

Joseph solite em paar Tage bei diesem bleiben und<br />

eine Art Ubergang von der Heimath zur Fremde durchieben;<br />

denn Bruder Lieutenant Peter war nach München vorausgegangen,<br />

'urn vorerst einen kleinen Einblick von der<br />

ihm neuen Stadt zu gewinnen.<br />

Der gute Pfarrer geleitete dann semen Landsmann nach<br />

München. Irn Gasthaus zurn Stachusgarten stiegen sie ab,<br />

der neue Director Hauser ward besucht. Er wohnte damais<br />

in der Fürstenstral3e Nr. 13.<br />

Dieser höchst originelle und geistreiche Mann war em<br />

Freund Moritz Hauptmann's und wird durch die höchst<br />

interessanten Brief e, weiche dieser an ihn geschrieben,<br />

seibst zu einer unverget3lichen Persbniichkeit. Während<br />

eines Zeitraurns von 40 Jahren, 1825 begonnen, wuchsen


54<br />

die Brief e zur stattlichen Zahi von 400 und enthalten<br />

wahre Schätze an Kenntnif, Erfahrung und kiuger, praktischer<br />

Auffassung, weicher stets die ideale Auffassung<br />

der Kunst zu Grunde liegt. Franz Hauser, der soicher<br />

Freundschaft Hauptmann's gewUrdigt war, zählte 57 Jahre,<br />

als Rheinberger bei ihm eintrat.<br />

Geboren 1794 zu Prag, erhielt er eine vollständige<br />

Gymnasialbildung und begann Jurisprudenz zu studiren,<br />

später die Nedizin. Nachdem er privatim in der Nusik<br />

praktisch a-usgebildet war, bewegte ihn die Liebe zur<br />

Tonkunst und eine herrliche Stiuuiie, sich der Sängerlaufbahn<br />

zu widmen. 1817 betrat er zuerst die Bühne<br />

und war bald em gefeierter Barytonist in Kassel, Dresden,<br />

Wien, London, Leipzig -und Berlin, bis er 1846 als<br />

Gesangslehrer und Director an das neu errichtete MUnchner<br />

Conservatorium kam, wo er bis 1864 blieb.<br />

Zwar hatte Franz Hauser em gröBeres Interesse für Sanger,<br />

als für Clavierspieler, fürchtete auch, es möchten<br />

Orgel- und Clavierspiel die Singstirnme beeinträchtigen;<br />

allein er hatte gute Lehrer an der Seite - namentlich<br />

Julius Josef Maier - auch em "fertiger" Jurist,<br />

den die Liebe zur Tonkunst, namentlich zum historischen<br />

Theil derselben nach Leipzig zog, wo er unter<br />

Moritz Hauptmann studirte und dann nach München<br />

als Compositionslehrer kam.<br />

Also die Aufnahmsprufung im Odeon sollte stattfinden.<br />

Pünktlich f and sich Joseph em - nicht ohne pochendes<br />

Herz, ob er auch wohl bestehen würde. Als er jedoch<br />

durch die geschlossene Thüre die Spieler heraush6rte,<br />

dachte er bei sich: "So kann ich's auch". Und als er<br />

seine Prufung bestanden, trat Franz Hauser heraus und<br />

sagte zu den Andern: "Giovinotti, jetzt nehmt euch zusaimuen;<br />

da ist einer - der Kleinste von euch, der überholt<br />

euch alle schon jetzt".<br />

Clavierspiel, Treffen in Spiel und Gesang, alles war<br />

für Joseph scheinbar em leichtes Spiel. Carl Bärinann,<br />

nunmehr Virtuose und Lehrer in Boston, war damals auch<br />

"Aspirant" und hatte sogleich eine liebende Bewunderung<br />

für Joseph gefal3t.<br />

Der junge Musikus ward nun in der Findlingsstral3e bei<br />

einer kleinen Beamtenfamilie, Namens Perstenfeld, unter-


55<br />

gebracht und hatte tg1ich einen ordentlichen Narsch<br />

ins Conservatoriurn zu machen. Die FU13e waren aber behend,<br />

von Feldkirch - Vaduz her, das muBte einmal em<br />

"Wächter des Gesetzest' zu seinem Verdrul3 erkennen, da<br />

Joseph beim Baumklettern in der Nähe des Krankenhauses<br />

ertappt, durch den Gendarnien verfolgt, aber von diesem<br />

im Schnellauf nicht erreicht wurde. Dieser wackere<br />

"Schandemuckel" hatte seine Kietter- und Sprungstudien<br />

nicht im Bergwalde und nicht auf der LandstraIe von<br />

Valdulsch gemachtl<br />

Der damalige beste Clavierlehrer (in Ermangelung eines<br />

besseren) war Professor Christian Wanner und er wurde<br />

nattirlich am Conservatorium angestelit. Auch Joseph war<br />

sein SchUler und erhielt Anleitung zu grol3erer Fingerfertigkeit,<br />

Geist konnte aus diesem trockenen Gesicht<br />

nicht hertiberströmen.<br />

Der Harmonielehrer Professor Wohigemuth war dem Schnupftabak<br />

und blaukarirtem Schnupftuch gleichfalls nicht<br />

so abhold, dai3 nicht die Begeisterung der Schtiler darunter<br />

litt.<br />

"Habens denn gar keine Gedanken", sagte er einst zu<br />

einer SchUlerin, weiche em Motiv erfinden solite, während<br />

er, mm Zimmer auf und ab marschirend, seiner Nase<br />

die ausftihrlichste Pflege angedeihen 1ieI. Das Mädchen,<br />

etwas schwärmerisch angelegt, blickte traurig auf das<br />

riesige Nasentuch und sprach seufzend: "Ach nein, Herr<br />

Professor, gar keine"!<br />

Später sang ich als eifrige Dilettantin oftmals unter<br />

seiner Leitung am Chor der Basilika S. Bonifaz, erinnere<br />

mich aber stets mit Humor der Wohlgemuth'schen Art<br />

zu respondiren. Vom Altare her tönte es:<br />

Tenor<br />

Do - mi - nus vo - bis - curn<br />

und Wohigemuth antwortete vom Chor, das Taschentuch schon<br />

in Nasenhöhe haltend<br />

* 'I<br />

et curn Schpiritu Nasenschneuz tu - o<br />

Trompetenstoss


56<br />

fiber diesen Hariuonielehrer war aber Rheinberger schon<br />

hinaus und er kairi in die Contrapunktstunden von Dr.<br />

jur. Julius Josef Naier, weicher aus Leidenschaft für<br />

die "alte Nusik", Volkslied und Bach seine juristische<br />

Laufbahn verlassen hatte, bei Hauptmann in Leipzig<br />

zu studiren.<br />

Dieser gelehrte }Iann war durchaus nicht einseitig, sondern<br />

mit scharf em Verstande begabt. ("So gescheid ist<br />

der Herr Naiert?, hatte einst seine Haushlterin gesagt,<br />

"dal3 sein Verstand auf der andern Seiten schon<br />

bald wieder nunter geht"!) Leider mul3ten die Stunden<br />

oft wegen seines schweren Kopfleidens unterbrochen<br />

werden, doch war er für Rheinberger, für den er sofort<br />

groBe Theilnahme fa8te, em ausgezeichneter Lehrer,<br />

nicht sowohi im Rahmen des Contrapunktes als auch für<br />

die aligeineine 11usikbildung. Julius Maier versorgte<br />

ihn mit Büchern und Partituren und regte ihn durch seine<br />

manchmal sarkastischen Bemerkungen zu eifrigsten<br />

Studien an.<br />

Wie er über semen Schüler dachte, was er von ihm hielt,<br />

beweist das erste Jahreszeugnis, welches er ihm am<br />

8. August 1852 ausstellte:<br />

"Der Zogling des Königl. bayr. Conservatoriums für Musik<br />

Joseph Gabriel Rheinberger von Vaduz<br />

hat in dem Schuljahre 1851/52 den Lehrcursus des Unterzeichneten<br />

über einfachen Contrapunkt besucht und darin<br />

bei seinem ausgesprochenen musikalischen Talente und<br />

seineni musterhaften Fleiae die befriedigendsten Fortschritte<br />

geniacht, so dal3 er sich bei der in diesen Tagen<br />

abgehaltenen Jahresprüfung auf das Rühmuichste auszeichnete".<br />

Das zweite von Julius Josef Maier ausgestellte Zeugnis<br />

lautet noch günstiger:<br />

"Der Eleve des Königl. bair. Conservatoriums für Musik,<br />

Joseph Rheinberger von Vaduz<br />

hat mm Schuljahr 1852/53 meinen Cursus über doppelten<br />

Contrapunkt bis zur Doppelfuge zu 4 Stimmen mit musterhaf<br />

tern Fleil3e besucht und sich dadurch eine für sein<br />

Alter so überraschende contrapunktische Fertigkeit und<br />

Sicherheit erworben, dat3 derselbe bei seiner ausgespro-


57<br />

chenen musikalischen Begabung zu den schönsten Hof fnungen<br />

berechtigt.<br />

Nünchen 12. Juli 1853 Jul. Naier<br />

Professor am C."<br />

Die Zeugnisse der andern Lehrer lauteten diesen entsprechend,<br />

so konnten die Eltern schon zufrieden sein,<br />

als sie den Studiosus Nusici wieder durch das niedere<br />

Gartenpförtchen in sein Heimathshaus eintreten sahen.<br />

Das war eine Freude! Und Joseph... so glUcklich in der<br />

herrlichen Heimath und an seinem FlUgel!<br />

Gelegentlich einer Prüfung im Conservatorium fungirte<br />

Professor SchafhHutl als Staatskommissär; es war ihm<br />

im Auftrage des Königl. Ninisteriuxns (1853) der Auftrag<br />

eines ausfUhrlichen Referates über das Königl. Musik-Conservatorium<br />

geworden.<br />

Der Verehrer Abb Voglers und Caspar Etts hatte sofort<br />

em scharfes Auge und Verständnis für den begabten,<br />

aufgeweckten Joseph, und lud denselben el ihn in selner<br />

Wohnung zu besuchen. Dieses traute und interessante<br />

Helm im alten DamenstiftgebHude (Aitheimereck) mit<br />

dem sonnigen Blick in den schönen, stillen und weiten<br />

Garten des klosterartigen Baues bot eine wahre Auslese<br />

von interessanten Dingen; denn Professor SchafhEutl,<br />

damals von gro8en Reisen in Frankreich zurUckgekehrt,<br />

war als Professor der Geologie und Conservator der geognostischen<br />

Staatssammlungen, als Oberbibliothekar der<br />

über 300 000 Werke zählenden Universitätsbibliothek<br />

wegen seiner umfangreichen Kenntnisse für Jung und Alt,<br />

für Gelehrte und Ungelehrte, für Reich und Arm eine<br />

höchst anregende, belehrende, erfrischende und wohithätige<br />

Persönlichkeit.<br />

Joseph kam in diese Gemächer mit staunendem Blick: in<br />

eine neue Welt. Schönste Stunden brachte er lernend,<br />

schauend, beobachtend, zuhörend in dieser für ihn so<br />

überaus anregenden, kostbaren Umgebung zu und der emste<br />

Ausdruck seines Gesichtes mochte dem Professor<br />

auch wohlgefallen haben - sonst hHtte er ihn nicht am<br />

30. Juni 1853 photographiren lassen.<br />

Da sitzt er vor mir, der ernsthafte Student, den<br />

linken Ellbogen auf den Tisch, die linke GesichtshHlfte


58<br />

auf die Hand gesttitzt und in der Rechten em beschriebenes<br />

Notenblatt haltend und schaut hinaus in die weite<br />

Zukunft - dennoch its Buck die innerliche Concentration,<br />

die ibm sein Leben lang treu blieb - wie auch die<br />

verständnisvolle Verehrung für Mozart, dessen Statue<br />

vor ibm auf dem Tische steht: eine Mahnung oder Ahnung,<br />

wo das Ideal der Tonkunst für den angehenden Componisten<br />

zu finden sei.<br />

Auf der Rückseite des Bildes steht von Schafhäutl's<br />

Hand geschrieben:<br />

"Joseph Rheinberger, geboren zu Vaduz am 17. Närz 1839.<br />

(photographiert am 30. Juni 1853)<br />

Seinem lieben jungen Freunde als Erinnerung an den<br />

18. lylai 1853. Prof. Dr. Schafhäutl".<br />

Dieser Erinnerungstag bezog sich auf eine ausgezeichnete<br />

Leistung Josephs bei einer Orgelprüfung. Der "liebe<br />

junge Freund" durfte nun seine Erholungsstunden in<br />

belehrendster Weise bei Prof. Schafhäutl zubringen. Da<br />

wurden alte Noten durchgenouimen, alte Steine betrachtet<br />

- auch des fteren bei Schafhiutls Hausherrn und Freund,<br />

dem alten Theobald Böhm Flötenbegleitungen zurechtgemacht<br />

etc.. Freilich ging man auch gerne zu einem guten<br />

Diner zu Zunemanns, wo em Kreis illustrer Jungesellen<br />

der soliden Gastronomie frönte. Der spätere<br />

Minister Freiherr v. Pfretzschner war damals der Adonis<br />

der Gesellschaft. Fleii3ige SonntagsausflUge nach Nymphenburg<br />

oder der alibeliebten Menterschwaige boten<br />

kSstliche Erholungsstunden und manchmal krönte noch<br />

die Abhörung einer Oper den genul3reichen "Freundschaftstag".<br />

Ich hab' die jungen Studenten immer gem urn mich gesehen",<br />

sagte Schafhäutl spEter einmal, "aber einen<br />

zweiten Rheinberger hab' ich nie getroffen, weder vor<br />

noch nach ibm. Dieser gesetzte, liebenswUrdige Ernst,<br />

dieses intelligente, charaktervolle Wesen"! -<br />

Und in weicher Gesellschaft ware der junge angehende<br />

Componist besser aufgehoben gewesen als in dieser?<br />

Die erste Oper, welche Rheinberger in }1ünchen aufführen<br />

hörte, war Mozarts "Zauberflöte" und man kann sich<br />

vorstellen, mit weichen Erwartungen er diesem Genusse<br />

entgegensah. Allein die Enttä'uschung blieb in so ferne


59<br />

nicht aus, als die AusfUhrung des Werkes von Seite der<br />

Sänger, wie auch in der Klangwirkung des Orchesters den<br />

idealen AnsprUchen des jungen Hörers nicht entsprach.<br />

In seinem Sttibchen zu Vaduz, an seinem kleinen, aufrechtstehenden<br />

Flugel hatte er sich eine wahre Flue<br />

von Kiang und Schönheit vorgesteilt - und nun klangen<br />

die Stimmen ehrfurchtslos - vieles wurde im Vergleich<br />

zu seiner Nozart wlrdigenden Empfindung gleichglltig<br />

heruntergesungen, die Feinheiten gingen verloren -<br />

auch in der äul3eren Erscheinung der Musiker vermil3te<br />

er jene Hingabe, die s e in e r musikalischen Empfindung<br />

so selbstverständlich schien.<br />

Wie solite das erst später sein, da er als Solorepetitor<br />

der Hofoper hinter die Kulissen und das "Handwerk"<br />

mit schndder Hand in die Rechte der heiligen Kunst<br />

greifen sah!<br />

Der Hauptlehrer für Orgel war Professor Herzog. Nun waren<br />

Josephs FU13e lang genug geworden, urn ohne Aufsatzpedal<br />

arbeiten zu können und die Bach'schen Präludien,<br />

Fugen und Passacaglien, die ganze Welt des Grotmeisters<br />

that sich auf in Uberwältigendem Klang. Geläufigkeit<br />

und Sicherheit im Partiturspiel war für Rheinberger em<br />

selbstverständliches Ding. So währte es nicht lange,<br />

bis auch Herzog semen SchUler wahrhaft schätzen lernte.<br />

Bisher hatte Joseph mit gewissem Respect zu seinem<br />

Orgelprofessor aufgeblickt, einmal lernte er ihn jedoch<br />

von sehr fideler Seite kennen:<br />

Herzog lud ihn zu einem Spaziergang der Isar entlang<br />

el Ach! das war ländlich und schön! Zuerst lag eine<br />

grofe Wiese vor ihnen. In Herzog brach die Jugenderinnerung<br />

sich Bahn, die aufgestapelten Heuhaufen waren<br />

gar zu einladend. Quer lber die Wiese rennend sprang<br />

er lbermuthig lber die Heuberglein - Joseph ihni nach.<br />

Wer konnte es behender, wer sprang höher? Die RIcke<br />

ausgezogen - und nun Purzelbäume Uber die Heuhauf en -<br />

kein Lauscher war ja nah. Und nun kamen die Uberfälle<br />

an der Isar. Balken schwamrnen im Wasser, des F1ofdienstes<br />

harrend. Auf diesen zu balanciren - welche<br />

Lust! Der leichtflf3ige Rheinländer sprang von Balken<br />

zu Balken, der gewichtigere Organist ihm nach - o weh!<br />

der Stiefel war zu plump - er rutschte aus, und Herzog<br />

fiel ins Wasser.


60<br />

"Ja, du kannst gut lachen", klagte er komisch, "dU<br />

hast keine Frau zu Hause, die dich auszankt! Aber ich"l<br />

Nun wurden die Kleider und Strtimpfesorgfältig getrocknet<br />

und Joseph konnte sich nicht genug Uber die<br />

Variationen im Gesichtsausdrucke seines Lehrers verwundern.<br />

Es war wirklich eine unvergel3liche Stunde!<br />

Als Professor Wanner sich vom Conservatorium zurückzog,<br />

wurde Emil Leonhard Rheinbergers Klavierlehrer.<br />

Dieser gutmUthige Sachse mit wallend schwarzem Haar<br />

und nicht immer motiviert ausplatzendem zischendem<br />

Lachen und eingestreutem "Nun ja" wurde bald em intimer<br />

Freund von Julius Josef Maier, und wenn die beiden<br />

mit ihren blonden resp. schwarzen Mähnen nebeneinander<br />

im Concertsaal erschienen, so konnte man viel<br />

treffende Weisheitsspruchlein hören. Es war em originelles<br />

Freundespaar, deren Frauen spter das Duo zu einem<br />

liebenswürdigen Quartett verdoppelten. Die Character<br />

waren zwar verschieden; während Julius Maier eine<br />

durchweg kritische Natur war und seine treffenden Bemerkungen<br />

mit gründlichen Tabaksprisen unterstützte,<br />

sprach Leonhard - allerdings mit fragenden Blicken nach<br />

der Gutheil3ung seiner Frau - in milderer Tonart. Sein<br />

Oratorium "Johannes" war em tflchtiges Werk, wenn<br />

auch manche Chore etwas bieder endigten.<br />

Rheinberger nutzte seine Zeit aus.<br />

Frühzeitig selbständig zu sein - sich im Unterrichten<br />

zu üben - Bach, HEndel, Weber - selbst Mendelssohn<br />

durch Abschrift genau kennen zu lernen - welch eine<br />

Schule!


61<br />

Rheinbergers Vater bediente sich der Hilfe seines Vetters<br />

Wolf inger, der Pfarrer in Türkenfeld war, urn für<br />

semen Sóhn in München die notwendigen Verbindungen zu<br />

knUpfen.<br />

Wolf inger schreibt Uber seine Bemühungen nach Vaduz:<br />

Türkenfeld, den 24. Septbr.1851<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Geehrtester Herr Vetter!<br />

In Ihrem sehr verehrten Schreiben, womit Sie mich den<br />

18.d.M. beehrten, suchen Sie Ihre WUnsche bezuglich<br />

Ihres jilngsten Sohnes zu erkennen zu geben, wonach Sie<br />

diesen hoffnungsvollen Knaben ins Musikalische Conservatoriurn<br />

nach MUnchen zu bringen beabsichtigen.<br />

Geehrtester Herr Vetter! was ich in dieser Beziehung<br />

für den guten Joseph, sollte derselbe wirklich nach<br />

MUnchen kommen, zu thun im Stande seyn werde, wird mit<br />

der gröl3ten Bereitwilligkeit geschehen, u. es wird mich<br />

freuen Veranlassung zu finden, Ihre mir stets frUher<br />

zugewandte Liebe und Freundschaft an Ihrern jungen Sohn<br />

einigerrnal3en erwidern zu können.<br />

Die Vorstände der fraglichen Anstalt sind gegenwärtig<br />

noch in Urlaub, ich konnte demnach noch nicht Gelegenbelt<br />

finden mit ihnen persönliche Rucksprache zu nehmen,<br />

dieselben werden jedoch bald retour erwartet, wo<br />

ich dann nicht ermangein werde theils directe, theils<br />

rnittelst guter Freunde mich an sie zu wenden.<br />

Inzwischen erlaube ich mir die Statuten der Anstalt in<br />

Abschrift anliegend mitzutheilen, u. bitte wohl darauf<br />

Bedacht zu nehmen, daf3 neben den gehörigen Schulzeugnissen<br />

auch<br />

a) Geburts= b) Impf= c) Armuthszeugnil3<br />

mitgebracht werden soll.<br />

Für höchst billige Logie, Kost und gute Aufsicht wird<br />

vorläufig das Nöthige eingeleitet werden, u. gewil3 in<br />

jeder Beziehung zu Ihrer volisten Beruhigung. Mit der<br />

Zeit werden auch mehrere Wohlthäter gewonnen werden<br />

können, urn so die Auslagen viel möglichst zu erleichtern.<br />

Bleibt der Knabe bray und fleil3ig, wofUr bereits die<br />

Ubersandten Zeugnisse sprechen, so wird er sich selbst<br />

In kurzer Zeit empfehlen, und bald mit leichten Kosten


62<br />

sich in MUnchen durchzubringen im Stande seyn.<br />

Die nächsten Tage hoffe ich Ihnen über das Weitere genügenden<br />

Aufschlul3 ertheilen zu können.<br />

Genehmige Euer Hochwohlgeboren inzwischen die Versicherung<br />

besonderer Hochachtung u. Verehrung,<br />

womit zu zeichnen die Ehre hat<br />

Ihr ergebenster J.T. Wolf inger, Pfarrer<br />

N.) bitte aufrichtig Empfehlungen u. Grtiie vermelden<br />

zu wollen."<br />

Drei Wochen später erbittet Wolfinger amtliche Unterlagen,<br />

urn Josef Rheinberger in München ordnungsgemäI<br />

etablieren zu können:<br />

Türkenfeld den 6ten Oktobr.1851<br />

"Euer Hochwohlgeboren<br />

Geehrtester Herr Vetter!!<br />

Beehre ich mich zu benachrichtigen, daIs Peppi wenn er<br />

nach MUnchen komnien will, die nächsten Tage in TUrkenfeld<br />

eintreff en möchte - indem schon den 12. d.M. die<br />

Prüfungen behufs Aufnahme der Zöglinge ins MusikConservatorium<br />

vorgenommen werden.<br />

Für Logie, Verpflegung etc. 1st bereits das Nöthige<br />

vorbereitet, die def3falsigen Ausgaben könnten auf circa<br />

11 fl per Monat kommen.<br />

Ob in Bezug des Honorars per 40 fl an die Anstalt em<br />

ganzer oder theilweiser Nachlal3 erwirkt warden wird,<br />

kann an der Hand noch nicht bestimmt warden, jedenfalls<br />

werden aber in diesem Betreff die geeigneten<br />

Schritte gemacht werden, zu welchem Zwecke jedoch unabläIlich<br />

em Armuthszeugnil3 zur Vorlage ans K. Ministerium<br />

benothigt wird.<br />

Der Director der Anstalt 1st noch nicht von seiner Vakanzreise<br />

zurückgekehrt - ich konnte mithin noch nicht<br />

Gelegenheit finden, mit ihm zu sprechen. - Was übrigens<br />

die Aufnahme betrifft, so wird es keinem Anstande<br />

unterliegen.<br />

Die Raise nach Türkenfeld kann am leichtesten Uber<br />

Lindau, Kempten nach Kaufbeuren auf der Eisenbahn u.<br />

mittelst der letzteren über Augsburg nach Naunhofen,<br />

welcher Ort zwischen Augsburg und München und nur 3


63<br />

Stund von TUrkenfeld weg liegt, gemacht werden.<br />

Ihrer verehrten Familie, dann Herrn Pfarrer Vetter Wolfinger<br />

wie alien geistlichen, weitlichen Freunden u.<br />

Bekannten herziiche GrU8e u. Empfehiungen zu vermelden<br />

bittend gepaart mit besonderer Hochachtung u. Verehrung<br />

Euer Hochwohlgeboren<br />

ergebst. J.T. Woifinger, Pfarrer".<br />

Nach erfoigter Aufnahme berichtet Wolf inger dem Vater<br />

des frischgebackenen Musikschuleleven:<br />

TUrkenfeid, den 25ten Oktobr. 1851<br />

"Euer Hochwohigeboren!<br />

Geehrtester Herr Vetter!<br />

Es freut inich herzlich die Ihnen durch Herrn Sohn Peter<br />

bereits gernachten Mittheiiungen in Betreff auf Pepi bestätigen<br />

zu können. Der junge Paganini hat wirkiich<br />

die Prüfung mit Auszeichnung bestanden, u. ist nach eigener<br />

Versicherung des Hr. DirectorsHauser,den ich noch<br />

nachgehends zu sprechen die Ehre hatte, der beste von<br />

Alien, weiche dieses Jahr ins Conservatorium aufgenommen<br />

worden sind. -<br />

Herr Director versprach sich dieses hoffnungsvolien<br />

Knaben besonders annehmen zu woilen, u. so werden auch<br />

nicht wenige der Ubrigen Professoren ihm ihre Aufmerksamkeit<br />

zuwenden. -<br />

Herr Director wilnscht den Knaben in einer Logie zu sehen,<br />

wo er seibst auch im Famiiien=Kreise zu sociaier<br />

u. musikaiischer Ausbildung Gelegenheit fände. Die<br />

Frau Directorin bemühte sich seibst eine soiche solide<br />

Familie zur Aufnahrne des Knaben zu bewegen, ailein<br />

Herr Peter und ich getrauten uns ohne Ihr Vorwissen<br />

nicht auf die gernachten Forderungen einzugehen, -<br />

man veriangte per Monat für Kost, Logie, Mitgebrauch<br />

der musikaiischen Instrumente 22f1, kEme noch Wasch<br />

und Hoiz dazu, so machte es monatlich die Summe von<br />

24f 1. Das war uns zu viel. - Ailerdings wtirde Pepi ungemein<br />

viel profitiren, und unter der Leitung eines<br />

Farnillenvaters wie Herr Schöngen 1st, zu dem er kommen<br />

soilte, gewi8 in kurzer Zeit em tüchtiger Mann in<br />

seinem Fache werden. Soliten Euer Hochwohigeboren diese<br />

grof3en Kosten nicht scheuen, so bitte ich urn baidige


64<br />

Nachricht, bis dahin wird Pepi in dem bis jetzt inhabenden<br />

Quartiere bleiben, wo, wie Ihnen. Herr Peter gesagt<br />

haben wird, er monatlich für die ganze Verpflegung<br />

incluslo des Kiaviers nur 16f 1 zu bezahien hat.<br />

- Für das Klavier allein fordert man an andern Orten<br />

2 - 3 fi per Monat. -<br />

Die Familie, wo Pepi jetzt 1st, ist auch sehr bray, es<br />

fehit nicht an guter Aufsicht. Allerdings hat Pepi einen<br />

weiten Weg ins Conservatorium u. leider nicht diese<br />

sehr gewfinschte Gelegenheit bey Familien=Concerten<br />

mitzuwirken.<br />

Uber bisherige Zufriedenheit des Herrn Pepi bin ich<br />

so frei em Briefchen einzulegen, weiches er mir gestern<br />

zukoinmen lief3.<br />

Pepi wird zwey Jahre das Conservatorium bis zu seiner<br />

gehörigen Ausbildung zu besuchen haben - andere Zoglinge<br />

müssen oft 3 - 4 und 5 Jahre darin seyn. Pepi hat<br />

sich auch etwas irn Violin=Spiel zu üben, in so welt es<br />

nemlich zu musikalischen Compositionen nothwendig 1st,<br />

es wird auch gut seyn, wenn er die Zeit, die ihrn bey<br />

seinem Fachstudium übrig bleibt, auf deutsche Styl=<br />

Ubung verwendet, wozu ihm Gelegenheit gegeben werden<br />

wird. - Ich werde nHchstens wieder nach München kommen,<br />

und sehen, was nach dem Erachten der Herrn Professoren<br />

weiteres zu thun. Von den 40f 1, weiche ans<br />

Conservatorium zu zahien sind, 1st kein Nachlal3 für<br />

Pepi zu erwarten, well er - "Ausländert' 1st.<br />

Wenn nun auch einmal em Bayer auf elne Liechtenstelnische<br />

Akademle koinmen solite, wird man wohlweislich<br />

nicht vergessen "Repressalien't zu üben.<br />

Titl. Herrn Vittorlo Forense in Schaan bitte ich melne<br />

Empfehlung zu vermelden, mit dem Bemerken, daB ich<br />

nächstens in der ihm bewuf3ten Angelegenheit günstigen<br />

Bericht ertheilen zu können hoffe. -<br />

Unter 2000 GrUBen Ihrer verehrten Familie, dem Titi.<br />

Herrn Vetter Wolfinger, Herrn Doktor Gra2 und Schädler<br />

zeichnet mit besonderer Hóchachtung<br />

Euer Hochwohlgeboren<br />

Ihr Vetter Pfarrer Wolf inger".<br />

Josef Rheinberger selbst greift am 27. Oktober zurn<br />

ersten Mal zur Feder, urn über sein Befinden in der


65<br />

bayerischen Metropole zu berichten:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ich halte es für meine kindliche Pflicht, Euch bald<br />

Nachricht von mir zu geben. Ich ergriff demnach freudig<br />

die Feder, weil ich nur Gutes schreiben kann.<br />

Am l6ten d.M. verlieI mich der Peter, wenige Stunden<br />

hierauf Hr. Pfarrer Wolfinger. Dies fiel mir em wenig<br />

schwer. Denn ich stand nun ohne Bekannte in einer<br />

fremden, grol3en Stadt. Aber die Freundlichkeit u. herzliche<br />

Aufnahme meiner Quartierleute stimmten mich bald<br />

wieder heiter, so, daf3 ich ganz ohne Heimweh davon gekommen<br />

bin. Mir ging es bisher, Gottlob! immer nach<br />

Wunsche. Hr. Perstenfeld sorgt für mich, wie für sein<br />

einziges Kind, an Leib u. Seele, so kann ich Euch gewil3<br />

versichern, u. er wird em paar Zeilen für Euch<br />

beilegen.<br />

Am l6ten d.M. ging ich mit Hr. Pfarrer Wolfinger zum<br />

Herrn Grafen Torring-Seefeld, weicher die Güte hatte,<br />

mir eine 10 fi Banknote zu schenken, mit dem Bemerken,<br />

da ich em Glas Bier auf Seine Gesundheit trinken<br />

solle. Auch salle ich zu Ostern auf sein Schlof3 Seefeld<br />

kommen, versehen mit einem Zeugnisse des Hr. Direktors<br />

Hauser. Falle dieses gut aus, so wolle er<br />

für's Weitere sorgen. (So drückte er sich kurz aus).<br />

- Diese grEfliche Banknote kam mir sehr wohi zu Statten.<br />

Denn als ich dem Hr. Direktor Hauser den 1/4 jährlichen<br />

Betrag des Schulgeldes (10 fi) entrichtete, bemerkte<br />

er, ich müsse noch 5 fl 24+er für den Gebrauch<br />

der Bibliothek u. weiter 2 fi 24+er als Einlage entrichten.<br />

(Die 5 fi u. 24+er bekomme ich jedoch am Ende<br />

des Schuljahres zurUck).<br />

Ich habe nur 2 FHcher der Musik, Klavier u. Harmonie<br />

u. Kontrapunktlehre. In beiden Fächern sind tuchtige<br />

Meister meine Lehrer. Die Kiavierstunde habe ich mit<br />

2 Erwachsenen, mit einem l6jahrigen, weicher sehr gut<br />

spielt, und einem l4jahrigen. - Harmoniestunden ebenfalls<br />

mit 2 Erwachsenen. Die 4 Erwachsenen können so<br />

ziemlich nicht viel für ihr Alter, denn ich will alien<br />

gleichkommen.<br />

Dem Hr.Pfarrer Wolf inger habe ich schon geschrieben.<br />

Im Ganzen gefälit as mir in München. - 1st noch


66<br />

nichts von Frankfurt gekonimen? - wie geht es dem Hanni?<br />

u. Euch alien? GrUf3t mir alle, besonders die Mutter,<br />

den David, den Peter, die Josepha, das Hanni, den Toni,<br />

das Lise, das Male u. alle Verwandte u. Freunde. -<br />

Gott erhalte alle, u. besonders Euch noch lange u. gesund.<br />

Ich verbleibe Euer dankbarster Sohn<br />

Joseph Rheinberger<br />

Meine Adresse: An Joseph Rheinberger, Zögling des Conservat.<br />

der Musik zu MUnchen, Maxiniilians-Vorstadt,<br />

Findlingsstral3e Nr. 1/1 links, nchst der protestantischen<br />

Kirche".<br />

Einen ausführlicheren Bericht schrieb Rheinberger<br />

einen Monat später nach Vaduz:<br />

München, den 2ten Dez. 1851<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Durch Euren Brief vom iten vorig. M. erfreut, halte<br />

ich es für meine Pflicht, Euch nicht lange unbeantwortet<br />

zu lassen, da ich weil3, dal3 Ihr gewi8 schon Antwort<br />

erwartet habet.<br />

In Eurem Schreiben drUckt Ihr Euer Verwundern aus, daB<br />

ich nichts von der Orgel geschrieben habe. Dies that<br />

ich def3wegen, weil ich bisher noch keine Orgelstunde<br />

genol3en habe. Es wird Euch der Peter schon gesagt haben,<br />

daB an meiner Aufnahmsprufung der Hr. Direktor<br />

glaubte, daB Clavier= Harmonie= Contrapunct= u. Orgelstunden<br />

zu viel für inich sei, wel3wegen ichletzteres<br />

weglassen solle, da ohnehin der Anschlag auf der Orgel<br />

u. dem Claviere so verschieden ist, daB durch den<br />

Orgelunterricht der des Klavieres beeinträchtigt werden<br />

könnte - so lieB ich mich wirklich em wenig emschUchtern.<br />

Als ich aber sah, daB die Unterrichtsstunden<br />

so spärlich ausgetheilt werden (es werden nämlich<br />

in der Woche für jedes Fach nur 2 Stunden gegeben,<br />

deren jede 2 Stunden dauert) u. mir bei allen Aufgaben<br />

noch Zeit zu einem Gegenstande der Musik übrigbliebe,<br />

so ging ich zweinial zum H. Direktor u. bat<br />

ihn, inir zu erlauben, Orgelunterricht genieBen zu dUrf<br />

en. Das erstemal fruchtete es nichts, das andere mal<br />

lieB er aber nach u. gab inir die Erlaubnif3. Ich werde


67<br />

also ktinftighin 6 Unterrichtsstunden haben, was mir sehr<br />

lieb ist, da der berUhmte Herzog Orgelunterricht ertheilt.<br />

An der Slngstunde möchte ich nicht theilnehmen, da kelner<br />

von meiner GröI3e dieses thut, sondern nur lauter<br />

Erwachsene. Von Aestethik und Akustik habe ich bisher<br />

weder etwas gesehen noch gehört. In der Harinonie= und<br />

Clavier=Lehre bin ich in der höchsten Kiasse. Bel dem<br />

Orgelunterricht werde ich wahrscheinlich von vorn anfangen<br />

müfen, weil zwischen dem wahren und dem unsrigen<br />

Orgelspiel em gro1er Unterschied ist. -<br />

Hier in Ntinchen ist eine theure Polizei, da mich die<br />

Aufenthaltskarte schon vierthaib Gulden kostete u. noch<br />

ferner monatlich 12+er kosten wird. -<br />

Herr Pfarrer von Türkenfeld hatte das monatliche Kostgeld<br />

richtig geschickt u. mir schon einmal geschrieben.<br />

Mein Quartierherr 1st sehr liebreich gegen mich u.<br />

brachte es zu Stande, dal3 ich bel Bräumeister von Knorr,<br />

der ems der besten Kiaviere in München besltzt, spielen<br />

darf, so oft ich will, was mir sehr lieb ist, da<br />

das unsrige Klavier so beschaff en 1st, wie das, weiches<br />

ich in Feldkirch gehabt habe. Auch muI3 ich in's Conservatorium<br />

ein starke 1/2 Stunde welt gehen, was im<br />

Winter sehr unangenehm 1st. Hier liegt seit Allerheiligen<br />

Schnee u. herrscht gro2e Kälte u. furchtbare<br />

Theuerung. -<br />

Herrn Lampert und H. Fetz habe ich die Briefe abgegeben,<br />

beide nahmen mich freundlich auf u. bin zu keinem<br />

seither gekommen.---<br />

Wie 1st bei Euch die Weinlese ausgefallen? -<br />

1st es in Vadutz auch so strenger Winter? Spielt Falk<br />

noch mimer Orgel? Wie geht es Euch alien, dem Hanni und<br />

dem Vetter Ludwig? GrW3t mir alle Verwandte und Bekannte.<br />

Ihr seid gewil3 alie gesund,<br />

was Gott Lob auch<br />

1st Euer dankbarster Sohn<br />

Josef Rheinberger.<br />

Viele Empfehlungen u. Grtif3e nebst elnem Brief e von<br />

H. Perstenfeld."<br />

Der beiliegende Brief von Rheinbergers Quartierherrn<br />

hatte folgenden Wortlaut:


68<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Da Ihr Sohn Joseph Ihnen ohnedie8 gerade schreibt, so<br />

kann ich umhin nicht anders, als diese Gelegenheit benützend,<br />

an Euer Hochwohlgeboren einige Zeilen zu<br />

rich ten.<br />

Gleich zum Voraus will ich Ihnen berichten, daB es mit<br />

Ihrem Pepi, ineinem geliebten Schtitzling, in jeder Beziehung<br />

sehr wohi stehet, und daB wir ihn lieben wie<br />

unseren Sohn. Weil Sie mich aber in Ihrem letzten<br />

Schreiben aufgefordert haben, Ihnen in Bezug auf die<br />

Heranbildung Ihres Sohnes meine Erfahrungen und mein<br />

Gutachten initzutheilen, so will ich dieses un aufrichtigen<br />

Pflichtgefühle der Nächstenliebe ganz unverholen<br />

thun, und schreiben wie mein Herz denkt. -<br />

DaB Pepi em inunenses Talent zur Musik besitzt, ist unbestreitbar,<br />

und er 1st somit ganz am rechten Platz,<br />

wo er semen Zweck erreichen kann. Doch hat es mit<br />

dem Zweck so seine eigene Bewandtnil3; denn den Zweck,<br />

em tüchtiger Musiker zu werden, erreicht er schon,<br />

aber ob er auch den Zweck erreicht, daB die Musik allein<br />

ihn versorgen wird, daB ist etwas Anderes. Kapellmeister<br />

und Chor= respective Orchester=Direktor wird<br />

man nicht alle Tage, und die Organisten=Stellen sind<br />

selten so einträglich, daB man davon standesmäBig leben<br />

k&inte, sohin sind die Organisten gewöhnlich gezwungen,<br />

zur AufbeBerung ihrer kümmerlichen Verhältnil3e,<br />

Klavierunterricht zu geben. -<br />

Weil ich dieB aus eigener Erfahrung besttigen muI3, so<br />

schrieb ich neulich an Hr. Hochwürden Titl. Herrn<br />

Pfarrer von Türkenfeld, daB man dem Pepi wenigstens<br />

die französische Sprache erlernen lassen möge, well<br />

grol3e Herrschaf ten - weiche natürllch am besten bezahlen<br />

- gewöhnlich fordern, daB man den Musikunterricht<br />

in französischer Sprache geben soll. -<br />

Of t bekömmt man derlei Kinder zu unterrichten, weiche<br />

von fremden Herrschaf ten sind, und gar nicht deutsch<br />

sprechen, nun aber sprechen doch alle, sie mögen Russen,<br />

Engländer etc. seyn, gewil3 französisch; es ereignet<br />

sich daher oft, daB der tüchtigste Musiklehrer,<br />

weil er nicht französisch kann, nicht genonunen, em<br />

Stümperer in der Nusik aber, weil er nur der Sprache<br />

mächtig 1st, aufgenonnnen und gut bezahlt wird.


69<br />

Uber diesen Gegenstand sprach ich zwar mit erwähntern<br />

Herrn Pfarrer schon am ersten Abend, als wir uns<br />

kennenlernten, aber in anderer Art.<br />

Ich sagte nämlich damals, dat3, wenn der Knabe mein Ware,<br />

ich denselben studiren lieI3e, und die Musik als<br />

Nebensache betrachten würde. - Da aber hier em anderes<br />

Verhältni8 besteht, so möchte ich doch jedenfalls<br />

dazu rathen, dal3 Pepi doch allerwenigstens die 4 Vorbereitungsklassen<br />

der Lateinschule durchmachen wUrde;<br />

denn er kann in seiner Eigenschaft einmal eine Stelle<br />

bekommen, was nicht selten der Fall ist, da er<br />

Chorregent, Cantor und Organist zugleich 1st, da<br />

braucht er dann das Latein so nothwendig als den Choralgesang.<br />

- Würde er aber sogar das Gymnasium absolviren,<br />

und immer nebenher die Musik fortsetzen, so<br />

wUrde er freylich em wissenschaftlich gebildet vollendeter<br />

Mann dastehen. -<br />

Es sind diel3 nur einlge UmriBe, einige Andeutungen,<br />

welche aber allerdings einiger Berücksichtigung in<br />

so ferne wUrdig seyn dUrf ten, da sie auf Erfahrung gegrUndet<br />

sind. Ich stelle es Ihrem weisen Ermessen anhelm,<br />

was Sie hierUber zu verfugen für gut finden werden,<br />

und stelle mich zufrieden, meine Pflicht in der<br />

Art gethan zu haben, daB ich meine Erfahrungen Ihnen<br />

hiemit mittheilte; und empfehle mich in ausgezeichneter<br />

Verehrung und Hochachtung<br />

als<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

München, den iten Dezember 1851<br />

Viele Empfehlungen von<br />

meiner Frau und meinem<br />

Sohn Ludwig."<br />

ergebenster Diener<br />

Johann Ev. Perstenfeld,<br />

Magistrats funktionär<br />

Wolfinger berichtet von einer Visite bei seinem Schutzbefohlenen<br />

in Nünchen an Rheinbergers Vater nach Vaduz:


"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Geehrtester Herr Vetter!<br />

70<br />

TUrkenfeld, den 8. Dez. 1851<br />

Post Inning.<br />

In den letzten Tagen befand ich mich in München, traf<br />

den Pepi gesund u. zufrieden, - sprach iiber sein Verhalten<br />

mit den Herren Prof e1oren, von denen ich alles<br />

Gute u. Rührnliche vernehmen konnt, u. hiemit mit vielem<br />

Vergnilgen zu berichten die Ehre habe. -<br />

Urn die frelen Stunden auszufüllen, genieit Pepi nun<br />

auch Unterricht in der französischen Sprache. -<br />

Da diese Sprache in dem Conservatorium der Musik nicht<br />

gelehrt wird, so inu1te anderwärts eine Instruction gesucht<br />

werden, man forderte jedoch für 4 Stunden in der<br />

Woche 4 his 5 f 1, was mir zu theuer vorkam, u. mich<br />

deshaib an mehrere gute Freunde wendete, wodurch ich<br />

Gelegenheit f and einen Sprachlehrer zu vermögen dem<br />

Pepi für nur 1 fi 30+er per Monat alle Tage elne Stunde<br />

zu geben, wobey jedoch der kleine Mozart zu dem<br />

Lehrer in's Haus gehen muf3 wozu er Zeit und Gelegenheit<br />

genug hat. -<br />

Die monatlichen Auslagen, Bücher etc. abgerechnet, machen<br />

nun 17 fi 30+er. Dabei kann Pepi auch in einem<br />

Privathause em schönes und sehr gutes Kiavier unentgeitlich<br />

benützen. - Zur italienischen Sprache hat<br />

Pepi nHchstes Jahr im Conservatorium Gelegenheit. -<br />

Ich zweifle nicht, daB Euer Hochwohlgeboren mit dem<br />

bisherigen Arrangement einverstanden seyn werden?<br />

Es 1st mein Streben, so wohifeil als möglich zum erwünschten<br />

Ziele zu kommen, wobey natürlich Zeit und<br />

UmstHnde wohi zu berücksichtigen sind. Dadurch hoffe<br />

ich auch, wenn nicht in diesem Jahre, doch im nchsten<br />

es dahin zu bringen, noch auf billigere Weise<br />

für Pepi sorgen zu können. -<br />

Alles Schöne Ihrer werthen Familie zu melden und zugleich<br />

die herzlichsten Wünsche zum nahen Jahreswechsel<br />

entgegenzunehrnen<br />

bittend zeichnet<br />

Mit vorzUglicher Hochachtung und Verehrung<br />

Euer Hochwohlgeboren<br />

ergbst. J.T. Wolfinger, Pfarrer".


71<br />

Am Sylvestertag 1851 schreibt Josef Rheinberger, das<br />

erste Mal zum Jahreswechsel nicht in der Heimat, elnen<br />

dankerfUliten Brief an seine Eltern:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ich kann das neue Jahr nicht besser beginnen, als wenn<br />

Ich mich mit einem, mit all' den Gefühlen erfUlle, welche<br />

Eure elterliche Gilte mir von zartester Kindheit an<br />

eingeflöl3t hat. Ihr bemühet Euch, meine Wohlfart zu begründen.<br />

Vor allem habt Ihr mich gelehrt, den hohen<br />

Werth Eurer Wohithaten zu fUhlen, weiche mir die heisseste<br />

Dankbarkelt einflöl3en. Gott belohne Euch dafür<br />

durch Alles, was Euch das Leben versül3en kann. Möchte<br />

mich doch seine Gnade einstens in den Stand setzen, Euch<br />

zu beweisen, dal3 Ihre Sorgfalt nicht umsonst gewesen.<br />

Ich werde trachten, durch FleiI u. gute Sitten Eure<br />

Hoffnungen zu rechtfertigen, die Ihr in mich setzt. -<br />

Eure zwei Brief e habe ich erhalten u. daraus mit Freuden<br />

entnommen, daB Ihr alle Euch wohi befindet. Am Ende<br />

d. Mnts. Nvmbr. besuchte mich H. Pfarrer von Türkenfeld<br />

und empfahl mich dem H. Baron von Perfall, den ich<br />

mit dem Quartierherrn besuchte. - Dann erkundigte er<br />

sich beim H. Direktor,den H. Professoren, ob sie mit<br />

mir zufrieden seien. Die Zahi der Professoren des Conservatoriums<br />

beträgt 13, u. die der SchUler 110. Die<br />

Orgel im Cnsrvtm ist zwar klein, aber einzig in ihrer<br />

Art. Sie hat 2 Manuale, em gewohnliches, em Crescendo-pedal<br />

und 22 Register und kostete 6000 f 1. Die hiesige<br />

Kirchenmusik 1st nicht besser (oft noch schiechter)<br />

als in Feldkirch, auBer in der Allerheiligenhofkapelle<br />

u. in der Basilika. Auch die Militärmusik ist<br />

nicht so gut wie die österreichische. Bisher war ich<br />

in der kgl. Residenz u. in der Pinakothek. -<br />

Auch in der Bavaria bin ich gewesen. Dieser KoloB 1st<br />

mit FuBgestell 95' hoch, ohne daBelbe 65'. Das KopfstUck<br />

wiegt 200 Cntnr. Die Breite des Mundes betragt<br />

15'', die des Auges 11''; die LEnge der Nase 1,11'',<br />

die Lange des Gesichtes 5,3''; die Lange des Zeigef ingers<br />

3,2''; der Umfang des Arms 5,1''; die Lange des<br />

Armes mit dem Kranze 24,9''. Der Nagel der kleinen Zehe<br />

1st 3'' breit. Zum Kopfe empor fUhren 124 gul3eiserne<br />

Staffein. In demselben finden nur 6 erwachsene Personen


72<br />

Platz, aber nicht jnehr, wie ich mich selbst uberzeugt<br />

habe. Nit dein französischen geht es mir sehr gut, wenn<br />

ich nur inehr Zeit darauf verwenden könnte. Auch mu8te<br />

ich eine andere Grammatik und em kleines franz. Lesebuch<br />

kauf en, beide für I fi 6+er. Wie geht es Euch?<br />

Eure 12 fl habe ich erhalten u. werde sie nur langsam<br />

anwenden. 1st der neue Aintsschreiber auch musikalisch.<br />

Saget dem H. Fetz, ich werde ihm auf Ostern schreiben.<br />

Lebet wohl; der Himmel segne Euch das neue Jahr.<br />

Ihr dankbarster Sohn<br />

Joseph Rheinberger.<br />

München, den letzten Tag des<br />

Jahres 1851."<br />

Die Briefpa-use, die nun eintritt, beunruhigt die Eltern<br />

in Vaduz.<br />

Nach zwei Nonaten schreibt Josef:<br />

München, den 27. Febr. (1852)<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Am 3ten Februar habe ich Euern Brief erhalten sammt den<br />

10 f 1. - Ich weil3 wohl, da8 Ihr sehr viel Ausgaben für<br />

mich habet, und da8 Ihr theuerste Eltern, dieses Geld<br />

schwer erlanget. Ich glaube, da8 ich meine Dankbarkeit<br />

dadurch am besten bezeigen könne, wenn ich Euern Ermahnungen<br />

stets eingedenk, flei!3ig u. sparsam bin. Ich ermangle<br />

deI3halb nicht, täglich Gott zu bitten, da8 seine<br />

heiligste Gnade mir Kraft u. Ausdauer hiezu verleihe,<br />

und mir Euch, beste Eltern, recht lange in voller Gesundheit<br />

erhalte. Zu Eurer Beruhigung darf ich Euch versichern,<br />

daI3 ich in der }{usik nicht zurUckgeblieben bin,<br />

sondern da8 ich, wie mir Herr Professor Wanner sagte,<br />

schon zwei seiner SchUler eingeholt habe. Auch die andern<br />

Herrn Prof. u. selbst der H. Direktor bezeugten<br />

mir ihre Zufriedenheit. -<br />

Musikalische Schulbücher darf ich mir keine anschaffen.<br />

Aber ich werde noch den II. Kurs der Grainmaire de Sanquin<br />

u. noch zwei andere kleine Lesebücher von Christoph<br />

Schmidt, zusanunen für ungefähr 1 fl 30+er, anschaff<br />

en mUssen. -<br />

Ich geniee tägl. I französische Stunde nit zwei andern<br />

SchUlern, die zwar vor mir angefangen, aber mich noch


73<br />

nicht überholt haben. -<br />

Den H. Baron v. Perfall kenne ich nur als einen guten<br />

Musiker u. Komponisten. Auch gehe ich öfters In das<br />

Haus, wo ich die Bewilligung zum Kiavierspielen erhalten<br />

habe. - - -<br />

Das Mali soil sich nur fleil3ig in den Tonleitern üben,<br />

auch wird es wohi die ganze Klavierschule auswendig<br />

gelernt haben? - Der Tod des Lehrers Jehly hat mich<br />

sehr betroffen; er wird wahrscheiniich vom Nervenfleber<br />

dahingerafft worden sein. - Koimut nun der Pöhiy<br />

wirkljch nach Schaan? - (...)<br />

Ich bin gottlob gesund, was Ihr alle hoffentlich auch<br />

sein werdet. -<br />

Schreibet bald einen Brief,<br />

Eurem dankbars ten Sohne<br />

Jos. Rheinberger."<br />

Zwischenzeitljch hatte sich der Vater an den Quartierherrn<br />

Josef s gewandt und erhieit folgende Antwort:<br />

München, den 8ten März 1852<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Auf Ihre geehrte Zuschrift vom 5ten praes. 7ten 1. Mts.<br />

beehre ich mich zu Ihrer Beruhigung zu erwidern:<br />

dal3 Pepi allerdings am 2ten 1. Mts. seiner Pfllcht<br />

nachgekommen 1st und geschrieben hat; von nun an aber<br />

mul3 derseibe schon em paar Tage vor Abiauf des Monats<br />

schreiben. -<br />

Befürchten Sie ja nichts, und quälen Sie Ihr iiebendes<br />

Vaterherz nicht mit unnöthigen Sorgen; denn wenn es<br />

nur im Geringsten nicht recht herginge, so wUrde ich<br />

Ihnen unfehibar Anzeige erstatten. Zu Ihrer Freude will<br />

ich Ihnen bei dieser Gelegenheit eröf.fnen, dal3 ich vor<br />

5 Tagen mit Hr. Profe2or Mayer tiber Pepi erkundigte,<br />

weicher sich Uberraschend gtinstig Uber Ihn aussprach,<br />

so daB ich entnahm, er habe seine MltschUler welt Uberfitigelt.<br />

-<br />

Indem ich Sie auch versichern kann, daB ich auch pflichtgemH2<br />

für sein Seelenheil besorgt war, und Pepi nicht<br />

bloB elnen ausgebildeten Verstand sondern auch em für<br />

das Christenthum veredeltes Herz besitzen wird,


74<br />

empfehle ich inich gehorsamst, und ininier niich<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

unterth. Diener<br />

Job. Ev. Perstenfeld<br />

Magis trats fktn.<br />

Viele herzl. Empfehlungen von meiner Familie.<br />

Grü!3en Sie uns besonders auch Ihre liebe Frau als Unbekannt."<br />

Pfarrer Wolfinger aus TUrkenfeld verwaltet das für<br />

Josef vom Vater geschickte Geld und gibt diesem im<br />

März 1852 folgenden Rechenschaftsbericht:<br />

Türkenfeld, den l2ten Närz 1852<br />

"Hochwohlgeborener Herr Rentmeister!<br />

Hochgeehrter Herr Vetter!<br />

Hiermit habe ich die Ehre den Empfang der am lOten<br />

d. N. mitteist Post erhaltenen 81 fl /Achtzig Einen<br />

Gulden/ zur Verwendung für Ihren Herrn Sohn Pepi zu<br />

bestätigen.<br />

Ich erlaube mir nachstehend die bisherigen Auslagen<br />

zu bezeichnen:<br />

für den 1/2 Monat Oktober v.J 8 fi<br />

für den ganzen " Novbr. 16 U<br />

für Dezb. inclusiv des Instructionsgeldes<br />

für französische Sprache<br />

für .... Januar<br />

für Februar, inclusiv des Quartal-<br />

Honorars ins Conservatorium<br />

für den Monat Närz /Vorausbezahlung<br />

17 U 30+<br />

17 " 30"<br />

27 " 30"<br />

.17 " 30"<br />

In Summa 104 fi<br />

Mit den 22 fi, weiche Euer Hochwohlgeboren dern Pepi<br />

uninittelbar zu überrnachen die Güte hatten, wird derselbe<br />

so die kleineren Studenten=Ausgaben bestritten<br />

haben?? -<br />

Pepi steht unter guter Aufsicht, die Quatierleute sind<br />

fleil3ig, 11. in jeder Beziehung urn sein Wohi besorgt.<br />

Von groBem Vortheile in Bezug auf musikalische Vervollkoinmnung<br />

ware es allerdings für Pepi, wenn derselbe<br />

bey einem Klavier=Virtuosen in Kost und Logie konimen


75<br />

könnte, wo öfters Familien=Concerte stattfinden; -<br />

das wiirde jedoch bedeutend höhere Kosten verursachen<br />

u. den Betrag voncirca 24 fl per Monat erreichen. -<br />

Pepi soilte auch das Latein nicht ganz vernachl13igen,<br />

für heuer hat er jedoch keine Zeit dazu, ja würde sein<br />

Fachstudium dachirch verkUrzen nach dem alten Sprichwort:<br />

"Sensus ad plura adtentus, ad singula minus". -<br />

Konimendes Jahr dUrfte bel3ere Gelegenhe.it bieten. -<br />

Die Herren Professoren habe ich schon mehreremal gesprochen,<br />

dieselben äuIerten sich iinmer mit vieler Zufriedenheit<br />

tiber den kleinen Mozart.<br />

}Iit nur 1 fi 30+er Instructionsgeld per Monat kann sich<br />

der französische Sprachlehrer deswegen begnligen, weil<br />

derselbe mehrere Zöglinge hat, welche miteinander eine<br />

tgliche Lernstunde bezahien.<br />

Nit meinem verkauf ten Rittergut werde ich nicht mehr<br />

lange renommiren, die Gemeinde Türkenfeld hat sich bereits<br />

-mit mir in Kaufs=Unterhandlungen eingelassen, behufs<br />

Erwerbung eines neuen Schul= dann Armen= Feuer=<br />

und Gemeinde=Versammlungs Hauses, wozu sich die geräumigen<br />

Locale der dermaligen Schlofgebäude mit wenig<br />

Unkosten einrichten laBen.<br />

Urn der Gemeinde den Ankauf zu ermöglichen, sind durch<br />

Wohlthätige schon 1600 fi gratis zusanimen gekommeri,<br />

auch ich werde em kleines Opfer bringen mUl3en urn den<br />

schon lange erstrebten guten Zweck zu erreichen. -<br />

DaB das Entwässerungs=Werk in Baizers gute Fortschritte<br />

rnacht, habe ich auch in letzter Zeit mit vielem VergnUgen<br />

vernommen; die Balzner haben die Gelegenheit einen<br />

neuen Beweis zu liefern: "was vereinte Kraft vermag".<br />

Die spätere Zeit wird ihre MUhe lohnen. -<br />

DaB nicht Alles mit der Ausftihrung dieses groBartigen<br />

u. gerneinnUtzigen Projectes einverstanden ist, finde<br />

ich natUrlich: quilibet, Cicero pro Domo sua. -<br />

Die Oster=Ferien wird Pepi in Türkenfeld zubringen,<br />

wozu ich Euer Hochwohlgeboren freundlichst einlade,<br />

u. soilte es da nicht rnöglich seyn, so geben wir uns<br />

der angenehmen Hoffnung hin, daB Sie uns wenigstens<br />

auf den Herbst mit einern schätzbaren Besuche beehren<br />

werden.<br />

Titi. Herrn Peter, wie Ihrer ganzen verehrten Familie,<br />

dem Titi Herrn Landes=Verweser, - Herrn Vetter Pfarrer


Wolf inger; Dr. Gra1 Dr. Schädler meinen gehorsamsten<br />

Respekt zu vermelden<br />

bittend zeichnet:<br />

Mit besonderer Hochachtung u. Verehrung<br />

Euer Hochwohlgeboren. ergebst.<br />

J.T. Wolf inger, Pfarrer.'t<br />

76<br />

Am 30. März 1852 schreibt Rheinberger an seine Eltern:<br />

Mtinchen den 30. M.<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Es wundert mich sehr, daf Ihr diesen Monat nichts von<br />

Euch habt hören lassen. Euren letzten Brief bekam ich am<br />

7ten Februar. Es sind del3halb bald 2 Monate, seitdem ich<br />

keine Nachricht von Euch erhalten babe. Ich /weii3/ daher<br />

nicht, was ich davon denken soll; Ihr werdet doch nicht<br />

krank sein? -<br />

Oder habt Ihr viellejcht meinen letzten Brief vom 28ten<br />

Febr. nicht erhalten? -<br />

Ich habe Euch dief3mal nicht viel zu berichten, da ich<br />

Gottlob! immer gesund bin. -<br />

Vorn 2ten bis l6ten nchsten M. werden unsere Osterferien<br />

sein, weiche ich theils auf Einladung in Türkenfeld,<br />

theils in Seefeld zubringen werde. (denn der Hochw. Herr<br />

hri besuchte mich v. N. mit deni jungen hri von Eschen.) -<br />

Letzten Samstage war ich in einem Conzerte, welches von<br />

dem Virtuosen im Violonzellspiel C. Coldtermann veranstaltet<br />

wurde u. sehr glänzend war. Ich u. em Schüler<br />

des Cnsrvtrums bekamen Freibillete von unserm Klavierlehrer<br />

Hr. Wanner. -<br />

Gestern frUhe kamen hier zwei ruBische Grol3ftirsten an,<br />

denen zu Ehren heute grol3e Revue gehalten wird, wozu em<br />

Kuirassier-Regiment von Freising u. einige Chevauxlegers-<br />

Regimenter von Augsburg hieher beordert sind. -<br />

Wird Hr. Pöhly Lehrer zu Schaan werden? - Spielt das Mali<br />

noch fleil3ig? Und was macht der Toni? die Josepha u. das<br />

Lise? Sind alle Geschwister u. die liebe Mutter wohl auf? -<br />

In Erwartung eines baldigen Briefes von Euch<br />

verbleibe ich Euer dankbarster Sohn<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Genau einen Monat später berichtet er wiederum nach Hause:


77<br />

München den 3Oten Ap. 1852<br />

teTheuerste Eltern!<br />

Euer werthes Schreiben vom l5ten April erhielt ich den<br />

l7ten gl. N., nachdem ich nun von Ttirkenfeld zurückgekehrt<br />

bin. In Seefeld war ich nicht, well H. Direktor<br />

zu Ostern keine Zeugnif3e austheilte, u. well H.<br />

Pfarrer Wolfinger nicht Zeit hatte, mit mir dorthin<br />

zu gehen. Ubrigens hatte ich mich in Türkenfeld sehr<br />

gut unterhalten. Der H. Pfarrer erwartet täglich einen<br />

Besuch von H. Ochsenwirth in Feldkirch. - Hn. Lampert<br />

vom Schlo1 habe ich hier noch nicht gesehen - kommt<br />

er viellelcht gar nicht nach MUnchen? -<br />

In den Studienfächern geht es mir ganz gut. Nur in der<br />

Harmonie=lehre krnkt mich sehr, daf3 ich immer auf die<br />

/andern/ warten mu1 - so z.B. blieb einer 14 Tage lang<br />

aus - lernte ich immer vorwärts, nun muB ich wieder<br />

die nämlichen Aufgaben machen, bis er auch so welt gekommen<br />

ist, als ich - dessen ungeachtet sagte mir der<br />

Professor der Compositions=Lehre, H. Meier, dal3 ich<br />

die besten Aufgaben eingeliefert hätte. - In den Klavierstunden<br />

aber lernt jeder unabhänglg vom andern,<br />

u. so kommen alle schneller zum Ziele, was von H. Professor<br />

Wanner sehr zu loben ist.<br />

Herr Direktor kam einmal in die Orgelstunde u. sagte<br />

zu mir, daI3 er es lieber sehen wUrde, wenn ich mit<br />

den Orgeistunden aussetzen wUrde, weil sie die Klavierstunden<br />

henimen wUrden. Als Herr Professor Herzog<br />

einwendete, daf3 ich aber gute Anlagen zu einem Organisten<br />

hätte, u. es Schade ware, wenn ich mit der Orgel<br />

aussetzte, bekam er eine derbe grobe Lektion vor<br />

allen SchUlern. Unter andern sagte er auch, dal3 er es<br />

uberhaupt nicht leiden kUnne, wenn em SchUler Klavier=<br />

u. Orgelstunden zugleich nehme. Das nächste Jahr<br />

könnte ich wieder Orgelunterricht haben. H. Herzog<br />

sagte dann mir, da2 er mir (heimlich von dern H. Direktor)<br />

Privatunterricht ertheilen wollt, u. zwar unentgeltlich<br />

auf der Orgel der evangelischen Kirche. -<br />

Hier herrscht grofe Theuerung, so z.B. kostet das<br />

Pfund Schweinef 1. 15+er, das Kalbf 1. 11+er, das Rindfl<br />

12+er, das Klafter Holz 13 fl, das Pfund Nehi<br />

10 +er, das Schäffel Kartoffel 6 fl, das Pf. Schmalz


78<br />

28 +er, das Pfund Kaffe 40 +er, das Pfund Zucker<br />

24 +er, em Wohnung von 3 Ziimnern jährlich 130 - 50<br />

fi. -<br />

Wie geht es dem Toni? Wenn er hier ware, hätte er<br />

viel Gelegenheit, sich für's Zeichnen u. Nalen auszubilden.<br />

Wenn ich einmal Zeit babe, werde ich ihm recht<br />

viel schreiben, das ihn interessieren würde. Viele<br />

GrüI3e an ihn. Wie geht es den andern Brüdern u. Schwestern?<br />

Und Ihr, theuerste Eltern, seid ihr gesund?<br />

Der lieben Schwester in Zams babe ich schon geschrieben.<br />

Für's Schuhflicken bezahlte ich bis jetzt dein<br />

Schuster über 3 f 1, der Schneider aber profitirte von<br />

mir noch keinen +er, denn an den Kleidern ist noch<br />

nichts zerrissen, aber der alte blaue Rock ist inir em<br />

wenig zu klein, u. die graue Hose em wenig zu kurz.<br />

- Am l5ten Ap. mul3te ich das Lehrgeld für's 3te<br />

Quartal (10 fi) bezahien. -<br />

GrüIt mir alle lieben Geschwister u. Bekannte, indem<br />

ich in Erwartung eines baldigen Briefes von Euch,<br />

verbleibe ich Euer dankschuldigster Sohn<br />

Joseph Rheinberger.<br />

Viel Empfehlungen von Seite meiner Quartirleute."<br />

Auch im Mai weii3 Josef nichts Wesentliches zu berichten<br />

und fal3t sich daher sehr kurz:


"Theuerste Elternl<br />

79<br />

München den 26.5.52<br />

Euer werthes Schreiben voin 16. 1. M. babe ich erhalten<br />

und daraus mit Freuden gesehen, daf Ihr Euch gesund und<br />

wohl befindet, was auch beimir, Gottlob! der Fall 1st.<br />

Ich babe Euch dieJmal nicht viel Wichtiges zu berichten,<br />

aul3er daB es inir in den Lehrgegenständen wohl geht. -<br />

Auf das nächste wahrscheinliche Prüfungs-Konzert babe<br />

ich das betreffende Stuck schon zum ElnUben erhalten.<br />

Es 1st für zwei Kiaviere gesetzt; ich muB es mit einem<br />

andern Eleven einstudieren. -<br />

Unser Professor der Harmonie, Hr. Maler, 1st sehr oft<br />

krank, wodurch natUrlich der Unterricht sehr gestört<br />

wird. Auch 1st neulich em Professor des Conservatoriums<br />

gestorben. Hr. Pfarrer Wolf inger von TUrkenfeld schickt<br />

das Kostgeld piinktlich, jedoch hat er das Geld für das<br />

3te Quartal nicht geschickt. -<br />

Das Hanni hat inir noch nicht geschrieben, u. da Ihr mir<br />

nie davon etwas schreibt, so weiB ich nicht, wie es Ihr<br />

geht. Jedoch hoffe ich, daB sic gesund sei. -<br />

Wie geht es dew Toni? Da es nun inuner schön Wetter 1st,<br />

hat er gewil3 viele Gelegenheit, Im Garten herumzuarbeiten.<br />

Lernt das Mali viel unter seiner Direction?<br />

Stehen bei Euch die FeldfrUchte schön, was bei so sch6nem<br />

Wetter zu hoffen 1st?<br />

In der Hoffnung elner baldigen Antw. von Euch,<br />

verbleibe ich Euer<br />

dankbarster u. dankschuldigster<br />

Sohn<br />

Joseph Rheinberger.<br />

Viele GrtiBe an die 1. Mutter.'t<br />

Der Juni - Rapport beinhaltet den Bericht Uber die Pfingstfeiertage<br />

und flber den Besuch seiner ersten Oper:


80<br />

Nünchen, 28.6.52<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Well ich das letzte mal den Brief so kurz. gemacht habe,<br />

werde ich die8rnal lHnger im Geiste bei Euch verweilen.<br />

- An dem närnlichen Tage, als ich Euch schrieb, reiste<br />

ich nach Seefeld, theils urn dort die Pfingstfeiertage<br />

zuzubringen, theils urn der Einladung des hochw. H.<br />

Pfarrers öhry Folge zu leisten; - ich halte es aber<br />

für unnothig, Euch d-urch elne lange Beschreibung dortiger<br />

Gegend zu ermüden, ich beschrHnke mich bloB darauf,<br />

Euch zu sagen, dass es rnir dort sehr gefiel u.<br />

dass ich auf dem h. Berg Andechs war, wo eine groBe<br />

Orgel 1st, weiche ich probiren durfte. Am h. Pfingstsonntag<br />

u. Pfingstmontag spielte ich Aint u. Vesper in<br />

zwei verschiedenen Dörfern. Der junge öhry hat grol3e<br />

Fortschritte in der }fusik gernacht, u. denke, daB er<br />

em tüchtiger Lehrer werden kann. -<br />

In Mitte dieses Monats überraschte rnich H. Wolfinger<br />

aus Feldkirch mit einem Besuche, u. machte mir Hof fflung,<br />

dass Ihr, bester Vater, mich auf den August nach<br />

meinem lieben Vadutz abholen würdet.<br />

Vor 14 Tagen hörte ich zum ersten Male eine Oper:<br />

"Die Zauberflöte"! Dieser herrliche Kunstgenul3 läBt<br />

sich nicht beschreiben, (besonders, da nur 15 +er unter<br />

ihm litten). -<br />

Irn Conservatorium wird schon tüchtig an einer guten<br />

PrUfung vorgearbeitet. Hr. (Harrnonie-)Professor Maier<br />

war 3 Wochen lang krank, also wir ohne Unterricht; zu<br />

guter Letzt nimmt er noch 4 Wochen Urlaub, während<br />

weicher Zeit wir zu einem andern Lehrer u. andern Methode<br />

gekoinmen sind. - Aber wo's zurn Zahlen geht, da<br />

sind diese lieben Leute vorn dran. -<br />

So zum Bspl. wurde der Betrag des 4ten Quartal's urn<br />

elnen ganzen Monat zu früh gefordert. (Das habe ich<br />

schon Herrn Pf. Wolf. geschrieben, welcher mir die 10 fl<br />

schicken wird). Ich bereite mich nichts desto weniger<br />

zur Prüfung gut vor, u. werde das selbst ersetzen,<br />

was durch Prof. Maier abgeht. -<br />

In Betreff des Andrioli werde ich mich ganz so verhalten,<br />

wie es mir David schrieb.<br />

Meiner Kassa 1st der Nagen ganz zusammengeschrumpft.


81<br />

Jetzt gibt's bei Euch gewiB viele Kirschen?! -- Ich<br />

bin Gottlob gesund wie Ihr es hoffentlich auch sein<br />

werdet. --<br />

Grüsset mir alle meine lieben Geschwister, vorzüglich<br />

aber die liebe Mutter, weiche jetzt in Disentis sein<br />

wird. -<br />

Lebet wohi, theuerste Eltern, u. gedenket oft<br />

Euers dankbars ten Sohnes<br />

Jos. Rheinberger."<br />

Josef Rheinberger hatte sich bei der Mozart-Stiftung<br />

in Frankfurt a. Main urn em Stipendium beworben und<br />

war zur Prilfung zugelassen worden. Da er aber während<br />

der Schuizeit in Mtinchen die PrUfungsarbeiten nicht<br />

sofort fertigstellen und einreichen konnte, bat sein<br />

Vater den Verwaltungs-Ausschul3 der Stiftung urn Aufschub:<br />

"An den Löblichen Verwaltungs-Ausschul3 der Mozart-<br />

Stiftung zu Frankfurt a./M..<br />

Am gestrigen karn mir von dem Löblichen Verwaltungs-<br />

Ausschut3 die angenehme Nachricht zu: daI3 mein Sohn Joseph<br />

in Betreff Bewerbung urn das Stipendium der Mozart-<br />

Stiftung zur Zulassung der hierfür vorgeschriebenen<br />

Prtifung gewUrdigt worden sey.<br />

Indem ich nun für diese Gnade Narnens meinem Sohn den<br />

verbindlichsten Dank ausdrUcke, muf3 ich zugleich mit<br />

Bedauern anzeigen: da8 sich derselbe gegenwärtig nicht<br />

bei mir zu Hause, sondern in dem Conservatorium für Musik<br />

in München befindet; und da8 er erst nach beendigtern<br />

Schulkurse, nämlich in Mitte künftigen Monats Aug.<br />

wieder zu Hause eintreff en wird. Unter folgenden Umständen<br />

sehe ich mich nun veranlal3t Euer Löblichen Verwaltungsausschu6<br />

höflichst zu bitten: mir geneigtest anzeigen<br />

zu wollen: ob bis dorthin nicht noch em Aufschub<br />

gestattet werden könnte? oder ob es vielleicht<br />

nicht gefälligst sein möchte die fraglichen Prüfungsarbeiten<br />

bei dem Directorat des Conservatoriums in MUnchen<br />

vornehrnen zu lassen?<br />

Für jeden Fall habe ich das verschlossene Schreiben an<br />

den Musikdirektor P. Schinutzer in Feldkirch sogleich


82<br />

zustellen lassen, und von ibm die Nachricht erhalten:<br />

dal3 er sich dem ihm beehrend anvertrauten Geschäfte<br />

mit Vergnügen unterziehen werde.<br />

Wegen verursachender - jedoch unverschuldeter Ungelegenheit<br />

höflichstens abbittend empfehle ich mich und<br />

meinen Sohn Joseph Ihrer Geneigtheit und zeichne mich<br />

mit voilkommenster Hochachtung<br />

Johann Peter Rheinberger.<br />

Vaduz, den 14. Juli 1852."<br />

Zum Ende Juli 1852 erwartet Rheinberger semen Vater<br />

in München, der ihn während der Ferien in die Heimat<br />

holen will.<br />

Gleichzeitig möchte sich der Vater das Prtifungskonzert<br />

im Konservatorium, bei dem Josef mitwirken soil, anhören.<br />

Doch zum gröl3ten Verdrut Josef s fällt das Konzert aus.<br />

Er berichtet ärgerlich nach Hause:


83<br />

Mtinchen 28.7.52<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Kaum hatte ich Euren werthen Brief erhalten, so beeilte<br />

ich mich, mich zu erkundigen, wann die Prtiffungen u.<br />

wann das Prtiffungsconcert seien. -<br />

Aber erst gestern erfuhr ich, dat3 meine PrUffung Samstags<br />

den 7ten nächsten Monats sein werde, u. daB gar kein<br />

Pruffungslconcertl stattfände, weil Hr. Direktor vor<br />

kurzer Zeit abgereist ist, woraus folgt, daB em Professor<br />

die PrUffungen leiten wird. Uber alles diesesbln ich nun<br />

sehr argerlich geworden, theils weil Ihr Euch gewil3 schon<br />

darauf gefreut habt u. weil wir das Concert für 3 Klaviere<br />

von Bach schon eingeUbt hatten. Auch sind die Professoren<br />

in letzter Zeit fleiBiger geworden, als früher. -<br />

Heute erfuhr ich auch, daB die Schulen schon Ende Septembers<br />

ihren Anfang nehmen werden, u. daB auch em Concert<br />

im November stattfinden werde - so viel ist gewiB, daB<br />

man un Conservatorium nichts sichers sein wird. -<br />

Hier gibt es Ubrigens nichts Neues.<br />

Wie geht es der Mutter in Tyrol?<br />

Was machen alle lieben Geschwister?<br />

Ich hoffe Euch recht bald zu sehen, wo Euch dann<br />

mehr sagen wird<br />

Euer dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

(Ich hoffe von Euch noch em Schreiben, wo Ihr mir die<br />

Zeit Eurer Ankunft genau berichten soiltet.)<br />

Viele GrtiBe von Perstenfeld."


84<br />

Zum Ende des Schuljahres 1851/52 schickt der Magistratsfunktionär<br />

Perstenfeld, bei dem Josef wohnt, Vater Rheinberger<br />

die Zeugnisse seines Sohnes mit folgendem Brief:<br />

"Hochwohlgeborener, Hochzuverehrender<br />

Herr Rentmeister!<br />

Theuerster Freund!<br />

In der Anlage übermache ich Ihnen, in Erledigung Ihres<br />

Auftrages, das bewul3te Zeugnil3, und freue inich über den<br />

herrlichen Inhalt desselben.<br />

Sie sind wirklich em glUcklicher Familienvater; denn<br />

wen der Herr mit so guten Kindern segnet, der muI3 auch<br />

bei ihm besonders in Gnaden seyn.<br />

Nicht minder wird sich aber auch Pepi tiber das vollendete<br />

Schuljahr freuen, in weichem sein Flei2 mit so<br />

herrlichen Zeugnil3en gekrönt wurde; aber - möge er deBwegen<br />

ja dem Hochmuthsteufel in seinem Herzen nicht<br />

Platz greifen lassen, und nie vergessen, da8 er nur Alles<br />

vom Herrn empfangen hat; nie die edle Perle, die<br />

Tugend der Demuth von sich werfen; denn nur mit dem Demtithigen<br />

1st der Herr, dem Stoizen entzieht er seine<br />

Gnade und verwirft ihn. -<br />

Ach wie wird sich Ihre edle Gattin über ihren Sohn gefreut<br />

haben? ich meine ich sehe ihre Freudenthränen.<br />

GrUl3en Sie ndr dieselbe recht herzlich, obwohl als persönlich<br />

unbekannt; grtil3en Sie mir auch alle Ihre Kinder,<br />

besonders aber den Josef recht herzlich, und sagen<br />

Sie ihm, da6 jetzt unsere Abende recht monoton seyen<br />

- wir langweilen uns nach ihm. -<br />

Für Winter-Lektüre sey bereits wieder gesorgt.<br />

Mich Ihrem ferneren Wohlwollen empfehlend, verharre<br />

ich hochachtungsvollst<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

Sie herzlich liebender Freund<br />

Johann Ew. Perstenfeld, Magistratsfunktionär<br />

Nünchen, den 12. August 1852.<br />

Wenn ich nur das Vaduz vor Augen hätte, wo Pepi gerad<br />

auf einem Birnbaum sitzen wird.<br />

P. Sctr.: Recht viele GrtiI3e von meiner Frau und meinem<br />

Ludwig. -<br />

Ludwig freut sich schon wieder auf die Ankunft des Josef,<br />

weichen er herzlich grtil3t.t'


85<br />

ZeugniI<br />

Der Zögling des Königl. Bairischen Conservatoriums für<br />

Mus 1k,<br />

Joseph Gabriel Rheinberger von Vaduz,<br />

hat in dem Schuljahre 1851/52 den Lehrkursus des Unterzeichneten<br />

über einfachen Contrapunkt besucht und danfl<br />

bei seinem<br />

ausgesprochenen musicalischen Talente und seinem musterhaf<br />

ten Flei2e<br />

die befriedigendsten Fortschritte gemacht, so da2 er<br />

sich bei der in diesen Tagen abgehaltenen Jahresprufung<br />

auf das Rühmlichste auszeichnete.<br />

Diel3 bezeugt auf Pflicht und Gewissen<br />

Julius Maier<br />

Professor der Composition am Königl.<br />

Bairischen Conservatorium für Musik.<br />

MUnchen d. 8. Aug. 1852.<br />

Zeugnif3<br />

Joseph Rheinberger, fUrstlich Lichtenstein'schen Rentenverwalters<br />

Sohn aus Vaduz, hat die Unterrichtsstunden<br />

des Unterzeichneten im k. Konservatorium für Musik im<br />

verfiossenen Schuljahre 1851/52 flei1ig besucht und bei<br />

ausgezeichneten Fähigkeiten, unermüdetem Fleif3e<br />

einen ausgezeichneten Fortgang gemacht.<br />

Dief3 bezeugt den Wahrheit gemaB<br />

Ch. Wanner<br />

Professor des Pianoforte-Spiels<br />

am k. Konservatoriuni f. Musik<br />

München, den 11. August 1852<br />

In legaler Abwesenheit des k. Direktors<br />

A. Wohimuth.


86<br />

In diesem Jahr 1852 verschiebt sich die Semesteranfangszeit<br />

am Konservatorium in München. Johann Perstenfeld<br />

erinnert den Vater Rheinbergers gerade noch<br />

rechtzeitig:<br />

ttEuer Hochwohlgeboren!<br />

München, am 6ten September 1852<br />

Ich erlaube mir Ihnen zu berichten, daB das Conservatorium<br />

für Musik am l5ten September l.Js. wieder eröffnet,<br />

dafür aber am l5ten Juli k. Js. wiederum geschlot3en<br />

wird. -<br />

Well ich befürchte, daB Ihnen dieses viellelcht nicht<br />

bekannt werden möchte, so erachte ich als pfllchtgemHl3,<br />

Ihnen diesen auBergewöhnlichen Fall zu benachrichtigen.<br />

Für Pepi wird es kein besonderes VergnUgen seyn, seine<br />

Vakanz so verkUrzt zu sehen, allein dafür wird er im<br />

nHchsten Jahre eher los, was auch sein Gutes hat. -<br />

Wir freuen uns schon wieder auf seine Ankunft, umso<br />

mehr, wenn Sle selbst ihn wieder hierher begleiten.<br />

In der Hoffnung baldigen Wledersehens verbleibe ich<br />

Ihr<br />

ergebenster Jo. Ev. Perstenfeld<br />

Viele GrüBe an Ihre Frau Gemahlin und<br />

Kinder.<br />

Vater Rheinberger wuBte aber durchaus von der geänderten<br />

Anfangszeit des Semesters und hatte seinerseits<br />

Herrn Perstenfeld ersucht, belm Conservatorlum elne<br />

Verlängerung von Pepis Ferlen bis zum 1. Oktober zu beantragen.<br />

Die Brief e hatten sich gekreuzt, Perstenfeld<br />

antwortete postwendend:<br />

"Hochwohlgeborener, Hochzuverehrender<br />

Herr Rentmeister!<br />

Ihr verehrl. Schreiben vom 5ten praes. 7ten d.M. habe<br />

Ich richtig erhalten, und daraus ersehen, daB Sie<br />

glückllch Ihren heimathlichen Herd erreicht, und die<br />

Ihrigen Im erwünschten Wohlseyn wieder getroffen haben.<br />

Es hat mich sehr gefreut, daB ich aus dlesem Briefe


87<br />

entnahrn, wie Sie und die Ihrigen sich freundlich meiner<br />

und meiner Familie erinnern, und wie Pepi sich sogar wieder<br />

nach seinern Studium, sohin nach München sehnt; er<br />

sey uns herzlich willkommen, denn auch wir freuen uns<br />

auf seine Ankunft. -<br />

Was Ihre Bitte urn Urlaubsverlängerung für Pepi anbetrifft,<br />

so babe ich derselben augenblicklich zu entsprechen<br />

gesucht, und heute Morgens urn 1/2 8 Uhr war die<br />

Sache schon bereiniget: Pepi darf noch bis zurn iten Oktober<br />

ausbleiben, nur mu8 dem Direktorium von Ibrer Seite<br />

angerneldet werden, da8 er urn diese Zeit wieder<br />

kömrnt. -<br />

Nun aber hätte auch ich eine Bitte, deren Gewährung für<br />

mich und die Meinigen die wohlthätigsten Folgen haben<br />

würde, und mich zu grof3ern Danke gegen Sie verpflichten<br />

mül3te. - Ich befinde rnich nämlich in einer sehr bedrngten<br />

Lage, und wei2 fast meine Zahiungen nicht mehr<br />

aufzutreiben, well schwere Lasten auf melnen Schultern<br />

ruben. - Dazu habe ich noch elne ungluckliche Schwester,<br />

welche sich schon 5 Jahre im Irrenhause befindet, cine<br />

weiche nicht gut verheirathet ist, und eine arme Mutter;<br />

denen ich Sohn und Bruder auch der That nach seyn<br />

mut3. - Uberall soll ich helfen, und wie ware das mit<br />

meinem schwachen Einkommen rnöglich, wenn nicht Gott rnir<br />

manchrnal eine Hilfsquelle öffnen würde. Glauben Sie<br />

nlcht, daB, wenn Sie meiner Bitte, die ich kaurn auszusprechen<br />

wage, auch nicht willfahren können, ich deBhalb<br />

nur irn Geringsten gegen Ihr Kind anders handeln<br />

werde, als bisher; nein - del3ungeachtet bleibt Alles<br />

beim Alten. -<br />

Ich stelle närnlich die herzliche Bitte an Sie, wenn es<br />

Ihnen möglich ist, mir einen Vorschut3 von 100 fi zu<br />

entrichten, wo dana irn Voraus bezahlt ware bis zum Monate<br />

April, auf welches noch 4 fl hinübergingen, so<br />

daB ich also im Monate April die erste Zahlung mit 12 fl<br />

wieder erhalten würde. Ob Sie mir diese meine Bitte<br />

Ubel deuten oder nicht, weif3 ich zwar nicht, aber das<br />

weiB ich, daB, wean Sie es rnachen können, auch thun<br />

werden, und dafUr das selige Bewuf3tsein in sich tragen,<br />

einer bedrangten Familie geholfen zu haben. -<br />

SchlieBlich bitte ich urn baldgefällige Nachricht hierüber,<br />

und empfehle mich mit der vollkommensten Hoch-


88<br />

achtung und Verehrung mit der ich mich zeichne<br />

Ihren<br />

ergebenst treuesten<br />

Freund Job. Ev. Perstenfeld<br />

Magistratsfunktionär.<br />

München, den 8ten September 1852<br />

Viele herzliche Grü8e von den Meinigen an Ihre liebe<br />

Frau u. Kindern, besonders an Josef.t<br />

Der Bitte Perstenfelds um einen Vorschul3 wurde entsprochen<br />

und dankerfUllt schreibt er nach Vaduz:<br />

MUnchen, den 2Oten September 1852<br />

tEuer Hochwohlgeboren!<br />

Freudig überrascht war ich, als vorgestern durch Ihre<br />

Güte meinem kaum ausgesprochenen Wunsche wil.lfahrt<br />

wurde, und ich fühle mich verpflichtet, Ihnen hierfür<br />

ineinen wärmsten, innigsten Dank zu zollen. -<br />

lodurch ich aber diesen Dank zu bethätigen suchen werde,<br />

ist Ihnen bekannt, und wird Ihnen wohlgefälliger<br />

seyn, als viele Worte; - ich will nämlich fürderhin<br />

em gewissenhafter Pflegevater Ihres inir anvertrauten<br />

Kindes seyn. -<br />

Das angelegene Schreiben an das Direktorium des Conservatoriums<br />

für Nusik ist gleich des andern Tages<br />

besorgt worden, und so erwarten wir denn unsern Pepi<br />

mit off enen Armen und liebevollem Herzen, und verbleiben<br />

Ihre dankschuldigen Freunde<br />

Johann Ev. Perstenfeld<br />

und dessen Frau.<br />

Ludwig und Albert grül3en Pepi freundlich."<br />

Zum Ende des Monats Oktober 113t sich auch Pfarrer<br />

Wolfinger aus Türkenfeld wieder hören. Er schreibt<br />

seine neuesten Nachrichten:<br />

TUrkenfeld, den l8ten Okt. 1852<br />

"Hochwohlgeborener Herr Rentmeister!<br />

Hochgeehrter Herr Vetter!<br />

Ihr werthes Schreiben vom 29. 1. N., worm Sie mich


89<br />

über die Abreise Ihres Herrn Sohnes u. d. ti. Herrn<br />

Fetz hierher in Kenntnil3 zu setzen die Cute hatten,<br />

erhielt ich erst den l3ten d. M., warum derselbe so<br />

lange liegen geblieben, 1st mir unbegreiflich. Herr<br />

Fetz kam nicht nach TUrkenfeld, u. es war mir die Ehre<br />

nicht gegönnt ihn zu begrül3en. - Den Herrn Pepi besuchte<br />

ich in München, traf ihn wohi u. munter, gerade bemüht<br />

sich auf em Conzert im Musik-Conservatorium vorzubereiten,<br />

wo er als kleiner "Mozart" sich rUhrnlichst<br />

zu produciren Gelegenheit finden wird. -<br />

Herr Perstenfeld hat also, nach Bericht, das Quartiergeld<br />

mit 100 fl schon auf einige Monate antiupirt -<br />

diese "Freiheit" scheint mir etwas zu städtisch, wahrlich<br />

ich hätte ihm nicht zu entsprechen vermögen; -<br />

die VerhHltnisse mögen sich gestalten wie immer - lieber<br />

frel - als - gebunden!! -<br />

Ihr gnHdiger Herr Schwager Carigiet Ubersendete, auf<br />

gesteliten Antrag hin, 50 Me2intentionen /25fl/, welche<br />

ich zu Gunsten Pepi besorgen werde - andere 25f 1<br />

legte H. Carigiet noch giltigst co proprius hinzu; -<br />

es sind somit 5Ofl, die für Pepi verwendet werden<br />

können. -<br />

Meine bekannte Schlo8angelegenheit in TUrkenfeld 1st<br />

nun auch beendet, - Schul- Armen- und Gemeindehaus<br />

sind hergestelit, ich habe Gesundheit u. Geld zum Opfer<br />

gebracht, dafUr auch geerndtet den Weltlohn: "schwarzen<br />

Undank". So bald möglich werde ich von TUrkenfeld<br />

weg zu kommen suchen.<br />

Das kielne Schwesterkind "Agathie" habe ich einstweilen<br />

in die Berge nach Landsberg zu den Klosterfrauen<br />

gebracht, em Schwesterchen desselben 1st unlängst von<br />

Balzers hierher gekommen, hab' also nun auch für dieses<br />

zu sorgen. -<br />

Ihrer werthen Familie, dem Titl. Herrn Landesverweser,<br />

H. Vetter Curat. Wolfinger, Dr. Gras, Dr. SchHdler,<br />

Frick in Eschen, und namentlich auch an Weiland: "Lu!<br />

Lu! Lu!!! usw.<br />

1000 Grül3e zu vermelden bittend zeichnet mit<br />

der Versicherung besonderer Hochachtung u. Verehrung<br />

Euer Hochwohlgeboren<br />

bereitwilligst J.T. Wolfinger, Pfarrer".


90<br />

Einen Monat nach seiner Ankunft zum Semesterbeginn in<br />

MUnchen schreibt Josef Rheinberger, nun bereits das<br />

zweite Jahr in dieser Stadt, an seine Eltern in der<br />

Heimat:<br />

ItTheerte Eltern!<br />

MUnchen, 29.10.1852<br />

Nun ist bereits wieder em Monat verfiossen, seitdem<br />

ich von Ihnen fort bin, und verging mir die Zeit sehr<br />

schnell - ich will Ihnen nun in KUrze erzählen, wie es<br />

mir in dieser Zeit ergangen:<br />

Hr. Fetz wird Ihnen die Reise beschrieben haben u. hat<br />

Ihnen gewi! auch gesagt, dal3 ich nicht Abschied von<br />

Ihm nehmen konnte. Nämlich an dem Tage, als er verreiste<br />

hatten wir im Conservatorium eine kleine PrUfung<br />

zu bestehen, bei weicher wir auch unserm Clavierlehrer<br />

vorgestelit wurden. Seit meiner Anwesenheit bei Ihnen<br />

wurde vieles geändert, so zum B. mtissen alle Wochen<br />

einmal alle Conservatoristen zusammen kommen, wobei<br />

unter der Leitung des Hr. Direktor's Ensemble-Ubungen<br />

abgehalten werden. -<br />

Hr. Direktor Hauser veranstaltete letzten Montag em<br />

Concert, wo jedoch nur Gesang für Violin und Violoncello,<br />

- unter andern erschien auch dabei König Ludwig<br />

u. Königin Therese, Prinz u. Prinzessin Luitpold.<br />

- Alles war mit der Leistung voilkommen zufrieden, besonders<br />

König Ludwig; - durch dieses Concert hat das<br />

Conservatorium viel gewonnen. Es werden im Laufe dieses<br />

Jahres noch 3 Concerte von den Zöglingen gegeben. -<br />

Meine Orgelstunden nehmen ihren erfreulichen Fortgang,<br />

da ich wöchentlich 3 Orgeistunden habe, wodurch meine<br />

Zeit ganz ausgefUllt wird. Herr Pfarrer Wolfinger besuchte<br />

mich vor 14 Tagen u. sagte, da1 es ihn kränke,<br />

daI3 Hr. Fetz ihn nicht besucht. Da1 auch Hr. Lampert<br />

mich mit einem Besuch erfreut, werden Sie auch wissen.<br />

- Warum schreibt mir der Peter nicht? Was macht der<br />

Toni? Treibt er noch wacker die Buchbinderei? Das<br />

Heft, das er mir gemacht, ist schon mehr als haib you<br />

Orgelstucke.<br />

Grü2t mir den David, u. auch alle andern Geschwisterten<br />

u.vorzüglich die liebe Mutter.


