Stefan Kagl wurde 1963 in München geboren und nahmPrivatunterricht bei Klemens Schnorr und Peter Schammberger. Erstudierte an der Münchner Staatl. Hochschule für Musik (bei KlemensSchnorr) und an der Schola Cantorum in Paris (bei Jean Langlais undMarie-Louise Langlais), sowie am Conservatoire Supérieur de Paris(CNR). Er errang den „Prix de Virtuosité“ an der Schola Cantorumund legte das A-Examen für <strong>Kirchenmusik</strong> und die künstlerischeStaatsprüfung <strong>im</strong> Hauptfach Orgel an der Münchner Musikhochschuleab. Am Conservatoire Supérieur de Paris errang er den „Premier Prix“und den „Prix d´Excellence“. Seine Paris- und London-Debüts 1988in der Kathedrale Notre-Dame de Paris und in der St. Paul´s CathedralLondon mit Werken von Reubke und Langlais eröffneten seineerfolgreiche Konzertlaufbahn, die ihn in alle wichtigen Kathedralen,Kirchen und Konzertsäle Europas und Russlands führte (u.a.Mariinsky-Konzertsaal be<strong>im</strong> Festival „Stars of the White Nights2011“). Er ist 1. Preisträger des internationalen César-Franck-Wettbewerbs St. Bavo/Haarlem(Holland). Von 1991-96 war er Stadt- und Bezirkskantor in Bad Kissingen und von 1997- 2002Kantor der beiden Hauptkirchen <strong>im</strong> thüringischen Rudolstadt. Seit Juli 2002 ist Stefan Kagl Kantorund Organist am Münster <strong>zu</strong> Herford und künstlerischer Leiter des „Herforder Orgelsommers“. AlsChorleiter hat er alle wichtigen Oratorien und chorsymphonischen Werke einstudiert und dirigiert.Seit 2005 ist er Dozent für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation an der Hochschule für<strong>Kirchenmusik</strong> Herford. Rundfunk- und CD-Einspielungen (u.a. 2007 zwei Aufnahmen mitTournemire und Langlais bei Motette-Ursina, 2008 das Orgelwerk von John Ireland bei cpo und2010 die CD „10 Jahre Herforder Orgelsommer“ bei Motette) sowie Veröffentlichungen inFachzeitschriften runden sein Tätigkeitsfeld ab.John Nicholson Ireland wurde am 13.8.1879 in Bowdon in der Nähe von Manchester geboren. Erzeigte früh musikalische Interessen. Im Alter von nur 14 Jahren ging er 1893 selbständig nachLondon und konnte sich somit am dortigen neuen Royal College of Music entfalten und entwickeln.1904 wurde Ireland Organist und Chorleiter an der St. Luke’s Church, Sidney Street, Chelsea. Erbehielt diese Stelle auch während des ersten Weltkrieges bis in die Mitte der 20er Jahre inne, bis erKompositionsprofessor am Royal College of Music wurde. Irelands patriotischer Epic March wurdevon der BBC mitten <strong>im</strong> 2. Weltkrieg in Auftrag gegeben und in der Royal Albert Hall <strong>im</strong> Rahmender berühmten Promenadenkonzerte unter der Leitung von Sir Henry Wood mit großemSymphonieorchester uraufgeführt. Schon damals hatte Ireland der Orgel dabei eine bedeutendeRolle <strong>zu</strong>gedacht. 1988 transkribierte Robert Gower das Stück für Orgel solo. Alexander Borodinwar von Beruf (Militär-)Arzt und wandte sich als komponierender Dilettant der Musik <strong>zu</strong>. Er wurdeMitglied der „Gruppe der Fünf“ (mit Balakirew, Cui, Mussorgsky und R<strong>im</strong>sky-Korsakow), die alsdas „Mächtige Häuflein“ gegen die „westlichen Einflüsse“ für eine echt russische Musik kämpften.In seiner Kammermusik, seinen drei Symphonien, wie in der berühmten „Steppenskizze ausMittelasien“ und vor allem in seiner Oper Fürst Igor verbinden sich Einflüsse der russischenVolksmusik mit der Neigung <strong>zu</strong> orientalischem Kolorit und einer avancierten Harmonik, die aufden Impressionismus Debussys vorausweist. Die Polowetzer Tänze bilden den bekanntesten Teilder 1890 uraufgeführten Oper „Fürst Igor“. Im zweiten Akt der Oper veranstaltet Kontschak, derFürst („Khan“) der Polowetzer, eines turksprachigen Nomadenvolks, ein Fest. Um seinenGefangenen, den russischen Fürsten Igor <strong>zu</strong> beeindrucken und ab<strong>zu</strong>lenken, befiehlt der Khanseinem Volk <strong>zu</strong> singen, <strong>zu</strong> tanzen und die Macht und Größe ihres Herrschers <strong>zu</strong> preisen. Dabeiwechseln zarte, romantische Liedmelodien mit rasanten, rhythmisch-stampfenden Tanzpassagen.Die Konzertfassung der Polowetzer Tänze verzichtet auf den Chor und setzt allein auf dieFarbenpracht des groß besetzten Orchesters. Die Orgelfassung folgt dem Original mit leichtenKür<strong>zu</strong>ngen und Veränderungen: Insgesamt vier Tänze, die unterschiedlichen Personengruppen<strong>zu</strong>geordnet sind (Mädchen, Männer, Knaben) werden von Borodin in die kunstvolle Abfolge einerdoppelt gerahmten Bogenform gebracht. So ist das Thema der Einleitung gleichzeitig auch das derfuriosen Final-Coda (äußerer Rahmen) und erscheint <strong>zu</strong>dem <strong>im</strong>mer wieder als Kontrapunkt <strong>zu</strong>m
