Zeitung der Clara schumann Musikschule - Margret von Conta
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28<br />
–<br />
SchmökerEcke<br />
Pascal Mercier<br />
Der Klavierstimmer<br />
Roman<br />
509 Seiten<br />
btb Taschenbücher<br />
ISBN: 978-3442726547<br />
10 €<br />
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Norbert Laufer<br />
Pascal Mercier wurde 2004<br />
mit seinem dritten Roman<br />
Nachtzug nach Lissabon einem<br />
breiten Publikum bekannt.<br />
Seine Erzählweise fand bei sehr<br />
vielen Lesern Gefallen, obwohl<br />
sie stets Aufmerksamkeit und<br />
Mitdenken for<strong>der</strong>t. Aber eben<br />
auch das Mitfühlen kommt<br />
nicht zu kurz. In zweien seiner<br />
Romane stehen Musiker im<br />
Mittelpunkt: Der Klavierstimmer<br />
<strong>von</strong> 1998 erweist sich als<br />
passionierter – aber erfolgloser – Opernkomponist; die<br />
junge Geigerin „Lea“ aus seinem bisher jüngsten Roman<br />
<strong>von</strong> 2007 gerät in eine Lebenskrise. Von Anfang an lässt<br />
Merciers Sprache in ihrem Tonfall erkennen, dass die Geschichten<br />
auf Krisen zusteuern. Der Autor lässt <strong>von</strong> vorne<br />
herein und Stück für Stück durchsickern, worum es sich<br />
handelt, aber schon bevor man Details weiß, schwingt<br />
etwas Dräuendes, Unheilverkündendes mit. Sogar aufkeimen<strong>der</strong><br />
Fröhlichkeit wird auf diese Weise sämtliche<br />
Leichtigkeit entzogen, sie erscheint in fahlem, farblosem<br />
Licht. Lesestoff also für die kommenden Herbstwochen.<br />
In Büchereien findet man Merciers Romane übrigens oft<br />
unter seinem bürgerlichen Namen Peter Bieri einsortiert. Er<br />
ist Philosoph, wurde 1944 in Bern geboren und war an verschiedenen<br />
Hochschulen Deutschlands tätig. Daher rührt<br />
seine Freude am genauen Denken und Formulieren – allerdings<br />
ohne dass es kopflastig wird. Und dass Bieri alias<br />
Mercier sich auch im Fach Musik auskennt, beweist er immer<br />
wie<strong>der</strong>, wenn er geradezu schwärmerisch über Opern<br />
o<strong>der</strong> Violinliteratur schreibt.<br />
Lebenskrisen<br />
eines verkannten<br />
Komponisten<br />
und einer Geigerin<br />
Patricia und Patrice sind Zwillinge<br />
und die Kin<strong>der</strong> des verstorbenen Klavierstimmers,<br />
<strong>der</strong> unter den Studenten<br />
und Musikern Berlins als Monsieur<br />
Frédéric bekannt ist. Was niemand<br />
weiß: Monsieur Frédéric war passionierter<br />
Opernkomponist. Er hat in<br />
seinem Leben 14 Opern geschrieben,<br />
fast alle erfolglos. Wie es scheint,<br />
eiferte er dem Verismus Verdis und<br />
Puccinis nach – und war damit ein<br />
zu spät Gekommener. Die Familie<br />
ist lange zerbrochen: Die Zwillinge,<br />
durch heimliche Liebe zueinan<strong>der</strong><br />
verbunden, zogen nach Paris und<br />
Südamerika. Doch nun, einmal in<br />
seinem Leben, kommt eine positive<br />
Antwort auf seine Päckchen, in<br />
denen er mit großer Regelmäßigkeit<br />
seine Partituren an die Opernhäuser<br />
Europas schickte. Eine Uraufführung<br />
scheint bevor zu stehen. Doch auch<br />
dieser Plan zerbricht: gut gemeinte<br />
Intervention seiner Frau kehrt sich<br />
unausweichlich in ihr Gegenteil um.<br />
Die Frau des Klavierstimmers begeht im<br />
Opernhaus einen Mord, bevor sie sich<br />
Pascal Mercier<br />
Lea<br />
Novelle<br />
256 Seiten<br />
btb Taschenbücher<br />
ISBN: 978-<br />
3442737468<br />
9 €.<br />
selbst tötet; er selbst erliegt einem<br />
Herzversagen. Und nun ist es Aufgabe<br />
des Sohnes, die Wohnung leer zu<br />
räumen. Aber er nutzt noch die Zeit,<br />
bevor er wie<strong>der</strong> nach Chile fliegt,<br />
um sich die Opern auf dem Klavier<br />
vorspielen zu lassen. Und Patrice<br />
und Patricia schreiben sich fortan<br />
in mehreren Heften die Geschichte<br />
ihres jeweiligen Lebens.<br />
Der Leser bekommt also Stück für<br />
Stück die Familiengeschichte mitgeteilt,<br />
<strong>von</strong> den Großeltern mit <strong>der</strong>en teils<br />
musikalischer Herkunft bis in die<br />
Gegenwart. Aus diesen Schil<strong>der</strong>ungen<br />
und Gedanken – mal aus Sicht<br />
des Sohnes, mal <strong>der</strong> Tochter – ergibt<br />
sich ein Bild, das das Verhalten <strong>der</strong><br />
Mutter und des Vaters erklärt. Und<br />
nicht nur das ist lesenswert, son<strong>der</strong>n<br />
auch die vielen Neben- und Parallel-<br />
Handlungen.<br />
Opernliebhaber aufgepasst: Einen<br />
so schön melodramatischen Mord hat<br />
man selten gelesen zur Musik <strong>von</strong> Tosca.<br />
Am besten dazu die CD auflegen.