91<br />

Ich verbleibe Ihr dankbarster Sohn<br />

Joseph Rheinberger".<br />

Die Tage des jungen Musikstudenten sind so ausgeftilit,<br />

dai3 er nicht öfter als einmal im Monat dazu kommt, Eltern<br />

und Geschwistern von seinem Leben in der Kulturmetropole<br />

MUnchen zu erzählen.<br />

Der Bericht zurn Ende des November 1852 lautet:<br />

"Theuerste Elte.rn!<br />

MUnchen, den 30.11.52<br />

Ihr Brief vom 4. des M. freute mich sehr, besonders,<br />

da Hr. Fetz mir auch schrieb. Hr. Baron v. Falkenhausen<br />

besuchte mich nicht persönlich, sondern schrieb an<br />

mich von Gurzenhausen - daIs er durch Katharr u. Schnupf<br />

en daran verhindert worden. - Hat Peter den Brief<br />

von Hr. Lampert erhalten?---<br />

Hr. Direktor Hauser empfing mich sehr freundlich u.<br />

sagte, ich hätte an der SchlufprUfung sehr bray gespielt<br />

- vom Orgeispielen sagt er nichts mehr. -<br />

Hr. Professor Leonhard, welchen ich an der Stelle des<br />

Wanner bekam, hat eine ausgezeichnete Methode, und 1st<br />

der beste Kiavierprofessor am Konservatorium. - Hr.<br />

Professor Herzog gibt mir u. noch einem SchUler (Depross)<br />

wöchentlich 3 Stunden Unterricht. Hr. Prof.<br />

Maier 1st dieses Jahr wieder mein Professor der Harmonie;<br />

er fragte bisher nicht nach Frankfurt, obschon<br />

ich öfters zu ihm in die Wohnung gekommen bin. -<br />

W(hrend diesem Monate hörte ich den Don Juan von Mozart<br />

u. "Den FreischUtz" von C.M. Weber. Cestern Abends war<br />

Concert der sämmtlichen Hofmusik im Odeon, weiches ich<br />

auch hörte. - -<br />

Das Heft, weiches der Toni mir machte, 1st schon gänzlich<br />

ausgefüllt. Da ich sehr viel zu thun habe, kann<br />

ich nicht mehr schreiben - em andermal mehr. -<br />

Lebet wohi, theuerste Eltern u. Geschwister u. gedenket<br />

oft Eures dankbarsten Sohnes u. Bruders<br />

Joseph Rheinberger<br />

Einen Gruf an Peter u. an David u. Toni."


92<br />

Die monatlichen Berichte an die Eltern verschweigen<br />

einige nicht unwesentliche Momente aus dern Leben des<br />

jungen Musikers, die er später in einer.etwas schwillstigen<br />

"Lebensbeichte" niederlegt und seiner zukünftigen<br />

Frau widmet.<br />

Dieser Bericht .beginnt mit einern Dialog zwischen Perstenfeld<br />

und dein aus den Ferien nach Miinchen zurückkehrenden<br />

Rheinberger und gibt das Mtinchner Milieu authentisch<br />

wieder:<br />

"Aus meinern Leben - Wahrheit - nicht Dichtung.<br />

October 1852<br />

'- Ah! Guten Morgen! Schön, dal3 Sie wieder da sind,<br />

junger Herr! Wie steht's zu Hause, Alles wohl?'<br />

'Danke! Viele GrU2e. Und bei Ihnen?'<br />

'Auch. Geben Sie Acht! Diesen Winter werden Sie bei<br />

uns nicht langweilig finden - Sie werden sehen!<br />

'So, warurn denn?'<br />

'Nun, unser Fräulein, die jetzt bei uns wohnt - was<br />

die lustig ist - und gescheidt - und hübsch - jetzt<br />

werden Sie gerne bei uns wohnen - jeden Abend komrnt<br />

sie zu uns herüber, da wird Schwarz-Peter gespielt, geplaudert,<br />

gelacht bis neun, halb zehn.'<br />

'Nun, ich bin sehr begierig auf heut Abend.'<br />

So empfing mich die treue Duenna, als ich mit neuem<br />

Nuthe aus den herrlichen Ferien zurUckkam.<br />

un Grunde genommen interessirte mich das 'Fräulein'<br />

wenig, ich war noch zu voll von den Eindrticken der lieben<br />

Vakanzzeit, dem Wiedersehen der theuren Eignen -<br />

mit elnem Wort, ich hing noch zu sehr am häuslichen<br />

Herd, zu schwer war dem jugendlichen Herzen noch der<br />

Abschled vorn Heimathhause geworden, was ich aber urn<br />

keinen Preis gestanden hätte. -<br />

O gewil3, zu beniitleiden ist Jeder, der die Wonne des<br />

Wiedersehens nach längerer Trennung im holden Kindesalter<br />

nicht gefühlt; wie wichtig kommt man sich nicht<br />

vor, wenn man von den Seinigen mit etwas rnehr Auszeichnung<br />

als sonst behandelt wird. Es wird der Koffer


93<br />

aufrnerksam ausgepackt, die kleinen Geschenke vertheilt,<br />

Alles Neue aus der grol3en Stadt genau betrachtet und<br />

für schön hefunden. Endlich fragt Papa:<br />

'Wie steht es mit den Schuizeugnissen!'<br />

Das ist der grol3e, lngst heimlich ersehnte Moment.<br />

Mit geläufigem Griffe werden sie präsentirt - drei<br />

auf einmal. Ja, schaut mich nur an, in dieser Minute<br />

wachse ich urn elnen halben Zoll. Papa setzt sich urnständlich<br />

die Bridle auf, nimmt neben dem Fenster Platz,<br />

urn besser zu sehen; die Schwestern als neugierige Evastöchter<br />

machen einen, aber energisch vereitelten Versuch,<br />

ihm über die Schultern zu gucken. Papa rEuspert<br />

sich endlich, ruft der Mama, weiche mit Wäscheauspakken<br />

beschEftigt, zu, und liest dann laut vor, während<br />

der Student em wenig, aber freudig errötend am Of en<br />

steht. Siegel und Unterschrift als recht befunden,<br />

steckt nun Papa die Schrif ten zu sich, urn sie im Lauf<br />

des Tags noch zehnmal wohibehaglich zu lesen. Abends<br />

kann er sic auswendig - ich wette!<br />

Ich Ubergehe die goldenen Monate August und September,<br />

es hei8t in 8 Tagen wieder zur Stadt - bereits ist<br />

Abschied genotnmen, Mama gibt aus Versehen statt der<br />

Ublichen 3 Küsse ihrer fUnfe, und wendet sich weinend<br />

ab. - Papa aber verzählt sich nicht.<br />

'Sei bray, wie letztes Jahr! Schreibe alle vier Wochen<br />

- Gott befohien!'<br />

Während die Pferde, von der kräftigen Hand des Bruders<br />

angefeuert, durch den Hof hinaustrotten, sehe ich,<br />

rUckwärtsblickend noch Alle, Abschied winkend, das<br />

Weibervolk die Schürzen an den Augen und es rnacht MUhe,<br />

dem nebenan Sitzenden im Wagen nicht merken zu lassen,<br />

dai3 auch ich Jucken in den Augen bekomme.<br />

Zwei Tage später - beim Schwarzen Peter.<br />

Felicia mir vis a vis. Sic war acht Jahre alter als ich,<br />

ungefEhr einundzwanzig, schön gewachsen, von lebhaf ten<br />

Gesichtszugen, helter und gesprEchig und den fremden<br />

Buben als Kind und fremd behandeind. Das verdro2 mich<br />

gewaltig, das war Ich nicht gewohnt, indem ich etwa<br />

drei Jahre vorher in einer Landstadt bedeutend verhatschelt<br />

wurde - das durfte nicht ungeahnt bleiben, und<br />

indem ich irn Schwarzen Peter elne nie geahnte Virtuosi-


94<br />

tat entwickelte, brachte ich es dahin, daf3 Felicia die<br />

stoize Stirne you schwarzer Striche bekam, während<br />

ich unbernalt blieb.<br />

Die kleine, aus sechs Personen bestehende Gesellschaft<br />

unterhielt sich lebhaft und es war schon spat, als<br />

ich von Felicia em kurzes 'Gute Nacht' bekam, das<br />

ich noch ktirzer erwiderte. Mir träumte sodann noch von<br />

dern Abschjed von Hause - und die Weiber hatten schwarze<br />

Striche auf der Stirne.<br />

Hüte dich vor den Gezeichneten! -<br />

Vierzehn Tage später waren Felicia und ich bei jedem<br />

Schwarzen Peter bereits Verbündete und bekamen gar<br />

bald die Oberhand in jedem Spiele; waren wir auch im<br />

Gespräch kalt und förrnlich, so wurden doch die Striche<br />

redlich getheilt; im Ganzen aber spielten wir<br />

nicht redlich, denn wenn der Schwarze Peter im Besitz<br />

meines rechten Nachbarn war, fühlte ich einen leisen<br />

Tritt auf ineinem rechten Fufe, wenn beim Linken,<br />

so auf dern linken Fu2. Soilte ich mir ungestraft auf<br />

den Fu13 treten lassen? Ich nicht! Beim Kartenwerf en<br />

war ich sehr ungeschickt. Jedesmal traf ich die Finger<br />

Felicias.<br />

Sie war em ungewöhnliches Mädchen, voll Geist und<br />

Energie und wunderbar selbständigen Wesens. Durch eine<br />

bose Stiefmutter aus dem elterlichen Hause verbannt,<br />

lebte sie in fremdem Hause von dem Jahresgeld, weiches<br />

sie aus ihrem mütterlichen Erbe zog unabhängig ihren<br />

Grillen; so erschien sie stolz und unnahbar.<br />

Doch empfand sie bald das Bedtirfnil3 mit Leuten zu verkehren<br />

und sich of f en auszusprechen, kurz, in einiger<br />

Zeit hatten wir so viel zu plaudern, dal3 wir nie fertig<br />

werden konnten und immer wieder einen neuen Abend<br />

herbeiwünschten.<br />

Dabei versäumte ich rneine Studien nicht, von denen<br />

sie bisher durchaus keine Notiz genommen, was rnich<br />

nicht wenig verdroI.<br />

Urn so mehr überraschte es mich, als Felicia inir eines<br />

Tages ganz trocken erzahlte, sie hätte meine Professoren<br />

aufgesucht, urn sich nach rneinem Lernen zu erkundigen.<br />

Sie sei mit dem Resultat zufrieden, sehr zufrieden.<br />

Nicht so sehr zufrieden war ich mir ihr, denn sie<br />

fing an mich zu hofrneistern - ich mu1te mich sorgfältiger


95<br />

kleiden; schrecklich: sie lehrte mich sogar, mich<br />

besser zu frisieren, meine Notenhefte mul3ten schön<br />

geheftet sein (das that sie aber selbst), keine Tintenflecke<br />

wurden geduldet, auch das Schneeballwerfen<br />

wurde mir verwiesen, statt tiber das Stiegengeländer<br />

zu kiettern muf3te ich Uber die Stiege gehen, alle Unarten<br />

wurden abgewöhnt; tägl.ich erhielt ich eine<br />

strenge Schreibstunde, meine schlechte Schrift zu verbessern,<br />

wir studirten zusammen Französisch, gingen<br />

miteinander in Theater und Concerte, zur Kirche und<br />

Besuchen usw..<br />

Einmal, es war, wenn ich nicht irre em Weihnachtsabend,<br />

ersuchte sie mich zum ersten Male ihr etwas<br />

vorzuspielen; ich spielte Webers Variationen Uber:<br />

"Vien qua Donna bella". Gegen Ende der Piece hörte<br />

ich sie laut weinen und fUhlte mich von riickwärts urnarmt<br />

und heftig auf die Stirne gekUf3t; obschon noch<br />

halb Kind, wuf3te ich nicht, wie mir geschah; denn ich<br />

war ungernein ergriff en, Felicia', die mich sonst so<br />

stolz hofrneisterte, so weich und leidenschaftlich zu<br />

sehen - noch dreimal mu1te ich das Thema spielen und<br />

wurde zum Danke von Ktissen fast erstickt. Felicia erzählte<br />

mir, daB sie sich an diesem Abend so sehr an<br />

frUhere Weihnachtsabende erinnerte, an früheres, gluckliches<br />

Farnilienleben und sich nun zurn erstenmale so<br />

recht einsam fUhle.<br />

'Du rnuBt nun mein Bruder sein! Nein, du bist es schon<br />

langst!'<br />

Noch erinnere ich mich, wie ich das erste 'Du' sagte,<br />

weiches mir bald geläufig wurde. Vor der Welt. 'Sie',<br />

unter uns 'Du', volle 3/4 Jahr und nie eine Verwechslung<br />

oder em Vergessen, das sich fatal genug.ausgenominen<br />

htte. Ihr Einflul3 auf mich war wirklich unbegrenzt,<br />

ebenso konnte sie keinen Tag mehr ohne meine<br />

Gesellschaft zubringen, wir waren lustig wie Kinder<br />

- oder traurig wie die Kinder und doch studirte ich<br />

damals so fleil3ig wie nie, denn Felicia duldete kein<br />

Versäurnen - sie erinnerte auch, wenn es Zeit war, den<br />

Eltern zu schreiben, lehrte mich unter alien VerhEltnissen<br />

meine Selbständigkeit zu wahren, so daB ich bald<br />

meine sämtlichen Camaraden (es waren zwar nicht Viele)<br />

unter den Pantoffel. bekarn.


96<br />

Anfangs FrUhjahr 1853 (ich glaube, es war noch Februar)<br />

erkrankte ich ziemlich heftig. Nit heftigen Kopfschmerzen<br />

stellte sich em Fieber el so da8 ich bald<br />

irre redete. Felicia war untröstlich und wich nicht<br />

von meinem Krankenlager; sie pflegte mich Tag und Nacht<br />

und duldete eifersüchtig keine andere Pflege. Als es<br />

besser wurde, las sie mir Wilhelm Meister, wobei sie<br />

hofmeisternd bemerkte:<br />

'Eigentlich sei dies Werk nicht für so junge Leute -<br />

doch mache ich eine Ausnahme'.<br />

Mignon machte einen unauslöschlichen Eindruck auf mich,<br />

kaurn genesen, versuchte ich zwei ihrer Lieder: 'Kennst<br />

du das Land' und 'Nur wer die Sehnsucht kennt' musikalisch<br />

wiederzugeben.<br />

Nit der Genesung hatte ich auch die Kinderjahre abgeschüttelt<br />

und fing an reifer zu componiren. Wie vieles<br />

hatte ich Felicia zu danken - wie unermüdet hatte sie<br />

sich meiner angenoinmen und doch konnte ich ihr nicht<br />

dankbarer sein als sie es inir war.<br />

So selbständig und energisch sie in ihren Handlungen<br />

war, so war sie doch nie unweiblich, lieB sie es sich<br />

doch nicht nehmen an meinem Geburtstage mir meine Lieblingsspeise<br />

zuzubereiten. Stand ihr doch die weiBe<br />

Küchenschürze gar zu allerliebst.<br />

Noch im nHrnlichen Frühjahr (1853) verliel3 Felicia unser<br />

Haus, urn bei Verwandten Wohnung zu nehmen - das war<br />

em harter Schlag für mich, denn wenn ich sie auch<br />

tHglich besuchte und ganze Nachmittage dort zubrachte,<br />

so fehite mir dagegen zu Hause Alles - sie - der es<br />

übrigens nicht viel besser ging. Mit doppeltem Eifer<br />

erfai3te ich. mein Studium, nur urn ihr davon erzählen<br />

zu können - wie gerne hörte sie mir zu - obschon sie<br />

Alles nur halb verstand.<br />

Nach einiger Zeit fiel es mir auf, daB Felicia selten<br />

mehr helter wurde, obschon ihre Herzlichkeit die frühere<br />

blieb, ja sich noch steigerte. Urn die Ursache dieser<br />

Veränderung befragt, weinte sie heftig und verbot<br />

mir zu fragen. Diese Verschlossenheit kränkte mich<br />

nicht wenig, waren wir doch längst gewöhnt keine Geheimnis-se<br />

unter tins zu kennen, alle kleinen Tücken, jede<br />

List, Schmeicheleien, nichts blieb von mir unversucht,<br />

doch ohne Erfoig, zeigte ich mich auth gekrankt,


97<br />

so konnte mich em Buck von ihr besHnftigen.<br />

Eines Sonntags gingen wit, statt wie gewohnlich in den<br />

Kunstverein in den englischen Garten.<br />

'Wir ge.hen heute zum ietztenmale miteinander, lieber<br />

Bruder', sprach Felicia mit erzwungener Heiterkeit,<br />

'und wenn du nicht weinst und muthig bist, so will ich<br />

nicht mehr so verschlossen sein.'<br />

'Ich weine ja nicht, Felicia, obschon mir jede Trennung<br />

näher geht als dir, das weit3 ich gewiB.'<br />

'Wie trotzig! Ich habe dich aber so verzogen!'<br />

'Du hast mich weder erzogen noch verzogen - ich bin<br />

kein Kind mehr, Felicia, ich werde lachen was du mit<br />

auch zu sagen hast!'<br />

'Das wirst du nicht' - sie hatte Recht.<br />

'Lieber, theurer Bruder, du gehst in zwei Tagen wieder<br />

zu deinen Eltern, du glaubst unsere Trennung daure nur<br />

zwei Monate - sieh mich nicht so an - nein! Sonst kann<br />

ich nicht welter reden - wenn du zurückkonmist bin ich<br />

nicht mehr hier - weit, weit von hier.'<br />

'Wo gehst du hin?' fragte ich mit geprefter Brust.<br />

'Ich habe dir nie von melnen Familienverhltnissen<br />

gesprochen, habe dir verboten mich darUber zu befragen<br />

- du hast mir gefolgt, obschon es dir manchmal schwer<br />

wurde - bist eben mein lieber Bruder, das einzige,<br />

theure Wesen, das ich kenne, du bist die einzige Erinnerung,<br />

die ich aus Europa nach der neuen Welt mitnehme!'<br />

Fast schrle ich laut auf.<br />

'Still, sei ruhig' Dein Schmerz wird nicht lange dauem,<br />

du bist jung, deine Kunst erfUilt dich ganz - bist<br />

du erst in meinem Alter, oder etwas alter, so wirst<br />

du dein Glück im eigenen Familienkreise suchen - und<br />

finden - mich vergessen, die ich im fernen Westen taglich,<br />

stUndlich an dich denken werde.' -<br />

Wir sprachen lange nichts mehr; bei den Wasserfällen<br />

setzten wir uns auf eine Bank. Felicia war ruhiger geworden<br />

und erzählte tair, dais sie, durch Familienereignisse<br />

gezwungen, nach America mUsse - dort einem<br />

Nanne, den sie kaum kenne, die Hand reichen und sehr<br />

unglucklich sein werde.<br />

'Soliten wit uns in dieser Welt wiedersehen, so bitte<br />

ich, beschwöre ich dich, bleibe mir, was du mir warst


98<br />

- das soil meine einzige wenn auch schwache Hoffnung<br />

sein, die mich in der fernen Farm aufrecht erhalten<br />

soil - glaube mir, ich werde dich in allen Verhältnissen<br />

wieder kennen. Kiisse mich noch einmal - Nun Lebewohl<br />

für immer.'<br />

Wir trennten uns - wie ich den Weg nach Hause gefunden,<br />

weil3 ich nicht mehr. Ich hatte Kopfschmerzen und<br />

legte mich früh nieder, nachdem ich zuvor meine Reiseeffekten<br />

gepackt hatte - ich schlief die ganze Nacht<br />

nicht, der Kopf brannte - weinen konnte ich nicht,<br />

ich mufte aufstehen urn nicht zu ersticken, immer sah<br />

ich nur Felicia zu Schiffe, das so liebe Gesicht dem<br />

Ufer zugewandt, auf dern ich trostlos stand. -<br />

Friih 5 Uhr kam -mein väterlicher Freund mich mit dem<br />

Wagen zur Eisenbahn abzuholen. Der Empfang zu Hause<br />

war wie sonst, nur Vater war trotz der glänzendsten<br />

Schulzeugnisse etwas strenger gegen mich. Aus neckenden<br />

Anspielungen der Geschwister erkannte ich mit Erstaunen,<br />

dal3 Vater schon seit Wochen durch einen böswiiligen<br />

entstellenden Brief von meiner Zuneigung zu<br />

Felicia in Kenntnii3 gesetzt war. Ich wul3te den Brief<br />

trotz seiner guten Verwahrung heimlich zu lesen -<br />

er war gut gemeint von dem Warner, aber voll Unwahrheit,<br />

wie hätte Jemand uns verstehen können. Vater<br />

erwähnte keine Silbe gegen mich, nur vor der Abreise<br />

bekarn ich em scharfes Kapitel gegen das andere Geschlecht<br />

zu hören - ware unnötig gewesen, denn ich<br />

trug Felicia ais eine Heilige in der Erinnerung.t'<br />

In den Zeiien, die Perstenfeld zurn Jahreswechsel nach<br />

Vaduz richtet, kommt Sorge urn das moralische Wohlverhalten<br />

des l4jährigen Rheinberger zurn Ausdruck:<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Der herannahende Jahreswechsel legt nir die angenehme<br />

Pflicht auf, Ihnen für die erwiesenen Gefälligkeiten<br />

des vergangenen Jahres herzlichen Dank abzustatten,<br />

und Ihnen em rech,t gesegnetes neues Jahr zu wünschen.<br />

Ernpfangen Sie -und Ihr ganzes Haus meine herziichen<br />

Glücks-. und Sëgenswünsche zum neuen Jahre, und seyen<br />

Sie überzeugt, daI3 dieselben im GefUhle der reinsten<br />

christljchen Nächstenliebe ihren Grund haben. -


99<br />

Es thut mir zwar sehr leid, dal3 ich nicht ungetrtibt<br />

und rein diesen Boten der Segenswünsche Ihnen absenden<br />

kann - leider babe ich demsel.ben einige Kiagen mitzugeben,<br />

durch weiche die Neujahrsfreude in Ihrem Vaterherzen<br />

e.twas gestort werden wird. -<br />

Pepi hat sich gewaltig verEndert; er fängt an stolz,<br />

zurückhaltend, im höchsten Grade mi2trauisch zu werden.<br />

Einen grofen Theil der Schuld dieses MifverhE1tnil3es<br />

trägt der Umstand, dal3 er einem Frauenzimmer von<br />

19 Jahren, weiches bei uns wohnt, Unterricht in der<br />

französischen Sprache gibt, wofUr er if 1 3Oxer per<br />

Nonat empfängt. -<br />

Diese Person hat sich so in sein Herz einzuschleichen<br />

gewul3t, und streut ihm so viel Weihrauch in ihren Lobeserhebungen,<br />

daB uns der Knabe ganz entfremdet wurde.<br />

- Beide nisten den ganzen Tag zusammen, und wo<br />

eines 1st, ist auch das Andere; 1st sie nicht zu Hau-<br />

Se, so hat er auch GEnge zu machen. -<br />

Ich kann erst nicht viel einwirken, denn die Weibsperson<br />

kann ich erst im Monate März aus dem Hause entfernen,<br />

vielleicht - wenn es mir möglich wird, im Februar,<br />

und so mtil3en wir uns viel ärgern.<br />

Diese Person 1st erst fast zu fürchten, denn sie hat<br />

eine hose schlüpfrige Zunge, und ich habe mich schon<br />

uberzeugt, daB sie die Nebenmenschen unbarmherzig<br />

durchhechelt. Allein, was will ich hier machen, wollte<br />

ich ihr gleich aufktinden, so verliere ich zwey Monatsgelder;<br />

und da ich mich ohnedieB hart thue, so<br />

bin ich rathlos. -<br />

DieB der Wahrheit zum Zeugnht3. Ubrigens - was nämlich<br />

das Conservatorium anbetrifft, 1st Alles in der schOnsten<br />

Ordnung, und Pepi ist bei den ProfeBoren sehr<br />

beliebt, well er eminente Fortschritte macht. -<br />

Indem ich Sie ersuche, Uber eben erwEhnte VerhältniBe<br />

mir klugen Rath zu ertheilen, wie wir dieses MiBverhEltni2<br />

zerstreuen kOnnen, verbielbe ich<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

ergebenster Diener<br />

Joh. Ev. Perstenfeld, MagistratsfunktionEr<br />

Miinchen, den 3Oten Dezember 1852."


100<br />

Josef Rheinbergers gleichzeitiger Rapport schweigt selbstredend<br />

über dergleichen Herzensgeheimnisse:<br />

MUnchen, 30.12.52<br />

"Theuerster Vater!<br />

Schon wieder ist em Jahr verfiossen und ich erinnere<br />

mich mit dankbarstem Herzen an die vielen Wohithaten,<br />

weiche Sie mir erwiesen haben seit meiner Kindheit an.<br />

Aber ich befleil3e mich auch, mich dieser Wohithaten<br />

würdig zu machen und bitte Gott, mir darin beizustehen<br />

und Sie mir recht lange zu erhalten. -<br />

Nach den Worten des Hr. Prof. Herzog habe ich im Orgelspiel<br />

alle diejenigen ingeholt, welche em Jahr langer<br />

lernen. -<br />

Durch seine Empfehlung bin ich nun zum Vice-Organist<br />

bei St. Ludwig avancirt und werde den Dienst dort am<br />

Neujahrstag antreten, wel.ches mir von Nutzen sein wird.<br />

Auch in der St. Michaels-Hofkirche und in der Kirche<br />

in der Herzog-Nax-Burg. Die Andern, Prof. Leonhard<br />

und Maier, sind gleichfalls sehr zufrieden mit mir -<br />

auch das Französische geht sehr gut, obschon ich keine<br />

schöne Aussprache babe. -<br />

Die öffentlichen BlHtter versichern, daf das Conservatorium<br />

an Hr. Edward Doctor aus Wien einen berühmten<br />

und ausgezeichneten Professor gewonnen, er aber<br />

hat zur Genüge in einem Konzert bewiesen, da8 dem<br />

nicht so sei und da2 nichts hinter ibm stecke, - kaum<br />

wurde er applaudirt. -<br />

Etwas Neues und doch Altes 1st es, dal3 es seit dem<br />

5. Oktober hier nicht mehr geschneit hat und wir das<br />

herrlichste Herbstwetter geniel3en. -<br />

Obschon wir 8 Tage Vakanz haben, so haben wir doch so<br />

viel Aufgaben bekommen, daB Sie mir verzeihen werden,<br />

wenn ich jetzt nicht fortfahren kann. Dem Bruder Peter<br />

danke ich für die 6 fl, undwenn noch mehr Ahnliches<br />

von ihm folgt, werde ich es bereitwilligst annehmen.<br />

Bekommt der David einen Platz? Ich wünsche<br />

ibm, der lieben Mutter und alien lieben Geschwistern<br />

em herriiches giückbringendes neues Jahr und<br />

verbleibe Ihr dankschuldigster Sohn<br />

Joseph Rheinberger.


101<br />

Hat der Nikolaus viel gebracht?<br />

Mich hat er scheints vergessen."<br />

Der EinfluI3 der jungen Dame auf den Musikstudenten<br />

äuBert sich im Erstarken seines SelbstwertgefUhls und<br />

seines Ordnungsstrebens: er legt em Verzeichnis seiner<br />

Musikalien an. (RhAV)<br />

Gleichzeitig trägt er die entstehenden ersten Kompositjonen<br />

aus MUnchen in em Werkverzeichnis em.<br />

(Vgl. Rheinberger-Verzeichnis)<br />

Im Januar des Jahres 1853 erkrankte Rheinberger schwer.<br />

Nach seiner Genesung schreibt er an seine hesorgten<br />

Eltern:<br />

MUnchen, 1. Februar 1853<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Sie werden besorgt gewesen sein, dal3 ich Ihnen nicht<br />

eher schrieb. Sie sollen aber sogleich vernehmen, dat<br />

es mir früher unmöglich war. - Seit gestern acht Tage<br />

lag ich krank. Es zeigten sich alle Symptome elner Halsentzündung,<br />

welche mich hinderten, das Bett zu verlassen;<br />

dann em ganz neues libel, nEmlich DrUsen, vollendeten<br />

noch mein Unwohisein. Nun aber, da alle diese<br />

libel gehoben sind, ist es meine erste Aufgabe, Ihnen,<br />

theuerste Eltern! zu schreiben. Da ich während dieser<br />

Zeit einige linterrichtsstunden versäumen mu1te, so seien<br />

Sie versichert, da2 ich es mir werde angelegen sein<br />

lassen, das wenige VersEumte eifrig nachzuholen. -<br />

Letzten Samstag, als am Namenstage des Hr. Directors,<br />

mu2te ich mein Unwohisein überwinden und an dern Concerte<br />

teilnehmen, und spielte zwei Plecen. Sonntags muf3te ich<br />

wieder das Bett hiiten, gestern und heute aber kann ich<br />

die Unterrichtsstunden besuchen. -<br />

Sie fragten mich in Ihrem letzten Briefe, wie's urn das<br />

Orgelspielen stehe, - aber ich schrieb ja schon frUher,<br />

dal3 ich auf Empfehlung des Hr. Prof. Herzog in der Ludwigskirche<br />

den Orgeldienst versehe, aber natUrlich ohne<br />

Gehalt und bbs der Ubung wegen. -<br />

Im Hoftheater sah ich vor kurzem "Die Stumme von Portici"<br />

und "Guido".


102<br />

Ich habe sehr viele Ausgaben zu bestreiten, bald dieses,<br />

bald jenes, weiches sich gleich summirt. -<br />

Es freute mich sehr, erfahren zu haben, dal3 Anton<br />

schon so geschickt und flei2ig ist; wie oft mul3 ich<br />

ihm aber.sagen lassen, daIs er mir schreibe. WeiI man<br />

noch nicht, ob David eine Anstellung bekommt?<br />

Wie geht es Ihnen , theuerste Eltern, und meinen lieben<br />

Geschwister. Es ist schon lange Zeit, daB ich<br />

nichts von der lieben Mutter hörte; darausschlief3e<br />

ich, daB sie gesund 1st. Spielt Mali fleiBig Klavier<br />

oder vergiBt sie alles? FUhrt Anton die Aufsicht noch<br />

mit der eisernen Strenge wie damals? -<br />

Ich schlieBe in der sichern Hoffnung, bald von lieb'<br />

BrUderchen em ... zu erhalten.<br />

Leben Sie wohl und entziehen Sie nie Ihre väterliche<br />

Liebe<br />

Ihrem ewig dankschuldigen Sohn<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Die Schönschreibübungen, die<br />

begonnen hatte, tragen erste<br />

nicht glauben, daB sein Sohn<br />

geschrieben hat. Perstenfeld<br />

bigen:<br />

Josef auf Wunsch Felicias<br />

Früchte. Der Vater will<br />

den letzten Brief selbst<br />

muB die Echtheit beglau-<br />

München, den 9ten Februar 1853<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Mit Freuden willfahre ich Ihrem Ansuchen, und kläre Sie<br />

über Ihre Zweifel durch die angenehme Uberraschung auf,<br />

daB der fragliche Brief wirklich von Pepi selbst geschrieben<br />

wurde, und er sich schon seit elniger Zeit<br />

wacker im Schönschreiben iibt. -<br />

Pepi 1st wieder ganz wohl, und besucht fleiBig das Conservatorium,<br />

wohin er jetzt auch einen tEglichen Begleiter<br />

hat, well mein Sohn Ludwig jetzt auch als E1.eve<br />

dort eingeschriehen ist. -<br />

Was die Kurkosten betrifft, so wollen wir ihrer Unbedeutenheit<br />

wegen davon Umgang nehmen, und die Erztlichen<br />

Besuche gehen ohnedieB auf meine Rechnung. -<br />

Eine Bitte aber hätte ich; nämlich ich m5chte so gerne<br />

Vaduz in München haben, und da dieses nicht wohl seyn<br />

kann, so möchte ich halt wenigstens em Bild davon in


103<br />

meinem Zimmer prangen sehen. WUrde vielleicht em Herr<br />

Bruder Pepi's die Freundschaft haben, und mir em Bud<br />

von Vaduz verschaffen, so würde ich mich sehr dankbar<br />

bezeugen. -<br />

Mich Ihrer werthen Freundschaft empfehlend<br />

verbleibe ich<br />

Ihr<br />

Sie hochschätzender Freund<br />

J.E. Perstenfeld<br />

GrUl3en Sie mir alle die Sie die Ihrigen nennen."<br />

Ende Februar schickt Rheinberger semen Ublichen Monatsbericht<br />

an die Eltern:<br />

München, d. 26. Febr. 1853<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ich habe Ihnen dieses mal nicht viel zu berichten, au8er<br />

daI3 ich mich immer wohi und zufrieden befinde, was ich<br />

auch von den lieben Geschwistern, besonders aber von<br />

Ihnen hoffe. Deswegen bitte ich täglich Gott, mir die<br />

Kraft zu verleihen, inich Ihnen stets dankbar zu bezeigen.<br />

Die 20 f 1, weiche Sie mir geschickt haben, habe<br />

ich erhalten, und das III. Quartal bezahit. -<br />

Am 16. d. erfreuten mich Hr. öhry, Pfarrer von Dressling<br />

nebst seinem Bruder aus Eschen mit elnem Besuche.<br />

Ich hörte zu meiner gröf3ten Freude Ihr Wohibefinden und<br />

zu ineiner Verwunderung die Vermehrung der Grenzzollwacht<br />

und da8 Lichtenstein auf den Herbst sterreich<br />

einverleibt werde. T.ch bitte Sie, mir darUber im nächsten<br />

Briefe Aufschlul3 zu ertheilen, indem ich darauf sehr<br />

neugierig bin. -<br />

Im Konservatorium werden jetzt wdchentlich zweimal. Ensemble-Ubungen,<br />

wobei ich immer auf der Orgel accompagfire.<br />

Auch habe ich gestern bei solcher Gelegenheit em<br />

schönes, sehr schweres Concertstück von Joh. Seb. Bach<br />

gespielt. Seit Anfang dieses Monats wurde ich auf Veranlassung<br />

des Sohnes des Herrn Directors den Chorsängem<br />

eingereiht, wo ich II. Sopr. od. Alto singe. Die<br />

Titi. Professoren sind mit mir zufrieden - besonders<br />

Hr. Herzog, weicher mich einmal in der protest. Kirche<br />

nach dem Gottesdienst eine schöne, von ihm omponirte<br />

Fuge spielen lie8. -


104<br />

Warum schreibt mir denn Anton, Doktor der Buchbinderkunst<br />

und wirkliches quieseirtes Ehrenmitglied der<br />

Notenabschreiberakademie, nicht? Denkt er bisweilen<br />

an mich? Da13 Peter an mich denkt, hat er bewiesen. Was<br />

macht David und die ubrigen Geschwister, besonders Kammervirtuosin<br />

Amalia.<br />

Viele GrUBe und Empfehlungen an Alle, besonders aber<br />

an Sie, beste Eltern<br />

von Ihrem dankbaren Sohn<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Die Osterferien verbringt Rheinberger bei Pfarrer<br />

Wolfinger in Türkenfeld.<br />

"Theuerste Eltern!<br />

MUnchen, 29. Mrz 1853<br />

Da ich soeben von meiner Vakanz aus Türkenfeld zurückkomme,<br />

so ist es mein erstes, Ihnen geliebte Eltern,<br />

zu schreiben. Die Osterferien begannen Freitag vor Palmsonntag.<br />

Ich ging aber erst Montag den 21. nach Türkenfeld,<br />

nachdem ich abends zuvor Haydn's unUbertref fliche<br />

Schöpfung gehort. In Türkenfeld nahm mich Hr.<br />

Pfarrer sehr freundlich auf, und mir viele Empfehlungen<br />

aufgab. Auch gab er mir die 50 f 1, obschon ich sagte,<br />

er möchte sie inir von Monat zu Monat schicken. Davon<br />

ubergab ich sogleich 44 fi den Perstenfeld'schen aus<br />

der Zinszeit Georgi, also jetzt April, Mai, Juni bezahit.<br />

Heute Mittwoch begannen die Unterrichtsstunden<br />

wieder.<br />

Als Aufgaben machte ich einen Quartettsatz mit Schluf3fuge,<br />

em 4stlmmiges Sanctus und eine Orgelfuge. Jetzt<br />

arbeite ich an elner Klaviersonate, deren erster Satz<br />

sich schon dem Ende neigt. Unsere Arbeiten in der Composition<br />

umfa6ten im I. Semester alle Arten doppelten<br />

Contrapunkts, alle Arten Canons und Imitation, womit<br />

ich schon mehrere Hefte ausgefUllt habe. -<br />

Auf Georgi, den 24. April ziehen wir aus jetziger Wohnung<br />

aus in 'MUllerstral3e Nr. 35/3 rechts'.<br />

Da mir der braune Rock viel zu gro8 1st, wollte ich Sie<br />

fragen, ob ich ihn nicht Endern lassen dürfte. Auch<br />

werde ich bald neue Stiefel brauchen. Die neue graue<br />

Hose ist mir viel zu kurz. Insoweit tiber meine Garderobe.


105<br />

Da Herr Perstenfeld beabsichtigt, em Kiavier zu kauf<br />

en und Geld dazu nicht hat und vielleicht Ihnen darum<br />

schreiben könnte, ohne mir em Wort davon zu sagen<br />

- so halte ich es für nöthig, Ihnen zu sagen, dal<br />

sie 1300 fi Schulden haben und daf3 Sie ja nichts<br />

schicken! -<br />

Auf der Türkenfelder Reise brauchte ich 4 fl 30+er. -<br />

Hr. Perstenfeld laf3t sich dem Anton für 'VADUZ' bedanken.<br />

Indern ich nun alle lieben Geschwister grüIe und Ihnen,<br />

geliebte Eltern, herzlich danke,<br />

verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn<br />

Joseph Rheinberger".<br />

Ende April zieht Rheinberger mit semen Münchner Vermietern<br />

in eine neue Wohnung urn.<br />

Sein Brief an die Eltern Anfang Mai 1st voller Nachrichten<br />

und Fragen.<br />

Er lautet:<br />

MUnchen, 3.5.53<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ihren Brief mit dem Gelde erhielt ich am 19.d.M., weil wir<br />

aber am Samstag, den 30. in die neue Wohnung zogen (MUllerstr.<br />

Nr. 35/3), war es mir unmoglich, eher zu schreiben. -<br />

Hr. Grundbuchführer meine höfliche Empfehlung und freue<br />

mich ungemein, ibm eine kleine Gefalligkeit dadurch erweisen<br />

zu können, dal3 ich die Statuten des Institutes bellege.<br />

- Die Sonate, welche ich früher erwähnt, ist nun als<br />

mein op. I fertig geworden. Nun habe ich eine OuvertUre<br />

für's ganze Orchester in der Arbeit, welche bis in 2 Monat<br />

fertig werden muf.<br />

Uber das Conservatorium hEtte ich diesmal sehr viel zu<br />

schreiben, aber weil die Zeit mich drängt, genUge es, dat3<br />

gestern der 4. Zahltag im Conservatorium war. Die Oper<br />

'Sacontola' des nämlichen Baron v. Perfall, bei weichem<br />

ich war, habe ich gehort und kann nur soviel davon sagen,<br />

dal3 sie einzelne gute Arien hat, aber im Ganzen ist zu<br />

wenlg Einheit. Die OuvertUre ist nicht schlecht gearbeitet,<br />

aber nicht für's Publikum geschrieben. Auch hörte ich<br />

in diesein Monate den 'Prophet' von Meyerbeer; diese Musik<br />

1st pompös, aber entbehrt gröl3tentheils elner harmonischen<br />

Grundlage und hascht zu sehr nach Effekt.


106<br />

Nach hiesigen Zeitungen war ktirzlich em Erdbeben in Chur,<br />

Ragaz und Thusis, ich möchte gerne mehreres wissen. -<br />

Wenn Toni so gefällig 1st, mir em wunderschönes Notenbuch<br />

zu machen, so soil er Quer-Format 12 L. nehmen.<br />

Ich erzählte Hr. Prof. Herzog von dem besten Organisten<br />

Europas und er sagte, wenn er in 4 Wochen die 'Passacaglia'<br />

von Bach einstudire, so wolle er ihm glauben. Dieses Orgelstuck<br />

werde ich auf der feldkircher Orgel spielen, wenn<br />

das Pedal 2 Oktaven hat, was ich sehr gerne wissen möchte.<br />

Jedenfalls ware es em gro8er Fehler. -<br />

Das Neueste, was es hier gibt, ist, da8 - ich mir meine<br />

Stiefel vorschuhen lie6, was 2 fl 42+er kostete. -<br />

Es freute mich sehr, zu vernehmen, da8 Sie sich wohi befinden,<br />

und da1 Sie sich freuen auf die baldige Ankunft<br />

Ihres dankschuldigen Sohnes<br />

Joseph Rheinberger.<br />

Am 20. März 1853 berichtet der "Münchener Punsch":<br />

"Der Hofschauspieler Hr. Jost hat semen bisher am<br />

Conservatorium ertheilten Unterricht eingestellt. Mangel<br />

an Ubereinst.immung zwischen ihm und der Direction<br />

dieser Anstalt soil die Ursache sein. Man frägt sich<br />

Uberhaupt zum of tern: wie es denn kommt, da1 das Conservatorium<br />

der Bühne so blutwenig Früchte bringt?!<br />

Wie sehr seufzt unsere Oper nach em paar jugendlichen<br />

Sängerinnen und wie sparlich 1st die Arnte aus<br />

jener ziemlich theuren Pflanzschule des Gesanges!"<br />

Zwei Monate später meldet das gleiche Blatt:<br />

"Die artistischen Verhältnisse unseres Conservatoriums<br />

sollen der Art sein, da8 zur Prüfung und WUrdigung der<br />

obschwebenden Differenzen elne eigene, aus unpartelischen<br />

Männern gebildete Commission niedergesetzt ist".<br />

Rheinberger selbst berichtet dazu:<br />

Theuerste Eltern!<br />

Nünchen, 31.5.53<br />

Ihren werthen Brief vom 18. erhiel.t ich am 20. d. Monats,<br />

und es freute mich sehr, zu vernehmen, da8 Sie<br />

sicK recht wohl befinden. Auch ich erfreue mich, Gott<br />

sel es gedankt, einer bestandigen Gesundheit, so daB<br />

ich auch dieses Jahr keine Stunden versäumte. -<br />

Seit Monat Mai nehme ich auch Kompositionsstunden bei


107<br />

Hr. Hauser (Sohn des Direktors) - auf seine Veranlassung.<br />

-<br />

Merkwürdig ist, dai3 zu Ostern der beste Bassist, der<br />

beste Tenorist, die beste Altistin und Sopranistin<br />

(diese geben nun im Hof theater zu Karisruhe Gastrollen)<br />

ferners der beste Violinist und der beste Cellist ausgetreten<br />

sind - ebenso einer der besten Clavierspieler<br />

und em Violinprofessor.<br />

Dieser nun erhob beim Ministerium des Innern so viele<br />

Kiagen gegen Hr. Direktor Hauser, dat3 wir alle glaubten,<br />

er werde pensioniert. (Worm eigentlich die Kiagen<br />

bestanden, konnten wir jedoch nie zusammenhHngend<br />

erfahren). Es wurde eine Commission vom Könige abgeordnet,<br />

welche diese Klagen untersuchen, die Zöglinge<br />

prUfen und alles zu Papier nehmen solite, was auch geschah.<br />

Diese PrUfung begann am Pfingstdienstag und dauerte<br />

bis Samstag, also 5 Tage von 8-1 Uhr und von 3-8<br />

Uhr. -<br />

Die Kommission bestand aus einem Ministerialrat - einem<br />

Professor der Universität, welcher em sehr strenger<br />

Musiker ist und alle PrUfungen leitet, ferners em<br />

Schulinspektor und em Oberkonsistorialrat und Hofsänger<br />

Härtinger.<br />

Die I. PrUfung, bei weicher ich etwas zu tun hatte, war<br />

Instrumental-PrUfung, wo ich vom Blatt spielen mufte,<br />

was ganz gut ging. -<br />

Dann war aber Contrapunkt. Da wurde nun mein Quartett<br />

aufgefUhrt, Hr. Direktor spielte Viola und ich muBte<br />

dirigiren. Und die Herren hatten die Geduld, es ganz<br />

zu hören und fragten mich noch hernach, ob ich es ganz<br />

gewiss selbst gemacht hatte. -<br />

Die Orgelprüfung dauerte nur 2 Stunden, weil nur 4 Schü-<br />

ler waren, mich traf davon 1<br />

voile Stunde, weiche mir<br />

ziemiich heil3 machte. Da mutte ich registriren, präiudiren,<br />

die Passacaglia von Bach produziren, ferners<br />

mu6te ich in den 6 griechischen Tonarten Ubergänge machen,<br />

und als ich gl.aubte fertig zu sein, schrieb der<br />

Prof. der Universität em Fugenthema auf, welches ich<br />

im Stegreif zu Fuge machen sollte (das allerschwerste<br />

einer PrUfung). Ich spielte und sie sagten, es sei sehr<br />

gut gegangen. Well ich seit dem Oktober spielte, war<br />

ich dr erste, und gleich nach mir flel elner total durch,


108<br />

welcher4 Jahre lernte. Darnach sagten sie, ich hHtte<br />

die schwerste und beste PrUfung gemacht.<br />

Die Clavierprufungdauerte von 5 - 9 Uhr abends. Es waren<br />

12 Schüler des Hr. Prof. Leonhard, und sein Ritester<br />

(weicher 26 Jahre alt ist) wurde als jUngster anerkannt.<br />

Ich mul3te noch zuletzt em Stuck von Mozart<br />

vom Blatt spielen, welches der Reihe nach herum ging,<br />

wer es spielen wolle - und Ende gut, alies gut. Gestern,<br />

(Montag) kam die kgl. Commission zum letzten Male und<br />

wohnte der Ensemble bei, wobei ich auf der Orgel accompagnirte,<br />

und noch gestern wurden die Ergebnisse der<br />

Prüfungen fort an den K3nig geschickt. Der Prof. der<br />

Universität hatte -mich eingeladen zu ihm zu koinmen.<br />

Ich ging auth hin und blieb 3 volle Stunden bei ihm.<br />

Da mul3te ich nun Partituren lesen, nämiich 'Iphigenie<br />

in Tauris', 'Aiceste' von Gluck und mehrere Ouverturen<br />

von Mozart, alle aus 16 Zeilen. Da sagte er, diese<br />

Ouverturen hätte ich gewii3 schon geubt und brachte nun<br />

Partituren -von Abbe Vogier, welche nur er allein, und<br />

zwar die Handschrift, besitzt, und es freute ihn sehr,<br />

da2 ich sie eben so gut spielte wie die andern. -<br />

Nun sind die Prüfungen vorbei und ich danke Gott, daB<br />

alles so gut ging. -<br />

Ich glaube, es wird Ihnen nicht unwilikommen sein, wenn<br />

ich hier die Stunden schreibe, weiche ich im Conservatorium<br />

beschHftigt bin:<br />

Montag von 8 - 10 Uhr Ubung auf dem Pedal-FlUgel,<br />

10 - 11 Klavierstunde, 11 - 12 Orgeist.,<br />

2 - 4 Contrap.-Stunde, 4 - 1/2 5 Bibliothek,<br />

von 1/2 5 - 6 Instrumental-Ensemble.<br />

Diens tag<br />

Mit twoch<br />

Donnerstag<br />

Freitag<br />

von 8 - 10 Ubung, 2 - 4 Compositionsstunde,<br />

4 - 6 Gesang-Ensemble. -<br />

von 8 - 10 Ubung, von 10 - 12 Orgelstunde.<br />

von 8 - 10 Ubung, von 10 - 12 Clavierstunde,<br />

von 4 - 6 Instrumental-Ensemble. -<br />

von 8 - 10 Ubung, 10 - 12 Orgeistunde,<br />

2 -. 4 Contrapunkt, v. 4 - 1/2 5 Bibliothekverleihung,<br />

1/2 5 - 6 General-Ensemble. -


109<br />

In den Instrumental-Ensemblen tibernehme ich immer die<br />

Clavier-Partien. In den Gesang-Ensemblen rnul3 ich immer<br />

die Sänger auf der Orgel accompagniren. Weil ich nun<br />

dieses Jahr mehr Stunden (also auch mehr zu tun) habe,<br />

wird es Ihnen leicht erklärlich sein, daB ich gezwungen<br />

war, gegen Mitte Mal die französische Stunde<br />

aufzugeben. Urn jedoch nichts zu vergessen, Ube ich<br />

mich iminer in freien Stunden.<br />

Was die Ausgaben betrifft, welche ich noch haben werde<br />

bis zur Heimreise, kann ich nicht leicht angeben,<br />

denn die vielen kleinen Ausgaben sind schwer imVorhinein<br />

zu berechnen, wahrscheinlich werde ich mir noch<br />

em Paar neue Stiefel machen lassen müssen. -<br />

Hr. Professor Herzog hat gesagt, ich solle in der Vakanz<br />

eine Kunstreise mit ihm machen, urn Orgelkonzerte<br />

zu geben. Er glaubt, wir würden die Kosten schon herausschiagen.<br />

Vielleicht schreibt er Ihnen darUber, weil<br />

er gesagt hat, ich solle ihrn Ihre Adresse geben. Hr.<br />

Prof. Herzog hat auch em Werk in Druck gegeben, welches<br />

mir gewidinet ist.<br />

Für die Feldkircher Orgel 1st es ewig schade, daB das<br />

Pedal nur 18 - anstatt 27 Tasten hat, weil sie nun zum<br />

Concertspielen untauglich ist. Ich habe mich schon so<br />

darauf gefreut, nun aber ist es nichts. Ich habe nun<br />

schon 5 Hefte Orgelkonzertstiicke abgeschrieben und gelernt,<br />

irn Falle ich mit Hr. Prof. Herzog gehen könnte.<br />

- DaB Hr. Grundbuchführer Hassur bei den 400 fi geschnupft<br />

haben wird, habe ich schon gedacht. -<br />

Ich denke, daB mein opus II gut, obschon langsam vorwarts<br />

geht, denn ich kann natUrlich nur mit Unterbrechung<br />

daran arbeiten. Auf der Ludwigsorgel spiele ich<br />

noch immer, auch auf der protestantischen Orgel 2 mal<br />

wöchentlich von 7 - 8 f rUb. In der neuen Wohnung ist<br />

die Entfernung die nämliche (vom Kons.) wie in der alten.<br />

Ich habe em schönes Zimmer, schöne Aussicht u.<br />

viel zu thun. -<br />

Was macht die liebe Mutter? - Ich glaube, ich sehe den<br />

Toni schon arbeiten an meinen Hef ten. - Was macht der<br />

David? Was die Josepha, das Lise und erst die Virtuosin<br />

AMALIA mit ihren Tonleitern; freut sie sich, bis<br />

ihr Plaggeist wiederkommt; daB sich's der GEOMETER,<br />

RHEINBERGER PETER, nicht schlecht gehen läl3t, denk ich


110<br />

mir schon. Indem ich alle von Herzen grU1e, und Ihnen,<br />

theuerster Vater, herzlich danke für die vielen Wohithaten,<br />

die Sie mir angedeihen lassen,<br />

verbleibe ich<br />

Ihr dankschuldiger Sohn<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Die Uberprüfung der Verhältnisse am Konservatorium<br />

brachten es mit sich, daI3 man allerseits auf den glänzend<br />

begabten Rheinberger aufrnerksarn wurde und sich<br />

urn sein weiteres Fortkommen mühte.<br />

Rheinbergers Orgellehrer Johann Georg 1-Ierzog wendet<br />

sich direkt an semen Vater:<br />

"Hochgeehrter Herr!<br />

MUnchen, den 27. Juni 1853<br />

Schon lange woilte ich inir die Freiheit nehmen, an Ew.<br />

Wohlgeboren einige Zeilen zu schreiben, aber iuimer<br />

wurde mein Vorsatz wieder auf einig. Zeit verdrängt.<br />

Ihr Sohn, weicher bei mir Unterricht im Orgeispiel erhalt,<br />

sagte mir näinlich, daf sein Vater wahrscheinlich<br />

die Absicht habe, ihn im nkhsten Jahre zu Ha'use<br />

zu behalten. Da inir an diesem höchst talentvollen und<br />

beseheidenen kleinen Burschen unendlich viel gelegen<br />

ist, so wollte ich hiemit bei Ihnen anfragen, ob es<br />

denn gar nicht rnöglich ware, da8 er noch em Jahr hier<br />

sein könnte? Ich an Ihrer Stelle wUrde Alles aufbieten,<br />

denn der kleine Patron verspricht einer der glänzendsten<br />

Orgelspieler zu werden, die je gelebt haben. Urn<br />

aber so welt zu kommen, dal3 er auf seiner Laufbahn selbstHndig<br />

wird und sich mit Gliick und zweifelsloser Festigkeit<br />

durch alle Irrsal des inusikalischen Lebens<br />

hindurch zu winden versteht, braucht er gewil3 noch em<br />

volles Jahr tuchtige Leitung. Sehen Sie darum die paar<br />

Hundert Gulden nicht an, Sie werden es zu keiner Zeit<br />

zu bereuen haben. Bei elner Prüfung in Gegenwart einer<br />

}Iinisterialkonmjission hat er allgemeines Aufsehen gemacht<br />

und sich die persönliche Freundschaft eines der<br />

Herren, Prof. Dr. Schafhäutl erworben, die lhm nur forderlich<br />

sein kann. Auth habe ich vor, wenn er im nächsten<br />

Jahre fix und fertig ist, mit ihrn eine kielne Reise


111<br />

zu machen und ihn als Orgelspieler einzufiihren in die<br />

musikalische Welt.<br />

Er könnte auch heuer während der Ferien hier bleiben;<br />

ich wlirde mich gerne mit ihm abgeben, damit er seine<br />

Zeit gut anwendet!<br />

Ich bitte Sie, hochgeehrter Herr, hierüber urn gefällig-<br />

Ste Mitteilung.<br />

Euer Wohigeboren<br />

ergebener<br />

J.G. Herzog, Professor."<br />

Vor allem die Bekanntschaft mit Prof. Dr. Karl Emil<br />

von Schafhäutl (1803 - 1890), dem Leiter des Inspektionsausschusses,<br />

wurde für Rheinbergers weitere Entwicklung<br />

wichtig.<br />

In einern Brief an die Eltern vom 1.7.53 schreibt Rheinberger:<br />

Theuerste Eltern!<br />

München, 1.7.53<br />

Ihren werthen Brief mit dem Gelde erhielt ich am 19.<br />

v. M., und es freute mich ungemein zu vernehmen, daI3<br />

Sie sich recht wohi und zufrieden befinden. -<br />

Heute früh sagte Hr. Direktor zu mir, es würde ihn sehr<br />

freuen, wenn ich das nächste Jahr wieder käme. Er hätte<br />

mir schon lange eine Freistelle 'in Anbetracht meines<br />

FleiIes und guten Betragens' verschafft, wenn ich kein<br />

Ausländer ware. Heute noch wolle er mit dem Minister<br />

v. Zwehl darüber sprechen und es dann Ihnen schreiben.<br />

Jener Professor der Universität (Dr. Schafhautl) hat<br />

mich öfters eingeladen, bei ihm zu essen, mitihm an<br />

Feiertagen auf das Land zu fahren, was ich natürlich<br />

immer annehme; dann nimmt er öfters Partituren, Messen<br />

usw. mit mir durch, und nachdem er mich nach seinem<br />

Ausspruche genug gepeinigt hat, nimmt er mich mimer in<br />

die Oper mit (Faust, Entfflhrung, Vestalin, Iphigenia).<br />

Er ist ferner schon 3 mal in Vaduz gewesen, benannte<br />

alle D6rfer und Alpen und konnte sich erinnern, Brief e<br />

gelesen zu haben, weiche Sie Hr. Director geschrieben.<br />

- Bei Tisch war auch em General Salis-Solio, gewesener<br />

Anführer der SonderbUndler. Dieser sagte, er sel<br />

vor einigen Jahren mit Ihnen im Bade St. Moritz gewesen.


112<br />

Er lobte die Liechtensteinische Armee ungemein und<br />

habe deren Tlten Befehishaber Rheinberger in Bregenz<br />

beim FUrsten Schwarzenberg gesehen.<br />

Hr. SchafhHutl will mir auf's nHchste Jahr den Unterricht<br />

des Generalmusikdirektor Lachner C!!) verschaff<br />

en. Er zeigte mir die Hof- und Universitätsbibliothek<br />

und gab imir daraus theoretische Werke zum Durchstudiren<br />

Hr. Prof. Herzog habe ich eine Orgelfuge komponirt und<br />

gewidmet, woran ich 14 Tage gearbeitet habe. -<br />

Ich denke, die Heimreise werde 15 - 16 fl kosten, ohne<br />

die verschiedenen kleinen Ausgaben, weiche ich bis dahin<br />

haben werde. Was soil ich mit dem Koffer anfangen?<br />

Ich bitte, mir recht bald zu schreiben. Hr. Pf. Wolfinger<br />

ist schon seit Anfang l4ärz nicht mehr in München<br />

gewesen. -<br />

Ich weiB wohi, dal es für meine Ausbildung gut ware,<br />

wenn ich noch em Jahr hierher käme, wei1 aber auch,<br />

was es kostet. Ich habe schon so viel nachgedacht und<br />

studirt, weif aber nichts zu finden, denn hiesige Studenten<br />

geben Unterricht zu 6 +er per Stunde! Gott jedoch<br />

wird weiter helfen, hat er ja bis jetzt auch geholfen.<br />

Ich meinentheils werde wie bisher trachten,<br />

fleil3ig und bray zu bleiben - denn nur dadurch 1st es<br />

mir möglich, Ihnen, Bester Vater! meine Dankbarkeit<br />

für ihre väterllche Liebe einigermal3en an den Tag zu<br />

legen - gebe Gott semen Segen dazu.<br />

Ihr dankbarster Sohn<br />

Joseph Rheinberger.<br />

Die Zeugnisse nach zweijährigem Studium in München belegen<br />

die Fortschritte desNusikstudenten.<br />

Sie lauten:<br />

"Da13 ich mit den Leistungen meines Schülers<br />

Rheinberger<br />

in jeder Beziehung Ursache habe meine volikomniene Zufriedenheit<br />

auszusprechen, bezeuge ich demselben hierdurch<br />

mit VergnUgen. Die Fortschritte, die er seit der Zeit,<br />

wo er meinen Unterricht geno2en, gemacht hat, stehen im<br />

Einklang -mit seinem F1e113, wie mit seinem Talent.<br />

Grö2ere kUnstlerische Rube u. Besonnenheit wird die Zeit


113<br />

mit sich bringen, doch habe ich auch in diesem Betracht<br />

mit Freuden em anerkennungswUrdiges Streben<br />

sich selbst zu bemeistern, namenti. in der letzten<br />

Zeit, bei ihm wahrgenommen.<br />

MUnchen, den l2ten Juli 1853<br />

Der konlgl. Director J. Emil Leonhard<br />

Franz Hauser Prof.<br />

ZeugniB<br />

Der Eleve des Kdnigl. Bair. Conservatoriums für Musik<br />

Joseph Rheinberger von Vaduz<br />

hat im Schuljahr 1852/53 meinen Cursus über doppelten<br />

Contrapunkt - bis zur Doppelfuge zu 4 Stimmen - mit<br />

musterhaftein Fleit3e besucht und sich dadurch eine für<br />

sein Alter so flberraschende contrapunktische Fertigkeit<br />

und Sicherheit erworben, da2 derselbe bei seiner<br />

ausgesprochenen musikalischen Begabung zu den schönsten<br />

Hoffnungen berechtigt.<br />

Diei3 bezeugt auf Pflicht und Gewissen<br />

MUnchen, d. 12 Juli 1853<br />

Der königl. Director Julius Maier<br />

Franz Hauser Professor am Kgl. BairischenConservatorium<br />

für Musik."<br />

Der nachfolgende Brief 1st sehr flUchtig geschrieben:<br />

München, d. 15.7.53<br />

"Theuerster Vater!<br />

Weil nun die Prilfungen geendet und ich meine Zeugnisse<br />

schon elngesammelt habe, so denke Ich, morgen Samstag,<br />

den l6ten 6 lThr frUh abzureisen und 9 1/4 in Lindau em-<br />

zutreffen; wUrde also wahrscheinlich Sonntag Mittag in<br />

Feldkirch ankommen, wo es mich sehr freuen würde, wenn<br />

Sie mich mit dem Peter abholen wtirden.<br />

Viele herzliche GrU6e an alle Unsern - mtindlich mehr<br />

von Ihrem dankbarsten Sohn<br />

Joseph Rheinberger (In grö2ter Elle)."


114<br />

Schafhäutl kümmert sich in der Folgezeit intensiv urn<br />

Rheinberger und bemüht sich, semen Gesichtskreis behutsam<br />

und konsequent auszuweiten.<br />

Schafhäutl war mit der Tradition der Mtinchner Kirchenmusik<br />

wie kein zweiter neben ihm vertraut. Er hatte<br />

in Landshut und Ingolstadt Naturwissenschaf ten, hesonders<br />

Physik und Chemie, studiert, wurde 1827 Scriptor<br />

an der Kgl. Universittsbibliothek zu München, wendete<br />

sich im Oktober 1834 zur Verwertung seiner akustischen<br />

und rnetallurgischen Arbeiten nach England (Dr.<br />

phil 1835, Dr. med 1838) und erf and dort mit Theobald<br />

Böhm 1836 eine Puddelmaschine, entdeckte 1838 die Anwesenheit<br />

des Stickstoffs im Eisen und erarbeitete eine<br />

Methode, das Eisen durch cheinische Mittel zu reinigen.<br />

1840 konstruierte Schafhäutl em Vibrationsphotometer<br />

und erhielt im gleichen Jahr die silberne Talford-Medaille.<br />

Im April 1841 kehrte er nach München zurück und<br />

wurde im August 1842 Mitglied der dortigen Akademie,<br />

1843 zum Professor der Geognosie, Bergbau- und Hüttenkunde<br />

ernannt, grUndete er das geognostische Kabinett.<br />

Als Oberbibliothekar seit 1849 Vorstand der Münchner<br />

Universitätsbibliotheken, war Schafhäutl 1850 Commissär<br />

für die Industrieausstellung zu Leipzig, in gleicher<br />

Eigenschaft 1854 in Nünchen gehörte er 1851 der<br />

Jury für die Nusikinstrumnte auf der Weltausstellung<br />

in London an, erfand 1853 em Phonometer (1860 em Taschenphonometer),<br />

baute zusainmen mit Th. B5hIU em durch<br />

Tonstärke und -schönheit hervorragendes Pianoforte und<br />

lieferte die Berechnung für die Flite Böhm.<br />

Neben semen geognostischen, technischen und akustischen<br />

Arbeiten, bei denen er zu neuen Erkenntnissen über die<br />

Ursache der Klangfarbe kam, verfa1te er literarische<br />

und musikhistorische Schriften.<br />

In den Ferien schreibt der 5ojährige Schafhäutl an seinen<br />

l4jährigen Schützling, der in Vaduz in Perien<br />

weilt:<br />

München, den 22.Juli 1853<br />

"Nein liebster Herzensjunge!<br />

Dein Brief hat mir grol3e Freude gemacht. Ich sah aus<br />

ihm, dal3 Du wohierhalten bei Deinen Eltern angelangt<br />

bist, ich sah, wenn auch nicht Dich selbst, doch Deine


115<br />

Handschrift, ich erhielt zugleich einen Brief von Deinem<br />

Vater, der sich freut, dal3 wir gute Freunde geworden<br />

sind. Du hast mir Deine Reiseschicksale von Immenstadt<br />

nach Vaduz erzh1t - ich will Dir nun die meinigen<br />

von Immenstadt nach München zurUck erzählen.<br />

Sie sind viel einfacher gewesen, als die Deinigen; denn<br />

ich kam nicht aus dem Wagen, ausgenommen zu Augsburg,<br />

wo der Train gewechselt wurde. Ich fuhr von Immenstadt<br />

mit mehreren Fremden in demselben Wagen, in weichem<br />

wir zu Immenstadt angelangt; aber ich war dennoch allein<br />

und nichts weniger als gut gelaunt. Die Fremden<br />

beriethen sich, was in drei Tagen alles In München zu<br />

sehen ware. Em Schwabe, der einen Verwandten in Nunchen<br />

hatte und schon öfters in MUnchen gewesen war,<br />

gab den Mitreisenden die wohigemeintesten Rathschläge,<br />

freIlich oft verkehrte, die ich leicht hätte berichtigen<br />

können, aber ich war, wie gesagt, viel zu verstitnmt<br />

dazu, drUckte mich in eine Ecke des Wagens,<br />

schlief bald ganz, bald haib, streckte den Kopf zum Wagen<br />

hinaus, wenn meine alten, lieben gigantischen Tyroler<br />

und Vorarl Berge ihr Haupt wieder über die nahe<br />

liegenden grUnen Hügel emporhoben, und kam so in Augsburg<br />

an, wo ich nach einer halben Stunde mit demselben<br />

Zuge nach Mtinchen abfuhr, weicher den König von<br />

Sachsen nebst Gefolge etc. nach demselben Ziele zu bewegen<br />

hatte.<br />

Ich hatte MUhe mich durch den Haufen schaulustiger Personen<br />

nach meinem Wagen zu drängen, und warf nur einen<br />

halben Buck auf den König von Sachsen, den das Jahr<br />

48 zum alten Mann gemacht hatte. Unter uns gesagt:<br />

warst Du in dessen Wagen gewesen - das hHtte uns mehr<br />

Vergnügen gemacht als der Anblick all der Könige von<br />

Sachsen, die bis jetzt geherrscht haben und noch In Zukunft<br />

herrschen werden.<br />

In MUnchen war bei unserer Ankunft gar der Teufel los.<br />

Es wiinmelte von Hofwagen, Zuschauern, Vorreitern; an<br />

em Abendessen (?) war nicht zu denken. Ich ware beinahe<br />

von den koniglichen Vorreitern überritten worden<br />

und vertrat mir dabei den Fu13, neuerdings den ich schon<br />

frUher übertreten hatte. So hinkte ich nach Hause und<br />

wUnschte den Vorreiter nach alien vier Winden. Es war<br />

gerade 1/2 Zehn Uhr abends, als Ich den SchiUssel em-


116<br />

steckte: ich ging noch zu Quermann(?), referierte da,<br />

wie ich Dich nach Imrnenstadt expediert und ging hierauf<br />

urn 1/2 zwölf zu Bette.<br />

Am nächsten Sonntage führten wir in der St. Michaelshofkirche<br />

Mozarts schöne, wenn auch eben nicht sehr<br />

kirchliche Messe in C-dur auf, des Nachmittags fuhr<br />

ich mit Pentenrieder nach der Menterschweige, die Du<br />

wohl kennst. Wir waren da sehr lustig; aber schöner<br />

wars doch gewesen, wenn Du Dich mit uns da gefreut hattest.<br />

Indessen tröstete ich mich damit, daB ich Dich<br />

zu Hause unter Deinen Lieben dachte, mir die Freude<br />

vorinalte, mit welcher Dich Deine Eltern, Brüder,<br />

Schwestern und Freunde umpfingen und daB ich im Geiste<br />

mit Dir auf Deinen grUnen Hügeln und Bergen herumkletterte.<br />

Von Deinem Leben und Treiben zu Hause hast Du<br />

mir in Deinem Briefe nichts gemeldet, das wirst Du<br />

natUrlich in Deinem nächsten Briefe desto ausführlicher<br />

thun. Erschrick nicht, lieber Junge, Uber diese<br />

Anforderung: Du brauchst Dich bel Deinen nächsten Brief<br />

en nicht so abzumtihen. Den ersten hast Du schön geschrieben,<br />

wie em Söhnchen, daB seinem Papa zum ersten<br />

Male schriftlich zum Namenstage gratuliert. Im nächsten<br />

hoffe ich, schreibst Du, wie Dir der Schnabel gewachsen<br />

ist, mit flüchtigen Zugen, - ich kann alle<br />

Schriftzuge entziffern, obwohl's mir mit den meinigen<br />

am allerschwierigsten zu gehen pflegt. Auch laB die<br />

nichtssagenden Titel 'Euer Wohlgeboren' und dergl. weg<br />

und schreibe Professor, oder wie Du willst und fühlst.<br />

Erinnere Dich nur an das, was Du mir versprachst!<br />

DaB Mozart in semen jungen Jahren so hart über Vogler<br />

urtheilte, lag daran, daB er ihn für semen Nebenbuhler<br />

hielt, oder daB er ihm seiner Anstellung halber im<br />

Wege stand. Der junge Mozart stand damals bloB mit seinem<br />

Genius allein, ohne alle ubrige Bildung. Vogler<br />

war em gelehrter Nusiker, em tiefer Denker, em Mann,<br />

der die Musik von ihrem Beginn bis zu seiner Zeit herauf<br />

genau kannte. In dieser Beziehung stand Vogler<br />

schon damals wie em Riese an Gelehrsamkeit dem jungen<br />

Mozart gegenüber, der sich natürlich in dieser Beziehung<br />

nicht mit Voglern inessen konnte. Mozart nennt<br />

Voglern einèn Hexenmeister auf der Orgel! Warum hat


117<br />

er ihn denn nicht todt gespielt, wie er das spater mit<br />

Hailer zu Dresden that? Er hütete sich im Gegentheile<br />

wohi, nach Vogler die Orgel zu splelen.<br />

Em anderer Umstand war, da1 Vogler die Kräfte des Mannheimer<br />

Orchesters genau kannte, wuBte was jedes Mitglied<br />

desselben zu leisten vermochte und genau leistete;<br />

er schrieb deshaib weiter seine Compositionen mit<br />

dieser RUcksicht, und so kam es, dal3 die Vogler'schen<br />

Compositionen stets besser gefielen als die von Mozart.<br />

Selbst als der unsterbliche Idomeneo Mozarts nach Voglers<br />

Castor und Pollux gegeben wurde, fiel er durch.<br />

Mozart änderte in späteren Jahren seine frühere Meinung<br />

In dieser Hinsicht gänzlich.<br />

Als beide kurz vor Mozarts Tod im Hause des Barons van<br />

Swieten Uber em aufgegebenes Thema wechselweise auf<br />

dem Flugel phantasierten, ergriff Vogler das Thema zum<br />

achten Male, worauf sich Mozart für überwunden erklärte,<br />

Voglern stets Papa nannte und immer demselben zur<br />

Linken ging.<br />

Du hast ja das Kyrie der Messe, von welcher Mozart<br />

sagt, es habe darin gar nichts gestimnit, bei mir selbst<br />

gespielt, und kannst also am besten urtheilen, wie gegründet<br />

oder ungegründet des jungen Mozarts Urtheil<br />

darUber war.<br />

Die Biographie Mozarts von Oulibicheff 1st wirklich die<br />

beste Biographie von Mozart, denn das Nissen'sche Werk<br />

liefert blol3 Materialien zu einer Biographie. Sie ist<br />

voll Sachkenntnis, voll GefUhl und voll Begeisterung<br />

für den unsterblichen Meister, ich sage voll Gefühl,<br />

denn höchst selten versteht der Verfasser einer musikalischen<br />

Biographie die Gottersprache der Musik; er<br />

komint gewöhnlich Uber die Noten (die Buchstaben) nicht<br />

hinaus. Indessen 1st auch viel Halbheit in den Urtheilen<br />

Oulibicheffs und manchmal IrrthUmliches, namentlich<br />

was Geschichte der Musik betrif ft. So 1st was er<br />

Seite 109, I. Thell, über griechische Musik sagt ganz<br />

irrthUmllch, eben so falsch 1st, da1 Vogler die Sucht<br />

besessen haben sollte, die Musik der Alten wieder aufleben<br />

zu machen. Vogler lehrte den Charakter des ursprünglichen<br />

Gesanges der kath. Kirche genauer kennen,<br />

er zelgte wie unsere katholischen Choralmelodien, die<br />

einzigen wahrhaft kirchlichen, welche existieren,


118<br />

durch unsere modernen Harmonien begleitet werden können<br />

und niüssen - ohne dal3 sie ihren eigenthumllchen<br />

Charakter verlieren, und das hat er so vollständig,<br />

so systematisch und logisch gethan, da1 ibm bis jetzt<br />

wenigs tens noch kein zweiter auch nur nahe kommen konnte.<br />

Was Seb.Bach empyrisch that, das hat Vogler nach Gründen<br />

ausgeführt, weiche in der Natur der Sache lagen;<br />

Du kannst auch hierüber em Urtheil fallen, denn Du<br />

hast gleichfalls die Seb. Bach'schen Chorale und deren<br />

Umarbeitungen von Vogler durchgespielt und sie mit<br />

der Weber'schen Analyse verglichen. Eben so ungerecht<br />

ist, was Oulibicheff z.B. über den Text der Zauberf 15te<br />

sagt. Die Diction, Sprache und Wortftihrung ist freilich<br />

darin in der Regel wienerisch, läppisch, gemein,<br />

lächerlich, aber der Grundgedanke der durch die ganze<br />

Oper weht, ist sehr poetisch, den besten Beweis davon<br />

gibt, da8 Goethe einen zweiten Theil der ZauberflSte<br />

schrieb, dabei 1st das Sujet der Oper selbst vom moralischen<br />

Standpunkt aus em durchaus unverfängliches,<br />

Reines, wie es sich - Nhuls Joseph und seine BrUder<br />

und etwa die WeiBe Dame, Graf Armand ausgenommen, in<br />

keiner zweiten modernen grS2eren Oper wiederfindet.<br />

Uber mehreres in diesem Bändchen Enthaltene sprechen<br />

wir ausfUhrlicher, wenn wir wieder beisammen in unserer<br />

Stube zuMUnchen sitzen.<br />

DaB Dein Vater die Photographie von Dir sehr ähnlich<br />

f and, freut inich, sie muf3 wohl ähnlich seyn, die Natur<br />

hat sich ja bier selbst gemalt, aber etwas fehlt<br />

ihr doch, was ich stets an ihr vermisse wenn ich an<br />

ihr vorubergehe. Es fehlt ihr Dein freundliches Lacheln,<br />

und Dein sonst so lebendiges seelenvolles Auge<br />

ist bier starr auf einen Punct in unbestiimuter Ferne<br />

geheftet. So 1st denn auch dieses Portrait wie unser<br />

Bischof Sailer sagte, nur des 'Schattens Schatten'.<br />

Damit bin ich jedoch, lieber Junge, der Du in der schSnsten<br />

BlUthe Deines KSrpers und Geistes stehst, nicht<br />

gemeint, Dich mein 'Schatten' zu nennen. Das Wort in<br />

des, Bischofs Munde deutet auf das Vergehen und das Vergängliche<br />

alles Geschaffenen, auf das schattenhafte<br />

VorUbergehen und Verschwinden alles dessen, was uns


119<br />

auf Erden als schön, gro8 und herrlich entzUckt. Aber<br />

nicht allein auf der Erde, auch durch die ganze Schöpfung<br />

wird es einst dämmern, Nacht werden und nichts<br />

mehr seyn als Gott - und die guten und bösen Thaten,<br />

die wir gethan.<br />

Doch Raum und Zeit erinnern mich an den Schlul3.<br />

Lebe somit recht wohi, lieber Junge, und denke manchmal<br />

an uns in München.<br />

Der Hinimel schütze Dich, ich aber kiisse Dich im Geiste<br />

und bin und bleibe<br />

Dein alter Freund Schafhäutl.<br />

N Schr. Du muft sehen, wie Du mit meiner Schrift zurecht<br />

koimnst und ich bin begierig, ob Du meinen Brief<br />

lesen konntest. Ich trage ihn gerade zur selben Stunde<br />

auf die Post, in der wir vor 8 Tagen (zu Augsburg) in<br />

der Restauration sa2en.<br />

Die Arie 'Spinn du arme Margarethe' 1st hier nicht zu<br />

haben. Ich schicke Dir deshalb den Dir bekannten Klavierauszug<br />

ganz. Ich besitze noch einen zweiten. Diesen<br />

Nachmittag, wenn ihn August, der Dich sowie Hr.<br />

Vater herzlich grW3en lä2t, eingepackt hat, gebe ich<br />

ihn auf die Post und da lege ich auch einen Brief an<br />

Deinen Vater bei.<br />

Gott befohlen."<br />

Auch an Rheinbergers Vater wendet sich Schafhäutl mit<br />

einem aufschlu8reichen Brief, der auf die Persönlichkeit<br />

des jungen Rheinberger em von Sympathie und Fürsorge<br />

genahrtes Licht wirft:<br />

Miinchen, am 22ten Juli 1853<br />

"Wohigeborener, verehrter Herr Rentmeister!<br />

Ich hörte öfters viel des Lobes über das hohe musikalische<br />

Talent Ihres mir später so lieb gewordenen<br />

Sohnes; aber erst durch eine Inspection u. Prüfung ex<br />

officio an unserem Conservatorium lernte ich ihn näher<br />

kennen. Er ragte durch Physlognoinie und Haltung so<br />

weit Uber seine Ubrigen Mitschüler hervor, daB ich beim<br />

ersten Anblick zu meinem Nachbar sagte: 'Das muss unser<br />

Rheinberger seyn'. Ich schrieb ihm bei der PrUfung em<br />

Thenia auf, das er auf der Orgel auszuführen hatte, und


120<br />

er that dies mit so viel Gewandtheit, dal3 alle Cornmissionsmitglieder<br />

in Erstaunen geriethen. Da ich seine<br />

übrigen Verhältnisse nicht näher kannte, wolite ich<br />

ihrn em Zweiguldenstück als Andenken geben (em Experiment,<br />

das mir gewil3 bei keinem seiner MitschUler mi2glückt<br />

wEre); allein er war nicht zu bewegen, dasselbe<br />

anzunehmen, und dieser Zug machte mir den Knaben<br />

noch von anderer Seite her interessant.<br />

Bald nach der Prüfung kam ermit einem seiner Mitschüler,<br />

der mich schon früher kannte, und der ihn wahrscheinlich<br />

dazu ermunterte, in meine Wohnung, urn mir<br />

zu zeigen, daIs er rnehr in musikalischer Hinsicht zu leisten<br />

verstünde, als er wEhrend der Prüfung zu zeigen<br />

vermochte. Ich setzte ihn nun ans Clavier und beschEftigte<br />

ihn da zwei Stunden lang. Ich bemerkte da noch<br />

mehr, daB meinjunger Freund in Hinsicht auf musikalische<br />

Begabung eine aut3erordentliche'Erscheinung sey;<br />

ich lud ihn deshaib em, mich öfters zu besuchen, indem<br />

ich ihrn zugleich versprach, ihn, wenn eine kiassische<br />

Oper gegeben wUrde, ins Theater zu fUhren, da<br />

bei seiner so weit gediehenen Vorbildung das Anhören<br />

klassischer Meisterwerke das einzige und gröBte Mittel<br />

zur Ausbildung und Vollendung 1st.<br />

Allein seine Mischung von Schüchternheit und Zartgefühl<br />

lieB ihn auch von dieser Einladung keinen Gebrauch<br />

machen, sodaB ich ihrn endlich durch semen mir bekannten<br />

Mitschüler em Theaterbillet sandte und ihn zu<br />

Tische lud. Wir fuhren des Nachrnittags spazieren - und<br />

dainit lernte ich ihn auch von der Seite seines Herzens<br />

kennen, die für mich nicht minder anziehend war als<br />

die seines Geistes.<br />

Der Knabe hat wirklich in seinem so zarten Alter in<br />

musikalischer Hinsicht Schwierigkeiten überwunden, die<br />

mancher sonst gute Musiker wEhrend seines ganzen Lebens<br />

nicht zu besiegen lernt; dabel hat er em ungeheures<br />

musikalisches GedEchtnis und das feinste GefUhl für<br />

höhere musikalische Schönheit, sodaB es gar keine<br />

Schwierigkeiten macht, ihn in die tieferen. Tiefen musikallscher<br />

Schöpfungen einzufUhren, ja ich kann dabei<br />

eine Sprache führen, deren ich mich gewöhnlich nur irn<br />

Umgange mit gereif ten musikalischen ?IEnnern bedienen<br />

kann. Er ist für seine Jahre auBerordentlich gebildet,


121<br />

richtig denkend und schliel3end, liest gerne, hat schon<br />

sehr viel gelesen - kurz, er würde, wenn er studiert<br />

hätte, em ebenso vorzUglicher Student geworden seyn;<br />

dabei ist er so gut erzogen, so liebenswUrdig, so gutmUthig<br />

im Umgange, so bescheiden, da2 ich ihn mit der<br />

volisten Wahrheit das begabteste liebenswilrdigste Kind<br />

nennen kann, das mir während meines langen Lebens vorgekommen<br />

ist.<br />

Bei all dieser hervorragenden geistigen Entwicklung 1st<br />

er doch immer noch em fröhlicher vierzehnjähriger Knabe,<br />

er läuft und rout mit semen Kameraden im Grase<br />

herum und unterscheidet sich von ihnen nur dadurch, dat3<br />

er auch da starker, tUchtiger und gewandter 1st, als<br />

sie. Dabei ist er noch so unverdorben, daf3 ich bei mehreren<br />

seiner naiven Fragen im Don Juan achthaben mut3te,<br />

einer passenden Antwort halber nicht in Verlegenhelt<br />

zu gerathen. Leider 1st unser Theater nichts weniger<br />

als das, was es seyn soilte, eine Schule der Sitten,<br />

die, wie Shakespeare sagt, gleichsam der Natur den Spiegel<br />

vorhält, der Tugend ihre eigenen Ztige zeigt und<br />

der Heuchelei die Maske abzleht. Gerade unsere gröf3ten<br />

unsterblichen Opern sind in Hinsicht auf den Text voll<br />

Liederlichkeit und Leichtfertigkeit; ja es bedurfte<br />

des gro2en musikalisch unschuldigen Mozarts, urn aus dem<br />

giftigen Texte des Beaumarchais die unsterbliche Oper<br />

'Figaros Hochzelt' zu machen.<br />

Indessen man muf3 sich eben auf die FUgung des Himmels<br />

verlassen. Jedes Kind scheint semen eigenen schiitzenden<br />

Genius zu haben, und Ihr Sohn ist zwei Jahre in<br />

München gewesen als zartes Kind ohne eigentlichen Freund,<br />

ohne Rath und Helfer, und zwar in einer Anstalt, die<br />

bisher nichts weniger als geeignet war, dern Zögling<br />

hohe Beispiele von Sittlichkeit vorzuhalten - der Himmel<br />

wird ihn auch ferner bewahren und so wollen wir<br />

der frohen Uberzeugung leben, dal3 er nicht nur em<br />

groBer Musiker, sondern auch, worauf denn zuletzt doch<br />

alles ankömmt, em guter Nensch werde und bleibe.<br />

Und somit empfehle ich mich Ihnen, indem ich Sie noch<br />

bitte, unsern lieben Jungen in meinem Namen zu küssen<br />

und bleibe<br />

Ihr<br />

ergebenster Freund Schafhäutl."


122<br />

Einen weiteren Brief an Rheinberger in Vaduz beginnt<br />

Schafhäutl mit der Arie des Jakob aus Mhu1s "Josef<br />

in Agypten":<br />

MUnchen am l6ten August 1853<br />

"Mein lieber Joseph!<br />

0 mon Jo - seph chèr en - fant de mon coeur!<br />

Die Hälfte des Zeitraumes, der Dich von mir trennte,<br />

1st nun vorüber, und Du glaubst nicht, wie sehr ich<br />

wUnsche, da6 auch die zweite Hälfte vorüber seyn möchte,<br />

urn wieder einmal in Dein liebes, freundliches Auge<br />

schauen zu können. Natürlich schreibst Du mir noch<br />

öfter und zuletzt genau den Tag, an weichem Du in München<br />

eintreff en wilist und mul3t. Wenn nicht unübersteigliche<br />

Hindernisse in den Weg treten, nehme ich<br />

dann meinen Weg aus unserem Bayerischen Gebirge Uber<br />

Bregenz oder Feldkirch nach Vaduz und nehme Dich da<br />

eigenhändig in Empfang. Man hat mich nämlich zum Cornmissionsmitgliede<br />

der grofen Zollvereins-Industrieausstellung<br />

gemacht, die im Jahre 1853 in München stattfinden<br />

wird, und da bitihen mir denn Plagen, Arbeit,<br />

Verdru8 und andere dergleichen angenehme Dinge im Vollàuf<br />

Ich bin bereits 14 Tage von Morgens 7 Uhr bis Abends<br />

6 Uhr in meiner Uniform eingezwängt gesessen und habe<br />

die Endprtifungen unserer polytechnischen Schule geleitet;<br />

jetzt nach Beendigung dieser lastigen Arbeit drohen<br />

mir wieder neue Conimissionssitzungen der ktinftigen<br />

Industrieausstellung halber. Durch zwei bin ich<br />

bereits glticklich gekomnien; heute Abend 1st die dritte.<br />

Wenn ich mich jedoch em Bischen los machen kann, gehe<br />

ich ins Gebirge und gegen den 15. September zu mit<br />

August Böhm nach Vaduz, d.h. zu Dir, lieber Junge!<br />

Musikalisch Neues gab es während Deiner Abwesenheit


123<br />

nichts; Du hast also noch nichts versäumt. Wir hatten<br />

hier unsern gewöhnlichen Jahrmarkt, der viel Spektakel<br />

machte aber auch nichts Neues oder nur wenigstens Sehenswtirdiges<br />

gebracht hat. Auch er ist vorilber und nur noch<br />

einige Buden mit Schaustiicken, em Wachsfigurencabinet<br />

und der Seiltänzer K... von Wien sind zuruckgeblieben.<br />

Deprosse habe ich wenig gesehen. So viel ich erfuhr studirt<br />

er Contrapunct bel Pentenrieder, namentlich die<br />

ftinf Gattungen des zweistinimigen strengen Satzes nach<br />

Albrechtsberger, zu welchem ihr im Conservatorium noch<br />

nicht gekommen seid, da Mayer in umgekehrter Ordnung<br />

anfing, nämlich mit dem 4stiminigen strengen Satze, während<br />

die alten Contrapunctisten mit dem zweistimmigen<br />

anfangen.<br />

Da1 Du in Oulibicheff manches Einseitige finden wflrdest,<br />

habe ich Dir ja vorausgesagt; es verhlt sich auch da<br />

so wie mit alien Dingen, die von Menschen gemacht sind;<br />

gerade das Quintett, weiches nach der gewöhnlichen Numerierung<br />

der ClavierauszUge 11 hat, enthält elnige<br />

der allerreizendsten Partien, die gerade wieder darthun,<br />

weichen ungemeinen Zauber die alleralltäglichsten<br />

Accordfolgen ausUben können, wenn sie in einen<br />

originellen musikalischen Gedanken aufgelöst werden.<br />

Darin, in dieser Erfindung eines musikalischen Gedankens<br />

iiegt das, was em MusikstUck zum Kunstwerk macht<br />

und dem Werke selbst wie dem Tondichter seines Namens<br />

Unsterblichkeit sichert.<br />

Stelle Dir vor: im ersten Takte der C-dur Accord, dann<br />

in der zweiten Hälfte C-dur, im zweiten Tacte wieder<br />

G-dur, im 3ten D-dur, wozu sich im ietzten Viertel die<br />

frei angeschlagene None geseilt, im Sten wieder D-dur<br />

und G-dur und so weiter. Vergleiche nun im Quintett<br />

Nro. 11 den 113. bis zum 130. Tacte, und Du wirst Sehen,<br />

welch reizendes melodisches Gemälde Mozart tiber<br />

diese Accorde gesteilt hat, Accorde welche von alien<br />

Organisten legionenmal gegriffen worden sind und noch<br />

gegriffen werden:


I- -<br />

a.<br />

124<br />

-<br />

Wir müs - - sen<br />

r r<br />

sie mit Schaam<br />

rz-r<br />

ver-las - sen<br />

r I<br />

6<br />

4<br />

9<br />

Welch unbeschreiblich reizende Wirkung macht hier die<br />

frei als Vorschlag angeschlagene None. Wie steigt der<br />

Effect mit der musikalischen Bewegung im 120. Takte,<br />

obwohl wieder der G-dur Accord, im 122. & 23. der Septaccord<br />

aus G-dur, im 124. Tacte G-dur u.s.w. nacheinander<br />

folgen. Welch nur alltglich-gemeine Folge! und<br />

doch, wie unbeschreiblich schön 1st die Wirkung, wie<br />

hier Papageno und Tamina und die 3 Damen - jene:<br />

Sie mUssen uns mit Scham verlassen - diese:<br />

Wir mUssen sie mit Scham verlassen - in stetem Wechsel<br />

zusammen singen u. dergl.<br />

Da2 Du zu Hause allmählich etwas Langweil empfindest,<br />

1st mlr sehr begreiflich, da Du aus Deinem gewöhnlichen<br />

Leben und Treiben in musikalischer Hinsicht herausgerissen<br />

bist, und etwa auch der Lehrer oder höchstens<br />

noch der Herr Pfarrer oder einer seiner Kaplth-ie<br />

sich Ins Reich der Tone versteigt, in dessen grOl3ten<br />

Tiefen oder HOhen noch Uberdies auch von den Fachgenossen<br />

sich nur wenige gem langer verweilen.<br />

Dennoch hast Du Etwas in Deinem heimischen Vaduz, was<br />

Du sonst nirgends so wiederfinden wirst, Du bist am<br />

Herzen und in den Armen Deiner Eltern. Sie halten Dich<br />

mit elner Liebe, die sich unter alien Wechselfällen<br />

des Lebens nie ändert, und die auf Erden höchstens mit<br />

dem Tode aufhOrt. Darum freue Dich des ClUcks, Deine<br />

Liebsten noch so wohl und frisch zu genieIen und ihnen<br />

so nahe zu seyn so recht von ganzem Herzen und kehre<br />

dann wieder frisch, kräftig und zur Arbeit gerüstet<br />

zu uns nach MUnchen zurück. -<br />

Daf Du auch auf einer Schweizer Reise begriffen warst,


125<br />

dachte ich mir wohi, da Du mir schon von hnlichen früheren<br />

Reisen erzEhltest, und auch nach unserer Trennung<br />

im Sinne hattest, durch die Schweiz nach Hause zurUckzukehren.<br />

Bei einem technischen Gutachten bei unserein hiesigen<br />

Magistrate oder elgentlich schon frUher habe ich nun<br />

noch die Bekanntschaft Deines Hausherrn gemacht. Er begegnete<br />

mir gerade an der Ecke der Stra8e, die von dem<br />

St. Peterskirchhofe nach dem Obstmarkt hinunter fUhrt.<br />

Er sprach sogleich von Dir, und als ich ihn dabei sehr<br />

befremdet ansah, gab er sich mir als Deinen Hausherrn<br />

zu erkennen.<br />

Bisher sind wir noch jeden Feiertag in der Menterschwaige<br />

gewesen und es hat uns dabei nur der bekannte<br />

Rheinberger gefehit.<br />

Du hast mir kein Wörtchen geschrieben, wie Du mit melner<br />

Handschrift zurecht gekommen bist - hast Du meinen<br />

Brief vollstnd1g entziffert, oder hast Du Vieles dabei<br />

als unenträthselbar Uberhüpfen mUssen?<br />

Der junge und alte Böhm und General Salis Soglio senden<br />

Dir die freundlichsten Grüfe. Gruae mir dagegen auch<br />

recht freundlich Deine lieben Eltern und la8 bald wieder<br />

Etwas von Dir hören.<br />

Indem ich mich auf den Augenblick freue, in dem ich<br />

Dich wieder in meine Arme schlief3en werde,<br />

kllsse ich Dich im Geiste und bin<br />

Dein<br />

alter Freund Schafhutl."<br />

Im Herbst 1853 1st Rheinberger wieder In MUnchen und<br />

schreibt an die Eltern:<br />

tiThe erste Eltern!<br />

München, den 24.9.53<br />

Durch Ihre Gilte wieder in den Stand gesetzt, mein Studium<br />

fortsetzen zu können, ist es meine erste Pflicht,<br />

Sie von meiner Ankunft dahier in Kenntnis zu setzen.<br />

Nachdem ich in Lindau von Ihnen Abschied genomrnen, besichtigte<br />

ich alles (wenige) Merkwirdige der Stadt,<br />

besonders aber den Eisenbahndamm. Hernach dachte ich<br />

immer nur daran, wie Sie jetzt wieder nach Hause gefahren<br />

seien und begleitete Sie in Gedanken nach der


126<br />

lieben Heimath, wo Sie hoffentlich bald recht wohl angekommen<br />

sein werden.<br />

Abends 7 Uhr fuhr ich (nachdem ich mich schon etwas gelangweilt)<br />

per Post nach Kempten, wo ich urn halb 5 Uhr<br />

früh anlangte. (Denn die Post nach Stauffen fährt erst<br />

12 Nachts von Lindau und der erste Zug von dort fährt<br />

erst 7 1/2 Uhr nach MUnchen). Halb 11 Uhr lvlittags kam<br />

ich nach }Iünchen, aber mit hungrigem TMagen, denn ich<br />

konnte erst 12 Uhr mittags frühstUcken. Von Seiten<br />

der Perstenfeld'schen f and ich die freundlichste Aufnahrne,<br />

ja die Frau sagte, ich sei so grof geworden,<br />

daf sie mich kaurn gekannt! -<br />

Hr. Perstenfeld hat nun im Sinn, em Clavier zu kauf en.<br />

Der kleine Albert wird nun nicht mehr lange hier bleiben,<br />

sondern wird am 18. Oktbr. d. J. in das Institut<br />

nach Scheyern konimen. -<br />

Gestern Abends wolite ich noch zu Hr. Professor Schafhäutl<br />

gehen, traf ihn aber nicht zu Hause; desshalb<br />

ging ich heute frUh hin und f and ihn gerade irn Begriffe<br />

abzureisen; er war so freundlich wie immer und sagte,<br />

er habe von Tag zu Tag abreisen wollen, sei aber wegen<br />

der 'Industriellen Geschichte' mimer aufgehalten worden.<br />

Heute reise er nun doch ins Gebirg und werde bis<br />

in 12 - 16 Tagen elnen Abstecher nach Vaduz machen,<br />

urn Sie Theuerste Eltern! kennen zu lernen. -<br />

Gleich darauf traf ich auf dem Wege Hr. Salis-Soglio.<br />

Ich richtete ihm alles aus, was Sie mir aufgetragen;<br />

und er sagte, er lasse alle, besonders aber Hr. Bruder<br />

Lieutenant grül3en, und fragte, ob recht exerzirt werde,<br />

er kenne den General Hess recht wohl u. glaube,<br />

er könnte stündlich in Vaduz eintreffen. Ich sagte ihm<br />

auch, da1 der Bruder Lieutnant ihnim Saale des hiesigen<br />

Kunstvereins gesprochen - worauf Hr. Salis sagte,<br />

es sei ihm schon früher einmal eingefallen. -<br />

Hierauf ging ich zu den Hr. Prof. Herzog und Leonhart<br />

(den Prof. Maier traf ich im Conservatorium) und präsentirte<br />

mich ihnen fUrs nächste Jahr. Letzterem mu2te<br />

ich mneine Messe auf em paar Tage zumn Durchsehen<br />

geben. Soviel ich hörte, seien noch nie so viele Schti-<br />

1cr eingetroffen wie dieses Jahr. Hr. Direktor habe<br />

ich noch nicht gesehen. Sein Sohn wird nun bald austreten,<br />

ob freiwillig oder nicht, weil3 ich nicht. -


127<br />

Montags frUh gehen meine Stunden an und ich hoffe zu<br />

Gott, da1 er sie auch dieses Jahr segnen werde, dai3<br />

diese Zeit zu meinem Nutzen und zu Ihrer Freude angewendet<br />

werde.<br />

Dem Toni werde ich bis in 14 Tagen schreiben und ihm<br />

das GewUnschte schicken; er soil diese Zeit über mich<br />

nicht bose werden und geduldig warten.<br />

Dem Peter muf ich noch sagen, daf meine Bekannten hier<br />

sagen, dal3 ich besser aussehe, als wie ich fortgegangen<br />

sei, daf3 inir also das Obst doch nicht so schlecht<br />

angeschlagen habe, wie er so brUderlich besorgte und<br />

daB 2tens der General Hess nicht so bose u. streng u.<br />

genau sei, wie er so soldatisch besorgte und daB 3tens<br />

- Doch er wird jetzt schon sagen:<br />

'Das sieht halt dem Pepi gleich, em Witz schlechter<br />

als der andere'.<br />

Sie, Theuerste Eltern! werden sehen, daB ich dieses<br />

Jahr fleiBig und bray sein werde und daB Ihre Ermahnungen<br />

nicht auf unfruchtbaren Grund gefallen sind.<br />

Indem ich nochmals alle Lieben zu Hause herzlich grüt3e,<br />

verbleibe ich<br />

Ihr dankschuldigster Sohn<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Perstenfeld gibt die gestiegenen Unterhaltskosten<br />

prompt an Rheinbergers Vater weiter:<br />

"MUnchen, den 26ten September 1853<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

Meine Zeilen werden Ihnen dieBmal freilich nicht die angenehmste<br />

Kunde verschaffen, allein ich bin halt doch<br />

durch die Umstände gezwungen, Sie auf einen Punkt aufmerksain<br />

zu machen, der inir selbst so unangenehm wie Ihnen<br />

ist. -<br />

Es wird Ihnen nicht fremd seyn, was wir in Mtinchen in<br />

allen Dingen für eine Theuerung haben. Die Wohnungen<br />

sind urn 30 fi theurer als vor 3 Jahren, das Getreide hat<br />

schon einen enormen Preis und wird von Sommer zu Sommer<br />

theurer, das Fleisch ist per Pfd. urn 3 fl theurer als<br />

vor 3 Jahrn und das GemUse fast gar nicht mehr zum kaufen.<br />

-<br />

Pepi bewohnt das schOnste Zimmer meiner ganzen Wohnung


128<br />

es steht em Flügel darin, den ich urn fast 300 fl kaufte,<br />

worauf er spielen kann wie er will. -<br />

Aber der Ziffer des Geldpunktes mu8 sich jetzt ändern,<br />

denn aufrichtig gesagt, habe ich in wenigen Jahren<br />

schon einen nicht unbedeutenden Schaden durch das wenige<br />

Monats-Geld, das Sie bisher für Pepi bezahiten, erlitten.<br />

Sie sind zu edel, als da8 Sie meinen Schaden<br />

verlangen könnten, und ich ersuche Sie daher, für dieses<br />

Jahr per Monat 24 fl für Pepi zu bezahien. Pepi<br />

überbrachte mir 3 Nonatgelder mit 48 fi, und ich muB<br />

Sie daher bitten, denselben die fehienden 24 fi beizufügen.<br />

-<br />

Ferner mu1 ich Sie auch noch ersuchen, daB Sie dem Fepi<br />

1 Klafter Holz kauf en, denn ich ware es nicht im<br />

Stande, zwei f en zu heizen, da die Klafter Holz mit<br />

machen und tragen auf 14 fl kommt.<br />

Uberlegen Sie und berechnen Sie die Sache, und Sie werden<br />

finden, daB ich keine unbillige Forderung mache.<br />

Es thut mir zwar wehe, Sie mit dieser Bitte belästigen<br />

zu mü6en, aher ich kann nicht anders, ich bin dazu gezwungen.<br />

Baldiger Nachricht hierüber entgegensehend<br />

verharre ich hochachtungsvollst<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

ergebenster Johann Ev. Perstenfeld,<br />

Magistratsfunktionär."<br />

Das herzliche VerhEltnis der Geschwister im Hause Rheinberger<br />

bekunden die nachfolgenden beiden Brief e von Josef<br />

an semen Bruder Toni in Vaduz:<br />

Theuerster Bruder!<br />

"München, den 11.10.53<br />

Hiebei erhaltest Du Deinem Verlangen gemEB em Buch<br />

'KUnSt BUcher zu binden' mit einem Anhang vom Vergolden<br />

u. Futteralmachen; somit glaube ich Deiner Anforderung<br />

zu entsprechen; das Buch muBte erst von Leipzig geschickt<br />

werden und kostet 2 fi 15+er. Nit den Fileten<br />

ging es mir hart; ich war bei vielen Graveuren, bekam<br />

aber nirgends Abdriicke. Endlich bekam ich sie beim Silberarbeiter<br />

N. Wimmer, aber nur die ganze Musterkarte<br />

mit 400 verschiedenen FiletenabdrUcken. Auch diese bekam


129<br />

ich nur mit grol3er Mühe u. ich muJ3 sie Sonntags den<br />

l6ten d. M. wieder zurUckstellen.<br />

Der Preis ist auch Uberall angegeben z.B. 1/12 heii3t<br />

em Gulden 12+er - 2/15 = 2 fl 15 u.s.w. -<br />

Wenn Du die Fileten bezeichnest, so schreibst Du mir<br />

die Nummer. Es würde mir sehr angenehm sein, wenn Du<br />

die Musterkarte am nmlichen Tage mir zuschicken wiirdest,<br />

wo Du sie bekommst; wenn Du noch Geld erUbrigen<br />

kannst, so schicke es, darnit Du desto mehr Fileten bekommst.<br />

-<br />

Sage den lieben Geschwistern viele GrUBe von mir, besonders<br />

aber den 1. Eltern; dern Vater noch besonders<br />

viele Ernpfehlungen von Hr.Dr. Schafhaeutl, welcher<br />

mich diese Tage mit elnem Besuche iiberraschte, nun<br />

aher wieder nach Traunsteingereist ist, urn em Darnpfschiff<br />

zu probieren. -<br />

Hr. Perstenfeld, weicher alle griiBen läI3t, hat nun einen<br />

schönen FlUgel gekauft. -<br />

Hr. Pfarrer Wolfinger hat mich diese Tage besucht u.<br />

läI3t alle schönstens grtit3en, den 1. Vater u. Petern<br />

auch besonders. -<br />

1st General He angekommen? Heute Abends wird hier Kaiser<br />

Franz Joseph I. erwartet. -<br />

Deprof ist beim Schafhäutl verabschiedet worden, mit<br />

der Bemerkung, wiederzukommen, wenn er geruf en wtirde.<br />

- Das Oktoberfest ist nun vorUber, ich war öfters dabei<br />

- Samstags wird die Ruhmeshalle eingeweiht. An dem<br />

Industrie=Gebäude wird fleiIig gearbeitet. -<br />

Was macht die 1. Mutter? sie spinnt gewil3 fleiI3ig,<br />

dörrt 0 b s t (au, web!) ? Wie ist die Weinlese ausgefallen<br />

(D I e T r a u b e n) /au weh!/ (die N u s s)<br />

/au weh!).<br />

Landesverwesers Louis u. Kommissär's Peppi sind gewif3<br />

nicht mehr in Vaduz?<br />

Was macht das Lisi, Mali, die Seffa, das (das Maxentzili)<br />

der David, Peter u. der Toni!