Thema des wilden Tanzes der Männer. Dieser Tanz erklingt ebenfalls zwe<strong>im</strong>al (innerer Rahmen).Mitte und Höhepunkt des Werkes bildet die Wiederkehr der orientalisch gefärbten Melodie desTanzes der Mädchen in Kombination mit dem Thema des Tanzes der Knaben. Auch für ModestMussorgsky, das zweite und wohl bedeutendste Mitglied des „Mächtigen Häufleins“, war dieMusik <strong>zu</strong>nächst nur „Nebenberuf“: Der Offizier, dessen unstetes Leben <strong>im</strong>mer wieder vor allemdurch Alkoholismus gefährdet war, wandte sich schließlich ganz dem Komponieren <strong>zu</strong>. Er folgtedabei jedoch nicht den Regeln des akademischen Betriebes - Mussorgsky war Autodidakt - sondernden inneren Zwängen seines Herzens, das leidenschaftlich für das unter Unterdrückung leidenderussische Volk schlug. Unter seinen mehrheitlich unvollendeten Opern ragt das Meisterwerk derrussischen Oper schlechthin, sein Boris Godunow heraus. Kurz nach der Uraufführung diesesmusikalischen Volksdramas <strong>im</strong> Jahre 1874, machte sich Modest Mussorgsky an die Kompositioneines mehrsätzigen Klavierwerkes, das er Bilder einer Ausstellung nannte. Titel und Inhalt deutenauf ein autobiographisches Erlebnis hin: Im Jahre 1873 war der mit Mussorgsky befreundete Malerund Architekt Viktor Hartmann <strong>im</strong> Alter von nur 39 Jahren verstorben. An ihn erinnerte eineAusstellung seiner Werke in St. Petersburg, die Mussorgsky so beeindruckte, dass er beschloss,seinem Freund <strong>zu</strong>m Andenken eine Erinnerungskomposition <strong>zu</strong> widmen. Seine Eindrücke undErlebnisse be<strong>im</strong> Gang durch diese Ausstellung und bei der Betrachtung der Zeichnungen undKunstwerke des Freundes brachte er in Form einer 16 Sätze umfassenden Suite <strong>zu</strong>m Ausdruck.Zehn Bilder hat Mussorgsky für seine musikalische Ausstellung ausgewählt, von denen heute nurnoch fünf bekannt bzw. überliefert sind. Dabei macht der Vergleich von Bild und Musik deutlich,dass die statische Bildwirkung für den Musiker jeweils nur Ausgangspunkt für die Schilderungeines Bewegungsvorgangs war: Ob es das Hinken und Stolpern eines Zwerges, das von Ammenkaum gebändigte Spiel der Kinder, das schwerfällige Rollen eines Ochsenkarrens, der Disputzweier alter Juden oder der Streit der Marktweiber bis hin <strong>zu</strong>m Pandämonium eines Hexenritts ist –Mussorgsky hat für alle bewegten Bilder jeweils eine neue, hochoriginelle und <strong>zu</strong>kunftsweisendemusikalische Sprache gefunden. Die zehn Bilder werden jeweils eingeleitet bzw. verbunden durchsechs Promenaden: Vor- und Zwischenspiele, in denen der Komponist seinen Gang durch dieAusstellung sowie die durch die Bilder ausgelösten Empfindungen schildert.Das Thema aus Quarten und Sekunden, das die charakteristischen Merkmale des russischenVolksliedes aufweist, wird insgesamt sieben Mal zitiert, so dass sich das Gesamtwerk in insgesamtsieben Bildbetrachtungen gliedert, in denen jeweils ein oder zwei Gemälde vorgestellt werden. Diefast wörtliche Wiederkehr der einleitenden Promenade vor Bild VII markiert dabei gleichsam denEintritt in einen neuen Ausstellungsraum. Die dort <strong>im</strong> zweiten Saal ausgestellten musikalischenBilder bewirken eine noch stärkere innere Hinwendung <strong>zu</strong> dem verstorbenen Freund. Entsprechenderscheint das Promenadenthema in der Abfolge der Bilder VII-X nur noch als integrierterBestandteil der Bilder selbst: So in der Zwiesprache mit dem toten Freund (Con mortuis in linguamortua), bis hin <strong>zu</strong>r vollständigen Identifikation des Betrachters mit dem Betrachteten: Dasabschließende Schlussbild Das große Tor von Kiew, dessen Hauptthema aus dem Mittelteil derPromenade entnommen ist und in dem am Ende auch das Kopfmotiv der Promenade triumphalzitiert wird, zeigt dann die vollständige innere Übereinst<strong>im</strong>mung des Kunstwollens des Malers wiedes Musikers <strong>im</strong> Blick auf eine authentische russische Kunst.