130<br />

Hof u. Kanzlei = Buchbinders KUnstler der Haupt = u.<br />

Residenz Vaduz.<br />

Lebt wohi<br />

Euer Bruder Bepi od. Pepi od. Joseph Rheinberger."<br />

Theuerster Bruder!<br />

"Miinchen d. 19.10.53<br />

Dein Brief hat mich sehr gefreut, aber nicht deEthalb,<br />

weil er gar so kurz, sondern well er von Dir war.<br />

Das nächste mal falist Du in lingnade, wenn Du nlcht<br />

mehr schreibst. Ich an Deiner Statt wUrde mich schmen.<br />

Die Fileten hätte ich gleich haben können, aber ich<br />

muI warten bis die Stempel gravirt sind (erst bis in<br />

8 Tage). Well die Fileten die Du bezeichnet zusammen<br />

nur 7 fl ungef. 30+er gekostet, alle 5 Stempel graviren<br />

auch nur 2 fl 42+er kosten werden, und Du mir noch<br />

8 fi schicktest, so kaufte ich hier noch für Dich em<br />

Buch: 'Die Fabrikatlon von Portefeuilles, Etuis und<br />

Ledergalanteriewaren von Kirsch'. Well diese Sachen<br />

mit den Buchblnderkünst].ern im Iten Grade verwandt<br />

sind, so glaube ich, wlrd es für Dich nicht uninteressant<br />

sein, nichtwahr? -<br />

Der Kaiser von sterreich 1st Gestern wieder fort von<br />

hier nach Possenhofen zu seinerBraut. Sonntags war<br />

Revile über 12.000 N. auf demNarsfeld, wobei em Generaistab<br />

von 120 Personen war. Es waren dabel 3 Regimenter<br />

Infanterien, em Jägerbataillon, 2 Regimenter<br />

Kuirassier, em Regiment Chevauxlegers, 3 Batterien<br />

Fu13=Artlllerie, em Regiment reitende Artillerie u.s.w.<br />

- Der Kaiser war in bairischer Uniform welche ihm nlcht<br />

so gut steht, wie die verschiedenen österreichischen.<br />

- General He13 ist nun nach Deinem Schrelben in Vaduz?<br />

Trotz der Kälte wird Peter, (den Du mir briiderlich<br />

grul3est) doch schwitzen mUssen.<br />

Diese Tage sah Ich zufEllig hier em Buch betitelt:<br />

Erinnerungen aus dem Leben Cans, letzten FUrstbischofs<br />

von Chur u. ersten St. Gallen's von - Fetz In Vaduz.<br />

Sage dem lieben Vater ich werde ihm in 8 Tagen schreiben.


131<br />

Du, bester Bruder Bruder, wirst mir ohne Zweifel gleich<br />

antworten, und Lisi, od. Mali werden gewil3 em Briefchen<br />

beifügen, nicht wahr?<br />

Dem nichtgerntonleiternspielenden Mali - woilte ich<br />

dieser Tage em schönes StUck kaufen, erhielt es aber<br />

nicht, deahalb werde ich ibm in 8 Tagen em anderes<br />

auch schönes kauf en, wenn es bray lernt.<br />

Dem David lege ich hier mit einem gewil herzlichen<br />

Grut bei verbunden mit einem Angebinde, mit einem<br />

Goliaths = Stuck Tintenradirguinmi, von welchem ich schon<br />

das letzte Mal em Sttickchen ins Paket warf, weiches Du<br />

aber nicht beinerktest.<br />

Dein liebender Bruder<br />

Joseph Rh."<br />

Vater Rheinberger hat die Mieterhöhung Perstenfelds<br />

für Josef s Wohnung akzeptiert.<br />

Perstenfeld bedankt sich und weist gleichzeitig auf<br />

die groBe Bedeutung Schafhutls für semen Schutzling<br />

hin:<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

MUnchen, den l8ten Oktobr.53<br />

Ihr verehrl. Schreiben vom l4ten 1. Mts. erhielt ich<br />

richtlg, und ersah aus demselben, daB Sie den Forderungen<br />

der Billigkeit entsprechen, und zwar bis auf den<br />

Holzpunkt, und damit auch dieser ausgeglichen werde, so<br />

tragen wir ihn miteinander, und ich begnüge mich mit der<br />

Hlfte, nämlich mit 7 fi. -<br />

Pepi ist am 23ten September 1. Js. bei mir eingetroffen,<br />

sohin ist für ihn bereits voraus bezahit bis zum 23ten<br />

November, wo ich Sie dann bitte, mir an dem letztgenannten<br />

Tage wieder und sofort das Monat voraus zu bezahlen,<br />

well wir uns bei dieser namenlosen Theuerung sonst zu<br />

hart thun. -<br />

Was den kgl. UniversitätsprofeBor Dr. Schafhäutl betrifft,<br />

so kann Ich Ibnen nur berichten, daB er em Mann von Gewicht<br />

und Einfluf3 1st, und der viel für Pepi zu thun vermag,<br />

daher es nicht UberflUBig ware, wenn Pepi ihn ersuchte,<br />

er möge bewirken, daB er unentgeltlich das Conservatorium<br />

benützen könnte. -


132<br />

Mit der Hilfe Gottes werden wir auch dieses koinmende<br />

Jahr segensreich durchbringen und auf diese Art den vorgesetzten<br />

Zweck, nämlich die Ausbildung des Pepi youenden.<br />

Indem ich alle Ihre Angehorigen herzlich grul3e,<br />

verbléibe ich<br />

Ihr Sie liebender Freund<br />

J.Ev. Perstenfeld. U<br />

Rheinberger schreibt nach Vaduz:<br />

den 1. November 1853<br />

"The erst Eltern!<br />

Soeben, wie ich die Feder ergreife, wird an der Thüre<br />

gèlutet, der Briefträger fragt, ob hier nicht em 'Joseph<br />

Rhbgr' wohne, ich gehe hinaus und sehe eine Schachtel<br />

Trauben, wovon mir elne whrend dern Schreiben sehr<br />

gut mundet. Ich danke daher der lieben Mutter und dern<br />

Lise diesen, mir so raren Genul3. Nachmittags werde ich<br />

einige der schönsten Herrn Prof. Schafhäutl bringen,<br />

weicher mich eben so freundlich behandelt wie frUher.<br />

Die Messe op. II von mir werde ich Freitags als an seinern<br />

Namenstage tiberreichen. Bisher batten die Herren<br />

Prof. Herzog, Leonhard und Naier die Messe zurn Anschauen,<br />

weichen sie auch gefiel. Die beste Arbeit 1st das<br />

Kyrie,.Credo, Sanctus,, Benedictus; das Gloria die geringste<br />

Arbeit - was ich auch wul3te - denn das Gloria<br />

gefllt nur Lalen am besten. -<br />

Nit Hr. Director kann man nichts reden, weil er nicht<br />

weII3, an welchem Tage er abgesetzt wird. -<br />

Hr. Professor Herzog hat einen Ruf ais Organist nach<br />

Russland bekommen, dern er auch gefolgt ware, wenn seine<br />

Frau gem von bier fortginge. -<br />

Da13 Perstenfeld mich urn 8 fl gesteigert, wu1te ich nicht,<br />

bis durch Ibren werthen Brief. -<br />

Bis jetzt spiele ich noch nicht in der Ludwigskirche<br />

Orgel, denn Hr. Schafha'utl wtinscht, dal3 ich die Kirchenmusik<br />

bei St. 1Iichael höre, welches urn dieselbe Zeit<br />

ist. -<br />

Heute Abends wird em Oratoriurn von Beethoven im Odeon<br />

ausgeftihrt, wohin inich Hr. Prof. auch rnitnirnmt. -


133<br />

Diesen Monat stifteten einige der besseren Schtiler des<br />

Conservatoriurns einen kleinen Mozartverein, dessen Direktor<br />

Jos. Rheinberger heif3t. Es wurde letzten Sonntag,<br />

als am Vorabend von Mozarts Namenstag, von uns em Concert<br />

gegeben, wobel ich dirigirte und mehrere Personen<br />

eingeladen waren. -<br />

Die nächste Woche werde ich meine Sonate op. III endigen.<br />

-<br />

Da der Toni mir nichts sagen laft, daf er das 2te Buch<br />

bekommen, so hoffe ich doch, daf3 er es erhalten haben<br />

wird. Seine Fileten und Stempel werden Donnerstag fertig.<br />

Im gleichen Grade wie der Peter die schnelle, habe<br />

ich die langsame Kathrina. Malls Stticke babe ich<br />

schon gekauft, werde es aber erst schicken, wenn es mir<br />

geschrieben.<br />

Well es jetzt 2 Uhr 1st, ich zu Hr. Schafhäutl inuB, werde<br />

ich mit den Fileten auch noch mehr schreiben.<br />

Ich bin, Gott sei es gedankt, immer gesund u. verbleibe<br />

Ihnen, Theuerste Eltern!<br />

stets dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger, Direktor des Mozartvereins."<br />

Josef besorgt seinem Bruder Anton die besteliten Buchbinderstempel<br />

zum Aufdrucken von Gol.dverzierungen und<br />

schlckt sie ihm mit folgenden Zeilen:<br />

"Lieber Anton!<br />

den 8ten Nov.<br />

Endlich bekam Ich die Fileten, die Du Dir gewUnscht -<br />

auch die Stempel, weiche, wie ich glaube, gut gravirt<br />

sind. Alles mitsammen kostet 12 fi 33+er - wie Du aus<br />

der Rechnung ersehen wirst. Die Fileten schickte ich<br />

auch heute fort - aber nach Sevelen, lauten St. Gallen<br />

im Rheinthal - an Hr. Peter Rheinberger, post restande.<br />

Well nun die Fileten bezahit sind, dichtete ich mir em<br />

Lied, das wahrschelnlich so heiIt:<br />

'Ach ilebes Goldbeutelein,<br />

Warum so klein,<br />

Warum denn gleich<br />

so mager sein?!


134<br />

Ach liebes Buchbinderlein,<br />

Erbarm Dich mein<br />

IJ<br />

Doch mu ich Dir sagen, dal3 es hier sehr kalt ist - den<br />

ganzen Tag liegt der Nebel so dicht, dal3 man oft Tags<br />

Licht brauchen könnt. -<br />

Mein Paletot 1st nun schon abgeschossen, zu klein und<br />

die Trauben waren gut - die 'hen mer gschmeckt'.-<br />

Die hiesigen Trauben werden erst urn Heiligdreikönig<br />

reif. -<br />

Meine Messe gab ich Hr. Prof. SchafhEutl an seinem Namenstag<br />

- er hatte eine ungemeine Freude.<br />

Zu meiner Sonate op. III fehit nur noch der Sch1ufsatz,<br />

weicher aber noch bil3chen braucht. Dann habe ich noch<br />

eine Mottete gemacht, welche Hr. Prof. Maier korrigirte,<br />

und wenn sie in den Proben gefällt, an dem Namenstage<br />

des Hr. Directors aufgeführt. -<br />

Hr. Falk spielt gewi die Orgel immer noch meisterhaft,<br />

ich werde nächstens ihm u. seinem Chore eine Messe widmen,<br />

welche er mit oder ohne Register spielen kann, -<br />

doch die Trauben waren gut u. das Papier wird gar -<br />

grUl3 mir die lieben Eltern herzlich u. ich verbleibe<br />

Ihr dankbarster Sohn<br />

Joseph Rheinberger, Director des Moz.V.<br />

NB. Notabene. Dern Mali schicke ich sein Stuck, wenn es<br />

mir geschrieben hat.<br />

Lieber Toni!<br />

Ich schreibe Dir nochmal diesen Nonat, aber Du must<br />

auch schreiben!<br />

Nachschrift: Grug mir die Nutter u. ich laI ihr vielmals<br />

danken für die Trauben u. die 2 Nu1<br />

u. die dürre Zwetschk."<br />

Die drei folgerden Briefe Josef Rheinbergers an seine<br />

Eltern beschliegen das Jahi 1853:<br />

NUnchen, den 30.11.53<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Uberzeugt, da dieser Brief alle Lieben, hauptsächlich<br />

aber Sie, Beste Elternl im erwünschten Wohlsein treffen


135<br />

werde, 1st meine Freude doppelt so grot3, wieder einige<br />

Zeilen nach Hause zu schicken. Hat meine liebe Schwester<br />

Amal.ia ihr StUck bekonunen? Weil sie es nun haben mu6, vergif3t<br />

sie nattirlich, an mich zu schreiben.<br />

Nächsten Montag werden die Eleven des Conservatoriums<br />

em kleines Concert veranstalten, bei welchem ich mit<br />

meinem Verein auch mitwirken werde.<br />

Nächsten Samstag 8 Tage sollte meine Cantate im Conservatorium<br />

aufzuftihren probirt werden, wenn ich mit Stimmenabschrei.ben<br />

bis dahin fertig werde; dieses 1st sehr<br />

langweilig und zeitraubend, indem ich nebenbei 3 Ouverturen<br />

von Mozart für Streichquartett arrangiren und mit<br />

dem Verein einstudiren mut3, nebenbei die Aufgaben nicht<br />

versäumen darf, in alien Conservatoriumsensemblen mitwirken<br />

muI3, dann soll ich noch mein Quartett und meine<br />

Kiaviersonate endigen und im Auftrag von Hr. Professor<br />

Leonhard em Offertoriumn componiren: Dieses alles gibt<br />

Arbeit bis Weihnachten - wer spielt und singt die Rorate<br />

in Vaduz?<br />

Hr. Professor Schafhäutl ist eine Zeit her etwas unpäf3lich,<br />

ich besuch ihn alle 2 Tage und er 1st sehr gütig<br />

gegen mich; er läl3t aile schön grti2en.<br />

Auf die Weihnachtsfeiertage hat mich der Chorregent von<br />

St. Michael zum Orgeispielen eingeladen. -<br />

Hr. Salis sagte: General Hess sei aul3erordentlich zufrieden<br />

gewesen mit den Leistungen der Li&chtensteiner;<br />

Uher alle Erwartung (Peter, pass auf! das gilt Dir!).<br />

Am Namenstag der lieben Mutter hatten wir zum erstenmale<br />

Schnee! Aber jetzt 1st das Papier wieder zu klein,<br />

ich werde dafür auf Weihnachten schreiben.<br />

Ich verbleibe Ihnen, Theuerste Eltern!<br />

Ihr stets dankbarster<br />

Sohn Joseph Rheinberger<br />

Direktor."<br />

14. Dezember 1853<br />

"Theuerste Elternl<br />

Meinem Versprechen gemi3 beeile ich mich jetzt, an Sie<br />

zu schreiben, ailein wenig Neues - das beste ist, daB<br />

ich mich immer wohi befinde, ausgenonnuen, daB ich vor<br />

einigen Tagen nicht ausgehen konnte, well mir em Nagel


136<br />

in den Zehen wuchs, nun aber kuriert ist, jedoch mu1te<br />

ich zwei Unterrichtsstunden versäumen, die ersten in<br />

diesem Jahr.<br />

Prof. Naier schenkte mir 6 groBe Orgelsonaten von Mendel.ssohn.<br />

Seit einiger Zeit befinden sich zwei polnische<br />

Virtuosen hier, zwei Brüder, von welchen der eine auf<br />

dem Kiavier, der andere auf der Violine eine wirklich<br />

unerhörte Fertigkeit besitzen. -<br />

Nächsten Samstag soil in der groen Ensemble meine Cantate<br />

probirt werden, bis dahin muf ich noch 16 Stimmen<br />

u. eine Partitur davon abschreiben, em höchst langweiliges,<br />

zeitraubendes Geschäft . -<br />

Für Hr. Prof. Schafhäutl, welcher sich allen höflichst<br />

empfehlen läl3t, componire ich zum 'Kristkindl' (wie man<br />

hier sagt) em Offertorium, mit welchem ich mir viele<br />

Mühe gebe; uberhaupt habe ich zu kirchlichen Kompositionen<br />

mehr Lust und Talent als zu andern.<br />

Hr. Pf. Woifinger war vor 14 Tagen bei mir und laft alle<br />

recht schön grUf3en.<br />

Morgen (l5ten Dezember) sollte ich das 2te Semester bezahlen,<br />

deshalb würde ich Sie, Theuerste Eltern! bitten,<br />

mir das Geld zu schicken, indem es mir unangenehm ware,<br />

wenn ich vom Direktor gemahnt würde. Auch mul3 ich diesen<br />

Monat noch die Aufenthaltskarte verlängern lassen.<br />

Ich werde gewif wenn moglich meinen Fleif3 vergröl3ern,<br />

denn ich weil3 gewii3, was es Ihnen für Opfer kostet -<br />

ich unterlasse nie, den Himmel anzuflehen, mir es bald<br />

inoglich zu machen, es Ihnen nach Wunsch zu vergelten. -<br />

Hat Mali das<br />

erhal ten?<br />

Von Lise u. Toni erwarte ich zum Christkindl amen langen<br />

Brief - und indem ich hoffe, daf mein Brief Sie in<br />

erwfinschtem Wohlsein treffe, verbleibe ich Ihr dankschuldigster<br />

Sohn<br />

Joseph Rheinberger."


137<br />

den 30.12.53<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Der Jahreswechsel erinnert mich wieder an die heilige<br />

kindliche Pflicht, den Eltern, weiche mit so vieler Aufopferung<br />

die Ausbildung ihres Sohnes verfoigen, die herziichste<br />

Danksagung darzubringen und Sie darum ferner zu<br />

bitten.<br />

Ja, Theuerste Eltern! ich weii3 es, weiche Opfer ich Sie<br />

koste, weiI es, dal3 dieses nur die aufopfernde, väterliche<br />

und mütterliche Liebe thun kann; aber ebendeswegen<br />

bestrebe ich mich inmier mehr, mich dieser Ihrer<br />

Opfer wUrdig zu bezeigen. Nicht durch Worte kann ich all<br />

dieses ausdrUcken, nein, nur durch That kann ich's -<br />

Sie werden sehen, es soil Ihnen, sobald es in meiner<br />

Macht liegt, so viel es mögiich 1st, vergoiten werden.<br />

Darum fiehe ich Gott immer an, mir die nöthige Gnade dazu<br />

zu verleihen und meine Theuersten Eltern gesund zu<br />

erhalten, bis sie gute Frtichte meines Fieif3es sehen werden.<br />

Der Hinunel weil3 es, es sind dies nicht ieere Versprechungen;<br />

nein, es sind die Worte des festesten Vorsatzes.<br />

-<br />

fiber die Weihnachtsferien (8 Tage) habe ich em gro8es<br />

Offertorium (op. V) componirt und den Professoren vorgelegt.<br />

Hrn. Professor Schafhäuti, weicher alie freundlichst<br />

grüf3en iHl3t, habe ich auch em Exemplar geschenkt<br />

und semen Beifali erhalten. Er befindet sich längst<br />

wieder wohi. -<br />

Meine Cantate hat Samstag die Freude erlebt, aufgeführt<br />

zu werden. Hr. Dlrektor hat mich sie nicht auf der Orgel<br />

begleiten lassen - (wegen dem Saiis'schen Groll) dafür<br />

habe ich ihm's Dirigiren em biSschen sauer gemacht.<br />

Die Cantate hat sehr gefailen - die Professoren drflckten<br />

mir die Hand - elner hat mir gar gratulirt, aber am<br />

meisten freuten mich elnige süI3-saure Gesichter unter<br />

den Koilegen.<br />

Die 28 fi habe ich erhaiten - den Christkindlguiden der<br />

Mutter habe ich dem Conservatoriumsdiener ais Trinkgeld<br />

gegeben (fUrs Orgelziehn). Das Geld vom Peter habe ich<br />

zu Handschuh verwendet.<br />

Alien meinen herzlichsten Dank. Ich befinde mich immer<br />

munter u. wohi u. lal3 alle, besonders die liebe Mutter,<br />

grül3en.


138<br />

A glöckseligs neus Jahr, I kornm an Krtizer öbr, I bi a<br />

Vadozner.<br />

Ich verbleibe Ihr dankschuldigster<br />

Sohn<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Pfarrer Wolf inger gibt Rheinbergers Vater zum Jahresbeginn<br />

1854 einen Bericht Uber das Befinden seines Schtitzlings:<br />

TUrkenfeld, den 2ten Januar 1854<br />

"Euer Hochwohlgeboren<br />

Hochgeehrtester Herr Vetter!<br />

Auf Ihr sehr verehrtes S. v. 25ten Sept. v. J. erlaube<br />

ich mir bey Gelegenheit des neu angehenden Jahres Antwort<br />

zu geben mit dem herzllchsten Wunsche: dal3 der gütige<br />

Gott bey Abwendung lles UnglUcks nur Heil und Segen<br />

spenden wolle. -<br />

Herrn Pepi besuchte ich seither zweimal, er befindet sich<br />

wohl u. munter, 1st sehr flei8ig und bray u. verdient<br />

sich dadurch die ehrsamste Anerkennung von Seiten Aller,<br />

weiche mit ihm in Berührung kommen. -<br />

Die Titl. Herrn Professoren sprechen sich mit grol3ten<br />

Lobeserhebungen über sein Benehmen u. musikalischen Leistungen<br />

aus; eben so gro1 ist aber auch mein Vergnügen,<br />

Titl. Herrn Papa solch' erfreuliche Nachrichten kund geben<br />

zu können. -<br />

Die Beilage resp. Bedenken am Schluf3 Ihres Briefes betref<br />

fend, dürf en Sie durchaus keiner ngstlichkeit Raum<br />

geben - in fraglicher Beziehung konnte ich über die Anstalt<br />

nicht un Geringsten etwas Nachtheiliges in Erfahrung<br />

bringen. - Titl. Herr Profe8or Schafhäutl scheint<br />

mir auf vielleicht einzelne Individuen des Profet3oren<br />

Collegiums anspielen zu wollen; worm er gerade nicht Unrecht<br />

haben mag, in dem was die Anstalt selbst betrifft,<br />

1st nichts zu befürchten. -<br />

Profe8or Schafhäutl ist ubrigens em sehr braver im Ansehen<br />

stehender Mann, dem jedenfalls gro8es Vertrauen geschenkt<br />

werden kann. -<br />

Herr Perstenfèld sucht, wie ich vernehme, das Quartier u.<br />

Kostgèld immer inehr zu steigern; - mir scheint derselbe<br />

will Ihre Güte so ziemlich auf die Probe setzen; - er


139<br />

woilte auch bey mir in gewissen Angelegenheiten Versuche<br />

machen - allein der Pfarrer von Türkenfeld ist nicht<br />

immer zu erwUnschten Zeiten zu Hause - Steigerung des<br />

Quartiers,der Kost u. etwa gröBere Vorauszahlungen würde<br />

ich mir durchaus nicht rnehr gefallen lassen - em bier<br />

allbekanntes Sprichwort sagt: daB nur kleinste Stadtleute<br />

in ihren AnsprUchen und ihrer Unverschämtheit keine Grenzen<br />

kennen. -<br />

Urn das Geld, was Pepi jetzt .bezahlen muB, sind ohne viel<br />

Complirnente die schönsten u. besten Quatiere zu vermittein.<br />

-<br />

Dern Pepi wUnscht ich groBere Vervollkommnung in der £ ranzösischen<br />

Sprache, was für ihn in Zukunft gewil3 von grossem<br />

Werthe ware - doch dieB wird sich etwas später leichter<br />

machen lassen. -<br />

Die Osterferien wird Pepi, auf Verabredung zu meinem VergnUgen<br />

in TUrkenfeld zu bringen. -<br />

Tjtl. Herr Jauch von Baizers besuchte mich auf seiner Relse<br />

von Wien her. - Wenn alle die grof3artigen Projekte,<br />

Uber die er mich in nicht geringes Erstaunen setzte in Erfullung<br />

gehen, gratuliere ich dem ganzen Lande, - Baizers<br />

dürfte in kurzer Zeit das alte 'Athen' werden. -<br />

Durch Herrn Vetter Wolfinger, vulgo Mih1enhans, vernehme<br />

ich leider selten etwas Erfreuliches von meinen Geschwisterten<br />

in Baizers. -<br />

Schuld über Schulden; u. niir wird natürlich stets die Ehre<br />

zugemuthet, dieselben zu zahien - neuerdings erhielt ich<br />

wieder zum guten neuen Jahre die angenehme Meldung von<br />

150 fl, weiche sich noch vom Vater sel. datieren sollen<br />

u. noch - aymol zu bezahien seyen.-<br />

Currentschulden der Geschwisterten habe ich alle Jahre in<br />

Mengen zu bezahien. -<br />

Urn diesen Geschäf ten einrnal em Ende zu machen, ware mir<br />

nichts erwUnschter als einmal die Erledigung resp. Bereinigung<br />

der väterlichen Verla6enschaft, urn demnach frerndern<br />

leichtsinnigen Schuidmachen vorzubeugen - Ich bitte Sie<br />

hierUber gelegentlich mit Titi. Herrn Grundbuchftihrer und<br />

Titl. Herrn Landesverweser zu reden und diese Angelegenheit<br />

in förderliche Anregung gütigst bringen zu wollen -<br />

gegebenenfalls wUrde ich u. ineine Schwester bier, dem<br />

Herrn Vetter Wolfinger in der MUhie all unsere Stellenpatente<br />

bevollniächtigen. -


140<br />

Schlie2lich Alles Gute u. Schöne Bekannten u. Verwandten<br />

namenti. Titi. Herrn Peter - Titi. Hr. Carigiet Canoniko,<br />

- Titi. Hr. Dr. Grai, SchHdler, dann Lu, Lu, Lu!!! zu vermelden<br />

bittend<br />

zeichnet mit besonderer Hochachtung und Verehrung<br />

Euer Hochwohlgeboren<br />

ergbst. J.T. Wolfinger, Pfarrer."<br />

Zu Beginn des neuen Jahres erkrankt Rheinberger an einer<br />

schweren Grippe.<br />

Er berichtet nach Vaduz:<br />

den 30ten 1.54<br />

Theuerste Eltern!.<br />

Nachdern ich nun 14 Tage krank war, bin ich Gottlob! wieder<br />

so weit, daB ich des Vormittags das Bett verlassen<br />

kann, urn Ihnen wieder Monatsbericht abstatten zu können.<br />

Sonntags den l5ten nach der Kirche befiel mich nämlich<br />

Kopfweh, Frost etc., so daB ich mich Mittags niederlegen<br />

rnul3te. Ich hoffte, daB es montags wieder vergehen werde,<br />

hatte inich aber stark getäuscht; das Kopfweh nahrn zu, ich<br />

bekam starke Husten, Gliederreil3en u. Leibweh - nun wurde<br />

zurn Doktor geschickt - nun rnu2te ich Pulver und Medizin<br />

nehmen und durfte gar nichts essen, sondern mul3te rein<br />

vorn Zuckerwasser, Lirnonade, Tee leben - diese Kur bekam<br />

inir so gut, daB ich nun spinnendUrr bin und bei meinem<br />

ersten Aufstehen bei jedem Schritt zusammenfiel. Die Bedienung<br />

war gut, besonders seit dem l7ten, wo die 72 fl<br />

eintraf en.<br />

Es freute mich, zu vernehrnen, daB alle sich wohi befinden,<br />

und ich konnte nicht begreif en, daB Sie, Theuerster Vater!<br />

glaubten, Hr. Prof. Herzog sei mir nicht gut. Warum denn<br />

nicht? Er hat mich ja so gem, wie sonst - er besuchte<br />

mich 3fters - oder schickte einige Collegen zu rnir, sich<br />

zu erkundigen.<br />

Anfangs dieses Monats muBte ich mit ihm eine neue, schöne<br />

Orgel (in der Franziskanerkirche) von 30 Registemn probiren.<br />

Auch mul3te ich ihm 3 Orgelstiicke componiren, welche<br />

er in em groBes Werk aufnimmt, weiches bald herauskommen<br />

wird. -<br />

Hr. Prof. Schafhäutl besucht mich alle Tage, und gab sich<br />

alle Nühe, inich zu unterhalten. Hr. Prof. Leonhard ist


141<br />

schon seit Weihnachten krank, elne Zeit lang fürchtete man<br />

sogar für sein Leben, jetzt aber ist er au8er Gefahr. -<br />

Meine Coilegen besuchten mich oft. Seit gestern darf ich<br />

wieder Bier trinken und Kaibfleisch essen; jedoch bin ich<br />

noch so schwach, daB ich nicht ordentlich Kiavierspielen<br />

kann.<br />

Gestern wurde der Namenstag des Hr. Direktors musikaiisch<br />

gefeiert, ich hatte auch etwas einstudirt, aber<br />

muBte zu Hause bleiben. -<br />

Hr. Prof. Schafhäutl sagte mir, er schreibe Ihnen auch<br />

dieser Tage, ich werde ihn beim Wort nehmen.<br />

Indern ich aile lieben Geschwister und die Mutter grUBe,<br />

verbleibe ich Ihr dankschuldiger Sohn<br />

Joseph Rheinberger<br />

NB. Jetzt werde ich bald wieder ins Bett müssen, denn<br />

ich bin schon miMe.<br />

Der Doktor machte mir bis jetzt 12 Besuche."<br />

Perstenfeld ergHnzt diesen Bericht mit foigendem Brief an<br />

Rheinbergers Vater:<br />

Miinchen, den l6ten Februar 1854<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

Schon ingst nahm ich mir vor, Ihnen zu schreiben, und<br />

über Ihren Pepi Bericht zu erstatten, so wie ich es Ihnen<br />

versprochen habe, daB es von Zeit zu Zeit geschehen soil.<br />

Gott sey es gedankt, er 1st jetzt wieder kerngesund und<br />

krHftig; aber es ist sehr bedenklich urn ihn gestanden,<br />

und Ich bin jetzt froh, daB ich Ihnen nicht gleich geschrieben<br />

habe, denn die Wahrheit hätte ich schreiben rnUssen,<br />

und das wUrde Ihnen kumtnervolle Tage verursacht haben.<br />

Nun können Sie aber ganz ruhig seyn. Im Gegentheile zu<br />

rneinem vorjährlgen Neujahresbericht kann ich Ihnen auch<br />

versichern, daB er heuriges Jahr mit ganzer Aufrichtigkelt<br />

uns wieder zugethan 1st; Ubrigens thun wir ihm auch<br />

aiies Mögliche, was wir ihrn an den Augen ansehen. Durch<br />

seine Krankhelt wurde mein HoizstoB sehr in Anspruch genoten,<br />

und die fortwHhrende strenge Käite verursacht<br />

demseiben voilends die Schwindsucht; well sein Zimmer sehr<br />

groB 1st. -<br />

In München 1st jetzt elne Noth und em Jaier, daB es kaum


142<br />

mehr zum Aushalten 1st; die schreckliche Theuerung aller<br />

Lebensrnittel und dazu der sehr strenge Winter richten<br />

viele Farnilien zu Grunde. Man dürfte jetzt verhältni1mRl3ig<br />

em dreyfaches Einkommen haben, urn nur einigermal3en<br />

anständig leben zu können. Gott bessers!<br />

Hätte ich nicht den Trost, dal3 Sie uns auf Georgi den<br />

Rest für Pepis Hierseyn schicken würden, fUrwahr! ich<br />

brächte den schweren Miethzins nicht zusammen, so aber<br />

sehe ich Ihrer gütigen Willfährde entgegen, und verharre<br />

mit der volikommensten Hochachtung<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

ergebenster Diener<br />

Joh. Ev. Perstenfeld<br />

Magis tratsfunktionär<br />

Viele Grül3e von meiner Frau und meinem Ludwig.<br />

Ernpfehlen Sie uns auch den Ihrigen recht herzlich."<br />

Die Schwestern erhalten einen launigen Brief in Versen:<br />

"An Fräulein Elisabeth, geb. Rheinberger!<br />

Cara sore ha mia!<br />

sage mir wia<br />

es dir geht!<br />

Ohne dir zu schrneicheln,<br />

ohne nur zu heuchein,<br />

sage ich, dass das Hütchen,<br />

herrlich dir wol'steht.<br />

Deine Neuigkeiten<br />

Aus der Residenz<br />

Und voll Pfiffigkeiten<br />

Was ich ohne Reverenz<br />

Dir nun schreibe hier<br />

ohne erst dafür<br />

den Dank abzuwarten<br />

(Sag, ob mein Gedicht nicht<br />

wie em Messer ohne Scharten<br />

schneidt und sticht?)<br />

Soiche Verse machen,<br />

Ei! ist's nicht zuin Lachen<br />

da die Rippen krachen?<br />

Soiche närrische Sachen<br />

All die weilen was mal3en<br />

Euer Liebden Brief mich<br />

der gestalten inniglich<br />

gefreuet, da ich denselben<br />

sothan gelesen, wiederumb<br />

gelesen, und noch=<br />

malen (notabene!) zurn<br />

drittenmale (nicht) gelesen,<br />

was hiemit Euch kund<br />

gethan, und, urn ohne Umbschweife<br />

zu reden, Euer<br />

Liebden mit Rehspeck zu melden,<br />

das Ganze sodann in<br />

forma eines (sozu=sagen)<br />

Briefes eingekleidet,<br />

(auf lateinisch:) merket<br />

auch die2 dictum, cacaturn<br />

non est picturn; urn endlich<br />

darauf zu kommen (venire)<br />

Ew. Liebden diese (hic, haec,


schreibet man im Schiaf<br />

und nicht im Wachen,<br />

nun, urn kein Schaf,<br />

sondern dein Bruder zu se<br />

schreib in Prosa ich<br />

dies Brieflein fein''7'<br />

143<br />

Da13 Du zur Faschingszeit SO viel getanzt, macht Dir Ehre<br />

ich " U wenig " ' mir<br />

Wie geht es dernRannimaxentiabarmherzlosigeschwester?<br />

Was macht Amaliamatscherliclaviersowenigspielendeschwesterli?<br />

It<br />

Antonbuchb inderbücherempfangenhabendeb ruder?<br />

Davisancelistthalerversendendesallerljebstesbrüderlein?<br />

I, It SeffagernbUcherlesendemirsoviel Strtimpfestrikkendeschwester?<br />

und " LisigernfassnachttanzendeaberdieRechnungohne<br />

denWirthgemachthabendeschwes ter?<br />

Wenn Du das Alles beantwortest, hast Du Stoff zu einem<br />

so !langen Brief!.<br />

Da ich jetzt nichts mehr weil3, schwarz, blau, grün, geib,<br />

so verbleibe ich<br />

Dein, rnein, sein unser und Euer Bruder<br />

r e gre b n I e h R s o J,<br />

nicht Schellenberger, den so und so vielten, Mtiüiitinchen.<br />

Liebes Mali!<br />

Ich habe Dir schon lange nicht rnehr geschrieben, det3wegen<br />

schreibt Dir diesen grol3en Brief,<br />

Dein auf Antwort harrender Bruder<br />

Os<br />

J ef R hibre e n e g r<br />

(Das tJbrige steht auf der andern Seite:)<br />

hoc) Antwort in forma eines<br />

geschriebenen, sogenannten<br />

Schreib=Briefes zu Ubersenden.<br />

in (Hier wird das Blatt umgekehrt,<br />

das folgende klingt nicht so<br />

gelehrt:) Vice versurn.


144<br />

Die Krankheit 1st gut überstanden, und Rheinberger berichtet<br />

nach Hause:<br />

Theuerste Eltern!<br />

München,. den 20.2.54<br />

Gestern (Sonntag) mittags wurde ich sehr angenehrn durch<br />

die zwei Brief e (von Peter und Hr. Fetz) überrascht und<br />

konnte daraus entnehrnen, daI3 Sie sich wohi und munter<br />

befinden, was gottlob bei mir auch der Fall ist. Jedoch<br />

wunderte ich mich, wie Peter schrieb, da1 alle so besorgt<br />

urn meine Gesundhéit seien, da ich in meinem letzten<br />

Briefe versicherte, daB ich wiederhergestellt sei!? -<br />

Ich kann nun, Gott sei Dank, schon seit Anfang Februar<br />

die Tinterrichtsstunden wieder besuchen und bin seit meiner<br />

Krankheit viel wohler als zuvor. Bei meinern ersten<br />

Ausgehen aber ineinte ich mehrere Male, ich könne nicht<br />

rnehr nach Hause kommen, so rnatt und krank fühlte ich<br />

mich. Sobald ich wieder Bier trinken durfte, gewann ich<br />

wieder Krfte und bin jetzt starker als zuvor. -<br />

Darnit Sie sehen, Theuerste Eltern! daB ich nicht faul<br />

war, so will ich Ihnen meine Kompositionen herzählen:<br />

Sonate aus F-rnoll für Pianoforte, op. I. - Missa zu<br />

4 Singstirnrnen und Orchester aus D-rnoll und dur, op. II.<br />

- Offertorium aus Es-dur für 4 Singstimrnen und Orchestre,<br />

op. III. - Sonate für Pianoforte aus C-moll, op. IV. -<br />

Grand Quatuor für II Violinen, Viola und Cello aus<br />

F-dur, op. V. Aul3erdern noch: GroBe Fuge für die Orgel<br />

in F-moll (Herzog gewidmet) - em Kyrie zu 5 - und em<br />

zweichöriges Sanctus zu 6 Stimmen - eine Motette zu 4<br />

Stimmen in A-dur - eine Menge Fugen, Versetten - Endlich<br />

habe ich em Concert für 2 Klaviere angefangen, -<br />

kostet aber viele MUhe und Geduld - alles dieses war nur<br />

Nebensache, keine Aufgaben. -<br />

Hr. Professor Leonhard wird morgen früh zurn erstenmale<br />

wieder ausgehen, nachdern er 9 Wochen lang krank war zum<br />

Bedauern aller, die ihn kennen. -<br />

Heute früh überraschte mich Hr. Pf. Wolfinger von Türkenfeld;<br />

er meinte, ich sei noch krank, denn Hr. Wolfinger<br />

(Muller) von Balzers habe ihm geschrieben, ich<br />

sei krank und der Vater habe seine Besorgtheit ihin<br />

(Muller) rnitgeteilt. Hierauf sei es sein erstes gewesen,


145<br />

mich zu besuchen und er f and mich Gottlob! nicht irn Bette,<br />

sondern gar nicht zu Hause, bis heute frUh 10 IJhr<br />

beirn Probst. -<br />

Er lal3t alle schön grUl3en u. fuhr urn 2 iJhr wieder fort. -<br />

Gestern holte mich Hr. Prof. Schafhäutl ins Theater ab<br />

(Freischütz) und - läl3t alle grtif3en. -<br />

Heute, nachdem ich urn 4 Uhr nach Hause kam, setzte ich<br />

mich, urn zu schreiben, jetzt 1st es bald 1/2 6 Uhr und<br />

wird finster, Morgen trag ich den Brief auf die Post,<br />

weicher Ihnen, Theuerste Eltern, die Nachricht bringt,<br />

dai3 ich bin Ihr<br />

dankbarster gesunder Sohn<br />

Joseph Rheinberger.<br />

(Ich habe Lisis Schlinge mit Freude begrUft. Herrn Fetz<br />

meinen und Hr. Wolf ingers GruB).<br />

und dem Toni - jetzt sieh ich nichts mehr."<br />

An semen älteren Bruder in Vaduz richtet Josef folgende<br />

Zeilen:<br />

München den 27.2.54<br />

"Lieber Anton!<br />

Well heute Fastnachtsrnontag 1st, wo wir Vakanz haben,<br />

dachte ich mir, wolle ich Dir schreiben, gleichviel ob<br />

ich etwas weil3, oder nicht - zudem wirst Du es mit dem<br />

Briefstyl nicht so genau nehmen.<br />

Ich will Dir also erzählen, wie ich den Fastnachtssonntag<br />

zugebracht, aber einschlaf en darfst Du nicht.<br />

Gestern früh ging ich in die Kirche, hatte urn 11 Uhr Unterricht<br />

bei Hr. Professor Maier, ging nach Haus, af3<br />

Mittag, lieB mir 'a MaBerl' holen that mich gütlich,<br />

dachte an Vaduz, an die KUcheln 'Nidla' und Fackelschwingen<br />

an Mali's 'oinfaBle' usw. Dann nahm ich die<br />

Leipziger musikalische, las die schon 60 Jahre alten<br />

Neuigkeiten u. an die Fastnachtsdununen neuen Altigkeiten.<br />

Dann wurde es schön Wetter, ich ging spatziren über den<br />

Dultplatz, Obelisk, dann (schiaf nicht em!) schnelte<br />

es - ich ging zu Haus, trank noch eine Halbe u. blieb<br />

den ganzen Nachmittag zu Hause bis 1/2 4 Uhr, da fuhr<br />

em Schlitten vor, wo ich 'a la grosser Herr' zu Hr.<br />

Prof. Schafhäutl u. fuhr nach der 'Menterschwaig'


146<br />

(1 1/2 Stunden von München) bier waren trotz dem Schnee<br />

und den Bäiien doch eine Menge MUnchner sogar Prinz<br />

Adaibert, weicher wie em Bürstenbinder soff und sehr<br />

lustig war. Das Bier war herrlich, dann gabs Wildenten<br />

Burgunder auf das Wohi der Vaduzer und Kaffe.<br />

1111 Nachhausefahren war die Unterhaltung lebhaft, auch<br />

vom 'Matscherle' wurde geredet. 1/2 9 Uhr war ich schon<br />

wieder zu Hause, trank wie gewöhniich mein Bier und<br />

unterhielt mich mit mir selbst, denn Hr. Perstenfeld war<br />

noch nicht da, sondern blieb ohne Eriaubni1 aus, was er<br />

aber theuer bü$en soil, denn zufoige einem Gerüchte<br />

(seiner Frau) soil er zur Strafe morgen em Ma8 weniger<br />

bekommen.<br />

Endiich kam er auch, jedoch ziemlich 'bewaffnet' und<br />

kreuzlustig, er woiite gar nicht ins Bett und während<br />

der Unterhaitung hatte ich oft Nühe nicht iaut iachen<br />

zu müssen. Heute urn elf Uhr werden die ersten (gu1eisemen)<br />

Säuien aufgesteiit, wahrscheiniich werde ich<br />

hinausgehen. -<br />

Heute ist hier der 'Metzgersprung' em Volksfest der<br />

Metzger, weiches aile Jahr wiederkehrt, unter anderm<br />

müssen sie auch in einen Brunnen springen, ich mag gar<br />

nicht hingehen. -<br />

Ais ich mich urn den 'Doktor konto' erfuhr ich, da8 Hr.<br />

Prof. Schafhäuti ihn bezahit habe.<br />

Ich iaI3e aile, besonders die 1. Eltemn herziich grüten,<br />

und hoffe, daI3 der Brief Dich gesund in Deinem Kleister-<br />

Atelier treffe<br />

Dein Dich liebender Bruder<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Von Zeit zu Zeit mu13 Rheinberger semen Vater bitten,<br />

ihm zusätzlich Geld für Nebenausgaben zu schicken:<br />

München, den 9ten März 1854<br />

"The erste Eltern!<br />

Diese Tage sagte mir Hr. Professor Leonhard, (weicher<br />

jetzt volikommen hergestelit ist) ich mül3te mir zur nöthigen<br />

Ausbildung noch verschiedene Werke anschaffen,<br />

vorerst aber nur särntliche Sonaten furs Pianoforte von<br />

C. Maria von Weber, welche zusanimen weniger als einzeln


147<br />

kosten; da diese aber 8 - 9 fi kosten wUrden, so sagte<br />

ich, ich mü8te zuerst dem Vater davon schreiben. -<br />

Gewil3 würde ich es nicht gewagt haben, Ihnen, Theuerste<br />

Eltern! mit neuen Ausgaben beschwerlich zu fallen, wenn<br />

ich nicht einsehen würde, daI3 obiges Werk mir jetzt unentbehrlich<br />

sei. Ich bitte Sie daher, mir bald zu antworten.<br />

-<br />

Hr. Prof. Leonhard gibt sich viele MUhe mit mir, so z.<br />

B. gibt er mir öfters Instructionen im Instrumentiren,<br />

worm er sehr geschickt 1st. Letzthin verbesserte er<br />

die Partien der Blasinstrumente an melnem Offertorlum<br />

('Universi, qui te ex ectant...') und sagte, diese Arbeit<br />

sei mir vorztiglich gelungen. Jetzt corrigirt er<br />

mein Quatuor op. IV. -<br />

Bis jetzt habe ich wieder em Miserere zu 8 Stimmen od.<br />

2 Chore - em Stabat mater op. VIII auch zu 8 Singst.<br />

od. 2 ChOre, dann em grol3es 'Vaterunser' in Es-dur zu<br />

ebenfalls 8 Singst. - und wieder em gro8es Praeludium<br />

und Fuga für Hr. Herzog komponirt - alle diese Arbeiten<br />

zeige ich zuvor Hr. Professor Schafhäutl, weicher alle,<br />

vorzüglich aber Sie, Beste Eltern! grüt3en läl3t. -<br />

Letzten Sonntag waren wir wieder in der Menterschwaige<br />

und besichtigten bei Grosshesslohe den Riesenbau der<br />

EisenbahnbrUcke über die Isar. -<br />

Gestern kam Kaiser Franz Joseph hier an. -<br />

Bei dem Industrieausstellungsgebäude werden immerfort<br />

die eisernen Säulen aufgestellt - bereits 1st jetzt das<br />

Bud davon erschienen. -<br />

Jetzt wimrnelt die ganze Stadt von Rekruten. Hat der Toni<br />

meinen Brief erhalten? Die alten Stiefel sind mir jetzt<br />

zu klein geworden, gestern im Iten Abonnementsconcert<br />

drUckten sie mich so, da2 ich bald em mozart'sches<br />

Lied iiberhört hätte - ich muf3 sie deshaib in einen Antiquitatskasten<br />

schicken und em Paar andere machen lassen.<br />

Die Semmein sind jetzt so klein, dat3 ich beim FrUhstUck<br />

oft nicht wei2, ob ich sie schon verzehrt oder<br />

nicht.<br />

Ostern werde ich wohl in Tflrkenfeld zubringen.<br />

Letzthin waren hier 200 Kälte - gewif3 sehr selten. Der<br />

Toni soll mir schreiben, wen bei uns das Los getroffen,<br />

Soldat zu werden, und das Mali soll die cramerschen Etudes


148<br />

spielen. Ich bin Gottlob! inmier wohl, was ich auch hoffe,<br />

dal3 Sie es, Theuerste Eltern! sein werden und urn<br />

was ich Gott tagllch zu bitten ich nie versäume - und<br />

indem ich meine obige Bitte wiederhole und baldige Antwort<br />

erwarte,<br />

verb leibe ich Ihr<br />

dankschuldigster Sohn<br />

Joseph Rheinberger.<br />

NB. Ich bin begierig, ob die liebe Mutter nicht auf das<br />

Osterel vergi8t?!<br />

"An das Wohigeborene Fräulein Lisi Rheinberger in Vaduz,<br />

Per Gelegenheit",<br />

schreibt Josef die folgenden Zeilen:<br />

"Liebe Schwester!<br />

München, den soundsovielten<br />

27 .3. 54<br />

Weil Du es einrnal so haben willst, so ist es so - daIs<br />

ich Dir schreib - und well mir nichts Gescheits elnfallt<br />

so schrelb Ich halt was Dumrns. -<br />

Meinen Narnenstag brachte ich bel Hr. Schafhaeutl zu -<br />

war bei ihm zurn Essen elngeladen, hernach fuhren wir In<br />

die Nenterschwaige (2 Stund von Hier) und tranken unterschiedlichen<br />

Champagner.<br />

Heute ist em trüber Tag, es regnete Vormittags - jetzt<br />

1st es sehr kalt und windig, so daB ich meine gewöhnlithe<br />

Sonntagsprornenade gar nicht machen mag. -<br />

Jetzt ist es in 10 Ninuten 2 Uhr Nachmittags - jetzt<br />

möchte ich em paar Stunden In Vaduz oder sonst wo zubringen,<br />

weil Ich es jetzt langweilig hab. -<br />

Gehst Du alte 'Schnalana' noch in die Sonntagschul??<br />

Was macht die Seffa - ich laB sie herzlich grüf3en und<br />

'sHerrvettersagatli - wenn Du nach Schaan kotnmst. Was<br />

macht der Peter? Der Falkenhausen laBt sich noch nicht<br />

blicken. Was inackt der flavid. und Toni -und das<br />

Nats-cherle<br />

GruB mIr (die) liebe Mutter und sag ihr, ich habe ihr<br />

Geburts oder Naiuenstagsgeschenk schon erhalten und jetzt


149<br />

PhUat na Gott und schriban bald<br />

Eurenem liaba Bruadar<br />

Bebi.<br />

Die Karriere des Musikstudenten wird durch den im folgenden<br />

Brief zum ersten Nai genannten Kontakt zum Munchner<br />

Generaimusikdirektor Franz Lachner entscheidend beeinflul3t.<br />

Rheinberger schreibt:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

München, den 27.3.54<br />

Es freute mich unendlich, aus Ihrem letzten Brief e<br />

(welchen ich mit den 26f 1 empfing), entnehmen zu können,<br />

daf Sie sich alle wohi befinden; Gottlob! ich kann<br />

diesmal auch nur das Ngmliche von mir berichten. -<br />

Hr. Lehrer dhry von Vaduz schrieb mir auch im Laufe dieses<br />

Monats grof3e Neuigkeiten - von denen ich bioss mehr<br />

die Bestätigung erwarte.<br />

Hr. Landesverweser Menzinger soil Hof rat unseres Fürsten<br />

(in Wien) werden??! Ich möchte doch gerne Näheres wissen.<br />

-<br />

Hr. Pfarrer Wolf inger in Vaduz 1st Domherr geworden -<br />

mu2 er sich nun nach Chur begeben? -<br />

Hr. Amtsschreiber Kessler soll in Innsbruck sich bef inden<br />

- von all dem las ich in Ihrem letzten Briefe nichts,<br />

vermutlich ist ersteres nicht wahr. -<br />

Hr. Professor Maier sagte letzten Mittwochs zu mir: er<br />

habe hier einen Freund - welcher elnen Bekannten in der<br />

Umgebung des Fürsten Liechtenstein habe und vieles tiber<br />

ihn vermöge - em Kenner und Freund der Musik sei...<br />

Durch dessen Vermittiung giaubt Hr. Maier nun, mich aufs<br />

Jahr nach. Wien zu bringen, und zwar auf folgende Weise:<br />

Unser regierender FUrst Aloys kennt Hr. Generalmusikdirektor<br />

Lachner persönlich - daher soil ich meine besten<br />

Compositionen ihm (Lachner) vorlegen und urn sein Zeugnis<br />

bitten - welchem Zeugnis dann er (Maier) noch eines (gewiss<br />

kein schiechtes) beifugen würde - so glaubt er -<br />

mü1te ich am ehesten UnterstUtzung bekonznen, und zwar<br />

in Wien, wo ich nach seiner Ansicht hinkommen mUt3te. -<br />

Er sagte -mir, ich solle ja niemand etwas davon sagen


150<br />

(natürlich mit Ausnahme der Eltern, weiche aber gewil3<br />

keinen Gebrauch davon machen). -<br />

Gestern (Sonntags) war ich nachmittags bei Hr. Maier und<br />

handigte ihm meine bessern Compositionen el -<br />

Hr. Professor Naler und Leonhard beraten sich oft wegen<br />

mir und zeigen sich immer meine Compositionen, wenn ich<br />

Einein oder dern Andern sie zeige. Hr. Direktor Hauser<br />

laft mich jetzt in Ruhe und ich ihn auch, jedoch vertritt<br />

Hr. Herzog oft meine Stelle bei ihm.<br />

Hr. Professor Schafhäutl lud mich an meinem Namensfeste<br />

zu Mittag em - wo ich inich mit Hr. Salis-Soglio sehr angenehm<br />

unterhielt - ich wilrde noch mehr schreiben, aber<br />

well Fräulein Lisi Rheinberger auch einen Brief will, so<br />

ist es billig, da2 ich nicht alles verplaudere.<br />

Ich lal alle und besonders Sie, Theuerste Eltern, herzlich<br />

grül3en, und vielleicht bald mehr von Eurem dankbaren<br />

Sohn<br />

Joseph Rheinberger."<br />

Zum Ende des dritten Studienjahres, das Rheinberger In<br />

München verbringt, ergreift sein Lehrer Julius Maier die<br />

Initiative, urn Rheinbergers Vater in Vaduz davon zu überzeugen,<br />

da$ eine Fortsetzung der Ausbildung in MUnchen<br />

unerlElilich 1st.<br />

Er schreibt an Johann Peter Rheinberger:<br />

"Verehrtester Herr!<br />

Als Sie mich im August 1852 mit einem Besuche beehrten,<br />

und mich urn em ZeugniI3 für Ihren Sohn angingen, sprachen<br />

wir von den Möglichkeiten, für Ihren Josef em Stipendium<br />

oder eine UnterstUtzung irgend einer Art zu erlangen,<br />

weil es Ihnen, wie Sie mir sagten, zu schwer fiele,<br />

auf dieses Ihr Kind gegenUber den andern rnehr zu verwenden.<br />

Schon seit Beginn dieses Jahres äu2erte mir Josef,<br />

daB er mit dein Ende des laufenden Schuljahres unsere<br />

Anstalt verlassen müsse.<br />

Josef 1st 15 Jahre alt und (ich sage Ihnen dieB of fen<br />

und mit herzlichster Theilnahme) mit einem so ausgesprochenen<br />

Talente und elner für seine Jugend so Uberraschenden<br />

Fertigkeit, Kühnheit, ja fast männlichen Besonnenheit<br />

aus-gestattet, daB von lhm Glänzendes zu erwarten<br />

1st, wenn seine Studien und Fortschritte nicht unterbro-


151<br />

chen werden, wenn er nicht, bis er mindestens das 18.<br />

Jahr erreicht hat, blo8 der Kunst leben kann. Mül3te aber<br />

Josef vom nächsten Herbst an die schreckliche Laufbahn<br />

betreten, zu seiner Erhaltung irgendwo Privatunterricht<br />

zu ertheilen u. zwar, wie jeder Neuling, urn einen Spottzins,<br />

soinit von Morgens bis Abends, so ware nicht nur<br />

der Erfolg seines schönen Talentes in Frage gestelit,<br />

sondern auch sehr unwahrscheinlich, ob und wann er sich<br />

eine seinem Talente, .seinen .Kenntnissen entsprechende<br />

Stellung erringen könnte. Diese Erwägungen veranla8ten<br />

mir manches Nachdenken darüber, wie man an Ihren Landesberm<br />

gelangen könnte, urn für Joseph elne UnterstUtzung<br />

zu erzielen. So Gott will habe ich den Weg gefunden.<br />

Herr von Schwind (Professor an der Maleracademle hier)<br />

1st em Jugendfreund eines Herrn Alexander Baumann in<br />

Wien und dieser steht in sehr vertrauten Verhältnissen<br />

zu dem künftigen Fürsten von Lichtenstein, Fürst August.<br />

Herr von Schwind hat an Baumann geschrieben und ihn im<br />

Allgemeinen gefragt, ob für Josef etwas zu erwarten sei.<br />

Baumann erwiderte: er werde mit Vergnügen thun, was in<br />

semen Kräften stehe u. hoffe zurn Ziele zu gelangen. Damit<br />

aber der (unmusicalische) FUrst von der Zweckmät3igkeit<br />

der Verwendung Uberzeugt werde, bedUrfe es glanzender<br />

Zeugnil3e, namentlich auch eines von dem hiesigen<br />

weithin berühmten Ceneralmusikdirektor Lachner und überdiel3<br />

em Nachweil3 Uber das Nationale, die Vermögensverhältnisse<br />

etc. von Vater und Sohn.<br />

Ich brachte den Josef zu Hr. Lachner; dieser sah Compositionen<br />

desselben durch u. äul3erte sich mir sehr erfreut<br />

u. erstaunt Uber Talent u. Kenntnisse des jungen<br />

Menschen u. wird Josef em glänzendes ZeugniB ausstellen.<br />

Ebensoiche Zeugnisse besitze ich schon von den Conservator.<br />

Professoren.<br />

Während ich schreibe, habe ich nun auch das Lachnersche<br />

Zeugni1 erhalten und schicke Ihnen samtllche. Wie mir<br />

aus der Antwort des Hermn Baumann hervorgegangen scheint<br />

(entschieden spricht er sich darUber nicht aus) wird er<br />

durch Vermittlung des Fürsten August bei dem regierenden<br />

Fürsten 'urn die UnterstUtzung nachsuchen. Ich wilrde<br />

Ihnen daher rathen, eine Ihre u. Josefs Personal= resp.<br />

Unterthanen= und Vermögensverhältnisse nachwei1ende


152<br />

Eingabe an den Fürsten zu machen, soiche mit den hier<br />

beiliegenden 4 Zeugnissen an errn Alexander Baumann<br />

(Wien, Passauerhof No. 365, 4 Stock) zu schicken, mit<br />

einigen Zeilen, worm Sie sagen Hr. von Schwind hätte<br />

Sie durch mich wissen lassen, da er (Herr Baumann) die<br />

betreffenden Schritte beim Fürsten zu thun sich gütigst<br />

erboten hHtte. Soliten Sie aber Ihre Eingabe direct an<br />

den FUrsten abschicken wollen, so rnut3 ich das ganz Ihrem<br />

Ermessen anheimstellen.<br />

Wundern Sie sich ja nicht, daB ich Ihnen die ganze Sache<br />

in fast aufdringlicher Art gleichsam ins Haus werfe.<br />

Nachdem ich aus Ihrem eigenen Munde weiB, daB Sie<br />

jede Gelegenheit ergreifen woilten, urn für Josef's Ausbildung<br />

einen Zuschul3 zu erlangen, so hielt ich es bei<br />

meiner groBen Vorliebe für Ihren Sohn für Pflicht, die<br />

oben dargesteilte Gelegenheit zu ergreifen u. habe Ihnen<br />

von der ganzen Sachiage erst jetzt bloB darum geschrieben,<br />

urn nicht Zeit zu vergeuden, da ja schon am<br />

15. Juli unser Schuljahr zu Ende ist.<br />

Soliten Sie in irgend einer Beziehung einen Anstand haben,<br />

so bin ich zu jeder Auskunftsertheilung bereit.<br />

Mit dern aufrichtigen, herzlichen Wunsche, es möchte gelingen,<br />

die beabsichtigte Unterstützung für Ihren Josef<br />

zu erlangen,<br />

grüBt Sie hochachtungsvoll<br />

Julius Naier<br />

Professor am Kgl. Conservator.<br />

Schwanthalerstr. No 23<br />

I4ünchen 21. April 54<br />

NB. Herr Bauinann will dahin wirken, daB der Fürst Ihrem<br />

Sohn für 3 Jahre eine Unterstutzung reicht; dahin<br />

würde sich also auch Ihre Eingabe zu äuBern haben.<br />

Oh Sie eine bestite Sune angeben, oder solche der<br />

Gnade des Fürsten überlassen wollen, muB ich Ihrem<br />

besten Ermessen anheimstellen."<br />

Diesem Schreiben lagen die folgenden Zeugnisse bei:<br />

Z e u g n i f<br />

Der Eleve des KönigI. Conservatoriums für Musik


153<br />

tJoseph Rheinberger aus Vaduz'<br />

besucht meine Unterrichtsstunden über Contrapunkt seid<br />

dem Schuljahr 1851. Unterstützt durch em ausgesprochenes<br />

musicalisches Talent & unausgesetzten Eifer & FleiI3,<br />

brachte es der erst i5jahrigeltheinberger in dieser Zeit<br />

zu einer soichen technischen Gewandtheit, dal3 er sich,<br />

selbst in den combinirtesten, contrapunctischen Gestaltungen<br />

mit einer für sein Alter überraschenden Leichtigkeit<br />

& Sicherheit bewegt. Da hiernach von Rheinberger<br />

Glänzendes zu erwarten ist, er aber zur Fortsetzung<br />

seiner Studien keine Mittel besitzt, so halte ich es für<br />

Pflicht ihn zu einer Unterstützung als in hohem Grade<br />

wilrdigzu empfehlen, zumal da Rheinberger mit semen musikalischen<br />

VorzUgen em untadeihaftes bescheidenes Benehmen<br />

verbindet.<br />

ten<br />

Munchen den 14 April 1854 Julius Maier<br />

Vst. Königl. Direktoriuin des Professor am Königl.<br />

Conservatoriums<br />

Bair. Conservatr.<br />

Miinchen 16. April 1854 für Musik<br />

Franz Hauser<br />

Z e u gn i 13<br />

Joseph Rheinberger aus Vaduz,<br />

zur Zeit Zogling des Conservatoriuins für Musik zu MUnchen<br />

ist seid Oktober 1852 bis jetzt dem Unterricht des Unterzeichneten<br />

im Kiavierspiel überwiesen gewesen. In dieser<br />

Zeit hat sich der Genannte sowohi durch em tadelloses<br />

sittliches Betragen überhaupt, als auch im Besondern bezUgllch<br />

des gedachten Unterrichtszweiges durch unausgesetzten<br />

beharrlichen Fleil3, unterstützt von einem Talent,<br />

welches mitletzterem im Einklange steht, fortwährend<br />

ausgezeichnet & somit auch die erfreulichsten Fortschritte<br />

gemacht. Der Unterz. kann ihm daher vorliegendes ehrenhaftes<br />

Zeugni2 nicht versagen & im Interesse seines<br />

Zöglings nur wUnschen, dat3 alle Gönner & Freunde der<br />

Kunst, welche sich im Stande befinden, der Weiterbildung<br />

dieses noch so jugendlichen Talentes, irgendwie förderlich<br />

zu sein, persönlich sich von der Wahrheit des vorstehend<br />

Gesagten überzeugen inöchten.


154<br />

ten<br />

München den 15 April 1854<br />

Vst. Königl. Direktorium des<br />

Conservatoriums<br />

München 16. April 1854<br />

Franz Hauser<br />

J.E. Leonhard, Prof.<br />

Josef Rheinberger aus Vaduz, 15 Jahre alt Schüler im<br />

königl. Conservatorium für Musik, hat sich dem Unterzeichneten<br />

als eine jener seltenen Erscheinungen auf<br />

dem Gebiete der Musik beurkundet, wo sich Entschiedenheit<br />

des Berufs aufs Unzweideutigste ausdrUckt. Theoretisch<br />

u. praktisch durchgebildet leistet er auf dem<br />

Pianoforte u. der Orgel jetzt schon VorzUgliches, namentlich<br />

aber sind es seine Compositionen, die zu den<br />

schönsten Erwartungen berechtigen. Der Unterzeichnete<br />

empfiehlt demnach genannten Rheinberger auf's Wärmste<br />

u. steht nicht an demselben, wenn er in semen Bestrebungen<br />

nicht gehindert wird, das erfreulichste Prognostikon<br />

zu stellen.<br />

München den 21ten April 1854<br />

Franz Lachner<br />

K. General-Musik-<br />

Director."<br />

Auf diesen Brief Maiers, den dieser mit den obenstehenden<br />

Zeugnissen nach Vaduz schickte, ohne daB Josef<br />

Rheinberger selbst Kenntnis von ihrem Inhalt hatte, antwortete<br />

der Rentmeister mit folgenden Zeilen, die nur<br />

in einem Entwurf erhalten sind:<br />

ttwohlgeborener,<br />

verehrtester Herr Professor!<br />

Sie werden mir inein längeres Stillschweigen auf Ihr verehrtestes<br />

Schreiben, welches mir schon am 23. v.M. zukam,<br />

erstheute beantworte und Ihnen für Ihre so warme<br />

Theilnahme an dem Schiksale meines Kindes danke zu gute<br />

halten; wenn ich Ihnen die Ursache hirvon mittheile.<br />

Einige Tage vor dem Einlaufe Ihres Schreibens wurde ich


155<br />

von unserer fUrstlichen Hofkanzelei in Wien verständigt:<br />

dal3 die Bestimmung getroffen worden sey durch eine<br />

fürstliche Buchhaltungs=Comission das hiesige Rentamt<br />

in loco zu untersuchen, und alle ruckstandigen Rechnungsgeschäfte,<br />

die nicht unbedeutend sind, aufarbeiten zu<br />

lassen. Gleich darauf langte die Comission auch wirkliäh<br />

hier an, weiche sich zu meinem Leidwesen vernehmen lief:<br />

daB S. Durchlaucht über meine Rechnungsruckstände (an<br />

denen ich ubrigens nlcht allein Schuld trage) sich sehr<br />

ungndig ausgesprochen haben sollen. Aus dem Ganzen mag<br />

ich wahrnehmen, daB ich gegenwärtig nicht in Gnaden<br />

stehe. Will aber auchzuglekhzu Gott hoffen: daB sich<br />

dieses trübe Gewitter bald verziehen, und uiir wieder<br />

Sonnenschein werden wird.<br />

Unter diesen Uinständen werden Eure Wohlgeboren die Ansicht<br />

mit mir thei'len: daB es in dem gegenwärtigen Moment<br />

nicht gerathen sein dürfte mich in Gnadensachen weder<br />

direkt noch indirekt an den FUrsten zu wenden, sondern<br />

solange zu warten zu sollen bis sich die Verhältnisse<br />

wieder gilnstiger herausstellen werden, wofür ich alle<br />

Hoffnung babe. Ich behalte also die von Ihnen für melnen<br />

Sohn Joseph gütigst besorgten Zeugnisse bis dahin,<br />

und bis zu jenem Zeitpunkte zurück, wo ich mit und durch<br />

dieselben, so Gott will das gewünschte Ziel zu erreichen<br />

hoffe.<br />

Indem ich Ihnen nun verehrtester Herr Profef3or! für Ihr<br />

liebevolles Wohlwollen das Sle meinem Kinde bisher geschenkt,<br />

überhaupts, dann aber insbesondere für Ihre<br />

letzteren inehr als väterlichen Sorgen und BemUhungen<br />

mit gerührtem Herzen danke, erlaube ich inir noch die<br />

Bitte anzufugen, womit Sie ihm auch für Zukunft gleich<br />

zugethan blelben, und ihin Ihren Rath nie entziehen<br />

wollen.<br />

In welch tröstender Erwartung sich hochachtungsvoll<br />

zeichnet und empfiehlt<br />

Euer Wohlgeboren<br />

(Johann Peter Rheinberger)"<br />

Das vorstehend wiedergegebene Dokument 1st nicht näher<br />

datiert.Da13 Maier dieses Schreiben erhalten hat, geht<br />

aus seinem Schreiben vom 10. Juni 1854 hervor.


156<br />

Die Fragen der materiellen Sicherung seines Lebensunterhaltes<br />

und der Fortsetzung seiner Studien in München beantwortet<br />

Rheinberger sehr eindrucksvoll mit der Intensität<br />

seiner Produktivität als Komponist in dieser Zeit.<br />

Es scheint geradezu als wolite er dokumentieren, wie sinnyou<br />

alle weiteren Aufwendungen für seine Ausbildung angelegt<br />

werden können.<br />

So entstehen vor dern Hintergrund einer ungewissen Zukunft<br />

des l5jährigen Studenten in der ersten Hälfte des Jahres<br />

1854 folgende Werke:<br />

em Streichquartett in F-dur, JWV 6; das "Sanctus" für<br />

sechs Singstimmen, JWV 8b; das "Capriccio in E-dur", JWV 9;<br />

"Praeludium und Fuge in D u. e" für die Orgel, JWV 10 u. 11;<br />

em "Miserere für Doppelchor und Orgel", JWV 11 und das "Stabat<br />

mater", JWV 12.<br />

Diese Werke legte er auch u. a. Lachner vor. Man versteht,<br />

daB ihn der Inhalt der diesbezüglichen Zeugnisse interessiert.<br />

Darüberhinaus ninimt er aufgeschlossen Anteil an<br />

den Sorgen der Eltern in Vaduz, deren Ursache ihm of f ensichtlich<br />

unbekannt 1st.<br />

"München, 29.4.54<br />

Theuerste Eltern!<br />

Aus Ihrem letzten Briefe ersah ich mit nicht wenig Kummer,<br />

daB Sie so vielein Verdrul3 'irnd Unannehmlichkeiten<br />

ausgesetzt seien - ach! Gott weif3 es, wie sehnlichst ich<br />

wünschte alle diese schmerzlichen Eindrücke von Ihnen,<br />

bester Vater! ferne zu halten, wenn es mir möglich ware -<br />

doch will ich gewiI3 befleiBen, daB Sie von -air nie Kummer<br />

erleben werden. Ich würde den Peter oder David daher bitten,<br />

mir em Näheres zu schreiben, indein ich darob nicht wenig<br />

erschrocken bin, und -air im -mindesten nichts erklären<br />

konnte. -<br />

Auf Ostern war ich diesmal nicht in TUrkenfeld - denn<br />

gab -mir Hr. Prof. 1Iaier die ganze Vakanz hindurch<br />

tJnterricht,<br />

sagte Hr. Herzog, daB er -mich die Osterferien hindurch<br />

nicht entbehren könne, well es so -viel Orgel zu spielen<br />

gab (z.B. Grundonnerstag ii. Charfreitag von 8 - 11<br />

unausgesetzt),


157<br />

3. liei3 mich Hr. Schafhäutl nicht fort, indem er sagte:<br />

andere Musiker reisen auf die Charwoche hierher,<br />

urn die grotartigen Produktionen zu hören, indem<br />

ich fortginge.<br />

Ich habe mich bei Hr. Wolf inger schon entschuldigt.<br />

Doch nun die Hauptsache:<br />

Meine Zeugnisse, von denen ich nichts zu Gesicht bekam<br />

- werden in Vadutz angekommen sein - jenes von Hr. Generalmusikdirektor<br />

Lachner ward nicht ieicht verdient:<br />

ich ging nämlich bin, meine Compositionen unterm Arm,<br />

zeigte sie ibm (er war sehr freundlich, ich etwas schüchtern)<br />

und indem er alles genau durchsah (ich war 2 voile<br />

Stunden dort) ftxirte er mich öfters scharf - sagte haiblaut<br />

vor sich: 'Viel Talent, groBen FleiB' und 'Sie sind<br />

auf einem guten Wege, ich werde thun, was in meinen Kräften<br />

steht', dann muBte ich ihm meine groBe F-moli Fuge<br />

zu 3 Thema vorspielen, weiche er aul3erordentlich lobte.<br />

Dann muBte ich ihin versprechen, so oft ich etwas compoflirt<br />

habe, zu ibm zu kommen. Als ich mich für's Zeugnit3<br />

bedankte, stelite er mich einigen Freunden vor mit den<br />

Worten 'Sehen Sie, das 1st mein kieiner Vaduzer Compositore'.<br />

Ich möchte doch wissen, wie das Zeugnis lautet: wenn man<br />

mir es schreiben würde, indem ich es hart verdient babe.<br />

Den Vorwurf, daB ich Hr. Schafhäutl noch nichts davon gesagt<br />

habe, verdiene ich nicht, indem mir Prof. Maler verboten<br />

hat, jemand etwas zu sagen.<br />

Das- Neueste 1st mein Offertorium op. IX, was Hr. SchafhHutl<br />

ais meine beste Composition erklärte - doch jetzt<br />

konime ich zu spat in die Kiavierstunde, muB abbrechen<br />

und verbleibe<br />

Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rbeinberger."<br />

Am gleichen Tag wie den vorhergehenden Brief schrieb<br />

Rheinberger noch an semen Vater:<br />

Theuerster Vater!<br />

Eben, als ich den Isten Brief auf die Post trug, begegnete<br />

mir Hr. Prof. Maier und sagte: ich solle Ihnen unverzuglich<br />

schreiben, daB Sie die Eingabe nebst Zeugnissen


158<br />

sogleich nach Wien schicken sollen, well der FUrst zur<br />

Vermählungsfeier des Kaisers von Slavonien eigens nach<br />

Wien gekommen und bald abreisen werde - dal3, wenn Sie<br />

die Eingabe nicht an Canzleidirektor v. Baumann schicken<br />

wollten, es an S. Durchl. selbst schicken, jedoch v. Baumann<br />

davon benachrichtigen sollen, weil er die Sache leiten<br />

will. -<br />

Hr. Professor Maier lass sich empfehlen. Was macht die<br />

liebe Mutter? und der Toni? David und Peter - sie sollen<br />

mir wieder einmal schreiben. Soeben hat mir Hr. Herzog<br />

den Probedruck der inir gewidmeten Orgelstiicke gezeigt<br />

- bis 14 Tag werden sie öffentlich erscheinen. Ich<br />

bin Gottlob! immer gesund - was ich auch von Ihnen hoffe.<br />

Ihr dankschuldigster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

Dem Mali, Seffa und Lisi meine Grtif3e u. allen Bekannten."<br />

Zu dieser Zeit trifft Rheinberger den Tiroler Komponisten<br />

Matthäus Nagiller in ?{ünchen bei einem Konzert wieder,<br />

das im Ntinchner Punsch mit folgenden Zeilen angekündigt<br />

ist:<br />

"Der GriJnder und Direktor des Pariser Mozart-Vereines<br />

Hr. Nagiller, durch seine im vorigen Jahre dahier in der<br />

Ludwigskirche aufgeführte grol3artige Messe noch in frischem<br />

Angedenken, veranstaltet tiber 8 Tage im grol3en<br />

Odeonssaale unter Mitwirkung der k. Hofkapelle und eines<br />

tüchtigen Sängerchores em Vokal- und Instrumentalkonzert<br />

von ausschlie8lich eigenen Kompositionen, darunter<br />

eine Sinfonie in c-moll (in Paris und Berlin mit grol3em<br />

Beifall wiederholt), Göthe's Lied 'Kennst Du das Land'<br />

und eine Ouvertüre in D."<br />

In seinem folgenden Brief kommt Rheinberger auf das Wiedersehen<br />

mit dem Mann, der sich 5 Jahre zuvor für seine<br />

musikalische Fachausbildung verwendet hatte, zu sprechen:


"Theuerste Eltern!<br />

159<br />

Ntinchen, den 29.5.54<br />

Es freute mich unendlich, aus Ihrem letzten Briefe<br />

(den ich sammt beiliegenden 26 fi letzten Samstag empfing)<br />

entnehmen zu k6nnen, daB Sie sich wohi und zufrieden<br />

befinden. Jedoch befreindete mich Ihr Stillschweigen<br />

ilber 2 Dinge sehr, nämlich wegen jener unangenehinen<br />

Commission und wegen meiner Märsche - solite<br />

sie Peter denn nicht erhalten haben? - was mir sehr<br />

unlieb ware. -<br />

Es freute mich auch, daB wir nun keine Kuhschellen von<br />

Glocken mehr haben. Hr. Pfr. Wolf inger, dachte ich, habe<br />

sich wegen dem Fis-ton, wenn nicht ganz unrichtig,<br />

doch etwas stark ausgedrückt - allerdings hat Fis-dur<br />

nicht das Erhabene des C - das Feierliche des Es - das<br />

Freudige des D, oder das Fromme des A dur-Akkordes,<br />

sondern etwas Düsteres, ingstliches in der Klangfarbe<br />

- jedoch hat nicht der blol3e Fis-dur Akkord das Verzweiflungsvolle,<br />

sondern das Verzweiflungsvolle läBt<br />

sich in Fis-dur leichter ausdrUcken, als in manchen<br />

andern Tonarten. -<br />

Seien wir indessen froh, daB wir nun doch (gegen friiher)<br />

eine Tonart haben (dies ist schon em Zeichen des Fortschrittes,<br />

es ware gut, wenn manches in Liechtenstein<br />

nur ei n e Tonart hätte, wenn's für jetzt auch Fisdur<br />

ware). -<br />

Das Konzert Nagillers hat gröl3tenteils sehr gefallen,<br />

mir auch. Er kam mit Hr. Maier auf mich zu reden, ohne<br />

zu wissen, daB ich hier sei, dann lieB er mich einladen,<br />

ich kam hin - und plauderte so manches. Er ist noch hier.<br />

- Sehr interessant sind die neu erfundenen Instrumente<br />

von Kaufmann aus Dresden, als Orchestrion, Symphonion<br />

und Chordanlodion. -<br />

Gestern im Theater (Wasserträger von Cherubini) sagte<br />

mir Hr. Prof. Schafhäutl, der alle schön grüBen läBt -<br />

es sei em Industriegegenstand von Liechtenstein eingetroffen,<br />

und zwar OFENRöHREN, (ich erriet gleich, die<br />

mül3ten von TonkUnstier Schaedler sein, ohne Zweifel bekomint<br />

er die goidne Nedaille).<br />

Der Peter soll mir bald schreiben, was es mit den Marschen<br />

ist. -


160<br />

Auf Pfingsten werde ich, wenn schön Wetter, nach Türkenfeld<br />

fahren. Der Toni lasst nichts von sich hören.<br />

Der Industriepalast ist fertig, beiliegend das Bud.<br />

Der Peter mul3 koinmen, sonst geh ich nicht nach Hause.<br />

Ich freue mich kindisch, ihn zu sehen und dann bald<br />

Ihnen Beste Eltern! mUndlich die Versicherung zu geben,<br />

wie sehr ich bin<br />

Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger."<br />

tJber die im vorstehenden Brief erwähnten Ka'ufmannschen<br />

I4usikautomaten hatte Schafhäutl in der Neuen Münchner<br />

Zeitung Nr. 118 voin 18. Mai 1854 einen Aufsatz geschrieben<br />

und sich "über ihren hohen Werth auf's rühmendste<br />

geäul3ert".<br />

Der "Punsch" schrieb i-ni "Artistisch-Literarischen Theil"<br />

seiner Ausgabe -vom 14. Mai 1854:<br />

"Nächsten Nontag (d. i. 15.5.1854) findet un gro8en<br />

Odeonssaale em interessantes Conzert von elnem leblosen<br />

Orchester statt. - Der l4usiker und Nechaniker Kaufmann<br />

aus Dresden, der sich schon zur Zeit der Industrie-<br />

Ausstellung in London am englischen Hofe mit semen<br />

Kunstwerken produzirte, wird an jenem Abende seine Instrumente<br />

spielen lassen. Die Krone derselben ist das<br />

grol3e Orchestrion, das em vollständiges Musikcorps ersetzt,<br />

und mit semen Trompeten, Pauken, Troinmein, Kiarinetten<br />

und Flöten die schwierigsten Compositionen ausführt,<br />

und sogar die Crescendo's, Ritardando's, kurz die<br />

feineren Nuancen vernehmen l!3t. Das conzertgebende N5bel<br />

hat die OuvertUren zur 'Stuinmen', zu 'Frau Diavolo',<br />

Variationen aus 'Robert' u.s.w. auf sein Repertoire gesetzt."<br />

Rhemnbergers Eltern in Vaduz hatten 1854 em schweres<br />

Jahr zu überstehen.<br />

In dieser Zeit war Rheinbergers Vater grundlos in den<br />

Verdacht gekommen, den fürstlichen Weinkeller veruntreut<br />

zu haben. Eine Revision von allerhbchster Stelle<br />

deckte schlie2lich auf, daB die entstandenen Verluste<br />

auf em defektes FaB zurückzuführen waren.<br />

Rheinberger in l4Unchen nahin an dieser Sache, die den<br />

Vater sehr bedrückte, -mitfUhiend Anteil.


161<br />

Auch 1st nicht zu übersehen, daf Johann Peter Rheinberger<br />

sich dutch diese Belastung, die seine Existenzgrundlage<br />

zu bedrohen schien, aul3erstande sah, der weiteren Ausbildung<br />

seines Sohnes in München die Wege zu bereiten.<br />

Vor der Sommerpause wendet sich Rheinbergers Kontrapunktlehrer<br />

Maier noch einmal an Johann Peter mit folgendem<br />

Brief:<br />

"Verehrtester Herr Rentamtmann!<br />

Ihr verehrliches Schreiben hat mich recht betrUbt, indem<br />

die Stipendiumsangelegenheit für Joseph nun auf einlge<br />

Zeit verschoben wird.<br />

Hoffentlich werden Sie recht bald von der lastigen Revision<br />

befreit werden und dann die Sache betreiben können.<br />

Soliten Sie in dieser Angelegenheit irgend weiche Auskunft<br />

oder BeihUlfe wünschen, die in meinen Kräf ten steht, so<br />

rechnen Sie sicher auf mich: ich halte es für Pflicht,<br />

für Josephs Fortkommen alles mir Nögliche zu thun!<br />

Solite es Ihnen mbglich werden, Joseph nach Ablauf dieses<br />

Schuljahres (Juli) noch etwa 1/2 Jahr oder gar 1 Jahr hier<br />

zu lassen, so würde das für seine Laufbahn von dem unberechenbarsten<br />

Vortheil sein.<br />

Er wird dieses Jahr mit dem sogen. Schulunterricht fertig;<br />

es ware aber nun unerlHl3lich nothig, daB er unter den Augen<br />

eines tUchtigen ehrsamen Meisters gröBere Compositionen<br />

entwirft und durchbildet (dazu hat er hier bei Professor<br />

Leonhard und bel Generalmusikdirector Lachner Gelegenheit)<br />

und diese theilweil3e auch hören kann.<br />

Ebenso nothig ist ihm gerade jetzt das häufige Anhören<br />

guter Musik. Ersteres beides ist ihm hier möglich und ich<br />

bin überzeugt, daB sich Hr. Generaldirector Lachner sehr<br />

für ihn interessiren wird.<br />

Soilte aber Joseph unmittelbar nach SchluB dieses Schuljahres<br />

genothigt sein, in Vaduz Unterricht zu ertheilen,<br />

so 1st, ich mu2 Ihnen das wiederholen, seine künstlerlsche<br />

Zukunft sehr in Frage gestelit.<br />

Hit dem aufrichtigen Wunsche, Sie möchten diese Zeilen nur<br />

meiner herzlichen Theilnahme für Ihr Kind zuschreiben,<br />

grül3e ich Sie.<br />

Ihr ergebenster<br />

Julius Maier. Munchen,1O. Juni 1854


162<br />

Rheinberger selbst meldet zwei Tage später nach Hause:<br />

tTheuerste Eltern!<br />

München, den 12.6.54.<br />

Weil ich jetzt gerade einige MuIe habe, weiB ich nichts<br />

Besseres zu thun, als wieder em paar Zeilen nach Hause<br />

zu richten. -<br />

Freitag vor Pfingsten nahm ich auf em paar Tage Urlaub,<br />

ging oder fuhr nach Türkenfeld, wurde sehr freundlich aufgenommen,<br />

blieb bis Dienstag früh, wo Hr. Wolf inger sich<br />

mit mir nach Seefeld begab.<br />

Hr. Oehry kannte mich im Anfange gar nicht mehr, so sei<br />

ich gewachsen (wenns wahr war). Nachmittag hatte ich die<br />

Ehre, dem Graf en sowie der Gräf in und Mama Cv. Gumpenberg)<br />

vorgesteilt zu werden. Ich war etwas Hngstiich, aber sobald<br />

ich das Klavier erblickte, so wars vorbei - spielte<br />

mehrere briliante Stücke aus dem Kopfe, und sonderbar,<br />

eine meiner Compositionen hattedie Ehre, am besten zu gefallen,<br />

ohne da sie es wul3ten, daB es von mir sei. Frau<br />

Gräf in ist gut musikalisch, legte mir Verschiedenes vor,<br />

und so spielte ich voile zwei Stunden; dann brachte die<br />

Gräf in em Tässchen Kaffee.<br />

SpHter spielte ich auch beim Sekretar des Graf en, der legte<br />

mir em Concert von Herz vor und sagte nur 'na, s'is<br />

aus, das vom Blatt zu spielen, s'is aus'....<br />

Freitags früh kam ich wieder hieher. -<br />

NHchstens werde ich mit einer 'Oper' beginnen, wozu mich<br />

Hr. Prof. Schafhäutl ermunterte.<br />

Wie ist's denn mit den Märschen? Peter soll mir nochmai<br />

schreiben for er kotmnt. -<br />

Jetzt ist's Papier wieder gar und ich wiiBte noch so viel.<br />

Lebt wohi, Theuerste Eltern und Geschwister,<br />

bald mündliches von Eurem Sohn und Bruder<br />

Jos. Rheinberger."<br />

Die Schwestern erhalten folgende mundartlich gefärbte<br />

Zeilèn:<br />

"Am Matscherle, Lisi, der Muatter und der Seffa a Briafle<br />

von München. Am Matscherle! 0 noch as Brief le.<br />

I muaB doch noch luaga was s' Matscherle noch ails thuat,<br />

denn es hHtt mer scho lang nUmma gschreba. Duast fliBig<br />

Tholätera 'schlaga' und net rEra dabei? Was duat den s'<br />

Lisi dem muaB i oh noch schriba.


163<br />

Lise! warum hast du mir nicht mehr geschrieben, ihr habt<br />

ja doch mehr Zeit als ich, und ich hab es so gem, wenn<br />

man mir schreibt, als ihr. Wenn ich diel3 Jahr zu Hause<br />

komm und du wieder in der Alp bist, so paa auf, dann gehe<br />

ichauch schnurstracks hinein und bleib bei dir, so lange<br />

du kochest.-<br />

Letzte Tage war ich in Türken- und Seefeld, hab der grflichen<br />

Familie vorgesptelt, jetzt 'gibts in Seefeld bald<br />

a jungs Gräfle.'<br />

Redet dem Peter doch zu daI3 er auf die Industrieausstellung<br />

gewil3 kommt.<br />

tSesseledadm? für die liebe Mutter und Seffa.<br />

Aber die Federa got nümma, und i mag o nürnma meh.<br />

Gott befohla! Jos. Rheinberger."<br />

Julius Maier hatte inzwischen in MUnchen einige Mäzene<br />

zur Sicherung der weiteren Ausbildung des jungen Musikers<br />

gefunden. Er berichtet darüber nach Vaduz an Rheinbergers<br />

Vater:<br />

Geehrter Herr Rentarntmann!<br />

Vor etwa 14 Tagen schrieb ich Ihnen, mit der Bitte urn<br />

baldgefällige Antwort. Da ich inzwischen keine erhielt,<br />

mu ich befürchten, daf3 Sie den fraglichen Brief garnicht<br />

erhalten haben und schreibe Ihnen daher dasselbe noch<br />

einmal.<br />

Davon ausgehend, daB es für Ihren Joseph sehr schlimm wäre,wenn<br />

er jetzt schon München unwiderruflich verlassen<br />

müBte, habe ich mit Herrn von Perfall, der mir zuerst<br />

ihren Sohn vor 3 Jahren empfahl, gesprochen. Dieser hat<br />

sich erkundigt ünd das Resultat unserer Bemühungen ist<br />

das: Herr Director Lachner, von Perfall, eine Familie<br />

von Lerchenfeld etc. sind geneigt, für den Fall Sie einen<br />

langeren Aufenthalt Joseph's in München nicht erschwingen<br />

könnten, Ihren Sohn zu unterstützen . Doch müBte<br />

den Genannten zuerst in bestimmter Zahl gesagt werden<br />

können, wieviel Sie als maximum, für das nächste Jahr<br />

Ihrem Joseph zukommen lassen könnten, und das Uebrignöthige<br />

würde durch freiwilligbeitragende Familien lelcht<br />

gedeckt.


164<br />

Von Perfall, der den Damengesangverein hier dirigiert,<br />

will den Joseph nächsten Winter als Begleiter am Clavier<br />

anstellen, natürlich gegen em honettes Honorar, wodurch<br />

Joseph bekannt wird u. Gelegenheit erhält, sehr Viel zu<br />

lernen.<br />

Ich bitte Sie nun, mir sobald wie Ihnen immer möglich,<br />

zu wissen zu thun, wieviel Sie im nHchsten Jahr zu einem<br />

Aufenthalt Josephs in München beisteuern können. Sobald<br />

ich diese Ihre Antwort babe, werde ich die Familien, welche<br />

meinem Vorschlage bereitwillig entgegenkommen, davon<br />

in Kenntni8 setzen und dieselben schriftlich urn eine bindende<br />

ErklHrung bitten, wieviel sie monatlich zu Joseph's<br />

fernerer Ausbildung beisteuern woliten. Sobald ich das<br />

beisanimen hätte, wUrde ich Sie zu Ihrer Beruhigung davon<br />

in Kenntnif3 setzen.<br />

Mit der wiederholten Bitte, wie in meinen frtiheren so<br />

auch in diesen Zeilen nur meine herzliche Theilnahme für<br />

Ihren Sohn, meinen aufrichtigen Wunsch, ihm semen Weg<br />

zu erleichtern, zu erblicken<br />

zeichne ich mit gröl3ter Hochachtung<br />

Ihr ergebenster Julius Maier<br />

Schwanthalerstra8e No. 26<br />

München 7. Juli 1854."<br />

Rheinbergers Vater antwortet auf dieses Schreiben<br />

Wohlgeboren,<br />

verehrtester Herr Professor!<br />

"Vaduzden 9. Juli 1854<br />

mr letztes mir sehr geschätztes Schreiben 1st mlr am<br />

l2ten vorigen Monats zugekommen. Soliten Sie mir seit<br />

dieser Zeit wiederholt geschrieben haben, dann ware mir<br />

dieses Ihr Schreiben wirklich nicht zu Handen gekommen.<br />

Für jeden Fall mu8 ich recht sehr urn Vergebung bitten,<br />

da8 ich mit der Beantwortung des gedachten erhaltenen<br />

Schreibens so lange zögerte. Mein älterer Sohn Peter,<br />

welcher sich entschlol3en hat, semen Bruder nach geschlossener<br />

Schule von MUnchen abzuholen, wollte der<br />

Ueberbringer der Antwort sein, und Ihnen verehrtester<br />

Herr Professor in meinem Namen mUndlich den innigsten<br />

Dank auszudrüken für die so warme und väterliche Theilnahme<br />

die Sie an dem Schiksale meines Sohnes Joseph nehmen,<br />

und ferner zu nehmen willens sind. Möchte ich


165<br />

einstens in die Lage kommen Ihnen meinen tiefgefühlten Dank<br />

werkthätig erzeigen zu können!!-<br />

Für jeden Fall wird gedachter mein Sohn Peter, vielleicht<br />

einen Tag nach dem Einlauf dieses Schreibens in MUnchen<br />

eintreffen, und sodann mit Ihnen alles Erforderliche meinen<br />

Sohn Joseph betref fend mündlich besprechen. Schon aber<br />

in vorhinein mu! ich inir die Bemerkung erlauben da ich<br />

fUrs nächste Jahr für ineinen Musikanten Joseph mehr als<br />

200 fi nicht aufzubringen und zu verwenden im Stande sein<br />

werde, und diese nur schwer; für jeden Fall aber niöchte<br />

ich ihm diese Summe zusichern.<br />

Indem ich nun das Weitere Ihrer lieben FUrsorge anheim<br />

stellen mul3, erlaube ich mir schliBlich nur die Bitte anzufUgen:<br />

daB Sie meinein Sohn Joseph Ihr einmal geschenktes<br />

Wohlwollen nie wieder entziehen wollen. In welcher angenehmen<br />

Hoffnung sich Ihnen hochachtungsvollst<br />

empfiehl t Euer Wohlgeboren<br />

dankb ars ter Freund J. P. Rheinberger<br />

Rentmeis ter<br />

Pfarrer Wolf inger unterstUtzt das Vorhaben, Josef Rheinberger<br />

zur weiteren Ausbildung in München zu belassen:<br />

TUrkenfeld, den ilten July 1854<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Hochzuverehrender Herr Vetter!<br />

Mit groBem VergnUgen nehme ich mit die Ehre Ihnen von den<br />

ausgezeichneten Fortschritten Ihres Herrn Sohnes Pepi Kunde<br />

zu geben, weiche derselbe in semen musikalischen Fächern<br />

letztere Tage wieder gemacht hat. -<br />

Die Resultate der bereits geendeten PrUfung sind tiberaus<br />

glHnzend, und die Herren Professoren sprechen voll ehrender<br />

Anerkennung Uber die ausgezeichneten Leistungen des<br />

jungen Mozarts. Von vielen Seiten wird auch deshalb der<br />

Wunsch geäuBert, Pepi noch im Juli in MUnchen zu sehen,<br />

urn ihn dann nach dieser kurzen Zeit als vollendeten Virtuosen<br />

mit urn so gröBerer Freude in die Vater-Arme zu<br />

entlassen.<br />

Diesen Wünschen so gut sie gerneint, konnte ich nicht zu-


166<br />

sagen indern ich meinen Zweifel Uber Ihre väterliche Zustimmung<br />

zu erkennen gab, - von wegen den alizu gro2en<br />

Auslagen etc..<br />

Hierauf gaben rnehrere gute Freunde u. Gönner ihre Augerung<br />

dahin ab, mit meiner Mithilfe, - zur Bestreitung der<br />

Kosten für nächstes Jahr einen narnhaf ten Theil beitragen<br />

zu wollen; so da1, wenn Hochzuverehrender Herr Papa uns<br />

noch circa 100 fi zurn Opfer zu bringen sich bereit erkläre,<br />

für das Ubrige bier eingestanden, d.h. alle vorkommenden<br />

Mebrauslagen vollstandig gedeckt werden sollen. -<br />

Herr Vetter! Was sagen nun Sie dazu!! In solcher Weise<br />

glaube ich an Ihrer Zusage gar nicht mehr zweifeln zu<br />

dUrf en - u. ich beeile mich urn so rnehr Sic von diesem<br />

Proj ekte in Kenntnif3 zu setzen. Die noch von Ihnen aus<br />

zurn Opfer bringenden 100 fi werden wirklich nicht zu ermessende<br />

Siege tragen, narnentlich weil Pepi, wie darauf<br />

angetragen werden wird - zu dern berUhmten Componisten und<br />

K. Capeilmeister Lachner zu konirnen das Glück haben wird.<br />

Herr Vetter! wollen Sie hierüber mir gefälligst so bald<br />

rnöglich Ihre Erklärung zugehen lassen, urn die hierauf bezüglichen<br />

Schritte welter verfolgen u. zu Gunsten des guten<br />

Pepi realisieren zu können.<br />

Soliten Sie, oder Herr Peter mich diesen Herbst mit angenehrnem<br />

Besuche beebren, so würde es mich wohi herzlich<br />

freuen, das Vergnugen haben zu können Sic nach München zur<br />

Industrie-Ausstellung begleiten zu können, - denn auch<br />

Liechtensteins Ehre 1st da gerettet und glänzend vertreten.<br />

Inzwischen rnit 1000 Grül3en und Einladungen Ihrer RUckäusserung<br />

entgegen sehend zeichnet<br />

Nit ausgezeichneter Hochachtung u. Verehrung<br />

Euer Hochwohlgeboren<br />

ergebst. J.T Wolf inger, Pfr.<br />

N.S. Falls Sic es für geeignet ersehen, bitte ich von diescm<br />

Projekte wegen Pepi Ihrein Titl. Herrn Schwaer Cangiet<br />

Notiz zu geben - ich zweifle nicht an seiner Zustirnmung,<br />

und an - - - -<br />

Besondere Empfehlung bitte ich auch Titl. Hr. Curat-<br />

Canonico Wolf inger daselbst zu vermelden."


167<br />

Rheinbergers Quartierleute in München melden Perspektiyen<br />

und Anspruche an, die kaum geeignet erschienen, den<br />

Vater des Musikstudenten für elnen weiteren Aufenthalt in<br />

der bayerischen Kunstmetropole zu bewegen:<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Mitten in den Drangsalen einer ernsten und bedrängten Zeit,<br />

in weicher der Herr die Schalen selnes göttllchen Zornes<br />

ilber die Erde ausgegossen hat, wo er auch über unserer<br />

Stadt die Geisel einer heilsarnen Züchtlgung schwang, wage<br />

ich es, Sie mit meinen Zellen zu belastigen, gleichsam urn<br />

darin einige Beruhigung zu finden. -<br />

An mir und meiner Familie 1st der Würgengel vorflbergegangen,<br />

ohne uns zu beschädigen, aber viele mir theure Freunde<br />

hat er hinweggerafft. Ich machte von dein Mittel Gebrauch,<br />

das unser erhabener Oberhirt semen Diözesanen anempfahl,<br />

nämlich der leidigen Cholera em gutes Gewil3en, Vertrauen<br />

auf Gottes Barmherzigkeit und Ergebung in semen hell. Willen<br />

entgegenzusetzen - und - Gott sey gelobt - ich schlief<br />

so ruhig wie zuvor.<br />

Bereits hat diese Pest in München und Umgebung seit iten<br />

August 2000 Menschen dahingerafft, und nun fängt sie an abzuziehen.<br />

Seit vorgestern kahmen die Vogel wieder zurück<br />

- das 1st em Beweis, daB die Luft wieder rein 1st; denn<br />

den ganzen Monat August sah man bier keinen Vogel mehr.<br />

Vorgestern war auf dem Hauptplatze an der Mariensäule em<br />

Bittamt urn Abwendung dieser Plage, und die Mutter der Barmherzigkeit<br />

scheint unser Flehen erhOrt zu haben, well die<br />

Sterbefälle nun bedeutend im Abnehmen sind. -<br />

In der Anlage Ubermache ich Ibnen aus Auftrag des Herrn Dr.<br />

Beer die Rechnung desselben in Bezug auf die Krankheit des<br />

Pepi im vergangenen Winter. Ich glaubte zwar, daB Hr. Profef3or<br />

Schafhäutl dieselbe schon langst bezahlt haben werde,<br />

und begab mich deBhalb zu ibm, wo ich im Verlauf der<br />

Rede Erwähnung that von dieser Rechnung, aber er sagte<br />

nichts daB er sie bezahlen wolle, und meines Wissens versprach<br />

er es doch dem Pepi, daB er den Dr. bezahien<br />

wolle. -<br />

So viel mir Ihr Herr Sohn, der Lieutnant gesagt hat, wird<br />

Pepi noch em Jahr nach MUnchen kontmen.<br />

Wenn nun das der Fall seyn wird, so bitte ich Sie jetzt<br />

in meiner BedrängniB, mir wieder elnen Vorschuf3 von em-


168<br />

hundert Gulden zu überschicken, und ich gebe Ihnen die<br />

aufrichtige Versicherung, sobald die Lébensmittel-Preise<br />

wieder zuruckgehen, daf3 ich den Pepi auch billiger behalten<br />

werde. Bis jetzt ist nur der Getreidepreis etwas gewichen,<br />

alle andern Lebensmittel aber stehen noch sehr<br />

hoch, namentlich Fleisch und Gemüse, und das Bier.<br />

Ich sehe es wohi em, dal3 esfür Sie eine furchtbare Last<br />

ist, kann Ihnen aber auf Ehre und Gewil3en versichern, dal<br />

wir von Pepi nicht einen Kreuzer Gewinn hatten, abgesehen<br />

von der Wäsche u.s.w. die er gleichsam gratis erhielt. -<br />

Die furchtbare Theuerung im vergangenen Jahre hat mich in<br />

meinem Haushalte weit zurückgeschlagen, und dazu der enorme<br />

Hauszins von 130 f 1.<br />

Noch einmal bitte ich Sie recht instHndig, mich in dieser<br />

BedrängniB nicht zu verlassen, oder mir wenigstens<br />

umgehend zu wissen zu thun, ob wir das Ziimner für Pepi<br />

bestimmen oder anderwärts verfügen sollen. -<br />

Hätten wir immer Fremde gehabt, wie am Anfang der Industrie-<br />

Ausstellung, so hätten wir den Zins leicht herausgeschlagen,<br />

so aber haben wir seit dem 2ten August keinen Menschen<br />

mehr bekommen, und so gehts allenthalben. Es ist em fürchterliches<br />

Elend dahier, und der Jammer grenzenlos.<br />

Man schätzt hier Jeden glücklich, wer nur der Krankheit<br />

auskam, und es 1st auch em Glück.<br />

In der angenehmen Hoffnung, keine Fehibitte gethan zu haben,<br />

verbleibe ich.<br />

Euer Hochwohlgeboren! ergebenster Freund<br />

Joh. Ev. Perstenfeld<br />

MagistratsfunktlonHr.<br />

München, den 30ten August 1854."<br />

Johann Georg Herzog, Rhemnbergers Orgellehrer, der im<br />

Herbst 1854 NUnchen verlief3 und nach Erlangen ging, spricht<br />

in seinem Abschiedsbrief an semen bedeutendsten Schüler<br />

die wesentliche Perspektive an, die Rheinberger in München<br />

fehite: die künstlerisch-schöpferische Kompetenz seiner<br />

Lehrer am kgl. Bayerischen Konservatorium der 11usik.


169<br />

München, den 23. Sept. 54<br />

"Lieber Rheinberger!<br />

Deine lieben Zeilen haben mich sehr erfreut, und bedaure<br />

nur, daf ich nicht frUher an die Antwort koinmen konnte.<br />

Das Dir gewidmete Orgeiheft ist noch nicht eingetroffen;<br />

Du kannst daraus. ersehen, wie die Buchhändler mit einem<br />

armen Komplonisten/ umgehen. Es ist Dir aber jedenfalls<br />

gewiI3. -<br />

Deine Sachen hat Körner noch und scheint sich nach seinem<br />

letzten Briefe dafür entschlie2en zu wollen, aber 1 Jahr<br />

Geduldprobe wird wahrscheinlich damit verbunden sein. -<br />

Die Cholera liei3 mich ui-id mein Haus bisher, Gott sey dank,<br />

verschont; Manchen, den Du viellelcht kennst, hat sie unerbittlich<br />

dahingerafft. -<br />

Hr. Leonhardt 1st hier u. gesund, doch von Hr. Maier weif3<br />

ich nichts Bestimmtes zu erfahren.<br />

Meine Abreise nach Erlangen 1st auf den 6. Okt. festgesetzt.<br />

Wann werden wir uns einmal wieder Im Leben begegnen?<br />

Nach Deinein Schreiben scheinst Du Lust zu haben wieder<br />

nach München zu kommen (Unter uns gesagt!!) Ich bin nicht<br />

daftir. Du hast im Orgelspiel so viel Fertigkeit, daB Du<br />

keinen Lehrer mehr bedarfst, und das fleif3ige Selbststudium<br />

wird fortan Deine 1-lauptaufgabe sein. Hr. Maier ist<br />

em vortrefflicher Lehrer im Contrapunkt, aber auch em<br />

eingefleischter Scholastiker. Du wirst nach Verlauf eines<br />

Jahres nicht welter sein, als jetzt.<br />

Hast Du Geld und Zeit, so halte ich furs Gerathenste,<br />

wenn Du noch kurze Zelt wohin gehst, wo em bedeutender<br />

Comp/onlst/, ausgerüstet mit vieler Erfahrung wie z.B.<br />

Spohr etc. lebt, das wird Dir das Letzte verschaffen. Du<br />

bist jetzt auf der Stufe, wo die contrap/unktlschen/<br />

Uebungen auch mehr schulmä2ig betrieben werden dürf en;<br />

Du mu2t jetzt Musik machen lernen, selbststEndige Tonstücke,<br />

bel denen die Poesie vorherrschend 1st. Dahin gehören<br />

Lieder, Notetten, Quartette etc. Ob Du soiches Im<br />

Conserv. in Nünchen errelchen wirst??<br />

Das Hören, wozU hier wohl viel Gelegenheit 1st, reicht<br />

noch. nicht aus.<br />

Es fehlt im Conserv. eli-i Nann, der selbst em bedeutender<br />

Comp/onist/ 1st.


170<br />

Das ist meine Meinung, habe ich Unrecht, so halte es der<br />

Liebe, die ich zu Dir habe, zu gute. -<br />

Dazu glàube ich noch, da!3 München uberhaupt nicht der Ort<br />

ist, wo man bereitwillig Talente unterstUtzt und grof3<br />

zieht. Es gibt nicht viele Dr. SchafhHutl.<br />

Mache aber von diesen Zeilen keinen Gebrauch. Sic kommen<br />

aus dem Herzen. Du kannst bedeutende Fortschritte machen,<br />

wenn Du fleil3ig für Dich fortstudirst und die Wahrheit<br />

nicht auf3er Augen lH2t: daB zum künftigen Künstler Demuth<br />

gehort.<br />

Viele haben diesen Satz vergessen und hier bald alles Talent<br />

zu Grunde gezogen.<br />

Dein ergebenster<br />

Herzog<br />

Prof. d. M/usik/."<br />

Den Herbst verbrachte Rheinberger in seiner Liechtensteincr<br />

Heimat.<br />

Maier konnte endlich Anfang November folgende Liste von<br />

Mäzenen prEsentieren:<br />

"Geehrtester Herr Rentamtmann!<br />

Es freut mich, Ihnen über Joseph's Angelegenheit heute<br />

Näheres und zugleich Erfreuliches melden zu k6nnen. Ich<br />

babe elne schriftliche Darstellung von Josephs Verhältnissen,<br />

Kenntnissen u. Talenten herausgehen lassen. Als<br />

monatliche BeitrHge für das Jahr v. 1. Nov. 1854 - 1. Nov.<br />

1855 haben unterzeichnet:<br />

Ihre Excellenz Frau Adelgunde von der Pfordten per Monat<br />

1 fl<br />

Therese von Zwehl I fl<br />

FrHul. v. Lerchenfeld I fl<br />

Fräul. Laura Dürck I fl<br />

Fräul. Elise v. Pacher I fl<br />

Hr. Generaldirector Lachner 1 fl<br />

Hr. v. Perfall I fl<br />

Hr. Oberappellgerichtsdirector Nolitor 30 kr<br />

Hr. Regierungsassessor Gertner 30 kr<br />

8 fl


171<br />

Hinzu kommen laut mUndlichen Versprechens:<br />

Ihr Verwandter Hr. Pfarrer in TUrkenfeld<br />

Hr. Graf Pocci<br />

Hr. Angelo Knorr<br />

2 fi<br />

1 fi<br />

1 fi<br />

12 fi<br />

Zusammen per Jahr: 144 f 1.<br />

Nun aber habe ich die Liste Hr. Professor Schafhaeutl zu<br />

elgener und einiger Freunde Betheiligung noch gar nicht<br />

zukommen lassen können.<br />

Nach Hr. v. Perfalls Aul3erung, der mit den Vorstandsmitgliedern<br />

seines Gesangvereins RUcksprache genonmien, unterliegt<br />

es keinem Zweifel, da6 Joseph die Stelle des Ciavierbegleiters<br />

in diesem Verein erhalten wird, und zwar<br />

je nachdem sich die Einkünfte des Vereins gestalten werden,<br />

mit einem monatlichen Honorar von 4,5 oder mehr f 1.<br />

Aus ailem dem geht hervor, daf auf einen hier zu erwartenden<br />

Gesammtzuschuf3 von circa 200 fi schon bis jetzt<br />

sicher zu rechnen 1st. Unter diesen Umständen kann ich<br />

Ihnen u. Joseph nur rneine Freude bezeugen Uber den bisher<br />

guten Fortgang unseres Unternehmens und den aufrichtigen<br />

Wunsch äu6ern, Sie möchten Joseph gleich hierherschicken,<br />

eininal weii ihm gut ist, wenn er sobaid wie mögiich wieder<br />

In tuchtige Arbeit kommt, u. zweitens det3wegen, weil die<br />

Proben des fraglichen Gesangvereins schon begonnen haben<br />

u. Hr. v. Perfail semen neuen Ciavierspieler sehnlichst<br />

erwartet.<br />

Solite ich Ihnen in Joseph's Angelegenheiten irgend etwas<br />

besorgen können, so wenden Sle sich ja direct an mich.<br />

}Iit herziichen GrUBen an Sie, den Hr. Lieutenant und Joseph<br />

Ihr ergebenster Julius Naier<br />

Schwanthalerstral3e 26<br />

MUnchen 1. Nov. 54."<br />

Die endgUltige Entscheidung Uber Rheinbergers Zukunft war<br />

unterdessen in Vaduz gefalien.


172<br />

Der Rentmeister antwortet J.J. 11aier:<br />

Wohlgeborner!<br />

verehrtester Herr ProfeBor!<br />

"Vaduz den 5, Nov. .1854<br />

Indem ich mich beeile Ihnen für Ihre liebevollen BemUhungenin<br />

Betref meines Sohnes Joseph den verbindlichsten<br />

Dank abzuhalten, gebe ich Ihnen zugleich die Nachricht<br />

dal er in den ersten Tagen der künftigen Woche in München<br />

eintreffen wird. Einstweilen wird er sein Abstiegquartir<br />

wieder bel Hr. Perstenfeld nehmen; auch würde ich es nicht<br />

ungern sehen, wenn er dort bleiben würde.<br />

Noch einmal verehrtester Herr Profe1or! empfangen Sie<br />

meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank für alle.Ihre<br />

gro2en Bemühungen. Werden Sie aber nicht ungehalten 'ienn<br />

ich demselben zugleich wieder die neue Bitte anfüge:<br />

ineinem Kinde fernerhin Ihr Wohiwollen nicht entziehen<br />

und ih-m stets sein väterlicher Freund und Rathgeber bleiben<br />

zu wollen. Trösten Sie mich -mit der Gewährung dieser<br />

ineiner Bitte, wofür Sie mich zum doppelten Schuldner<br />

verpf 1 ichten.<br />

Hölichstens empfiehlt sich Ihnen<br />

Ihr<br />

dankbarst ergebener F/reund/d<br />

J. P. Rheinberger, Rentmeister<br />

Höflichst dankend grü2en Sie meinen Sohn Joseph und<br />

Peter, den Lieutenant."<br />

Neben Julius- Joseph Maier war es besonders Karl Emil von<br />

Schafhäutl, der sich unablässig urn Rheinbergers Fortkoxn-<br />

-men bemühte.<br />

SchafhHutl freut besonders, dal3 Rheinberger nach Absol-<br />

-vierung des Konservatorluins nun seine Studien in 11ünchen,<br />

das irn So-miner und Herbst von der Cholera heimgesucht wurde,


173<br />

fortsetzen kann. Er berichtet:<br />

"Mein lieber, lieber Peppi!<br />

München, den 7. Nov. 1854<br />

Ich habe soeben Deinen Brief und Dein Ave mans stella<br />

erhalten und beides hat mich mehr gefreut, als Du Dir<br />

vielleicht vorstellen magst, urn so mehr als sie em sächlicher<br />

Vorbote Deiner selbst sind.<br />

Während Du in Deinem schönen Liechtenstein vielleicht unter<br />

den Dreischwestern safest, hatten wir hier Plage, Jammer,<br />

Seuche, Tod und nur Ketten von Leichenfeierlichkeiten<br />

gehabt. Auch die StraBen, sonst von einern fröhlichen<br />

geschaftigen Menschengewirre erfUilt, waren gleich nach<br />

Deiner Abreise leer geworden und nur Geistlichen mit der<br />

letzten Wegzehrung, LeichenzUgen, Karren you mit Todtensärgen<br />

gefUilt begegnete man, wohin man immer seine Schnitte<br />

wenden rnochte. Todesangst lag auf der Bevölkerung,<br />

ganze Häuser sind ausgestorben und em Drittheil der Bevolkerung<br />

war aus der Stadt geflohen.<br />

Ich blieb gliicklicherweise verschont, taglich morgens<br />

7 Uhr rneine Schritte nach der Ausstellung lenkend und<br />

abends 7 oder 8 Uhr wieder nach Hause kehrend, sodaf3 ich<br />

während des ganzen Sommers und Herbstes keinen Tag aus<br />

der Stadt entfernt bleiben konnte.<br />

Auch das Ausstellungsgebiet war natürlich während die<br />

Cholera wtithete schauerlich leer;-mansah nur die blauen<br />

Tressen unserer Aufseher und hier und da eine fremde Gestalt<br />

aus irgendeinem Winkel des Glaspalastes entflohen.<br />

Der Himmel auf weichen man bei der Eroffnung am allerwenigsten<br />

dachte, hat auf eine unerwartete Weise alle unsere<br />

Vorarbeit zu Schanden gemacht, und als unsere konigliche<br />

Famiuie im Glaspalaste war, spielte ich auf der hier<br />

errlchteten Orgel den alten lutherischen Choral:<br />

'Wo Gott zum Haus nicht gibt sein Gunst, da arbeit't jedermann<br />

umsunst', eine gereimte Version des l26ten Psalms:<br />

'Nisi Dominus aedificaverit domum, in vanurn laboraverunt<br />

qui aedificant earn'. Freilich ahnte kein Mensch, was der<br />

Text des Psalms predigte.<br />

Mit unserem kgl. Hof theater sieht (es) sehr schlecht aus.<br />

Die letzte Bravour Sängerin Rettich ist an der Cholera<br />

gestorben und keine Person hier, die sie ersetzen könnte,<br />

unsere 3 Tenöre sind immer krank; Härtinger wird vielleicht


174<br />

gar nicht mehr singen können. So 1st es denn gekoien,<br />

da2 wir höchstens noch einige Schrei- und Spectakel Opern<br />

gebenkönnen, wo man eben nicht singen zu können braucht,<br />

wenn man nur eine gute Lunge besitzt.<br />

Wenn uns auch das Theater nichts mehr in künstlerischer<br />

Beziehung bieten kann, so haben wir doch noch nebenher<br />

Concerte, Quartett Unterhaltungen am Conservatorium und<br />

das Kränzchen dazu, sodal3 es also den Winter über an Musik<br />

nicht fehien wird.<br />

Deine alten Kameraden fragen mich so oft sie mir begegnen,<br />

ob ich nichts von Dir gehört, ob Du nicht wieder kämest<br />

und werden sich herzlich freuen zu hören, daB Du<br />

bald in Miinchen eintriffst. Kein Mensch freut sich aber<br />

mehr, Dich noch in seine Anne schlieBen zu können als<br />

ich,<br />

Dein alter Freund Schafhäutl.<br />

GrtiBe mir den Vater und Frau Mutter herzlichst.<br />

Adieu auf baldiges Wiedersehen!"<br />

Nach seiner Rückkehr schreibt Rheinberger aus München nach<br />

Vaduz:<br />

MUnchen, den 18.11.54<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Durch Ihre CUte in den Stand gesetzt, meine Studien wieder<br />

fortsetzen zu können, halte ich es für meine Pflicht,<br />

Sie nicht lange in Ungewissheit zu lassen. Dienstags früh<br />

wurde ich in Feldkirch zu spat geweckt, versäumte also den<br />

Poststellwagen. 1/2 Stunde später fuhr ich jedoch mit dem<br />

Stellwagen nach Bregenz. 1/2 11 Uhr mit Post nach Lindau,<br />

von 1/4 nach 12 Uhr bis 10 Uhr abend mit Eisenbahn bei<br />

einer KHlte von 18° nach MUnchen. Die Reisekosten betrugen<br />

inkl. allem 10 fl 48+er. Diese Nacht blieb ich im Stachus.<br />

Anderntages wurde ich bei Perstenfelds auf's freundlichste<br />

aufgenonimen. Die Napoleons d'or sind 9 fl 18+er<br />

gegenwartig. Nachmittags (Mittwoch) traf ich Hr. Maier<br />

nicht an. (Notabene trage ich jetzt einen Hut!!!) Ging deshalb<br />

zu Hr. Leonhard, welcher sehr groBe Freude bezeigte.<br />

Abends ging ich ins Konzert - traf Maier, Schafhäutl...<br />

alles beisainmen. Hr. SchafhHutl hatte eine ungeheure Freude,<br />

ich muBte nach dem Konzert mit zum "Shampagner"...


175<br />

Gestern (Donnerst.) früh ging ich zu Hr. Maier. Er sagte<br />

mir uianches - unter anderm: daI3 SchafhHutl von ailem<br />

wisse, und zeigte mir jene Liste: wo ich schneli hineinblickte<br />

und SchafhHuti - 2 fi monati. las. Er 1st ganz<br />

der Aite.<br />

Hernach ging ich zu Perfail mit Hr. Maier. Er war erfreut<br />

mich zu sehen und ungernein freundlich. Sagte mir rnanches<br />

Uber den Verein...<br />

Heute frUh ging ich mit meiner 'Oper' zu Schafhäuti und<br />

spielte sie ihm vor. Er sagte, ich müsse sie Hr. Lachner<br />

zeigen und ich solle recht oft kommen und viele GrUf3e...<br />

Hr. Maler sagte, ich brauche die Beiträge nicht selbst<br />

zu holen, auch nicht hingehen, er werde jemanden hinschikken.<br />

Nur zu Lachner soil ich gehen und ihm danken. Dienstag<br />

werde ich hingehen.<br />

Morgens samstags bekam ich meinen Uberrock. An der Cholera<br />

sterben hier nur wenige mehr tHgiich. Von meinen näher<br />

Bekannten beinahe niemand. -<br />

Hier 1st es ganz warm wie im April. Hr. Herzogs Nachfoiger<br />

in der protestantischen Kirche und Conservatorium 1st bestlmmt:<br />

em W. Scherzer aus Stuttgart.<br />

Jetzt werde ich sogieich Hr. Herzog und Wolf inger schreiben.<br />

-<br />

Bisher ging alies gut, gebe Gott, daIs es nur so gut gehe.<br />

Lisis Besteiiung werde ich dieser Tage ausrichten und ihm<br />

dann zuvor schreiben.<br />

Es grtit3t alie und besonders Sie, teuerste Eltern<br />

Ihr dankschuidiger Sohn<br />

Jos. Rheinberger."<br />

Eiisabeth und Amalie Rheinberger,<br />

halten folgende Zeiien:<br />

Liebes Lisi!<br />

Jetzt habe ich mir gedacht<br />

elnem von Euch 2<br />

mU2te ich schreiben, und<br />

urn es noch besser zu machen,<br />

schreibe ich beiden.<br />

1st es so recht?<br />

Josephs Schwestern, er-<br />

Liebes Matscherle!<br />

-<br />

be to


176<br />

Doch was solle ich noch schreiben? I wäB ger nüd meh!<br />

Dieses Jahr babe ich erst elne Birne gegessen, das 1st<br />

das Wichtigste.<br />

Und wie viele Du? Und wie viele 1000 Du?<br />

Mats cherli!<br />

Das Wetter ist bier sehr schön, wahrscheinlich in<br />

Faatutz auch, ich gehe beinahe alle Täger zum Baden.<br />

Letzten Sonntag war hier em schreckliches Ungewitter,<br />

davon im 2ten Theile - dad der Fetz saga - - -<br />

0 du ar - mer mar gar eh ta<br />

2ter Theil.<br />

Ich ging mit 2 Freunden in den englischen Garten. Nachdem<br />

wir ungefähr bis haib 5 Uhr dortgewesen waren, kam<br />

em entsetzlicher Wind, so dal3 die Bäume rechts und links<br />

einstürzten und Uber die Wege hinfielen, auch fing es an<br />

zu regnen. Jetzt hättest Du sehen sollen, wie alle Leute<br />

zu lauf en anfingen! Besonders aber, wenn wieder em Baum<br />

prasseind abbrach und über den Boden fiel, so schrien die<br />

Frauenziinmer vor Schrecken ganz entsetzlich. Den Durcheinander<br />

kannst Du Dir denken, als diese vielen 1000 Personen,<br />

die an diesem Tage im englischen Garten waren,<br />

durch die Anlagen, Wege, Zäune hin auf Tod und leben zu<br />

lauf en anfingen. Wir waren in Brunnthal (wo ich vor 3<br />

Jahren mit dem Vater, Lampert, Marxer war) als dort auch<br />

Bäume einstürzten und eine ganze Reihe Sommerhäuschen zusammenschhig,<br />

glücklicherweise waren die Leute schon davongelauf<br />

en, unglucklicherweise für die Wirthe gröltentheils<br />

ohne zu bezahien, nur zerbrochene Gläser hinterlassend.<br />

Nun fing es auch noch zu hagein an. Die Fiaker<br />

waren in Verzweif lung, überall, wo sie hinfubren, versperrten<br />

soiche Bäume den Weg, durch die Gesträuche konnten<br />

sie nicht fahren, umkehren gröl3tentheils auch nicht!<br />

Die Leute stiegen alle aus! Nun beim Hageln sah man nichts<br />

als zerfetztesonnen-und Regenschirme, weiche viele Leute


177<br />

aufgemacht, trotz dern wüthenden Winde. -<br />

Die Meisten brachten von den Schirmen nur noch einen<br />

Spatzirstock helm! -<br />

Nun beim Hagein verbanden sich die elegantesten Damen<br />

Sacktücher und SchUrzen urn ihre Htite. Diejenigen weiche<br />

das nicht thaten, deren Htite sahen aus wie Potchambern.<br />

Dieses ewige Schreien, laufen; Uberall Leute, soweit man<br />

sah, rUhrte sich alles; und als em paar Besoffene noch<br />

zu jauchzen anfingen, das Donnern, Hagein, Blitzen, Bäume<br />

einfallen, machte einen tragikomischen Effekt. Im Hofgarten<br />

f and ich elnen Hagelstein von der Gröl3e meiner<br />

Faust! Das hat gewil3 vielen HUten die Gopfen gekostet.<br />

In der Ludwigsstraf3e schiug es 4 mal hintereinander em,<br />

jedoch ohne zu zUnden, es krachte beständig wie eine<br />

Batteriesalve. Einmal schiug es mitten in der LudwigsstraBe<br />

em Loch von 10' Lange und 5' Breite bis in den<br />

Straf3enkanal hindurch, wobei eine Frau vorn Blitze gestreift<br />

wurde und darüber den Verstand verlor.<br />

Wir kamen noch ganz passable durch. Die Pferde waren alle<br />

scheu und die Kutscher ganz wtithend. Das war blol3 auf der<br />

nördlichen Seite der Stadt, auf der südlichen (wo Ich wohne)<br />

war den ganzen Nachmittag Sonnenschein. Mn Argsten<br />

soil es beim chinesischen Thurm gewesen sein. (Da war<br />

ich nicht dabei) Da suchten eine Menge Menschen Obdach,<br />

als 4 ungeheure Bäume auf denselben fielen, und da er<br />

ganz von Hoiz ist zum Wanken brachten; das Geschrei soil<br />

furchtbar gewesen sein; wenn er eingesturzt ware, mütten<br />

einige 100 Nenschen ihr Leben verloren haben! -<br />

Das schönste nun im 3ten Theile!<br />

3ter Theil<br />

Am nämlichen Nachinittage war bei Pasing (Eisenbahnstation,<br />

2 Stunden von hier) em Ehrsamer MUnchner Burger beim Baden,<br />

in einem kleinen Fliif3chen. Während dem Baden nun<br />

kam der furchtbare Wind und nahm ihm die Kleider plotzlich<br />

davon, auBer den Stiefein, welche er sogleich anzog<br />

und ganz triefend den Kieldern nachjagte; 'unglucklicherweise<br />

nahm der Wind die Kieider gegen die Eisenbahnstation,<br />

wo elne ungeheure TMenge Nenschen auf die Eisenbahn<br />

warteten. Der lJngiuckliche inul3te nun in seinem Anzuge<br />

(vielmehr Nicht anzuge) gegen die Leute rennen, kam ganz<br />

rasend durch die Menge hindurch und fing endlich das


1 78<br />

Gilet auf, zog es an und fing von neuem zu laufen an unter<br />

einem furchtbaren Getächter his er nach langem das<br />

Hemd erwischte! Der anne Tropf. Wahrscheinlich konnnt er<br />

noch in die Fliegenden Blätter.<br />

Ende von der Predigt! Anm:<br />

Nun bist Du eingeschlaf en? Ful's Lisi!<br />

1st Lisa Schauer h o f f e n t 1 i c h Deine Freundin?<br />

Viele Grül3e an alle Beknnte. Schreibt mir bald, Du und<br />

das Matscherli. Was macht der Toni und die Seffa? Seid<br />

ihr innner gesund und schnupft die Mutter recht viel?<br />

Das letzte Jahr urn die Zeit da wurde Obst vertilgt.<br />

Gelt Mali, diel3nial hast Du doppelte Arbeit!<br />

Pfüat'ne Gott! An anders mal.<br />

Zwei Zeugnisse bekunden den neuen Arbeitskreis, den Rheinberger<br />

nun ausfüllt:<br />

ZeugniB<br />

HerrJoseph Rheinberger<br />

geb. aus Vaduz in Lichtenstein<br />

war frilher Zögling des hiesigen Conservatoriurns für Musik,<br />

und in soicher Eigenschaft während der Jahre 1852/54 em<br />

Schüler des Unterzeichneten. Der Obengenannte hat sich zur<br />

Zeit wiederum nach München gewendet, urn unter der speziellen<br />

Aufsicht und Leitung des Endesunterschriebenen seine<br />

weitern musikalischen Studien zu vervollstandigen, was<br />

demselben hierdurch auf Verlangen hezeugt, und durch Narnensunterschrift<br />

bekräftigt wird.<br />

NUnchen, den 2lsten Novb., 1854<br />

J.E. Leonhard<br />

Professor am kgl. Conservatorium<br />

für Nusik.


I'<br />

179<br />

Unterzeichneter bezeugt hiermit, daf3<br />

Joseph Rheinberger von Vaduz<br />

bei dem erst am 11. November 1. Js. ins Leben getretenen<br />

Chor - Gesangs verein/Oratorien Verein zu MUnchen benannt/<br />

weicher aber die seinerzeitige polizeiliche Genehmigung<br />

noch zu erwarten hat, nach Beschiul3 vorn 18. November ais<br />

Chorrepetitor beschäftigt und honorirt wird.<br />

Mtinchen, den 22. November 1854<br />

Karl Bar. von Perfail.<br />

Neben der praktischen Tätigkelt als Organist und Chorrepetitor<br />

widmet sich Rheinberger nun der Komposition.<br />

Er schreibt darüber nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Sie werden ineinen ietzten Brief gewil3 erhaiten haben, obschon<br />

ich keinen von Vaduz erhielt. Ich habe diesmal wefig<br />

Neues hinzuzufUgen - ais daB ich immer mit melner Oper<br />

beschäftigt bin. Hr. Leonhard hat sie gegenwärtig in Korrektur<br />

und ist auf3erordentiich damit zufrieden.<br />

Hr. Prof. Schafhäutl läl3t alie grüBen. Ich bin oft dort.<br />

Vorgestern (Montag) lud er mich el mit ihm zu essen -<br />

urn mich Hr. Graf Sails zu präsentiren, weicher nach mir<br />

einigemaie gefragt haben soil. Auch er läBt aile grüBen.<br />

Ferners war ich bei Lachner. Er war sehr freundlich, gibt<br />

mir nun Blilette in alle Konzerte und Unterricht, so oft<br />

ich hinauf gehe. Ferners bei Hauser (Direktor), weicher<br />

sehr frappirt war, daB ich ihn besuchte. Ubrigens war er<br />

freundiich, teiite mir seine Ansichten mit - die Ubrigens<br />

unsinnig genug waren. Maier seibst sagte mir, daB er mir<br />

schaden werde!<br />

Hr. Prof. Maler hat mir schon einmal 13 fl 30+er eingehandigt<br />

- Wolfinger habe ich geschrieben, und er mir mit<br />

10 beigefUgten Gulden geantwortet.<br />

Beirn Oratorien-Verein bin ich nun angestelit ais -<br />

'Chorrepetitor', mit wiekriei Douceur weiB ich noch nicht.<br />

Wir hatten schon einmal Versammlung; wöchentlich einmal. -<br />

Mein Uberrock 1st sehr warm und kostete 10 f 1. -<br />

Bei Perstenfeid, welche allen sich ernpfehlen lassen,<br />

muf3te ich 8 fi für Holz bezahlen - auch 2 Guiden Aufent-


180<br />

haltskarte. - Nit der Cholera ist's noch nicht rein -<br />

vom 15. bis 20ten Nov. starben noch 31 Personen, übrigens<br />

schone ich mich gut - die i4ünchner thun, wie wenn<br />

nichts gewesen ware, reden nie davon. Hr. Herzog habe<br />

ich geschrieben und erwarte tägiich einen Brief von ihm.<br />

Ich könnte ihn leicht besuchen, man braucht per Eisenbahn<br />

nur elnen halben Tag - obschon es 60 Stunden weit<br />

1st. - Bisher hatten wir wenig Schnee - und ziemlich<br />

warm, jetzt aber schneit es.<br />

Hoffentlich befinden Sie sich, Theuerste Eltern! sehr<br />

wohl, auch. ich bin gesund und zufrieden und erwarte baldige<br />

Nachricht - verbleibe<br />

inzwischen ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Chor-Repetitor des Oratoriums-Vereins.<br />

Nünchen, 29.11.54."<br />

Julius Naier fügt folgende Zeilen am gleichen Tage bei:<br />

"Hochgeehrter Herr Rentamtmann!<br />

Die monatlichen UnterstUtzungsbeiträge für Joseph bestehen<br />

in 13 fi 30. Die Beiträge pro Nov. habe ich ibm schon<br />

eingehHndigt. Ich möchte nun Ihre Ansicht wissen, ob ich<br />

nach jedern Nonat die fragl. 13 f 30 dem Joseph einhändigen,<br />

ober ob ich die Nonatseinkünfte zurückhalten und<br />

erst in Folge einer von Ihnen ausgehenden Anweisung oder<br />

Im Falle eines nothwendigen augenblicklichen Bedürfnisses<br />

dem Joseph auszahlen soil?<br />

Indern ich beifüge, da8 unter obigen 13 f 30 die 4 fi Honorar<br />

des Perfall'schen Singvereins nicht begriffen sind,<br />

und Ihnen zugleich die freudige Mittheilung machen kann,<br />

daI3 Joseph recht fleil3ig 1st, bitte ich Sie urn Antwort<br />

auf Obiges.<br />

Nit herzilchen Grüi3en an Sie und Herrn Lieutnant<br />

Ihr ergebenster<br />

Julius Maier<br />

Schwanthalerstra8e 26<br />

29. Nov. 54."


Der Rentnieister antwortet:<br />

181<br />

'tVaduz den 8. Dez. 1854<br />

Wohigeborener<br />

verehrtester Herr Professor!<br />

Auf Ihr werthestes Schreiben vom 29ten v. Monats in Betreff<br />

der UnterstützungsbeitrEge für meinen dort weilenden<br />

Sohn Joseph mul3 ich es ganz Ihrem gütigen Erme2en<br />

anheini stellen, wie Sie ihm selbe wollen zukommen lassen.<br />

Für jeden Fall aber dürfte es, urn Ihre Naal3nahmen hiernach<br />

treff en zu können, nothwendig sein, Sie nit den<br />

rnuthmaa2lichen Kassastand des Joseph etwas näher bekannt<br />

zu machen. Bel seiner Abreise von Hause habe ich ihrn<br />

90f1 mitgegeben. Hiervon hat er die Unkosten bestritten<br />

mit lOfi 48kr<br />

für einen Hut und Uberrock ausgegeben 14f 1 -<br />

für Kost und Quartir auf zwei Monat, nämlich bis<br />

15. Jäner in vorhinein ausgezahit 48f1 -<br />

(vielleicht nur 44f1)<br />

für Holz zur Zmmmerbeheizung 8f1 -<br />

zusammen 80f 1 48kr<br />

Es sind ihrn sohin nur noch geblieben . . . 9f 1 l2kr<br />

zähle ich aber zu diesern Rest die ihm vom Hr. Pfarrer<br />

in Türkenfeld überschikten lOf 1 -<br />

die ihm von Ihnen für den Monat November behändigten<br />

13f 1 3Okr<br />

dann noch weitere von Hause miterhaltenen . . 8f 1 -<br />

so dürfte sein Ka8astand noch in 40f 1 42kr<br />

bestehen; wenn nicht etwa mir noch unbekannte nothwendige<br />

Ausgaben meine Rechnung stören. Für das nächst wieder zu<br />

zahien kommende, 2. Monat-Kostgeld werde ich ihm den nothwendigen<br />

Betrag bis l5ten Jäner überschiken. Die Nachricht<br />

da8 der Knab fleissig sei hat mich sehr gefreut. Gott<br />

gebe daf3 er es fernerhin bleiben werde, urn sich der genossenen<br />

Unterstützungen wtirdig zu nachen.<br />

Inden ich Ihnen verehrtester Herr Professor! rnein Kind in<br />

alien semen Anliegen bestens empfehle, bitte ich schiief3lich<br />

nur noch rneinen wiederholten Dank, den ich Ihnen aus<br />

wrmstem Herzen bringe, so wie -ineine nie eriöschernlé Hochachtung<br />

genehrn haiten zu wollen.


182<br />

Mit dem herzlichsten Gru1 von mir und dem Sohn Lieutenant<br />

Ihr dankbarster Freund J.P.Rheinberger, Rentmeister.<br />

Meine Angelegenheiten in dienstlicher Beziehung scheinen<br />

sich zu meinen Gunsten enden zu wollen."<br />

Rheinberger selbst versorgt die Geschwister mit Münchner<br />

ModenovitHten und lustigen Brief en. Er schreibt an Elisabeth:<br />

"Hierbeierhaltest Du Deine gewUnschte Bestellung: Elnen<br />

Damenhut nach Aller neuester Façon, die es hier gibt.<br />

Er kostete 6 fi u. 6 +er Trinkgeld; die Schachtel kostet<br />

22 +er u. das Papier, wo drin 1st 2 +er das Briefpapier<br />

für Dich u. Mali 1 +er - Du bist mir also schuldig: 1 fl<br />

31 +er (denn die 2 vielgeliebten BrUder gaben nur 5 fl<br />

mit für Dich). Dem Toni sag, ob er nichts zu bestellen<br />

hab, seine 2 fi warten darauf. Ich hoffe da8 der Hut nach<br />

Deinem Geschmacke sei. -<br />

Hier sterben noch täglich Leute an der Cholera - so eben<br />

hörte ich, da sie den Vater eines meiner MitschUler (Barmann)<br />

gepackt habe.<br />

Seid indessen wegen meiner aul3er Sorge, S' Unkraut verdirbt<br />

net, sagt der Peter. Ich trage jetzt elnen schönen<br />

Hut - Uberrock, trotz den Vaduzer Noblessen.<br />

Das Bier ist hier dieses Jahr billig und sehr gut. -<br />

Heute hat es Schmutz bis an die Knie - und ist ganz warm<br />

draul3en.<br />

Was macht die liebe Mutter? Sag ihr: Ii d'jaden Anton yin<br />

cal cup aufs Kristkindl - verstanden?<br />

Morgen wird Dein liebes 'Nigle' zu mir einziehen, was<br />

mir gerade keine grof3e Freude macht.<br />

Dem Toni Gruf und ich werd ihm bald schreiben. Peter und<br />

David ebenfalls - wenn sie die schuldigen 1 fl 31+er<br />

nicht vergessen, denn ich mu1 diel3 Jahr sparen. -<br />

Meine Feder geht so schlecht, weil es eine Notenfeder 1st<br />

- sonst kann ich auch schön schreiben, z.B.<br />

'Tanze nicht zu viel mit Kielschwezli'. Gelt das ist schön!<br />

Was macht die Seffa, liest sie fleiig? und strickt sie<br />

kleine Socken - ? Ich lasse sie herzlich grüBen. -<br />

Hr. Tschavoll schrjeb ich elnen französisthen Brief.<br />

Grol3erbatscher 1st nicht inehr in Feldklrch sondern nach<br />

Dornbirn versetzt.<br />

Sobald Du den Hut erhalten, inu1t Du 'inir schreiben, sonst<br />

gehts Dir schlecht und i 'mUBt, wenn ich zu Hause käme<br />

Dich prügeln,


Dein Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

Chorrepetitor des Oratoriurnvereines.<br />

München - - -.<br />

"Ihro Hochwohlwohlgeboren<br />

Fräulein - ma - ma - ma - Matsch<br />

wohnhaft in<br />

Vaduz<br />

FUrchtigdumms Liachtasta.<br />

Mein lieber, schöner, guter, angenehmer, braver, folgsamer,<br />

flei2iger, überhaupt bester, selten rotznasiger<br />

Matsch!<br />

' ' ' Aufgepasst'' I<br />

Weil's jetzt grad Gelegenheit gibt, so schreibe ich Dir<br />

a's Briefle. Sonst weil3 ich aber nichts -.<br />

Für Dich habe ich 2 Stücke gekauft, möchte Dir noch em<br />

paar kaufen, aber ich darf das Geld nicht so hinausgeben,<br />

sag also dem David - er solle Dir einen Gulden geben u.<br />

Du legst noch einen halben dazu u. schickst mir's, so bekommst<br />

Du noch 2 StUcke. 2 und 2 sind - - - 3, néin 4<br />

StUcke also. -<br />

(Jetzt kehr das Blatt urn, jetzt kornmt was Wichtiges:) -<br />

BhUti Gott!<br />

Dein Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

Chorrepetitor des Oratoriuinsvereins."<br />

"Liebe Schwester!<br />

183<br />

Dein Briefchen hat mich sehr erfreut,<br />

sowie die Nachricht, daf3 Dein Hut glUcklich eingeschwärzt<br />

geworden, sowie - dal3 das mir gewidmete Stuck von Herzog<br />

angelangt, sowie dal3 die Mutter an meine Tabaknase denkt,<br />

sowie da8 der David die Adresse höchst eigenhändig geschrieben,<br />

sowie daB der Vater Uber jenes Stuck so erfreut<br />

sel, sowie daB ihr mich nlcht vergessen habt, aber<br />

am meisten daB ihr Alle wohl seid.' Hat es bei Euch schon


184<br />

Schnee? Hier nicht, aber kalt 1st es! An den Sonntagen<br />

denk ich iinmer am meis ten an euch - da habe ichs immer<br />

langweilig, auBer an Vormittagen, da spiele ich immer<br />

em paar 2cmter! abet am Nachmittag ist's langweilig, gewöhnlich<br />

regnet's - so dal3 man nicht aufs Land fahren<br />

kann, nur Abends gehe ich immer mit Hr. Schafhäutl ins<br />

Theater. Nit meinen ehemaligen ConservatoriumsschUlern<br />

mag ich wenig mehr in Berührung 1ommen, höchstens mit<br />

E. od. B. - die Andern sind falsche Tropfen. Briefwechsel<br />

habe ich keinen, als mit euch, au8er mitTschavoll in<br />

Feldkirch - wir schreiben uns fleiaig französische Briefe.<br />

-<br />

Für die Brief e vom Toni kann ich gar keinen Platz mehr<br />

finden!! Wie gehts der lieben Mutter, sie soil ja nicht<br />

bekümnmert sein; hier in München redet kein Mensch von<br />

der Cholera, obschon im Monat November noch 100 Personen<br />

daran starben - man denkt hier gar nicht daran -<br />

sie soil ja unbekümmert sein, das Unkraut verdirbt nicht,<br />

ist em wahres Sprichwort.<br />

Viele Grül3e von Doris Perstenfeld, mit Respekt zu melden<br />

'Nikle'. -<br />

Was macht der Peter und der David, 'Herr Kanzelist'????<br />

Sag dem Vater, da ich aufs Neujahr ihm und Hr. Onkel in<br />

Schaan schreiben werde.<br />

1st Hr. Falkenhausen mit Frau u. Familie angelangt, ihr<br />

schreibt mir ja gar nichts. 1st Lisa Wolf inger noch nicht<br />

an Sgir verheirathet? So eben holte ich noch em StUck<br />

für Arnalie und komme gerad nach Hause - schreibe Dir wieder,<br />

muf3 aber bald aufhören, denn es wird finster und<br />

ich mu das Paquet noch vor 5 Uhr auf die Post tragen -<br />

wenn ich was wei8, will ich Dir schon wieder schreiben.<br />

Du hast mir nicht geschrieben, wie Dir der Hut gefalle,<br />

vielleicht 1st er nicht nach Deinem Geschmacke, was mir<br />

ieid thHte obschon ich es nicht hoffe.<br />

GrUi3e mir Alle, die mir nachfragen - natUrlich alle lieben<br />

Geschwistern und Eltern!<br />

Dein Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

Chorrepetitor d. OratorienVereins<br />

NUnchen 26.12.54."


"Theuerster Vater!<br />

185<br />

1854 7<br />

Gestern Abends kam die .Schwiegermutter von Hr. Herzog<br />

zu mir, sagte: Sie komme soeben von Erlangen, viele<br />

Grtil3e von ihm und beiliegendes Heft, weiches mich ungemein<br />

freut. Sogleich beeile ich mich, es, nachdem ich's<br />

Hr. Schafhut1 gezeigt, Ihnen zu schicken; da ich nur<br />

dieses Exemplar besitze, werde ich eines, oder mehrere<br />

kaufen. -<br />

Sie werden hoffentlich meinen letzten Brief, weichen ich<br />

Einem von Hr. Maier beischlot, empfangen haben; jedoch<br />

erhielt ich bis jetzt keine Rückantwort von Vaduz, was<br />

Maiern auch befremden mul3.<br />

Lise schreibt nicht, Mali schreibt nicht, Toni schreibt<br />

nicht - nur der gute Pepi braucht so viel Postpapier.<br />

Meine Opera gefalit alien jenen, weichen ich sie gezeigt.<br />

Sie umfa1t 300 Seiten und wird ungefähr noch 30 andere<br />

bekotnmen.<br />

Jetzt leben Sie wohi, theuerste Eltern! und schreiben Sie<br />

bald Ihrem<br />

dankbarsten Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Chorrepetitor.<br />

(Lisi! es ist nicht schön von Dir, mich, der ich Dir<br />

Deine 7 Sachen schon besorgt, ohne Antwort zu lassen!<br />

Bessere Dich!)<br />

In gro3er Eile, sonst hätte ich mehr geschrieben."


186<br />

Am Jahresende schickt Rheinberger dann wieder einen Rapport<br />

samt Bilanz nach Vaduz:<br />

"Verehrteste Eltern!<br />

Ich kann nicht umhin, Theuerster Vater! Ihnen beim Jahresschiusse<br />

meinen tiefgefuhlten Dank und herzlichste Wllnsche<br />

für Ihr Wohiergehen darzulegen - besonders, da ich wei6,<br />

und es nit dankerfülltem kindlichem Herzen anerkenne, wie<br />

sehr und mit weicher Aufopferung Sie für mein leibliches<br />

und geistiges Wohi sorgen.<br />

Theuerster Vater! gebe der Allmächtige, da1 Sie noch viele,<br />

viele Jahreswechsel gesund und f rob sehen, und Freude,<br />

grol3e Freude sowohl an mir, wie an meinen andern Geschwistern<br />

erleben möchten. Gott wei8 es, daB dieses mein emziger,<br />

innigster Wunsch ist, und daB ich mich bestrebe,<br />

mich dieser seiner Gnade besonders wUrdig zu zeigen. -<br />

Theuerste, beste Eltern! ich bin, Gottlob, immer gesund<br />

und, ich darf es ohne mich zu rühmen sagen, auch fleil3ig<br />

genug, mein Ziel baldigst zu erreichen. Meine Lehrer und<br />

Gönner sind alie, so weiB ich es gewiB, mit mir zufrieden.<br />

Viel Vergnügen verursachte es mir namentlich, daB jenes<br />

StUck in Vaduz angelangt, weiches Herzog mir gewidmet,<br />

und Ihnen so viele Freude gemacht habe, wie mir Lisi<br />

schrieb. -<br />

Meine Opera 1st fertig und gef alit alien, die sie gesehen,<br />

sehr wohi - nun wird sie schön eingebunden trotz dem Toni,<br />

und wenn es mein ganzes Vermögen kosten solite, und Hr.<br />

Lachner gebracht, weicher mir sagte, daB er sich darauf<br />

freue. -<br />

Hr. Leonhard babe ich auf's Neujahr eine Sonate komponiert.<br />

Mit Tschavoli jun. unterhalte ich bestandig eine französische<br />

Korrespondenz. Hr. Naler ist gegenwärtig in Karisruhe<br />

bei seiner Nutter.<br />

Herr Schafhäutl läBt alle schön grUBen, Salis auch, H. Perstenfeld<br />

ebenfails - ibm bezahie ich monatlich 22 fi, well<br />

Ludwig bei mir wohnt.<br />

Hier fUge ich nun noch in Kürze meine Ausgaben bis Neujahr<br />

an:


187<br />

Vom l5ten Nov. bis Neujahr 1855.<br />

Ich dachte mir zuvor, mir auf das Kristkindl etwas zu kauf en<br />

aus dem Gelde, weiches ich von Hr. Vetter in Schaan hatte,<br />

nachdem ich aber die Ausgaben berechnet, dachte ich, jetzt<br />

lasst du es bleiben! -<br />

Was macht die liebe Mutter? 1st sie gesund? Lisi und Mali<br />

sollen mir schreiben, was der 'Samiklos' gebracht; auf<br />

die Feiertage erwartete ich von ihnen Briefe, weil ich's<br />

so langweilig hatte. Besonders am Stefanstage; es regnete<br />

und windete den ganzen Tag, nicht einmal das Bier hat mir<br />

geschmeckt. Die Mette vom Weihnachtstage wurde nicht um<br />

12 Uhr, sondern 5 Uhr früh gehalten, denn man befürchtete<br />

wegen der Brechruhr. Weihnachten Abend wurde im Concert<br />

Haydn's 'Jahreszeiten' gegeben. Dem Toni schreibe ich auf<br />

semen Namenstag. - Jene 10 Gulden, welche mir Wolfinger<br />

schickte, waren Monatgelder; ich habe sie, sowie die 13 fl<br />

30 +er dieses Monats, noch nicht abgeholt. Sind Malls Musikalien<br />

angekommen? Spielt es sie oft? Was macht Peter,<br />

David, Seffa? -<br />

Heute (Freitag) zum erstenmal Schlittbahn. Ich gebe jetzt<br />

eine Harmoniestunde, welche mir wöchentlich 2 Vergeltsgott<br />

bringt! Ich freue mich recht auf Vaduzer Briefe - indem<br />

ich obige herzlichen Wünsche nochmals wiederhole, verblèibe<br />

ich Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

MUnchen, 29.12.54.tt<br />

fi +er<br />

Dem Doktor<br />

8 - Für Siegellack<br />

- 12<br />

Perstenfeld<br />

44 - Kerzen<br />

- 12<br />

Für Holz 8 - Bleistifte,Federn - 24<br />

einen Hut 3 'I Malis Musikalien 2 42<br />

Uberrock 10 - Aufenthaltskarte 2 24<br />

in 2 Concerte 2 - Krankenhauskarte 1 30<br />

Für Hausschuhe - 36 Hosenträger - 42<br />

Notenschreib- u.<br />

It<br />

einen Kalender - 15<br />

Packpapier 1 12 Briefmarken - 36<br />

elne ZahnbUrste - 15 Lisis Hut, mir<br />

n Kamm - 18 nachzubezahlen 1 30<br />

Auf der Reise 11 25<br />

"<br />

fi<br />

+er<br />

Suinmarum 99 59


188<br />

Inzwischen 1st Josef Rheinberger häufig als Gast und<br />

Schüler im Hause des Generalmusikdirektors Franz Lachner.<br />

Rheinberger legt ihm seine Kompositionen vor, zumal jetzt<br />

seine ersten Werke öffentlich aufgefuhrt werden.<br />

In seinem ersten Brief des Jahres 1855 berichtet Rheinberger<br />

folgende Neuigkeiten nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ihr Brief mit den beiliegenden 50 fl war mir em neuer Beweis<br />

Ihrer vHterlichen GUte und Sorgsamkeit gegen ndch.<br />

DaB ich sie erhalten habe, wird Toni Ihnen gesagt haben,<br />

wenn er meinen Brief erhielt, weiches ich hoffe, obschon<br />

er mir ihn nicht .beantwortete, was nicht schön von ihm<br />

ist.<br />

Neues kann ich diel3ma]. eben nicht viel schreiben, als daB<br />

ich mich wohi befinde, und (ohne mich zu ioben, sagen<br />

kann) daB ich fleil3ig bin. Nachdem meine Oper eingebunden<br />

war, trug ich sie zu Hr. Generalmusikdirektor Lachner. Er<br />

war ausgezeichnet zufrieden und bedauerte, daB meine Wahi<br />

auf einen so unbedeutenden Text gefallen, sonst hHtte er<br />

sie aufführen lassen. -<br />

Letzten Sonntag vor 8 Tagen war ich bei ihm, Lachner, zu<br />

Tische geladen; er steilte mich seiner Mutter, Frau, Tochter<br />

und Sohn vor - mit welch' letzterem ich nun seit der<br />

Zeit nHher bekannt worden bin und öfters zu ihm komme. -<br />

Bei jener Gelegenheit hätte ich, wenn ich em paar JHhrchen<br />

alter gewesen ware, eine Direktorsstelle mit 1000 fi<br />

bekommen, weiche es nicht alle Tage schneit; es konnte<br />

imich dieses ungeheuer ärgern. -<br />

Hr. Lachner gibt sich viel MUhe mit mir, ich war heute<br />

schon das 6te Nal in diesem Monate bei ihm, und lieB ihn<br />

em Offertorium durchschauen, weiches ich, schön geschrieben<br />

und eingebunden, als op. 18 H. Prof. Naler gewidmet<br />

habe. Hr. Lachner gefiel es gut und morgen bekommt es<br />

Hr. Naier. Wie ich das letzteival bei ietzterem war, sagte<br />

ich ihm, daB Sie, Bester Vater! ihm geschrieben hHtten,<br />

ailein, er hatte keinen Brief erhaiten und sagte, Sie<br />

möchten nochmals schreiben! - Bei ibm liegen nun 27 fi und<br />

mit jenen von Wolfinger 37 fl für mich wieder bereit. -<br />

Zu Hr. Leonhard koimne ich auch oft. Hr. Herzog soil es,<br />

so viel seine Schwiegermutter sagt, sehr gut gehen; auf<br />

Ostern konunt er sicher. Der Sohn des Hr. Direktors vom


189<br />

Conservatorium hatte mich letzthin, nachdem er mich 1 1/2<br />

Jahre ignorirt hatte, sehr freundlich eingeladen, ihm<br />

meine Oper zu zeigen; allein Hr. Schafhäutl sagte, ich<br />

solle nicht hingehen, indem ich bei Lachner an Credit embU8en<br />

würde. Zu Hr. Schafhäutl gehe ich 2 Mal wöchentlich<br />

und wir machen oft Schlittenpartien. Der Oratorien-Verein<br />

gibt nächstens Concert; als Chorrepetitor bin ich sehr beliebt.<br />

-<br />

Nächsten Freitag (Lichtmess) wird em Offertorium von mir<br />

in der Basilika aufgeftihrt, und nächsten Sonntag em anderes<br />

mit Orchestre in der Ludwigskirche. -<br />

Gegenwärtig habe ich einen Schüier in der Composition und<br />

Kiavier, Konrad Muggli aus Luzern, em früherer SchUler<br />

von Schnyder v. Wartensee. Gegenwärtig macht hier eine<br />

spanische Tänzerin, Pepita de Oliva, Furore. Man dachte,<br />

man hätte hier der spanischen Thnzerinnen genug gehabt.<br />

Bei ihrem ersten Auftreten machte sie wenig Enthusiasmus,<br />

aber nur del3wegen, weil gerade die Nachricht ins Theater<br />

kam, da2 es brenne; rlchtig brannte bei der griechischen<br />

Kirche em Haus ab. Seit Neujahr 1st es sehr kalt, heute<br />

hatte es 16° Kälte. - -<br />

Von Tschavoil jun. erhielt ich noch cinen Brief vor seiner<br />

Abreise nach Strassbourg. -<br />

Nun weif3 ich nichts mehr. Hier folgen meine Ausgaben in<br />

diesem Nonate:<br />

Für Handschuhe - 48<br />

'I<br />

em Taschenmesser - 36<br />

Für den Brief trager<br />

em Musikstück<br />

-<br />

2<br />

3<br />

12<br />

It<br />

Kerzen - 12 Dem Buchbinder (Oper) - 42<br />

I,<br />

'S Haarschneiden - 6 (Offer-<br />

I,<br />

I,<br />

I'<br />

Federn<br />

Haaröl<br />

einen Stempel<br />

-<br />

-<br />

6<br />

9<br />

torien<br />

Für Bleistifte<br />

Notenpapier<br />

- 24<br />

-9<br />

-6<br />

(für Toni) - 18 Ub er trag<br />

3 15<br />

Summa 3 15 Summarum 6 51<br />

Was machen die lieben Geschwister und Mutter? Sind sie alle<br />

gesund? - Der Toni soil mir bald schreiben, oder wer will!<br />

In der Hoffnung, da2 alle, vorzüglich aber Sie, Beste Eltern!<br />

sich gesund u. wohl befinden, verbleibe ich Ihr<br />

dankschuldigster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Correpetitor d. Orat. V. München, 29.1.55."


190<br />

Im neuen Jahr schickt Rheinberger monatlich eine genaue<br />

Liste seiner Ausgaben nach Hause, urn zu beweisen, da8 er<br />

keinen Kreuzer unnötig ausgibt. Im Oratorien-Verein hat<br />

er sich eingearbeitet und ist mit Arbeit you ausgelastet.<br />

Der Februar-Bericht nach Vaduz lautet:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Es freute mich ungemein, von Ihnen, Bester Vater und von<br />

Toni vernommen zu haben, daI3 Sie sich alle des besten<br />

Wohiseins erfreuen. Gottlob! da8 ich das von mir auch sagen<br />

kann. -<br />

Vorerst habe ich viele Empfehlungen von den Herren Maier<br />

und Schafhäutl; welch letzterer nicht auf die Pariser<br />

Ausstellung geht, denn er sagte, er htte deren dieses<br />

Jahr genug gehabt. Zu Hr. Maier gehe ich wöchentlich emmal,<br />

urn ihm Rechenschaft von meinen Arbeiten zu geben,<br />

womit er immer ausnehinend zufrieden ist. Sonntag nachmittags<br />

wird gewöhnlich bei Hr. Leonhard rnusiziert. -<br />

Zu Hr. Generalrnusikdirektor Lachner komme ich gewöhnlich<br />

alle Wochen eininal - in der Zwischenzeit besieht er meine<br />

Kompositionen und sagt mir immer, was daran auszustellen.<br />

Vorgestern (Sonntags) war ich wieder bei ihm zu Tische geladen<br />

und rnufte nachher meine, Leonhard gewidmete Sonate<br />

vorspielen. Jene Stelle, zu der ich hätte gelangen können,<br />

war in Zweibrücken in der Pfalz. Gestern gab unser Oratorienverein<br />

sein erstes Konzert mit sehr groBem verdientern<br />

Beifalle. Dieser Verein rnacht mir viel zu tun, denn<br />

oft haben die Darnen, dann wieder die Herren allein Probe;<br />

jedoch lerne ich vieles dabei und bin auf meinern bescheidenen<br />

Pos ten nicht ohne Neider. Diese Wochen traten die<br />

letzten Industrieausstellungsgaste ihre Heimreise an,<br />

närnlich die der Cholera zum Opfer gefallenen, welche ausgegraben<br />

und in ihre Heirnat geeisenbahnt wurden. Letzten<br />

Samstag vor 8 Tagen fiel hier soviel Schnee, dal3 man in<br />

der Stadt die Kommunikation nur rnir Mühe erhalten konnte,<br />

an manchen Stellen 4 - 5 ' tief. -<br />

Letzthin erhielt ich eine Vorladung auf die Polizei. Man<br />

sagte mir, es sei noch em junger Hr. Rheinberger aus<br />

Vaduz hier, lerne auch Nusik, wohne auch in der Mullerstrage:<br />

ob dieser mein Bruder ware? Ich fragte, wie er<br />

heil3e? Gabriel! Dann bin's ich selbst! sagte ich. Nun<br />

ging's Uber den armen Schreiber los, er hatte beirn Passabschreiben<br />

Josef u. Gabriel geschrieben.


191<br />

Hier noch das Verzeichnis der Ausgaben:<br />

em MusikstUck 1<br />

(Für Hr. Amtsschreiber, es war nur em Exemplar noch vorhanden,<br />

das andere ist bestelit, sie sollen bald kommen)<br />

Summa 6 fi.<br />

Das sind die Ausgaben des Februar. Für Fastnachtsbelustigungen<br />

1st, glaube ich, wenig darunter.<br />

Wie geht es zu Hause? Von Hr. Kanzelisten und dem urn 9<br />

}tann verstärkten Hr. Lieutnant höre ich garnichts. 1st Lisa<br />

verheirathet mit Hr. Oberfbrster?<br />

Leben Sie wohi, theuerste Eltern! und schreiben Sie bald<br />

ihrem dankbarsten Sohne<br />

Jos. Rheinberger<br />

Chorrepetitor des Orv.<br />

München den 27.2.55."<br />

In Nünchen besorgt Rheinberger Nusikalien für Vaduzer Bekannte<br />

und fügt folgende Zeilên hinzu:<br />

"Verehrteste Eltern!<br />

fi +er<br />

Für Papier - 9<br />

" einen Stock - 42<br />

Stahifedern - 12<br />

Notenpapler 1 12<br />

Kerzen - 12<br />

Dem Buchbinder - 24<br />

Für Umschlagpapier - 6<br />

elnen Hut ausbügeln - 12<br />

eine Hutschachtel - 30<br />

It<br />

Handschuhe<br />

Konzertzetteln<br />

-<br />

-<br />

42<br />

6<br />

Briefmarken - 9<br />

Urn dern Wunsche des Hr. Amtsschreibers Kessler zu gentigen,<br />

tiberschicke ich hiemit die verlangte Musik; es that mir<br />

leid, nicht eher ihrn dienen zu können, ich bitte, mich<br />

ihm höflichst zu empfehlen. Ich freue rnich recht auf Briefe<br />

von Ihnen, Theuerster Vater! von Anton und den Schwestern.<br />

Ich erfreue mich bestEndig der besten Gesundheit, wofür


192<br />

man Gott nicht genug danken kann.<br />

Die Cholera macht wieder einige Fortschritte, jedoch ohne<br />

TodesfHlle. Der Mutter lass ich sagen, es freue sich auf<br />

semen l6ten Namenstag ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

MUnchen, 6.3.55."<br />

Josefs Schwester Lisi bekommt auf ihren Brief elne ausführliche<br />

Antwort mit Münchner Neuigkeiten von ihrem<br />

Bruder:<br />

"Liebes Lisi!<br />

Soeben wolite ich inich niedersetzen, so lEutet's an, und<br />

ich bore elne BaBstiine fragen, ob hier nicht em Herr<br />

Schein, Fein, Klein, oder Reinberger wohne. Es war der<br />

Brieftrager. Er brachte mir 54 fi und zwei Brief e, einen<br />

vom 1. Vater, wofür ich ihm herzlichst danke, und einen<br />

Brief von Dir. -<br />

Vorerst sage dem Vater, daB ich bis jetzt 150 fi von zu<br />

Hause, 13 fi 30 +er von H. Maier und von Herrn Vetter in<br />

Schaan auch noch etwas gehabt habe, es also seine Richtigkeit<br />

mit den Ausgaben gehabt (hat). Der leise Vorwurf von<br />

Verschwendung that inir etwas wehe, denn man wird unter<br />

ineinein Ausgabenverzeichnil3e wenige (Posten) finden, die<br />

entbehrlich sind, wenn man nur etwas honnet unter angesehenen<br />

Familien erscheinen will. Letzthin zeigte mir Hr.<br />

Prof. Maier eine Büchse, weiche mit Geld angefüllt war,<br />

schüttelte sie, und meinte lächelnd, das klinge erfreulich<br />

für mich. Es waren meine BeitrHge; wie viel ich vom Verein<br />

(Oratoriuni) aus beziehe, weil3 ich nicht. Das Alles sagst<br />

Du deni 1. Vater und der guten Nutter, weiche ich herzlich<br />

grüBen lasse. -<br />

(Ende der Rede d. Finanzministers).<br />

Herr Prof. Maier besorgt inir nun wahrscheinlich einen guten<br />

Operntext. -<br />

Bel F. Lachner u. Frau Generaldirektorin fragten besonders<br />

dem Natscherle nach! ! I Der junge Lachner ist em Jahr<br />

alter wie ich, und hat gegenwErtig die Grippe, weiche sehr<br />

stark hier auftritt. I-rn Industrieausstellungsgebaude werden<br />

gegenwärtig Rekruten einexerciert. - Hier 1st das Wetter<br />

alle Tage gleich, in der Früh scheint die Sonne, wie mm


193<br />

Sommer, Mittags regnets, Abends schneits, und in der Nacht<br />

Mondschein. Was soil ich Dir noch schreiben??<br />

Auf meinen Namenstag habe ich schon 2 Einladungen erhalten,<br />

(eine von Hr. Schafhäutl u. eine vom Vater jenes Deprof3e,<br />

welchen der Peter schon kennt.) Der frUhere Buchhalter<br />

der Mangnerschen Buchhandlung 'Rosolt' (der Peter kennt<br />

ihn schon) von Feldkirch 1st jetzt bier, wenigstens hab<br />

ich ihn gesehen. Er kennt mich nicht mehr, was auch nicht<br />

nöthig 1st. Nagiller ist jetzt wieder bier, ich sehe ihn<br />

alle Sonntage; er sagte mir, er komponire bier eine Oper;<br />

er fragte besonders, wie es Hr. Schmutzer gehe, den er<br />

grüt3en lasse.<br />

Von Herrn Tschavoll jun. erhielt ich bis jetzt noch keinen<br />

Brief von StraBbourg aus, er schrieb mir Im Ganzen 3 mal. -<br />

Jetzt wirds dunkel, es ist zwar erst halb 5 Uhr, aber es<br />

schneit. -<br />

Grüf3e mir die Frau Oberförsterin 'Madame Elisa Schaner',<br />

welcher ich am Fastnachtsmontage em MaB1 Doppelbier steigen<br />

liet3.<br />

So Lisi, jetzt mach auch, daf3 Du bald nach kommst, verstanden?!<br />

Du meinst ich habe Dir nicht geschrieben wegen<br />

Mangel an Papier? Dummheiten! Dem Mali schick ich bier<br />

elnen Bluzger, der sich, weil3 Gott wie, hierher verirrt<br />

hat, damit es sich elnen Bogen Papier kauf en kann, mir<br />

zu schreiben.<br />

tibrigens freute es mich von ibm zu vernehmen, daIs es so<br />

flel$lg lerne.<br />

Was machtder 'Giggermarti'? Ich lal3 ihn grül3en; und der<br />

Hr. Buchbindermeister Toni? und Kanzelist David? und Generalissimus<br />

Peter? er wird wahrscheinlich auch zum Bundesfeldherrn<br />

vorgeschlagen sein. Seine Bestellung werde ich<br />

baldigst besorgen. Jetzt sebe ich gar nichts mebr; wer<br />

hat es dIel3 Jahr verspielt? auf dem SchloI.<br />

Jetzt grü2 mir die Sepha und nun leb' wohl<br />

Dein Bruder Jos. Rheinberger<br />

Chorrepetitor.<br />

München den 13.3.55."


194<br />

MagistratsfunktionEr Perstenfeid, bieder und bigott wie<br />

eh und je, sieht Rheinbergers charakterliche Qualifikationen<br />

in einer Gioriole, die deutlich von Interessen beieuchtet<br />

ist:<br />

"Euer Hochwohigeboren!<br />

Nach rnehrmonatiichern Stilischweigen erlaube ich mir, dasselbe<br />

zu unterbrechen, und Euer Hochwohlgeboren mit diesen<br />

Zeilen zu behelligen. Da2 in Ihrer Familie Alies im besten<br />

Wohiseyn sich befindet, hat mir Pepi schon gerneldet, und<br />

ich danke Ihnen für die herziichen Grü1e, die Sle mir durch<br />

denseiben mitbringen iiel3en. -<br />

Auch in unserer Familie ist - Gott sey es gedankt, Alles<br />

sehr gesund, und ich habe Ihnen herzliche Gruge an Sie<br />

und die Ihrigen von meiner Frau und meinem Ludwig entgegen<br />

zu biethen. -<br />

So viel ich wahrnehrne., wird Pepi's Aufenthalt in München<br />

nicht mehr von sehr langer Dauer seyn, und ich denke daher<br />

jetzt schon -mit bangem Herzen an die Scheidestunde, wo ich<br />

diesen mir so ileb gewordenen Sohn - denn ais soicher gait<br />

er in unserer Familie - verileren soli. Er 1st mit den zunehmenden<br />

Jahren iiebenswilrdiger geworden, und sein edies<br />

Herz spiegeit sich in seinem AuBeren, sein Charakter ist<br />

fest, sein Benehmen augerst soiid, sein ganzes Wesen fiogt<br />

Zuneigung und Wohiwoilen auf seine Urngebung em.<br />

Wenn es nicht Sünde wEre, so wiirde ich Sie urn das Giück,<br />

einen soichen Sohn zu besitzen, beneiden.<br />

Da13 er elne Zierde - ja vielieicht der Glanzpunkt Ihrer<br />

Farnilie wird, 1st fast auIer aliem Zweifel, denn sein Name<br />

wird vielieicht bel der Nachwelt so ehrenvoll kiingen,<br />

wie die Harmonien, die sein junger schöpferischer Geist<br />

schafft. Die Verehrung, die ihm hier durch ausgezeichnete<br />

l4Enner gezolit wird, 1st mir Bürgschaft für den eben ausgesprochenen<br />

Satz, und Sie werden einst an meine Worte<br />

denken, wenn auch durch die LEnge der Zeit mein Name anfEngt<br />

sich in Ihrern GedEchtnige zu verwischen. -<br />

Uns wird sein vierjEhriger Aufenthait in unserer Mitte unverge2lich<br />

bleiben, und ich habe den sehnlichsten Wunsch,<br />

wieder - nach seiner dereinstigen Abreise - einen jungen<br />

Menschen zu bekommen, der ihm doch nur einigermal3en gieicht.<br />

Haben Sie vieiieicht in der Folge einmai Gelegenheit, mir<br />

elnen Knaben oder JUngling, der aber kathoiisch seyn mug,


195<br />

zukommandiren zu können, so wird es mich recht freuen;<br />

ich habe gerne junge Leute urn mich, die Kopf und Herz<br />

auf dem rechten Fleck haben.<br />

Freilich rnii8te es em ganz gut erzogener Junge seyn, damit<br />

er es auch behaglich bei uns finden kann; denn em<br />

Schwindlèr: würde es bei uns nicht aushalten können, dem<br />

ware es zu langweilig. In den langen Winterabenden z.B.<br />

wird zur Erhebung aus irgend einem guten Buche vorgelesen,<br />

und an Sonn- und Feyertagen Nachmittags begnugt man<br />

sich mit einem Spaziergange auf em nahegelegenes Dorf.<br />

Karneradschaf ten werden in der Regel nicht, sondern nur<br />

ausnahrnsweise geduldet, wenn nämlich unzweideutige Beweise<br />

von Rechtschaffenheit vorhanden sind. -<br />

Das Honorar richtet sich nach den Zeitverhältnissen. Es<br />

wird mir sehr angenehm seyn, wenn Sie mich mit einem<br />

Brief e beehren, und in Erwartung dessen empfehle ich mich<br />

mit der volikommensten Hochachtung,<br />

und nenne mich<br />

Euer Hochwohlgeboren! ergebensten Freund<br />

Joh. Ev. Perstenfeld<br />

München, den l5ten März 1855."<br />

Zum Ende des Monats MHrz erhalten die Eltern von Josef die<br />

Ubliche Ausgabenliste und einen kurzen Rapport.<br />

Er schreibt:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Da Ihnen Lisi wohi gesagt haben wird, was ich ihr in meinem<br />

letzten Brief vorn (ungefahr) l3ten dieses Monats geschrieben<br />

babe - so babe ich nur noch wenig Neues beizufUgen<br />

- d.h., da8 ich mimer gesund bin und nicht weniger<br />

fleil3ig. -<br />

An meinem Namenstage war icb bei Hr. Prof. SchafhHutl zu<br />

Tisch geladen, wobel ich auch Hr. von Salis-Sogilo spracb;<br />

hernach fuhren wir auf's Land, in die Menterschwaige, wo<br />

Ich -mit Peter auch gewesen bin. (Peters Bestellung babe<br />

ich nachgefragt und inne geworden, daB eine soiche SHbelkuppel<br />

mit doppelten Borten und weiB Gott noch was -<br />

13 fi 30 +er koste). -<br />

Letzthin batten wir a la Mentschikoff scbönes Wetter und<br />

sonst - nicht Neues; jetzt schneits wieder und ist ziemlich<br />

kalt. Uber Ostern werde ich nicht nach TUrkenfeld


196<br />

gehen, well Hr. Herzog nach Nünchen kommen wird. Hr. Prof.<br />

Maier geht nach Greifenburg und von da nach Türkenfeld.<br />

Wenn ich den Toni seine Bestellung (die ich übrigens noch<br />

nicht kenne) schicke, werde ich dann auch noch zwei Photographien<br />

schicken; eine Ansicht von Vaduz und eine von<br />

meiner Vaduzer-Wenigkeit, die mir elner meiner Freunde<br />

(Sohn des kgl. sgchs. Hofr. Hanfstangl, der mich früher<br />

für Hr. SchafhHutl photograpiert) umsonst verfertigt hat.<br />

Tschavoll jun. von Feldkirch hat mir nun wieder von StraBbourg<br />

geschrieben, ich mu8 ihm nun eine Composition für<br />

Violine schreiben. Wir sind nun per Du.<br />

Meine Ausgaben Monat März<br />

fi +er<br />

Den Brieftrger - 18<br />

den Schuhmacher 2 -<br />

das Notenheft für Hr. Kessler 1 -<br />

Notenpapier - 48<br />

Kerzen - 12<br />

Haarschneiden - 9<br />

für Seife - 6<br />

Sumrna 4 33<br />

NB. An meinem Geburtstag 19 +er verlumpt !!!<br />

Schlief1ich lasse ich alle nochmals herzlichst, vorzUglich<br />

die liebe Mutter, grüf3en und danke Ihnen, Theuerster<br />

Vater! für alles empfangene Gute und verbleibe Ihr dankbars<br />

ter Sohn<br />

Jos. Rhèinberger.<br />

München, 30.3.55."<br />

Einen Monat spHter lautet der Bericht ins Elternhaus:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ich hEtte diesmal gem gewartet mit schreiben bis Toni<br />

mir geantwortet hätte, allein darüber ware der Monat zu<br />

Ende gegangen. - Hat Peter denn seine SHbelkuppel nicht<br />

erhalten, well ich keine Antwort bekam? -<br />

Theuerste Eltern! Oft denke ich, werde ich dieses ganze<br />

Jahr hier in München bleiben können, oder wohin sonst?


197<br />

Hr. Prof. Schafhäuti spricht freilich davon, wie von einer<br />

ausgemachten Sache, aber ich will ihn auch nicht geradezu<br />

fragen. Wenn ich hier nur elne kieine Steile hätte, das<br />

Ubrige ware meine Sorge, - wenn ich nur urn 3 - 4 Jahre<br />

alter ware - hörte ich schon oft. - - -<br />

Letzthin wurde im Saaie des kgi. Conservatoriums em Quintett<br />

(op.l9) von mir aufgefuhrt, was sehr gefiel. Ich bekam<br />

darüber verschiedene Complimente.<br />

Dass Herzog hier war, habe ich schon geschrieben. Gestern<br />

begegnete ich Hr. Salis-Soglio. Er fragte inich unter anderm<br />

ob Peter wohi Lust hHtte, in österr. Dienste zu treten;<br />

ich sagte, ich wilsste es nicht, worauf er bemerkte, wenn<br />

dem so ware, würde er mit FUrst Schwarzenberg reden, der<br />

wUrde lb-rn nichts abschiagen. -<br />

Ich befinde mich sehr wohi, was ich auch von zu Hause zu<br />

vernehmen hoffe, besonders auch von Ihnen, teuerster Vater! -<br />

Morgen, (1. Mai) werde ich, well das Wetter hUbsch ist,<br />

nach Starnberg fahren. Nächstens ist wieder Concert des<br />

Oratorien-Vereins, wobei ich auf der Orgel (noch iminer mein<br />

Lieblingsinstrument) auch mitwirken werde, wozu ich mir<br />

einen schwarzen Rock anschaffe. -<br />

Der Toni soil mir bald schreiben, oder der brave Hr. Kanzelist.<br />

Was -macht die Liebe Mutter, - spinnt sie fleissig?<br />

Indem ich auf einen baldigen Brief von Ihnen, Theuerster<br />

Vater! hoffe, verbielbe ich Ihr dankschuldlgster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Ntinchen, 30.4.55."<br />

Im folgenden Brief kündigt Rheinberger die Komposition<br />

einer grofen Oper an. Dieses Werk, nach einem Text von<br />

G.A. Hemmerich, wurde nur bis zum ersten Akt fertiggestelit.<br />

"Theuerster Vater!<br />

Soeben erhielt ich die lieben Briefe von zu Hause und da<br />

ich gerade em Stündchen Zeit habe, beelle ich mich, Ihnen<br />

zu antworten. Ihr Fussleiden hat mich tief betrUbt, gebe<br />

Gott, dass es bal4 vorüber gehe. Das Lisi oder sonst jemand<br />

soil mir ja recht bald schreiben, wie Sie sich, innigstgeliebter<br />

Vater befinden; ja recht bald!<br />

Nein Rock hat 16 Gulden gekostet, jedoch 1st es durchaus


198<br />

nicht nöthig, dass Sie mir jene 10 fi schicken, denn so<br />

viel, als ich ausserordentliche Ausgaben babe, yerdiene<br />

ich mir schon.<br />

Einen Operntext babe ich nun glucklicherweise gefunden,<br />

und zwar bei einein jungen, beinahe blinden Dichter; er ist<br />

gesonnen, ihn mir nach folgendem Bedingnisse zu überlassen,<br />

dass ich ibm, im Falle die Oper aufgeführt würde, die Halfte<br />

des Honorars zukommen lasse, weichen Contract ich mit<br />

ibm sogleich schloss. Die Oper wird gross, wenn es gut geht,<br />

kann ich damit in einem Jahr fertig werden. GegenwHrtig<br />

componire ich eine Symphonie op.22, weiche sehr den Beifall<br />

des Hr. Generalmusikdirektors hat.<br />

Es freut mich, zu vernehmen, dass die Kuppel dem Peter gefallt;<br />

ich werde Hr. Salis genau ausrichten. Dem Toni Gruss<br />

u. das nämliche. Die Mutter soil mir jenen Thaler nicht<br />

schicken, sie soil's es für geschehen betrachten und sich<br />

eine gute Prise Tabak anschaffen, wovon ich auch schnupfe,<br />

im Falle ich dieses Jahr nach Hause kame. -<br />

Indem ich den lieben Gott bitte, Sie, Verehrtester Vater!<br />

baldigst von diesem Ubel zu befreien, verbleibe ich Ihr<br />

dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

München 8.5.55."<br />

Uber das Konzert des Oratorienvereins, bei dem Rheinberger<br />

als Organist mitwirkte, schreibt der "Münchener Punch" in<br />

seinem artistisch-literarischen Teil vom 20.5.1855:<br />

"Em schöneres Lebens- und Strebenszeichen konnte der unter<br />

Frhrn. v. Perf all's unermUdlicher Vorstandschaft bestehende<br />

Oratorienverein nicht von sich geben, als die Auffuhrung<br />

des Händel'schen "Simson"(comp. 1741), worm wir die emfache<br />

aber unwiderstehliche Wahrheit und Klarheit der Melodie,<br />

den kraftvollen Schwung der Chore und die Gewalt meisterhafter<br />

Ensembles bewundern. Die ChOre selbst, mit Orchester-<br />

und Orgelbegleitung, gewannen vorzUglich dadurch,<br />

dass sie von jungen frischen Stimmen vorgetragen wurden.<br />

Zwei ausgezeichnete Mitglieder besitzt dieser Verein in<br />

Fr. v. Mangstl-Hetzenecker 'und Hrn. Diez: erstere sang den<br />

Flicha, letzterer den Simson. Besoners origmnell und drastischSt<br />

der Trauermarsch mit obligater Orgel und Pauke."


199<br />

Vom 15. April bis zuxn 15. Juni, also in einem Zeitraum<br />

von genau zwei Monaten, schrieb der i6jährige Rheinberger<br />

seine erste Sinfonle in D-dur, JWV 41, für grol3es Orchester.<br />

Das im nachfoigenden Brief erwähnte Streichquintett in<br />

D-dur, JWV 35, war zu Anfang des Jahres entstanden. Rheinberger<br />

berichtet nach Hause:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Aus Ihren verehrten Zeilen ersah ich zu meinem Leidwesen,<br />

dass sich ihr Fussleiden noch nicht gehoben hat, hoffentiich<br />

aber wird es seit dieser Zeit besser geworden sein. -<br />

Nun zu meiner Symphonie. Letzten Freitag nachts wurde ich<br />

damit fertig. Hr. Prof. Schafhäuti glaubt, sie werde sehr<br />

gefallen. Sie beträgt 160 Seiten und 1st die angestrengte<br />

Arbeit von 2 Monaten. Nun ist sie beim Buchbinder und wird<br />

trotz einem Ant. Rheinberger, Ritter des Papier- und Lederordens<br />

etc. sehr schön eingebunden. Von deren Gelingen kann<br />

vieiieicht manches abhängen. - - -<br />

iJberinorgen wird sie Hr. Lachner vorgelegt. Dann zur Oper:<br />

Zwei Akte habe Ich von meinem Dichter erhalten, zwei soil<br />

ich noch bekommen. Die Ouvertüre babe ich schon skizziert,<br />

und noch manches andere, aber in Partitur zu setzen werde<br />

ich noch warten, bis ich's beisammen habe. Vieileicht bald<br />

Näheres darüber. - - -<br />

Lisis Bestellung gab ich heute post. rest. Sevelen an Fräulein<br />

Elise Rheinberger auf die Post, nebst den Photographien<br />

von Vaduz und meiner Wenigkeit; Donnerstag kann es jedenfails<br />

nach Sevelen gehen; auch babe ich dem Mali em Briefchen<br />

beigeschlossen. -<br />

Das Konzert des Oratoriumsvereins war em geschiossenes,<br />

nur den ausserordentiichen Mitgliedern zugängliches; deswegen<br />

konnte nichts in der Aug. Ztg. sein. - Hr. MUller<br />

von Baizers bedaure ich sehr und wiinsche ibm von Herzen<br />

Besserung; ibm und seiner werten Familie viele Grüsse von<br />

mir. - - -<br />

Der Nachfolger des Hr. Herzog heisst Scherzer, em Verächter<br />

unserer Kunstheroen, was Zeugnis genug 1st; er<br />

macht mir bei jeder Gelegenheit Complimente über mein Quintuor,<br />

weiches er zufällig hörte; auf der Orgel jedenfalls<br />

nicht schlecht, aber könnte kaum eines Herzog's Kammerlakai<br />

sein.


200<br />

Von Toni habe ich noch keine Rückantwort, hoffentlich wird<br />

er seine Sendung zu seiner Zufriedenheit erhalten haben. - -<br />

Was machen Postmeiers? Besuchen sie uns oft? Viele Grüsse<br />

an alle. -<br />

Nach der Auffuhrung -meiner Symphonie werde ich jedenfalls<br />

gleich schreiben und Bericht erstatten. -<br />

Doch nun 1st es Zeit, in den Oratoriums-Verein zu gehen.<br />

Indem ich Ihnen, Theuerster Vater! vielmals meinen kindlichen<br />

Dank für Ihre -väterliche Sorge erstatte, verbleibe<br />

ich Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

11ünchen, den 18.6.55 bei April-Wetter.<br />

Die Mutter lass ich grUssen!!"<br />

Die Schwester Elisabeth erhält zu gleichen Zeit elnen launigen<br />

Brief. Rheinberger schreibt ihr:<br />

"Lie- - - -bes Lie - - si!<br />

Dein Briefchen hat mich Uberrascht, besonders aber, da8<br />

die Titl. Hr. Brüder so spleen- -did sind, und dir Widder<br />

Ei- -nen neuen Hut kauf en. Das Wirth Hitz gekostet haben!<br />

Es freut -mich zu vernehmen, daB Ihr Alle Euch so wohl -<br />

findet und kein fl Euch Dissonanzen hören laf3t; und daB<br />

das Nat-scherli so f--läusig ist.-<br />

Gestern hatten wir hier Feuer--tag(Samstag), es war hier<br />

"Kelbe" (St. Benno). Es regnete den Gans--en Tag, und ich<br />

hatte Laa- - - -nge Weile -.<br />

Nachmit tags war ich bei einem Regierungsrath El--nladen<br />

zu einer Soirée musicale, wo ich mit--würgte.<br />

Abends ging ich mit Ei--nemFrei--nde zum Baden nach der<br />

Georgensschwaige, einer Bad- nstalt, eine Stunde von<br />

hier. -<br />

Heute 1st Sonn--talg, es regnet Widder. Ich koimne soeben<br />

aus Theer Kirche, und will vor dem Essen Thier noch Schrei-<br />

-ben.-<br />

Sinstag Abends 8 Uhr .wurde ich mit der Symphonia fertig -<br />

sie hat gerade 160 Säu--ten; das 1st a "Bumma-Arbet"<br />

dHth der Hans sagen. Ich weiB nicht, das mir Haute nichts<br />

Scheit--es- Ein--fallt.<br />

(Die Fee--der gehtMüh--sehr--Abel schlecht, und ich schrei-


201<br />

be doch so schön!!) Hieit Ehr--halt--est du auch meine<br />

Faut--o--Graf--i nun.<br />

Ich mach da gerade El--n so Sau--res Gesicht, well ich<br />

eben an Dich Dach--te.<br />

Letzthin muBte ich mit Eu--neer Gräf in Luxburg oft Kla--<br />

Feuer spielen, jetzt ist sie A--Beer aufs Land<br />

gegangen.<br />

tin Oratorien-Vö--rein geht nicht Meer flel zu--Saamen,<br />

weil Allee Frau--unzlefer aufs Land gehen.-<br />

(Ich baa--b das Teu-dtsche gans ferlernt, well ich nur<br />

Neer - MUnch - närrisch röthe.-)<br />

Das BUr ist jeezd Soeur Theuer, es kostet das Ma131 elnen<br />

6öhr und em Lodwiks dr. .erl und 2 Pfe- - -ninge, summarum<br />

7 1/2 er.<br />

Frau Auber--first--Ehr--Inn laB ich krU-s-s-en und - - -<br />

6 Takte Pausen.<br />

Jetz Wirth aufdekt, und zsoppastootufamdesch - und nach<br />

dem sen Widder 11eer.<br />

NehrereiYhiesigen Dr.. .Componisten 1st es nicht recht daB<br />

melne Symphonie aufgeführt wird, sie können mich - - - -<br />

gem haben.<br />

Jetz Gseagsgottfl!<br />

So jetzt war ich fertig; jetzt was Hanni gessa - a Soppa,<br />

a Brötle und an Salötle und 1/2 bir; und Du an Rebal und<br />

Polenta und an Erbssoppa und Koirabe und melun, fuldieival<br />

romanisch bon a sera, bien-di, sessel ed ada, grando land<br />

amnia piestch. Ii d'iakob antoni vien cal potschambeeli,<br />

oder so nänmds<br />

Letzthin erhielt ich von elner Baronesse Riederer für<br />

Orgelspielen em See--rschönes Haistuch zum Geschenke,vielleicht<br />

bekomme ich noch em paar stoppane souvenir<br />

Vaterinörder zum Präsident oder a Böxle voll Bartsalbe.-<br />

Auchwirthleperstenkeingeld lot dl grüzza, und gibt dir a<br />

Schmatzerli, halt,johalt,johalt a guats, jtzt bhUatigott,<br />

befohlazgrUl3a und schrieben bald a seen broder<br />

gentleman englishman<br />

Renomonte . -


202<br />

Julius Josef Maier, der sich urn die Finanzierung von Rheinbergers<br />

Ausbildung in Münchenweiterhin bemühte, schrieb<br />

am Ende des Semesters an Rheinbergers Vater:<br />

"Verehrtester Herr Rentamtrnann!<br />

für Joseph habe ich eingenommen:<br />

freiwillige vom Novbr. 54 bis mci. Juni 55 erhobene<br />

Beltrage (8 Monate 13 fi 30kr) = 108 fi<br />

freiwillige Beiträge der Oratorienveremnsrnitglieder für<br />

Joseph's Ciavierbegleitung = 42 fi<br />

150 fi<br />

Hiervon hat Joseph folgende Posten erhoben:<br />

13 fi 30 kr<br />

22 fi -<br />

22 fi -<br />

4 fi 30 kr<br />

15 fi 30 kr<br />

30 fi -<br />

107 fi 30 kr<br />

Es verbielben somit bei mir noch 42 fi 30 kr.<br />

(Der ietzte von Joseph erhobene Posten von 30 fi ist für<br />

Monat Juli, August u. Anfang September bestinimt, denn:)<br />

Anfangs August werde ich München veriassen und erst zum<br />

10.f12. Sept. wiederkehren. Nun woilte ich Sie fragen, ob<br />

ich die betreffenden 42 fi 30 kr und die Beiträge pro Juli<br />

u. August = 27 fi Joseph seibst baar aushändigen oder bei<br />

meinen Bekannten deponieren soil, wo Joseph, fails sich<br />

eine aul3ergewöhniiche Ausgabe ergeben soiite, das Nothige<br />

erheben könnte? Ich möchte hierüber, ohne Ihre Einstirnmung,<br />

nicht beschiie8en.<br />

Joseph 1st sehr fiei8ig, er hat eine überraschende Anzahi<br />

gröl3erer Compositionen gemacht, die einen sehr erfreulichen<br />

Fortschritt bekunden und die schönsten Hoffnungen berechtigen.<br />

Ich freue mich herziich, Ihnen dief3 rnittheilen zu<br />

können. Nun möchte ich mir unmaBgeblicherweise aber eriauben,<br />

zu wünschen, daB Sie Joseph während der Zeit, ais der<br />

Oratoriurnsverein keine Proben halt (- 1. Oct.) hier iassen<br />

und nicht nach Hause ruf en rnöchten. Die Gründe hierfür sind<br />

einfach foigende: Joseph hat 2 Privatstunden, diese würde<br />

er wahrscheiniich einbüBen, indem die 2 Schüler bel einer<br />

soiangen Unterbrechung sich wohi urn einen anderen Lehrer


203<br />

uxnsehen wUrden. Elne Symphonie Josephs wird aufgefUhrt<br />

werden, frUhestens Anfangs August, möglicherweise auch<br />

kurz oder lang nachher u. es ware sehr gut, wenn Joseph<br />

nach ihrer AuffUhrung hier bliebe, well er in Folge dessen<br />

Privatstunden erhalten könnte. Da Joseph's Interesse es<br />

verlangt, daB er hier bekannt werde, Terrain gewinne, so<br />

1st auch nöthig, daB er inmier vorhanden 1st, denn nach<br />

einer Abwesenheit von 2 - 3 Monaten mUBte er in vielem<br />

wieder vorne anfangen. Erarbeitethier ungestörter und<br />

angeregter als zu Hause, denn er hat fast taglich Gelegenheit<br />

gute Compositionen u. em tUchtiges Orchester zu<br />

hören, woran er lernen kann und muB. Und überdieB kann er<br />

Herrn Generaldirektor Lachner täglich zu Rathe ziehen. Ich<br />

möchte Ihnen daher, im Interesse elner bald zu erlangenden<br />

selbstHndigen Stellung Josephs rathen, ihn hier zu lassen.<br />

Ich würde Ihnen schon längst geschrieben haben, hätten<br />

mich nicht Prlvatstunden u. die Vorbereitungen zu unseren<br />

SchluBprUfungen so gar sehr in Anspruch genoinmen.<br />

Nun leben Sie ferner wohl - mit Freude habe ich von Joseph<br />

erfahren, daB ihr FuBtibel beseitigt 1st - grUBen Sle mir<br />

Ihren SohnLeutnantund schreiben Sie mir gefHlllgst noch<br />

vor meiner Abreise über die Geldf rage.<br />

Ihr dienstergebener Julius Maler<br />

SchwanthalerstraBe 26/2<br />

München 19.Juli 55"<br />

Johann Peter Rheinberger antwortet auf das vorstehende<br />

Schreiben mit folgenden Zeilen:<br />

"Wohigeborener,<br />

verehrtester Herr Professor!<br />

Auf Ihre an mich in Ihrem werthesten Schreiben vom l9ten<br />

dies in Betref der Kassaangelegenheit meines Sohnes Joseph<br />

gestelite Frage, muf3 ich die hierinfallsnothwendige VerfUgung<br />

ganz und urn so mehr Ihrer gütigen Ansicht anheim<br />

stellen, well Sie den Knaben und seine dortigen Verh4ltnisse<br />

am besten kennen. Ebenso, well ich weil3 daB Sie mehr<br />

als väterllche Sorge für das Wohl meines Sohnes tragen,<br />

fUge ich mich recht gerne Ihrem Rath, und werde ihn in<br />

Folge desselben noch auf elnige Zeit, und bis die Verhältnisse<br />

etwas anderes gebieten werden, In MUnchen belassen.


204<br />

Eingetrettene rnil3beliebige Urnstände dringen niir zwar<br />

das Bedauern ab daB ich rücksichtlich seiner Unterstützung<br />

sehr schwer thun werde. Was inir aber mimer möglich sein<br />

wird, werde ich zur Lohnung seines FleiBes, dessen Sie<br />

inich schon früher, und in Ihre-mletzten lieben Schreiben<br />

zu meinein innigsten VergnUgen wiederholt versicherten,<br />

zu thun inich bestreben.<br />

Indem ich Ihnen nun, verehrtester Herr Professor! für Ihre<br />

groBen. und au2ergewöhnlichen BeinUhungen den tiefgefuhltesten<br />

Dank erstatte, bin ich schon wieder gezwungen Sie mit<br />

der neuen Bitte zu belastigen: -meinein Sohn Ihre bisherige<br />

liebevolle Gewogenheit nicht entziehen 'und ihn ferner derselben<br />

würdig halten zu wollen.<br />

Urn die Gewhrung dieser ineiner Bitte bittet Sie auch mein<br />

Sohn, der Lieutenant, welcher Sie -mit -mir recht herzlich<br />

grüBt , und Ihrem ferneren Andenken empfiehlt.<br />

Nit nochinaliger Wiederholung -meines herzlichsten Dankes<br />

ernpfiehlt sich Ihnen hochachtungsvoll<br />

Euer Wohlgeboren<br />

dankverpflichtets-ter Freund<br />

J.P.Rheinberger. Rtmstr.<br />

'Vaduz den 25. Juli 1855."<br />

Rheinberger selbst schreibt nach Vaduz:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Obschon ich schon lange keine Nachrichten von Vaduz hatte,<br />

so hoffe ich doch, dass Sie sich immer wohl und gesund befinden,<br />

wie es bei imir der Fall 1st. -<br />

Hr. Maier wird wegen meines Hierbleibens geschrieben haben!?<br />

Die Aufführung meiner Symphonie musste auf heute (30ten)<br />

über 8 Tage verschoben werden; sie wird schon gefallen, dafür<br />

stehe ich. -<br />

Zwei Sonaten (eine für Clavier, die andere für Violine.<br />

und Clavier) schickte ich vor Tagen nach Leipzig zum Drukken,ich<br />

erhielt natUrlich bis jetzt noch nicht Nachricht.<br />

Vielleicht bekomme ich auch Honorar; für jetzt natürlich<br />

darf ich noch keine Anspruche machen. -


205<br />

Prof. Maier geht auf 4 Wochen aufs Land, Prof. Schafhäutl<br />

wahrscheinlich auch. Gestern war ich wieder mit ihm in<br />

Starnberg. Gegenwärtig versehe ich die Kirchendienste in<br />

2 Kirchen (St. Michael und Basilika), wo die Hr. Organisten<br />

nicht viel können und faul sind, da wissen sie mich schon<br />

zu finden.<br />

An meiner Oper kann ich a prêsant nur wenig arbeiten, weil<br />

ich jetzt zu viel zu thun habe. -<br />

War die SHngerin Wernike-Bridgeman, weiche hier Konzert<br />

gab, nicht die Schwiegertochter des Bischofs Bridgeman in<br />

Feldkirch? -<br />

Sie hat nicht besonders gefallen.<br />

Hr. Nagiller sehe ich öfters. - Er erkundigt sich sehr urn<br />

Hr. Schmutzer in Feldkirch. Jetzt hHtte ich wieder eine<br />

Hose und em Gilet nötig. -<br />

Nach der AuffUhrung meiner Symphonia werde ich sogleich<br />

schreiben, dem Toni, dem Matscherle und dern Lisi. Was macht<br />

Peter, David und Josepha? Und vor alien die liebe Mutter?<br />

Einer baldigen Nachricht entgegensehend verbleibe ich,<br />

Theuerster Vater! Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

MUnchen, 30.7.55"<br />

In den Sommerferien, die Rheinberger in Mtinchen verbrachte,<br />

schickt er nachfolgenden Bericht nach Vaduz:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Soeben, wie ich nach Hause komme, liegt Ihr theures Schreiben<br />

auf dern Tische. - Heute früh sagte mir Hr. Professor<br />

Maier etwas von Ihrem Briefe; die Zögerung ist mir sehr<br />

begreiflich, denn Hr. Maier war vor 14 Tagen (ungefähr)<br />

nach Karisruhe verreist und kam erst gestern zurück; -<br />

wird aber morgen wieder fortreisen; er lasst alle grUssen.<br />

In Betreff der Symphonia habe ich nur zu berichten, dass<br />

die AuffUhrung nicht stattfinden konnte, weil grosse Besetzung<br />

noch nicht zu haben war und ich dem Direktor geradezu<br />

sagte, dass ich sie mit kleiner Besetzung nicht geben<br />

lasse. Der Direktor sagte, es sei ihm sehr viel daran gelegen,<br />

dass sie gut gegeben werde; er versprach sie mir<br />

mit grosser Feierlichkeit am Namenstage der Königin Marie<br />

(Maria Geburt) gewiss aufzuführen; Schafhäutl freut sich


206<br />

umgemein darauf und sagt Beif all voraus, was mich mehr<br />

freut, als 100 besteilte Bravoschreier; jedenfalls miete<br />

ich mir auf jenen Tag einen schönen Frack und studire<br />

"Verbeugungen" em. Lachner gibt sich viele Mühe mit mir<br />

und hat mich genie, so wie auch seine Familie. -<br />

Mit Tschavoll habe ich toujours corrspondence francaise;<br />

er schrieb mir vor 3 Tagen; er hat eine Violine urn 3000 fr<br />

gekauft. Ich muss mich wieder photographieren lassen, ihm<br />

mein Bud und em Violinkonzert (von mir noch zu componiren),<br />

schicken. Stunden zu geben habe ich wöchentlich 5<br />

(3 dem Schweitzer und 2 einem würtemb. Schullehrer, auch<br />

Schüler von J. Maier) und soll daftir monatlich (von beiden)<br />

8 fl einnehmen; jedoch ist auf diesem Punkt der Schweitzer<br />

(em geld- und talentarmer Tropf) sehr vergesslich,<br />

dass ich oft sage, die oder jene Stunde gelte nichts, weil<br />

ich nur eine 1/2 Stunde ihm gegeben habe, wobei er oft<br />

froh ist; (solche Leute meinen immer, wenn sie zu einem<br />

Schuster nichts taugen, so werden sie Componisten, gehen<br />

1/2 Jahr in die Lehr und sind 'tfertig"; Pfui!) Der Wiirttembergerist<br />

fleissig und bray, obschon erst 45 Jahre alt.<br />

Dann nehme ich seit einem Monate beinahe täglich englischen<br />

Sprachunterricht; nämlich em Freund von mir lernt es bei<br />

seiner Schwester, welche 6 Jahre in England war und deni es<br />

allein zu langweilig, sagte, ich solle mit ihm lernen, was<br />

ich auch that; oft lachte Schafhäutl, wenn wir Sonntags<br />

fortfuhren und ich englisch sprach. - Was Maier mit den<br />

30 fl meinte, verstehe ich nicht, ich erhielt 45 fl, er<br />

muss sich verschrieben haben. Frilher einmal brauchte ich<br />

4 1/2 fi für den Notenschreiber meiner Symphonie.<br />

Letzthin las ich in einem hiesigen Lokaiblatte beiliegende<br />

Todesanzeige: das Liese soll Frau Oberstforstmeisterschauerlise<br />

fragen, ob das nicht die Klavierspielerin-Tochter der<br />

Feldkircher Assmann, welche vis a vis dem Ochsen wohnte,<br />

war; - und soll es mir dann schreiben. -<br />

Neine Garderobe ist en bon tat. Auf's Oktoberfest wird<br />

im Glaspalaste em Riesenkonzert veranstaltet. Von nieinem<br />

Verlage in Leipzig babe ich bis dato noch nicht Antwort.<br />

Die Liebe }Iutter lasse ich vielmals herzlich grtissen, sowie<br />

die Ubrigen. Ihnen verehrtester Vater! danke ich vielmals<br />

für das tiberschickte Geld und bitte Gott, Ihnen stets<br />

Gesundheit und Zufrieclenhejt zu erhalten! Nochmals alien<br />

meinen Gruss! Jos. Rheinberger<br />

Munchen,7.8.55


207<br />

Während Pheinberger an semen beiden Opern komponierte,neben<br />

der grot3en Oper hatte er auch noch die Opera buffa<br />

"Die Wette", JWV 46, in diesem Herbst in Arbeit - ging<br />

die Münchener Erstauffuhrung von Richard Wagners "Tannhäuser"<br />

tiber die Hofbühne, em Ereignis das als Mustervorstellung<br />

in der Presse (vgl. MUnchner Punsch v. 19.8.<br />

1855) gepriesen wurde und sicherlich die jungen Musiker<br />

lebhaft beschaftigte. Ob Rheinberger diese Aufführung<br />

gehört hat, ist nicht belegt; dal3 er den Besuch den Eltern<br />

gemeldet hätte, ungewil3. .Sein Bericht am Ende des Monats<br />

jedenfalls ist von prosaischer Ktirze:<br />

"Verehrteste Eltern!<br />

Sie werden mein letztes Schreiben wohl erhalten haben. Ich<br />

befinde mich immer wohl und gesund, was ich auch hoffe,<br />

von Ihnen zu htiren. -<br />

Die Herren Schafhäutl, Maier, Leonhardt sind nicht hier<br />

gegenwärtig, umso einförmiger ist nattirlich meine Lebensweise.<br />

mimer gebe ich meine Stunden, studire die englische Sprache<br />

und schreibe hauptsâchlich an meinen zwei Opern. Die eine<br />

nämlich ist sehr klein und komisch, deswegen ich auch bald<br />

fertig sein werde, die andere ist die grosse Oper: Lucius<br />

Aula. -<br />

Gegenwartig spiele ich bestandig auf der St. Michaeliskirch.-Orgel.<br />

General Salis-Soglio ist gegenwärtig in der<br />

Schweiz (Chur?). Letzthin machte ich Bekanntschaft mit einemSchweizer<br />

Kull aus Lenzburg (Aargau), dessen Töchterchen<br />

hier Violoncello lernt. Salis hatte ihm von mir gesagt.<br />

In 14 Tagen wird nun meine Symphonia aufgefuhrt, wenn nicht<br />

wieder etwas dazwischenkoinmt. -<br />

Täglich erwarte ich Antwort aus Leipzig wegen dciii Drucke<br />

zweier meiner Werke. -<br />

Das Wetter ist gegenwärtig sehr schön und furchtbar heiss,<br />

weswegen ich beinahe täglich zum Baden gehe.<br />

Was macht der Peter?<br />

'I U ti Toni ?<br />

U U U David?<br />

Und die liebe Mutter? Jetzt ist gerade em Jahr vorbei, dass<br />

wir unsere Sesseigrandama-Reise machten; da denke ich oft<br />

daran. Wie ich höre, sollen die Wein-Aussichten im Rheintale<br />

wieder ungUnstig scm?


208<br />

Bis nach Auffuhrung meiner Symphonia werde ich Ihnen wieder<br />

schreiben, Theuerster Vater! -<br />

GrUsse an alle Bekannten! Nun, Theuerste Eltern! leben Sie<br />

wohi; auf baldige Antwort harrend verbleibe ich Ihr dankbarster<br />

Söhn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Nünchen, 30.8.55.1?<br />

Nach der Aufführung von Rheinbergers Streichquintett in<br />

D-dur im Conservatorium fand er mit der zum Namensfest<br />

der Königin am 15. September 1855 im Privat-Musikverein<br />

erfolgten ErstauffUhrung seiner I.Sinfonie grof3en Erfoig<br />

und öffentliche Anerkennung:in Nünchen. Sein Bericht nach<br />

Hause hat folgenden Wortlaut:<br />

"Theu&rster Vater!<br />

Ihrem Wunsche gemäss beeile ich inich, sogleich nach der<br />

AuffUhrung meiner Symphonia zu schreiben. Als die Probe<br />

(Letzten.Freitag) war, bekam ich wohi etwas Angst: nicht<br />

wegen der Symphonie, sondern wegen den Musikern, weiche<br />

gewohnlich die Werke jüngerer Compositeurs nicht gem und<br />

auch schlecht spielen; als sie aber das Werk in der Probe<br />

kennengelernt, spielten sie mit Eifer und Liebe; schon in<br />

der Probe klatschten mir die Musiker zu, als ich dirigierte.<br />

Gestern holte ich mir vom Kleiderverleiher elnen passenden<br />

Ballanzug, der mir ausgezeichnet gut stand, und begab mich<br />

in den Concertsaal "zur Tonhalle". Als es nun halb 8 Uhr<br />

war und der ganze Saal you Leute, sprang ich you Freude<br />

auf die Erhöhung, wo das Dirigentenpult steht, machte dem<br />

Publico eine Verbeugung und fing an. Es ist em erhebender<br />

Gedanke, so an der Spitze von 80 Musikern zu sein, wenn<br />

sie alle auf das Zeichen zum Anfangen warten. Nun, alles<br />

ging gut, nach jedem der 4 Sätze stieg der Beifall und zuletzt<br />

wurde ich, weiss Gott wie oft, geruf en: mit dem Orchestre<br />

bin ich sehr zufrieden. Ich versichere Sie aber,<br />

Theuerster Vater! dass ich. bei der Aufführung nich.t eine<br />

Spur von Angst hatte, denn ich war meiner Sache gewiss,<br />

was mir Herr Schafhäutl sagte,welcher die giöste Freude<br />

hatte, mich. als' Dirigent und Componist zugleich auftreten<br />

zu sehen. Ala ich nun nach der Symphonie, welche 3/4 Stunden<br />

dauerte, zu den Zuhörern herabkam, drängte alles zu mir,


209<br />

urn mir zu gratulieren, Bekannte und Unbekannte; besonders<br />

das Adagio entzückte Alles; es hätte mich aber noch mehr<br />

erfreut, wenn Sie, Theuerster, bester Vater! anwesend gewesen<br />

wären. Hr. Schafhäutl hörte ich hernach zu einem<br />

andern Professor sagen, es sei dies em Werk, wie es nicht<br />

em Knabe, sondern em Mann von 30 Jahren mache. Dieses<br />

Urtheil freute mich am meisten. Auch Hr. Herzog war anwesend.<br />

- Ich danke Gott, dass alles so gut gegangen. -<br />

Gestern erhielt ich einen Brief von Hr. Pfarrer Wolf inger:<br />

er schreibt: zwei Balzner Studenten Nigg seien bei ihm gewesen.<br />

-<br />

Er seibst ist gesund und freut sich auf Peters Ankunft.<br />

Peter soil vorerst nur bei Perstenfelds seine Wohnung nehmen.<br />

Das Zimmer wird schon renovirt - und gefalit es ihm nicht<br />

da, so können wir dann noch immer ausziehn. - Peters Brief<br />

hat mich wirklich aufs Angenehmste Uberrascht und ich freue<br />

mich ungeheuer auf seine Ankunft. -<br />

Hr. Prof. Naier ist noch in Karisruhe und war leider an<br />

elner LungenentzUndung krank; jetzt soil es besser sein.<br />

Ich konnte seine Adresse nicht bekonimen, sonst hätte ich<br />

ihm geschrieben. - Herrn Salis meine Empfehlungen und es<br />

sei schade, dass er gestern nicht anwesend gewesen. -<br />

Und nun, Theuerste Eltern! leben Sie wohl, grüssen Sie mir<br />

die lieben Geschwister, ich verbleibe Ihr dankschuldiger<br />

Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

MUnchen, 16.9.55."<br />

Quartierherr Perstenfeid liefert einen eigenen Kommentar<br />

an Rheinbergers Vater in Vaduz:<br />

"Euer Hochwohlgeboren!<br />

Im Voraus einen herzlichen Dank für die gUtige Ubersendung<br />

des 3nionatlichen Betrages für die Verpflegung Ihres Sohnes<br />

Joseph. Es ist jetzt bezahit bis zum 15. Dezember 1. Js.<br />

Sie sind wirklich recht gUtig gegen uns,aber wir werden es<br />

auch Ihrem Sohn gewil3 an Nichts mangein lassen, wir lieben<br />

ihn ja selbst als wie em Glied unserer Famiiie.<br />

In Bezug auf seine Fortschritte und sein Betragen dürfen<br />

Sie auBer aller Sorge seyn, er bildet sich in jeder Hlnsicht<br />

zum wackeren Mann heran. -


210<br />

Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unberührt lassen,<br />

was sich am vergangen Samstag den l5ten dfh Nts. Abends<br />

ereignet hat. Es wurde nHinlich zur Nachfeyer des hohen<br />

Namensfestes unserer Konigin in einem gro8en Saale gro1e<br />

musikallsche Produktion veranstaltet, wo die von Joseph<br />

componirte gro1e Simphonie gleich anfangs aufgefUhrt wurde. -<br />

HHtte ich Sie herwünschen können, urn Augen- und Ohrenzeuge<br />

gewesen zu seyn, welch herrlichen Triumph Ihr Sohn an<br />

diesem Abende gefeyert hat. -<br />

Urn 1/2 8 Uhr bestieg dieser junge Mozart bei glänzend beleuchtetem<br />

und Uberfülltem Hause die Dirigententribüne,<br />

und mit kräftigem Arrne den Taktstock führend dirigirte er<br />

das erste grol3e Produkt seines schönen Geistes, und nach<br />

jeder der 4 Abtheilungen wurde er stürrnisch geruf en und<br />

applaudirt. -<br />

Herr - ich kann diese rührende Scene nicht welter beschreiben,<br />

denn meln Herz ist noch zu voll von dleser Freude. Nir<br />

sind dle.Freudenthränen gleich einein Bache den Augen entstflrzt,<br />

ich hätte lhn gerne vor der ganzen Versaunniung in<br />

meine Anne schliel3en und ausrufen inögen: Hell dem Vater der<br />

einen so hoffnungsvollen Sohn besitzt. -<br />

Seine Freunde und Gönner, z.B. Herr Profe8or Schafhäutl,<br />

der eben auch hler anwesende Profel3or Herzog u.v.A. batten<br />

ganz von Freude strahiende Gesichter, und wer lhn auch<br />

frUher nlcht kannte, dem 1st jetzt seine Person und sein<br />

Name ehrenvoll.<br />

Ich glaube, da1 Ihr Vaterherz in einem Freudenmeer geschwornmen<br />

ware, und erst das noch vIel zartere Mutterherz, das<br />

hätte gar zerplatzen müssen. Mehr Uber Ihren Sohn zu schrelben<br />

verinag ich nicht, die Feder versagt mlr den Dienst,<br />

weil, wie gesagt, mein Herz noch zu you 1st. -<br />

Damlt schliel3e ich meine Zeilen, und überlasse sie Ihrer<br />

freudenvollen Herzenserwägung, Uberzeugt, dal3 eine gewichtige<br />

Frendenthräne dieselben benetzen wird. -<br />

Ihrer freundllchen Erinnerung mich empfehlend, verbleibe<br />

ich mit aller Verehrung Euer Hochwohlgeboren! ergebenster<br />

Diener und Freund<br />

J. Ew. Perstenfeld,<br />

Viele herzliche Grül3e von ineiner Frau u. Ludwig<br />

TMUnchen, am l7ten September 1855."


211<br />

In der Beilage zur "Neuén Münchener Zeitungt' vom 18.9.1855<br />

findet sich folgende Rezension:<br />

"Der hiesige P r i v a t = M u s I k v e r e I n gab Sonnabends<br />

den 15. September zur Feier des Nainensfestes Ihrer<br />

Majestät der K ö n I g i n em grotes Concert, weiches mit<br />

der Composition eines l6jährigen JUnglings eröffnet wurde,<br />

Joseph R h e I n b e r g e r (aus Vaduz Im Lichtensteln'schen),<br />

elnes jungen Künstlers von seltener musikalischer<br />

Begabung und wahrein, hohen Ktinstlerberufe, der als zwölfjEhriger<br />

Knabe nach Mtinchen ins Conservatorium kam, wo dessen<br />

auBerordentliches Talentbald von den HH. Professoren<br />

Herzog, Meyer und Leonhard bemerkt und gepflegt wurde, wHhrend<br />

Hr. Generalmusikdirektor Lachner den JUngling später<br />

unter semen besonderen Schutz nahm. Die erwähnte Compositionisteine<br />

Symphonie (in D-dur). Schon im ersten Satze<br />

findet der Kenner nicht etwa den Versuch eines wankenden<br />

Anfängers, sondern eine Composition, die eben so sehr durch<br />

schön erfundenes Thema als durch die kunstgewandte Ausund<br />

DurchfUhrung desselben elner gereif ten Individualität<br />

Ehre gemacht haben wilrde. Noch gröl3eres Interesse erregte<br />

das Menuett mit originellem Thema, das durch sinnreiche,<br />

gerundete Instrumentirung noch reizender gemacht wurde.<br />

Das Adagio, der schwierigste Theil einer Symphonie, bildet<br />

elnen rtihrenden Wettgesang zwischen dem Streichquartett<br />

und den Holzblasinstrumenten, unter weichen die Clarinette<br />

schon mit dem ersten Takte das schöne Thema begmnnt, whrend<br />

das zweite Thema von der Violine vorgetragen wird.<br />

Nur selten tritt der Chor der Blechinstrumente dazu, den<br />

Effect des Ganzen auf eben so Uberraschende als ungesuchte<br />

Weise steigernd. In dem feurig gehaltenen Finale, das als<br />

Krone der ganzen Composition erscheint, herrschen wieder<br />

zwei Hauptthemen, weiche durch die Kunst des doppelten Contrapunktes<br />

verschlungen sich bald verfolgen, bald nähern,<br />

und bald von den Blaseinstrumenten, bald von den Saiteninstrumenten<br />

aufgegriffen und durchgefiihrt werden, wobei<br />

das Hauptthema sogar in der Verkehrung erscheint.<br />

Die Symphonie wurde vom Orchester mit sichtbarer Liebe aufgefUhrt<br />

und der junge Componist, weicher selbst dirigirte,<br />

vom erfreuten Publicum nach jedem Satze rauschend begrtit3t<br />

und am Ende zweimal gerufen. Moge der junge Künstler, der,<br />

von dem -verderblichen Hange frei auf anderm als dem Wege<br />

der Kunst neu und interessant zu werden, sich als leuch-


212<br />

tendes Vorbild die ewigen Neisterwerke Haydns und Mozarts<br />

gewhit hat, und dessen ganze Compositionen so verständlich,<br />

so ansprechend und bei alier Mannigfaltigkeit doch<br />

so kiar geworden, dal3 sich jedes Gemüth, weiches nur einigen<br />

Sinn für 7Musik besitzt, daran erfreuen wird, durch unabiässige<br />

Arbeit und iinermüdetes Streben sich zu dem hohen<br />

Ziele aufarbeiten, das er sich gesteckt. Sein erstes Werk<br />

gibt Zeugnhl3 von dem Drange, der in ihm arbeitet und der<br />

ihn nicht ruben lassen wird, auf halbem Wege stehen zu<br />

bleiben. Nach der Symphonie trat Hofsänger N. H i e b e r<br />

mit einer sehr schön vorgetragenen Concertarie von Jos.<br />

Haydn auf. Diesem folgte eine ungewohnte obwohi liebenswürdige<br />

Erscheinung. Em 13 - l4jähriges Mädchen aus der<br />

Schweiz, Anna K u 1 1, SchUierin unseres Hofmusikus H.<br />

Muller, errang sich ais Violoncelispielerin durch seelenvoilen<br />

Vortrag und für soiches Alter bewundernswürdige<br />

Kraft und Fertigkeit den rauschenden Beifall. Den SchiuB<br />

des Concertes bildete Webers Ouvertüre zu Oberon, weiche<br />

mit grof3er Vollendung ausgeführt wurde. Die kunstsinnige,<br />

edle Richtung, weiche der Privatmusikverein erstrebte,<br />

hatte an dem Abende giänzenden Ausdruck gefunden."<br />

Die"Neuesten Nachrichten" vom 20.9.1855 brachten eine<br />

kurze Rezension des Konzertes:<br />

"Der PRIVAT=MUSIK=VEREIN feierte am Samstag den 15.d.Mts.<br />

das ailerhöchsteNamensfest Ihrer Najestät der Königin mit<br />

einem groBen Concerte. Dasselbe wurde mit einer Symphonie<br />

in D von Joseph Rheinberger eröffnet, die der geniale, erst<br />

16 Lebensjahre zählende Compositeur seibst dirigirte und<br />

dabei von dem vortreff lichen Orchester wahrhaft con amore<br />

unterstützt wurde. Die Kenner lieBen der Reinheit des Sat'zes,sowie<br />

der 0riginaiitát der melodiösen Motive, voile<br />

Gerechtigkeit widerfahren iind stimmten in den ailgemeinen<br />

Beifall em, den die zahireiche llersammlung nach jedem der<br />

vier Sätze dem jungen Tonsetzer spendete und der nach Beendigung<br />

der Symphonie zweimal stürmisch geruf en wurde. -<br />

In der zweiten Abtheilung brachte ein von dem k. Hof- und<br />

Kapelisänger Herrn Michael Hieber vorgetragene Arie für<br />

Tenor von Joseph Haydn den erfreulichen Bindruck hervor,<br />

weicher einen lange anhaitenden Applaus und das Hervorrufen<br />

des GesangkUnstiers zu Folge hatte. - Eine angenehme über-


213<br />

raschende Erscheinung war die aninuthige junge Violonceilistin<br />

Fräulein Anna Kull aus Lenzburg, Schülerin des Herrn<br />

H. Muller, die sich durch den gelungenen Vortr.ag einer<br />

Salon=Pice für Violoncello aus der Oper: "Lucia di Lammermoor",<br />

auszeichnete und nach öfters wiederholten Beifallsbezeigungen<br />

dreitnal gerufen wurde. - Die zum Schlusse des<br />

Concertes unter der Leitungdes k. Hofmusikers Herrn Carl<br />

Hieber meisterhaft ausgefUhrte Ouverture zu "Oberon" von<br />

C.M.von Weber, ist mit ailgemeinem Beifall aufgenommen<br />

tqorden. - Der hierauf stattgehabte Fest=Ball war glänzend<br />

und die Tanzmusik, welche dem Vernehmen nach von dem, unter<br />

dern Prädikate "Die }IUnchner", neu=gebildeten Orchester besorgt<br />

wurde, ausgezeichnet schön und gut."<br />

Die vorstehenden Kritiken übersandte Rheinberger nach Vaduz<br />

mit nachfolgenden Zeilen:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Obschon ich auf meinen letzten Brief noch keine Antwort<br />

erhielt, -. so hoffe ich doch, dass Sie sich wohi und gesund<br />

befinden. -<br />

Hiemit schliesse ich 2 Kritiken Uber meine Symphonie bei<br />

- aus der "Neuen MUnchner Zeitun" und den "Neuesten Nachrichten"<br />

- welche beide sich noch in dern hiesigen "Theaterjournal"<br />

und "NUnchnerboten" befinden. Hr. Kull (dessen<br />

Tochter in jenem Konzerte spielte) machte mir das Ansinnen,<br />

mit ihm nach Augsburg zu gehen, (wo er Concert gibt) urn<br />

dann auch dort meine Syniphonia aufzufUhren - soil ich -<br />

oder soil ich nicht? Da Prof: Maier noch nlcht hier ist,<br />

fragte ich Prof: Schafhäutl. Er sagte: wenn am Conzertzettel<br />

geschrieben ware: aus Gefälligkeit wird Rheinberger<br />

seine Symphonie auffUhren - dann solle ich gehen; jedenfails<br />

mtisse der Zettel so lauten, dass man nlcht meine, ich sei<br />

reisender Virtuos; indern das meinem Ansehen schaden wUrde.<br />

Die Kos ten wären, einige nothwendige Copiaturen eingerechnet,<br />

höchstens 12 fl. - Soil ich - oder soil ich nicht? -<br />

Jedenfails bitte ich urn baldige Antwort, da Herr Kull am<br />

5. - 8. Oktober fortréisen will - und ich ihn nicht vor<br />

den Kopf sto8en m6chte. Er hat in Genf auch Hr. Adler (der<br />

in Feldkirch war) kennengelernt, und scheint mir jedenfalls<br />

em braver Schweizer zu sein. Mali und Lisi sind mir Briefe<br />

schuidig; und der Peter soil recht bald kommen, da jetzt


214<br />

herrliches Wetter 1st. - Der David soil seine Nase (welche<br />

wunderschön sein muB) durch "neuen Suser" nicht noch<br />

röter ;färben. In Erwartung, dass aile gesund sind und mir<br />

bald schreiben werden, verblelbe ich, Theuerste Eitern,<br />

Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

München, den 26.9.55.<br />

P.S. DaB ich nicht vergesse - Hr. Schafhäuti wtinscht Hr.<br />

Saiis's Adresse zu erfahren, urn ibm wegen der AuffUhrung<br />

meiner Syrnph: zu schreibenl!!"<br />

Am 4. und 5. Oktober 1855 f and in München em MUSIKFEST<br />

unter der Leitung des Generairnusikdirektors Franz Lachner<br />

statt, das tage- und wocheniang die öffentiichkeit und die<br />

NUnchener Presse beschaftigte. Obwohl Rheinberger Lachner<br />

und dessen Familie seit Beginn des Jahres personiich nahestand,<br />

erwähnt er dieses Ereignis nur beiiäufig in seinem<br />

Brief Anfang August und erspart sich einen weiteren Kommentar,<br />

obwohi Lachner wegen seiner angeblichen ausschiieBlichen<br />

Voriiebe für kiassische Werke irn Mitteipunkt des<br />

Interesses und der Kritik stand.<br />

Nach der erfoiglosen Teilnahme an der Konkurrenz urn das<br />

Stipendium der Frankfurter Mozartstiftung irn Jahre 1852<br />

denkt der Rentmeister Rheinberger in Vaduz daran, die<br />

öffentliche Anerkennung nun in bare Münze umzusetzen. Auf<br />

sein Vorhaben reagiert Julius Maier mit foigenden Zeiien:<br />

"Verehrtester iieber Herr Rentamtman!<br />

Ihre Ansicht, sich jetzt urn em Stipendium aus der 11ozart-<br />

Stiftung für Joseph zu bewerben, theile ich voliständig.<br />

Es wird zur Unterstützung des Bewerbungsgesuches zweckmäBig<br />

sein, wenn Sie Joseph aul3er den von mir irn vorigen Jahre<br />

Ihnen übersandten Zeugnissen noch einen Geburts- oder Taufschein<br />

und vielieicht auch em VerrnögenszeugniB oder vieimehr<br />

em iegaies ZeugniB darüber schicken, daB Sie ihrn mit<br />

Nühe nur eine geringe Summe per Jahr znschieBen können. Das<br />

ietzte Zeugnhl3 halte ich insofern für sehr zweckdienlich,<br />

well im llorstande der ozartstiftung ganz gewil3 2/3 der MitglIeder<br />

Kaufleute sind, für die em soiches ZeugniB em<br />

nicht zu übersehender Bestinirnungsgrund sein wird.


215<br />

Wenn Sie nichts anderes bestimmen, will ich die Bewerbungsschrift<br />

für Joseph sehr gerne machen.<br />

München d. 21. Oct. 1855<br />

Wie immer Ihr dienstbereitwilliger<br />

Julius Maier<br />

SchwanthalerstraBe 26/2"<br />

Rheinberger selbst berichtet von der Reaktion seiner befreundeten<br />

Gönner:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Da Herr Prof. Naier zurflckgekehrt, sagte ich ihm von der<br />

Nozartstiftung; er, sowie Hr. Schafhäutl sind voilkomnien<br />

einverstanden. Nun sollen Sie, Bester Vater! die 3 letzten<br />

Zeugnisse von Leonhard, Maier, Herzog beilegen zu jenem<br />

vom Lachner und sobald wie inöglich mir schicken. Er wird<br />

das Nähere schon in beiliegendem Briefchen geschrieben<br />

haben. Auch das Taufzeugniss werde ich haben mül3en, bis<br />

Samstag - Sonntag sollen die Zeugnisse schon bier sein. -<br />

Der Oratorienverein hat wieder begonnen und zwar mit einer<br />

6stimmigen Notette von Rheinberger; welche sehr gefiel,<br />

wie Frau v. d. Pfordten mir sagte. -<br />

Herr Herzog wird diese Tage wieder nach Erlangen gehen. -<br />

Von meiner grossen Oper werde ich diese Woche den ersten<br />

Akt schliel3en. Hr. Lachner sagte, der Text gefalle ihm sehr.<br />

(Ich babe ihn ihm gezeigt). Es herbstelt hier berelts sehr -<br />

da ich aber pressirt bin, mul3 ich schlief3en. Ihr dankbarster<br />

Sohn<br />

Jos. Rheinberger. Viele Griii3e<br />

Nontag, den 22. (Oktober 1855), NUnchen."<br />

Auf obigem Brief finden sich auf dem letzten Blatt fàlgende<br />

Zellen:<br />

"Dem Herrn Joseph Rheinberger von -Vaduz wird hiemit auf<br />

sein Ansuchen bestätigt, dass er kein eigenes Vermögen besitze,<br />

und dass ibm seine Eltern nur mit Mtihe einen germgenjahrlichen<br />

Betrag zur Bestreitung seiner Studlenkosten


leisten können.<br />

216<br />

Reg. Arnt. Vaduz, den 24 8ber 1855.<br />

N. Kel3ler, Amtssubstt."<br />

EndeOktober reiste Rheinbergers Bruder Peter nach Mtinchen,<br />

urn sein Studiutn am Polytechnikum aufzunehmen. Er schreibt<br />

über seine ersten Eindrücke in }fünchen nach Ha'use:<br />

Nünchen, den 1. Novbr. 1855<br />

"Theuerster Vater!<br />

Montag Abends 6 1/2 Uhr kam ich glUcklich mit einem langweiligerL<br />

Güterzug, der von Lindauaius 12 1/2 Stunden brauchte,<br />

hier an. Joseph, der zur Zeit meiner Ankunft im Museum war,<br />

erwartete ich dorten. Er hatte ziemlich gewachsen; in seinem<br />

Winterrock eingehUllt, seinem Zilinder, u. semen langen<br />

KUnstlerhaaren a la Fliegende BlEtter hEtte ich ihn so leicht<br />

nicht erkannt. Er grüBte mich zuerst - ich stund, und schaute<br />

den tJnbekannten mit der Bal3stimme an - und ich erkannte<br />

erst beim Schein einer Lampe das Gesicht meines Bruders.<br />

Mein Soinmerrock, der inir etwas zu klein war, pal3t ihm wie<br />

angemessen, was ihn nicht wenig freut. Seine Künstlerhaare<br />

aber sind auf ineine Veranlassung etwas kürzer geworden.<br />

Bei Hr. Perstenfeld traf ich alles zu meinem Empfange bereit<br />

und da das Ziinmer ganz nett hergerichtet ist, zog ich<br />

gleich am andern Tage dort em und abonnirte mich dort unterdessen<br />

zu gleichen Preisen, wie Josef, für em Monat Kost<br />

und Logis...<br />

Rheinberger selbst ergEnzt dieses Schreiben seines Bruders<br />

mit folgenden ZeIlen:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Da Peter heute geschrieben, so dachte ich auch noch em paar<br />

Zeilen hinzuzufUgen. Ich weiI3 aber nicht viel. Zu rneinen<br />

vielen ZeugnIl3en zur Eingabe brauchte ich noch em Leurnundszeugnil3<br />

von der hieBigen Polizei. Zuerst wurde es mir verweigert;<br />

Ich aber ging zurn OberkommissEr und erhielt es dann.<br />

MaIer machte, ich schrieb die Eingabe, und nun 1st Alles in<br />

Frankfurt. -


217<br />

Ende dieses Monats ist wieder Oratorienvereinskonzert;<br />

auch von meiner Wenigkeit wird dabei etwas zur AufUhrung<br />

kommen. -<br />

Peter geht fleissig in die Schule, ist em braves BUblein<br />

und bekommt keine Tatzen. -<br />

Von den Trauben habe ich einige Hr. Schafhäutl präsentirt. -<br />

Meine Garderobe 1st zwar noch gut; allein da ich doch hie<br />

und da in em angesehenes Haus kornme, so brauche ich freilich<br />

wieder eine neue Auflage (vermehrt und verbessert).<br />

Hr. Prof. Maier wird auf Ostern heirathen. Seine Braut ist<br />

aus Carisruhe. Der erste Act meiner gro2en Oper ist bei<br />

Lachner. Die kleine Oper 1st auch beinahe fertig. -<br />

Der Herbst ist hier schön, obschon wir schon einmal Schnee<br />

hatten. -<br />

Wie geht es Ihnen, Theuerste Eltern! so Gott will, hoffe<br />

ich gut!<br />

Was -macht die liebe Mutter?<br />

Haben Mali und Lisi meine Briefe erhalten? Dem Toni muss<br />

ich auch einmal schreiben. (Der Peter erhielt gerade elnen<br />

Brief vom Feidwebel vom Schloss). -<br />

Nun lebet wohi, Theuerste Eltern! Euer dankbarer Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

Nünchen, l3ten 11/55"<br />

Rheinbergers Schwestern Mali und Lisi (Anialie und Elisabeth)<br />

erhalten elnige gereimte Zeilen, die dem "offiziellen" Brief<br />

beigefUgt wurden:<br />

Malls und Lisis Briefe niachten mir Freude,<br />

drum schreibe ich nun an Euch beide:<br />

denn wül3te ich nichts zu schrelben,<br />

so lieBe ich es wohl bleiben.-<br />

Als Peter am Sonntag zum Thor kam herein,<br />

da war ich soeben im Oratorienverein;<br />

Er stieg dann beim Oberpollinger aus,<br />

und fuhr dann gemUthlich in d'Miillerstral3 raus.<br />

Der Pepi war aber nicht zu Haus,<br />

drum bat sich der Peter den Nikia aus.,<br />

der führte den Peter zum Museum hin,<br />

wo der Oratorienverein 1st drin.-<br />

Der Peter ging nun mit stir<br />

zu elneni Gläschen Bier.


218<br />

Wir tranken zum Wohie unserer Lisinka,<br />

die(wie Mali schrieb) duath allewil sti.. .a.<br />

Wir tranken zum Wohie des Mali,<br />

das moeth mit Singeris Nikla aali.-<br />

Jetzt wohnt nun der Peter bei mir,<br />

und hat's Heimweh schier<br />

nach seinem Freunde Falkenhausen,<br />

welchen seine Frau dhuat zausen.<br />

Die Trauben, die schmecken mir gar so gut,<br />

und der Peter, der tragt einen Cylinderhut.<br />

so lang wir noch haben einen Stotza Geld,<br />

es uns in München gar sehr gefällt.<br />

Der Frau Oberforstmeister,<br />

die immer wird feister,<br />

einen schönen Gru8,<br />

(wenn's halt seininu8.)<br />

Die Mutter schnupft aus der Schnupftabakbüx,<br />

(das inöchte ich auch), aber daraus wird nix.<br />

Der David hat auch ,einen Cylinder,<br />

(vielleicht auch unser Buchbinder.)<br />

Der Seffa viele GrUaB,<br />

den Brief ich nun schlie8,<br />

well nun wel8 nichts mehr,<br />

dein Bruder Rheinberger.<br />

(Jetz hatt's 12 g'schlagen,<br />

jetz zwickt's mich halt im Magen.)<br />

Notabenee,<br />

jetzt wei8 i nut meh."<br />

Am 13. November 1855 berichtet Peter Rheinberger seinem<br />

Vater in Vaduz eingehend Uber die wirtschaftliche Lage<br />

seines Bruders Josef und über die diesbezügllchen Prognosen<br />

für die nähere Zukunft.<br />

"The erster Vater!<br />

Vorgestern wurde Josephs Gesuch nach Frankfurt gesendet.<br />

Hr. Prof. Maier that sein}Iöglichstes urn es zu begünstigen.<br />

Das Paket bestund aus einer Menge bester Zeugnisse, ich<br />

wünsche nur, dal3 sie die gehoffte Wirkung machen mögen.<br />

Heutigen Tages gibt man aber für solche Papiere wenig mehr


219<br />

und von denselben wird, wie auch Maier glaubt, wenig abhängen;<br />

deswegen wird Hr. Lachner sich schriftl. beim Vorstande<br />

des Vereins für Josef verwenden.<br />

Solite Josef auch das Gliick haben und das Stipendium erhalten,<br />

so wird es nach Naier's Dafürhalten, doch noch<br />

allerwenigstens 1/2 bis 3/4 Jahr gehen, bis es entschieden<br />

und verabfolgt wird. Er treibt daher eine andere Frage em:<br />

Wie ist Josef's Existenzmittel bis dahin gesorgt? Seine<br />

Monatsgelder werden nicht mehr fliel3en und was er sich<br />

durch semen Privat=Unterrlcht etc. erwirbt, reicht kaum<br />

zu seinem Sakgelde und in dieser Hinsicht 1st gar keine<br />

Hoffnung auf eine Besserung, den er hat jetzt schon so<br />

viel zu lauf en, daI3 ibm die schönste Zeit geraubt und nur<br />

elnige LUcken im Tage zu semen Compositlonen und Studien<br />

bleiben. Er fragt sich nun bester Vater ob es Ihre Krfte<br />

vermögen seine Existenz bis dahin In MUnchen zu decken.<br />

Seine Anwesenheit hier 1st eben sehr notwendig; von Vaduz<br />

aus wilrden seine Compositionen wahrscheinlich nie an's<br />

Tageslicht koinmen, wären sie auch noch so gut. Hr. Maier<br />

wUrde es auch für kein groi3es Glück Josef's ansehen, wenn<br />

er das Stipendium bekme und Nünchen, wo er nun gekannt<br />

und von so vielen Musikern geachtet ist, verlassen mugte.<br />

Josef's Kielder sind sehr heruntergekommen, theils verwachsen<br />

und theils abgetragen. Hosen hat er nur elne, die<br />

Röcke sind ihm viel zu klein, bis auf einen, den er sich<br />

bier kaufte, der aber - schon sehr abgenutzt 1st und seine<br />

einzige Weste 1st auch nicht im besten Zustande. Da man<br />

bier etwas delikater im Tragen der Kleider ist, als zu<br />

Hause und Josef sich namentlich öfter in noblern Husern<br />

und Zirkeln sehen lassen mua, so dUrfte es nicht Uberflllssig<br />

erscheinen, wenn Sie ihm so viel Geld zukommen liefen,<br />

daI3 er sich einen ordentlichen Anzug machen lassen könnte<br />

und nicht genöthiget ware, sein Geld, das bei Maier liegt<br />

und für einen anderen Zweck bestimmt ist, anzugreifen.<br />

Ich babe mich in MUnchen schon ziemlich eingebUrgert und<br />

meine Lebensweise bald geregelt, so dal3 ich mich recht behaglich<br />

fUhle. Norgens von 8 - 9 Uhr habe ich immer Nathemathik<br />

und von 9 - 12 Uhr wohne ich dem Ingenieur=Kurs bei<br />

und zwar in den Vorträgen über Strat3en=Wasser=und BrUckenbau,ferner<br />

in den Ubungen vom Konstruieren und Entwerfen<br />

der Stral3en, BrUcken etc.<br />

Nachmittags: Civil=bau nebst Zeichnen, Maschinenbau und


220<br />

Maschinenzeichnen und Situationszeichnen. Leider kann ich<br />

nicht Physik hören, weil es mir die Eintheilung der Stunden<br />

nicht erlaubt. tibrigens habe ich. mit den gewählten<br />

Fächern genug zu thun, urn mit ihnen zurecht zu kommen. Zu<br />

meinern VergnUgen bleibt mir daher wenig Zeit. Ich kaufte<br />

mir daher Bücher und 1 Klftr. Holz, der (nebenbei gesagt)<br />

nur 14f1 36kr kostete, lasse am Abend einheizen und<br />

studiere. Freilich vergil3t man auch nicht, wenn's nicht<br />

mehr recht gehen will, mit einem guten Zug Bier sich's zu<br />

erleichtern. - Neine Vorkenntnisse leisten inir treffliche<br />

Dienste, so da2 mir manches sehr leicht wird, aber urn em<br />

ganzes zu bekommen miifte ich nothwendig beide Semester die<br />

Anstalt besuchen. -Hr. Recktor inachte groI3e Augen und<br />

schüttelte den Kopf als ich den Ingenieurkurs beizuhören<br />

verlangte, da klopfte ich bei Hr. Schaffhäutl urn HUlfe<br />

mid - es ging wie geschrniert. Für meine 6 Fächer bezahite<br />

ich. (für's ganze Jahr) 36f 1 und die Herbeischaffung von<br />

Zeichnungsmaterialien, Büchern, Kleidern und andern nothwendigen<br />

Einrichtungen riefen bei meinem Geldbeutel dermaBen<br />

eine Ebbe herbei, daB er em betrübender Anblick gewährt<br />

und es mir erdenklich gruselt, wennich ihn zu Rathe<br />

ziehen muB."<br />

Anfang Dezeinber schrieb Rheinberger folgenden Brief nach<br />

Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Da ich. auf heute einen Brief von Ihnen erwartete (was jedoch.vergebenswar).so<br />

schreibe ich erst jetzt. - Meine<br />

Petition wegen Kleider scheint, nach. David's Brief an Peter<br />

nicht durchgegangen zu sein. -<br />

Hr. Prof. Maier schrieb mir gestern folgenden (beiliegenden)<br />

Brief; meine Zeugnisse sollen (laut Privatbericht) dort<br />

sehr gefallen haben, auch sei inein Name dort nicht unbekannt<br />

(?), wie, wuBte Naier und ich nicht. -,<br />

Ich. frene mich auf die Preisaufgabenl wenn sie nur bald<br />

gestelit wUrden! -<br />

Meine }!otette 1st in Museum vom Oratorienverein aufgefuhrt<br />

worden, wie Sie, bester Vaterl aus den beiliegeiden Prograen<br />

ersehen können. (mein Name wurde nicht recht gedruckt).<br />

Sie erhielt am meisten Beifall; schon in der Probe


221<br />

wurde ich gerufen. -<br />

Peter 1st sehr fleissig; er lal3t bitten, ibm seine Gage<br />

auf Neujahr zu schicken, da er viele ausserordentliche<br />

Ausgaben habe; der David soll an seiner statt Hr. Vetter<br />

Oberförster wegen seiner kindlichen Kleinigkeiten gratuliren;<br />

er werde dem David dafür em Christkindl schicken. -<br />

Wir haben kalten, schönen Winter und gute Schlittbahn. Hr.<br />

Prof. Schafhäutl lasst Alle grüssen. - Wie geht es Hr. Wolfinger<br />

in Balzers und dessen Bruder? 1st er noch krank?<br />

1st Peter's Urlaub noch nicht eingetroffen? Sind Sie, theuerste,<br />

beste Eltern! imnier gesund? wir sind es, Gott sei<br />

Dank, immerfort. -<br />

Was macht der Toni und die Seffa? Mali und Lisi mUssen mir<br />

bald schreiben. -<br />

Was macht die liebe Mutter? man schreibt mir gar so wenig<br />

von Ihr. - Bei Lachner bin ich oft. (Hier schicke ich, weil<br />

ich es gerade bel der Hand babe, dessen vortreffliches Portrait,<br />

einem hiesigen Blatte entnommen). Nun weiss ich<br />

nichts mehr. -<br />

Sie, beste Eltern! herzlich grUssend, verbleibe<br />

ich Ihr dankschuldiger Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

4.12.55, München"<br />

Der erwähnte Brief J.J.Maiers an Rheinberger 1st von sibyllinischer<br />

Kiirze:<br />

"Lieber Joseph!<br />

Ihre Sache steht in Frankfurt gut!<br />

Ihr<br />

2. Dc. 55"<br />

Julius Naier<br />

Worauf Naier seine Hoffnungen baute, ist nicht bekannt.<br />

Jedenfalls versetzte sein Optimismus semen SchUtzling in<br />

erwartungsfrohe Stintmung, die auch aus deni folgenden Brief<br />

Rheinbergers an seine Schwester Anialie spricht:


222<br />

"Liebes Matscherle!<br />

Gelt, der Münchner Sauiikios steilt sich besser em, als<br />

bei mir der Vaduzer - Hier hast Du zwei Stücke, die Du zu<br />

Deiner Freude spielen darfst, Du wirst sie bald können.<br />

Das andere Heft enthält nur Etüden, die auch alleine emstudiren<br />

kannst, weil der Fingersatz dabei ist - alle 3<br />

kosteten 2fl 42+r<br />

Dein Briefchen hat inich sehr gefreut, vielmehr als der,<br />

den mir der Toni - nicht geschickt hat. Du mul3t mir schreiben,<br />

was Dir der Vater für Dein "Orgeln" geschenkt hat:<br />

"Wenn ian StozaGelthätt," Duinüitest so schöne Sachen bekoinmen,<br />

ja - - - . Was mul3 ich Dir noch schreiben? - He -?<br />

Ich weil3 nichts, was für Dich pal3t, als da1 ich immer wohl<br />

u - gesund, u - das Bier sUl3 u - gut, und Du fleissig und<br />

s'Lisi stolz ist mit seinem Hut! aber erst mein Hut! und<br />

mein Uberrock, und die Brillen, ich wette dal3 mich keins<br />

von Euch -mehr kennen würde. Nir chlägt das Klima gut an,<br />

ich bin ganz breit und fett u. dick! Die Cholera kann mich<br />

gem haben, wenn's will! Gelt! jetzt kehr<br />

Was soil ich Dir schreiben? da1 ich fleissig componire -<br />

da1 ich oft ans Mats-cherle denke, sogar oft davon rede, obschon<br />

ich's zu Hause recht von Herzen gem geprUgeit hab -<br />

nicht wahr? wegen dem bleiben wir doch gute Freunde! Schreibe<br />

Du nur viei, und wenn Du nichts weil3t, so schreib voin<br />

Schnutz und vom Roili, oder garvom Gigermarthi " gelt, Du<br />

hast's halt können an der "Kelbi", gelt, alter Natsch! Was<br />

sagen die Leute in Vaduz, dal3 Du Orgelgespielt habst? La13<br />

Du die Klosterfrauen nur schwätzen, so was verstehen sie so<br />

wenig, als der Rolli - oder der (bitt um Verzeihung) der<br />

Peter, dem ich melne tiefs tenKompl imente<br />

mache<br />

Dein Bruder<br />

Joseph Rheinberger<br />

''''''<br />

Chorrepetitor des Oratorienvereins<br />

J1ünchen den 22ten Okt-No-Dezenjber


223<br />

Jaso, jami, jawäger, ja -<br />

Hier ist ja noch me Saite leer.<br />

Aber der Pepi wei8 nichts mehr.<br />

Adio, püati Gott,<br />

Lebesiewohl,<br />

schickans der Brief träger bald wieder.<br />

GrUf3e alle schön!Toni,<br />

Peter,David, Seffa<br />

nur S'Mali und Lise net,Gelt,so<br />

Adieu und<br />

der Hans duast mer grUBa."<br />

Rheinbergers Bruder Peter berichtet dem Rentmeister in Vaduz<br />

aus Niinchen unter darn 23.Dezember 1855 vom musikalischen<br />

Treiben selnes Bruders Josef:<br />

"Pepi komponiret, spielt Klavier, gibt a bez Unterricht<br />

od. begleitet em paar Gräfinen auf Klavier, was weil3<br />

ich - - - raucht, schnupft nimmer(Tonis Büchs.ist erst<br />

halb leer) u. ist schon längst den Jahren entwachsen, urn<br />

sich von inir hofmeistern zu lassen; denn er ist ohne Cilinder<br />

5 Fu8 3 1/2 Zoll Wiener MaaI3 hoch, was freilich<br />

auch in Anschlag zu bringen 1st.-<br />

Er grUl3t Sie und alle recht herzlich u. will Ihnen zum<br />

Neuj ahr schrelben."<br />

Dieser Brief hat folgenden Wortlaut:<br />

"Theuerster Vaterl<br />

Gibt es em Fest der Dankbarkeit eines Sohnes gegen seine<br />

Eltern, so muss es gewil3 der Jahreswechsel sein, welcher<br />

ihm die Wohithaten der elterlichen Liebe auf's Lebendlgste<br />

in's Gedächtnil3 ruft. Das 1st auch, Theuerste, beste Eltern!<br />

bei mir der Fall, bei inir, welcher so viele Wohithaten von<br />

Ihrer Seite geno8, daB ich nie irn Stande sein werde, Ihnen<br />

genügend zu danken. Da ich aber weiB, daB FleiB und Tugend<br />

für Sie die schönste Dankeserweisung sein wird, so will<br />

auch ich mich bestreben, Ihnen meine unbegrenzte Dankbarkeit<br />

durch Erfüllung jener Pflichten zu bekräftigen - wozu<br />

mir Gott semen Segen nicht versagen wird, well wir ihn


224<br />

ja täglich darum bitten. -<br />

Zurn neuen Jahre wünsche ich Ihnen, Beste Eltern! das, was<br />

em dankerfUlltes Herz nur allein fühlen kann, - närnlich:<br />

Gesundheit, Zufriedenheit und em langes Leben, urn zurn<br />

Wohie der Ihrigen recht viel wirken zu können, was Gott<br />

geben rnöge! -<br />

Ich bin Gottlob! iinrner gesund und wohl, wie Peter. Dass<br />

ich Ihren letzten Brief und Geld (vom 2ten Dez. ) erst am<br />

7ten erhalten habe, hat Peter vielleicht schon geschrieben;<br />

den Stand meiner Kassa bei Hrn. Maier konnte ich nicht<br />

erfahren, da Maier seit elniger Zeit in Karlsruhe bei seiner<br />

Braut 1st. Was dasozartei in Frankfurt betrifft,<br />

so wei2 ich. noch nichts NHheres, als laut einern Artikel<br />

in der Frankfurter tIDidascaliaIu wo närnlich stund, dass<br />

an den StIpendiaten jedes Vierteljahr lOOf 1 (jährlich 400f 1)<br />

bezahit wiiden; und daI3 der nächste Stipendiat schon vorn<br />

1. Januar 1856 an gerechnet werde. (Das Kapital des MozarteumsbetrHgt<br />

28900f 1 und wirft jahrlichlaut;:jenei.:statistjk<br />

997fl ab). Also, wenn ich das Stipendlum erhalten würde,<br />

ware es von diesein Nenjahre an. -.<br />

}Ieine 2 Schüler sind diesen l'Ionat abgereist, ich habe gegenwärtig<br />

keine Stunden. 11eine kleine Oper kann in 14 - 20<br />

Tagen fertig sein. GegenwHrtig habe ich eine Ouverture geschrleben,<br />

.die Hr. SchafhHutl und Lachner sehr gefiel; ich<br />

werde sie später auch im Privatrnusjkverejne aufführen lassen.<br />

Meine neue Hose kostete 6f 1 48+r und rnein neuer Rock<br />

1f 1 = 25fl 48+r. Vom Oratorienvereine aus 1st inein Gehalt<br />

auf 6f.l per Monat festgestellt. Sonst nich.ts Neues.<br />

Der Winter war bis heute wunderschön, kalt und hell, einmal<br />

hatte es 20 Grad Rauniur; heute aber regnet es. Dass ich<br />

allen lieben Geschwistern "a glückseligs neus Johr" wünsche<br />

(auch.mir), versteht sich von selbst. Der lieben }Iutter<br />

rneinen. herzlichen Dank für das Kristkindl, welches meine<br />

Erwartung bel weitein üb.ertraf. Der Peter lal3t alle grü2eri<br />

und dem David für semen Brief a gl. n. Jahr wUnschen und<br />

fragen, ob Landesverweser Louis noch in Vaduz sei. Einen<br />

baldigen Brief -mit lJngeduld erwartend, verbleibe ich, Theuerste<br />

Eltern Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

Münchèn, 31.12.55."


225<br />

Uber die zweite Aufführung der D-dur-Symphonie am 7.Januar<br />

1856 1st nur die folgende Briefnotiz von Peter Rheinberger<br />

vorhanden, die vom 18.1.1856 stammt.<br />

"Der Zufall wolite gerade, dal3 an diesem Tage Josef's<br />

Simphonia zum 2ten male aufgeführt wurde, obschon ich mich<br />

nichtganz gesund fühlte, wohnte ich doch mit Hr. Wolf inger<br />

bei. Der Saal war gedrEngt voll, besonders waren viele<br />

Musik=kenner zu bemerken: Schaffhäutl, Maier, Leonhart, sogar<br />

Direktor Hauser etc: Josef dirigirte nicht, danach wurde<br />

er stUrmisch gerufen. Der Privat=Nusikverein gibt keine<br />

öffentlichen Konzerte, daher erhalten in dieselben nur diejenigen<br />

Zutritt, weiche von semen Mitgliedern Billiette<br />

bekommen. Josef darf sich jedoch Glück wUnschen, dal3 ihm<br />

der Direktor dieses Vereins Hiber gewogen ist und seine<br />

Compositionen zur AuffUhrung bringt. Em of fenes Konzert<br />

1111 kgl. Odeon zu geben, ist hier für den Compositeur oder<br />

Virtuosen nicht gerade mimer rentabel. Ich wohnte letzten<br />

Montag elnem soichen Concerte bei, (eben weil ich em Freibilliet<br />

erhielt) weiches em Hr. Paur aus London, frUher<br />

Schüler von Lachner, gab. Man schilderte dasselbe als sehr<br />

gelungen. Er brachte mit dem Hoforchester, das vielleicht<br />

mehr als 100 }tann stark, auf weichem Instrumente er Virtuos<br />

1st etc: Dies 1st alles recht schön zu hören, besonders für<br />

soiche, die Freibillietten haben, deren Zahl sich vielleicht<br />

Uber 200 belaufen niag, weiche jedoch sammt denen mit den<br />

Kassa=billletten den Saàl nicht haib füllten, weil man eben<br />

zu viel Musik zu hören Gelegenheit hat. Die dankbaren Zuhörer<br />

riefen Hr. Paur stürmisch und wir klatschten, daB die<br />

Finger zu erbarmen waren, Hr. Paur aber muBte für diese<br />

Ehre an die Hofmusiker und für Beleuchtung etc: Uber seine<br />

Einnahme noch 150f 1 drauf zahien. Nun haben Sie einen Begriff<br />

vom Concertgeben, denn ihnliches wiederholt sich hier<br />

genugs am.<br />

Josef, der recht wohi ist und Sie Alle tausendmal grüBt,<br />

1st mit seiner kleinen Oper fertig; er wird sie morgen Hr.<br />

Lachner zur Einsicht vorlegen. - Von Frankfurt noch nichts,<br />

wird aber nicht ausbleiben."<br />

Am 26.1.1856 gab die "Musikallsche Akademie" im Kgl. Odeon<br />

aus AnlaB des l00jährigen Geburtstages von W.A.Mozart em<br />

Konzert, das Rheinberger besuchte und von dem er berichtet:


"Theuerster Vater!<br />

226<br />

Ihren werthen Brief yoiu 20ten d. erhielt Peter sammt dem<br />

Gelde, wofür wir Ihnen herzlich danken. Nur war es auffallend,<br />

dass es 40f1 zu viel waren, worüber der Peter eben<br />

auch keine Thräne -vergoI. -<br />

Sams.tag Abends war Mozart-Concert, wobei das Requiem herrlich<br />

executirt wurde. Gestern (Sonntag) nachm. 3 Uhr gaben<br />

die Schfller der 0berklasen des Max. Gymnasiums zu Ehren<br />

ihres Rectors em gro1es Concert, für weichen Zweck ich<br />

einen grol3en Fest=Chor componirte, weicher dann gestern<br />

von 50 Sängern und eben so vielen Instrumentalisten auch<br />

vorgetragen wurde, und sehr viel Effekt niachte. - Von Frankfurt<br />

ist noch nichts da. Geduldl -<br />

Neine kleine fertige Oper hat gegenwärtig Hr. Lachner zur<br />

Eurchscht. Sie 1st mir gut gelungen. Ich weiB gar nlchts<br />

Neues mehr; auch 1st es noch finster. Peter studirt die<br />

Ofen=Theorie gegenwärtig, und kann schon bald einheizen.<br />

Da ich nun zum Generaldirektor gehen inul3, mu13 ich abbrechen.<br />

Lisi und Mali soll.en mir schreiben. Sowie von Frankfurt<br />

etwas koinmt, werde ich Ihnen, Theuerster Vater! sogleich<br />

schreiben. Indessen leben Sie wohi und gesund; auch einen<br />

herzlichen GruI an die liebe Mutter von Ihrem dankbaren<br />

Sohn<br />

Jo8. Rhemnberger.<br />

MUnchen, 28.1.56."<br />

Em kleines Streiflicht auf die Form der Mozartfeier, an<br />

der Rhemnberger "als Direktor des Mozart-Vereins" teilnahm,<br />

wirft folgende Notiz aus deni "Nünchner Punsch", die als<br />

Abschlul3 der Rezension des Mozartkonzertes am 3.2.1856 erschient<br />

Die Krone des Abends war das Requiem. Jede der fünf Abtheilungen<br />

rief lauten Beifall hervor. Die Ausfuhrung war eine<br />

meisterhafte, und die Kapelle zeigte sich wahrhaft begeistert.<br />

-<br />

Während der Pause überraschte em Nitglied der Kapelle, Hr.<br />

Hoiuusikus: Ignaz S I g 1 , seine Kollegen mit einer interessanten<br />

Mozart'schen Reliquie. Hr. Sigl zeigte nHmlich<br />

jenes kleine Violincello vor, auf weichem Mozart als Knabe<br />

von 6 Jahren gespielt hatte, und mit den er auch unter der<br />

grossen Pastete sass, die der Fürstbischof von Salzburg


227<br />

über ihn hatte machen lassen und unter weicher er versteckt<br />

auf die Tafel gebracht wurde. Man denkt sich das Erstaunen<br />

der Gäste des KirchenfUrsten, als dem Innern der Pastete<br />

jene wundervollen Harmonien entstiegen, durch die Mozart<br />

als Wunderkind die Welt entzUckte. Als Sigi, ebenfalls im<br />

Knabenalter, i.J. 1804 mit semen Geschwistern in Salzburg<br />

musicirte, und nur eine Viola hatte, worauf er die Cellostimme<br />

spielte, schenkte ihm Mozart's Schwester, Frau Sonnenburg,<br />

dieses kleine Violincello, das einst Mozart's Händchen<br />

beherrscht hatten. Auch der anwesende König Ludwig betrachtete<br />

dieses theure Andenken irtit Wohlgefallen."<br />

Ende Februar schrieb Rheinberger nach Vaduz:<br />

"Theerte Vater!<br />

Da ich. soeben dem Toni verschiedene BUcher etc. zu schicken<br />

habe, will ich diese Gelegenheit nicht vorubergehen lassen,<br />

an Sie, Bester Vater zu schreiben, obschon ich nicht viel<br />

Wichtiges weil3. -<br />

Das Beste 1st jedenfalls, da2 Peter und Ich gesund sind; was<br />

wit auch von allen lieben Angehörigen hoffen. Da13 meine kleine<br />

Oper fertig ist, habe ich bereits geschrieben; für spHter<br />

werde ich schauen, sie lrgendwo auswärts auf die Bühne zu<br />

bringen, wozu mir auch Hr. Prof. Schafhäutl gerathen hat;<br />

Lachner hat sie nicht ganz durchgesehen. Gegenwärtig arbeite<br />

ich an einer neuen Sinfonie, deren erster Satz schon fertig<br />

ist. -<br />

Heute (Montag) Abends 1st Oratorienvereinsconcert, wo ich<br />

auf der Orgel mitwirken mul3. -<br />

Peter hat Hr. Pfarrer Wolf inger in Türkenfeld den Tod des<br />

Balzner Muller's gemeldet. -<br />

Von Frankfurt aus 1st noch nichts Näheres bekannt. - Peter<br />

hat seine Photographie hauptsächllch wegen der Gröt3e seines<br />

Schnurrbartes geschickt. - Hr. Prof. TMaier ist wohi und gesund;<br />

seine Frau war bedeutend krank, 1st nun aber auch besser.<br />

Das 1st so ziemlich Alles, was ich weil3! Von Weihnachten<br />

bis vor 14 Tagen mu8te ich Organistenstelle In der St.<br />

Michaelskirche vertreten, well der Chordirektor krank war. -<br />

Bei Lachner habe ich wöchentlich 2 - 3 inal Zutritt; Uberhaupt<br />

kann er mich wohileiden. - Dem David für 12f1 Dank<br />

für semen Thaler! Wie geht es der lieben Mutter? 1st sle


228<br />

iinrner gesund? Warum schreibt man mir so selten von ihr? -<br />

Sie, Bester Vater! sind hoffentlich immer gesund, urn was<br />

ich den Hinznel täglich bitte, - Peter ist inmier kreuzfidel<br />

und hat schon em hübsches Bierbäucherl, so dal3 er seine<br />

Uniform urn einen Fu13 weiter machen lat3en mul3. -. Nun mu8 ich<br />

beschliI3en; es wird schon finster. Allen lieben Geschwistern<br />

herzliche Grii2e, vorzuglich aber Ihnen, Theuerster Vater,<br />

von Ihrern dankbaren Sohne<br />

Jos. Rheinberger.<br />

München, 25.2.56."<br />

Gleichzeitig schrieb Rheinberger an semen Bruder:<br />

"Lieber Anton!<br />

Deinem Wunsche zufolge schicke<br />

Das Buch der Arbeit I ti. II<br />

54+r, sondern ifi 30+r kostet.<br />

Das Kriegsspiel zu<br />

Den gewUnschten Einband -<br />

ich Dir hiemit:<br />

Theil (wovon jeder Theil nicht<br />

zus. 3f1<br />

18+r<br />

2f1 20+r<br />

5f1 38+r<br />

(Die BUcher von Leischner waren nicht vorrätig, mul3ten erst<br />

von Leipzig bestelit werden und sind bis data noch nicht angekommen.<br />

Da dachten wir, Du möchtest ungeduldig werden, und<br />

schickten diese 7 Sachen voraus.,) Dem David meinen Dank für<br />

semen wohlklingenden GruI3, soiche Grül3e wünschte ich mir<br />

"an Erdöpflsakvoll" Er solle nur so fortfahren. Dem Lisi<br />

werde ich bei nEchster Gelegenheit einen geschriebenen Schreib=<br />

Brief schreiben, so dern Matscherle. -<br />

So, lieber Toni! Das ware im Reinenl Wie geht es Dir iunner?<br />

Wie geht Dein GeschEft? Sowie die andern Bücher von Leipzig<br />

kominen, werde ich sie Dir sogleich schicken; darauf kannst<br />

Du Dich verlaBen. Wie geht es der lieben Mutter? Spinnt sie<br />

fleil3ig? Ich möchte sie nun bald wieder einmal sehen - -<br />

Peter und mir geht es gut, das Wetter ist bier meist sehr gelinde,<br />

oft sogar warm. (Du siehst schon, dal3 maine Neuigkeiten<br />

diesmal "mager" -sind,) Peter wird mimer dicker. (liii Augenblick<br />

geht er auf die Polytechnick; und brunimt und schimpft<br />

übers Reisbrett, daf er's so witt träga muaf3. Hie und da duan<br />

mer denn noch liachtastEnerla zor Uabig. So, Tonele, jetz<br />

wei8 i nut meh'.


229<br />

Wenn ich eirimal etwas Interessantes weil3 will ich dem Davigoliath<br />

schreiben; wenn ich dann nach Hause konime, bringe<br />

ich ihm eine schöne Uhrkette; konime ich aber dieses Jahr<br />

nicht, so bringt sie dann der Peter.<br />

Jetz wäI3 ich aber bigoscht nUt meh'. -<br />

Grüge mir die Seff a und das Mali, s'Lisi aber net, denn dem<br />

schreibe Ich dann selbst.<br />

Zum Finale wUnsche ich, daa Du mit den Bestellungen zufrieden<br />

seiest und mich bald wieder mit einem Briefe erfreust.<br />

Grüf3e die l/ieben/ Eltern herzlich;<br />

Dein Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

München 25.2.56."<br />

Die Mozartstiftung in Frankfurt gibt Rheinberger die Bewerbungsrnodalitäten<br />

bekannt:<br />

"Frankfurt a/}1 d. 25ten Febr.1856<br />

Herrn Jos. Rheinberger<br />

in Ntinchen<br />

Ihre Bewerbung urn das Stipendium der Mozartstiftung ist durch<br />

Beschlul3 des Verwaltungs=AusschuIes für zulässig erkannt worden.<br />

Das nun einzuhaltende Verfahren wjrd Ihnen nicht unbekannt<br />

sein, indeB wird die Feststellung desselben nicht UberflUssig<br />

sein. Sle haben nämlich nach §27 unserer Stiftungs-<br />

Statuten unter der Aufsicht eines Neisters der Tonkunst die<br />

Composition eines Liedes u. eines Instrumentalquartettsatzes<br />

als PrUfungsarbeiten zu fertigen.<br />

In der Voraussetzung daB Hr. Kapelimeister Fr. Lachner in<br />

MUnchen sich dieser Aufsicht unterziehen werde, haben wir mm<br />

beigefUgten Schreiben denselben hierum ersucht. Sie wollen<br />

daher ihm dies Schreiben gefEll. behandigen u. das Weitere<br />

von deinselben entgegennehmen.<br />

Die von Ihnen zu fertigenden Arbeiten sind nach Verlauf von<br />

längstens 2 Monaten u. in 4facher Ausfertigung zu liefern.<br />

Hr. Kapelimeister Fr. Lachner wird Ihre Arbeiten nach deren<br />

Vollendung sogleich an uns einsenden u. der Verwaltungs =<br />

Ausschuf3 wird dann nach Vorschrift der Statuten welter damit<br />

verfahren.<br />

Achtungsvoll der Verwaltungsausschul3 u.i.d.N.<br />

Dr. Ponfick, PrEsident"


230<br />

Den genannten ModalitEten, die Rheinberger berelts seit<br />

seiner Bewerbung im Jahre 1851 kannte, glaubte der hoffnungsfrohe<br />

Bewerber entsprechen zu können. Er war sich<br />

seines Erfolges sicher. An semen Bruder Anton schreibt<br />

er:<br />

"Lieber Bruder!<br />

Kaum hatte ich das Paquet fortgeschickt, kam von Leipzig<br />

der Ite Band "Papparbeiten von Leischner". Der lIte Band<br />

sei bereits vergriffen, also nicht mehr zu haben. -<br />

Soil ich ihn Dir gleich schicken, oder warten, bis ich<br />

mehr zu schicken habe? Wie bist Du mit der Waare zufrieden,<br />

die ich Dir schickte?<br />

Dem lieben Vater sage: daB mir letzthin die Aufgabe von<br />

Frankfurt gestelit worden sei, und zwar brief lich. Ebenso<br />

war von Hr: Lachner em Brief beigeschioBen, welcher den<br />

zu componirenden Text enthielt. Ich arbeite bereits an der<br />

Aufgabe. -<br />

Herr Begger, Kioster=Musiklehrer von Disentis, weichen Peter<br />

und ich daselbst kennengeiernt, hat uns dahier besucht,<br />

sagte, er wolle hier ins Conservatorium gehen; und ist vor<br />

8 Tag hier am Schleimfieber gestorben! - - -<br />

Der Peter sagt, man solle ihm seine Fragen bald beantworten. -<br />

Mein lieber Bruder! schreibe mir recht bald, wie /Du/ mit<br />

meiner Sendung zufrieden bist, wie es Dir und Deinem Geschäfte<br />

ergeht, und wie's in Vaduz Uberhaupt steht. 1st die<br />

liebe Mutter immer gesund? ich lasse sie herzlichst grUBen.<br />

Was inacht Hr: Hofcaplan Fetz? Meine Empfehlung! (Nicht zu<br />

vergessen: Befola z' griltza !) -<br />

Das Wetter war hier herrlich bis heute, wo es em wenig<br />

schneit.<br />

Der Peter wird jetzt "förchtig gschied". Gestern hat er mir<br />

von einem Gestirn erzählt, das aus gar keinen Sternen bestehe;<br />

und da ich's ihm nicht glaubte: hat er g'schimpft<br />

wia Rohrspätzie, was sehr fidel war. Ha, mänst net o? - -<br />

GrüBe -mir aile Bekannte, welche nach mir fragen; bleibe gesund,<br />

lebe wohl, und schreibe bald Deinem Dich liebenden<br />

Bruder<br />

Jos. Rheinberger.<br />

München den 6.3.56."


231<br />

Der Milnchner Punsch (Nr.9 vom 2. März 1856) erwähnte das<br />

Konzert, in dein Rheinberger mitwirkte, nur kurz, ohne seinen<br />

Namen zu nennen:<br />

I,<br />

Der hiesige Oratorien=Verein, unter Frhrn. von Perfails<br />

Leitung auf's beste gedeihend, brachte mit seiner Elite von<br />

Dilettanten auch heuer wieder em gröl3eres Werk Mendeissohns:<br />

"Elias" zur Aufführung, weiches alien Mitwirkenden zur besonderen<br />

Ehre gereicht. Der Gesainmt=Vortrag gab ZeugniB von<br />

der Sorgf alt der Vorbereitungen und von dem regen Eifer, der<br />

alie Einzeinen beseelt. Die Hauptparthien waren vertreten<br />

durch Frau v. Mangsti=Hetzenecker und Frau Professor Riehi;<br />

dann einen kiangvollen Tenor, Hrn. Hauptmann Reu1, und einen<br />

jungen taientbegabten Baryton, Hrn. Degele aus Stuttgart.<br />

Das gewählte Auditorium zeigte sich sehr entzückt."<br />

Das eigenhändige Werkverzeichnis Rheinbergers, in dem er<br />

die in dieser Zeit entstehenden Kompositionen datiert emtragt,<br />

verzeichnet für das Jahr 1856 eine Reihe von Werken,<br />

unter denen sich die Preisausaufgaben für die Frankfurter<br />

Mozartstiftung befinden, ohne daf dies mit Sicherheit zu<br />

sagen ware. Jedenfaiis sind foigende Kompositionen vorhanden:<br />

Fuge und Toccata in e-moii, JWV 50, komp. 22.2.1856;<br />

Messe in E$-dur für 4 Singstiinmen a cappeiia, JWV 57, komponiert}lUnchen,<br />

den 23.5.1856; Schauspieimusik zu Schiilers<br />

"Jungfrau von Orleans't für Orchester, komponiert Vaduz 1856;<br />

em Streichquartett in Es-dur und eines in c-moii, beide in<br />

einem Satz, von denen nur das zweite genau datiert ist: 21.<br />

6.1856. Em weiteres Streichquartett, in d-moii, JWV 59, in<br />

d*ei Sätzen, datiert 22.11.1856,iiegt vor. Unter diesen<br />

Werken kommt der Streichquartettsatz in Es-dur, JWV 63,ais<br />

Konkurrenzaufgabe in Frage. Daneben ist das Lied "Kennst<br />

du das Land, wo die Citronen biühn", JWV 67, datiert 1.5.<br />

1856, wahrscheiniich die weitere Preisaufgabe. Eine besondere<br />

Originalitat in der Erfindung ist beiden Werken nicht<br />

eigen.<br />

Anfang April schreibt Rheinberger nach Vaduz und berichtet<br />

über seine kompositorische Tätigkeit. Aus diesem Schreiben<br />

geht hervor, daB er stets am Ende des Manuskriptes das AbschiuBdatum<br />

vermerkt, so daB der genaue Entstehungszeitraum<br />

offenbleibt:


"Theuerster Vater!<br />

232<br />

Vorgestern übergab inir der Peter in Ihrem Namen 50f 1, für<br />

die ich Ihnen, Bester Vater! herzlichst danke. Ich werde<br />

44f 1 davon Hr. Perstenfeld (prom.: 15. April his 15.Juni)<br />

zukonmen lassen, weil er mir sagte, da2 er sich mit dem Hauszins<br />

hart tut. Peter las inir aus Ihrem Briefe nur Weniges<br />

vor, tinter anderem auch,. dal3 Sie, Bester Vater! wissen möchten,<br />

wie Tmeine Finanzen bei Banquier TMaier u. Comp. stünden.<br />

Ich. weil3 es so genau nicht, habe aber seit 14aiers Reise emmal<br />

27, eininal 20f 1 (=47f 1) bezogen. Auch hat Hr. Pfarrer<br />

Wolf inger durch. den Peter mir lOf 1 einhEndigen lassen, die<br />

also auth zu Naier's Rechnung gehören. -<br />

Gegenwärtig habe ich noch immer an der Frankfurter Aufgabe<br />

zu thun, weiche bis Ende dJI. 4fach abgeschrieben, eingeschickt<br />

sam inuB. Wenn Hr. Generaldirektor Lachner sich nicht<br />

so Zeit liege, ware sie schon abgeschickt. - Nein Nächstes<br />

wird as sodann sein, -meine Conzert=Ouvertüre zur Aufführung<br />

zubringen, und meine gro2e C-moll Sinfonie fertig zu arbeiten.<br />

Der Text -meiner kleinen Oper ist an die Königstädter Bühne<br />

In Berlin eingeschickt worden, und sollte er conveniren, so<br />

wird-meine Partitur nachgeschickt und dort aufgefUhrt. Vorerst<br />

weIf3 nur Hr. Prof. SchafhEutl darum. Es muB nun jeden<br />

Tag Antwort eIntreffen,die - vielleIcht auch abschlagig sein<br />

kann. - Hr. Prof. Herzog in Erlangen soll leider schwer<br />

krank sam. Ich hatte mich auf seine Ankunft zu Ostern gefreut,<br />

nun aber konnte er nicht konunen. - (Auch Pfingsten<br />

gehe ich nach TUrkenfeld!) Peter war über Ostern in Türkenfeld,<br />

ich konnte aber leider nicht mitgehen, weil der Oratorienverein<br />

auf den h. Gründonnerstag em Niserere einstudirte,<br />

und in der Basilika auffUhrte - auch am 31.1.14. im<br />

groen Odeonsconcertsaale em Concert zum Besten der Armen<br />

gab, wo ich die Orgel mit spielen -mugte. -<br />

Für die Basilika componire ich. gegenwärtig eine kleine Nesse<br />

für 4 stimmigen Chor; für später bin ich willens eine grol3e<br />

Nesse -mit Orchester zu comp/oniren/ und alle -meine Kräfte<br />

dazu aufzubieten. -<br />

Auf den Monat Juli freue ich mich sehr, nEmlich: wegen der<br />

Heimfahrttt wo ich. hoffe, alle 1/Ieben/ Angehörigen, besonders<br />

aber Sle, Geliebteste und Theuerste Eltern! gesund und<br />

zufrieden anzutreff en, was der Allmächtige -verwIrklichen möge!<br />

Ihr dankschuldiger Sohn<br />

Jos. Rheinberger 3.4.56.<br />

(:Mali, Lisi und Toni sollen Neuigkeiten schreiben!)"<br />

Acht Wochen später schreibt Rheinberger:


233<br />

tlTheuerste Eltern!<br />

Da ich Ihnen schon Uber 1 Monat nicht mehr geschrieben,<br />

(well Peter Anfangs Mai schrieb) so will ich alle Neuigkeiten<br />

von dort erzEhlen, wenn sie den Namen "Neuigkeiten"<br />

verdienen. Ende April beendigte ich die Preisaufgaben und<br />

schickte sie in 4 facher Abschrift nach Frankfurt, was Peter<br />

Ihnen, Geliebtester Vater! schon geschrieben haben wird.<br />

Ich glaube, da1 diese Compositionen gelungen sein werden,<br />

auch gefielen sie den Hr. Lachner, Maler und Schafhäutl<br />

sehr. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort von Frankfurt<br />

bekommen. Gebe Gott! daf3 sie den erwarteten Segen bringen. -<br />

Da13 wir zwei aüch tiber Pfingsten in Türkenfeld waren, dort<br />

einen Balzner, (Nigg) getroffen, werden Sie, Bester Vater!<br />

von jenem selbst erzHhlen gehört haben.<br />

Neine 4 stimmige Nesse habe ich beendigt; meine Ilte Synfonie<br />

werde ich aber erst in Vaduz vollenden. Theuerste<br />

Elternl trotzdem, dal3 ich von Hause solange keine Nachrichten<br />

erhalten, hoffe ich nichts desto weniger, daI3 Sie sich<br />

alle wohl und gesund befunden haben werden, so wie ich und<br />

Peter dahier. -<br />

Pfarrer Durigiai 1st noch nicht eingetroffen. - Hr. Lieut.<br />

Nenzinger schrieb dem Peter, da1 er ihn am 3Oten besuchen<br />

werde, ist aber heute früh (3lten) noch nicht hier. Peter<br />

-möchte gern-wissen, ob er einen Schnurr=Knebel, Baken=Bak's<br />

oder sonst einen Bart trage, worauf ich gar nicht neugierig<br />

bin. Das sind Alle MUnchner Neuigkeiten. - - - -<br />

Die gro1e Frohnleichna-msprozession war heuer sehr glänzend. -<br />

David schreibt dem Peter fleiig; warum schreibt denn mir<br />

Niemand mehr? - - -<br />

Was inacht die liebe Mutter? Ich freue mich sehr sie bald zu<br />

sehen; geht es ihr auch so? - Nun, Theuerster Vater! leben<br />

Sie wohl; ich wtinschte, Sie bald mit den besten Frankfurter=<br />

Neuigkeiten erfreuen zu können, weichen Wunsch der Hinnnel<br />

bald erftillen möge. In Erwartung eines lieben Briefes Ihr<br />

dankschuldigster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

Niluchen, 31.5.56.<br />

NB. Grül3e von Peter!<br />

NB. Auch einen Grut3 von meiner Garderobe, welche sich wohl<br />

befindet, mit Ausnahme der Hosen und Stiefel, weiche einer<br />

Reserve=Nannschaft bedarf! (Sonntag, d. 1.6.56.)"


234<br />

Gleichzeitig erhält der Bruder in Vaduz gereimt Ungereimtes:<br />

"Nein lieber Tone!<br />

Sieh! ohne<br />

Auch nur einen Brief von<br />

Dir abzuwarten, schreib' ich Dir schon!<br />

Verdient das nicht 50 Prügel<br />

Nit einem Ochsen=Striegel?<br />

Ich dhua d'r schrieba, welle nut wä1,<br />

(Im Nonat Mai ist's förchtig hä1)<br />

DeIwegen schreib ich Dir in Hemd<br />

Arniel, ohne dal3 i mi hätt gschâmt<br />

Vor Dir. Ntindlich will ich Dir dann mehr noch sagen,<br />

Du solist nicht über Nangel an Neuigkeiten klagen.<br />

(Sieh, ich gehöre auch zu dem Gelichter<br />

Schlechter Wasser=Dichter).<br />

WeiB schon:<br />

SpEter niehr davon!<br />

Jetzt bitt i urn Pardo,<br />

ich rnua1 uf an -- go!<br />

Jetzt bin ich schon wieder da,<br />

Foha mer weeder vo forna a!<br />

Wie geht Deine Buchbinderei,<br />

Tragts' viele Batzen el?<br />

Bist Du immer gesund<br />

Gewesen -- und<br />

1st d'Nutter sch5,<br />

dhua'ts viel Kriasi ge?<br />

Git's öpfl I der Esla?<br />

(Jetz han i müasa bschnesla!)<br />

I ha denkt an a guata Schnopftabak,<br />

und ha net amol a Prisle liii Sak,<br />

(well I saga) i der Box,<br />

ja, do ist o nix!---<br />

Jetzt will i Dir a Gschechtle verzella!<br />

Eirirnal sind zwei Handwerksburschen nach Türkenfeld gekonrnen<br />

und haben dort einen Balzner getroffen, welcher<br />

ste nicht kannte. (Dia Gschecht ist wohr!)<br />

Der Balzner hat geglaubt, es seien 2 Herren aus NUnchen.<br />

Er hat nicht glauben wollen, da sie schon in Liechtenstein<br />

gewesen seien:


235<br />

Balzner: Jo, wenn lar scho z'Liachtaschtä gse sind, so<br />

duan der Nama von a ma Liachtaschtäner Sega.<br />

Handwerksbursch: Der Rentmeister!<br />

Balzner:Jo, das isch an grofa Ma, der dhuat ma öberal<br />

kenna.<br />

Handwerksbursch: Der Balzner Muller!<br />

Balzner:Jo, das hat ne der Pfarrer gset!<br />

I. Handwerksbursch: Aber dr Egidi z Baizers met sina Koga!<br />

Balzner: Jez glob is aber, daB er dtiart gse sind;<br />

aber mine Herra! Sind sie net d'Rempmästers Buaba?<br />

I han is doch grad am Modi a kennt.<br />

Dia Gschecht is wohr,<br />

schreib mir bald, mein lieber Bruder,<br />

Euer Hochwohlgeborn<br />

inalleruntherthänigkeitganzergebenster Diener<br />

Jos. Rheinberger<br />

Mflnchen 31.5.56<br />

P. Peter erwartet, daB man ihm das Geld schicke, weiches<br />

die Eschner bezahlen sollen.<br />

Wie genau der Musiker Josef Rheinberger bei der Wiedergabe<br />

derartiger harmioser Genreszenen semen Landsleuten<br />

aufs Maul schaute, ergibt sich nur für denjenigen erkennbar,<br />

dem dieseverschiedenen idiomatischen Nuancen geläufig<br />

sind. Wie tief Rheinberger in seiner liechtensteinischen<br />

Heimatverwurzelt war, geht aus diesen Briefen an<br />

seine Geschwlster hervor. Hier auch gibt er AufschluB<br />

Uber seine GefUhie und seine Bindungen an die Familie.<br />

Imnier wieder fragt er nach dem Befinden seiner Mutter; obwohi<br />

von dieser stillen Frau nicht em einziges Wort in<br />

den zahireichen Briefen aus Vaduz Uberliefert ist, entsteht<br />

ihr Bud.-<br />

Ohne Zweifel sind auch die einschneidenden Entscheidungen,<br />

die Rheinbergers Vater immer wieder bezüglich der musikalischen<br />

Ausbildung seines Sohnes in MUnchen zu treffen hat,<br />

von der Mutter mitgetragen und entscheidend beeinfluBt.<br />

Die Hoffnungen, die Rheinberger zu dieser Zeit auf das<br />

Stipendium der Mozartstiftung setzte, wird sie geteilt<br />

haben.<br />

Der Umstand, daB Rheinberger das Ziel nur knapp verfehlte,<br />

ist besonders schmerzlich.


236<br />

Die Mozartstiftung teilt ihren Beschlul3 mit:<br />

"Herrn Joseph Rheinberger, Mlinchen.<br />

Im Laufe der vergangenen Woche ist der letzte gutachtliche<br />

Bericht von Seiten der für die Arbeiten der urn das Stipendium<br />

a'ufgetretenen Bewerber erwählten Preisrichter eingegangen.<br />

Der Verwaltungs=AusschuI3, weicher in seinern definitiven<br />

Beschluf3 sich strenge an das Ergebnh1 der Gutachten<br />

u. an die Bestimmungen der Statuten zu halten verpflichtet<br />

ist, hat in seiner Sitzung vorn 6ten d.N. dern Verfa!3er der<br />

Arbeit No.3 Joseph Brambach von Bonn das Stipendiurn zuerkannt.<br />

Es ist inde2 weniger noch diese Mittheilung, weiche ich mich<br />

beeile an Sie ergehen zu lal3en, als vielrnehr die Absicht,<br />

Ihnen zu sagen, daB wenn Ihre Arbeit auch nicht durchgängig<br />

als die bel3te anerkannt worden 1st, man ihr doch besonders<br />

von einer Seite her rühmliche Auszeichnung angedeihen liel3.<br />

Schon bei der früheren Bewerbung haben Sie concurrirt. Auch<br />

dainals nicht ruhmlos, nicht ohne eine ehrende Anerkennung<br />

davon zu tragen. Dies kann, dies muB Sie nur ermuthigen, u.<br />

auch wir möchten nach unserem Theil gem mit einem SchErflein<br />

dazu initwirken. Wirkennen Ihre Verhältnisse nicht;<br />

wissen nicht, ob Sie ferner in München bleiben werden, ob<br />

Sie vielleicht eine spEtere Bewerbung urn unser Stipendium<br />

nochmals zu versuchen gesonnen sind. Wir unsererselts würden<br />

uns nur freuen, elne soiche Zusicherung von Ihnen zu<br />

erhalten u. würden Sie gerne wilikommen heiBen.<br />

Derenfalls aber glaubt der Verwaltungs=AusschuB Ihnen seine<br />

wohimeinende Gesinnung In irgendeiner Form nach semen KrEften<br />

bethätigen u. Ihnen eine gewiBI3e Anerkennung bieten zu<br />

sollen - em Anerkenntni2 Ihrer Tüchtigkeit u. Strebsamkeit,<br />

indem wir Ihnen em Zeugnil3 ausstellen für Ihre wackere Arbeit,<br />

zur Ermuthigung u. zur Einpfehlung für Sie. Es solite<br />

nur freuen, wenn Sie dies freiwillig gegebene freundliche<br />

Erbieten annehmen, doppelt freuen, wenn es Ihren Zwecken,<br />

Ihrer kUnftigen Laufbahn fbrderlich sein kann. Wir haben bei<br />

elneni verwandten Falle in ähnlicher Weise gehandelt und zwar<br />

mit dem bel3ten Erfolge für den Kunstjünger, der jetzt bereits<br />

eine ehrenvolle öffentliche Stellung einnimrnt.<br />

Lal3en Sie uns in dieser Bez.iehung ganz of fen Ihre Entschlie-<br />

Bungen u. Thre Wünsche vernehrnen, u. halten Sie sich versichert,<br />

daB wir stets genie bereit sind, Ihnen in jeder Weise<br />

nach Kräf ten förderlich zu sein.


237<br />

Nit aller Wertschätzung der Verwaltungs=Asuschul3<br />

der Mozart=Stiftung<br />

u.i.d.N. Dr. Ponfick, Präsident<br />

Frankfurt a./M. d, 9ten Juni 1856."<br />

Tief enttäuscht tibersandte Rheinberger dieses Schreiben nach<br />

Hause:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Hiemit sende ich Ihnen Antwort aus Frankfurt, die, wenn auch<br />

ehrenvoll genug, doch nicht das GewUnschte enthält. Eine Abschrift<br />

davon zeigte ich den Herren Lachner, Schafhäutl und<br />

Maier, natürlich mit Auslassung der 5.-8. Zeile auf der 2ten<br />

Seite des Briefes. Man rieth mir aligemein an, dem Anerbieten<br />

des Mozart=Vereins Folge zu leisten; demnach werde ich dieser<br />

Tage dahin schreiben. Die ganze Geschichte hat mich auf lange<br />

Zeit verstimmt. -<br />

Fir: Maier ist nicht mehr Professor am Conservatorium, sondern<br />

bei der Kgl: Hofbibliothek angestelit, wie ich höre, mit bedeutendein<br />

Gehalt, was ich ibm herzlich wünsche.<br />

Es freut mich sehr, wenn David kommt. Das Mali schreibt mir<br />

nur immer, bevor ich nach Hause komme, es wei8 schon warum,<br />

aber so pfiffig bin ich auch. Ich werde ibm einen ganzen Paèk<br />

Nusikalien mitbringen.<br />

Von Berlin hat mein Dichter.noch keine Antwort. - Ich habe<br />

wieder eine Menge Sachen in Arbeit, worunter auch die Musik<br />

zu Schiller's "Jungfrau von Orlans". - Für die Fakanz (vielleicht<br />

auch etwas länger;) Arbeit genug. -<br />

Fir: Lieutenant Menzinger war auf einen Tag bier. Es hat mich<br />

sehr gewundert, wie Gotta Sepp auf den Einfall kam, mir zu<br />

schreiben. Ich werde ibm auch schreiben; sowie ebenfalls an<br />

Hr: Schmutzer. -<br />

Ich freue mich sehr, Theuerster Vater! Sie, und alle uns Angehörigen<br />

baldigst, und, so Gott will, recht wohi und gesund<br />

zu sehen, weiche Hoffnung wohl nicht vereitelt werden wird,<br />

wie die Eingangs meines Briefes? Euer dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

}lUnchen, den 19.6.56.<br />

(Der Mutter viele, viele GrUf3e !!!)"


238<br />

Johann Peter Rheinberger entwarf für semen Sohn folgendes<br />

Antwortschreiben an die Mozartstiftung:<br />

"Löblicher VerwaltungsausschuB!<br />

Wohigeborener Herr Präsident!<br />

In dem mir von Ihnen zugegangenen sehr verehrten Schreiben<br />

vom 9ten des Nonats hatten Sie die Güte mir die statt gefundene<br />

Vergebung des ausgeschriebenen 1Iozart'schen Stipendiums,<br />

urn weiches auch ich mich beworben habe, mitzutheilen,<br />

wofür ich Ihnen anmit den höflichsten Dank erstatte.<br />

Wenn ich auch nicht so glUcklich war mit meinen Leistungen<br />

in Ausarbeitung der mir vorgelegten PreiBaufgaben den gewünschten<br />

Sieg zu erringen, so darf ich mich dennoch schon<br />

dadurch hinlng1ich belohnt finden: daB meine gelieferten<br />

Arbeiten vor kompetenter Behörde Anerkennung gefunden, und<br />

mir die Zulieferung ihrer höchstschätzbaren Gewogenheit erworben<br />

haben. Denn nebst dem daB Sie mich aufmuntern später<br />

wieder als Bewerber auftreten zu sollen, was ich durftigen<br />

falls nicht versäumen werde, wird inir auch noch em empfehlendes<br />

ZeugniB zugefuhrt, welche Zusicherung urn so willkommener<br />

sein muB, weil mir em soiches unter meinen gegenwärtigen<br />

Verhältnissen sehr nUtzlich werden dürfte, und urn<br />

dessen Erfolgung ich also auch recht ergebenst bitte.<br />

Genehmigen Sie schliel3lich bitte für die mir zugesicherte<br />

Gewogenheit, welche mir stets schätzbar bleiben wird, meine<br />

aufrichtige Danksagung, und indem ich recht ergebens bitte<br />

inir dieselbe nicht wieder entziehen sondern mir bei einer<br />

sich etwa zeigenden Gelegenheit mit Ihrer gewichtigen Empfehlung<br />

förderlich sein zu wollen, geharre ich mit aller<br />

Hochachtung als dankbarer Diener<br />

Jos. Rheinberger<br />

MUnchen d /4./Juli 1856<br />

Ob mir es die Verhältnisse gestatten werden zu meiner weiteren<br />

Ausbildung ferner in München bleiben zu können, bin<br />

ich gegenwärtig nicht im Fall zu bestimmen, für jeden Fall<br />

werde ich mich urn Mitte Juli nach Hause begeben, und dorten<br />

den weiteren Bestimmungen entgegen harren.t'


239<br />

Der Verwaltungsausschi derMozartstiftung Ubersandte unter<br />

dem 5. August 1856 em Ehrenzeugnis für Rheinberger mit<br />

den wenig trostreichen Worten:<br />

"Möge das ZeugniB selber von recht gutem Erfolge für Sie<br />

sein: Stets werden wir die günstige Gestaltung Ihrer Verhältnii3e<br />

mit VergnUgen vernehmen, u. stets wird es uns em freudiges<br />

Bewuftsein gewähren, wenn wir uns sagen dürfen, data auch<br />

wir nach Kräf ten unser Schärfiein dazu beigetragen haben."<br />

Das Dokument hat foigenden Wortlaut:<br />

"Ehren = Zeugnii3<br />

Herr Joseph Rheinberger, aus Vaduz, im FUrstenthurn Lichtenstein,<br />

1st bei der Bewerbung urn das von dem unterzeichneten<br />

Verwaltungs Ausschu1 zu vergebene Stipendium der Mozart Stiftung<br />

zu Frankfurt a./M. sowohi bereits vor 5 Jahren, im J/ahre/<br />

1851, wie jetzt neueriich als Mitbewerber aufgetreten u. hat<br />

beide Male durch die Gediegenheit der eingereichten Probe=<br />

Arbeiten sich von Seiten der erwhiten Preisrichter eine<br />

ehrenvolie Erwähnung zu verschaffen gewuI3t, so zwar, daIs besonders<br />

bei der ietzen Bewerbung seine Arbeit von sämtlichen<br />

Preisrichtern: Kapeilmeister Et3er in Wien, MusikDirector<br />

M. Hauptmann in Leipzig u. MusikDirector Mef3er in Frankfurt<br />

a.IM. als eine vorziigliche anerkannt u. der gekrönten zunächst<br />

u. dicht angereiht wurde.<br />

Unter soichen Umständen erkennen wir es ais eine Pflicht der<br />

Gerechtigkeit, der wir uns mit wahrem Vergnügen entledigen,<br />

auf die reichen musikalischen Anlagen u. auf die hoffnungsvoile<br />

Befähigung des Hr. Joseph Rheinberger nachdrUcklich<br />

hinzuweisen, u. ihn Allen, denen es durch Stellung oder EmfluI<br />

vergonnt sein dUrfte, mit irgend welcher Beihülfe oder<br />

UnterstUtzung auf die fernere Entwicklung u. Ausbildung seines<br />

schönen Talentes hinzuwirken, mit voller Uberzeugung u.<br />

auf's angelegentlichste zu empfehlen.<br />

Der Verwaltungs-Ausschur<br />

der Mozart Stiftung zu Frankfurt a.IM.<br />

Dr. Ponfick, Präsident D.A Giar, Sekretair<br />

Frankfurt a./M. d. 5ten August 1856 "


240<br />

Nit dieseni ehrenvollen Zeugnis, das semen weiteren Aufenthalt<br />

in TMünchen kaum sicherte, reiste Rheinberger im<br />

Sonimer 1856 nach Hause. Von Vaduz aus schreibt er an J.J.<br />

}laier, urn die wirtschaftlichen Grundlagen für semen Verbleib<br />

in der bayerischen Netropole zu erkunden. Naier antwortet<br />

Rheinberger:<br />

vLieber Joseph!<br />

Ich würde Ihr freundliches Schreiben v.25.v.N. sogleich<br />

beantwortet haben, hätte ich damals nicht sicher geglaubt,<br />

Herrn von Perfall bald hier sehen und sprechen zu k5nnen.<br />

Ich habe ihn inzwischen 2rnal vergeblich aufgesucht und muI3<br />

Ihnen nun doch zu Ihrer Beruhigung schreiben.<br />

Ihre Vernehung, dal3 Sie bei täglich 2 Privatlectionen mit<br />

dern Oratorienvereins=Gehalte sich durchbringen könnten, halte<br />

ich für richtig. Wenn Sie nun meinen, es würde die Habhaf twerdung<br />

von je 2 täglichen Unterrichtsstunden schwer haten,<br />

so mögen Sie auch hierin für den Anfang Recht haben. Es ist<br />

abereinealte Erfahrung, dai3 wenn em angehender Lehrer,<br />

falls er mit Sachkenntni8 und innerem Eifer versehen 1st,<br />

nur erst einige Stunden hat, dann bald deren mehrere bekomint.<br />

Dazu gehort nun vor allem ., da8 er sich darurn bewirbt und<br />

möglichst bekannt giebt, daB er die Absicht habe, Privatunterricht<br />

zu ertheilen, nicht aber zuwartet, ob und wieviele<br />

Stunden em gütiges Geschick ihm zuwendet. Ich sollte nun<br />

meinen, daB Sie, falls die Herren Böhm, Schafhäutl, Perf all<br />

etc. urn Ihre specielle Verwendung angegangen würden, falls<br />

überdiel3 die Herren Berthold und Pentenrieder von Ihrem Vorhaben<br />

in KenntniBgesetztwerden, dann doch per Tag zwei Unterrichtsstunden<br />

erhalten wilrden. Ich selbst glaubte Ihnen durch<br />

Vermittelung des Hr.Heucherner wenn auch nicht anfangs, so<br />

doch un Laufe des Sch'uljahres Privatstunden verschaffen zu<br />

können, da Hr. Heuchemer schon eine Reihe von ihm angebotener<br />

Privatstunden bisher, ohne Jenianden an seine Stelle zu empfehlen,<br />

zurückweisen muBte und, wie ich als wahrscheinlich glaube,<br />

gem geneigt sein wird, Sie für derartige Fälle zu empfehlen.<br />

Von vornherein läl3t sich rnehr nicht sagen. Sie müBten eben in<br />

Gottes Narnen vor Allern hier anwesend sein u. zwar am zweckmäl3igsten<br />

so von Ende oder.Nitte October an, dann muB es sich<br />

zeigen, wieviele Schüler sich an Sie adressiren. Ende dieses<br />

1onats etwa wird Hr. Schafhäutl zurückkehren, mit weichem


241<br />

ich Uber Ihre Angelegenheit sprechen werde, so da8 ich dann<br />

Ihnen oder vielmehr Ihrem Herrn Vater in der ersten Woche<br />

des Octobers Weiteres in dieser Sache werde mittheilen kdnnen.<br />

Das Ihnen von Frankfurt aus zugeschickte Zeugni8 ist sehr<br />

schätzenswerth. Durch einen Brief von Hr. Hauptmann 1st mir<br />

aul3er Zwelfel, dais er derjenige Preisrichter war, weicher<br />

sich für Ihre Arbeiten entschieden hat.<br />

Da13 Sie fleif3ig gearbeitet haben freut mich, ich war davon<br />

aber ohnehin Uberzeugt. Bringen Sie seiner Zeit nur recht<br />

viel mit hierher!<br />

Den beabsichtigten Besuch in Vaduz konnten wir leider nicht<br />

machen, da mich em in Meran vorgefundener Brief eilig nach<br />

Constanz rief.<br />

Nun empfehlen Sie mich alien den Ihrigen und seien Sie henlichst<br />

gegrü8t von Ihrem treuergebenen<br />

l4Unchen 12. Sept. 1856."<br />

Julius Naier<br />

Der Rentmeister in Vaduz holt sich beim Münchner Quartierherrn<br />

Perstenfeld zunächst einen Kostenvoranschlag, urn semen Entscheid<br />

Uber den Verbieib Josef s in München zu begrUnden.<br />

MUnchen, am lOten Oktober 1856<br />

"Verehrungswürdiger Herr und Freund!<br />

Ihrem Wunsche entsprechend, beeiie ich mich, den so eben erhaltenen<br />

Brief zu beantworten. Pepi kann bey uns wieder seine<br />

Herberge aufschiagen, und es bleiben die Verhältnisse beim<br />

Alten - nur mit dern Unterschiede, dat3 ich Sie bitten mu8 -<br />

weil die Lebensmittelpreise gar nlcht sinken, sondern eher<br />

sich steigern - 24f 1 per Monat zu entrichten, für Holz und<br />

Licht wie bisher seibst zu sorgen, u. auch den Pepi zu veranlassen,<br />

dal3 er die Leibwäsche einer Wäscherin ubergebe,<br />

weil wir jetzt die Wäsche seibst bezahien mUssen, da wir sie<br />

aus dern Hause geben, da meine Frau wegen öfteren Unwohiseyns<br />

dieselbe nicht mehr prestiren kann. -


242<br />

Wir glaubten schon seit Anfang Oktober nicht rnehr an eine<br />

Rückkunft des Pepi, und machten schon Ausschlagzettel urn<br />

das Zinuner zu vermiethen, und gerade 1/2 Stunde nach Ankunft<br />

Ihres Briefes meldeten sich zwey Polytechniker urn<br />

das Zimmer - ware der Brief 1/2 Stunde spater gekommen, so<br />

ware das Zimmer weg gewesen. Grü1en Sie mir herzlich den<br />

Joseph, und sagen Sie ihm, da1 bald nach seiner Abreise em<br />

Bedienter des Grafen Arko=Zineberg zu uns kam, und ihn haben<br />

wolite.<br />

Daf Hr. Lieutenant so glucklich ist so schnell zur Praxis<br />

gekoinmen zu seyn, freut uns Alle recht sehr - rnöchten Sie<br />

ihm wohi bei Gelegenheit einen freundlichen GruI von mir<br />

entbiethen. -<br />

Ebenso winschte ich, dal3 Sie mir den sanf ten David herzlich<br />

grüBen, ich mu2 noch rnanchmal lachen, wenn mir seine Anektodten<br />

einfallen. -<br />

Endlich gru1en Sie mir noch einmal den Joseph und sagen Sie<br />

ihm, dal3 er bei seiner Ankunft mit Neuigkeiten von München<br />

überschwemmt werden wird, besonders von Ludwig. -<br />

Leben Sie nun recht wohi, und gedenken Sie oft<br />

Ihres aufrichtigsten Freund<br />

Joh. Ev. Perstenfeld<br />

Viele Grül3e von meiner Frau und meinem Ludwig."<br />

J.J.Naier gibt über die zukünftigen Einkommensverhältnisse<br />

Josef Rheinbergers in München folgende Prognose:<br />

München d. 25.Octob. 1856<br />

"Hochverehrtester Herr Rentamtmann!<br />

Endlich bin ich in der Lage, Ihnen über die bewul3te Angelegenheit<br />

Näheres mitheilen zu können, da erst vorgestern<br />

Herr von Perfall mir seine, in dieser Sache fast den Ausschiag<br />

gebende Antwort ertheilt hat.<br />

Hr. v. Perfall wird dieser Tage eine Subscriptionsliste<br />

für Joseph eröffnen. (Ich hatte im vorigen Jahr gar so ausdrücklich<br />

Beitrage für nur 1 Jahr erbeten, daf3 ich selbst<br />

die Sache nicht wieder angreif en kann). Die frühere trug<br />

monatlich 13f 1 3Okr. wir haben nun noch inehr voraussicht-


243<br />

liche Theilnehmer gefunden, so daf3 wir die monatlichen Belträge<br />

auf 16 bis 20f 1 zu bringen zuversichtlich hoffen.<br />

Nach der Erklärung des Cassiers des Oratorlenvereins kann<br />

das Honorar für Joseph nur erhöht werden, wenn rnehr Mitglieder<br />

eintreten u. dadurch die Elnkünfte des Vereins wachsen.<br />

An gutem Willen fehit es dabei nicht, da der ganze Vorstand<br />

den Joseph sehr gerne hat.<br />

Hierin mu3 vorerst also zugewartet werden.<br />

In Betreff der Lectionen habe ich mit Hr. v. Perfall und Hr.<br />

SchafhEutl gesprochen. Beide werden, wo sich Ihnen irgend<br />

Gelegenheit bietet, den Joseph angelegentlich empfehlen.<br />

Auch den Geistl. Rath Professor Koch besuchte ich defwegen,<br />

welcher mir dasselbe zusagte mit dem Bemerken, daf3 er bei den<br />

unter ihm stehenden Schulpräparanden oft Gelegenheit haben<br />

werde, zu deren Nachhülfe den Joseph zu empfehlen. Herrn<br />

Capeilmeister Pentenrieder hat mlr Hr. Schafhäutl versprochen<br />

in KenntniB zu setzen. Hr. Prof. Leonhard 1st auch in<br />

Kenntnif3 gesetzt. Hr. Heuchemer konnte ich noch nicht treffen,<br />

da dieser auf Joseph viel halt, 1st an seiner Bereitwilligkeit<br />

nicht zu zweifeln.<br />

Der Oratorienverein hat schon begonnen u. Hr. v. Pen all<br />

wünscht natUrlich sehr, dal3 Joseph dabei sei.<br />

Sie sehen, verehrtester Herr Rentamtmann, da2 alle gute<br />

Hoffnung vorhanden 1st, da1 sich Joseph binnen kurzem hier<br />

wird halten können und Sie ihm wohl nur für die ersten Wochen<br />

werden eine UnterstUtzung reichen müssen. Nun mu1 Josephs<br />

Augenmerk darauf gehen (und er 1st so gescheut, daf er das<br />

kiar einsehen wird) sich Stunden zu verschaffen und diese<br />

nicht bios zu ertheilen, sondern so zu ertheilen, daB er<br />

sich selbst empfiehlt d.h. in kurzer Zeit em besseres Honorar<br />

anzusprechen befugt und damit in der Lage 1st, möglicherweise<br />

etwas zurückzulegen, was wenn die Subscription unseren<br />

Enwartungen gemäB ausfällt, wohl bald eintreffen könnte.<br />

Unter diesen Umständen 1st es wohl das Beste, daB Joseph<br />

jetzt bier wieder eintrifft, was dem Oratorienverein gegenüber<br />

schon geschehen muf3. Es handelt sich bei Joseph darum,<br />

daB er noch 1,2 Jahre alter wird, dann 1st mlr nicht mehr<br />

bange für ihn; vorerst 1st der eingeschlagene Weg der emzige,<br />

der vermeidet, daB Joseph zurUckkönne und somit alle<br />

von Ihnen bis jetzt gebrachten Opfer vergeblich gewesen wEren.<br />

Ich brauche wohi nicht beizufUgen, daB ich zu jeder weite-


244<br />

renAuskunftsertheilung, Besorgung etc. die Sie irgend wünschen<br />

können, herzlichst gerne bereit bin. Mit dieser ernstlich<br />

gemeinten Versicherung grül3t Sie und alle die Ihrigen<br />

Ihr dienstbereitwilliger<br />

Julius Maier<br />

Frauenhoferstraf3e No 2/2<br />

Johann Peter Rheinberger antwortet auf das vorstehende<br />

Schreiben mit nachfolgenden Zeilen an Julius Josef Maier:<br />

Vaduz den 29. Oktober 1856.<br />

"Wohlgeborner!<br />

Verehrtester Herr Professor!<br />

Ihr verehrtestes Schreiben vom 25ten dieses Monats ist mir<br />

gestern zugekommen, woraus ich mit dem wrmsten DankgefUhl<br />

entnahm, dal3 Sie nicht aufhören wollen mein lieben Sohn Joseph<br />

auf seiner angetrettenen Laufbahn zu unterstützen, und<br />

ihm zur Erreichung seines vorgestekten Lebenszieles beförderlich<br />

zu sei. Erlassen Sie mir, verehrtester Herr Professor!<br />

den Ihnen schuldigen Dank gebllhrend auszudrücken, ich<br />

habe keine Worte hierfür !! Stets werde ich aber Gott bitten<br />

daI3 er Sie für Ihre aul3ergewöhnlichen Bemühungen mit<br />

seinem Segeñ lohnen wolle.<br />

Getrost schike ich nun meinen Joseph wieder nach München,<br />

da ich weil3 daB Sie sich seiner wieder mit Rhat und That<br />

annehmen, und ihm Tmit den einem jungen in die Welt eintrettenden<br />

Nenschen nothwendigen Mahnungen stets zu Hülfe kommen<br />

werden.<br />

Freitag Abends wird er unter erbettenem Gottesgeleit dort<br />

eintreffen, und wird zu seiner einstweiligen Existenz, nach<br />

bestrittenan Reisekosten, noch circa 80f 1 mitbringen.<br />

Indem ich ihn nun Threr dauernden Gewogenheit angelegenst<br />

empfehle, bitte ich schlül3lich nochmals den aufrichtigsten<br />

Dank annehmen zu wollen, mit welchem zeitlebens mit aller<br />

Hochachtung verharren wird<br />

uer Wohlgeborn<br />

dankschuldigster Freund und Diener<br />

J.P. Rheinberger Rtmstr."


245<br />

Die Rückkehr Rheinbergers nach München in diesem Herbst<br />

markiert eine Zäsur in seinem Leben. War bisher immer noch<br />

die Moglichkeit of fen geblieben, daIs er sich durch eine<br />

besondere Leistung vor semen MUnchner Fachkollegen quailfizieren<br />

könnte, so hat sich diese Gelegenheit bisher nicht<br />

erfUilt. Er fristet sein Leben mit Stundengeben und Komponieren<br />

und schreibt nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Damit Sie durch iängeres Stiilschweigen nicht urn mich besorgt<br />

werden möchten, schreibe ich das Wenige, was ich zu<br />

berichten habe. - In Sevelen 1st nach Davids u. des Hr.<br />

Oberförsters Heimkehr gleich der Commandant eingeschlafen,<br />

und ich langweiite mich bis 10 1/4 Uhr, wo mich der Postwagen<br />

erlöste, und mich bis 4 Uhr nach Rorschbach brachte;<br />

erst urn 10 Uhr fuhr das Dampfboot nach Lindau, weiches jetzt<br />

prachtvoii aussieht. Wegen der grol3en Kälte nahm ich Eisenbahn<br />

II. Kiasse, und von Augsburg bráchte mich der Eiizug<br />

in 5/4 Stunden, nEmlich urn 1/2 11 Uhr nach MUnchen. Die<br />

Herren Maier, Perfall, Schafhäuti etc. empfingen mich äusserstfreundschaftiich,<br />

und - nun sitz ich in meiner aiten<br />

Wohnung bei Perstenfeld's und habe schon Mehreres componirt.<br />

Auch habe ich einen SchUler aus Wiirzburg in der Harmonieiehre<br />

zu unterrichten.<br />

Herrn Generaidirektor Lachner habe ich noch nicht zu Hause<br />

getroffen. - Ich befinde mich ganz wohi, und hoffe mich mit<br />

Gottes Hilfe durchbringen zu können. Ich habe em 2/3 Kiafter<br />

Hoiz zu 9f 1 und einen warmen Winterrock gekauft (zu<br />

16f1). -<br />

Perstensfeids Ludwig hat das Clarinett=Spielen aufgegeben.<br />

Die Frau Oberförsterin wird ihren Hut nchsten Sonntag in<br />

Sevelen holen können. Den Toni und David werde ich auch<br />

bEldestens befriedigen. -<br />

Unter meinen sonstigen Ausgaben steht auch em Regenschirrn<br />

zu 6f 1 - dann Handschuhe, Stiefel, Aufenthaltskarte, Notenpapier,<br />

Licht etc., so geht es immer fort. -<br />

Was macht der Peter in Chur?<br />

Und alle lieben Geschwister, sowie auch Sie, Theuerste Eltern?<br />

Nit den Besteliungen werde ich auch einen Brief schicken,<br />

und verharre indel3 ais Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

NUnchen, 10.11.56. Viele Grül3e von überailher."


246<br />

Eine besondere Vorliebe Rheinbergers war seit seiner Lehrzeit<br />

bei Johann Georg Herzog das Orgeispiel, das er in besonderem<br />

Nai3e beherrscht haben mu1. Der Dienst an diesem<br />

Instrument, wie Uberhaupt die Kirchenmusik, haben ihm von<br />

Kindesbeinen auf stets Freude gemacht. Der folgende Brief<br />

bestatigt dies:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ohne etwas Neues, Bernerkenswerthes zu wissen, schreibe ich<br />

Ihnen diesmal blof, urn Sie von meinem immerwährenden Wohibefinden<br />

zu unterrichten. Ich habe nun bereits 3 Schüler,<br />

wovon nur einer 30, die andern 24+r per Stunde bezahien;<br />

was sehr wenig ausmacht; da sie noch AnfHnger sind, so ist<br />

das urn so langweiiiger. Auch bin ich nun wieder wie vor 3<br />

Jahren Organistenstellvertreter; ob ich dafür bezahit werde,<br />

wei1 ich seibst noch nicht. Auch ist es in die St. Ludwigs=<br />

Kirche sehr weit zu gehen. Nein Oratoriuin ttJephtas Opfer"<br />

habe ich im Clavierauszug fertig. Hr. SchafhHuti gefiel es<br />

sehr.<br />

Heute werde ich mit meiner gro1en Ouverture fertig, weiche<br />

ich dann irn Privatrnusikvereine zur Auffuhrung bringen werde.<br />

}leine Es-dur Messe wird im Januar in der Ludwigskirche aufgefiihrt,<br />

besonders auf Verlangen des Hr. Prof. Schafhäutl.<br />

Auch em grofes Streichquartett habe ich fertig. Die Frau<br />

des Hr. Prof. Herzog sei gestorben, worUber dieser ganz<br />

trostlos geworden sein soil. Sind die Bestellungen Davids<br />

und Lisa's angekoinmen, oder nicht? 1st man damit zufrieden?<br />

Ich inuf3 mich nun urn noch rnehr Stunden u'rnsehen; und das ist<br />

em langweiliges GeschHft. Wie geht es Peter? HanfstHngi<br />

und Cucurnus lassen ihn herzlichst grüf3en. Nun kommt mein<br />

30+r=SchUler.<br />

Leben Sie wohl, Theuerste Eltern und Geschwister, und vergessen<br />

Sie nicht Ihren Sie liebenden Sohn und Bruder<br />

Jos. Rheinberger.<br />

München, den 2.12.56.<br />

Solite unter der Zeit etwas<br />

Besonderes vorkoinmen, so werde<br />

ich im Laufe des }lonats<br />

noch einmai schreiben."


247<br />

Rheinbergers Bruder Anton, der sich als Buchbinder betätigte,<br />

wird aus NUnchen mit dementsprechendem Handwerkszeug versorgt:<br />

"Lieber Anton!<br />

Davids Brief zufolge bist Du auf mich (el) bose, well ich<br />

Die Deine Bestellungen so la nge nicht schicke, auch<br />

glaubst Du, ich hätte Dein Geld verlangt; (sehr schmeichelhaft<br />

für mich!) Erstens mul3t Du wissen, daB ich viel zu thun<br />

habe und die Bestellungen in I/Il Tagen nicht abgemacht werden<br />

konnten; auch sind Deine Vieh=löthen (Fileten) schon<br />

la nge bei Wimmer besteilt; ich bekomme sie erst nach<br />

Wein=8ten. Von der G. Lorenz'schen Schriftsetzerei komine ich<br />

soeben und bringe Dir em PreuB=Kuh=Rant (zen) mit, weiches<br />

ich beilege. Du kannst es behalten, nur 1st es gut, daB Du,<br />

wenn Du die Wahi getroffen, mir die gewünschten Lettern so<br />

genau als möglich bezeichnest, damit Du nicht die Unrechten<br />

bekommst. -<br />

Das Buch der Erfindungen beiliegend. Es enthaltet 7 Lieferungen<br />

a 18+er = 2 fi 6+er in einem Bande. Die Buchdecken<br />

sind nicht so billig, als Du glaubst. Das Dutzend kostet<br />

3 fi, daher habe ich vorerst zur Probe 1/2 Dutzend zu ifi<br />

30+er beiglegt. Verzierene babe ich noch keine bekommen kOnnen.<br />

Die Schnitzer, Vieh=LOthen und schriftgegossene=Schreib=<br />

Schrift=Lettern werde ich Dir dann zu saamen nach Hause<br />

schicken.<br />

DaB Euch die Kochlerjobben nicht gefallen, thut mir leid!!!<br />

Ihr Euch etwas anderes darunter vorgesteilt, " "<br />

zu Euren brrreiten Buckein die MaaBe<br />

nicht geschickt, "<br />

nicht wiBt, daB die Joppen zu weit<br />

und nicht anschlieBend sein sollen, "<br />

ich Davids Schlinge nicht belgelegt, sondern<br />

darauf vergessen babe,<br />

ich noch keine Anstellung mit 10,000 fi<br />

babe," " sehr<br />

Summa 6 Leider!<br />

Toni's Buch und BUcher=Zettel kosteten zusaimnen 3 fi 36+er,


248<br />

klso habe ichnoch 16 fi 24+er von Deinem Gelde zu Deiner Verfügung.<br />

Ich habe nun nur zwei SchUler mehr, dern ersten gebe ich 2,<br />

dem andern 3 Stunden wöchentlich,<br />

Summa 5 Stunderer.<br />

Der andere SchUler war schon gescheid genug und ist nach<br />

WUrzburg gereiset.<br />

(Schiller I. Band Seite 117)<br />

"Von Mannheim noch keene Nachrichter" dies diene zur Nachricht.<br />

Seit ich hier bin habe ich componirt: em Streichquartett,<br />

eine gr. Kiaviersonate, einen 8stirnmigen Psalm, den Klavierauszug<br />

von "Jephtas Opfer", eine Ouverture zu Schiller's<br />

Fiesko. (Wenn ich einmal zu viel Geld habe, lasse ich die<br />

Stimmen ausschreiben und bringe sie zur Aufführung im Privatmusik=Verein.<br />

Bei Kaulbach war ich bisher noch nicht.<br />

(Ovid II. B. pag: 23)<br />

Schreibe mir bald wegen den Lettern. -<br />

1st Lisa mit dem Hut zifriedener als die Kochler? Ich hätte<br />

aber auch nichts dagegen (gewiI nicht!) wenn sie diese Kopfbedeckelung<br />

bezahlen wUrde. (Wenn es hier schneit, so schneit<br />

es schneeigen Schnee!) Jetzt läutet es Mittag, Perstenfeld's<br />

Locomotiv schnaubt über die Treppe, und ich habe Appetit!<br />

Noch diesen Schluck Bier, - Druck - jetzt ist's vortiber.<br />

Wohl gespeiBt zu haben! Wie geht es in Vaduz? Die Laden sind<br />

auf Wein8ten so schtin und honorieuse als wie noch nie, ausgestattet.<br />

Samikios! (die schönen Tage von Aranjuez sind<br />

vortiber). Letzthin fragte mich im Oratorienverein em junger<br />

Herr, ob ich mit dem kleinen zornigen Menzinger der in Lautrach<br />

gewesen, bekannt sei*. (*Er war bei ihmim Institut, und<br />

wul3te, daIs Menzinger und ich, beide aus Liechtenstein sind).<br />

Er meinte den Winck, wi, wie, wie geht es in Vaduz?<br />

Prof. Leonhard heirathet nun auch.<br />

(Kehr urn!)<br />

Hiemit schleuBe (Btihel Hiltis Schlol3) ich den Brief und<br />

lasse unsere liebenEltern und Davidseffalisirnalipeter herzlichst<br />

grti2en; wenn ich tiber Wianächta dahäm war, hett a dar<br />

noch viel z'säga. WUsch a glöckselig's neu's Johr!<br />

Ich befinde mich immer Dein Bruder<br />

Jos. Rheinberger.<br />

Vaduz den 18.12.56<br />

(NB. Wei2t mir rappelts manchmal irn Kopfe.)"


249<br />

Der "Münchener Punsch" schrieb in seiner Ausgabe vom 23.<br />

11. 1856:<br />

"Vor einer zahlreichen und gewählten Versamnilung (Se. Maj<br />

den König Ludwig ander Spitze) fand vergangenen Montag<br />

(17.11.1856) das Concert des Oratorien-Vereins statt. Frhr.<br />

von Perfall, der Grilnder des Instituts, filhrte die Direktion.<br />

Die AuffUhrung sHrnrntlicher Piecen war eine exakte; die<br />

Chore verriethen viele frische und kraftige Stimmen. In<br />

Gluck's "Armide" sang Frau Professor Riehi die Soli mit<br />

schOnem Ausdruck und Gefühl; auch Frin. Agêron und der BaritonHr.Harlanderwaren<br />

in ihrenParthien trefflich. In der<br />

Beethoven'schen Phantasie zeichnete sich der Pianist Hr.<br />

Whiner durch sein schOnes Spiel aus. (Das Instrument war<br />

em Biber erster QualitEt)."<br />

Rheinberger erwHhnt dieses Ereignis in seinem folgenden<br />

Brief nur mit einem Satz. Er ist iEngst davon abgekommen,<br />

die Dinge, die ihn tatsEchiich bewegen, den Eltern gegen-<br />

Uber zur Sprache zu bringen:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Nicht urn zu gratuliren schreibe ich Ihnen, Beste Eltern!<br />

sondern urn den tiefgefuhlten Dank eines Sohnes, der Ihnen<br />

Alles verdankt, darzubringen.<br />

Möge es Ihnen, Theuerste Eltern! Gott iohnen; ich kann nie<br />

gentigend diese Schuld abtragen. Sicher werde ich aber Alles<br />

das volibringen, was Eltern von einem sie kindlich liebenden<br />

Herzen verlangen können. Ich wUnsche Ihnen daher<br />

ailes Gute, was der Geber alles Guten Ihnen nur spenden<br />

mag, nicht nur zuin neuen Jahre, sondern für Ihr ganzes Leben.<br />

Doch mit biof3en WUnschen 1st nicht viel gethan, darum<br />

bitte ich Gott, die Wünsche meiner hei8geliebten Eltern<br />

zu gewähren. -<br />

Gestern Abend hatten wir Oratorien=Vereins=Concert, wobei<br />

ich auch zu thun hatte. Ihre Najestäten beehrten den Verem<br />

mit Ihrer Gegenwart.<br />

Prof. Herzog ist von Erlangen hieher gekommen, und hat mich<br />

auch besucht.<br />

Prof. SchafhRutl und Maier laI3en Alie herziichst grhl3en.<br />

141t Schrecken sah ich an dem ausgebliebenen Christkindl,<br />

daf3 durch den Schweizerkrieg schon die Posten unterbrochen


250<br />

sind. - Hat Toni mein Paquet mit Brief erhalten, oder, hat<br />

es etwa em kriegesmuthiger Schwitzerhoppma aufgefangen?<br />

Von hiesiger Hochschule sind alle Schweizerstudenten abgezogen,<br />

urn in ihrer Heirnat den Morgenstern zu handhaben;<br />

(das nämliche aus WUrzburg und Erlangen). (Tel=Dep:v. heute<br />

Morgen:"Die hohie Gasse ist mit Pulver geladen worden,<br />

well man lieber die ganze Schweiz in die Luft sprengen will,<br />

als dal3 em fremder Tyrannen=Söldling diesen spartanischen<br />

Boden betreten darf. Duf our hat auf aligemeinen Wunsch den<br />

Namen ttLeonidatt angenommen").<br />

Vorgestern sah man hier einige preuB. Off iciere. Muf Liechtenstein<br />

auch den Rhein besetzen? Was schreibt unser Ex=<br />

Lieutenant aus Chur darUber? Hier freut man sich, bis die<br />

Geschichte losgeht, damit es wieder zu lesen gibt.<br />

Der Toni tind der David und Lisi und Nali sollen mir schreiben<br />

Was tnacht die liebe Mutter? 1st sie gesund? Wir haben hier<br />

einen herrlichen Winter. Es ist kalt, aber immer schön.<br />

Alle Bekannten lasse ich gru1en; dem Herrn Vetter in Schaan<br />

alles Schöne.<br />

In Erwartung eines ungeheuer langen - (nicht Neujahrszopf) -<br />

Briefes verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger.<br />

München, auf Davids=Tag 1856"<br />

Am 23.1.1857 schreibt Rheinberger nach Hause:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Nachdem ich Ihren lieben Brief vom l9ten d.N. gelesen und<br />

abermals gelesen, und - ich sag' es unverholen - es mich<br />

wirklich sehr geschmerzt hat, da1 Sie Mit3trauen in meine<br />

Aufrichtigkeit setzten: - so beéile ich mich unverzüglich,<br />

Sie, Theuerster Vater! urn die Gründe zu bitten, welche dieses<br />

mich so kränkende Miftrauen hervorzuruf en im Stande<br />

waren. Sollte ich inde8 wirklich dazu Anla8 gegeben haben,<br />

so 1st es, das weif3 Gott, nicht wissentlich geschehen - obschon<br />

ich mich nicht entsinnen kann, inwiefern. Ich weil3<br />

wohi, dal3 ich, wie Jeder, meine Fehier habe, glaube aber<br />

niemals Ihnen, Theurer Vater! gegenüber, das kindliche Vertrauen<br />

auf3er Acht gelassen zu haben; indent ich meine Eltern<br />

vor Allem ehre und liebe, und de1wegen inu8 dieses i1i1trauen


251<br />

von Ihnen mein GeinUth eben am schmerzlichsten angreif en. -<br />

Ihr Vermuthen in Betreff des Februar-Monatsgeldes ist richtig.<br />

Die Subscription betrHgt im Oratorienvereinsgehalt<br />

20-21f1 monatlich. Uber Toni's Angelegenheit habe ich in<br />

dem Briefe an Lisi berichtet. Lisi kann seine Bestellung am<br />

Montag den 26ten d.M. in Sevelen abholen, und dann den der<br />

Bestellung beiliegenden Brief dern Toni mittheilen. -<br />

Peter zu schreiben, war schon lHngst meine Absicht, aber ich<br />

bin noch nicht dazu gekommen. Für sein 20 francs-StUck meinen<br />

Dank, ich werde ihin dafUr bald Recensionen schicken können,<br />

indem Ich schon die Stiminen zu meiner Fiesko=Ouverture schreiben<br />

lasse, urn sie im Privatmusikvereine zur AuffUhrung zu<br />

bringen. - Letzten Freltag vor 8 Tagen war ich bei Hofmaler<br />

v. Dtirk eingeladen, und spielte mehrere Compositionen .ron<br />

mir mit gröl3tem Beifalle, componirte für diese Soire zwei<br />

Gesangsquartette, weiche ungemein gefielen. Es waren einige<br />

noble Herrschaf ten anwesend. Letzten Freitag ging ich mit<br />

Frau v. Dürk zum Academie-Director v. Kaulbach (dem berühmten<br />

Maler) wo ich<br />

Es war noch em bekannter Klaviervirtuos dort, was mich nicht<br />

abhielt meine Compositionen zu spielen. Hr. Kaulbach verlangte<br />

immer noch etwas zu hören und ich f and immer Beifall. Ich bin<br />

dort wieder eingeladen. Nit den Herren Lachner, Schafhäutl,<br />

Maier, Leonhard stehe ich immer so gut als früher. Hr. Prof.<br />

Schafhäutl sagte mir, meine Compositionen seien nun so reif,<br />

daB ich unbedenklich einiges drucken laBen kdnne; worUber ich<br />

mit Herrn Maier sprach. Von Mannheim gar keine Nachricht. Sind<br />

alle gesund zu Hause? Auch Sie, Theure Eltern?<br />

Ich verbleibe Ihr dankschuldiger Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

(Dem Hanni, Peter, David, Mali, Toni werde ich nächstens schreiben,<br />

sowie auch Hr. Tichy)."<br />

Für die Schwester Elisabeth legt Rheinberger diese Zeilen dem<br />

Brief an den Vater bei:<br />

"Liebes Lisi!<br />

Anbei erhälst Du das gewUnschte Kleid. Es kostet der Stoff 9f1<br />

das Machen 5f1 40+r und mit Schachtel circa l6fl 30+r, von<br />

diesen erhielt ich lOfi = bleiben mir gut = 6f1 304-r. (Mach<br />

nur kein so la- nges Cesicht.) Wie Du aus


252<br />

quittirterRechnung ersiehst 1st ja bezahit. -<br />

Die Kleidermacherin, (Schwester von Hr. Perstenfeld) sagte<br />

mir, daB das Maas ungenau gewesen, besonders die Mittweite<br />

und Brustweite nicht verzeichnet waren. (Ich sagte, sie solle<br />

sehr viel zugeben.) Ubrigens lasse sich das leicht ändern.<br />

(Das Kleid 1st des Verpackens wegen in zwei Theilen.) Du<br />

muBt's halt "zsemma büatza". David's Schlips ist dabei.<br />

Dem Toni seine Filetten lidgen schon lange in meinem Kasten.<br />

Es sind sieben Stuck und kosten 4fl 30. Er hEtte mir sollen<br />

den Preis seiner ausgesuchten Alphabeth=Pfunde beilegen,<br />

damit ich wissen könnte was sie kosten. Well ich zu Deinem<br />

Kleide zulegen muBte, so hätte die Schrift=Giel3er=Rechnung<br />

meine Kasse leicht in Verlegenheit bringen können. Der Toni<br />

hat bei mir noch 12f 1 liegen. 0b diese für seine Schrif ten<br />

reichen, kann ich ja nicht wissen. Der Toni kann also mir<br />

schreiben, ob seine Schrif ten inehr als 12f 1 kosten, wenn also<br />

mehr kann er mir das Geld schicken und sogleich erhElt<br />

er seine Sachen. Meine Schrift 1st so schön, well es ganz<br />

dunkel 1st. Dem Mali werde ich sowie ich Zeit und Geld genug<br />

hab, Antwort auf sein liebes Briefchen geben.<br />

Nun sollte ich dem Peter, David, Hanni, Toni Briefe schreiben,<br />

dannsjndnoch auswErts Briefe schreiben, hab' auch<br />

sonst viel zu thun, deBwegen wirst Du es nicht übel nehmen<br />

wenn Dir Adieu sagt, Dein Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

Spediteur von: Damenhüten, Kleidern, Kochlerj'obben, Filetten,<br />

Schrif ten, Nusikalien, Büchern,<br />

Schreibe mir: ob Dir das Kleid gefällt.<br />

Vaduz /fälschlich statt München/ den 21 od: 22ten Januar 1758."<br />

/1857/<br />

Der folgende undatierte Brief Rheinbergers trEgt den Poststempel<br />

Nünchen, 30.IAN 1857:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Soeben erhielt ich durch Ihre vEterliche Cute 50f 1, welche<br />

ich Ihnen auf Ihren Wunsch sogleich anzeige. Anfangs März<br />

wird eine grof3e Ouverture von mir im Privatmuslkverein aufgeführt.<br />

Von Nannheim habe ich leider gar keine Nachricht.<br />

Prof. Leonhard will em Streichquartett von mir im Conser-


253<br />

vatorium aufführen. Es fehlt hier an einer Gelegenheit etwas<br />

von sich Uberhaupt aufgefUhrt zu hören, darUber beklagen<br />

sich alle jUngeren hiesigen Componisten, deren es hier mehrere<br />

recht gute gibt. Da heil3t es zuwarten und zuwarten ohne Ende.<br />

Mit General=Director 1st in diesem Punkte nicht gut reden.<br />

Er fUhrt nur ältere, aber ausgezeichnete Werke auf und 1st davon<br />

nicht abzübringen. Ich war bisher im Punkte der AuffUhrungen<br />

von einigen Compositionen noch einer der glUcklichsten<br />

der hiesigen jungen Componisten. -<br />

Die Stimmen zu meiner Messe rnul3 die Ludwigskirche bezahlen,<br />

und da diese die ärmste, foiglich sparsamste der hiesigen<br />

Kirchen ist, so dauert es so lange wegen der Aufftihrung. Seitdern<br />

DepröB wieder bier ist, bin ich nicht mehr zur Ludwigskirche<br />

geruf en worden. (Sein Vater 1st em guter Freund von<br />

Pentenrieder und sieht wahrscheinlich semen Sohn lieber dort<br />

als mich, und er hat auch Recht). Ubrigens stehe ich mit Pentenrieder<br />

auf sehr gutem Fusse. Die Beiträge samt Orat.-vereinsgehalt<br />

bringt Perf all alle Monate zu Hr. Maier (bei welchem<br />

ich oft zu Tisch geladen bin) mehr wei2 ich nicht davon. -<br />

Hat Lisi seine Bestellung erhalten, warum keine Antwort? und<br />

Toni?<br />

Ich werde nun wieder eine Stunde bekoinmen zu 36+r und zwar<br />

durch Hr. Schafhäutl. (Jetzt 1st es 3/4 auf 2 Uhr, urn zwei<br />

Uhr mul3 ich Stunde geben, daher die schlechte Schrift). Theuerster<br />

Vater! Leben Sie wohl und grUl3en Sie die liebe Mutter<br />

von Ihrem dankbars ten Sohne<br />

Jos. Rheinberger."<br />

Rheinbergers Schwester Amalie erhält wieder einen Mundartbrief:<br />

"Liebes Mali!<br />

Also so groI bist Du nun geworden, daI3 Du auch auf Bälle<br />

gehst? Du bischt gwöl3 a rechte magare Hopfastang worda! Ha!<br />

net wohr! S'Lisi ht mers scho gschreba. Du heiest mm Polka<br />

birn Landvogt gschpelt , gwöI recht schö? Hscht Du o danzt?<br />

Haa. Du Gespele, Du dunners maitele?<br />

Duast Du o flil3ig Klavier spela?<br />

Duast Du argia? Gelt, der Lehrer ka gwöf3 mine Me13 recht<br />

schö schpela! Die wUaren schö singa. Und mm Häli=Gäst der<br />

gfallt dena dumnia Nosikanta o nUmma; ischas wohr daf3 a nUm-


254<br />

ma singa duand? Wenn i met der Zit weder a mol ham komm, i<br />

well dena Lumpa aber scho zäga was ma för a Häli=Gäst singa<br />

muaI; der Pfarrer data gwö13=gwoI o liaber höra, as das ander<br />

Dudl=Dum.<br />

Jetz han i gmEhnt, daIs a met der Zit All Lüt i der Kircha<br />

met anander singa sölland; aber for des Mosikantagsindl duane<br />

o nut me componiera, kE Nöttele meh, ka Schwenzle von a<br />

ma NOttele, förwohr, fOrwohr! Han i Oppa Oppa net recht?<br />

Die Lilt verschtond halt an Dr - - - - 1<br />

(das ischt an Eck.)<br />

Ischt der Wagus scho bi Eu gse? I han am brühawarme GrUaI3le<br />

a d' Matscherle met ge. Gelt, das ischt a schO's Herrie,<br />

und fascht so grog, as dar David - Hett er ne recht viel verzeilt?<br />

Kunnt der Peter vielmohi gi Vadoz ahi? I han am o amol a<br />

Brief le gschreba, daB er net alawiel z'säga brucht, I sei<br />

an fula Borscht. I ha halt o alawiela und Oberal uma Brief<br />

z'schrieba, und ha halt o viel z'dua, I kan net alawiel hEm<br />

schrieba, bal am David, bal am Lisi, bal am Toni, bal am<br />

Peter, bal am Tatsch und bal am Natscherle.<br />

Jetz muaB i Dir, weni viel obrigs Gelt ha, Nusikalia schecka,<br />

und o das II. Heft vo's Kramers Etilda. Do ka's Gespele weder<br />

uf am Kiaviar uma haspla und net zella und rera, wenns net<br />

grad well, wenn I dahEm wer, wet I Dir's scho zEga, 0 SO<br />

muascha's halt allah lerna, I ka dar halt o net alawiel hel-<br />

La, förwohr, fOrwohr!<br />

Jetz sag der Nama, I hei se recht gem, und sie soll diar<br />

für miar ah' Prisle Daback i d' Nasa ufischopfa, oder am<br />

Lisi, es duat gewUB o hämlig schnopfe; I ha wega dem der<br />

Nelere, wo nam sin Rock gmacht het, gset, sie sOil am o<br />

noch a stoppenes THschle a slBalkleid machafOr a Tabakbox;<br />

und d' Nelere hEtt inehr's o verschprocha, ma muaB halt o a<br />

all's denka, und's Lisi kam er's net verdenke,<br />

wenn am hHtt s011a das Ander schecka,<br />

aber s'LIsI ischt a guata l4eanka,<br />

und hEtt der grad d' Feder I duanke,<br />

und hEt mer s'Restie vom Geide gescheckt,<br />

und wega dam bin i o net verr t.<br />

(das ischt o an Eck.)<br />

Jetz bhüat Gott! Und bis bray, fOrwohr, fOrwohr, so schribi<br />

dar nümma a Brief le vo dim BrUderle


Jos. Rhybärgerle<br />

255<br />

z'Münka am so und so vielten Febra Hornig anno 7581."<br />

/1857/<br />

Der Nonatsbrief an die Eltern geht diesmal punktllch ab:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Obschon ich eigentlich wenig oder nichts Neues zu schreiben<br />

weil3, so weia ich nlchts destoweniger viel zu fragen, wenn<br />

anders etwas Wichtiges darunter ist.<br />

I 1st Herr Wagus schon in Vaduz gewesen?<br />

II Hat Peter meinen Brief erhalten?<br />

III Hat Hr: Tichy die gewünschten Blechpatronen, und Toni<br />

mit denselben die Fileten erhalten?<br />

IV Hat der Toni seine Lettern mit Schriftkasten erhalten?<br />

Theuerster Vater! meinem Versprechen gemE(, werde ich im<br />

Laufe dieses }Ionats meine Fiesko=Ouverture aufführen, und<br />

zwar 2mal. Einrnal im Privatmusikvereine und einmal in einemneugegründeten<br />

Orchestre=Vereine, dessen Director, Herr<br />

Seidel, em guter Freund von mir ist. Für den Beifall will<br />

ich gutstehen, wenn die AuffUhrung entsprechend ist.<br />

Auch habe ich im Sinne, im phllharmonischen Verein einmal<br />

als Kiavierspieler aufzutreten, und zwar mit einer schon<br />

fertigen Concert=Sonate; jedoch weil die Sache noch nicht<br />

bestimmt ist, so babe ich noch niemand etwas davon gesagt.<br />

Vor den hiesigen Pianisten scheue ich mich, beiläufig gesagt,<br />

durchaus nicht. Die Herren Naler und Schafhäutl lassen Sie<br />

schön grü1en, sowie auch den Peter.<br />

Seitdern ich wieder hier bin, habe ich schon vieles componirt,<br />

urn für Alles gerUstet zu sein.<br />

Von Hr. Prof. Herzog babe ich letzthin einen Brief erhalten.<br />

Die erste Aufführung meiner Ouverture wird, wenn kein HinderniB<br />

eintritt, am l5ten sein. Gleich nach der Auffuhrung werde<br />

ich Ihnen, Bester Vater! berichten.<br />

Der Winter ist heuer wunderschön; ich babe seit November den<br />

Regenschirm nur an zwei Tagen gebraucht.<br />

Sind Sie, Theuerste Eltern! iuimer wohi? indem ich dieB hoffe<br />

verbleibe ich auf linmer Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Ntinchen, den 1.3.57."


256<br />

Der Niederrheinischen }{usikzeitung vom Januar 1857 ist zu<br />

entnehmen, da8 der Baron von Perfall mit der künstlerischen<br />

Gestaltung seines Privatkonzertes seine liebe Not hatte, em<br />

Faktum, das die Mtinchner Zeitungen verschweigen:<br />

"Der Oratorien-Verein hat in einem kleinen Concerte am 29.<br />

Dezember v.J. die jüngst erlittene Niederlage wieder vergessen<br />

zu machen gesucht, und es war uns recht erfreulich,<br />

unsere Ansicht bestatigt zu hören, dass mit den vorhandenen<br />

Kräf ten etwas Gutes geleistet werden kann. Der Vortrag eines<br />

Madrigals von John Bennett, eines geistlichen Liedes von<br />

Eccard und das "Ave verum" von Mozart war recht bray; auch<br />

einige Quartette von Hauptinann, Mendelssohn und J. Maier<br />

gingen schon; nur die Wahi der StUcke, welche etwas sehr<br />

bunt war, konnten wir nicht ganz billigen: uns will bedünken,ein<br />

Oratorien-Verein solle sich ausschliel3lich der ernstesten<br />

Musikrichtung zuwenden. Derselbe Verein wiederholte<br />

am Syivester-Abend in der Bonifacius-lUrche das Dettinger<br />

"Te Deum" von Handel, dessen unglückliche erste Auffuhrung<br />

wir neulich rügen mussten. Die Chore waren dieses Mal besser<br />

einstudirt und klangen gut; aber den Uebelständen in der<br />

Instrumentation war nicht abgeholfen. Trompete und Contrabass<br />

tanzten nach wie vor ihren "Pas de deux", und die armen<br />

Solo-oboen waren sehr ergOtzlich anzuhOren. . ."<br />

Ebenso kritisch lHf3t sich der Rezensent Uber em Konzert vernehmen,<br />

bel welchem Rheinberger selbst als Komponist zu<br />

Wort kam.<br />

"Mit dieser zweiten Soiree collidirte em Concert des Herrn<br />

Christian Seidel,der sich vorgenonunen hat, das mUnchener<br />

Publikum mit neueren, bedeutenden Compositionen bekannt zu<br />

machen. Es ware das em vortreffliches Unternehmen wenn es<br />

ordentlich angefasst würde.Da wir in der Lauterbach-Wüllner'schen<br />

Soiree waren, so konnten wir uns nicht von der Leistungsfähigkeit<br />

des Herrn Seidel und seines Orchesters überzeugen.<br />

Sein Programm aber entsprach weder semen Versprechungen,<br />

noch. unseren Erwartungen. Er brachte allerdings neuere Compositionen,<br />

d.h. eine Ouvettüre von sich und eine von einem<br />

anderen hiesigen, recht talentvollen, jungen Componisten,<br />

Herrn Rheinberger, ausserdem abet eine bunte Zusammenstellung


257<br />

von Namen, wie Donizetti, Servais u.s.w. Wenn Herr Seidel<br />

in diesern Geiste fortfEhrt, so lEsst sich seinem Unternehmen<br />

kein giinstiges Prognostikon stellen..<br />

Fr. Ihlau schreibt über den Konzertgeber:<br />

"Christian Seidel ist die eigenartigste Erscheinung unter<br />

alien Ktinstiern jener Zelt. Seine BemUhungen soliten ailerdings<br />

besonders in der ersten Zeit (Friihjahr 1857) der Verwirklichung<br />

seines Planes nicht restios anerkannt werden.<br />

Inimerhin hatte Chr. Seidel Aufmerksamkeit erregt. Eine<br />

iebhafte Rekiarne der "Neuesten Nachrichten" veranlasste<br />

einen zahlreichen Besuch des drittenKonzerts. Nach der beliebten<br />

Haydn-Sinfonie in G-dur brachte das Orchester ausschliesslich<br />

Werke einheirnischer Tondichter, und zwar von<br />

Ortner und Rheinberger, der schon damais grosses Anfsehen<br />

erregte und ausserordentlich geiobt wurde, Seidel und den<br />

bisher unbekannten Komponisten Ludwig."<br />

"Theuerster Vater!<br />

Meinem Versprechen gemäl3 schreibe ich Ihnen also nach der<br />

ersten AuffUhrung nieiner OuvertUre. Ich woilte noch die<br />

Recensionen abwarten, da aber in den meisten Zeitungen die<br />

Fassung derseiben ganz kurz 1st, so schienen sie mir unbedeutend,<br />

urn sie zu schicken. Sie lauten aile verschieden<br />

günstig. Wenn ich nicht irre, so war in der Beilage der<br />

Aug. Zeitung vom l8ten MErz auch eine Erwhnung. Die Auffuhrung<br />

war gut und besonders Hr: SchafhEutl ausgezeichnet<br />

zufrieden. Von alien Seiten erhielt ich viel Lob. ZufEllig<br />

kam Hr: Vetter Carigiet an diesern Tage hieher, und es freute<br />

much, ihn in das Conzert fUhren zu können. Wir hatten emander<br />

recht lieb gewonnen und Dutzbruderschaft gemacht.<br />

Auf meinen Wunsch blieb er vom Sainstag bis Montag hier.<br />

Es dürfte Sle, Bester Vater! vielieicht freuen, wenn ich<br />

das Concert=Prograinm beilege. Die zweite AuffUhrung (mm<br />

Privat=Musik=Vereine) wird ungefEhr in 14-18 Tagen sein.<br />

Die lieben Briefe von David, Toni und Ihnen habe ich erhalten,<br />

und es freut inich, daf3 Toni mit den geschlckten<br />

Sachen zufrieden 1st. 1st die Frau Oberförsterin auBer Gefahr?<br />

Hr: Feuchtwanger (weicher für Hr: Tichy die Blechpatronen<br />

verfertigte) sagte inir, daB Hr: Tichy ihin geschrieben<br />

habe, daB er mit nEchstens schreiben werde. Ich habe


258<br />

jedoch bis jetzt noch keinen Brief, (auch die Auslagen<br />

(14l 36+r) nicht) von ihxn .erhalten. Jedoch bitte ich Hr:<br />

Tichy nicht zu inahnen, weil er es doch schicken wird. Ich<br />

bin Gottlob immer gesund, und componire sehr viel, trotz<br />

meinen anderen Geschäf ten. Meinen l8ten Nainenstag habe ich<br />

fröhlich bei Hr: Prof: Schafhä'utl mit Champagner gefelert.-<br />

Was macht der Peter? 1st die liebe Mutter immer gesund?<br />

Hat der Toni dein Mali meinen Brief gegeben? Und Sie, Theuerster<br />

Vater! sind Sie immer wohi? Da ich wei2, daB es Sie<br />

immer freut, wenn ich Compositionen von mir zur Aufftihrung<br />

bringe, so will ich hierin inein TMöglichstes thun. Jedoch<br />

ist es mit mehr Schwierigkeiten verbunden, als man glaubt.<br />

Nagiller ist wieder hier und laBt Hr: Schmutzer grüssen,<br />

sowieichauc1-j.}Jr;Onke1inSchaan laBe ich auch griil3en, sowie<br />

Alle Bekannte. Nun leben Sie wohi, Beste Eltern! Ich<br />

verbleibe auf immer Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

München, Sonntag den 22.3.57."<br />

In der Beilage zur Aug. Zeitung Nr. 77 vom 18. März 1857<br />

ist zu lesen:<br />

"Zu gleicher Zeit war im Museum Chr. Seidels erstes Concert,<br />

unter Mitwirkung der russischen Hofsängerin Fr.v.d. Bergh,<br />

weiche Fr. Lachners stets reizendes "Waldvöglein" vortrug.<br />

AuBer diesem verdienen noch Wagners herrlicher Friedensmarsch<br />

aus "Rienzi" und des jungenRheinbergers Ouverture zu Schillers<br />

"Fiesco" Erwahnung; fast alle übrigen waren Compositionen<br />

des Concertgebers." -<br />

Das Abendblatt zur "Neuen MUnchener Zeitung" vom 19.3.1857<br />

schreibt Uber Rheinberger's Ouverture:<br />

"Die Concertouverture "Jägers Liebe" von Seidel und zu "Fiesco"<br />

von Rheinberger trifft der Vorwurf, der Musik eine Aufgabe<br />

zugemuthet zu haben, die sie nicht leisten kann 1st<br />

das Werk des Herrn Rheinberger kiarer in seiner thematischen<br />

EntwicklungundDurchfiihrung, so ist es auf der anderen Seite<br />

viel ärmer an UrsprUnglichkeit -und gestaltender Phantasie<br />

als das Seidel's; und hat hinwieder die solide Instrumenta-


259<br />

tion des Hrn. Rheinberger etwas philisterhaftes an sich,<br />

so hat sich auf der anderen Seite Herr Seidel zu hUten,<br />

urn nicht dern Sirenengesange der Basstubas zu eriiegen.. ."<br />

Uber das letzte Konzert, das Seidel in dieser Saison veranstaltet,<br />

berichtet Rheinberger nach Hause:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Gestern erhielt ich David's Brief,und kann nun auch Ihre<br />

Frage, ob ich nichts mehr zur Aufftihrung gebracht, gleich<br />

mit "ja" beantworten.<br />

In dem lilten Seidel'schen Conzerte iieI3 ich em neues<br />

Streichquartett aufführen, weiches so gefiel, daB ich nach<br />

dern ietzten Satze gerufen wurde. Ich bekam welt rnehr Applaus,<br />

ais alie tibrigen Piecen. Die Hr. Lachner, Perfall, Schafhäuti,<br />

Maier, Leonhard sagten mir viel Schmeichelhaftes,<br />

und del3 andern Tages kam sogar em Hofmusiker in meine Wohflung,<br />

urn inir zu gratuliren. Eine Recension lege ich hier<br />

bel; es sind noch nicht alle erschienen, jedoch werde ich<br />

die andern in meinem nächsten Brief einschliel3en. Die andern<br />

auf dem Programrn vorkommenden Côrnponisten sind Mtinchener,mit<br />

Ausnahme Ludwig's, weicher Eleve des Prager Conservatorium's<br />

war. Uber Ostern war ich nicht in Ttirkenfeld,<br />

erstens konnte ich wegen meinen SchUlern nicht fort, und<br />

zweitens wegen dem Oratorienverein, weicher, urn gleich nach<br />

Ostern em Conzert geben zu können, in der Charwoche rnehrereProben<br />

hielt und Ilitens auch noch wegen dern Stimmenschreiben<br />

zu meinem Quartett und den Proben zurn Iliten<br />

Seidel-schen Concerte. Jedoch hatte ich Herrn Pfr. Wolfingerauf<br />

Ostern geschrieben und er hat inir mit lOf 1 geantwortet.<br />

Auf Pfingsten ging ich gerne hinaus, wenn ich<br />

wegen meinen Schülern fort könnte.<br />

An Kleidern habe ich mir wieder angeschafft: Hosen, Gilet,<br />

und em Paar Stiefel englisiren, und die anderen vorschuhen<br />

lassen: zusammen für 17f1 30+r; jedoch werde ich mir dieseiben<br />

bald wieder-verdlent haben. Em Compositionsschtiier<br />

steht wiederinAussicht. Letzthin erhielt ich aus Lichtensteig<br />

von der Frau Anette Wirth-Ackermann einen Brief, worin<br />

sie mir schreibt, daB eine Fri. Schwester von ihr (die<br />

ich gar nicht kenne) durch Mtinchen kommen werde; ich solie<br />

die CUte haben, ihr die 11erkwtirdigkeiten NUnchens etc. zeigen.<br />

-


260<br />

Peter hat mir (wegen Nivellirinstruxnenten) von Uznach geschrieben,<br />

ich habe ihm sogleich geantwortet; ich wul3te<br />

bisher nichts, daf3 er von Chur fort sei.<br />

Hieniit, Theuerster Vater hätte ich so ziemlich meine wenigen<br />

Neuigkeiten abgethan; und das Beste 1st, da!3 ich mich,<br />

Gott sei Dank! immer gesund und thätig befinde. Und da mir<br />

der David das Nämliche von Ihnen geschrieben, so freut es<br />

niich, daf3 es Allen gut geht.<br />

Hr. Tichy's Auftrâge habe ich längst erledigt, im Ubrigen<br />

lasse ich ihn grii8en. Dem Toni und David werde ich circa<br />

Nitte Mai schrelben.<br />

Wie geht es der lieben Mutter? Ich schicke ihr mimer Grti8e,<br />

und erhalte keine zurück.<br />

Auf die Ankunft des Hr. Adjunkt freue ich. mich sehr.<br />

Hr. Pfarrer Wolfinger lasse ich besonders grü8en, da wir<br />

nun nicht mehr in "d'Miile" spazieren gehen können.<br />

Hr. Onkel in Schaan lasse ich auch gru8en, wenn die liebe<br />

Mutter eirimal nach Schaan kommt, kann sie es ausrichten.<br />

Nun, bester Vater! leben Sie wohl, nnd erfreuen Sie bald<br />

mit em paar Zeilen<br />

Ihren Sie dankbarst liebenden Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

MUnchen, d.1.5.57.<br />

(In Allg. Z. No.118 1st meines Quartettes gedacht)."<br />

Die Notiz in der Beilage zur "Ailgememnen Zeitung",Mtinchen<br />

vom 28.4.1857 lautet<br />

"Alle neueren Compositionen, der Marsch von Ortner, das<br />

Quartett von Rheinberger, die Ouverture von Ludwig und die<br />

Lieder des Concertgebers entsprachen und zeugten von der<br />

Fahigkeit der Tonsetzer.. ."<br />

Der "1Iünchener Punsch vom 3.5.1857 schreibt:<br />

"Das 3. Concert des Hrn. Seidel mm 'Nuseum' erfreute sich<br />

besserer Theilnahme. Unter den vorgefUhrten Novitâten<br />

jUngerer Tondichter überraschte namentlich em Streich-<br />

Quartett von Rheinberger durch einfache Schönheit und Anmuth<br />

der Composition."<br />

Em positives Urteil gibt auch das Abendblatt zur Neuen<br />

NUnchner Zeitung vom 28.4.1857 ab:


261<br />

"Einen ungleich günstigeren Eindruck nacht em Streichquartett<br />

von Rheinberger. Auch bel ihm erkennt ruan die Vorbilder,<br />

allein Rheinberger weif genau, was er will: er ninmit semen<br />

Ausgangspunkt von Haydn und Mozart und daraus resultieren -<br />

wenn auch noch kein individueller Styl - wenigstens für die<br />

drei Cardinaltugenden eines angehenden Componisten: gesunde<br />

Empfindung, Sinn für Kiarheit und Sinn für Ebenmat3. Die Aufführung<br />

von Seiten der H.H. Nast, Koch, Renner und Werner<br />

war recht exact, nur etwas mehr Ruhe ware zu wUnschen gewesen."<br />

Die Neuesten Nachrichten vom 2.5.1857 berichten tiber das<br />

Konzert:<br />

"Die für uns interessanteste Nummer war aber unstreitig das<br />

Streichquartett in d-moll von Joseph Rheinberger. Wenn man<br />

erwägt, dat3 em Streichquartett den Prtifstein eines guten<br />

Tonsetzers ausmacht, so willfahren wir nur der Gerechtigkeit,<br />

wenn wir behaupten, daI3 Hr. Rheinberger dieses schwierige<br />

Problem in glänzender Weise gelost und damit einen Beweis dafür<br />

geliefert hat, dat3 er nicht (wie dies in einem hiesigen<br />

Blatte unlängst mit vollem Unrechte gesagt wurde) philisterhaft<br />

bei semen Arbeiten zu Werk gehe, sondern den Nagel auf<br />

den Kopf zu treffen wisse. Die AusfUhrung des Quartettes war<br />

so trefflich, dal3 em Vergleich der Spielenden mit dem Lauterbach'schen<br />

Streichquartett - urtheilt man unparteiisch - gewiss<br />

nicht zu Ungunsten der ersteren ausfallen kann."<br />

Der Briefwechsel mit deni Elternhaus in Vaduz 1st spärlich<br />

In diesem Frtihling. Rheinbergers erste Lieder entstehen.<br />

Ihre Texte verraten den Grund: "Nur wer die Sehnsucht kennt",<br />

und "So 1a13 much scheinen, bis ich werde" aus Goethes "Wilhelm<br />

Meister" und Heinrich Heines "Dein Bildnis wunderselig<br />

trag ich im Herzensgrund". Auf dem Autograph der Goethelieder<br />

steht zu lesen von fremder Hand: "Vom Componisten erhalten.<br />

Mit ihin gesungen. 10.6.57. Fanny." Diese Aninerkung stammt<br />

von Franziska von Hoffnaal3, die damals noch mit dem Lieutenant<br />

Ludwig von Hoffnaal3 - seit 1852 - verheiratet war und<br />

bei Rheinberger Kompositionsunterricht erhielt. Ob diese<br />

Werke ihr gewidmet sind, läf3t sich nicht belegen. Rheinberger<br />

heiratete sie 1867, nachdem sie zwei Jahre verwitwet war.<br />

Aus dem gleichen Jahr stammt em Gedicht, das G. Dirnast


262<br />

"Herrn Rheinberger zur freundlichen Erinnerung" widmete:<br />

"Im Hochiand<br />

Wir zogen durch's Hochlandsofröhlich, so jung!<br />

Sie wies mir mit Lächeln der Wässerlein Sprung,<br />

die Alpen und Wolken in sonnigem Glüh'n,<br />

die träumenden Seen in dem herrlichen Grün,<br />

ich wies ihr in Lüften den kreisenden Weih -<br />

das ist nun schon lange, schon lange vorbei!<br />

Es war eines Abends, schon spielten im Traum<br />

die Firnen nur still mehr mit purpurnem Saum.<br />

Es kiangen zurn Felsen in unsrer Ruh<br />

so sehnsuchterrégend die Glocken uns zu -<br />

Da rang unsere Liebe im Kusse sich frei!<br />

Das 1st nun schon lange, schon lange vorbei!<br />

o Liebe im Hochland, so frisch und so rein,<br />

wie die Luft urn die Höhn, wie der Quell vom Gestein,<br />

mit dern wonnigen Flüstern wie Waldhauch so leis,<br />

mit den lieblichen Kränzen von Edelweil3,<br />

du hobst his zum Ather uns selig und frei -<br />

Und bist nun schon lange, schon lange vorbei!<br />

Vertauscht sind die Alpen mit Stadt und mit Tal,<br />

vertauscht ist das GlUck mit Leid ohne Zahi,<br />

Fast vergessen die Alpen, vergessen das Glück<br />

nur manchmal noch ruf ich mit tränendem Blick,<br />

wenn die Alpen fern schiinmern so hehr und so frei -<br />

Ach die Alpen sind fern und das Glück ist vorbei."<br />

Rheinberger schreibt nach Vaduz:<br />

ttTheerste Eltern!<br />

Schon lange erhielt ich keinen Brief mehr von Vaduz; dal3 ich<br />

ebenfalls schon lange nicht inehr geschrieben habe, findet<br />

semen Grund darin, daB ich nichts zu schreiben hatte; ja<br />

doch; etwas babe ich zu schreiben, und das 1st die Ankunft<br />

des Hr. Adjunkten Kessler nebst Gattin (geborene Netti). Er<br />

sagte nir, daB Sie sich, Theuerste Eltern! ganz wohl befänden,<br />

was ich von alien Vaduzer=Neuigkeiten immer am Liebsten<br />

höre.


263<br />

Ich ging mit Hr. Kessler tglich aus; er war etwas langwei-<br />

1, wie immer: er sagte im Sinne zu haben nach Frankfurt,<br />

Stuttgart, Sigmaringen etc. zu gehen. Auch babe ich ibm<br />

GriiBemltgegeben, obschon er keine mitbrachte. Doch, er wird<br />

schon in Vaduz angekommen sein., und kann selbst diese Unwichtigkeiten<br />

erzählen, wenn er mag.<br />

Was Peter hat, daB er mir auf meinen Brief, der ihm so sehr<br />

pressirte, noch keine RUckantwort ertheilt hat, weiB ich<br />

nicht. Will er vielleicht die Bestellung anderswo machen.<br />

1st er noch in Uznach?<br />

Mir geht es gut; ich bin immer gesund und thätig. Herrn Lachner<br />

habe ich letzthin wieder Compositionen zur Anslcht gebracht,<br />

in welchen er einen wesentlichen Fortschrltt erkennen<br />

will; ich brachte ihm em neues Streichquartett und<br />

einen doppelchörigen Psalm. Er war ausnehmend zufrieden und<br />

freundlich. -<br />

Ich babe nun Aussicht, mein Oratorium "Jephtas Opfer" im<br />

Herbst durch den Oratorien=Verein zur Auffuhrung zu bringen;<br />

was mir bier bedeutenden Namen machen wUrde. Jedoch bitte<br />

ich, hievon noch Niemandem etwas zu sagen; es 1st mir auch<br />

verbothen, bier es Jemandem mitzutheilen.<br />

Seit Samstag regnet es unaufhörlich Tag und Nacht. Ich ware<br />

deBhalb nicht nach Türkenfeld gegangen, wenn ich auch nicht<br />

durch die Gottesdienste in der Sanct Ludwigspfarrkirche gebunden<br />

gewesen ware. Ich werde dies dem Hr. Pfarrer Wolf inger<br />

dieser Tage scbreiben.<br />

Neuere Recensionen, worm auch mein Dm-Quartett beurtheilt<br />

1st, sind noch mehrere da, als im "Punsch", "Neuesten Nachrichten",<br />

Landboten, Münchner Theaterjournal, Landbötin,<br />

weiche ich bei Gelegenheit schicken kann. In elner Krltik<br />

heit3t es: Die interessanteste Nummer des Concertes sei mein<br />

Quartett gewesen. -<br />

In der Neuen Leipziger musikalischen Zeitschrift steht, daB<br />

em Hr. Egli aus Chur in dein dortigen Prüfungsconcerte des<br />

Conservatoriums eine ausgezeichnete Stiinme an den Tag gelegt<br />

habe.<br />

Nun, Liebe Eltern! weil3 ich nichts Neues mehr von München,<br />

und hoffe, bald von Vaduz etwas zu erfahren.<br />

David und Toni meine herzlichsten GrüI3e. Ich bin beiden noch<br />

Briefe schuldig. Hr. Pfarrer Wolf inger in Vaduz und Hr. Vetter<br />

in Schaan meine Empfehlungen.<br />

Was inacht die liebe Mutter? Theuerste Eltern! ich verbleibe


264<br />

für immer Ihr dankbarster Sohn Josef Rheinberger<br />

München, Pfingstsonntag 1857."<br />

Die folgenden Zeilen sind beigefügt:<br />

"Liebe Schwestern Lisi und Mali!<br />

I I I I Il<br />

I<br />

I I I I 9999999...<br />

, , , , , , ,<br />

Hm ! Fin ! Ha tschi ! Gsundheit.<br />

Es ist schon lang her,<br />

drum freut's mich umsomehr<br />

Euch zu schreiben heut<br />

Ihr faulen, lieben Lent!<br />

Besuch hab ich bekommen,<br />

Von zwei jungen Frommen<br />

Vaduzer Eheleuten,<br />

Und zwar von sehr Gescheidten.<br />

Sankt Markus hieB der eine<br />

Und Netti Kessler seine<br />

Liebe, theure Frau<br />

Schau, schau, schau<br />

"S'mUf3t s'enk fein benemma,<br />

Wenn mer zsamma kemma,"<br />

Sang schon Lehrer Pdly<br />

Nit heiterem Gejöhle.<br />

Ich hab mich fein benommen<br />

Als man zusammengekommen,<br />

Netti war sehr schüchtern<br />

Kessler war sehr nüchtern.<br />

Netti hat mir gesagt, Du, Mali! seiest eine sehr flei8ige<br />

Clavierspielerin ., und habest viele Tgnze zur Carnevalszeit<br />

bei Landesverwesersgespielt. Von Dir, Lisil hat sie mir<br />

nichts erzählt, inmer nur von den Bällen, welche in Feldkirch<br />

gewesen und weiche (von mir aus) der Teufel holen darf.


265<br />

(Was interessieren mich auch Feldkircher Bälle?)<br />

Jetzt weit3 ich nichts mehr.<br />

GrWt mir vor Allen die liebe Mutter!<br />

Ich denke alle Tage oft an sie.<br />

Wenn die Mutter a Prisle ntirnmt, so söll sie am Mali od:<br />

Lisi vör mi o ahs ge.<br />

Jetzt Adieu, ich mu6 in die Vesper in die Ludwigskirche.<br />

Lebt wohl und schreibt bald Eurern Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

München am Pfingstsonntag 1857."<br />

Die psychische Situation des jungen Komponisten erscheint<br />

aber von "Erster-Liebe-FlochgefUhlen" weit entfernt. Am Fronleichnamstag<br />

komponiert er das BuBlied von Gellert ("An Dir<br />

allein hab ich gesiindigt.") und im Juni komponiert er em<br />

Requiem in f-moll, das unvollendet blieb.<br />

Schlie2lich schreibt er an den Bruder ungewohnt ernst:<br />

"Lieber Toni!<br />

Da ich Dir schon lange nicht mehr geschrieben habe, so wollen<br />

wir nun em wenig plaudern. Das Neuste 1st, daf3 wir heute<br />

den l4ten Juni haben, und gestern die Welt nicht untergegangen<br />

ist.<br />

Soeben erhielt ich Vaters lieben Brief, und ersah daraus zu<br />

meiner gröf3ten Freude, dai3 Ihr Alle Euch wohlbefindet. Was<br />

Wagus betrifft, so kann ich Dir sagen, daB unsere Freundschaft<br />

darin besteht, daB wir (wie Peter) "per Du" sind.<br />

Ich habe mich nie viel urn ihn gekUnunert, da er mir nie gut<br />

gefiel. Ich kann mich vielleicht auch irren, denn errare<br />

humanum est (Das kann Dir der David Ubersetzten.) Was ihm<br />

Hanfstängl tiber mich geschrieben haben wird; wird sein: daB<br />

er niich den Winter wöchentlich 1 mal im Oratorienvereine<br />

gesehen babe; seit Monat März kam er jedoch nicht<br />

rnehr hin. Ich kUmrnere mich gar nicht urn alle diese Leute,<br />

besuche keine und laB mich nicht gerne von ihnen besuchen,<br />

weil doch die Meisten "falsch" sind. Am ärgsten sind die<br />

Musikanten, denen gehe ich Allen aus dern Weg, well ich den<br />

Neid dieses Gesindels kennen zu lernen, hie und da Gelegenheit<br />

hatte. Ich lebe überhaupts ziernlich einsam, gebe meine<br />

Stunden, oder spiele Orgel in der Ludwigskirche und spiele


266<br />

hie und da Schach, das 1st Alles. Sonst komme ich nur zu<br />

Maier, Schafhäutl, Lachner, Perf all, Böhrn, Kaulbach, Dürk<br />

oder bin hie und da bei andern (angesehnen) Familien emgeladen,<br />

(weiche ich im Oratorienvereine kennengelernt) urn<br />

Compositionen von mir vorzutragen, und in diesen Circeln<br />

bin ich gerne gesehen.<br />

In diesen Circein herrscht bei aller Vornehrnheit doch mehr<br />

Einfachheit und Herzlichkeit, als bei den weniger vornehmen.<br />

Hier trifft man Leute, die für die wahre Kunst Sinn haben,<br />

hier wird man geschätzt und fühlt sich wohler, als in so<br />

halbvornehrnen Gesellschaf ten.<br />

Wenn man so dieses "Handwerkmusikantenvolk" kennen gelernt<br />

hat, so mu2 man mit der Zeit noch Philosoph werden, oder<br />

ttrnft den Wölfen heulen", was einem lieber ist. (Jetzt wirst<br />

Du sagen: das 1st em langweiliger Brief!) Hast Recht! aber<br />

das kurzweilig sein möchte elnem, oft vergehen. Dir nicht<br />

auch? Oder dem David? Der l/iebe/ Vater schrieb mir vom Nachhausekonirnen.<br />

Ich werde mit Hr. Maier darüber sprechen, und<br />

dann dem i/ieben/ Vater schreiben. Neine Freude, Euch sehen<br />

zu können, ware grol3, aber das übrige Vaduz zieht much nicht<br />

sehr an. Eure jetzige Kirchenmusik mul3 doch etwas sonderbar<br />

sein,besonders da die Sängerinnen nach 50 jährigern Dienstjubiläum<br />

feierlichst zurUckgetreten sind. Wird mein Hi. Geist<br />

nicht rnehr gesungen? Spielt das Mali ordentlich? Oder duathts<br />

no grad a so örpla?<br />

Wie geht es Dir? Hast Du viele Kundschaf ten? Wenn Du Bücher<br />

oder so etwas brauchst, so bestelle nur wieder bei mir, ich<br />

will es gerne übernehmen, wenn nur nicht wieder 20 - 30 Bestellungen<br />

zusanimentreffen. Ich wollte noch dem David schreiben<br />

aber soeben erhalte ich eine Vesper angesagt urn 3 Uhr,<br />

und jetzt ist's schon 2 1/4 IJhr, irnd in die St. Ludwigskirche<br />

ist's eine 1/2 Stunde zu gehen, also Lebewohl, und<br />

zeig dém David diesen Brief, weil ich zu seinem Briefe keine<br />

Zeit mehr hatte. Es grül3t Alle, besonders aber Dich, Dein<br />

Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

München den 14.6.57. Bhüati Gottfl!"<br />

Offensichtlich auf Betreiben der Frau von HoffnaaB beginnt<br />

Rheinberger die Komposition einer Kantate ("Jephtas Opfer"),<br />

die im Herbst mm Oratorienverein aufgeführt werden soil. Er


267<br />

gewinnt semen Optimismus wieder und schreibt dem Bruder:<br />

"Lieber Toni!<br />

Das ist doch rnerkwürdig, daI3 ich Dir heute wieder schreibe,<br />

nicht wahr? Weil3t warurn? Weil mir langweilig 1st. (Diesen<br />

Brief schreibe ich am Peter u. Pauls=Tag, er geht aber erst<br />

am Mittwoch mit dem Brief an den l/ieben/ Vater ab.) Nach<br />

Hause zu kommen ist mir, so leid es mir 1st, aus den an den<br />

Vater geschriebenen Gründen nicht wohi möglich. Doch was<br />

thut's? Ich hab' mich nichts verändert, bin em wenig gewachsen,<br />

das 1st Alles. Heute 1st es so herrlich heif (27'<br />

Grad Reaumur) das man gar nichts Gescheidtes denken oder<br />

schreiben mag. Demnach wirst Du mir verzeihen, da1 ich Dir<br />

in Hemd Armeln schreibe.<br />

Dein u. Lisi's Brief haben mich serr keffrewedd.<br />

Das Mali wird doch nicht kränklich sein? Ich werde ihm bald<br />

"a rechta lustig's Briefle schrieba." Was macht d'Seffa und<br />

d's Dovadle? bih ha! mual3 ma doch gahna! Do kunnt<br />

ma Dorst öber, wenn's aso häf3 ischt. (Jetzt ist's 1/2 2 Uhr!)<br />

Letzthin war ich wleder bei einer vornehmen Dame eingeladen,<br />

und da hat sie Lieder von mir gesungen, die ihr so gut gefielen,<br />

daf3 ich sie ihr sogleich schenken muBte. Do häscht<br />

an Profit, jetz kann i's nochamol abschrieba!<br />

Goht di Gschäftle guat; soil' a dr amol an Gseli schecka?<br />

Gestern hat es gebrannt (zu der Hez!) und dabin ich auch<br />

hinausgegangen urn zuzusehen, as hätt aber net amol ordelig<br />

brennt, die dumma Lüt hens net amol brenna loh' sie hens<br />

in a ra 6/2 Stund scho gioscht ka. Grad vis-a-vis von dem<br />

brennenden Haus war em Biergarten und da sind die Leut hinem<br />

urn zu zuschauen, und haben angefangen mit Bier zu lOschen;<br />

die dummen Leut aber haben aus Versehen das Bier in die<br />

Gurgel geschuttet (und i o!) und s'dflinrnst ist gse, daB ma<br />

für s'lOscha noch zahia hat rnüBa. -<br />

Dem Direktor Hauser sein Sohn (früher mein Professor) ist<br />

in KOnigsberg ais Kapelirneister gestorben. Jetzt laufen die<br />

Frauenzimmer mit so breiten ReifrOcken herum, daB letzthin<br />

Eine in einer engen Gasse stecken geblieben 1st mit ihrem<br />

stählerndern Reif. Da hat man zuerst eine Locomotiv vorgespannt,<br />

man hat sie aber nicht herausgebracht; zuletzt muBte man die<br />

Gasse abbrechen, urn sie zu befreien; selbst gsehen hab ich<br />

das nicht, fOrwohr, fOrwohr. Auch tragen sie jetzt soiche


268<br />

Hüte mit Fransen daran. Diese Hüte heil3en Amazonenhüte,<br />

irn Volke aber "Letzte Versuche", was viel richtiger ist.<br />

Deswegen mül3en sie auch viel Spott erdulden. (Dief Capitel<br />

darfst Du auch Lisi und Mali zu lesen geben, wenns'Lisi so<br />

einen "Letzten Versuch" will, so wei8 es, da6 ich schon<br />

öfters Spediteur war. Nix für ungut, ich hab es gut gemeint.)-<br />

Wenn Du Deine Gelder regulirt und vermehrt hast, so schreibe<br />

mir, damit ich Dir den Hr. Reineke schicken kann. Du wirst<br />

aber wahrscheinlich die Holzschnittausgabe wollen, da die<br />

Stahistichausgabe auf einige 20f 1 kommt.<br />

Gestern habe ich zum erstenmale neue deutsche Vereinsthaler<br />

(zu if 1 45+r) gesehen, diese sind herrlich geprägt. Ich wünsche<br />

Dir davon die ganze "Helena" voll.<br />

Wie stehen in Vaduz die Feldfrüchte?<br />

Macht heuer der Rhein keine Angelegenheiten? Sonst müBte man<br />

den Peter wieder beruf en, der würde den Rhein schon mores<br />

lehren. Heuer werden wir nicht wieder "Sebastopol" spielen,<br />

und das ist gut für Deinen Geldsack!<br />

Net wohr?<br />

Jetzt, Brüderle, bhüati! Am Fritig urn 9 Uhr Abends, trink<br />

I a Schöppli (oder 2) uf di's und's David's Wohi. Und am<br />

Fritig (den 3ten Juli) urn 9 Uhr mul3t Du und der David (wenn<br />

er net Schtrucha hat) a Gläsle trinka uf's Wohl vo dim<br />

Bruader<br />

Peppi Rhibrgar<br />

Münka, am so und sövelta." /28. Juni 1857/<br />

"Dienstag, den 30. Juni /1857/, 1/2 9 Uhr Fr/au v/on/ H/of fnaaB/<br />

gehört Mignon Lieder singen," notiert Rheinberger in<br />

scm Notizbuch. Es besteht kein Zweifel, data diese Frau den<br />

18 jährigen Musiker in diesem Sommer in München halt.<br />

Rheinberger schreibt nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Obwohl ich mich sehr gefreut hHtte, Sie heuer wiederinVaduz<br />

zu sehen, so thut es rnir leid, nicht kommen zu können. Ich<br />

habe mit Hr. Prof. Maier darüber gesprochen. Erstens würde<br />

ich alle rneine Stunden verlieren, zweitens würde es doch<br />

auch so viel kosten, hin und herzureisen, als em Monat Aufenthalt<br />

dahier. Drittens kann ich auch wegen der St. Ludwigskirche<br />

nicht fort. Sie sehen demnach, rneine Theuersten El-


269<br />

tern! daf3 ich über diesen Sommer nicht so leicht nach Vaduz<br />

kommen kann, als sonst. Ich hoffe aber, daf3 Sie nichtsdestoweniger<br />

oft in Gedanken bei mir sind, als wie ich bei Ihnen.<br />

Da13 Hr. Wolf inger von Vaduz kommt, freut mich sehr, obschon<br />

er mich abzuholen vermeint.<br />

SchUler habe ich gegenwärtig drei (zwei Schillerinnen von 8<br />

u. 10 Jahren) und elnen SchUler ( Sohn des Directors der<br />

Staatsbibiiothek). Diesen zusammen babe ich 7 Stunden wöchentlich<br />

zu geben. Diese sind verschieden bezahlt. Von diesen<br />

7 Stunden sind 5 a zu 24+r, und 2 a zu 40+r bezahlt. Mein<br />

WUrzburger HarmonieschUler ist in die Vakanz dorthin abgereist.<br />

Von nächster Woche bekomme ich wieder 2 SchUjer, Söhne<br />

eines Grofhändlers, mit welchem ich eben in Unterhandlung<br />

bin. Letzten Monat (Juni) habe ich mir Geld zusammengespart<br />

zu Kleidern, und kaufte mir eine graue Hose<br />

zu 7fl 48+r<br />

em Gilet = 3f1 30+r<br />

einen Seidenhut (Cylinder) = 3fl -<br />

und em Halstuch zu = - 48+r<br />

Summa l5fl 6+r<br />

Zu elnem neuen schwarzen Rock, den Ich nun brauchte, hat's<br />

nicht mehr gereicht. -<br />

Im Juni babe ich em Requiem angefangen, und arbeite jetzt<br />

schon am Benedictus. Wenn man solche Sachen nur immer gleich<br />

zur Aufführung bringen könnte, dann würde ich mehr Kirchen=<br />

Musik componiren.<br />

Der Toni schreibt mir, dat3 das Mali so schlecht aussehe; es<br />

wird doch hoffentlich nicht krank sein? Auch Peter sei nicht<br />

gesund? Ich erfreue mich, Gott sei Dank gesagt, einer ungetrübten,<br />

festen Gesundheit. Und so will ich nun fleil3ig arbeiten,<br />

damit ich bei der nächsten Concertsaison mit neuen<br />

Werken gertistet bin.<br />

Sollte ich Sle also, Theuerste, Beste Aeltern! diesen Herbst<br />

nicht sehen, so hoffe ich doch, dal3 mich häufigere Briefe<br />

dafür em wenig entschädigen werden. Die liebe Mutter soil<br />

deBwegen mir nlcht zUrnen, da3 es mir heuer mein Beruf erschwert,<br />

in ihre Arme zu ellen, und daf ich sie immer kindlich<br />

liebe, weif3 sie ja auch.<br />

Und nun, Theuerster Vater! indem ich dartiber Ihre Entscheidung<br />

erwarte, verbieibe ich Ihr dankbarer und dankschuldiger<br />

Sohn Jos. Rheinberger<br />

Mtinchen, den 1.7.57."


270<br />

Während der Komposition seinerKantatevollendet Rheinberger<br />

am 5.Juli 1857 in München beziehungsreich die Ouverture zu<br />

Shakespeares "Komödie der Irrungen".<br />

An semen Bruder schreibt er:<br />

"Lieber David!<br />

Da der l/iebe/ Vater wfinschte, da6 ich semen letzten Brief<br />

mit Banknoten nach Empfang deselben (der Sicherheit wegen)<br />

besttbge, so schreibe ich bei der Gelegenheit Dir, weil ich<br />

das letzte mal dem Vater und Toni geschrieben.<br />

Du wirst also so gut sein, und dem Vater meinen herzlichen<br />

Grul3 und Dank auszurichten. Sonst habe ich aber nichts Wichtiges<br />

inehr zu schreiben. Es geht mir gut; auch habe ich viel<br />

zu thun. Heuer hEtte es mich sehr gefreut, wenn Du heraus<br />

(nach MUnchen) gekommen wErst; denn wenn Du hier auf dem<br />

Steinpf laster herungelaufen wrst, so hEtt's es for a Alpaparthiele<br />

thua. Die neue }laximiliansstrage soiltest Du jetzt<br />

sehen, wie schOn die 1st ! Fast as wia derKaspariGass' in<br />

Vaduz!! Gibt es heuer wieder eine soiche Freitag=Abend=Gesellschaft<br />

auf dein Schlof3, wie letztes Jahr?<br />

Gestern und vorgestern war es schauderhaft heiI3, ich ging<br />

noch Abends 3/4 auf 9 TJhr in das grof3e Isarbad. (Gelt, das<br />

sind Neuigkeiten!)<br />

Nach Vaters Brief 1st es also noch nicht einmal bestiinint,<br />

daB Hr: Pf: Wolfinger von Vaduz hierher konmit?<br />

Meine Schüler bei GroBhändler Lekling sind prHchtige Kerls.<br />

Bei der ersten Lection war ich nach 5 }linuten schon auf dem<br />

Punkt, den Hut zu nehmen und zu gehen. Bei de-m einen geht<br />

es jetzt em wenig besser, wHhrend der Andere zum Verzweifein<br />

starrkbpfig ist, mid nicht lernen will. Seine Mutter<br />

sagt, ermüsse aber Kiavier lernen, well Musik das menschliche<br />

Gemüth veredle und zur Erziehung nothwendig gehOre.<br />

Ich dachte, daB hier eine Haselstecken rnehr veredeln würde<br />

als die arnie, gute Musica; ich sagte és aber nicht. Da schau<br />

ich (in dieser Stund) fleiBig auf die Uhr und wenn es zwOlf<br />

Uhr schlEgt, so nehme ich meinen Cylinder zur Hand, und gehe.<br />

Ubrigens sind die andern Leut in dieseija Hause sehr angenehm<br />

und honett, nut etwas zu grol3städtisch vornehm.<br />

Neine tibrigen Schüler sind viel talentvoller und folgsamer,<br />

besonders die k1e±ne Tochter des bekannten Schriftstellers<br />

Prof: Riehi. Jetzt mu13 ich fort, und Stund geben, es 1st


271<br />

höchste Zeit. Leb' wohi, schreibe mit bald sowie auch der<br />

Toni.<br />

Dein Dich liebender Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

Mtinchen 17.7.57.<br />

Viele GrtiBe an alle."<br />

Der Monatsbrief im August geht pUnktlich ab:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ich kann Ihnen heute nur Weniges berichten, und zwar - well<br />

ich fast nichts des Aufzeichnens Werthes weil3. Gesund und<br />

wohi, wie ich bin, hoffe ich auch von Ihnen, Theuerste Eltern<br />

und Geschwister es zu vernehmen.<br />

Zwei von meinen SchUlern gehen auf das Land, bis September;<br />

bleiben mir in loco noch 3 SchUler. (6 Lectionen per Woche).<br />

Vielleicht, daB ich noch Schüler während dieser Zeit bekomme.<br />

Wenn man so einen SchUler hat, weicher ohne Talent<br />

und Lust Klavier lernen mul3, so 1st das eine äuBerst unangenehme<br />

Quälerei zwischen Lehrer und SchUler. Da 1st man<br />

froh, wenn auf der Uhr der Zeiger die Erlösung anzeigt.<br />

Doch noch viel lieber das, als einem talentlosen Schüler<br />

Harmonie- oder Contrapunkt-Begriffe beizubringen. Doch genug<br />

davon!<br />

Endlich am l5ten August (Maria Hlmmelfahrt) soll meine Messe<br />

in der St. Ludwigskirche losgelassen werden - - so sagte<br />

mir Pentenrieder - ka si, aber globa duane's net, well Hr.<br />

Pentenrieder zuerst elne Probe halten, und diese selbst bezahien<br />

mW3. Hier steckt der Knoten, das sagte mir Hr. Prof.<br />

Schafhäutl. Nun, wollen wir sehen. -<br />

Heuer 1st es furchtbar hell3, und im ganzen Juli war kein<br />

Regentag, höchstens alle 8 Tage em klelnes Gewitter. De13wegen<br />

geht Alles auf's Land. Die einen In's bayerische Hochgebirge,<br />

nach Salzburg, Tirol etc. Von meiner Bekanntschaft<br />

ist fast Alles fort.<br />

In der Schweiz sollen alle FrUchte so ausnehmend schön und<br />

reichlich stehn; 1st das auch bel un in Liechtenstein der<br />

Fall? Hier gibts vom l5ten Mal bis l5ten August Kirschen.<br />

Kommt der Peter oft nach Vaduz? Auf meinen Brief vom Mal<br />

schrjeb er mir noch nicht. Dem Toni werde ich von nun an


272<br />

alle 8 Tage einen Brief unfrankirt schreiben, bis er mir<br />

einmal zu schreiben beliebt. Von Hr. Pfarrer Wolfinger von<br />

Vaduz habe ich nichts welter gesehen oder gehört.<br />

1st Mali im Toggenburg? Was macht die liebe Mutter? Sie sind<br />

hoffentlich, Theuerste Eltern! iunuer gesund, und meiner emgedenk,<br />

und in dieser Meinung verbleibe ich für iimner Ihr<br />

dankschuldiger Sohn<br />

Viele GrU6e an Alle.<br />

Jos. Rheinberger<br />

München, den iten Sonntag im Monat August /1857/<br />

/Datum des Poststempels: 3. Aug. 1857/"<br />

In diesen Sommerferien schreibt Rheinberger die Sinfonie<br />

in C, .JWV 81, und die Klaviersonate in f, JWV 56, und meldet<br />

die Fertigstellung nach Vaduz:<br />

"Theüerste Eltern!<br />

Weil es vielleicht nach Ihrem Wunsche ist, so schicke ich<br />

hiebei meine Rechnungsablage. Hr. Prof. Maier, weicher Anfangs<br />

dieses Monats nach Schachen (am Bodensee) verreiste,<br />

schrieb mir noch an dem nämlichen Tag, und schickte mir<br />

den Rest meiner Kasse. Ich konnte nicht mehr Abschied von<br />

ihm nehmen, well er zu schnell verreiste, mir jedoch versicherte,<br />

bis 1. September zurück zu kommen. Ich habe demnach<br />

im Ganzen durch Hr. Maier bezogen 149f 1 36+r. In diesen<br />

hundertneunundvierzig Gulden ist das Oratorienvereinsgehalt<br />

mit eingerechnet. An Perstenfeld hátte ich wHhrend<br />

10 Monat bezahlt 240f1. -<br />

Meine Schüler sind alle aufs Land bis auf zwei, und das sind<br />

gerade jene, zu denen ich am unliebsten hingehe. Riehi's<br />

sind nach Starnberg, Oldenbourg nach Genf, und Halm's nach<br />

Lausanne, und zwar alle mit Familie, also auch mit meinen<br />

Schülern. Bei diesen verreisten Schülern hab' ich etwa noch<br />

lOf 1 zu gut, welche ich natUrlich erst im Verlauf der weitern<br />

Stunden nach ihrer Rückkehr bekomme. Nun, da ich diesen<br />

Monat nur sehr wenig Geld verdienen konnte, so betrEgt meine<br />

jetzige Baarschaft etwa 21 - 22f 1, wHhrend ich am 1.September<br />

allein für Perstenfeld's wieder 24fl vorausgaben soll.<br />

Demnach bin ich gezwungen, Sie Theuerster Vater! um Geld<br />

zu ersuchen, indem der ite September immer nHher rückt. Im


273<br />

Herbst und Winter werde ich jedoch mehr Geld verdienen können,<br />

weil in dieser Zeit eher Stunden zu bekommen sind, als<br />

im Sommer, wo die haute volêe Mtinchen's abwesend 1st.<br />

Da ich im Monat August weniger mit Stundengeben geplagt war,<br />

konnte ich desto mehr componiren. Ich habe nun eine neue<br />

grof3e Sinfonie "fertlg" gemacht und habe Aussicht, selbige<br />

im Winter zur AuffUhrung zu bringen. Nun babe ich schon angefangen,<br />

Stimmen zu schreiben und schreiben zu lassen, was<br />

sehr hoch kommt. Del3halb könnte mir der Peter (der ttRiechtt)<br />

die Stimmen schreiben lassen, wie er es bei meiner Fiesko=<br />

Ouverture gethan hat. (Hr. Schafhäutl habe ich diese Sinfonie<br />

gezeigt, Maler und Lachner noch nicht, well beide nicht bier<br />

sind). Auch habe ich eine grol3e Klavler='Sonate fertig, deren<br />

ersten Satz ich schon frUher bei DUrk und Kaulbach mit<br />

Beifall gespielt habe. Diese Sonate suche ich jetzt bei einemVerleger<br />

anzubringen. "Jephtas Opfer" arbeite ich gegenwärtig<br />

urn.<br />

Bei der grof3en Juli=Hitze ist fast ganz München ausgewandert.<br />

Im August waren 12 Tage Regen mit ziemlicher Kälte, und nun<br />

ist es wieder sehr heiB. Dem Toni laB ich danken fUr semen<br />

Brief, welchen ich Anfangs September beantworte. Weil ich<br />

nun in die Ludwigskirche rnu2, beeile ich mich den Brief zu<br />

schlieBen. Was macht die Mutter? 1st Mali gesund und von<br />

Lichtensteig zuruckgekommen?<br />

Ich hoffe, daB Sie, Theuerster Vater! sich immer wohi befinden,<br />

sowie auch meine lieben Geschwister. Ich bin immer<br />

kerngesund und thatig, und spiele auch mehr Klavier, als<br />

sonst, well ich jetzt rnehr Zeit habe.<br />

Doch nun leben Sie wohl, Bester Vater! bleiben Sie immer<br />

gesund und behalten Sie immer irn Andenken<br />

Ihren dankbaren Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

MUnchen, den 25ten August (1857)"<br />

Folgende Bemerkung von Rheinbergers Vater findet sich am<br />

SchiuB des Briefes: "Beantwortet am 28.Aug. mit 48f1 Beilage."<br />

Der Bruder erhlt einen endlosen Brief In homerischen Hexametern:


"Lieber Toni!<br />

274<br />

München den 31.8.57.<br />

Gerade jetzt koinrnt des Vaters Brief. Du wirst so gut sein,<br />

und ihm meinen aufrichtigsten Dank für semen Brief und das<br />

beigeschlossene Geld anzusagen, nebst meinern herzlichsten<br />

GruB auch an die Mutter.<br />

Da Du mir, lieber Bruder! das letzte Mal einen Brief, so<br />

groB als wie ganz Liechtenstein, geschrieben, so beantworte<br />

ich denselben mit wenigstens so viel Worten, als unser Vaterland<br />

Einwohner hat. Das beweist aber noch nicht, daB ich etwas<br />

Interessantes zu schreiben habe. Da man gebührender Weise<br />

zuerst nur von den wichtigsten Personen berichtet, so fange<br />

ich mit öhry, wohlbestelltem ländlichen Pdagogen in und zu<br />

Vaduz, an.<br />

Donnerstag der 27te war der in den Annalen Münchens ewig<br />

denkwUrdige Tag, an weichern obgenannte hohe Personalität in<br />

hiesiger Residenz einfuhr. Nachmittags 3 Uhr besuchte öhry<br />

meine unwilrdige Behausung, bemerkend, daB zu Haus' ich nicht<br />

war. Er hinterlieB meiner Hausfrau den Auftrag, den Wichtig'n,<br />

daB er Abends bestimmt wieder kommen werde zu Rhemnberger,<br />

dem unglUcklicherweisegarnichtzuHausegewesenseienden. Ich<br />

harrte seiner, sehnsüchtigen Bucks vom 3ten Stockwerk die<br />

MüllergenanntestraBe genauiglich musternd. Ich harrte seiner,<br />

von 5 Uhr bis 8 TJhr schlug die Glocke der nahegelegenen<br />

evangelisch=lutherischen Kirche. Doch dhry, Erzieher der<br />

hoffnungsvoll wachsenden Jugend von Liechtensteins Hauptort,<br />

nicht erschien er, der Wortnichthaltende. Ich setzte auf sodann,<br />

entschlossenen Muthes voll, den neuen, schwarzseidenen<br />

Cylinder und wandle geflUgelten Muthes dahin zu Oberpollinger's<br />

frequenter Behausung, vermuthend zu finden allort biervertilgend<br />

öhry, den Martin.<br />

Doch nicht zu erforschen er war. Als anderntag's ich las die<br />

Fremdenanzeige, ich ersah den gefeierten Narnen, unter der<br />

Rubrik des Stachusgarten; doch öhry, er fuhr schon auf dampfbeschwingtem<br />

Wagen Starnberg, dern ländlichen zu, urn zu besuchen<br />

den wohlbepfrtindeten Pfarrer, welcher wohl voll des<br />

Stolzes empfangen wird den Neffen, der seines Bruders Sohn,<br />

und Martin zubenamset. Doch wenn der Tage 8 verflossen,<br />

wird öhry kehren zurUck von Seefeld nach München, und nebenbei<br />

auch besuchen mich, den dem nämlichen Lande entsproB'nen.<br />

Doch nun läutet es 12 Uhr, nun wird mein Magen, der knurrende,


275<br />

suchen zu stillen den Appetit, weicher beunruhigt ihn.<br />

Hernach werd' ich berichten noch Wichtiges mehr.<br />

1/2 1 Uhr<br />

Nun hab' ich den Magen befriedigt, tauche die Feder in Tintenstrotzendes<br />

Fa1 und melde Dir ferner des Wichtigen. Ja, es<br />

meldet die Feder Dir, da1 unpa1 ich war seit einigen Tag,<br />

doch mich nun besser befinde. Auch da!3 in München's Vorstadt<br />

Haidhausen die Cholera hat ihr' Opfer gefordert, doch hörte<br />

man nur wenig und seit 3 Wochen gar nichts mehr sprechen davon.<br />

Es war der Gefahr nur wenig dabei; indem Mtinchen ja doch<br />

dutch den Isarflul3 getrennt war von Haidhausen.<br />

Ich habe geschrieben der Noten sehr viel, seit ich Dich nicht<br />

gesehen, o Bruder Anton! Ich lie1 mir auch mit Deckel vetsehen<br />

der Bticherein'ge was man im gewöhnlichen Leben "Bilchereinbinden"<br />

heil3t; weiches ehrsame GeschHft Du, der lobliche<br />

Zunft=Meister, anitzo auch also betreibst, verschlingend<br />

des Leder's, Papier's und pappigen Kleisters.<br />

Mir gestern sagte der Bekannten einer: Er babe gelesen im<br />

"Schwäb'schen Mercur" daIs ausgeschrieben sei die Schulmeisterstelle,<br />

die fette, von Vaduz. Der betref fend' Bewerber miife<br />

besonders die Orgeltractiren zu wissen. Aus "wem" besteht denn<br />

der neu angeworbene Chor, weicher des Sonntags erbaut die<br />

Gemeinde mit hehrem Gesang? ErtOnt nicht fürder mehr des<br />

Marxer's Alleluja=Geschrei? Krchzt der Becki VOgelverscheuchende<br />

Stimm' nicht mehr in St. Florin's RHumen? Wehe,<br />

wenn das der Fall ist - nicht kann man ftirder ersetzen dies<br />

kunst= und gesangsverstEndige Paar. Und soilte das bucklichte<br />

Muserle nun auch singen Tenor, - wer f rag ich - wer kann ersetzen<br />

den Blasbalgkundigen Mann? Wet kann gleich ibm ziehen<br />

mit feinem aesthet'schen Geftihl die Stricke des blasigen Balges?<br />

Siebst Du, o Bruder? mit kiarem Auge nicht den Verfall<br />

der Kunst, der tOnenden, mit Gigermartischen Hat = und Melodien.<br />

Doch nun genug des Jammers, weicher nicht fruchtet<br />

anjetzt. Sage dem David, dem Kanzlei=kundigen Meister der<br />

Feder, sowie auch der Tinte Beherrscher, da8 mein Pa13 (datirt<br />

von Anfang November des Jahres eintausensachthundert<br />

und fünfzig vier -1854-) auf drei Jahre gUltig ist, und das<br />

bis dahin (bis Nov: 1857) ich eines neuen Pa8es bedUrftig<br />

bin. Wenn Du gesagt hast dieses dem David, dem Tintekundigen,<br />

benebst einem Gru2e von mit, dem Notenkopftintenklexer, -<br />

so wird er schiitteln sein rothgelbes Haupt, (beschwingt von<br />

borstigem Barte) und sagen wird er:"Anhiero thut Noth em


276<br />

neuer Pa13, auf da1 ich schreib' einen soichen. Doch es pressirt<br />

mir noch nicht; es ist ja anitzo noch Zeit!"<br />

(Abends 6 uhr.)<br />

Nun komm ich soeben nach Haus, und schreibe noch welter, bis<br />

dunkel es wird was jetzt in dem Herbste gar bald moglich 1st.<br />

Ich habe gehört vor zwei Monden aus Adjunctens Kesslers beschnauzetem<br />

Munde, da1 Herr Falk anitzo Amtschreiber geworden.<br />

Da13 ihr mir nichts davon schriebet?<br />

Du, Toni, befiehi doch dem Lisi, daf es bald mir schreibe,<br />

derweil es schon lange 1st her, seit wir nicht mehr correspondirten.<br />

Auch dem Mali, dem Tonkastenspielenden, sage, daB<br />

bald es mir schreibe, was es getrieben im Toggenburg drin;<br />

und wie es gehe der Wirth=schen Familie.<br />

(Dienstag den iten Sept:)<br />

Heute von 8 his 10 Uhr machte ich wieder den Schulmeister,<br />

lehrend Clavier zweien fleiBigen Schülern, weiche, lernend<br />

schon selt Monden, bald schon kennen die Noten. Auch waren<br />

die Jungens so folgsam heut', daB die Autorität ihres Vaters<br />

in Anspruch ich nahm, welcher den Söhnlein's mit Schlägen<br />

wohl dräute. Lieber wohl Holzhacken möcht' ich, als mehr'<br />

solcher Schüler ha'n, welch ich Gequälter noch selbander qualen<br />

soll. Doch Papa und Mama, die Gnädigen, finden, daB diese<br />

zwei Söhnlein's des Talentes zur Musik wären voll, und man verschreibt<br />

der Klavierlehrer einen, weicher Klavierspielen ihnen<br />

eintrichtern soll, da man für Geld.ja Alles kann. Nicht wahr?<br />

Heute ist Feldlager der Garnison MUnchen's in Sendling, eine<br />

Stund welt von hier. Wenn ich noch Zeit mir erubrigen kann,<br />

geh ich doch hin, Manoeuvre zu sehn'. Gibt es heuer des Obstes<br />

wohl viel, des Saftigen? Birnen, Apfel und Zwetschgen?<br />

Der Wein wird werden doch gut in Vaduz, da der sonnigen Tage<br />

wir hatten so manche in heurigem Jahr!<br />

Anbei leg ich noch em gedrucktes Blättchen bei, zu dessen<br />

besseren Verständnis gesagt sei, daB im Monat April in hiesiger<br />

Münchner=Zeitung gelegentlich einer Kunst=Kritik bemerket<br />

wurde, daB meine Ouverture zu Fiesko zwar sehr schön,<br />

nur etwas philisterhaft instrumentiret sei, worauf in diesem<br />

beigefügten Blättchen widersprochen wird. In folgendem<br />

(heurigen) Herbste hoffe ich schicken zu können der Recensionen<br />

viele, (welch' aher sämmtlich nur von Papier sind.)<br />

Von ausländschen Blättern erwHhnten sehr ehrenvoll meines<br />

Quartettes die Leipziger, die SUddeutsche und Rheinische<br />

Nusikzeitungen, wie man mir sagte, da ich selbsten nur die


277<br />

erstere gelesen.<br />

(Abends 1/2 5 Uhr)<br />

Ich werd mich beeilen, den Brief bald zu schlie8en, auf das<br />

er noch heute zur Post gelange, drum kehr das Blatt itzt urn!<br />

Nachdem anitzo das Blatt Du umgekehrt, und welter zu lesen<br />

beginnst, soseihiernit Dir gesagt, dat3 welter ich nichts<br />

wei8, was des Schreibens wiirdig ware.<br />

Du schriebst mir, dal3 den Pföhn<br />

Du hörest durch's G.Ble gehn<br />

Und hörest Du manchmal: Klipp, klapp, klipp, klapp!<br />

So denk: Jetzt jagt sie die Kathri<br />

dern Handwerksburschen die Stiefel app!<br />

Macht d' Muatar hUr o viel Aepfelschnez?<br />

Cr1113 rner o der Kaplan Fetz!<br />

Weil als' in der Welt sein Ende hat<br />

So hört der Brief hier auf.<br />

Mit Vielen GrUI3en an Alle Verbleibe Ich Dein Dich Immer<br />

Liebender bruder iosepf reynperker.<br />

Schreibe mir bald!<br />

An Anton Rheinberger, wohllöblichen Buchbinderzunftmeister<br />

in Vaduz."<br />

Em wahrer Schaffensrausch packt Rheinberger in diesen Sommerwochen.<br />

Am 8. September versucht er sich an Eichendorff's<br />

"Mondnacht". Besser gelingt ibm em Quartett für Oboe, Horn,<br />

Violoncello und Klavier (JWV 83), das er eine Woche später<br />

beendet. Auch von der Aufführung seiner Messe weil3 er nach<br />

Hause zu berichten:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Aus David's liebern Briefe erfuhr ich unter andern Neuigkeiten<br />

die Wichtigste, Ihre Pensionirung, weiches mich ungemein<br />

Uberraschte. Da mir David nichts Näheres angab, so fflrchtete<br />

ich anfangs, daf3 Sie, Bester Vater! vielleicht wegen Kranklichkeit<br />

sich pensioniren liel3en, hoffe aber zu Gott, daB dem<br />

nicht so sei! Auch schrieb rnir David, daB wir nun "heimini"<br />

ziehen. In Betreff des Oratorienvereinsgeldes von 1855 (45f1)<br />

kann ich nichts Näheres angeben, als daB Hr. Prof. Maier es<br />

mir mit dern andern Gelde zukommen lassen haben wird, ohne es<br />

eigens zu verrechnen. Ich konnte und kann ihn natUrlich nicht


278<br />

fragen, wie er das oder jene gehalten. Nur gestehe ich zu,<br />

da$ da mir die ganze Unterstützungsangelegenheit zu delicat<br />

und gnant 1st und war, ich inuner unterlieI3, Herrn Prof.<br />

Maier darUber zu befragen, da er ja ohnehin mein erster Wohitäter<br />

1st und bleiben wird. (Hr. Maier 1st gegenwärtig in<br />

Heidelberg für die hiesige Hofbibliothek mit Ankauf von Werken<br />

beschäftigt). Am St. Maria-Geburtstag wurde endlich<br />

meine Messe in der St. Ludwigskirche aufgeführt. Die Proben<br />

der Messe bezahlte (ohne mein Vorwissen) Hr. Prof. SchafhHutl.<br />

Die Messe wurde sehr gut gesungen, (da das Personal<br />

aus Hofsängern und Hofsangerinnen bestand),undgefielungemein<br />

gut; so daB sie nächstens wiederholt werden soll.<br />

DaB Herr Oehry mich besuchte, wird er Ihnen, Bester Vater!<br />

wohi erzählt haben, auch daB ich nicht von ihm Abschied nehmen<br />

konnte, well ich ihn weder bel Oberpollinger, noch sonst<br />

wo treffen konnte.<br />

Nun die Hauptsache: Gestern Dienstag flog Nacht's 1/2 11 Uhr<br />

(gerade vor 24 Stunden; da es jetzt auch 1/2 11 Uhr Nachts<br />

ist,) das Eisenhändlerhaus neben dem Karlsthor in die Luft,<br />

und zwar in Folge einer Pulverexplusion. Bis heute frUh 6<br />

Uhr f and man bereits fünf schrecklich verstUmmelte Leichen.<br />

Hr. Lampert wohnte in dem nmlichen Haus; und heute las ich<br />

in der Liste der lebensgefhrlich Verwundeten auch ihn, seine<br />

Frau und Kind; näheres konnte ich leider nicht erfahren. Nun<br />

bitte ich, falls Hr. Lampert in Vaduz nicht schon Nachrichten<br />

hat, diese ibm auf's Schonenste mitzutheilen.<br />

Die Explusion war schrecklich. Die Hausthüre und Fensterstöcke<br />

des Hauses flogen bis nahe an die Michaelskirche. Der<br />

Hausknecht des Hauses allein blieb unbeschädigt, obschon er<br />

samt seinem Bette vom Estrich des Hauses in die Luft fuhr,<br />

und vor die Hausthüre des "Oberpollinger" geschleudert wurde.<br />

(Aus der nämlichen, nun in die Luft geflogenen Eisenhandlung<br />

hat Hr. Oehry die Werkzeuge für Toni besorgt.)<br />

In der Ludwigskirche spiele ich die Orgel, so oft em gesungenes<br />

(nicht Choral=) Amt 1st, und erhalte für jeden Dienst<br />

24+r. Nun werde ich jetzt wahrscheinlich in der Theatinerhofkirche<br />

immer Orgel spielen. Ich würde dort nicht mehr als<br />

alle Sonntage em Amt zu spielen haben, und für jedes Amt ungefahr<br />

einen Gulden bekommen. Morgen werde ich mit dam dortigen<br />

Chorregenten unterhandeln. -<br />

Ich muB nun schliel3en, well mir die Augen weh thun; daher<br />

auch die schlechte Schrift. -


279<br />

Nun, Theuerster Vater! Leben Sie wohl; indem ichhoffe, daf<br />

Sie und die liebe Mutter und Ceschwister sEmtlich gesund<br />

sind, verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn<br />

München, den l6ten Sept. 1857. Mittwoch."<br />

Jos. Rheinberger.<br />

An der Theatinerhofkirche wird Rheinberger als Organist angestelit.<br />

Der stark beschäftigte Komponist findet nur wenig Zeit, urn<br />

nach Hause zu schreiben. Seine Anstellung gibt ihm AnlaB dazu:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Der Uberbringer Ihres letzten lieben Brief es war Hr. Briem<br />

aus Feldkirch, weicher mir sodann auch semen Sohn präsentirte.<br />

Ihrem ausgesprochenen Wunsche gemäf werde ich 'für Ihn<br />

thun, was ich kann.<br />

In Betreff Lamperts konnte ich in Erfahrung bringen, daB er<br />

bei der Explusions=Katastrophe all' sein Habe eingebUBt und<br />

er, seine Frau und zwei Kinder verwundet ins Krankenhaus gebracht<br />

wurde. Er 1st nun geheilt entlassen und mit Familie<br />

von Maler Volz in der Heustrasse (glaube ich) in die Wohnung<br />

aufgenomrnen worden. Auch erhielt er vom König eine Unterstützung<br />

und gingen in der Expedition der "Neuesten Nachrichten"<br />

circa 500f 1 für ihn em. Das Oktoberfest ging Sonntag<br />

den 4ten beirn herrlichsten Wetter in Anwesenheit einer ungeheuren<br />

Menschenmenge vor sich.<br />

Der David mögenichtvergessen, mir bis Ende Oktober's einen<br />

neuen PaB zuzuschicken.<br />

Wer istnunLehrer geworden in Vaduz?<br />

Ich habe gegenwärtig sehr viel mit Stimmen schreiben zu thun,<br />

weil meine neue Sinfonie im November zur Aufführung kommen<br />

soll. Auch habe ich em Quartett für Oboe, Waldhorn, Cello<br />

und Clavier für diese Concert=Saison geschrieben. Sodann<br />

muB ich "Jephtas Opfer" im Einzelnen umarbeiten. Diesen Winter<br />

werde ich deBhalb Recensionen in GenUge einschicken können,<br />

wenn alles gut geht. Hr. Briem sagte mir, daB die<br />

Schwester des Hr. Schrnutzer in Feldkirch gestorben sei, auch<br />

daB die Jesuiten dort so gute GeschEfte machen, daB sie eine<br />

neue "Kaserne" bauen mUl3ten. -<br />

Wo 1st Peter gegenwärtig? Er schreibt mir nie, auch kann ich


280<br />

in Ermangelung seiner Adresse ihm nicht schreiben. Das ist,<br />

Theuerster Vater! so ziemlich Alles, was ich zu schreiben<br />

weil3.<br />

Hr. Pentenrieder (Kapeilmeister bei St. Ludwig) lie1 mich<br />

ungern weg von seiner Kirche. Doch ist mir mein neuer Dienst<br />

lieber, indem ich nicht so weit zu gehen und nicht mehr zu<br />

thun habe und etwas mehr bekomme. Meinen 1/4 jährigen Gehalt<br />

mit 15f1 mu2 ich beim kgl. Kassier=Amt erheben, was ich gem<br />

thun würde, wenn es nur l5mal an jedem Quartal vorkäme.<br />

Es wtirde mich freuen, wenn Toni mir wieder einmal schreiben<br />

wUrde.<br />

Ich bin immer gesund und em fleil3iger Tintenverbraucher.<br />

Indem ich alle Theuren zu Hause, vorzUglich aber Sie, Bester<br />

Vater! herzlich grü!3en lasse, verbleibe ich Ihr dankbarster<br />

Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Kdnigl. Bairischer Hoforganist<br />

mit 60f1 Gehalt<br />

München, 7.10.57."<br />

Em weiterer Brief lautet:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Weil ich heute vor einem Jahr von Vaduz wegging, urn mich<br />

wieder nach München zu begeben, deBhalb will ich heute diesen<br />

Brief hier schreiben, darnit er auch auf Allerheiligen<br />

eintrifft.<br />

Für die Besorgung meines Reisepa2es sage ich Ihnen, bester<br />

Vater! meinen Dank.<br />

Die Nachricht, dal3 wir nun "hämini" sind, hat mich schrnerzlich<br />

berUhrt. Ich glaubte, garnicht zu Hause zu sein, wenn<br />

ich in Vaduz in einem andern Hause wohnen mü2te; da ginge<br />

es mir wie der l/ieben/ Mutter, weiche sich auch nicht darein<br />

schicken kann. - In welchem Zimmer steht nun das Clavier,<br />

wo wohnt der Toni? etc:<br />

Mir geht es ganz gut. Ich bin, Gottlob, immer kerngesund,<br />

habe aber viele Stunden zu geben. Zurn coniponiren habe ich<br />

keine andere ruhige Zeit mehr, als Abends von 7 - 12 Uhr;<br />

und gerade in dieser Woche hätte ich noch viel zu schreiben.<br />

In der letzten Ausschul3=Sitzung des Oratorienverein wurde<br />

einstiinrnig beschlo1en, niein Oratoriurn "Jephtas Opfer" auf-


281<br />

zuführen, obschon keines der Mitglieder dasselbe noch kennt,<br />

nicht einmal Hr. von Perfall. Mit der Umarbeitung des Oratoriums<br />

bin ich auch noch nicht fertig; mit dem Schrelben<br />

der Sinfoniestimmen ebenfalls nicht, und dazu habe ich durch<br />

die ganze Allerseelenoctave täglich zweimal Orgel zu spielen,<br />

und dann noch meine vielen Stunden zu geben; da weI8 ich gar<br />

nicht, wo die Zeit dazu hernehmen.<br />

Der junge Briem war schon lange nicht mehr bel mir, del3halb<br />

weit3 ich nlcht, wie es ihm geht, ich will ihn aber nlcht aufsuchen.<br />

Peter hat mir vor 8 Tagen geschrieben, und ich lhm am nämlichen<br />

Tage geantwortet.<br />

Ich komme nun die ganze Zeit keinen Schritt mehr über den<br />

Burgfrieden der Stadt hinaus, well Ich auch Sonntag Nachmittags<br />

von 2 - 3 Uhr Stund geben muf3.<br />

1st das Mali nun auch wieder ganz gesund? Ich hätte ihm schon<br />

längst Muslkalien geschickt, aber ich mu8 mein Geld zisammenhalten.<br />

Jedoch aufgeschoben 1st nicht aufgehoben.<br />

Wenn ich Zeit zum schreiben gehabt hätte, würde ich dem Toni<br />

einige Zeilen beigelegt haben.<br />

Hat es heuer viel "Törka und Wi?" Indem ich alle Lieben, besonders<br />

aber Sle beste Eltern! herzlichst grül3e, verbleibe<br />

ich Ihr dankbarster Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Hof-Organist<br />

mit 6Ofl Gehalt.<br />

München, den vorletzten Oktober 1857."<br />

Das Abendblatt zur "Neuen Münchener Zeitung" vom 5.11.1857<br />

schreibt:<br />

"Am 1. Dec. Land das erste der Seidel'schen Concerte statt<br />

und wurde mit einem Streichquartett (C-dur) von Ditters von<br />

Dittersdorf eröffnet (folgt eingehende WUrdigung und Besprechung<br />

weiterer Aufführungen von R. Schumann, M. Hauser, Fr.<br />

Schubert und F. Mendelssohn). Den Schluss des Concertes bildete<br />

em Quartett für Oboe, Horn, Violoncell und Clavier von<br />

Rheinberger. Richtiger ware wohl die Bezeichnung "Erster<br />

Satz eines Quartetts" (u.s.w.) gewesen, da das TonstUck hinsichtllch<br />

selner Form ganz genau elnem ersten Allegro mit<br />

vorausgehender Introduction entspricht. Für diesen Fall hEt-


282<br />

ten wir dann nur zu bedauern, daB es uns nicht vergönnt war,<br />

auch die nachfolgenden Sätze dieses in recht kiarern Style<br />

und mit beachtenswerter contrapunktischer Combinationsgabe<br />

geschriebenen Werkes hören zu können. Der Vortrag durch die<br />

Herren Koch, Fernbacher, Werner und den Componisten war<br />

äuBerst correct "<br />

Rheinberger berichtet nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Vorerst muB ich urn Entschuldigung bitten, daB mein Brief urn<br />

2 od. 3 Tage zu spat daran ist. Ich habe nur deBwegen gewartet,<br />

weil arn iten Dezember das erste Seidel-sche Museum's<br />

Concert stattf and, wobei ich em Quartett für Oboe, Horn,<br />

Cello ünd Clavier zur gelungenen AuffUhrung brachte, und<br />

selbst die Clavier=Partie spielte. Doch sollen das Nähere<br />

erst die gedr/uckten/ Recensionen bringen, welche diese Tage<br />

erscheinen rnüBen und die ich dann mit Malis HUtchen schicken<br />

werde.<br />

Durch Lisi und Mali's Brief chen habe ich erfahren, daB wir<br />

nun nicht mehr in unserm frUhern Haus wohnen, und daB die<br />

liebe Mutter sich besonders schwer in dern neuen Domizilium<br />

angewöhnt hat, was ich gem glauben will. Im Ubrigen erfuhr<br />

ich durch besagte Briefe, daB Sie sich, Theuerste Eltern!<br />

wohl befinden. Ich kann, Gott sel Dank! auch das Nämliche<br />

von mir sagen. Schüler habe ich genug, so muB ich z.B. an<br />

den Dienstagen und Freitagen Nachmittag's allein 4 Stunden<br />

geben, und diese Stunden nehmen mir die Zeit von 1 - 7 weg,<br />

wo ich müde heimkomrne und dann das GlUck habe, bis 12 Uhr<br />

nachts an meiner Arbeit zu sitzen, wenn ich em opus fördern<br />

will. So mul3te ich in letzter Zeit "Jephtas" urnarbeiten,<br />

Stimmen ausschreiben, Sinfonie schreiben etc. und so bin ich<br />

seit 3 Wochen keine Nacht vor 12 Uhr in's Bett gekommen, und<br />

muBte schon einigemale urn 6 Uhr frUh Rorate spielen.<br />

Doch befinde ich mich immer gesund und wohl, und habe auch<br />

noch für letzten Sonntag em Offertorium geschrieben, welches<br />

in der Theatinerkirche gesungen wurde.<br />

Neine neue Sinfonie und. erwähntes Quartett habe ich vor 14<br />

Tagen Lachner gezeigt, weicher sich äuBerst gUnstig äuBerte.-<br />

Und nun em Weitwunder! Hr. Director Hauser lieB mich letzthin<br />

zu einer Tasse Kaf fee einladen, ohne daB ich mich ihm<br />

seit 3 Jahren nur im Geringsten näherte. Er war sehr freund-


283<br />

lich, und that, als wenn ich sein liebster SchUtzling ware;<br />

doch traue ich ihm nicht. Hierauf wurde noch etwas musicirt,<br />

und dann empfahl ich mich höflichst. Mein Oratorium "Jephta's<br />

Opfer" wird von nächsten Mittwoch an einstudirt werden. -<br />

Letzthin war ich zu einer Soiree bei Maler v. DUrk eingeladen.<br />

Dort wurde eine Arie aus Jephta von einer Frau von Hoffnaal3<br />

(sie lernt auch Harmonielehre bei mir) vorgetragen, und dacapo<br />

verlangt. Auch zwei andere Damen vom Oratorienverein<br />

woliten Generalbassunterricht nehmen, was ich aber ablehnte,<br />

indem ich vorgab, keine Zeit mehr erUbrigen zu können. Von<br />

Hr. Prof. Maier viele GrWe. W. Briem besuchte mich einigemale,<br />

und sagte, er hätte durch semen Vater Grül3e für mich<br />

aus Vaduz bekommen. Er befindet sich wohl, und ist, wie es<br />

scheint, fleifig.<br />

Ich freue mich sehr, bald Nachrichten aus Vaduz zu bekommen,<br />

und verbleibe, indem ich Sie, Theuerste Eltern und Geschwister<br />

herzlichst grUl3e, Ihr dankbarster Sohn und Bruder<br />

Jos. Rheinberger<br />

kgl. Hoforganist.<br />

MUnchen, d. 3.12.57.<br />

NB: Kunt hür der SamiklosVt<br />

An semen Bruder Anton schickt Rheinberger kurz vor Weihnachten<br />

einen knappen Situationsbericht aus MUnchen:<br />

"Lieber Bruder!<br />

Schon lange wUnschte ich Dir zu schreiben, konnte aber nie<br />

so recht Zeit finden, bls'heute, wo ich gerade em halbes<br />

StUndchen frel bin.<br />

Beiliegenden Brief wirst Du dem Mali geben. Was soll ich<br />

Dir nun schreiben? Da13 es heuer em schöner Winter ist? Das<br />

kann ja in Vaduz auch sein.<br />

Mir geht es gut. Ich habe circa 10 Schüler und SchUlerinnen,<br />

von diesen lernen 7 Klavier und die anderen Harmonielehre.<br />

Ich habe schon einige Stunden zurUckgewiesen, well ich für<br />

mich zum componiren doch auch etwas Zeit Ubrig haben mul3.<br />

Das Schliimne mit den Stunden 1st eben, data man mit einer<br />

Stunde mehr als eine Stunde Zeit verliert, weil hier alles<br />

so welt auseinanderwohnt, und es nicht der Mühe werth ist,


284<br />

nur auf em haib Stündchen helm zu iauf en. Ferner soil man<br />

überall propre und nobel erscheinen, wenn man gleich eine<br />

haibe Stund weit im Schmutze dahinzupatschen hat; und da<br />

helfen die GuinmiUberschuhe auch nicht immer. Abends bin ich<br />

fast mimer in einem angesehenen musikalischen Hause zum<br />

Thee eingeiaden, wo dann von 7 - 12 Uhrmusiziretwird.<br />

Auf den Christabend hätte ich zwei Einiadungen, werden aber<br />

beide ausgeschlagen, well ich urn 12 Uhr die Christmette zu<br />

spielen habe. Zum Samiklos hHtte ich von Herzen gerne dem<br />

Nali oder Lisi etwas beigefügt, aber in letzter Zeit habe<br />

ich für Kleider, Stiefel und Holz etwa 40f 1 ausgegeben, und<br />

mu6 so wie so immer 24f 1 alle Nonat an die Perstenfeld's<br />

bezahien, und da kann ich heuer keinen Samikios schicken.<br />

Wie geht es in Vàduz? Was machen unsere theuren Eltern und<br />

Geschwister? Schreib' mir doch einmal darüber, seidem wir<br />

dahämdin sind.<br />

Hast Du viele Arbeit?<br />

Wie geht as dern Peter in Kreuznach?<br />

Und was treibt der David iimnar?<br />

HEtt er öppa d'Strucha , daB i nut vonam höra tua?<br />

GrüBe mir den l/ieben/ Vater und die Mutter herzlichst, es<br />

gehe mir gut, und ich werde ihnen auf's neue Jahr schreiben.<br />

Jez, Bruader! bhUati Gott und schrib bald dim Brüaderle z'<br />

Münka dossa, wo häl3a duat<br />

Jos. Rhibärger<br />

Hof=Organist mit 60f 1 Gehalt<br />

MUnchen den 21.12.57."<br />

Der Dankesbrief am Jahresende lautet:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Neujahr! Nie verflol3 noch diese Zeit, ohne daB Sie mir Ihr<br />

väterliches Walten so recht vor die Augen geführt - nicht,<br />

als ob ich mich nicht täglich mit dankerfülltern Herzen an<br />

Ihre zahllosen Sorgen für mich erinnert hätte - nur ist Neujahr<br />

eben jene Zeit, wo man semen GefUhlen Worte gibt -<br />

diese GefUhle sind: Moge Gott den Besten der Eltern semen<br />

Sagan verleihen, und Sie uns viele - viele Jahre erhalten,<br />

und uns, Ihre Kinder, Ihrer würdig machen. Urn das bitte ich<br />

Gott, und ich hoffe, nicht vergebens.<br />

Das Christkind ist zu mir nun doch gekommen, und zwar am


28.5<br />

Christabend. Es brachte mir in einer grofen Schachtel elnen<br />

ChristBaum und viele Geschenke. Ich erinnerte mich mit Wehmut<br />

an die langen Jahre, weiche verfiossen, seit ich den<br />

Weihnachts=Abend im Kreise meiner theuersten Angehörigen verlebt<br />

und zum letztenxnal in Vaduz die Mette gespielt. Soiche<br />

Zeiten konmien nicht wieder! Die Erfüllung meiner kiihnsten<br />

WUnsche könnten mir diese Freude, die ich damals als Kind<br />

geno8, nicht mehr verschaffen.<br />

Gestern Abend wurde im Oratorienvereinsconcerte mein Oratorium<br />

(od. Cantate) aufgefUhrt. Ich accompagnirte selbst<br />

am Kiavier. Der Beifall war enthusiastisch; ich wurde ordentlich<br />

mit Gratulationen überschUttet - auch von Lachner,<br />

Schafhäutl etc. Vielleicht kommt Näheres gedruckt. Sonst<br />

waren die Feiertage für mich schlimm; denn trotz der heftigsten<br />

Grippe muBte ich den Organisten=Dienst in der Theatinerkirche<br />

versehen. Erst Sonntag Nachmittag konnte ich mich zu<br />

Bett legen, und während Toni (zur Kaffeezeit) semen Brief<br />

(den ich diesen Augenblick erhielt) schrieb, lag ich mit<br />

heftigem Fieber geschUttelt im Bett. Gestern war es welt besser.<br />

Der Oratorienverein schickte mir zum Conzert einen Wagen,<br />

und nun bin ich heute wieder so wohi als wie immer, nur<br />

noch mit Catharr behaftet.<br />

Im Ubrigen geht es mir sehr gut; nur habe ich viel zu thun.<br />

Hr. Pfarrer Wolf inger in TUrkenfeld habe ich vor 14 Tagen<br />

geschrieben. Hr. Pfarrer Wolf inger in Vaduz lasse ich herzlichst<br />

grUt3en. Es htte mich sehr gefreut, wenn er meine<br />

Cantate hätte hören können. Allen meinen Bekannten em gluckliches<br />

Neujahr! Hat Mali meinen Brief und sein HUtchen erhalten?<br />

Toni schreibt auffallenderweise keine Silbe davon.<br />

Ich möchte das doch bald wissen.<br />

Theuerste , Beste Eltern! indem ich meinen einfachen herzlichen<br />

Wunsch nochmals an Sie richte, und für Ihr Wohiergehen<br />

zu Gott flehe, verbleibe ich auf mimer Ihr dankbarster<br />

Sohn<br />

Jos. Rheinberger<br />

Kgl. Hoforganist<br />

MUnchen, an David's Namenstag 1857.<br />

NB: Mali soll bald schreiben. Grü!e an Alle."<br />

Der enthusiastische Beifall für seine Kantate spiegelt sich<br />

nicht in der Presse. Die gedruckten Recensionen positiver


286<br />

Art bleiben aus. Das Regierungsblatt "Neue Münchener Zeitung"<br />

bringt auf dem Titelblatt seiner Nr.4 vom 5.1.1858 über<br />

Rheinbergers Kantate "Jephtas Tochter" eine Kritik, wie sie<br />

nach Form und Inhalt kaum schlimmer denkbar ware:<br />

Concert des Oratorienvereins<br />

5.Januar 1858<br />

MUnchen. Der hiesige Oratorienverein entwickelt unter der<br />

Leitung des Hr. v. Perfall eine Thätigkeit, die auch in weiteren<br />

und den weitesten Kreisen bekannt zu werden verdient.<br />

Derselbe brachte im vorigen Jahre Handel's Israel in Agypten<br />

und dessen zur Feier des Siegs bei Dettingen componirtes<br />

"Te Deum", diese beiden grol3en und erhabenen Denkmäler aus<br />

einer inihrer Art einzigen Kunstepoche, zur AuffUhrung, denen<br />

sich dann noch Allegri's "Miserere", mehrere kleine Tonstiicke<br />

aus dem 16. und 17. Jahrhundert und Mendelssohn's "Elias" anschiossen.<br />

Die die1jEhrige Concertsaison eröffnete der Verein<br />

vor mehreren Wochen mit Mendelssohn's "Paulus" vor einer<br />

ebenso gewählten als dicht gedrängten Zuhörerschaft, und<br />

letztere folgte dem hohen Tonwerk nach seiner ganzen Ausdehnung<br />

mit der innigsten Theilnahme, ob nun der Gesang des<br />

Paulus, wie in der Arie aus A "Gott, sei mir gnädig", in<br />

tiefinnigen und rührenden Weisen ertönte, oder ob der nun<br />

feurige Apostel in fester Zuversicht des Glaubens und in gehobener<br />

seliger Stimmung "Ich danke Dir, Gott, von ganzem<br />

Herzen ewiglich" sang, ob die herrlichen Chorale des Oratoriums<br />

in feierlichem aber gemessenem und ruhigem Gang emherschritten,<br />

oder ob sich die Chore - "zum Preis und zur<br />

Verherrlichung des Herren Zebaoth" - in reicheren und volleren<br />

Accorden und in hehrem und majestätischern Aufbau entfalteten.<br />

Dieser Tage, am 29 Dec., wurde nun das zweite Concert des<br />

Vereins abgehalten. Obwohl dasselbe sein Werk vorbrachte, das<br />

der eigentlichen Tendenz des Oratorienvereins entsprochen<br />

hätte, so erschien dennoch das Programm, das, mit einziger<br />

Ausnahme einer "Cantate" von Jos. Rheinberger, nur kleinere<br />

Compositionen für gemischten Chor enthielt, als em inhaltsvolles<br />

und anziehendes. Während em Weihnachtschoral aus dem<br />

Anfang des 17. Jahrhunderts von W. Prätorius durch seine ebenso<br />

eigenthümliche als kunstvolle und klare Harmonisirung von<br />

grol3er Wirkung sein mu2te, machte sich eine Composition von<br />

Haydn (der Greis) als eine wahrhaft weihevolle Gabe der Muse


287<br />

geltend, und zeigte, wie so viele andere TonstUcke. des Melsters,<br />

daI3 dieser, namentlich auch in kleinerem Rahmen und<br />

mit den unschuldigsten fast harmiosen Mittein so Grof3es und<br />

Herzgewinnendes zu schaffen im Stande war. Zwei Nummern von<br />

Mendelssohn "die Bäume gUnen Uberall" und "Saatengriin, Veilchenduft"<br />

vertraten in vorzUglicher Weise den fein und zart<br />

fUhlenden Autor mit semen innigen und anmuthsvollen Weisen<br />

und den gerundeten und geglätteten Perioden, während das<br />

Herbstlied des Componisten (Text von Lenau) weniger glucklich<br />

und theilweise selbst mühsam erfunden schien, und hiemit<br />

im Zusammenhang nach Au2en an etwas schwerfälliger Bewegung<br />

urid unfertiger Gliederung und Bildung litt. Eine<br />

balladenartige Composition und em harmonisirtes Volkslied<br />

von Julius Maierwiesenmehrere rhythmisch und harmonisch<br />

gitickliche Stellen auf, ohne sich im Ganzen zu der Linie des<br />

Bedeutenderen zu erheben.<br />

Was kann man Ihnen schlie6lich bei dem besten und aufrichtigsten<br />

Willen tiber die "Cantate" "Jephta's Tochter", em Novum<br />

von Jos. Rheinberger, schreiben? Einsender kannte einen Mann,<br />

der bei einer hohen ailgememnen Bildung eine wahrhaft seltene<br />

musikalische besaf3. Da er nun mit letzterer eine sehr gitickliche<br />

Erfindung verband, so wurde gar oft die Frage an ihn<br />

gerichtet, warum er nicht componire. Die Antwort war dann<br />

regelmäBig die Gegenf rage: Warum solite ich componiren, da<br />

uns in so reicher Ftille das Grö$te und Höchste vorliegt, das<br />

selbst von den Besten unserer Zeit nicht einmal annähernderreicht<br />

werden kann, und das obendrein der musikalischen wie<br />

der nichtmusikalischen Welt nur zum allerkleinsten Theile<br />

bekannt wird? Man braucht nun mit dieser fragenden Antwort<br />

keineswegs einverstanden zu sein und kann doch die in derselben<br />

eingeschlossene Wahrheit erkennen. Bel der förmlichen<br />

Componirwuth aber, die jetzt alle Welt bis zu dem letzten<br />

Geiger an der ersten Violine ergriffen hat und immer mehr<br />

ergreift, drängt sich einem unwillkürlich jene treffende<br />

Stelle aus Cicero's Briefen an den Atticus auf, wo jener der<br />

vortrefflichem Werke des Dikäarchos gedenkt, und dann mm unblick<br />

auf die schriftstellerischen Versuche eines gewissen<br />

Herodes sagt: Herodes, si homo esset, eum potius legeret,<br />

quam unam literam scriberet (Zu deutsch: Wenn Herodes anders<br />

Menschenverstand hätte, wUrde er lhn (den Dikäarchos) lieber<br />

lesen, als einen Buchstaben schreiben. Im weitern Verlauf<br />

sagt dann der UnterdrUcker der catillnarischen Verschwörung


288<br />

und der gefeierte "pater patriae", dal3 er eher eine Verschwörung<br />

anzette1n als das Geschreibsel des Herodes zu<br />

Ende lesen wolle.) Nun weil3 Einsender den Componisten von<br />

"Jephta's Tochter" sehr wohi von der Legion der durchaus unfahigen<br />

und unberufenen "Autoren zu unterscheiden, und anerkennt<br />

namentlich den Fleil3 und die rastlose Strebsatukeit,<br />

wodurch sich der junge Mann auf eine theoretische Höhe geschwungen,<br />

der man in unseren Tagen nicht alizu haufig begegnet.<br />

Denn etliche der allerneusten Componisten sind urplotzlich<br />

so "genial" gewOrden, daB dieselben vor purem<br />

Genie gar nichts mehr lernen zu mflssen vermeinen, und einen<br />

ungeheuren Rückschritt und einen vollständigen Barbarismus<br />

in der Kunst des Satzes für Fortschritt auszugeben sich herausnehmen.<br />

Aber das theoretische Bewul3tsein und die äuBere<br />

Kunst reicht noch nicht zur Schöpfung eines Tonwerks aus.<br />

Die Formen, wie kunstvoll sie immer sein mogen, müssen innerlich<br />

belebt werden, wenn sie eben nicht todte Formen bleiben<br />

sollen. Hrn. Rheinberger ist nur eine bescheidene Erfindung<br />

zugemessen, und jedenfalls hat er in einem Vorwurf,<br />

wie ihn der biblische Stoff von Jephta und dessen Tochter<br />

bietet, weit Uber sein Vermögen hinausgegriffen. Von der<br />

inneren GröBe und Weihe, namentlich von der Kraft und Tiefe<br />

der Melodieen, die der Stoff erfordert hätte, findet sich in<br />

der ganzen "Cantate" kaum eine Ader. Vielmehr bewegt sich.<br />

alles in unbedeutenden undunschuldigenPhrasen, und die Begleitung<br />

erscheint dabei fast fortwährend als eine geradezu<br />

unwürdige. Einige Arien, in denen der Componist eine möglichste<br />

Innigkeit anstrebte, schiagen in hohem Grade in das Sentimentale<br />

und SUl3liche über. Sieht man nun aber von der Hauptsache<br />

ab, nämlich davon, daB die productive Kraft Rh. bei<br />

weitem ihres Stoffes nicht mächtig werden konnte, so bemerkt<br />

man noch ferner bei der inhaitlich unzureichenden und theilweise<br />

verfehlten Musik, daB letztere auch in ihrer Art nur<br />

selten zu einer entschiedenen und bestimmten Ausbildung gelangt.<br />

Verwischt und undeutlichinihrer Haltung, lehnt sie<br />

sich denn auch, im.unzertrennlichen Zusammenhange mit ihrer<br />

innern UnselbstRndigkeit, bald an Mendelssohn an, bald versucht<br />

sie wieder auf eigenen Füt3en zu stehen, was ihr doch<br />

gar nicht gelingen will. Es wilrde unschwer sein aus den emzelnen<br />

Nummern der "Cantate" reichliche Beispiele zu dem Gesagten<br />

zu citiren. Wenn darauf gleich wohi verzichtet wird,<br />

so geschieht es nicht aus Furcht vor dem Worte Lessing's


289<br />

"das man (durch nähere Erörterungen) dem Leser oft die schönsten<br />

Stellen, wenn Gott will, sehr deutlich, aber auch tref flich<br />

frostig mache", sondern in der Ueberzeugung, daf3 die<br />

"Cantate" nach ihrer ganzen Beschaffenheit auf eine nähere<br />

Zergliederung keinen Anspruch machen kann."<br />

Diesen "Verri1" sandte Rheinberger nicht nach Vaduz; sein<br />

Kominentar Uber das "Rezensentenpack" zeigt, wie tief er getroffen<br />

1st:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Herzlichen Dank für Ihren' lieben Brief und Weihnachtsgeschenke,<br />

beides Zeugen, daB man an den Pepi auch "dahäm din"<br />

gedenkt. Auch Peter hat mir auf Neujahr geschrieben. Auf<br />

meine an ihn gerichtete Antwort schrieb er mir wieder, daB<br />

ich ihm eine Peizkappe schicken soil. Nun geht scheint's<br />

mein SpeditionsGeschäft wieder an! Es 1st Ihnen, Bester<br />

Vater! aufgefalien, daB der Mllnchner-Correspondent der Alig.<br />

Zeitung in der Recension des Orator.-vereins-Conzertes meine<br />

Cantate, die doch das Hauptwerk des Abends war, gar nicht<br />

erwhnte. Ich stelle mir das ganz einfach so vor: Der Correspondent<br />

(em Hr. Grandauer) kann mich nicht leiden (warum?<br />

weiB ich nicht) und da er nicht wohl über mein opus losziehen<br />

konnte, so hielt er es für besser, ganz darUber hinwegzugehen.<br />

Ubrigens liegt mir an dem Recensentenpack wenig.<br />

Wenn em jUngerer Componist, welcher noch ohne Namen, mit<br />

einem grot3eren Werke vor das Publikum tritt, so meinen diese<br />

Herren, sie dUrf ten sich ihm gegenüber auf's hohe RoB setzen.<br />

Ich habe nichts dagegen, wenn sich diese Herren Kritiker<br />

darin giUckiich fühlen und bin zufrieden über das, was Kenner,<br />

wie Lachner, Schafhäuti, Maier sagen. - Auch hat das<br />

gesamte Auditorium mein Werk mit groBem Beifail aufgenommen,<br />

ob es nun in die Allgemeine Zeitung geschrieben wurde, oder<br />

nicht. -<br />

Sie wUnschen ferners, Theuerster Vater! zu verrechnen, wie<br />

hoch sich mein Einkommen beläuft. Es wird so ungefähr in die<br />

40f 1 per Monat reichen, (inclusive Organisten- und Oratorienveremnsgehait)<br />

denn bestimmen läBt sich das nicht, weil ich<br />

oft in einer Woche 4 - 5 Stunden weniger zu geben habe.<br />

tibrigens sehen Sie daraus, daB ich schon auskomme. Die Hauptausgaben<br />

werden immer für Kieider gemacht, well man jederzeit<br />

propre erscheinen muf3. Mein Christkindl, von dem ich


290<br />

geschrieben, erhielt ich von einer Frau von Hoffnaa8, weiche<br />

die Hauptsolopartie in meiner Cantate gesungen hat, und auch<br />

den Generalbal3 bei mir lernt. Ich hätte noch zwei Darnen des<br />

Oratorienvereins zu Harrnonieschülerinnen bekommen k6nnen, ich<br />

nahm es jedoch nicht an.<br />

Meine Sinfonie werde ichwahrscheinlLchnoch einer Umarbeitung<br />

unterbreiten, bevor ich sie aufftihren lasse, weil sie mir in<br />

ihrer jetzigen Gestalt nicht genugt. Wie Sie, Beste Eltern!<br />

sehen werden, bin ich von früh bis spat rnusikalisch beschäftigt.<br />

Ich freue uiich immer auf die Sonntage, weil ich da Orgel<br />

spielen kann, ohne mir von dem Hof-Chordirector etwas<br />

einreden zu lassen. (Well er etwas rnusikalische Manchetten<br />

von mir hat, kommen wir ganz gut aus.)<br />

Wird meine liebe Vaduzer=Messe nie aufgeftihrt, sowie mein<br />

Choral=Predigt-Lied? Hr. Pfarrer Wolf inger lasse ich schönstens<br />

gril6en.<br />

Daf Sie sich alle in unserer neuen Heirnath auch heimisch<br />

fühlen, hat mich sehr gefreut, besonders, daB sich die theure<br />

Mutter auch darein begab. Auch Peter war, semen Briefen zufolge,<br />

zufrieden. Ich bin, Gott sei Dank! nun wieder kerngesund<br />

und habe die Grippe lEngst wieder angebracht.<br />

Nun, Theuerste Eltern! verschmähen Sie nicht meinen nochmaligen<br />

Dank für Obiges und seien Sie der ewig dankbaren Liebe<br />

versichert<br />

Ihres Sohnes<br />

Josef Rheinberger<br />

MUnchen Lichtrness 1858<br />

NB: Toni, Lisi, Mali schreibe ich in diesern Monat noch ganz<br />

bestimrnt.<br />

Uber semen gewöhnlichen Tageslauf gibt Rheinberger seinem<br />

Bruder Auskunft:<br />

"Lieber Toni!<br />

Ich lebe hier sehr einförrnig; ich will Dir zurn Beispiel nur<br />

den heutigen Tag anführen: Urn 1/2 8 Uhr erst aufgestanden<br />

(well ich gestern erst urn 12 Uhr heimgekomrnen) "z'Morga<br />

gessa", dann Klavier gespielt, dann urn 1/2 9 Uhr in die,<br />

eine 1/2 Stund entfernte, AugustenstraBe gegangen, dort


291<br />

zweien Fratzen von 9 - 11 Uhr Kiavierstund gegeben, dann in<br />

die Karlsstrate, und dort einem 9 jährigen Rangen von 1/2 12<br />

bis 1/2 1 Uhr Kiavierstund gegeben, dann heirn zum Mittag=<br />

essen, dann eine gute Cigarre angezundet und componirt, dann<br />

in die Ottostral3e und von 2 - 3 Uhr einem Fratzen Stund gegeben<br />

(wobei die gnädige Frau Mama urn Nachsicht bat, well<br />

das Fräulein Töchterchen sich nicht ganz wohi ftihle) dann<br />

in die Ludwigsstral3e zur Gräf in Luxburg, wo mit noch zwei<br />

Cräfinnen von 1/2 4 - 1/2 6 Uhr musizirt wurde (wobei ich<br />

nattirlich Alles, was die hohen Damen sangen "magnifique,<br />

superbe, delicieux und ravissant" f and) dann gehe ich in's<br />

Kaffeehaus, lese Zeitungen (auch die Gartenlaube, auf die<br />

sich David abonnirt,) gehe urn 7 Uhr heim, el3e zu Nacht,<br />

schreibe an diesem Briefe und mul3 urn 8 Uhr wieder in solch<br />

em musikalisches Haus wo ich zu einem musikalischen "Thee"<br />

eingeladen bin. Dort wird wieder musicirt, - der Frau vom<br />

Hause bringt man neucomponirteLieder mit, weiche sie der<br />

geladenen Gesellschaft vorsingt, urn 10 Uhr wird "soupirt",<br />

dann wieder rnusicirt, urn 12 Uhr geht man helm, dann schlafe<br />

ich; und so geht es im Winter fast täglich fort. Ubrigens<br />

habe ichdieseAbendeinladungen nicht ungern. Ich konme nur<br />

in vorztigliche Häuser, und man hat rnich da sehr gem. Das<br />

ist langweilig. Doch was soil ich Dir sonst schreiben? Etwa,<br />

daB heuer em herrlicher Winter ist, oder vom Zopfabschneider,<br />

von dem Du in der Allg: Z: gelesenhaben wirst. Dieser Zopfabschneider<br />

ist, wie es sich herausstellte, zur Kaiserin<br />

von östreich gerade so nah verwandt, wie ich zu unserem Lisi!<br />

Unglaublich, aber wahr!!<br />

Nun muB ich für heute schlieBen, well ich, wie gesagt, emgeladen<br />

bin....<br />

Mtinchen den 4.2.58."<br />

Der vorstehende Brief wurde erst rnit dem nachfolgenden Anfang<br />

März nach Vaduz geschickt:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Indein ich den ganzen Monat Februar ohne Nachrichten von Vaduz<br />

war, so hoffe ich, daB Sie, beste Eltern! sich mit alien<br />

lieben Geschwistern im erwUnschten Wohisein befinden. Ich<br />

kann, Gott sel Dank! von mir auch nur das nämiiche berichten.-<br />

Ich lebe linmer in gleicher Thätigkeit fort, und habe mich


292<br />

an das Stundengeben so ziemlich gewohnt; da ich mit dem Frflhjahr<br />

wahrscheinlicherweise auch mehr Mufe bekomme, so werde<br />

ich dann wieder grotere Compositionen vornehmen können.<br />

Letzten Sonntag Abend's als ich zu Hause Klavier spielte,<br />

ging die Thüre auf, und Herr Schmutzer aus Feldkirch überraschte<br />

mich mit seiner Gegenwart. Er hatte nämlich sein<br />

Violoncello, das sich den Hals gebrochen, zum repariren nach<br />

Augsburg gebracht, ging dann nach München herUber, und brachte<br />

zwei Violinen mit, urn sie hier durch Hr. Prof. Schafhäutl<br />

untersuchen zu lassen, von was für einem Instrumentenmacher<br />

sie gefertigt wären.<br />

Hr. Schmutzer hatte eine angefangene Sinfonie mitgebracht,<br />

um sich darüber mit mir zu besprechen. Nontag's und gestern<br />

führte ich ihn in der Stadt herum; auch hatte er Gelegenheit,<br />

em Academie-Concert zu hören, wobei ihn das Hof-Orchestre<br />

so entzückte, dal3 er ganz auf3er sich war. Montag Abend waren<br />

wir bei Oberpollinger, als unvermutheterweise auch Hr. Nagiller<br />

daher karn, und sehr überrascht war, Hr. Schmutzer zu<br />

treffen.<br />

Das Nünchner-Bier schmeckte ihm aber nicht, das in Feldkirch<br />

sei weit besser, beonders im "Ochsen"! -<br />

Getern trennten wir uns wieder, wobei er versprach, Hr.<br />

Briem mit meinen frischen Grü1en nach Vaduz hinaufzuschicken.<br />

Nebst dem jungen Briem ist noch em SchUler Schrnutzer's am<br />

hiesigen Conservatoriurn, nämlich em gewisser "Zürcher" aus<br />

Zug. Das ist alles Neue.<br />

Wie geht es Ihnen, Beste Eltern! in unserer neuen Heirnath?<br />

In weichem Zimmer steht das Klavier? Ich bin schon recht<br />

neugierig auf all' das, und hoffe Sie, beste Eltern und Geschwister,<br />

in diesem Sommer "daheim" umarmen zu können. In<br />

dieserfrohen Erwartung verbleibe ich mit den herzlichsten<br />

Grüssen Ihr dankschuldiger Sohn<br />

Monachium den 4.3.58. Abends 9 TJhr."<br />

Jos. Rheinberger<br />

Hof-Organist<br />

mit 60f 1 Gehalt.<br />

Em Brief an Elisabeth Rheinberger in Vaduz braucht 14 Tage,<br />

urn fertig zu werden:


"Liebe Schwester!<br />

293<br />

Das 3te mal gilt! rneinst Du? Wenn dern so ware, so diirfte<br />

ich erst in dern nächsten Sommer 1859 nach Hause kommen -<br />

das ware das dritte mal. Doch hoffe ich, da auch das 2te<br />

mal gelten darf. Deinen wichtigen VaduzerNeuigkeiten zufolge,<br />

wären alle Vaduzerinnen heirathsiustig, also auch<br />

s' Rentmelsters Lisi. Das ist recht ieicht rnoglich, nur<br />

glaube ich, daB Dir darnit noch nicht gedient ist. -<br />

Ubrigens gebe ich Dir den guten Rath - das bisher geschriebene<br />

den Anderen nicht zum Lesen zu geben, so's duan 's di<br />

no ploga. Gelt! Der Geist, der in unserern ehemaligen Haus<br />

semen Hockus-pockus treibt, ist wahrscheinhich von mir dazu<br />

beauftragt, denn ich kann es nicht verdauen, daB andere<br />

Leute diese alten, gernuthlichen Räurne bewohnen. Ferners<br />

habe ich auch nichts dagegen, wenn der Geist sich durch<br />

einen Capuziner bannen läBt; wenn er nur die jetzigen Bewohner<br />

zuerst hinauswirft, das ist die Hauptsache. DaB das<br />

Mali (gib am a Kösle for ml!) fleiBig Orgel spielt hör' ich<br />

gerne, sowie auch, (laut Peter's l/iebem/ Briefe) daB mein<br />

Predigtgesang noch hie und da daran komrnt. Wenn ich so em<br />

haib Jahr zu Hause ware, wolite ich unsere Kirchenmusikalien<br />

schon ausmisten. DaB unser Hans noch heirathet, hat mich<br />

sehr arnusirt; ich rnöchte doch auch etwas von seiner zärtlichen<br />

Liebe zu der schönen Bergerin (a la Mel3meri) sehen.<br />

Den abermaligen Trauerfall irn Mülier'schen Hause zu Balzers<br />

bedaure ich sehr. Du kannst der Frau Müllerin bei<br />

Gelegenheit mein Beileid bezeugen. Ich habe in diesern Monat<br />

auch einen lieben Bekannten durch den Tod verloren. Das laBt<br />

sich eben nicht ändern.<br />

(Keh'r urn!!!)<br />

1st Herr Vetter in Schaan schon nach Chur Ubergesiedelt und<br />

wer ist jetzt Pfarrer dort? GwöB weder an Romansch?! Heut<br />

1st Sountag, prachtvolles Wetter und vie le<br />

La<br />

nge=<br />

weile. Urn 7 Uhr bin ich aufgestanden, habe Noten geschrieben<br />

bis 1/2 9 Uhr, bin in die Theatinerkirche zum Hi. Geistspielen,<br />

hatte von .10 - 11 Amt,dann ging ichspatzieren, urn 1Uhr<br />

ging ich zurn Essen: urn 1/2 1 rnuf3te ich in eine einhalbe<br />

Stund entfernte StraBe, dort von 1 - 2 Stund geben, "hernach"<br />

ging ich in's Kaffeehaus urn Zeitungen zu lesen, Kafee zu<br />

trinken und 1/2 Dutzend Schachpartien zu spielen. Das Schachspielen<br />

1st meine liebste Unterhaltung, auch wohl die bil-


294<br />

ligste, well es hier nie urn Geld gespielt wird. Urn 4 Uhr<br />

ging ich in den englischen Garten spatzieren, dort war aber<br />

fast die ganze Münchner Noblesse, so da8 man vor lauter<br />

Crinolinen kaurn durchkam. Dann trugen mich meine lieben<br />

FUBe nach Hause, und nun 1/2 7 Uhr Abend sitze ich hier und<br />

schreibe Dir bei of fenem Fenster - nun wird's aber dunkel,<br />

und ich schlieBe rneinen Brief für heute, vielleicht für diese<br />

Woche, denn an den Werktagen habe ich wenig Zeit zu schreiben.<br />

MUnchen den 21.3.58.<br />

den 28.3.58.<br />

Heute, als am Palmsonntag, soeben aus dem Hocharnte kommend,<br />

ergreife ich meine sthlerne Notenfeder, urn an Dich, Geliebteste<br />

Schwester! (zwar keine Noten, sondern) Worte zu<br />

richten. Jetzt läutet es schon 12 Uhr, drum mul3 ich aufhören<br />

und zu essen anfangen, weil ich urn 1 Uhr eine Stunde zu geben<br />

babe. Keine Ruh' bei Tag und Nacht!<br />

30.3.68.<br />

Gestern Abend war Soiree bei Gräf in Luxburg, wobei rnehrere<br />

Gräfinnen (auch eine Fürstinn Taxis) und Grafen das Stabat<br />

mater von Rossini, welches ich mit denselben einstudirte,<br />

aufführten. Unter den Zuhörern war auch Monsignor<br />

Fürst Chigi, der ppstl. Nuntius.<br />

1.4.58.<br />

Was soll ich Dir sonst noch schreiben, was Dich interessiren<br />

könnte? Ich weii3 wirklich nichts!<br />

Ich freue mich sehr, heuer nach Hause konirnen zu können.<br />

Meine schlechte Schrift in Folge meiner kalten steifen Finger,<br />

was durch das Orgelspielen bewirkt wurde.<br />

Da heute der erste April, würde ich Dich gem in'n April<br />

schicken; da aber der Brief zu spat in Deine HHnde koumt,<br />

so wUrde es so nicht rnehr gelten. GrUl3 mir die liebe Mutter<br />

recht herzlich, deren treuer Sohn sich zugleich auch als<br />

Dein Bruder Pepi, Argelist in Mtinka, unterzeichnet.


295<br />

Zurn Osterfest schreibt Rheinberger nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Da ich heute, als am Charfreitage, nicht viel zu thun babe,<br />

so benUtze ich diese Zeit, urn dasjenige, was ich zu benchten<br />

habe, zu Papier zu bringen.<br />

Ihren, und Lisi's Brief habe ich richtig erhaiten; auch Hr.<br />

Perstenfeld den an ihn gerichteten Brief Ubergeben. Wenn<br />

Hr. Perstenfeld Ihnen schrieb, daB ich urn einen 1/2 Schuh<br />

gewachsen, so kann er das nicht verantworten, indem ich<br />

höchstens noch zwei Zoil gewachsen sein kann. Vier solcher<br />

Faden, geben genau meine GröBe, so daB Sie, urn zu sehen, ob<br />

ich gewachsen bin, nur einen 4 mal so langen Faden zu nehmen<br />

brauchen, und damit an der KassathUr gegen die früheren<br />

MaãBevergleichen. (Jaso, wir wohnen ja nicht mehr dort!)<br />

Ich befinde mich ganz wohi, was ich auch von alien lieben<br />

Angehörigen hoffe.<br />

Der David schrieb rnir ietzthin, daB das Vaterland wegen<br />

Trompetenmangels in Gefahr sei. Dern Vaterlande kann geholf<br />

en werden. Das hochfürstliche Arrneekomrnando beliebe sich<br />

an Ottensteiner, Instrumentenmacher in München, Thai No.74<br />

zu wenden. Die zu verlangenden Instrurnente heif3en nicht<br />

Trompeten, sondern Signalhdrner. DieB zur Beruhigung des<br />

Vaterlandes. Auf die, mm von David angetragene Trompetersteiie<br />

in unserer Armee verzichte ich aus dern Grunde, daB<br />

ich mich noch nicht für genUgend musikalisch ttichtig fühle,<br />

urn so em staatsgefhriiches Disperimenturn zu erlernen.<br />

Gestern las ich in der Aiigm. wieder eine Schuiiehrersteile<br />

in Vaduz ausgeschrieben, und zwar mit 700f 1. Wenn das so<br />

fort geht, wird man wohl noch bald einen Kapelimeister für<br />

em etwa zu errichtendes fUrstl. Landeskonservatorium benöthigen.<br />

Doch auch darauf verzichte ich.<br />

Letzthin las ich, daB bis 1.Junius die Eisenbahn Rorschach-<br />

Chur dern Verkehr Ubergeben werde. In dern Falie könnte ich<br />

ja heuer bis Sevelen per Dampf reisen, wenn ich nach Hause<br />

komme, oder nicht? Ich freue mich sehr, Sie, Theuerste Eltern!<br />

in diesern Son-mien sehen zu können! Bis dahin ieben Sie<br />

wohi, und gedenken Sie Ihres dankbarsten Sohnes<br />

Jos. Rheinberger<br />

MUnchen, Charfreitag 58<br />

9 Uhr früh, bei abscheul. Wetter


296<br />

NB: Dem David steigt für semen Brief am Ostermontag Abends<br />

9 Uhr em Glas Salvator, und dem Toni ebenfalls. Dem<br />

Mali schreibe ich das nächste mal, und die Seffa 1af ich<br />

gruBen.t'<br />

Rheinberger plant in diesem Jahr, die Eltern in Vaduz zu<br />

besuchen, und schreibt:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Da ich länger als einen Monat ohne Brief von Vaduz war, so<br />

hoffe ich dennoch, daB Sie alle wohl und gesund sein werden,<br />

wie dieB auch bei mir der Fall 1st.<br />

Neues weiB ich nichts zu berichten, denn die Concert-Saison<br />

ist natürlich mit Ostern geschlossen, und alles Andere berUhrt<br />

mich weniger. Von meinen Schülern geht schon der eine<br />

oder der Andere auf das Land, so daB ich im Sommer hiedurch<br />

eben nicht sehr viel zu thun haben werde. Meine Hauptsorge<br />

1st, elnen passenden Stellvertreter bei der Orgel der Theatinerkirche<br />

ausfindig zu machen, damit ich dann doch wenigstens<br />

auf einige Zeit zu Ihnen, Theuerste Eltern! kommen<br />

kann. Neine Messe, welche früher (im September) in der<br />

Ludwigskirche aufgefUhrt wurde, habe ich nun wieder umgearbeitet<br />

und verbessert, um sie dann auch in der Theatinerkirche<br />

auführen zu lassen.<br />

Der Peter hat mir nicht mehr geschrieben; wahrscheinlich 1st<br />

er wegen derPelzkappe, die,ich ihm nichtgeschickt habe.böse.<br />

Wenn dem so ist, so verzeihe ich ihm grol3müthigst. Wenn er<br />

in Weesen nirgends näher, als von München eine Pelzkappe<br />

bekommen kann, so mUBte es in der Schweiz eine traurige Industrie<br />

geben; ich habe das ganze mehr als Faschingsscherz<br />

betrachtet. Die Pelzkappe requiescat in pace his zum nächsten<br />

Winter.<br />

Seit Ostern war ununterbrochen das herrlichste Wetter bis<br />

zum iten Mai, seit weichem Tag es zu regnen und zu schneien<br />

nicht aufhörte. -<br />

Well Baron v. Perfall den Sommer hindurch fast immer in<br />

Starnberg 1st, werde ich von nächsten Montag an die Proben<br />

des Oratorienvereins zu leiten haben. Da bekomme ich doch<br />

Uwenigstens Ubung in der Direction.<br />

Hat em hohes Nilitärkommando sich die ttvaterlandts=retten<br />

den" Signalhörner bei der von mir angegebenen Adresse bestelit?


297<br />

Wird die Eisenbahn Rorschach-Chur bald eröffnet? Das ware<br />

bequem, wenn man heuer noch bis Sevelen dampfen könnte!<br />

Wie geht es in unserm neuen Hause? Hat der Toni sein Atelier<br />

noch bei der Rhibergari dossa?<br />

Mir geht es immer gut, nur wird mir manchmal das Stundengeben<br />

gar so zuwider, da2 ich das Ende der Stunde kaum erwarten<br />

kann. Besonders die Stunden, die ich gerade zur Hittagszeit<br />

von 11 - 12 Uhr zu geben habe, sind mir am unliebsten.<br />

Ich freue mich sehr, heuer wieder in unsern Familienkreis<br />

zu kommen, und Sie, Theuerste Eltern! wieder zu sehen.<br />

Nach den tibrigen Vaduzern, und besonders unsern jetzigen<br />

Nachbarn habe ich keine groBe Sehnsucht.<br />

Was macht die liebeMutter? Denkt sie auch noch an mich, da<br />

sie mir so lange keinen Gru8 geschickt?<br />

Nun, Meine Theuersten Eltern! Leben Sie wohi! Ich verbleibe<br />

mit herzlichstem Grul3e Ihr dankbarster Sohn<br />

München, den 4.5.58."<br />

Jos. Rheinberger<br />

kgl. b. Hof=Argelist<br />

Uberraschend wendet sich Rheinberger drei Tage spater mit<br />

folgender Bitte an die Eltern:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Da ich zum Behufe einer Bewerbung um die am hiesigen Conse.rvatorium<br />

durch Abgang des Herrn Wtillner erledigten Clavierlehrerstelle<br />

eine Eingabe an das Kgl. b. Ministerium<br />

der Kirchen und Schul=Angelegenheiten zu machen habe, so<br />

rieth mir Hr.Prof. Maier auch das Zeugnis des Hr. Director<br />

Fr. Lachner beizulegen. Da ich aber dasselbe nicht hier habe,<br />

so ersuche ich Sie, Theuerster Vater, es mir mit umgehender<br />

Post zu schicken, indem die Eingabe pressirt. Ob ich<br />

Aussichten zur Erlangung dieser Stelle habe, weil3 ich nicht -<br />

doch haben mich Maier, Leonhard u. Schafhäutl ermuthigt.<br />

Was Hauser dazu sagen wird, weifi ich noch nicht, er ist<br />

gegenwärtig nicht hier. Da ich die Eingabe schreiben mull,<br />

habe ich nicht Zeit mehr zu schreiben und verbleibe in Wiederholung<br />

obiger Bitt Ihr treuester Sohn<br />

J. Rheinberger. Mtinchen d.8.5.58<br />

Tonis Brief habe ich erhalten.


298<br />

Rheinberger bewirbt sich urn die Stelle eines Klavierlehrers<br />

und legt Zeugnisse von Leonhard und Lachner bei:<br />

Hohes Directorium!<br />

Da Herr Musikdirector D i e t r i c h in Bonn die ihrn Ubertragene<br />

Klavierlehrerstelle am kg. Musikconservatorium nicht<br />

angenommen hat, diese Stelle sornit wieder erledigt ist, so<br />

habe ich geglaubt, mich urn dieselbe bewerben zu können. Ich<br />

habe rnein Gesuch unmittelbar beim kg. Ministeriurn eingereicht,<br />

urn, falls die Stelle schon in der a1lernchsten Zukunft besetzt<br />

werden soilte, meine Bewerbung noch innerhalb eines<br />

etagesetztenTermines an das kg. Staats=Ministeriurn gebracht<br />

zu haben.<br />

Indem ich mich verpflichtet erachte, euer Hohen Direction<br />

hiervon Nachricht zu geben, bitte ich Solche, mein Bewerbungsgesuch<br />

Ihres Ortes wohlgeneigtest unterstUtzen zu wollen.<br />

München, den 8.5.58.tt<br />

Euer Hohen Direction<br />

Zeugni1<br />

Ergebenster<br />

Rh/einberger/<br />

Herr Joseph Rheinberger<br />

geb. aus Vaduz<br />

51 .<br />

war vorn Jahre 18 bis Ende des Schuljahres 1854 Zogling<br />

des kgl. Conservaoriums für Musik in München, u. in dieser<br />

Eigenschaft als Schüler des Unterz. Der Genannte hat sich<br />

während dieser Zeit sowohi durch ganz vorzUgl. musikalische<br />

Anlagen, als auch durch semen musterhaf ten Fleif u. untadeligen<br />

Lebenswandel auf's rUhmlichste ausgezeichnet, u.<br />

sich Uberhaupt eine umfassende musikal. Bildung erworben,<br />

sodal3 ihn sein Lehrer als einen Uberaus tüchtigen u. solid<br />

gebildeten Clavierspieler aus der Anstalt entlassen konnte;<br />

nicht nur was mechanische Ausbildung anbelangt, sondern auch<br />

namenti. in Bezug auf geistige Auffassung u. ehrenwerthe<br />

classische Richtung. Nach seinem Austritt aus der Anstalt<br />

istderseI1yehier u. da auch öffentl. sowohi als Componist<br />

als als Pianist aufgetreten, u. hat ihr stets Ehre gemacht.<br />

Der Unterz. hat später öfter Gelegenheit genommen, semen


299<br />

ehemaligen Schiller auch als Lehrer Soichen zu empfehlen, die<br />

einen grUndlichen Clavier-Unterricht suchen u. zu wtirdigen<br />

wissen, u. dabei iminer die Genugthuung gehabt, auch das padagogische<br />

Talent des Gen. vollkornmen anerkannt zu sehen.<br />

Nit gutem Cewissen u. in der Uberzeugung, die Sache ächter<br />

Kunst dadurch zu fördern, erlaubt er sich sonach hierdurch,<br />

Herrn Rheinberger auch allen Denjenigen warm u. dringend zu<br />

empfehlen, in deren Bereich es liegen könnte, Selbigem auch<br />

zu einem ausgebreiteterem Wirkungskreise zu verhelfen, wie<br />

er semen Fahigkeiten u. Leistungen entsprechend dtirfte.<br />

Soiches bezeugt nach bestem Wissen<br />

MUnchen, den 8ten Mai,<br />

1858 J. Emil L e o n h a r d."<br />

Lachners Zeugnis aber war in Vaduz nicht mehr aufzutreiben.<br />

Er steilt em neues Dokument aus. Rheinberger übersendet es<br />

mit folgenden Zeilen am 25.Mai 1858:<br />

"Der allerehrfurchtsvollst Unterzeichnete erlaubt sich nachtraglich<br />

zu seiner aller sub missesten Eingabe v. 9ten d.M.<br />

das angeschlossene ZeugniB des Hr. CMD Lachner vom Heutigen<br />

mit der allerunterthänigstenBitteum Rückgabe dieses wie<br />

der früheren Zeugnisse, vorzulegen":<br />

25. Mai 1858<br />

Z e u gn i 13<br />

Dem Herrn J.Rh. bezeuge ich der Wahrheit gemäl3, daB ich ihn<br />

als ebenso theoretisch wie praktisch durchgebildeten KLinstler<br />

kennen zu lernen vielseitige Gelegenheit gehabt habe,<br />

daB er namentlich als Kiavierspieler Ausgezeichnetes leistet<br />

und im Gebiete der Composition schon mehrere höchst achtungswerthe<br />

Proben von Talent abgelegt, und demzufolge jedweder<br />

Empfehlung und Berücksichtigung aufs Vollständigste wUrdig<br />

bezeichnet zu werden verdient.<br />

MUnchen, den 25. Mai 1858<br />

L.S. Franz Lachner<br />

General-Musik-Direc tor


300<br />

Die Angelegenhelt wird vom Ministerium nicht ellig behandelt.<br />

Rheinberger stelit sich auf eine längere Wartezeit em:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

So angenehm mir Ihr letztes liebes Schreiben gewesen, so<br />

war es mir doch äusserst fatal, daB das bewusste Zeugniss<br />

sich nicht vorgefunden hatte. Da ich dasselbe nie in Handen<br />

hatte, so muB es wohi noch daheim sein.<br />

Weil ich in meiner Eingabe schon bemerkte, daB ich em Zeugniss<br />

des Hr. G.-Director Lachner in wenigen Tagen einsenden<br />

werde, so war ich nun in der unangenehmen Lage, dies dem<br />

Hr. G.-Director Lachner zu sagen und urn em neucs Zeugniss<br />

zu bitten. Ich erhielt dasselbe (eine Abschrift davon beiliegend)<br />

und trug es aufs Ministerium nach. So welt alles<br />

gut. Ob nun Aussichten für mich vorhanden, kann ich Ihnen,<br />

Beste Eltern! nicht sagen - Hr. Prof. Maier glaubt, daB<br />

sich die Sache wegen der nahen Ferien bis aufs nächste Schuljahr<br />

(vom l5ten September an ) hinausschleppen werde, und<br />

so wollen wir denn abwarten, ob etwas daraus wird, oder<br />

nicht. Unterdessen bitte ich natürlich, niemandern etwas davon<br />

sagen zu wollen, da auch hier nur Wenige davon wissen.-<br />

Dem Peter habe ich vor kurzem erst geschrieben, aber noch<br />

nicht Antwort erhalten.<br />

Das 1st nun Alles,Theuerster Vater! was nun von Belang wichtig<br />

genug 1st, Ihnen zu schreiben. Im tibrigen hoffe ich den<br />

Monat August und die Hälfte September wenigstens, bei Ihnen<br />

daheim verbringen zu können, und freue mich herzlichst, alle<br />

unsere Lieben zu sehen.<br />

Der Toni schrieb mir unter Anderm auch von seinem neuen<br />

Freunde, Hr. Urbanegg - wer ist denn der?<br />

Wie geht es der lieben Mutter? Sie schickt mir selten GrüBe -<br />

was sonst nicht die Art der Bündner 1st.<br />

Und was macht die Seffa, von der ich seit 1 1/2 Jahren nichts<br />

mehr gehört? Da 1st der Toni und der David (wenn er z' Strucha<br />

net hat und si Pf if ii guat brennt) und's Mali und Lisi schon<br />

fleiBiger, und geben doch hie und da Lebenszeichen von sich.<br />

Also d'Seffa "Befola z'grüassa", unddazu recht herzlich.<br />

Heuer hatte ich bunte Musterkarte von Schülern, als da sind:<br />

1 Regierungs=Comissar, 1 Lieutenant (v. Baligand), 1 Offiziers-<br />

Frau, 1 schlesische Rittergutsbesitzerstochter, 1 Cooperator<br />

(Namens Schweitzer aus Baden) 1 Graf in (Luxburg). Eine Frau


301<br />

v. Pacher hat mir auf nächsten Winter zurn Unterricht für<br />

ihre Tochter auf tägiich eine Stunde engagiert, wofUr ich<br />

denn doch 15f 1 monatlich veriangen darf. Und wenn ich nun<br />

so viel zu lauf en habe, und zu lauf en haben werde, können<br />

Sie doch unrnögiich veriangen, daIs ich noch wachsen soil!<br />

Gestern habe ich ausgerechnet, daI3 ich seit Herbst 1856 für<br />

Kleider und Stiefei accurat lOOfi bez°ahlte; und doch treibe<br />

Ich hierin keinen Luxus.<br />

Nunwei2ich nichts mehr. Ailes Andere kann man sich mUndilch<br />

weit besser erzählen.<br />

Unsern Hr. Pfarrer in Vaduz iasse ich herziichst grüIen.<br />

Nun ieben Sie, Theuerste Eitern! recht wohi und gesund,<br />

bis es vergönnt ist, Sie zu sehen, Ihrem dankbaren Sohne<br />

München, den letzten Mai 1858."<br />

Jos. Rheinberger.<br />

Seine Ankunft in Vaduz meidet Rheinberger nach Hause:<br />

München, den 18.6.1858<br />

"Theuerster Vater!<br />

Indem ich nun imstande bin, Ihnen den Tag meiner Abreise<br />

von hierrnittheiienzu können, beeile ich mich, es zu thun.<br />

Ich werde nmiich, wenn kein unvermuthetes Hinderniss emtritt,<br />

Donnerstag den 22ten d. früh 5 Uhr rnittelst Elizug<br />

von hier abreisen, urn 1 Uhr in Lindau, 1/2 3 in Rorschach<br />

und urn 4 Uhr in Sevelen sein. David schrieb mir zu meiner<br />

gröBten Freude, daB Sie, Bester Vater! mich wahrscheiniich<br />

ir Rorschach erwarten. Peter schrieb mir heute (Sonntag)<br />

auch, daB er, wenn ich ihm den Tag bestimme, auch nach Rorschach<br />

käme, und den David bereden oder einiaden werde, mitzugehen.<br />

- Das ware herriich! Ich habe Peter heute auch<br />

schon geantwortet. - Das 1st die Hauptsache.<br />

Heute vor 8 Tagen war ich bei Dr. Hauser wegen meiner bewuBten<br />

Angelegenheit. Er war ganz freundlich (wider ailer<br />

Erwartung) und sagte mir, die EntschileBung des Ministeriums<br />

werde (wie ich früher vermuthete) bis Mitte September erfoigen.<br />

Das Nähere mflndiich. Nun habe ich welter nichts zu<br />

berichten, als daB ich mich sehr freue, Sie aiie wieder<br />

sehen zu können, und das, wie Ich hoffe, Im besten Wohisein.<br />

Ich bin, Gott sei Dank, immer wohi und componire fleiBig.<br />

In der Hoffnung eines baidigen Wiedersehens, verbieibe Ich,<br />

Theuerster Vater! Ihr dankbarster Sohn<br />

Josef Rheinberger."


302<br />

Die geplante Abreise von München nach Liechtenstein muI3 verschoben<br />

werden. Rheinberger schreibt:<br />

"Theuerster Vater<br />

Ihren lieben Brief vom 22ten erhielt ich am 24ten Juni, und<br />

beeile mich nun, ihn zu beantworten. Leider kann ich Ihrem<br />

Wunsche, weicher mir immer Gebot 1st, nicht ganz entsprechen,<br />

indem ich nicht vor, sondern erst nach Mitte Juli nach Vaduz<br />

in Ihre Arnie eilen kann. Der Hauptgrund 1st folgender:<br />

Baron v. Perfall ersuchte mich vor 8 Tagen, ihm von seinem<br />

Oratorium ttDornröschent einen Klavierauszug nach der Partitur<br />

zu bearbeiten, und zwar so bald wie möglich. Nun kann ich<br />

damit bei meiner anderweitigen Beschäftigung kaum vor dem<br />

20ten Juli fertig werden. Jedenfalls werde ich aber, wenn es<br />

Gottes Segen will, Sonntag den 25ten Juli in Vaduz sein,<br />

und Ihnen etwa 8 Tage zuvor genau den Tag angeben, wo ich<br />

bel der Eisenbahnstation Sevelen aussteige.<br />

Toni schrieb mir am 2Oten, Peter am 25ten Juni. Peter meinte,<br />

Ich solle mit ihm auf den 25ten Juli nach Zurich zum eidgenöss.<br />

Sängerfest - was aus obigem Grunde leider unmöglich 1st. Ich<br />

werde es ihm heute oder morgen schreiben. Dem Toni Dank für<br />

semen Brief. Noch war as mir nicht mbglich, einen Ersatzmann<br />

für maine Theatiner-sanct-Cajetanshofkirchenorgel zu finden.<br />

In Betreff des Conservatorium's noch keine Entscheidung.<br />

Perfall sagte mir neulich, er sei deshaib zum Minister v.<br />

Zwehl gegangen. Der Minister kenne meinen Namen von der letztvergangenen<br />

Concertsaison noch recht gut. (Doch ist der Minister<br />

v. Zwehl em Freund von Hauser.) Das Nähere dann mUndlich.<br />

Gehe es wie es wolle. -<br />

DaB Sie Alle, Gottlob! recht wohi sind, freut mich ungemein,<br />

sowie, daB ich Sie, Theuerste, Beste Eltern! nach zweijahriger<br />

Abwesenheit wieder sehen werde.<br />

Also unsere Orgel wurde reparirt? Konnte nicht viel schaden.<br />

Im Ubrigen habe ich nicht im Sinne, mich in unsere neu-organisirte<br />

Kirchenmusik zu mischen.<br />

Das Mali soll sich nur fleil3ig auf dem Clavier tiben.<br />

Das UnglUck der Balzner Mtillerin hat mich wirklich ergriffen,<br />

und glaube gerne, daB sie, wie mir Toni geschrieben, bald den<br />

Verstand verloren hätte.<br />

Die liebe Mutter lasse ich vielmals grtiBen, sowie auch alle<br />

lieben Geschwister.


303<br />

Nun, Theuerster Vater! Leben Sie wohi, und erhalten Sie<br />

Ihre Liebe Ihrem dankbarsten Sohne<br />

München, 30.6.58."<br />

Josef Rheinberger.<br />

Ende September 1858 reiste Rheinberger von Vaduz wieder nach<br />

MUnchen.<br />

Die Liechtensteiner Kirchenmusik liegt Rheinberger am Herzen.<br />

Während der Ferien in Vaduz komponiert er eine Vesper<br />

für kleine Landchöre, JWV 104 und eine Hymne ("Tantum ergo"),<br />

JWV 105. Seine Lieder verraten, daB er auf semen Wanderungen<br />

durch die vertrauten heimatlichen Gefilde semen Liebeskummer<br />

aussingt. Auf St. Luziensteig vertont er am 15.9.1858<br />

Lenaus Schilf lied (JWV 103) und auf SchloB Hohenliechtenstein<br />

zwei Tage spHter H.Heines Gedicht: "Ich wandelte unter<br />

den Bäumen mit meinem Gram allein."<br />

Anfang Oktober ist er wieder in München und schreibt dem<br />

Bruder und den Eltern:<br />

"Lieber an Ton!<br />

München, den 2 Oktober 1858<br />

Abends 9 Uhr<br />

Da wir zwei gute, ehrliche, deutsche Michel sind, welche<br />

auch ihr Wort halten, so will ich unsere heurige Correspondenz<br />

mit einem langweiligen Brief e beginnen.<br />

Hr: Vetter Oberförsterloilzschauer und Herr Adjunkt werden<br />

Euch schon gesagt haben, daB ich alles grul3en lasse und mich<br />

wohl im bayrischen Bierdampfnudelvaterland befinde; daB wir<br />

die siebenhundertj ährigeStadtmflnchensgrUndungsjubiläumsfestzugsfeierlichkeiten<br />

mitangesehen; es sind und waren zu dieser<br />

und der Oktoberfestfeierlichkeit elne solche MaBe Menschen<br />

hier, wie sie München noch nie gesehen.<br />

So war es für mich em uBerst angenehmer Contrast, aus dem<br />

todten, langweiligen Vaduz in dieses Menschengewühl so "plötzlich"<br />

("spornstreichs" wUrde Hr: Amtschr. Falk sagen) versetzt<br />

zu werden - doch bin ich jetzt froh, daB die Zahi der<br />

Fremden wieder in Abnahme begriffen ist - well Alles aus dem<br />

alten Geleise war.<br />

Hr: Oberförstervetterloizlschauer wird Dir den R =Stempel


304<br />

bereits gegeben haben - Du kannst ja zum Beweis del3selben<br />

Deinen nächsten, an mich gerichteten Brief damit siegein.<br />

Em Stempel nach Deinem Wunsche in A.R. =Form war leider<br />

nicht zu haben. In den GlUckshafen habe ich letzten Sonntag<br />

6mal (die Hr: Vaduzer waren Zeugen) und gestern 4mal vergeblich<br />

gesetzt. Schoner und Rehster aber gewonnen.<br />

Ich hoffe, da1 Uar, Getrewester Bruader! nur noch in diesem<br />

Weinmonate, (in Nünchen sind alle Monate Biermonate) noch<br />

Nachricht geben werde, wie, oh, alsdann, bsunderbaar und<br />

wunderbar, und wann und wie der Peter in Vaduz eingerucket,<br />

mit seinem riesigen Heerhauf en gar mannlgiich exerciret,<br />

und hernachen wieder von dannnen gefahren - wie Oberbtirgermeister<br />

Marxer gar päpstlich Hochzeit gehalten, und wie<br />

liar Zimmer und Atelier durch den Michel austapeziret worden<br />

1st, und ob Uar Euch wohi befindet.<br />

D1e2 wilnscht zu wissen Uar Liebden trewester Gebrüader und<br />

Citherspielergehilfe<br />

Josefusgabriellsrheinberger<br />

bsun = der = bar!"<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ich hoffe, daI3 Hr. Oberförster und Hr. Adjunct glucklich<br />

nach Vaduz zuruckgekommen und meine herz lichen Grüf3e an Sle<br />

ausgerichtet haben werden; auch, daIs sie Ihnen von unserer<br />

Reise und lustigem Beisammensein in München Bericht erstatteten.<br />

Ich befinde mich, Beste Eltern! wohl und zufrieden. Gestern<br />

habe ich das Schulmeistern wieder aufgenommen und hoffe genug<br />

Schüler zu bekommen. Von meinen Bekannten traf ich hauptsEchlfch<br />

Hr. Leonhard und Hr. Maier an - SchafhEutl 1st gegenwärtig<br />

gar nicht hier. In Bezug meiner Angelegenheit vernahm<br />

Ich, daB - da durch Erhöhung des Unterrichtshonorars die Anzahl<br />

der Conservatoriumseleven sich bedeutend verminderte,<br />

die fragliche Professorenstelle vorerst nicht besetzt würde.<br />

W. Briem äusserté bei seinem letzten Besuche, daB er auch das<br />

voile Honorar von lOOf 1 bezahlen mUsse.<br />

Letzte Tage wurde mir die Stelle elnes Klavierlehrers bel<br />

Fürsten Thurn und Taxis in Regensburg angetragen (auf 2 Jahre,<br />

mit jährlich 600 fl) Hr. Prof. Maler bewog mich, sie abzuiehnen,<br />

well man in Regensburg dem eigentlichen Musikieben<br />

entfremdet würde, well man von diesem Posten jeden Augen-


305<br />

buck entfernt werden könne, und man ailenfalls auf Kieidung<br />

allein die Hälfte dieses Gehaltes verwenden mtisste. Ich<br />

bleibe jedenfalislieber in MUnchen. 1st Peter schon in Vaduz?<br />

Er soil mir bald einmal schrelben.<br />

Ich wohne wieder bel Perstenfeld's, weiche Sie, Theuerste<br />

Eltern grUssen lassen. -<br />

Der Chordirector der Theatinerkirche war mit meinem Orgeivertreter<br />

äul3erst unzufrieden, und war sehr froh, ais ich<br />

wieder karn.<br />

Das ist so ziemlich alies, was ich Ihnen zu berichten habe.<br />

Heute (Sonntag) Nachmittag 2 Uhr beginnt das Oktoberfest<br />

auf der Theresienwiese, und da dasseibe vom herrlichsten<br />

Wetter begUnstigt ist,werde ich, sobaid dieser Brief in<br />

einem Briefkasten liegt, mich dahin verftigen.<br />

Ich hoffe auf einen baldigen Brief von Ihnen. Dem Lisi, Mali<br />

und hauptsächiich David werde ich auch bald schreiben. Indessen<br />

verbieibe ich, Geliebteste Eltern! Ihr dankbarster<br />

S ohn<br />

G.J. Rheinberger<br />

München, 3.Okt.1858."<br />

Rheinberger fühlt sich als Komponist, alle andere musikaiische<br />

BetHtigung dient nur dem Broterwerb. Er schreibt<br />

nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

lndem ich Sie wegen meinem längeren Stillschwelgen urn Verzeihung<br />

bitte, kann ich doch nicht umhin, zu bemerken, da2<br />

nur der Mangel freier Zeit und mittheilenswerther Nachrichten<br />

es war, welcher diel3mai die Absendung meines monatlichen<br />

Briefes urn eine Woche verzögerte; jedoch hoffe ich, dal3 Sie,<br />

Theuerste Eltern, deI3haib urn mich nicht in Sorge gewesen<br />

sein werden, da es ja schon öfter vorkam, da sich meine<br />

Briefe, als die eines langwelligen Briefschreibers urn einige<br />

Tage verspäteten. Mein Leben in diesern Winter 1st wleder<br />

einförmig. Unter Tags gebe ich meinen Schüiern Unterricht<br />

und "Kib" (nur keine Prugel, denn das 1st leider aus der<br />

Mode) und Abends, wenn ich rnüd und abgespannt bin, setz ich<br />

mich zurn Cornponiren nieder, wenn nicht Concerte oder Emladungen<br />

mich daran hindern. So vergeht em Tag wie der andere,<br />

nur irn Nachmittag spiele ich hie und da elne Schach-


306<br />

partie zur Erholung.<br />

Mein stelivertetender Organist (L. Perstenfeld) hatte während<br />

meiner Abwesenheit in der letzteren Zeit aus Mangel an Orgelspiel-Fähigkeiten<br />

auch seinerseits einen Stellvertreter gehabt,<br />

was ich erst durch elne, mir von Letzterem in den<br />

vorigen Tagen zugesandten Rechnung für so und so viel geleistete<br />

Organistendienste erfuhr. So hatte ich demnach das<br />

Vergnügen, zwei Stellvertreter bezahien zu dürf en. Gegenwärtig<br />

1st Allerseelenoctav - da habe ich alle Tage früh<br />

Requiem und Nachmittags Litanei. Die dadurch gestörten Stunden<br />

muI ich natürlich nachholen, und dadurch habe ich so viel<br />

zu thun, da1 ich kaum zum Mittagessen Zeit finde. Dazu schneit<br />

es seit drei Tagen ununterbrochen fort, so daIs der Schnee<br />

zwei Fu1 tief auf der StraIe liegt. Da möchte einem das<br />

Herumlaufen wohi bekonimen. Seit anderthaib Wochen ist es<br />

schon so kalt, data der Preis für em Kiafter Buchenholz auf<br />

18 fi gestiegen 1st.<br />

Neues wei2 ich sonst nichts.<br />

Tonis Brief habe ich vorgestern (Donnerstag) erhalten, und<br />

aus seinem lustigen Tone errathen, daB zu Hause alles gut<br />

stehen muB. Nur auf den Suser ist der Toni schlecht zu sprechen.<br />

Dem David werde ich den nchsten Monat schreiben, und dem<br />

Matscherle auch.<br />

Wie geht es Ihnen, Theuerster Vater? 1st der Winter zu Hause<br />

auch so streng?<br />

Wie geht es mit der Vaduzer Real=Schule?<br />

Unterdessen verbielbe ich mit vielen 1000 GrüBen an die liebe<br />

Mutter und Alle, Theuerster Vater! Ihr dankbarster Sohn<br />

München, 6.11.58.<br />

Abends 10 Uhr."<br />

G.J. Rheinberger.<br />

Die Korrespondenz unter den Geschwistern ist em mühsames<br />

Geschäft:<br />

"Liebes Lisi!<br />

Da wir verabredet haben, einander hie und da zu schreiben,<br />

Du aber alien Anschein nach zu faul bist, den Anfang zu<br />

machen, so bin ich genöthigt, unsere beabsichtigte Correspondenzzubeginnen.<br />

Zur Strafe dafür (für diese Deine Nach-


307<br />

läl3igkeit) schreibe ich Dir einen so langweiligen Brief,<br />

data Dir auf der 2ten Seite gewi2 schon schlecht, oder wenigstens<br />

"blöd" geworden sein wird. Ich habe zwei wichtige<br />

Grtinde, Dir heute zu schreiben.<br />

I. Weit ich nichts, und<br />

II WeiI3 ich erst recht gar nichts.<br />

Diese zwei GrUnde mit der nämlichen Zahl multiplicirt, gibt<br />

viermal Nichts, und das ist gewit3 genug. Ich halte mich<br />

demnach für entschuldigt, wenn ich nichts zu schreiben habe.<br />

Nun handelt es sich davon, ob Du mir nichts zu schreiben<br />

habest - auch dafUr sprechen zwei Gründe.<br />

I. WeiI3t Du Etwas, und<br />

II.Weif3t Du ganz gewiB Etwas.<br />

Ich aber bin geniigsam - daher auch zufrieden, wenn nur das<br />

Zweite der Fall ist: Das heil3t: Notabene, wenn Du mir nur<br />

ganz gewil3t Etwas Neues schreibst. (Umblttern!)<br />

(Ganz gewif3 hast Du jetzt umgeblättert!)<br />

1st Dir noch nicht schlecht oder "blöd"? Ha?<br />

Ich habe mit meinen Schülern wieder zu schulmeistern angefangen,<br />

und habe wieder viel zu thun, nachdem ich in den<br />

ersten 8 Tagen in München gefaulenzt babe, urn den September<br />

nach vaduzerisch zu beschliel3en. Im Ubrigen bin ich wieder<br />

froh, hier zu sein. Vom 1-bis ilten October war herrlich<br />

warmes Sommerwetter, deBwegen ging ich fast taglich Abends<br />

auf die Oktoberfestwiese, urn mir das dortige Volksleben anzusehen,<br />

und noch einige Male im Freien die Mal3krllgeln zu<br />

kUssen. Da dies bier so im Gebrauch ist, rnu8 man halt auch<br />

iitmachen. un GlUckshafen hab' ich heuer nichts gewonnen -<br />

was mir sehr leid that.<br />

Mein Chorregent in der Theatinerhofkirche war sehr froh,<br />

als ich wieder karn, denn der mich stellvertretende Aeugle<br />

babe gar nichts k6nnen, so ungefähr wie Hr. Hinger in Vaduz.<br />

Beschreibe mir doch, Liebe Schwester! in Deinem nächsten<br />

Brief e die Feierlichkeiten bei BUrgermeister Marxer's Hochzeit.<br />

Du kannst ibm sagen, da8 ich ihrn herzlich gratuliren<br />

lasse. Wie geht es der lieben Mutter? Ich lasse sie herzlich<br />

grUt3en.<br />

Singst Du noch hie und da mit dem Matscherle meine heurigen<br />

Lieder? Oder habt Ihr sie schon vergessen?<br />

Genug für heute! (Mtinchen den 12.Okt.58.)<br />

Seitdem ich vorigeé geschrieben, hat mich der Peter mit<br />

einem Briefchen erfreut; da dasselbe vom Schlo8 Hohenliechten-


308<br />

stein datirt 1st, so schliel3e ich, daB unter seinem Commando<br />

die Militair-Manoevres der fürstlich Liechtensteinischen<br />

Truppen (behufs der Bundesinspection) aufgefuhrt wurden.<br />

Isternoch in Vaduz?<br />

DaB Toni so lange mit einem Briefe zurückhalten wUrde, hätte<br />

ich nicht gedacht. Das Wetter im October 1st hier so mild,<br />

daB ich heute am 20ten noch Abends 1/2 11 Uhr bei off enem<br />

Fenster schreibe. Wahrscheinlich geht gerade in Vaduz der<br />

"Pföhän"; (dieses Wort wird gerade so ausgesprochen, wie<br />

der Pfarrer schneuzt.) -<br />

Der Oratorienverein hat nun auch wieder angefangen, - Uberhaupts<br />

babe ich viel zu thun. - Schreibe nur bald, unterdessen<br />

verbleibe ich mit 1000000 GrUBen Dein Dich liebender<br />

Bruder<br />

G.J. Rheinberger.<br />

20. 10 . 58.<br />

Uber die Aufführung der Fiesco - OuvertUre im Privat-Musik-<br />

Verein berichten die Münchner Neuesten Nachrichten vom<br />

30.11.1858:<br />

ItDas am Montag den 22.ds. im Saale "Zur Goldenen Ente" unter<br />

Direktion des Hrn. Hofmusikus Carl Hieber veranstaltete<br />

grosse Concert, weiches äusserst zahireich besucht war, bot<br />

wiederum mehrere Kunstgenüsse dar. Vor allem ist der "Emzug<br />

auf der Wartburg" aus der Oper "Tannhäuser" von R.Wagner<br />

hervorzuheben. Viele Mitglieder der k. Hofkapelle, sowie<br />

mehrere Mitwirkende des Musik-Vereins trugen diese ansprechende,<br />

aber usserst schwierige Composition meisterhaft vor.<br />

Ebenso executierten dieselben die beiden Ouvertüren, erstere<br />

zu "Fiesko" von Jos. Rheinberger und letztere zur "Hermannschlacht"<br />

von Chelard, mit grösster Präzision. Der gerechte<br />

Applaus hierauf war em ausserordentlicher.<br />

Im nachfolgenden Brief findet sich der erste Hinweis auf die<br />

Anregung zu Rheinberger's Oper "Die sieben Raben", die er<br />

erst drei Jahre späteraufgriff:<br />

"Lieber David!<br />

Damit unser, ohnehin sehr flau betriebene Briefwechsel bei<br />

der herrschenden Kälte nicht gänzlich eingefriert, entschlol3


309<br />

ich mich ganz resolut, den Anfang zu machen, und Euer Hochwohigeboren<br />

mit einem geschriebenen Schreibebrief von<br />

meiner Hand zu beglUcken.<br />

Zu schreiben weil3 ich eigentlich gar nichts. Ich könnte Dir<br />

em Mehreres von der Kunstausstellung erzählen - Du hast<br />

aber ohne Zweifel die Kritiken der Allg.Z. darUber gelesen,<br />

weiche dartiber besser urtheilen konnten. Ich kann Dir nur<br />

sagen, daB ich lebhaft wtinschte, Dich in jenen herriichen<br />

Räumen einfUhren zu ktinnen. Vor Allem aber gefiel mir<br />

Schwind's Rabenmährchen am Besten, dann Lessing's Hussitenpredigt.<br />

Doch Kessler wird Dir davon genugsam erzählt haben. Letzthin<br />

(13 d.M.) erhielt ich einen unerwarteten Besuch. Abends,<br />

(es war schon ziemlich finster) als ich nach Hause kain,<br />

stand em Herr in melnem Zimmer und schaute mich immer an<br />

ohne em Wort zu sagen. Ich fragte, mit wem ich die Ehre<br />

hätte, zusanunen zu treffen, keine Antwort - ich sah ihn<br />

näher an und rief: "Herr Schraml" - er war's!!<br />

Es freute ihn ungemein, daB ich ihn sogleich gekannt - mein<br />

Erstaunen kannst Du Dir vorstellen! Er karn von Hermannstadt<br />

(wo er gegenwErtig als Finanz-Secretair mit 1200f 1 functioflirt,)<br />

mit seiner Frau, und Kindern nach Innsbruck, wo letztere<br />

den Winter hindurch bei seinem Schwiegervater (einem Hr.<br />

Ritter von Gruber) verbleiben werden - traf in Innsbruck<br />

Hr.Nagiiler, und erfuhr durch denselben, daB ich in München<br />

sei, worauf er allein nach Mtinchen kam urn mich zu besuchen.<br />

Die Marie ist auch in Innsbruck. Sie 1st Hr.Schraml's (auch<br />

seiner Frau) eigenes Kind, und nicht das seiner Schwester,<br />

wie er in Feldkirch vorgab. Seine Mutter 1st bel ihm in<br />

Hermannstadt, kam aber nicht mit nach Innsbruck herauf.<br />

Aul3er der Marie hat er noch 3 Kinder. Seine Schwester (Karoline)<br />

ist in Pesth verheirathet, soil aber sehr unglücklich<br />

sein. Ich war natürlich nicht so indiscret "Warum" zu<br />

fragen. Hr.Schraml blieb 1 1/2 Tage hier und ging dann über<br />

Wtirzburg, Dresden, nach Hermannstadt zurUck. DaB er Euch<br />

alle Millionenmal grU2en lEl3t, versteht sich von seibst.<br />

Das sind meine Neuigkeiten. Em Andermal mehr!<br />

Du könntest mir wohl schreiben, welchen Eindruck der Tod<br />

unseres FUrsten Alols in Liechtenstein wach geruf en, und<br />

weiche Hoffnungen man von unserm jetzigen Ftirsten Johann<br />

sich macht. Wie befindet sich unsere junge Realschule? Was<br />

treibt Ihr Alle miteinander? Dem Peter hab' ich eine prHchtige<br />

Kochlerjoppe geschickt. Wagus 1st nach Ungarn.


310<br />

(Jetzt bin ich schläfrig! Es ist 1/211.Uhr Nachts) Morgen<br />

Sonntag früh 6 Uhr habe ich Rorate, rnu also früh aufstehen.<br />

Nun Lebewohl! Es grül3t Dich l000mal Dein Bruder<br />

G.J. Rheinberger<br />

27.11.58 (Abgesendet den 5.12.58.)<br />

München."<br />

Uber den erwEhnten Besuch Schramls', den Rheinberger seit<br />

seiner Feldkirchner Studienzeit kannte, berichtet er auch<br />

den Eltern:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Das Wichtigste, was ich Ihnen in diesern Nonat rnitzutheilen<br />

habe, ist, dal3 mich Herr Schraml besuchte. Das war unerwartet!<br />

Hr. Schraml ist gegenwärtig Finanz-Secretair mit 1200f 1<br />

Gehalt in Hermannstadt. Er kam mit seiner Familie (Frau und<br />

4 Kinder) nach Innsbruck, urn selbe dort bei seinem Schwiegervater<br />

überwintern zu lassen. Seine alte Mutter blieb in<br />

Herrnannstadt. Von der Marie erzählte er, daB sie sein eigenes<br />

Kind, nicht das seiner Schwester, (welche sich in Pesth sehr<br />

unglücklich verheirathete) sei. In Innsbruck traf er Hr.<br />

Nagiller, von welchem er erfuhr, daB ich mich seit Jahren<br />

in Nünchen aufhielte - da kam er auf Besuch herüber. Er<br />

schickt an Sie, Beste Eltern! viele 1000 GrüBe, und laBt<br />

Ihnen sagen, daB es ihn freuen würde, von Ihnen em Schreiben<br />

zu erhalten. Seine Adresse: Hr. W. Schraml, k.k. Finanz-<br />

Secretair in Herniannstadt, Siebenbürgen. Er blieb 1 1/2<br />

Tage hier und fuhr dann Uber Würzburg, Dresden etc. nach<br />

Hause.<br />

Peter's Kochier-Joppe hat in Weesen so gefallen, daB ich<br />

schon Bestellungen für drei Weitere bekam.<br />

Toni's, Lisi's und Matscherli's Briefe habe ich erhalten,<br />

und werde sie bei Gelegenheit beantworten. Inzwischen sollen<br />

sie mit den herzlichsten Grül3en vorlieb nehmen.<br />

Nachträglich habe ichnoch zu bitten, einen GruB von Hr.<br />

Schraml an Hr. Schmutzer gelangen zu lassen, obschon er mir<br />

keinen aufgetragen. -<br />

Ich habe mit Stunden so viel zu thun, daB mir kaum mehr die<br />

Abende zum componiren bleiben. Doch liel3 ich vor etwa 8


311<br />

Tagen im Privatmusikverein eine Ouverture aufftihren. Welchen<br />

Eindruck hat der Tod des Ftirsten Alois in Liechtenstein<br />

gemacht? Ich ware sehr begierig etwas dartiber zu vernehmen.<br />

Hr. Pfarrer Wolf inger meinen GruB. Wie geht es Ihnen, Beste<br />

Eltern! - Sie befinden sich doch immer wohl? Mir geht es<br />

gut - obschon ich lieber componiren als Stunden geben wUrde.<br />

Nun leben Sie wohl, und erfreuen Sie bald mit einem Briefe<br />

Ihren dankbaren Sohn<br />

G.J. Rheinberger.<br />

Mtinchen, den 4.12.58.<br />

Abend 9 Uhr."<br />

FUr das Jahr 1858 finden sich in den Briefen Rheinbergers<br />

wenig Hinweise auf Konzerte, die er besucht hat.<br />

1858 war das Festjahr des 700-jEhrigen Bestehens der Stadt<br />

Mtinchen mit zahlreichen grossen Veranstaltungen, auch musikalischer<br />

Art. So f and im MHrz 1858 die ErstauffUhrung von<br />

Richard Wagners Oper "Lohengrin" statt und erregte beim<br />

Publikum die lebhafteste Anteilnahme. Anfang Oktober wurde<br />

im Rahmen des Festprogranim Mozarts grosse "Jupiter-Schlacht"<br />

(oder "Zeus-Sinfonie") gespielt und f and ebenfalls em lautes<br />

Echo in der zeitgenössischen Berichterstattung.<br />

Das Schweizerische SEngerfest In Zurich am 25.Juli 1858<br />

brachte Rheinbergers Lehrer und Gdnner Franz Lachner einen<br />

grossen Triumph. Sein "Schlachtchor", dessen Text aus der<br />

Klopstock'schen Tragödie "Die Hermannschlacht" entnommen<br />

ist, brachte eine grosse Wirkung hervor; der ganze Festbau<br />

zitterte unter dem Beifall der Tausenden.<br />

Alle diese musikalischen Ereignisse, die in der Münchener<br />

Presse auf das breiteste behandelt wurden, fanden keinen<br />

Widerhall bei Rheinberger, wenigstens nicht in semen Briefen.<br />

Am Jahresende schreibt er nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Gerne hEtte ich auf Neujahr geschrieben, aber meine, mir<br />

immer knapper zugemessene Zeit lieB es mir nicht zu. -<br />

Trotzdem sich mein Gltickwunsch etwas verspEtet, wtinsche ich<br />

Ihnen herzlichst und innigst Alles Gute, was em treuer<br />

Sohn semen theuren Eltern nur wiinschen kann - damit Gott<br />

befohien! David schrieb mir in seinein letzten Briefe wenig<br />

von Ihnen, nicht einmal GrtiBe, was mich besonders von der


312<br />

lieben Mutter wunderte, indem "Befohia z'grUatza" eben<br />

Bündner-Gebrauch ist. Ich hoffe aber nichtsdestoweniger,<br />

daI3 Sie sich, Theuerste Eltern! immer wohi befinden werden,<br />

wie es bei mir Gottlob der Fall ist. Leider habe ich so viel<br />

zu thun, dal3 ich kaum mehr mich etwas ausarbeiten kann. So<br />

z.B. babe ich Norgen (Nontag) 8 Stunden zu geben und dann<br />

noch 7 - 9 lJhr Abends Oratorienverein. So geht es fast immer<br />

fort. -<br />

Dem Peter babe ich schon 4 Kochlerjoppen geschickt, und nun<br />

bekam ich wieder einen Brief von einem mir unbekannten<br />

Weesener-Ingenieur mit Bestellung für 6 Stuck Kochlerjoppen.<br />

Das nimmt gar kein Ende.<br />

Das Christkindl hat mir heuer werthvolle Musikalien gebracht,<br />

aber nicht von Vaduz; das Münchner Christkindl ist also doch<br />

das fleil3igere. -<br />

Dem David diene zu wissen, daB em Globus von 2' Durchmesser<br />

auf etwa 20f 1 zu stehen kommt; in einer hiesigen Buchhandlung<br />

sah ich mir einen sehr schönen Globus von ungefähr<br />

1 1/2' Durchmesser an, dessen Preis auf 12f 1 käme. Seit vorgestern<br />

gebe ich auch bei Graf Arco-Zinneberg Unterricht;<br />

weil diese Stunde gut bezahit wird, habe ich im Sinn, dafUr<br />

zwei andere Schüler zu entlassen. Doch ware mir jetzt eine<br />

sichere, wenn auch pecuniEr unbedeutendere Stellung weit<br />

lieber, als das ewige Schulmeistern, weiches einem das Leben<br />

verleiden könnte, denn es thut mir in derSeeleweh, wenn ich<br />

meine beste Zeit und KrEfte für andere verwenden muB und<br />

immer erst müde und mil3muthig mich zu ineinen eigenen Arbeiten<br />

hinsetzen kann. Genug hievon!<br />

Dem Lisi lasse ich sagen, daB ich am Sylvester-Abend eingeladenwar,<br />

und Nachts punkt 12 Uhr flott getanzt babe, (das<br />

erstenial, seitdem ich bier bin.) -<br />

Perstenfeld's lassen Alle grüBen. Mit meinen Einnahmen steigen<br />

meine Ausgaben auch fortwährend; so muBte ich in letztem<br />

Monat allein 40f 1 für Kleider ausgeben. Dem Mali babe ich<br />

für Weihnachten Musikalien gekauft, f and aber noch nicht die<br />

Zeit, sie zu versenden.<br />

Der Winter ist heuer nicht sehr streng. Es schneit fast nie,<br />

aber regnet desto häufiger.<br />

Hat Hr. Doctor SchafhEutl für mich em Zeugniss geschrieben?<br />

Nun weil3 ich nichts mehr zu schreiben. Indem ich Ihnen, Ge-liebte<br />

Eltern! nochmals alles Glück und Himmeissegen für<br />

das neue Jahr 1859 wilnsche, verbleibe ich wie immer Ihr


313<br />

dankbarster Sohn<br />

G.J. Rheinberger.<br />

Mtinchen, 2.1.59.<br />

P.S. Haben Sie an Hr. Schraml schon geschrieben."<br />

Zu Fasching schreibt Rheinberger nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ihr letztes Schreiben vom Februar hat mich umsomehr gefreut,<br />

als dadurch em längeres Stillschweigen von meinen lieben<br />

Angehörigen In Vaduz unterbrochen wurde.<br />

Sie fragen mich, warum ich nichts von den Hr. Schafhäutl<br />

und Maier schreibe. Einfach dewegen, well ich nichts im<br />

Besonderen mitzutheilen habe; ich stehe mit beiden auf dem<br />

nämlich guten Fu2e, wie früher, nur erlaubt meinekurzzugemessene<br />

Zeit nicht mehr, sie so oft als früher zu besuchen.<br />

Hr. Maier hat mir erst gestern einen Gru3 an Sie aufgetragen.<br />

Hr. Pf. Wolf inger von Türkenfeld kommt nie nach Mtinchen,<br />

und, daf3 ich auf nur elnen Tag von hier fort könnte, daran<br />

ist nicht zu denken; daher koxnmt es, daf3 ich ihn so lange<br />

nicht mehr gesehen. Das Letzte, was ich von ihm gehört, war<br />

em Grul3, den er mir geschickt. Da ich ihin jedoch unlängst<br />

geschrieben, hoffe ich auch auf eine baldige Antwort von<br />

ihm zu vernehmen. Wenn mich irgend em Vorwurf ungerecht<br />

trifft, so 1st das der, da3 ich mich irgendwie undankbar<br />

gegen ihn benehme, das dUrf en Sie mir, Theuerste Eltern!<br />

glauben. Anbel Mall's Musikallen. Der Toni soll ihm das<br />

"Pianoforte-Album" schön einbinden, wenn er nämlich gerade<br />

bei schönem Wetter (guter Laune) 1st. -<br />

Dem Hr. Lehrer Hinger lege ich das Versprochene bei, und<br />

mache es dem Kirchenmusikchore zuin PrEsent. -<br />

Mir geht es gut, nur habe ich das Stundengeben bald satt -<br />

habe auch öfter an Kopfweh zu leiden.<br />

Nun habe ich mir auch einen Frack für 20f 1 angeschafft,<br />

und zwar elnen, da2 David gewit3 tauschen möchte.<br />

Wann kommt unser FUrst nach Liechtenstein zur Huldigung?<br />

Da wird sich der David mit selnem neuen Frack nicht wenig<br />

brUsten! Wird Peter Oberlieutenant werden? Er hat mir auf<br />

meinen letzten Brief noch nicht geantwortet. Wird er mich<br />

nach seinem Versprechen im FrUhjahr hier besuchen? Haben


314<br />

Sie, Bester Vater! Hr. Schraml geschrieben? Er hat sich ja<br />

so sehr nach Ihnen erkundigt.<br />

Nun wird es dunkel und da es zum Licht anzünden noch zu frUh,<br />

und ich auch nichts mehr weiB, so schliel3e ich mit der Versicherung<br />

für mimer zu verbleiben Ihr dankbarster Sohn<br />

G.J. Rheinberger.<br />

MUnchen, Faschingsdienstag 1859.<br />

NB. No.1. Wagus treibt sich wieder hier herum, ich habe ihn<br />

jedoch noch nicht gesehen.<br />

NB.No.II.Grüsse an gar Alle !!!<br />

Einen launigen Brief richtet er an seine Schwester:<br />

Sonntag den 3 Abrill 1859<br />

Nachmittags 2 Uhr<br />

"Liebes Lisi!<br />

Tein ledster Priff hatt mUch der kefreit<br />

Nun pin üch auch thier dsu schreipen pereut.<br />

Fil lustike Sachen hascht Thu keschripen (z.B., dal3 Uch fom<br />

Millidär pin vrei keblieben,) ihr Allee seiet kesunt, sammt<br />

RoB, Kuh und Ochs, Katz und Hunt.<br />

Auch mihr gets nicht schlacht; so lang Uch hap Gelt, mUr in<br />

Minchen ser wool eB ke ld. Schwarzeugichde SchUl'rinnen<br />

winschdescht Thu mir solche hap Uch kenug alihier.<br />

Wenn ther Tavid all tiese wUrth sehen, stellte er sich wool<br />

auv die Zehen. Doch da er im Faduz 1st keblibben, hadd er<br />

nUcht Glegenheid sich zu ferlibben;so mus er nun Junkgeselle<br />

bleiben und inn der Gantzlei fiel Tintten verschreupen.<br />

Juche!. Ju-Ju, Juche!<br />

Jetz geh ich in's Kaffe -<br />

haus.<br />

VUr hut weif3 Uch nichds tsu schreiben meer,<br />

Auch Ust das TinddenvaB schon leeeer.<br />

den 8.4.59.<br />

Gestern Abend kam zufällig Dr. Hauser zu mir; der sagte,<br />

ich solle kalte Umschläge Uber meinen wehen Fu13 machen. Das<br />

hab ich auch gethan, und heute ist es besser. Em "bsundriga"<br />

Doktor!<br />

Wagus hat mich letzthin besucht; er hat mir zwei Stunden<br />

lang von seinem Aufenthalt in Ungarn vorschwadronirt.


315<br />

Er hat hier nun eine zeitweilige Anstellung gefunden, d.h.<br />

wenn er nicht lugt.<br />

Neues weiB ich nichts, was Dich nur einigermaf3en intressirte.<br />

Sonst etwas lal3t sich imrner besser plauschen als schreiben.<br />

Dem Mali werd' ich doch bald schreiben, das heif3t, wenn ich<br />

genug Zeit finde, einen "schpassigen" Brief zu schreiben.<br />

Für heuer werde ich wahrscheinlich nicht nach Hause komnien<br />

können. Schreibt mir dafUr mm Sommer desto flei6iger, ich<br />

werde dann auch flei1iger schreiben.<br />

Dem David und Anton bin ich, glaube ich, auch noch Briefe<br />

schuldig.<br />

Jetzt mu8 ich essen, und nach dem Essen in's "Gschäft" -<br />

desshalb Adie' od. adieux oder Addie, oder Sesseledada.<br />

Dein Dir die ErfUllung aller Wünsche wUnschender Bruder<br />

G.J. Rheinberger<br />

München den 8 ApRiLe<br />

1000, 800 und 8 und 50."<br />

Der Monatsbrief für April lautet:<br />

"Theuerster Vater!<br />

Die letzten Brief e von Vaduz (von Lisi und Mali) haben mich<br />

sehr gefreut, besonders durch die Nachricht meiner Befreiung<br />

vofa Militär. Auch war ich sehr froh zu vernehmen, daB dieselbe<br />

unter den Bauern zu keinem miBgtinstigen Geschwätz<br />

veranlaBte, wie es sonst bei solchen Gelgenheiten bei uns<br />

zu Hause der Fall 1st.<br />

Hr. Pfarrer Wolf inger von Türkenfeld läBt Alle, besonders<br />

aber Sie, Bester Vater! herzlichst grUl3en. Er besuchte mich<br />

Mittwoch den 16. März und hat mich am Anfange, (wahrscheinlich<br />

wegen meinem grandiosen Schnurr- und Backenbarte) kaum<br />

erkannt. Er erzählte mir viel von semen, seit 2 Jahren<br />

durchgemachten, schweren Krankheiten, und daB er Sehnsucht<br />

habe, seine alten Tage im Liechtensteinischen zu verleben.<br />

Nur seine Verwandten in Baizers schrecken ihn davon ab.<br />

Ubrigens macht er noch gem SpaB, und 1st wieder so lustig,<br />

als je. Den Peter und Hr. Pf. Wolfinger läf3t er hauptsächlich<br />

grüBen.<br />

den 5.4.59.<br />

Gestern (Montag) erhielt Ich von Peter einen Brief, woraus<br />

ich ersah, daB er wahrscheinlich nach Vaduz und nicht nach


316<br />

Chur tibersiedelt; was Ihnen, Bester Vater! welt lieber zu<br />

sein scheint.<br />

den 7.4.59.<br />

Heute endlich werde ich den längst angefangenen Brief fertig<br />

schreiben können, indem ich Hausarrest habe. Mein linker<br />

Fu13 schmerzt mich so, dal3 ich gar nicht ausgehen kann. Seit<br />

Jahren wohi das erstemal, dai3 ich einen ganzen Tag nicht<br />

ausgehe. Doch nichts Schlechtes ohne Gutes: nun habe ich<br />

doch einmal einen vollen Tag zum ruhigen Componiren.<br />

Verleger Peters in Leipzig hat em Heft Clavierstticke von<br />

meiner Composition zum Drucke angenonunen; wir wollen sehen,<br />

wie lang er dazu braucht, urn es erscheinen zu lassen.<br />

Lu nchsten Oratorienvereinsconcert wird em 6stiinmiger<br />

Chor von mir gesungen werden.<br />

Sonst weig ich nichts Neues.<br />

Hier ist das Frllhjahr wunderschön, gewi bei uns auch.<br />

Wann kommt der junge Fürst nach Liechtenstein? Hört man gar<br />

nichts von ihm. Die Huldigung muB mir dann der David in einem<br />

6 Ellen langen Briefe beschreiben; auch das Gepränge und die<br />

Gewänder: vom Durchlauchtigsten Rocke an bis zu Davids Frackschöl3en<br />

herunter. Ferners auch die Anrede stenografiren,<br />

welche der Triesnerberger Gemeindevorstand an seine Durchlaucht<br />

halten wird.<br />

Wie geht es der lieben Mutter? Von ihr höre ich gar nichts<br />

rnehr. Befolazgrütza! Indem ich hoffe, dal mein Brief Sie,<br />

Beste Eltern! in erwünschtem Wohlsein treffe, verbleibe ich<br />

wie iinmer Ihr dankschuldiger Sohn<br />

G.J. Rheinberger.<br />

München, 7.4.59."<br />

Endlich, nach fast einjhriger Wartezeit, erhält Rheinberger<br />

die Nachricht über die Entscheidung des Ministeriums:<br />

"Das<br />

DIRECTORAT<br />

des<br />

Kbniglich Bayerischen Conservatoriuxns<br />

für<br />

MIJS 1K


317<br />

eröffnet dem Musiklehrer Herrn Joseph Rheinberger dahier,<br />

daI3 ihm durch höchste Entschlie2ung des konigl. Staatsministeriums<br />

des Innern für Kirchen- und Schul-Angelegenheiten<br />

vom heutigen Tage N: 3035 die durch den Austritt<br />

des bisherigen Klavierlehrers Emil LEONHARD im k. Conservatorium<br />

für Musik erledigte Klavierlehrer-Stelle in widerruflicher<br />

Weise vom 1.Mai l.Js. anfangend mit der Verpflichtung<br />

übertragen wurde 15 Lehrstunden wöchentlich zu ertheilen.<br />

Der dem Institutslehrer Herrn Joseph RHEINBERGER hierfür<br />

auf die Dauer der Function bewilligte Gehalt betragt jährlich<br />

DREIH<strong>UND</strong>ERT GULDEN und ist vom 1. Mai l.J. an bei der<br />

diesseitigen Kasse in monatlichen Raten zu beziehen.<br />

Indem Herrn RHEINBERGER gegenwärtige Ausfertigung zu seiner<br />

Legitimation zugeht, wird demselben zugleich em Exemplar<br />

der Statuten für die Schüler des Conservatoriums und em<br />

Exemplar der Dienstes-Instruction für die Lehrer dieses<br />

Institutes mit dem Beiftigen behndigt, daf3 er sich zu seiner<br />

Verpflichtung und Dienstes-Elnweisung am<br />

Montag den 2. Mai 1. Js.<br />

Nachmittags 1 Uhr<br />

im Instituts-Lokale einzufinden habe.<br />

München, den 30.April 1859<br />

Der konigl. Director:<br />

Fran Hauser"<br />

Nit berechtigtem Stolz sendet er diese Nachricht nach Hause:<br />

"Theuerste Eltern!<br />

Ich habe Ihnen diefmal wie gewöhnlich nur wenig mitzutheilen,<br />

jedoch 1st diel3 wenige etwas werth. Es macht mir<br />

Freude, Ihnen mittheilen zu können, da ich Sonntag den<br />

iten Mai zum Professor am Conservatoriurn für Musik ernannt<br />

wurde. Ich wurde zu meiner groBen Genugtuung von Hrn. Director<br />

Hauser beim Kgl. Ministerium des Innern vorgeschlagen!<br />

Hr. Hauser lud mich durch einen sehr freundschaftl. Brief<br />

vor 3 Wochen em, Abends zu ihm zum Tee zu kommen. Dort<br />

sagte er mir im Vertrauen, daf3 (da die Stelle eines Clavierprofessors<br />

am Conservatorium erledigt sei,) er mich zur<br />

selben vorschlagen wolle, wenn ich sie noch annehme - worauf


318<br />

ich natürlich einging.<br />

Heut früh wurde ich zur Eidesleistung gerufen, erhielt das<br />

Decret als Professor mit 300f 1 Gehait und begann schon die<br />

Unterrichtsstunden zu geben.<br />

Morgen früh reist Hr. Hauser, wie er mir heute frtih sagte,<br />

nach Karisbad. (Wenn er wieder mit Hr. Griss von Feldkirch<br />

zusammentrifft, kann er ihm sagen "daB doch etwas daraus<br />

geworden ist!") Ich habe im Conservatorium täglich 2 1/2<br />

Stunden zu.geben, (von 1/2 11 bis 1 Uhr.) gröBtentheils<br />

Frauenzimmern.<br />

Dieses Alles in grösster Eiie, Sie, Theuerste Eltern! befinden<br />

sich hoffentlich wohi?<br />

1st Peter in Weesen oder in Vaduz? Mir geht es, wie gesagt,<br />

gut. Im Mai soil ich dem Toni und David noch schreiben,<br />

weiche ich indessen grüf3en lasse, sowie alle Bekannte.<br />

Indem ich von Ihnen, Bester Vater! bald einen Brief erwarte,<br />

verbleibe ich Ihr dankbarster Sohn<br />

Nünchen, 2.Mai 1859."<br />

G.J. Rheinberger, Professor<br />

am kgl. Conservatorium f.M.<br />

Der Bruder David erhält einen Situationsbericht:<br />

"Lieber David!<br />

Letzten Freitag erhielt ich Deinen, und Tags darauf Vater's<br />

Brief; für beide meinen Dank. Wie sehr mich Peters Avancement<br />

gefreut, kannst Du Dir denken; ich laB ihm herzlichst<br />

gratuliren. Er soil mir doch vor seinem Ausmarsch noch<br />

schreiben, und zwar recht ausführlich. z.B. über seine Reise<br />

nach Bonn (zum alten Arndt.) und unsern jungen Fürsten,<br />

welcher sich bisher ganz vernUnftig gezeigt, nun sollte er<br />

(d.j. Fürst) auch Dir bald em Portefeuille Ubergeben, etwa<br />

das der Politik, - oder doch wenigstens einen Gesandtschaftsposten,<br />

z.B. in Lissabon oder New-York; wann kommt er zur<br />

Huldigung nach Liechtenstein?<br />

Hier wird so viel politisirt und geschimpft und gelärmt,<br />

den ganzen Tag, in alien Classen, in Wirthshaus und Privathaus,<br />

von Kammern, König, Regierung, Minister, Napoleon<br />

und Garibaldi, daB ich sowas nicht einem Brief anvertrauen<br />

würde. - - -


319<br />

Hier sagt man, dal3 der Liechtenstein'sche Contingent nach<br />

London käme.<br />

In meine neue Stellung finde ich mich ganz gut; ich gebe<br />

im Conservatorium in dem nimlichen Zimmer Unterricht, In<br />

weichem ich vor 5 Jahren KlavierunterrIcht empfing; denn<br />

ich kam an Leonhard's Stelle. (Leonhard hatte in Folge<br />

eines Auftritts mit Hauser seine Entlassung genommen.) Wer<br />

komint nun als Lieutenant an Peters Stelle? Wahrscheinlich<br />

em Fremder?<br />

Was sagt man in Liechtenstein vom Krieg und der bevorstehenden<br />

Ausrückung? Wird von Seiten der Bauern recht geschimpft?<br />

Hier herrscht ungemeiner Patriotismus; - wenn Napoleon<br />

auf bayrisch-rheinländerische "Sentiments" ref lektirte, so<br />

ht er sich gewaltig verrechnet. Du soiltest nur so eine<br />

patriotische Demonstration etwa im Theater sehen; wie auch<br />

geringe deutsch-patrIotische Stellen eine zündende Wirkung<br />

wachrufen. -<br />

1st Peter zufrieden mit seinem neuen Wirkungskreis als Oberlieutenant?<br />

Die l/ieben/ Eltern werden. groBe Freude darUber<br />

äul3ern. Mali, Lisi und Toni sollen mir auch bald schreiben. -<br />

Es 1st gegenwärtIg wirklich eine Kunst, einen Brief zu<br />

schreiben, in weichem die Grenze des politIschen Gebiets<br />

nicht verletzt wird, indem man, wo man nur geht und steht<br />

und sitzt und schwitzt den Krieg verhandein hört. Unter<br />

meinen hiesigen Bekannten hat die Conscription wie eine<br />

zweite Cholera gehaust, indem fast Alles zum Militair muf.<br />

Einstandsmänner für Cürassiere kosten schon 3000,3500f 1!<br />

Hanfstängl muf3te auch einen Mann für 2000f1 stellen.<br />

"0 weiches ClUck em Liechtensteiner zu sein!" Wie Viele<br />

haben mich hier heuer darum beneidet. - Das nimmt sich<br />

sonderbar aus. Die hiesigen Besltzer von österreichischem<br />

Papier kennt man jetz alle sogleich auf der Stral3e, indem<br />

alle so aussehen:<br />

Wenn Hr. Onkel Carigiet Bischof von Chur wird, bitte ich es,<br />

mir zu schreiben.<br />

Ich lasse Vater, Mutter, Seffa, Peter, Toni, Lisi und Mali<br />

grUssen, vor Allen aber Dich, denn Du bist noch der fleil3igste<br />

Correspondent Deines Dich amanten frater's<br />

MUnchen 9.5.59. G.J. Rheinberger<br />

Abend 6 Uhr Professor am kgl. Musik-Cons.<br />

NB. Die Professoren am Conservatorium sind kgl. Lehrer, die<br />

sich aber Professoren schimpfen lassen dUrfen (Hätt'es bald<br />

vergessen, Pardon!)


ANMERKUNGEN<br />

Die Anmerkungen sind nach Seitenzahlen (S.) und<br />

Schriftzeilen (Z.) geordnet. Wiederholungen im<br />

Text bleiben in der Regel unberücksichtigt.


323<br />

S.2/Z.41: Ohnehosen = Sansculotten<br />

S.3/Z.27: Der Landvogt (später Landesverweser) war als<br />

Stellvertreter des regierenden Fürsten oberster<br />

Beamter des Fürstentums. Franz Xaver Menzinger<br />

(1740-1809) übernahm das Amt in Vaduz 1790 und<br />

versah es bis 1808. "Michi" = Johann Michael<br />

(l;792-1877), Sohn des Obigen, war von 1833 -<br />

1861 ebenfalls Landvogt in Vaduz.<br />

S.3/Z.37: Dr. Grass = Der "Chirurge" Christoph Grass<br />

(nicht "Dr. ") war Bader und un Nebenamt Strass<br />

ena ufseh er.<br />

S.4/Z..1: Weibel = Dorfpolizist<br />

S.4/Z.37: Onkel Dionys Kissling, Hofkaplan in Schaan<br />

S.5/Z.28: Türkenbrod = Brot aus rheintaler Mais (=Türken)<br />

S.6/Z.3: St.Luzilehen = Besitzungen des Klosters St.Luzi<br />

in Chur.<br />

Z.22: Wassergucker = Quacksalber<br />

Fideris Ortschaft im Prättigau (Graubünden)<br />

Sargans = Ortschaft im Kanton St. Gallen<br />

S.7/Z.4l: Mali = Ainalia (Schwester Josef Rheinbergers)<br />

S. 8/Z.11: Aeulethier = Spuk in Gestalt eines schwarzen<br />

Hundes. Aeule = damals noch unverbauter Ortsteil<br />

von Vaduz. (Die Sage ist heute nicht mehr<br />

bekannt.)<br />

S.10/Z.29:Bischof Kaspar von Carl = Kaspar Carl ab Hohenbalken,<br />

Bischof von Chur von 1844-1859.<br />

S.11/Z.5: Landvogt Schuppler = Joseph Schuppler ( ? - 1833)<br />

Landvogt in Vaduz von 1808 - 1827. Wegen seines<br />

autoritären Regierungsstils machte sich Schuppler<br />

viele Feinde un Lande.<br />

S.12/Z.2: ... fl RW = Gulden Reichswährung<br />

S.l3/Z.42 f.: Bischof Buol = Karl Rudolf Buol. von Schauenstein,<br />

Bischof von Chur von 1793-1 833.<br />

S.l3/Z.11:Lichtzness = 2. Februar<br />

S.l3/Z.20:Landvogt Pokorny = Peter Pokorny, Landvogt in<br />

Vaduz von 1827-1833.<br />

S.13/Z.35:Orikel Carigiet = Jakob Anton Carigiet, Pfarrer<br />

in Schaan, 1832 Kar]onikus und Landesvikar. Unter<br />

ihni wurde Vaduz kirchlich von Schaan getrennt


324<br />

und eine Kuratie mit pfarrlichen Rechten. 1852<br />

wurde er in das Residentialkapitel nach Chur<br />

berufen, wo er 1880 als Domdekan starb.<br />

S.14/Z.27: (das Datum nicht bekannt) = 15. Juni 1829 (laut<br />

Liber Matrimoniorum Schaan 1829)<br />

S.14/Z.38: Soldatenspielen = Als Mitglied des Deutschen<br />

Bundes hatte Liechtenstein em Kontingent von<br />

55 Soldaten zu stellen. Bei der Aushebung wurden<br />

die Rekruten ausgelost.<br />

S.18/Z.24: Unsere Lisa sel. = Elisabeth, Schwester Josefs.<br />

Z.29: Fürst Alois = Fürst Alois II. von Liechtenstein<br />

(1 796-1 858), der wie seine Vorfahren in Wien<br />

residierte, besuchte als erster Landesherr<br />

mehrmals sein Fürstentum.<br />

S.20/Z.8: Mali = Christina Anialia<br />

S.24/Z.7f: Constitution = Seine erste konstitutionelle<br />

Staatsverfassung erhielt Liechtenstein 1862.<br />

S.25/Z.37: David Rheinberger = Bruder des Komponisten.<br />

Z.40: Bad Kreuth = Ferienort des Ehepaares Josef<br />

und Fanny Rheinberger.<br />

S.26/Z.36: Johanna = Schwester des Komponisten und später<br />

als Barmherzige Schwester Maxentia Generaloberin<br />

ihres Ordens im Kloster Zams (Tirol).<br />

S.26/Z.40: Schullehrer von Schaan = Sebastian Pöhly (auch<br />

.Pöhli) (1808-1889) aus Schlanders/Südtirol,<br />

vgl. S. 28 if.<br />

S.27/Z.40: Feldkirch = Städtchen in Vorarlberg mit damals<br />

ca. 1600 Einwohnern., Die Strecke, die Rheinberg'er<br />

zurückzulegen hatte, betrug etwa 15 km.<br />

S.29/Z.42: aufstehender Flügel = Stehflügel der Firma<br />

Leschen, k.k. Hof-Fortepiano-Verfertiger in Wien.<br />

(Das Instrument ist heute Eigentum der Stiftung<br />

Rheinberger in Vaduz,,)<br />

S.30/Z.3: Toni = Anton, Bruder des Komponisten<br />

S.32/Z.6: Seffele = Josefa<br />

Z.33: Bischof von Chur = Kaspar Carl ab Hohenbalken<br />

(vgl. S.l0/Z.29). Das Fürstentum Liechtenstein<br />

ist seit jeher Bestandteil des Bistums Chur.<br />

S.34/Z.22: kurzen Füssen = kurzen Beinen (mundartlich)


325<br />

S.34/Z.30: . ..grosse Vokalmesse = "Messe von Martin Vogt"<br />

(oder Voigt). Der Generalbass ( = Orgeistimine)<br />

wurde von J.Rh. ausgesetzt und von seinem Bruder<br />

Anton mit Bleistift ins Reine geschrieben.<br />

(Ms.: "Gezeichnet (sic) von Anton Rheinberger")<br />

Die Singstimmen sind vermutlich von Sebastian<br />

Pöhly geschrieben. (Partitur und Stimmen im<br />

Josef Rheinberger-Archiv Vaduz.)<br />

Z.32: Josefi-Fest = 19. März<br />

S.37/Z.28: Schnupftücher = Taschentücher<br />

S. 38/Z. 7: Silvesterbüchlein = "Die wahrhaftige Geschichte<br />

vom deutschen Michel und semen Schwestern...<br />

durch sechs Bilder von M.Disteli erläutert"<br />

Zurich und Winterthur 1843. Schmähschrift auf<br />

den Deutschen Bund. Zweites Bud: Austria trägt<br />

ihre Schwester Vaduzchen auf den Händen...<br />

Z.37: Chorregenten = Philipp (Max) Schmutzer (1819-<br />

1867), Chorregent und Musikdirektor in Feldkirch,<br />

Lehrer Josef Rheinbergers.<br />

5.40/Z.40: Schram(m)el = Kameralbeamter Schrammel von Feldkirch,<br />

Amateur-Geiger, entdeckte anlässlich<br />

eines Konzertes in Vaduz die musikalische Begabung<br />

des jungen Rheinberger und veranlasste<br />

semen Studienaufenthalt in Feldkirch.<br />

S.41/Z.21: Adlerwirt = Das alte Gasthaus zum Adler ist heute<br />

Liechtensteinisches Landesmuseum in Vaduz.<br />

S.42/Z.6: Cäcilientag = Sonntag nach Cäcilia (22. November)<br />

S.48/Z.17: Uebersaxen = Ortschaft oberhalb Rankweil (bei<br />

Feldkirch)<br />

S.49/Z.28: Altenstadt = Vorort von Feldkirch (heute eingemeindet)<br />

S.51/Z.2l: Schloss Vaduz = Seit der Herrschaft der Fürsten<br />

von Liechtenstein (1712) war das Schloss nicht<br />

mehr Wohnsitz der Landesherren. Es diente als<br />

Amtssitz verschiedener Beamter, Kaserne und<br />

bis 1896 als Gastwirtschaft. Fälschlich wurde<br />

es auch "Hohen -Liechtenstein" genannt.<br />

S.52/Z.l7: Nagiller Matthäus Nagiller (1815-1874), Tiroler<br />

Komponist.


326<br />

S.52/Z.34: Ludwig Thuille = Ludwig Thuille (1861-1907),<br />

Schüler von Rheinberger in München, ab 1883<br />

Kiavier- und Theorielehrer an der kgl. Musikschule<br />

(neben Rh.) in München.<br />

S.53/z.2: Schutzpockenimpfung = Als erster Staat führte<br />

Liechtenstein im Jahre 1812 den "Impfzwang<br />

zur Bekämpfung der schwarzen Blattern" ( = Pokken)<br />

em.<br />

Z.6: Franz Hauser = Franz Hauser (1794-1870) geschätzter<br />

Bassbariton, ab 1846 Direktor des<br />

(Ha user 'schen) Konservatoriums in München. H.<br />

besass eine bedeutende Samrnlung von Handschriften<br />

J.S.Bachs und war Vorstandsmitglied der<br />

ersten Bach-Gesell schaft.<br />

Z.36: Fürstenstrasse = heute Rheinberger-Strasse<br />

Z.38: Moritz Hauptmann = Moritz Hauptmann (1792-1868)<br />

Geiger und Komponist, seit 1842 Thomaskantor<br />

und Theorielehrer in Leipzig<br />

S.54/Z.21: Julius Josef Maier = Julius Josef Maier (1821-<br />

1889) Schüler M.Hauptmanns, ab 1850 Lehrer für<br />

Kontrapunkt in München, 1857-87 Konservator der<br />

Musikabteilung der Hof- und Staatsbibliothek<br />

in München.<br />

S.57/Z.12: Professor Schafhäutl = Dr.phil.Dr.med.Karl<br />

Franz Emil von Schafhäutl (1803-1890), Geologe,<br />

Physiker und Musikwissenschaftler, Professor<br />

der Geognodie, Bergbau- und Hüttenkunde an der<br />

Universität München (vgl. u.a. Art. "Schafhäutl"<br />

in MGG XI, Sp. 1542). Der vielseitige Gelehrte<br />

wurde für Rh. 's Entwicklung von grösster Bedeutung.<br />

(s. auch S. 111ff.)<br />

S.58/Z.21: Theobald Böhm = Theobald Böhm (1794-1881), Flötist,<br />

Mitglied der Hofkape1le in München, verbesserte<br />

sein Instrument ("Böhrn-Flöte").<br />

S. 59/Z. 17: Professor Herzog = Johann Georg Herzog (1822-<br />

1909) Organist und Orgellehrer in München, ab<br />

1854 Dir. des Instituts für evangelische Kirchenmusik<br />

an der Universität Erlangen. Das<br />

Mat des Thomaskantors lehnte er 1868 aus gesundheitlichen<br />

Gründen ab. Seit 1888 wieder in<br />

München.


32 7<br />

S.60/Z.8: Emil Leonhard = (Julius) Emil Leonhard (1810-<br />

1883) seit 1852 Professor des Klavierspiels<br />

in Ilünchen, ab 1859 in gleicher Eigenschaft<br />

am Konservatorium in Dresden. Trat auch als<br />

Komponist an die Oeffentlichkeit.<br />

S.63/Z.15: Der junge Paganini = kleines Missverständnis<br />

von Pfarrer Wolfinger.<br />

S.66/Z.l: nichts von Frankfurt gekommen = Rheinberger<br />

hatte sich urn em Stipendium der Mozartstiftung<br />

in Frankfurt beworben (vgl. S. 8lf.)<br />

S.71/Z.20: H.Baron von Perfall = Karl von Perfall (1824-<br />

1907). Gründete 1854 den Oratorienverein in<br />

München, seit 1864 Hofrnusikintendant. Schrieb<br />

Opern, Chorwerke, Lieder u.a.m.<br />

Z.33: Bavaria = Im Auftrag Ludwigs I. hatte Ludwig<br />

Schwanthaler 1850 für die Theresienwiese em<br />

Monumentalstandbild der Bavaria entworfen.<br />

Die Statue wurde von Ferdinand von Miller in<br />

Erz gegossen.<br />

S. 73/Z.lOf: Kommt nun der Pdhly wirklich nach Schaan? =<br />

Rh. erkundigt sich, ob die provisorische Anstellung<br />

Pöhlys als Hilfslehrer nun durch einen<br />

festen Anstellungsvertrag ersetzt werde,<br />

was jedoch nicht der Fall war. (vg'l. auch<br />

S. 76/Z.33)<br />

S.75/Z.27: Balzers = südlichste Gemeinde des Fürstentums<br />

Liechtenstein, Heimatgemeinde Pfarrer Wolf inger<br />

5.<br />

S.101/Z.37: "Die Stumme von Portici" = Oper von Daniel<br />

François Esprit Aubert<br />

Z.38: "Guido" = "Guido und Ginevra", Oper von Jacques<br />

Elie Fromental Halévy<br />

S.103/Z.23: Eschen = Gemeinde im liechtensteiner Unterland<br />

Z.25: verrnehrung der Grenzzollwacht = Es scheint sich<br />

hier urn em Missverstándnis Rheinbergers zu<br />

handein. Vermutlich ging es urn die Massnalinen<br />

zur Ratifizierung des am 5.6.1852 abgeschlossenen<br />

Zollvetrages zwischen Liechtenstein und<br />

Qest erreich.<br />

S.105/Z.8: ...für 'VADUZ' bèdanken = Perstenfeld wünschte<br />

em Bud von Vaduz (vgl. Brief vom 9.2.1853),


328<br />

das ibm nun von Anton Rh. angefertigt worden<br />

war.<br />

S.105/Z.28: op.I = Rh. beginnt hier die Zählung seiner<br />

Jugendwerke (mit römischen Zif fern), die er<br />

später annulliert.<br />

S.107/Z.20: einem Professor der Universität = Professor<br />

Schafhäutl.<br />

S.108/Z. 19: Abbé Vogler Abt Georg Joseph Vogler (1749-<br />

1814), Organist, Theoretiker und Komponist.<br />

Schafhäutl schrieb eine Biographie Voglers,<br />

die 1888 in Augsburg erschien (Reprint: 1979<br />

Hildesheim + New York).<br />

S.11l/Z.39: Sonderbüncller = Der "Sonderbund" war em Zusammenschluss<br />

der katholischen Kan tone der<br />

Schweiz. Im sog. Sonderbundskrieg vom 4. -<br />

23. November 1847 zerschlugen die unter dem<br />

Kommando von General Guillaume-Henri Dufour<br />

stehenden Truppen der übrigen Kantone die<br />

katholische Allianz.<br />

S.112/Z.5: Generalmusikdirektor Lachner = Franz Lachner<br />

(1803-1890), Komponist, Schüler von K.Ett.<br />

Er war 1822-1834 Organist in Wien, wo er mit<br />

Franz Schubert befreundet wurde. Bis 1836<br />

wirkte er als Kapelimeister in Mannheim,<br />

dann war er Hofkapellmeister und Generalmusikdirektor<br />

in München, bis er sich 1868 pensionieren<br />

hess.<br />

S.117/Z.25: Biographie Mozarts von Oulibicheff = "Mozart's<br />

Leben nebst einer Uebersicht der allgemeinen<br />

Geschichte der Musik und einer Analyse der<br />

Hauptwerke Mozart 's von Alexander Oulibicheff.<br />

Für deutsche Leser bearbeitet von A. Schraishuon."<br />

Stuttgart 1847 (3 Bände).<br />

S.123/Z.l8: Quintett Quintett (Drei Damen, Tamino, Papageno)<br />

Nr. 11 (nach heutiger Zählung Nr. 12)<br />

aus der "Zauberflöte". Ouhibicheff, Band 3,<br />

S. 398ff.<br />

S.l26/Z.30: General Hess = Die beiden Fürstentümer Hohenzohlern<br />

und Liechtenstein formieften zusammen<br />

em Bataillon, um ihrer Bundespflicht<br />

nachzukomme,n. Liechtenstein stellte dazu


329<br />

einen Scharfschützenzug. Der offizielle Titel<br />

lautete: "Hohenzollern-Liechtenstein'<br />

sches ieichtes Batailion." Die Inspektion<br />

der Truppenteile erfolgte durch hohe Offiziere<br />

des Deutschen Bundes.<br />

S.128/Z.40: Filet enabdrücke = Filete: :Stempel der Buchbinder<br />

mit bogenförmiger Prägeflache zurn<br />

Aufdrucken von Goldverzierungen.<br />

S.129/Z.37: Maxentzili = Diminutiv von Maxentia (Kiostername<br />

von Johanna, der Schwester Rh's.)<br />

S.133/2.12f: schnelie Kathrina (mundartiich) = Diarrhoe,<br />

iangsame Kathrina = Verstopfung.<br />

S. 134/Z. 8: die 'hen mer gschrneckt' = die haben mir gut<br />

gemundet (Mundart)<br />

S.135/Z.18: die Rorate = gesungene Frührnesse in der Advent<br />

szeit (nach dem Introitus "Rorate coeli<br />

desuper...")<br />

S.137/Z.38: furs Orgelziehn = der Blasbaig der Orgel musste<br />

durch Anziehen von Stricken in Tätigkeit<br />

gesetzt werden.<br />

S.l38/z if: A gläckseligs neus Jahr, i komrn an Krüzer öbr,<br />

i bi a Vadozner = Em glückseliges neues Jahr,<br />

nun erhaite ich einen Kreuzer, denn ich bin em<br />

Vaduzer (Mundart). Rh. spielt auf den Brauch<br />

an, dass in seiner Heimat die Kinder beim<br />

Neujahrwünschen em Geldstück erhalten.<br />

S.l39/Z.18: Herr Jauch = H. Jauch war Pfarrer von Balzers<br />

urn die Zeit von 1853-1863. Einer Ueberlieferung<br />

gemäss gait er lange Zeit ais Verfasser<br />

der liechtensteinischen Landeshymne.<br />

2.23: vulgo Miihlenhaus = sog. Hausnamen waren in<br />

Liechtenstein lange zur Unterscheidung von<br />

Personen im Gebrauch.<br />

Z.30: aymol = einmal (mundartlich)<br />

S.i42/Z.27: Residenz = Vaduz<br />

S.145/Z.i4: Schlinge = gestrickte Halsbinde<br />

Z.30f: Kuchein, 'Nidia' und Fackelschwingen... =<br />

Küchlein, Rabin und Fackeischwingen gehören<br />

zwn Brauchtwn des Winteraustreibens in Liechtenstein.<br />

Der 1. Faste.nsonntag (Sonntag "Invocabit"<br />

ist der "Kuchlesonntag".)


330<br />

S.146/Z.7: 'Matscherle' = im Hause Rheinberger verwendete<br />

Koseform für Arnalia (Mali).<br />

S.148/Z.30: 'Schnalana' = 'Schnalla', mundartlich derb<br />

für em exaltiertes Frauenzimmer<br />

S.149/Z.lf: Phüat na Gott und schriban bald Eurenem liaba<br />

Bruadar Bebi = Behüte Euch Gott und schreibt<br />

bald Euerrn lieben Bruder Pepi. (Mundart)<br />

Z.18: Landesverweser Menzinger = Johann Michael<br />

Menzinger (s. Anm. S. 3/Z. 27)<br />

S.151/Z.14: Herr von Schwind = Moritz von Schwind<br />

(1804 -1871)<br />

Z.17: Fürst August = Prinz August Ignaz von Liechtenstein<br />

(1810-1884). J.J.Maier irrte sich,<br />

die Nachfolge ging an Johann II.<br />

S.159/Z.8: wegen meiner Märsche = Rh. scheint einige Marsche<br />

für das liechtensteinische Militärkontingent<br />

geschrieben zu haben. Es ist nicht<br />

mehr zu eruieren, ob sie nicht angekommen<br />

sind, oder ob sie später verloren gingen.<br />

Z.38: Tonkünstler Schaedler = Die Tonwarenfabrik<br />

Gebr. Schaedler in Nendeln, gegr. 1836, ist<br />

der erste eigentliche Industriebetrieb in<br />

Liechtenstein.<br />

S.162/Z.29: . . .for er kommt = ehe er kommt (mundartlich)<br />

Z. 35ff: Uebertragung:<br />

Dem Matscherle, Lisi, der Mutter und der Seffa<br />

(Josefa) em Briefchen aus MOnchen. Dem<br />

Matscherle.' Auch noch em Briefchen.<br />

Ich muss noch schauen, was das Matscherle<br />

noch alles macht, denn es hat mir schon lange<br />

nicht mehr geschrieben. Schlägst Du auch<br />

immer fleissig die Tonleitern und weinst<br />

nicht dabei? Was macht denn Lisi, den muss<br />

ich auch noch schreiben.<br />

S.163/Z.l2: 'Sesseledadm' = das Wort, das auch in anderer<br />

Schreibweise wiederkehrt, scheint romanisch<br />

zu sein. Eine Erklärung konnte nicht gefunden<br />

werden.<br />

Z.13: Aber die Federa got numma, und i mag o nümma<br />

meh = Aber die Feder geht nicht mehr und auch<br />

ich mag nicht mehr.


331<br />

S.173/Z.9: Dreischwestern = Gebirgskette im Fürstentum<br />

Liechtenstein<br />

S.176/Z.1: I wäss ger nut meh = Ich weiss gar nichts<br />

m eh r.<br />

Z. 9: dad der Fetz saga = wiJrde der Fetz. (Hofkapian<br />

in Vaduz) sagen.<br />

S.177/Z.12: Gopfen = Oberteil des Hutes<br />

S.178/Z.6: Ful's Lisi = Faules Lisi<br />

Z.13: Pfüat'ne Gottf An anders mal. = Behüt Euch<br />

Gott! Em anderes Mal. (Abschiedsgrussforin<br />

in Liechtenstein)<br />

S.182/Z.26f: Sag ihr: Ii d'jaden Anton... = Sag ihr: Der<br />

(?) Anton soil mit einem Glas Wein aufs<br />

Kristkindl kommen. - Rh. hatte von seiner<br />

Mutter das Romanische wohi verstehen und<br />

auch ebwas sprechen geiernt. Seine Schreibweise<br />

ist jedoch ohne jede Regel und vermutlich<br />

durchsetzt von mundartlichen Ausdrücken,<br />

was die Uebertragung sehr erschwert.<br />

S.187/Z.2i: 'Samiklos' = St. Nikolaus, hier synonym mit<br />

"Chri stkindchen".<br />

S.189/Z.i4: Schnyder v. Wartensee = Xaver Schnyder von<br />

Wartensee (1786-1868), Schweizer Komponist,<br />

Musikiehrer in Frankfurt am Main.<br />

Z.16: . . .spanischen Tänzerinnen = Anspielung auf<br />

die Affäre des Königs von Bayern mit der<br />

Tänzerin Lola Montez, die zur Abdankung<br />

Ludwigs I. führte.<br />

S.i93/Z.28: 'Giggermarti' (auch 'Gigerrnarti7 = Geigermartin<br />

(Hausname)<br />

S.198/Z.4: Operntext = "Lucius Auia" Grosse Oper von<br />

G. A. Hemmerich. (Unvoilendet)<br />

S.199/Z.24: Seveien = Schweizer Nachbargneinde von Vaduz<br />

S.200/Z.24: "Kelbe" (St. Benno) = Kirchweihfest (Fest<br />

des Hl. Benno: 16. Juni)<br />

S. 201/Z. 22ff: Uebertragung:<br />

Jetzt gesegne es GottH! So, jetzt ware ich<br />

fertig. Jetzt was Hanni gegessen - eine Suppe,<br />

em Brötchen und em Salätchen und 1/2<br />

Bier (oder Birne?). Und Du einen Riebel


332<br />

(Speise aus angebrühtem und geröstetem Türkenmehi.<br />

Vgl. auch S.5/Z.28)und Polenta und<br />

eine Erbssuppe und Kohlraben und Maluns (Bündner<br />

Speziaiität), fuidieivai (romanische Anrede<br />

bei Predigten in phonetischer Schreibweise:<br />

Liebe christgiäubige) romanisch guten Abend,<br />

guten Tag (sessel ed ada? vgi. S.163/Z.12),<br />

Gross-Landammanns (=G.rossvaters) Schwein.<br />

(pietch = pirtg?). Der Jakob Anton soil<br />

einen Nachttopf bringen oder so etvas.<br />

S.20l/Z.32: Böxle = Döschen<br />

Z.33ff: . .. -perstenkeingeld = Anspielung auf die standigen<br />

finanziellen Schwierigkeiten seines Wirtes<br />

Perstenfeid.<br />

lot di grüzza... = lässt dich grüssen, und<br />

gibt dir em Küsschen, halt, ja halt, ja halt<br />

em gutes, jetzt behüte dich Gott, befohlen<br />

zu grüssen (bündner Redensart der Mutter)<br />

und schreibt bald an semen Bruder...<br />

S.205/Z.39: Maria Geburt = 8. September<br />

S.2l4/z.2: "neuen Suser" = Sauser, Wein bei beginnender<br />

Gärung. Der Weinbau hatte irn 19. Jahrhundert<br />

eine grössere Bedeutung in Liechtenstein als<br />

heute.<br />

S.217/Z.5: Tatzen = Schläge mit einern Stock auf die offene<br />

Hand, Strafe für unfoigsame Schüler in<br />

den unteren Klassen.<br />

Z.20: vom Schloss = Schloss Vaduz<br />

5.21 8/Z.2: .. .duath allewil sti. . .a = tut immer stinkeh<br />

das moeth mit... = das möchte mit Singeris<br />

Nikia liebkose,n...<br />

Z.1l: an Stotza Geld = viel Geld<br />

S.223/Z.15: gibt a bez Unterricht = gibt em wenig Unterricht<br />

(mundartlich).<br />

S. 228/3 5ff: dass er's so witt träga muass... = . . .dass<br />

er es so weit tragen muss. Hie und da reden<br />

wir dann zur Uebung im liechtensteiner Dialekt.<br />

So, Tonele (=Diminutiv von Anton),<br />

jetzt weiss ich nichts mehr.<br />

S.229/Z.5: Jetz wäss ich aber bigoscht nut meh' = Jetzt<br />

weiss ich aber bei Gott nichts mehr.


333<br />

S.230/Z.28: Befola z'grütza = Befohlen zu grüssen (Redensart<br />

der Mutter, vgl. S.201/Z.33ff.)<br />

Z.31: "förchtig gschied" = fürchterlich gescheit<br />

2.34:. Ha, mänst net o? = He, meinst Du nicht auch?<br />

S.232/Z.8: Banquier Maier & Comp. = Humoristisch für<br />

J.J.Maier, der seine Finanzen verwaltete.<br />

S.234/Z.8: Ich dhua dr schrieba... = Ich schreibe Dir,<br />

weil ich nichts weiss, (im Monat Mai ist es<br />

fürchterlich heiss)<br />

Z.21: Foha mer weeder vo forna a = fangen wir wieder<br />

von vorn an.<br />

Z.23: Batzen = Geldstücke<br />

Z.26ff: 1st d'Mutter scho...= 1st die Mutter schön,<br />

gibt es viele Kirschen? Gibt es Aepfel in der<br />

Esla (=Isla, Flurnamen in Vaduz)? (Nun musste<br />

ich niessen.') Ich habe an einen guten Schnupftabak<br />

gedacht, dabei habe ich nicht eirimal eine<br />

kleine Prise in meiner Tasche, (ich wolite<br />

sagen) in der Dose, ja, da ist auch nichts---<br />

Jetzt will ich Dir eine kleine Geschichte erzäh1en<br />

Z.37: (Dia Gschecht ist wohr!) = Diese Geschichte<br />

ist wahr<br />

S. 23 5/2. 1ff: Uebertragung:<br />

Balzner: Ja, wenn Sie schon in Liechtenstein<br />

waren, dann sagen Sie mir doch den Namen eines<br />

LiechtensteinerS.<br />

1. Handwerksbursch: Der Rentmeister<br />

Balzner: Ja, das ist em grosser (-berühmter)<br />

Mann, den kennt man überall.<br />

II. Handwerksbursch: Der Balzner Mü11er<br />

Balzner: Ja, das hat Euch der Pfarrer gesagt!<br />

I. Handwerksbursch: Aber der Egidi (=Egidius)<br />

in Balzers mit semen Koga (-mundartlich derb<br />

für unfolgsame Haustiere, auch Kinder)<br />

Balzner: Jetzt glaube ich aher, dass Ihr dort<br />

wart, aber meine Herren Seid Ihr denn nicht<br />

die Söhne des Rentmeisters? Ich habe Euch<br />

doch an Eurem Aussehen erkannt.<br />

Diese Geschichte ist wahr...


334<br />

S.237/Z.28: Gotta Sepp = Gotta mundarti. für Patin, Sepp<br />

ist vermutlich der Mann der Patin.<br />

S.247/Z.25: Kochlerjobben = Lodenjacke<br />

Z.31: Schlinge = gestrickte Halsbinde<br />

S.248/Z.34: (Bühel Hiltis Schloss) = Hausname in Schaan,<br />

Schloss = Anspielung auf die Ueberreste<br />

des römischen Kastells, auf dessen Gebiet<br />

das Wohnhaus der Bühel (oder Büchel) Hilti<br />

stand?<br />

Z.36f: wean ich über Wianächta... = wean ich über<br />

die Weihnachtstage zuhause ware, hätte ich<br />

dir noch viel zu sagen. Ich wünsche em glückseliges<br />

neues Jahr<br />

S.249/Z.39: Schweizerkrieg = Neuenburg (Neuchätel) gehorte<br />

zur Schweiz, unterstand aber als Fürstenturn<br />

dem König von Preussen. Nach einern royalistischen<br />

Aufstand in Neuenburg weigerte sich<br />

die Schweiz, die Gefangenen herauszugeben.<br />

Preussen drohte 1856 mit Krieg, der jedoch<br />

durch Vennittlung anderer Staaten vermieden<br />

werden konnte.<br />

S.250/Z.2: Schwitzhoppma = Schweizerhauptmann<br />

Z.9: Dufour = Schweizer General (vgl. S.11l/Z.39)<br />

Z.21: Neujahrszopf = Buttergebäck in Form eines<br />

Zopfes<br />

S. 253./Z. 30ff: Uebertragung:<br />

Liebes Mali!<br />

Also so gross bist Du nun geworden, dass Du<br />

auch auf Bälle gehst? Du bist gewiss eine<br />

recht magere Hopfenstange geworden! Nicht<br />

wahr! Lisi hat mir das geschrieben. Du habest<br />

meine Polka beim Landvogt gespielt, gewiss<br />

recht schdn? Hast Du auch getanzt?<br />

Spielst Du auch fleissig auf dem Klavier?<br />

Spielst Du auch die Orgel? Der Lehrer kann<br />

gewiss meine Messe recht schön spielen!<br />

Die werden auch schön singen. Und mein Heilig-Geist-Lied<br />

gefällt also den Musikanten<br />

auch nicht mehr. 1st es wahr, dass sie es<br />

nicht mehr sin gen? Wean ich nach einiger


335<br />

Zeit wieder einmal nach Hause komme, will ich<br />

diesen Lumpen zeigen, was für em Heilig-Geist-<br />

Lied gesungen werden muss. Der Pfarrer möchte<br />

dieses Lied gewiss-gewiss lieber hören als<br />

das andere Dudl-Dum.<br />

Ich glaubte, dass mit der Zeit alle Leute in<br />

der Kirche geweinsam sin gen sollen. Aber für<br />

das Musikantengesindel komponiere ich nicht<br />

mehr, kein Nötchen mehr, kein Schwänzchen von<br />

einem Nötchen, fürwahr, fürwahr! Habe ich etwa<br />

nicht Recht? Die Leute verstehen einen Dr. . .J<br />

(das ist em Eck)<br />

War Wagus schon bei Euch? Ich gabe ihm brühwarme<br />

Grüsschen für das Mat scherle mit. Das<br />

ist aber em schönes Herrchen, und fast so<br />

gross wie David. Hat er Euch recht viel er-<br />

z ähl t?<br />

Kommt Peter oft nach Vaduz hinunter? Ich habe<br />

ihm einmal em Briefchen geschrieben, damit<br />

er nicht immer sagen braucht, ich sei em fauler<br />

Bursche. Ich habe immer und überall herum<br />

Briefe geschrieben, und habe auch viel zu tun,<br />

ich kann nicht immer nach Hause schreiben, bald<br />

an David, bald dem Lisi, bald deizz"Ton,i, bald<br />

dew Peter, bald dem Tatsch und bald dew Mat-<br />

scherl e.<br />

Nun muss ich Dir, sobald ich viel übriges Geld<br />

besitze, Musikalien schicken und auch das II.<br />

Heft von Cramers Etüden. Da kann das Gespele<br />

(-unruhiaps Kind) wieder auf dew Klavier herumhaspeln<br />

und nicht zählen und weinen, wenn es<br />

nicht gerade üben will, wenn ich daheim ware,<br />

wollte ich es Dir schon zeigen, so aber musst<br />

Du es allein lernen, ich kann Dir nicht immer<br />

helfen, fürwahr, fürwahr!<br />

Jetzt sage der Mutter, dass ich sie lieb habe<br />

und sie soll Dir für mich eine kleine Prise<br />

Tabak in die Nase stopfen, oder dew Lisi, das<br />

schnupft gewiss auch schon heimlich. Ich habe<br />

wegen dew der Näherin, die ihm sein Kleid ge-


S. 259/Z. 35f:<br />

S. 260/Z. 1:<br />

Z. 16:<br />

S. 264/18f:<br />

S. 265/Z. 5f:<br />

S. 266/Z. 23:<br />

Z. 24f:<br />

S. 267/Z. 171:<br />

Z. 21f:<br />

Z.23:<br />

Z. 251:<br />

Z.31f:<br />

336<br />

näht hat, gesagt, sie solie ibm auch noch em<br />

geheimes Täschchen an das Ballkleid nähen für<br />

die Tabakdose, und die Näherin hat es mir versprochen,<br />

man muss immer an alles denken, und<br />

das Lisi soil mir nichts nachtragen, wenn ich<br />

ibm hätte das andere schicken sollen, aber das<br />

Lisi ist eine çrute Meanka (=Jammertasche) und<br />

hatt gerade die Feder eingetunkt und hat mir<br />

das Restchen vom Geld geschickt, und deswegen<br />

bin ich nicht verj t. (Das ist auch em Eck.)<br />

Jetzt behüte Dich Gott. Und sei bray, fürwahr,<br />

.fürwahr, sonst schreibt Dir Dein Brüderchen<br />

kein Briefchen mehr...<br />

Lichtensteig = Ortschaft im Toggenburg (Kanton<br />

St. Gallen)<br />

Uznach = Ortschaft im Kanton St., Gallen<br />

in "d 'Mule" = in die Mühle<br />

i"S' müsst s 'enk fein benemma..." = Ihr müsst<br />

euch I em benehmen, wenn wir zusammenkommen..."<br />

Rh. parodiert bier den Tiroler Dialekt seines<br />

Lebrers Sebastian Pdhly.<br />

Wenn die Mutter... = Wenn die Mutter eine kleine<br />

Prise nimmt, soil sie dem Mali oder dem Lisi<br />

für mich auch eine: geben.<br />

mein Hi. Geist = das von ibm komponierte Heilig-<br />

Geist -Lied.<br />

Oder duaths no grad a so örgala = Oder spielt<br />

es nur mehr schlecht als recht die Orgel?<br />

Uebertragungen:<br />

Da bekommt man Durst, wenn es so heiss ist.<br />

Da hast Du den Profit, nun kann ich es noch<br />

einmal schreiben.<br />

Gebt Dein Geschäftchen gut, soil ich Dir gelegentlich<br />

einmal einen Geseilen schicken?<br />

es hat aher nicht einmal ordentlich gebrannt,<br />

die dummen Leute liessen es nicbt<br />

brennen, sie haben es nach einer 6/2 Stunde<br />

schon geiöscht gehabt.<br />

(und ich auch) und das Dümmste war, dass<br />

man für das Löschen noch zahien musste.


337<br />

S.268/Z.11: deutsche Vereinsthaler = Auf Grund des "Wiener<br />

Münzvertrages" von 1857 gaben die deutschen<br />

Bundesstaaten Silbennünzen heraus, die<br />

in allen Mit gliedslandern des Deutschen Bundes<br />

gultig waren. Diese Münzen nannte man Vereinsthaler.<br />

Liechtenstein präqte als erste eigene<br />

Münze,n semen Vereinsthaler im Jahre 1862.<br />

Z.l9ff: Jetzt, Brüderle... = Jetzt, Brüderchen, behüte<br />

Dich Gott! Am Freitag urn 9 Uhr Abends trinke<br />

ich em Schöppchen (oder 2) auf Dein und Davids<br />

Wohl. Und am Freitag (den 3. Juli) urn 9 Uhr<br />

rnusst Du und David (wenn er nicht erkältet ist)<br />

em Gläschen trinken aufs Wohl Deines Bruders<br />

S.270/Z.15f:<br />

Pepi Rheinberger<br />

München, den so und sovielten...<br />

...so hätt's es... = so ware dies für eine kleine<br />

Alpenpa.rtie gegangen...<br />

Z.17: Fast as wia der Kasperi-Gass = Beinahe wie die<br />

Kasperi-Gass (Gasse in Vaduz).<br />

Z.19: Schloss = Schloss Vaduz war damals Gastwirtschaft.<br />

S.271/Z.25: . . .ka si, aber globa duane's net = . . .kann wohi<br />

S.273/Z. 9:<br />

sein, ich glaube es aber nicht...<br />

(der "Riech") = der Reiche<br />

S.277/Z.8: Pföhn = Föhn (mundartlich)<br />

Z.13f: Macht d'Muater hür... = Macht (dörrt) die Mutter<br />

heuer auch viele Apfelschnitze. Grüsse<br />

mir auch den Kaplan Fetz.<br />

Z.34: "heimini" = Nach seiner Pensionierung musste<br />

Rentmeister Peter Rheinberger die Dienstwohnung,<br />

in der Josef aufgewachsen war, verlassen.<br />

Er zog "heimini" (heim hinein) in sein<br />

altes Vaterhaus. Dieses trug die alte Hausnummer<br />

19 und stand an der Stelle, wo heute<br />

das Bürohaus Städtle 36 steht. Josef konnte<br />

sich nur sehr schwer mit diesem Wohungswechsel<br />

abfinden. (vgl. auch Ss. 280 und 289)<br />

S.279/Z.37: Jesuiten = In Feldkirch begründeten die Jesuiten<br />

wit ihrer Internatsschule "Stella matutina"<br />

den weitweiten Ruf Feldkirchs als "Studierstädtchen".


338<br />

S.281/Z.21: "Törka und Wi" = Türken (=rheintaler Mais) und WeiE<br />

S.283/Z.21: Kunt hür der Samikios = Kommt heuer der St. Nikolaus?<br />

S.284/Z.20: Hätt er öppa d'Strucha... = Hat er etwa den Schnupfen,<br />

dass ich nichts von ihni bore?<br />

Z.23ff: Jez, Bruader... = Jetzt Bruder, behüte Dich Gott<br />

und schreibe bald deinern Brüderchen in München<br />

draussen, des da heisst Josef Rheinberger.<br />

S.285/Z.37: David's Namenstag = 30. Deznber<br />

S.290/Z.l: Frau von Hoffnaass = Franziska (Fanny) von Hoffnaass,<br />

geb. Jägerhuber (1832-1892), spätere Gattin<br />

Josef Rheinbergers.<br />

S.293/Z.9f: ...so's duan's di no ploga... = sonst plagen sie<br />

dich nur...<br />

Z.17: (gib am a KOsle fOr mi) = gib ibm em Küsschen<br />

für mich (=in meinem Namen)<br />

Z.23: . . .schOnen Bergerin (a la Messmeri) = schöne Triesenbergerin<br />

(àhnlich der Mesmersfrau)<br />

Z.3l: Gwöss weder an Romansch? = Gewiss wieder em<br />

manisch-sprechender Graubündner. (Viele Geistliche<br />

in Liechtenstein stammten damals aus Graubünden.)<br />

S.295/Z.32: Letzthin las ich... = Die Eisenbahnlinie Rorschach<br />

Chur konnte erst am 30. Juni 1858 erOffnet werden.<br />

S.297/Z.4: Rhibergari = Rheinbergerin<br />

Z.l9: Hof=Argelist = humoristisch für Hof-Organist<br />

S.300/Z.33f: (wenn er z'Strucha net hat...) = wenn er nicht den<br />

Schnupfen hat und sein Pfeiflein gut brennt.<br />

S.304/Z.19: bsun = der = bar = bsunderbar (sonderbar)<br />

S.305/Z.35: "Kib" = Schelte<br />

S.306/Z.9: Allerseelenoctav = In der Woche nach Allerseelen<br />

(2. November) wurden täglich Messen für die Verstorbenen<br />

gel esen.<br />

Z.27: Vaduzer Real-Schule = Durch eine Stiftung von<br />

20 000 fl hatte der Arzt Dr. J.L.Grass, Sohn des<br />

"Chirurgen" Grass (vgl. S.3/Z.37), die Schaffung<br />

einer Landesrealschule ermOglicht. Am 8. Oktober<br />

1858 war die erste Aufnahmeprüfung, die 21 von<br />

22 Kndida ten bestanden.<br />

S.307/Z.32: Hr. Hinger = Anton Hinger, Lehrer an der yolksschule<br />

in Vaduz. H. schrieb eine kurze Biographie<br />

Z.34: Bürgermeister Marxer = Johann Georg Marxer, 1857-1<br />

Richter von Vaduz (ab 1861 offiziell mit dem Titel<br />

"Bürgermeis ter")


339<br />

Rheinbergers (Anton Hinger - Josef Rheinberger.<br />

Eine kurze Biographie. Mit Portràt.<br />

In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das<br />

Fürstentum Liechtenstein, Dritter Band,<br />

Vaduz 1903. S. 166ff.)<br />

S. 308/Z. 9: "Pföhän" Föhn<br />

S.309/Z.38f: . ..der Tod unseres Fürsten... = Fürst Alois II.<br />

von Liechtenstein starb am 12.November 1858<br />

Z.40f: . . .jetzigen Fürsten Johann... = Nachfolger<br />

des verstorbenen Fürsten Alois wurde sein<br />

l8-jähriger Sohn Johann II., der 71 Jahre lang<br />

(bis 1929) regierte<br />

S.313/Z.28f: . . .Lehrer Hinger lege ich das Versprochene<br />

bei... = vermutlich die Vesper in Es-dur, JWV 104,<br />

(für kleine Landchöre) zu 4 Sin gstimmen und Orgel,<br />

die Rh. im August 1858 in Vaduz komponiert<br />

ha tt e.<br />

S.314/35f: Em hlBsundrigaU Doktor! = Em ganz besonderer<br />

(auch im Sinne von "sonderbarer") Doktor!<br />

S.3l6/1 Of: Verleger Peters in Leipzig... = 1859 erschienen<br />

bei C.F.Peters in Leipzig Rheinbergers<br />

"Vier Klavierstücke" op. 1, Herrn Emil Leonhard<br />

gewidmet. Mit diesen ersten gedruckten Kompositionen<br />

beginnt der Komponist eine neue Zählung<br />

seiner Werke.<br />

S.3l8/Z.28: (zum alten Arndt) = Ernst Moritz Arndt (1769-<br />

1860), pout. Schriftsteller, Erzähler und Lyriker.<br />

Seit 1818 prof. für Geschichte in Bonn.<br />

Mit glied des Frankfurter Parlamentes.<br />

S.319/Z.lO: Krieg = Italienische Befreiungskriege mit führender<br />

Rolle von Giuseppe Garibaldi, in denen<br />

Oesterreich die Lombardei an Italien und Frankreich<br />

verlor.<br />

Z.34: Wenn H. Onkel Carigiet Bischof von Chur wird...<br />

= Jakob Anton Carigiet wurde nicht Bischof<br />

(vgl. S.l3/Z.35).

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